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Document 62018TJ0661

    Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 8. Juli 2020.
    Securitec gegen Europäische Kommission.
    Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Wartung der Sicherheitsanlagen in den von der Kommission besetzten und/oder verwalteten Gebäuden in Belgien und in Luxemburg – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Vergabe des Auftrags an einen anderen Bieter – Eignungskriterien – Rechtswidrigkeit einer Klausel der Spezifikationen der Ausschreibung – Gleichbehandlung.
    Rechtssache T-661/18.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2020:319

     URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

    8. Juli 2020 ( *1 )

    „Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Wartung der Sicherheitsanlagen in den von der Kommission besetzten und/oder verwalteten Gebäuden in Belgien und in Luxemburg – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Vergabe des Auftrags an einen anderen Bieter – Eignungskriterien – Rechtswidrigkeit einer Klausel der Spezifikationen der Ausschreibung – Gleichbehandlung“

    In der Rechtssache T‑661/18,

    Securitec mit Sitz in Livange (Luxemburg), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Peuvrel,

    Klägerin,

    gegen

    Europäische Kommission, vertreten durch M. Ilkova, A. Katsimerou und J. Estrada de Solà als Bevollmächtigte,

    Beklagte,

    betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 7. September 2018, das Angebot der Klägerin für das Los 4 des Auftrags abzulehnen, der Gegenstand des nicht offenen Ausschreibungsverfahrens HR/R1/PR/2017/059 war und die „Wartung der Sicherheitsanlagen in den von der Europäischen Kommission besetzten und/oder verwalteten Gebäuden in Belgien und in Luxemburg“ betraf, sowie auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 17. September 2018, mit der diese es ablehnte, der Klägerin die genaueren Auskünfte zu erteilen, um die diese im Rahmen desselben Verfahrens am 11. September 2018 ersucht hatte,

    erlässt

    DAS GERICHT (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter P. Nihoul (Berichterstatter) und J. Martín y Pérez de Nanclares,

    Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2020

    folgendes

    Urteil

    Sachverhalt

    1

    Die Kommission leitete mit einer im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2018/S 064‑141552) veröffentlichten Auftragsbekanntmachung ein nicht offenes Ausschreibungsverfahren für die „Wartung der Sicherheitsanlagen in den von der Europäischen Kommission besetzten und/oder verwalteten Gebäuden in Belgien und in Luxemburg“ ein.

    2

    Der Auftrag umfasste sieben Lose. Das Los 4, um das es im vorliegenden Verfahren allein geht, trug die Bezeichnung „Wartung der Videoüberwachung (CCTV-Kamera), der Zutrittskontrolle, der unbewachten Zugangswege, Innenklappläden, Drehkreuze im Innenbereich, gesicherten Türen, Schlösser und Metallschränke zur Schlüsselverwaltung in Luxemburg (interner Dienst)“.

    3

    Für die erste Stufe des Ausschreibungsverfahrens, die Auswahlphase, war nach Abschnitt III.3.2.B („Berufliche Leistungsfähigkeit des Teams je Bewerber“) der Spezifikationen der Ausschreibung unter den an die Leistungsfähigkeit gestellten Mindestanforderungen verlangt, dass der Techniker in der Rolle des „Standortleiters“ des Bewerbers „eine Bescheinigung über eine umfassende Schulung zu einer Softwareplattform für das Sicherheitsmanagement des Unternehmens Nedap“ (im Folgenden: Nedap-Schulung) besitzt. Als Nachweis musste der Bewerber eine solche Bescheinigung „oder eine ehrenwörtliche Erklärung“ einreichen, „dass diese, im Fall des Zuschlags, spätestens fünf Tage nach der Unterzeichnung des Vertrags erworben wird“.

    4

    Für die zweite Stufe des Ausschreibungsverfahrens, die Vergabephase, bestimmten die Spezifikationen der Ausschreibung in Abschnitt IV.1: „Den Zuschlag erhält je Los das Angebot mit dem im Vergleich zu den übrigen formgerechten und vorschriftsmäßigen Angeboten niedrigsten Preis.“

    5

    Ursprünglich war der Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge der 30. April 2018. Durch eine am 28. April 2018 veröffentlichte Berichtigung wurde dieser Termin auf den 16. Mai 2018 verschoben.

    6

    Am 26. April 2018 reichte die Klägerin einen Teilnahmeantrag für das Los 4 ein. Fünf weitere Bewerber reichten Teilnahmeanträge für dieses Los ein.

    7

    Die Kommission ersuchte die Klägerin mit E‑Mails vom 13. und 26. Juni 2018 um genauere Angaben zu ihrer Bewerbung. Die Klägerin machte diese Angaben mit E‑Mails vom 19. und 28. Juni 2018.

    8

    Am 6. und 11. Juli 2018 stellte die Kommission aufgrund der eingereichten Dokumente fest, dass alle Bewerber einschließlich der Klägerin die Eignungskriterien erfüllten, und forderte sie deshalb auf, ihre Angebote bis spätestens 6. August 2018 einzureichen.

    9

    Ebenso wie zwei weitere Gesellschaften reichte die Klägerin ihr Angebot am 4. August ein.

    10

    Die Kommission teilte der Klägerin mit E‑Mail vom 7. September 2018 mit, dass der Auftrag an die Gesellschaft Omnisecurity SA vergeben worden sei, die das preisgünstigste Angebot gemacht habe, und dass ihr Angebot um 48,55 % höher gewesen sei als das des Auftragnehmers.

    11

    Die Klägerin bat die Kommission mit E‑Mail vom 11. September 2018, die Ablehnung ihres Angebots genauer zu begründen. Sie fragte namentlich, ob der Auftragnehmer über die nach Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung erforderliche Nedap-Bescheinigung verfüge, und gab an, nur sie selbst und eine andere Gesellschaft, die kein Angebot abgegeben habe, besäßen diese Bescheinigung in Luxemburg. Sie erkundigte sich weiter, ob der Auftragnehmer Unteraufträge vergeben habe und gegebenenfalls an welchen Unterauftragnehmer.

    12

    In ihrer Antwort vom 17. September 2018 auf diese E‑Mail verwies die Kommission auf ihre E‑Mail vom 7. September 2018, die alle den abgelehnten Bietern zu erteilenden Informationen enthalte, und verwies dazu auf Art. 113 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU, Euratom) 2015/1929 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Oktober 2015 (ABl. 2015, L 286, S. 1) (im Folgenden: Haushaltsordnung).

    13

    Die Kommission teilte mit E‑Mail vom 17. September 2018 mit, dass alle Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert worden seien, die Eignungskriterien einschließlich der in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Bedingung erfüllten und dass Auskünfte über die eventuelle Vergabe von Unteraufträgen durch den Auftragnehmer in der Bekanntmachung über vergebene Aufträge erteilt würden.

    14

    Der Rahmenvertrag für das Los 4 wurde am 19. September 2018 mit dem Auftragnehmer unterzeichnet. Die Bekanntmachung über vergebene Aufträge wurde im Amtsblatt vom 30. Oktober 2018 unter dem Zeichen 2018/S 209‑476275 veröffentlicht.

    Verfahren und Anträge der Parteien

    15

    Mit Klageschrift, die am 7. November 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

    16

    Das Gericht hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 seiner Verfahrensordnung aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen und schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien haben innerhalb der ihnen gesetzten Frist geantwortet.

    17

    Die Klägerin beantragt,

    die in den E‑Mails vom 7. und 17. September 2018 enthaltenen Entscheidungen für nichtig zu erklären;

    „alle weiteren erforderlichen rechtlichen Maßnahmen“ anzuordnen;

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    18

    Die Kommission beantragt,

    die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie gegen die angebliche Entscheidung vom 17. September 2018 gerichtet ist;

    im Übrigen die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen;

    der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

    Gründe

    Zum Gegenstand der Klage

    19

    Die Nichtigkeitsklage ist gegen die Entscheidungen gerichtet, die in zwei E‑Mails der Kommission enthalten sind, nämlich in der E‑Mail vom 7. September 2018, mit der die Kommission die Klägerin über die Ablehnung ihres Angebots unterrichtete, und in der E‑Mail vom 17. September 2018, mit der die Kommission auf das Auskunftsersuchen der Klägerin antwortete.

    20

    Die Kommission trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit sie gegen die in ihrer E‑Mail vom 17. September 2018 enthaltene Entscheidung gerichtet sei, da diese Entscheidung, die rein bestätigenden Charakter habe, keine „Handlung“ im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV sei. Tatsächlich habe sie dort lediglich auf die Informationen verwiesen, die in ihrer E‑Mail vom 7. September 2018 enthalten gewesen seien, mit der sie die Klägerin über die Ablehnung ihres Angebots, die Gründe dafür und die Identität des Auftragnehmers unterrichtet habe.

    21

    Die Klägerin überlässt die Entscheidung dem Ermessen des Gerichts und trägt vor, ihrer Meinung nach stelle die in der E‑Mail vom 17. September 2018 enthaltene Entscheidung sehr wohl eine „Handlung“ im Sinne des Art. 263 AEUV dar.

    22

    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage gegen eine Maßnahme, mit der eine nicht angefochtene und somit bestandskräftig gewordene frühere Entscheidung lediglich bestätigt wird, unzulässig. Eine Maßnahme ist dann als bloße Bestätigung einer früheren Entscheidung anzusehen, wenn sie gegenüber der früheren Entscheidung keine neuen Gesichtspunkte enthält und nicht auf einer Überprüfung der Lage des Adressaten dieser Entscheidung beruht (in diesem Sinne Urteil vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    23

    Vor einer Untersuchung der Frage, ob die E‑Mail vom 17. September 2018 eine bloße Bestätigung der in der E‑Mail vom 7. September 2018 enthaltenen Entscheidung darstellt, ist zu prüfen, ob letztere zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage Bestandskraft gegenüber der Klägerin erlangt hatte (in diesem Sinne Urteil vom 16. September 1998, Waterleiding Maatschappij/Kommission, T‑188/95, EU:T:1998:217, Rn. 108).

    24

    Denn wenn eine bestätigte Entscheidung bei Erhebung der Nichtigkeitsklage keine Bestandskraft erlangt hat, ist der Betroffene berechtigt, gegen die bestätigte Entscheidung, gegen die bestätigende Entscheidung oder gegen beide vorzugehen (Urteile vom 11. Mai 1989, Maurissen und Union syndicale/Rechnungshof, 193/87 und 194/87, nicht veröffentlicht, EU:C:1989:185, Rn. 26, und vom 31. Mai 2017, DEI/Kommission, C‑228/16 P, EU:C:2017:409, Rn. 35).

    25

    Insoweit ist zu beachten, dass nach Art. 263 Abs. 6 AEUV Nichtigkeitsklagen binnen zwei Monaten zu erheben sind und diese Frist je nach Lage des Falls von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an läuft, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt hat. Diese Frist ist gegebenenfalls gemäß Art. 60 der Verfahrensordnung um eine Entfernungsfrist zu verlängern.

    26

    Die Nichtigkeitsklage ist am 7. November 2018 erhoben worden, also zu einem Zeitpunkt, als die Frist für eine Klage gegen die in der E‑Mail vom 7. September 2018 enthaltene Entscheidung noch lief.

    27

    In Anwendung der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung konnte die Klägerin ihre Klage also nicht nur gegen die in der E‑Mail vom 7. September 2018, sondern auch gegen die in der E‑Mail vom 17. September 2018 enthaltene Entscheidung richten.

    28

    Deshalb ist die Klage zulässig, sowohl soweit sie gegen die in der E‑Mail vom 17. September 2018 als auch soweit sie gegen die in der E‑Mail vom 7. September 2018 enthaltene Entscheidung (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen) gerichtet ist.

    Zur Begründetheit

    29

    Die Klägerin macht vier Klagegründe geltend.

    30

    Mit dem ersten Klagegrund rügt sie, die Kommission habe die Begründungspflicht verletzt.

    31

    Der zweite Klagegrund betrifft Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung.

    32

    Der dritte Klagegrund geht dahin, dass die angefochtenen Entscheidungen gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung sowie gegen das Diskriminierungsverbot verstießen.

    33

    Mit dem vierten Klagegrund macht die Klägerin nach einer Prüfung des Bewertungsberichts über die Angebote, den die Kommission im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme eingereicht hat, geltend, das letztlich angenommene Angebot sei im Sinne des öffentlichen Auftragsrechts ungewöhnlich niedrig gewesen. Die angefochtenen Entscheidungen seien daher ungültig.

    Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

    34

    Die Klägerin trägt vor, die angefochtenen Entscheidungen seien unzureichend begründet, denn der einzige Grund, auf den die Kommission die Ablehnung ihres Angebots gestützt habe, sei der, dass sie nicht den niedrigsten Preis unter den eingegangenen Angeboten vorgeschlagen habe, da dieser Preis um 48,55 % höher gewesen sei als der im Angebot des Auftragnehmers. Die Kommission habe ihr nicht mitgeteilt, welchen anderen Kriterien sie nicht genügt habe, und habe nicht die Positionen des erfolgreichen Angebots angegeben, deren Betrag sich von ihrem Angebot unterschieden habe und die einen Preisunterschied von 48,55 % erklärt hätten. Diese knappe Begründung habe es ihr nicht ermöglicht, sich wirksam zu verteidigen.

    35

    Außerdem habe sie mit ihrer E‑Mail vom 11. September 2018 beantragt, über die Merkmale und relativen Vorteile des erfolgreichen Angebots unterrichtet zu werden, und zwar gemäß Art. 113 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a der Haushaltsordnung und Art. 161 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2012, L 362, S. 1), zuletzt geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2462 der Kommission vom 30. Oktober 2015 (ABl. 2015, L 342, S. 7) (im Folgenden in der geänderten Fassung: Delegierte Verordnung). In der E‑Mail der Kommission vom 17. September 2018 seien ihr diese Auskünfte jedoch nicht gegeben worden. In ihrer Erwiderung macht die Klägerin insbesondere geltend, dass die Kommission die Frage, ob der Auftragnehmer das Kriterium der Nedap-Schulung erfülle, nicht beantwortet habe, obwohl sie sie in ihrer E‑Mail vom 11. September 2018 gerade danach gefragt habe.

    36

    Die Kommission tritt dem Vorbringen entgegen.

    37

    Nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist die Verwaltung verpflichtet, ihre Entscheidungen zu begründen. Diese Begründungspflicht verlangt nach gefestigter Rechtsprechung, dass nach Art. 296 Abs. 2 AEUV der Urheber eines Rechtsakts die diesem zugrunde liegenden Überlegungen so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können, um ihre Rechte geltend zu machen, und dass der Richter seine Kontrolle ausüben kann (Urteile vom 25. Februar 2003, Strabag Benelux/Rat,T‑183/00, EU:T:2003:36, Rn. 55; vom 24. April 2013, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑32/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:213, Rn. 37, und vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 91).

    38

    Außerdem ist das Begründungserfordernis anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des betreffenden Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 150, und vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 116).

    39

    Bei von den Unionsorganen vergebenen öffentlichen Aufträgen ist der öffentliche Auftraggeber nach Art. 113 Abs. 2 der Haushaltsordnung verpflichtet, jeden abgelehnten Bieter über die Gründe für die Ablehnung seines Angebots zu unterrichten. Ferner unterrichtet er nach Art. 113 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a der Haushaltsordnung auf schriftlichen Antrag jeden Bewerber, für den kein Ausschlussgrund vorliegt und der die Eignungskriterien erfüllt, über die Merkmale und relativen Vorteile des erfolgreichen Angebots, den Namen des Bieters, dem der Zuschlag für den Auftrag erteilt wurde, sowie den Preis bzw. den Auftragswert. Hierzu bestimmt Art. 161 Abs. 2 der Delegierten Verordnung: „Der öffentliche Auftraggeber übermittelt die in Artikel 113 Absatz 3 der Haushaltsordnung genannten Informationen so schnell wie möglich und auf jeden Fall innerhalb von 15 Tagen nach Eingang des schriftlichen Antrags.“

    40

    Die Art. 113 Abs. 2 und 3 der Haushaltsordnung und Art. 161 Abs. 2 der Delegierten Verordnung sehen also gegenüber den abgelehnten Bietern eine Begründung in zwei Schritten vor. Zunächst teilt der öffentliche Auftraggeber ihnen mit, dass ihr Angebot abgelehnt wurde, und unterrichtet sie über die Gründe für die Ablehnung. Zweitens unterrichtet er nach denselben Bestimmungen auf schriftlichen Antrag einen abgelehnten Bieter, für den kein Ausschlussgrund vorliegt und der die Eignungskriterien erfüllt, so schnell wie möglich und auf jeden Fall innerhalb von 15 Tagen nach Eingang dieses Antrags über die Merkmale und relativen Vorteile des erfolgreichen Angebots, den Namen des Auftragnehmers sowie den Preis bzw. den Auftragswert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2018, European Dynamics Luxembourg und Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑752/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:233, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    41

    Im vorliegenden Fall hat die Kommission den ersten Schritt eingehalten, denn sie hat der Klägerin in ihrer E‑Mail vom 7. September 2018 geschrieben: „Wir bedauern, Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Angebot nicht angenommen wurde, da es der Beurteilung zufolge nicht den im Vergleich zu den eingegangenen Angeboten niedrigsten Preis enthielt.“

    42

    Hinsichtlich der Gründe für die Ablehnung des Angebots ist diese Information ausreichend, denn nach Abschnitt IV.1 der Spezifikationen der Ausschreibung war der Preis das einzige Kriterium für den Zuschlag. Die Begründung der Ablehnung des Angebots der Klägerin durfte somit nur auf dieses Kriterium abstellen.

    43

    Die in dem zweiten Schritt zu gebenden Informationen über die Merkmale und relativen Vorteile des erfolgreichen Angebots, den Namen des Auftragnehmers sowie den Preis bzw. den Auftragswert wurden offensichtlich zugleich mit den im ersten Schritt zu erteilenden Auskünften in der E‑Mail vom 7. September 2018 gegeben. Dort heißt es nämlich:

    „Aufgrund der Beurteilung der Angebote gemäß Abschnitt IV.1 der Spezifikationen der Ausschreibung und Abschnitt II.2.5 der Auftragsbekanntmachung wurde die Gesellschaft Omnisecurity SA als Auftragnehmer bestimmt, deren Angebot den niedrigsten Preis enthielt und den Bedingungen der Spezifikationen der Ausschreibung vollkommen entsprach. Der Preis Ihres Angebots ist um 48.55 % höher als der Preis des Auftragnehmers.“

    44

    Diese Information enthält der Bestimmung des Art. 113 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a der Haushaltsordnung entsprechend den Namen des Auftragnehmers, der Gesellschaft Omnisecurity SA.

    45

    Den Preis des Auftrags hat die Kommission dagegen in der E‑Mail vom 7. September 2018 wie auch in der E‑Mail vom 17. September 2018 nicht ausdrücklich angegeben. Die Klägerin, die den in ihrem Angebot enthaltenen Betrag kannte, konnte ihn jedoch mühelos aus dem in der ersten E‑Mail angegebenen Preisunterschied herleiten.

    46

    Hinsichtlich der Merkmale und relativen Vorteile des erfolgreichen Angebots war, wie oben in Rn. 42 dargelegt, das einzige Vergabekriterium der Preis, so dass der Vorteil des erfolgreichen Angebots nur in einem Preisunterschied bestehen konnte. Wie sich aus Rn. 43 ergibt, wurde dieser Preisunterschied in der E‑Mail vom 7. September 2018 mit 48,55 % angegeben.

    47

    Die in der E‑Mail vom 7. September 2018 gegebene Information genügte der Begründungspflicht, da sie alle nach Art. 113 Abs. 2 und 3 der Haushaltsordnung erforderlichen Angaben enthielt.

    48

    Dieses Ergebnis wird auch durch folgende Argumente der Klägerin nicht in Frage gestellt.

    49

    In erster Linie wirft die Klägerin der Kommission vor, in ihren E‑Mails vom 7. und 17. September 2018 nicht die Positionen des erfolgreichen Angebots angegeben zu haben, deren Betrag von ihrem abweiche und die einen Preisunterschied von 48,55 % erklärt hätten.

    50

    Einen dahin gehenden Antrag hat die Klägerin jedoch in ihrer E‑Mail vom 11. September 2018 nicht gestellt. Schon deshalb kann dem öffentlichen Auftraggeber nicht vorgeworfen werden, nicht darauf geantwortet zu haben, zumal die einzigen Informationen, die er den abgelehnten Bietern geben muss, die in Art. 113 Abs. 2 und 3 der Haushaltsordnung genannten Angaben sind.

    51

    Weiter kann nach ständiger Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie einem abgelehnten Bieter eine detaillierte vergleichende Analyse seines Angebots und des erfolgreichen Angebots übermittelt (Urteil vom 4. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, C‑629/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:617, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auch ist der öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet, dem abgelehnten Bieter auf dessen schriftlichen Antrag eine vollständige Kopie des Bewertungsberichts auszuhändigen (Urteil vom 4. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, C‑629/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:617, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    52

    Schließlich ist die Bekanntgabe der Einzelpreise des Auftragnehmers geeignet, seine geschäftlichen Interessen und den lauteren Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern zu beeinträchtigen (Urteil vom 9. April 2014, CITEB und Belgo-Metal/Parlament, T‑488/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:195, Rn. 46). Art. 113 Abs. 3 letzter Unterabsatz der Haushaltsordnung ermöglicht es dem öffentlichen Auftraggeber gerade, bestimmte Angaben, die diesen Interessen schaden könnten, nicht zu machen.

    53

    Deshalb ist nicht zu beanstanden, dass die Kommission in ihren E‑Mails vom 7. und 17. September 2018 die Positionen des erfolgreichen Angebots, deren Betrag einen Preisunterschied von 48,55 % zwischen diesem Angebot und dem der Klägerin erklärte, nicht angegeben hat.

    54

    In zweiter Linie rügt die Klägerin, die Kommission habe in ihrer E‑Mail vom 17. September 2018 nicht auf ihre Anträge geantwortet, die zum einen die „Merkmale und relativen Vorteile des erfolgreichen Angebots“ betroffen hätten und zum anderen die Frage, ob der Auftragnehmer das Kriterium der Nedap-Schulung erfüllt habe.

    55

    Die Frage nach den „Merkmalen und relativen Vorteilen des erfolgreichen Angebots“ hat die Klägerin jedoch entgegen ihrer Behauptung in ihrer E‑Mail vom 11. September 2018 nicht gestellt. Zudem gab die Kommission, wie aus Rn. 46 hervorgeht, durch die Angabe in ihrer E‑Mail vom 7. September 2018, dass „der Preis in dem Angebot der Klägerin um 48,55 % höher ist als der des Auftragnehmers“, ausreichende Informationen zu dieser Frage.

    56

    Sonach kann nicht festgestellt werden, dass die Kommission die Begründungspflicht dadurch verletzt hat, dass sie in ihrer E‑Mail vom 17. September 2018 die Frage der Klägerin nach den Merkmalen und relativen Vorteilen des erfolgreichen Angebots nicht beantwortet hätte.

    57

    Die Rüge, die Kommission habe die Frage nach der Nedap-Schulung des Auftragnehmers, die in der E‑Mail vom 11. September 2018 tatsächlich gestellt wurde, nicht beantwortet, ist unbegründet.

    58

    Denn die Kommission hat entgegen dem Vorbringen der Klägerin in ihrer E‑Mail vom 17. September 2018 mitgeteilt, dass der Bewertungsausschuss ordnungsgemäß geprüft habe, ob die Bewerber die Eignungskriterien einschließlich des in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Kriteriums erfüllten. Die bloße Behauptung, dass die Kommission die Frage der Klägerin nach der Nedap-Schulung des Auftragnehmers nicht beantwortet habe, ist somit unzutreffend.

    59

    Deshalb hat die Kommission ihre Begründungspflicht nicht dadurch verletzt, dass sie in der E‑Mail vom 17. September 2018 die Frage, ob der Auftragnehmer das Kriterium der Nedap-Schulung erfüllte, nicht beantwortet hat.

    60

    Folglich ist der erste Klagegrund ist als unbegründet zurückzuweisen.

    Zum zweiten Klagegrund betreffend Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung

    61

    Mit dem zweiten Klagegrund rügt die Klägerin die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen aus Gründen, die mit Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung zusammenhängen.

    62

    Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen.

    – Zum ersten Teil betreffend die Ordnungsmäßigkeit der vom Auftragnehmer abgegebenen Erklärung

    63

    Im ersten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, das Dokument, das der Auftragnehmer zum Nachweis der Erfüllung der in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Bedingung vorgelegt habe, entspreche dieser Bestimmung nicht.

    64

    Wie oben in Rn. 3 dargelegt verlangte Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung für das Los 4 unter den Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit, dass der Techniker in der Rolle des „Standortleiters“„eine Bescheinigung über eine umfassende Schulung zu einer Softwareplattform für das Sicherheitsmanagement des Unternehmens Nedap“ besitzt.

    65

    Nach derselben Bestimmung mussten die Bewerber zum Nachweis dafür, dass sie die Bedingung der Nedap-Schulung erfüllten, entweder eine „Bescheinigung über eine umfassende Schulung zu einer Softwareplattform für das Sicherheitsmanagement des Unternehmens Nedap“ oder „eine ehrenwörtliche Erklärung, dass diese im Fall des Zuschlags spätestens fünf Tage nach der Unterzeichnung des Vertrags erworben wird“, vorlegen.

    66

    Die Kommission hat in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen, dass der Auftragnehmer die zweite in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung eröffnete Möglichkeit gewählt und die dort genannte ehrenwörtliche Erklärung vorgelegt habe.

    67

    Die Kommission, die vom Gericht im Wege einer prozessleitenden Maßnahme zu diesem Punkt befragt wurde, hat das Dokument eingereicht, das sie als diese Erklärung ansah. Dort heißt es im Hinblick auf den Techniker in der Rolle des „Standortleiters“, der mit der Ausführung des Auftrags betraut würde:

    „Nedap-Bescheinigung: keine, diese Anwendung ist derzeit in Luxemburg nicht verfügbar. Falls in Zukunft erforderlich, bestätigen wir hiermit, dass diese Bescheinigung zu gegebener Zeit bei der Gesellschaft Nedap erworben wird.“

    68

    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erstmals geltend gemacht, dass diese Bescheinigung den Anforderungen der Spezifikationen der Ausschreibung nicht genüge. Erstens enthalte das von dem Auftragnehmer vorgelegte Dokument keine „ehrenwörtliche Erklärung“. Ferner enthalte es keine Verpflichtung, die Bescheinigung binnen fünf Tagen nach der Unterzeichnung des Vertrags vorzulegen, sondern stelle nur in einer sehr unbestimmten Formulierung in Aussicht, dass die Bescheinigung „falls in Zukunft erforderlich“„zu gegebener Zeit“ erworben werde.

    69

    Die Kommission entgegnet darauf, da „es doch etwas formalistisch gewesen wäre, auf einer genauen Formulierung zu bestehen“, habe sie, wie sie dies in ihrer Entscheidung vom 7. September 2018 getan habe, ohne eine Klarstellung vom Auftragnehmer zu verlangen, zu Recht davon ausgehen können, dass dessen Angebot „den Anforderungen der Spezifikationen der Ausschreibung vollkommen entsprach“. Im Übrigen könne diese Rüge der Klägerin nicht berücksichtigt werden, da sie in der mündlichen Verhandlung und somit verspätet erhoben worden sei.

    70

    Nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

    71

    Weiter bestimmt Art. 84 Abs. 2 der Verfahrensordnung, dass, wenn die rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die ein Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe rechtfertigen, nach dem zweiten Schriftsatzwechsel bekannt [werden], … die betreffende Hauptpartei die neuen Klage- und Verteidigungsgründe vorzubringen [hat], sobald sie von diesen Gesichtspunkten Kenntnis erlangt.“ Diese Bestimmung schließt im Übrigen keineswegs aus, dass diese Gesichtspunkte wie hier anlässlich einer prozessleitenden Maßnahme entdeckt werden konnten (in diesem Sinne Urteile vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 370, und vom 13. Dezember 2016, European Dynamics Luxembourg und Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑764/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:723, Rn. 48).

    72

    Die Kommission hat das Dokument, das die angebliche ehrenwörtliche Erklärung enthielt, am 9. August 2019 in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme vorgelegt, die das Gericht nach dem Schriftsatzwechsel getroffen hatte.

    73

    Nach Vorlage dieses Dokuments hat das Gericht die Klägerin am 24. September 2019 aufgefordert, zu den damit von der Kommission „übermittelten Dokumenten und Antworten“ Stellung zu nehmen.

    74

    Die Klägerin hat jedoch, wie sie selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, in ihrer Stellungnahme zu Form oder Inhalt der in diesem Dokument enthaltenen Erklärung nichts vorgetragen.

    75

    Sie hat also die fragliche Rüge entgegen der Bestimmung des Art. 84 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht erhoben, sobald sie von diesem Dokument Kenntnis erlangt hatte.

    76

    Deshalb ist diese Rüge als unzulässig zurückzuweisen.

    77

    Der erste Teil des zweiten Klagegrundes greift daher nicht durch.

    – Zum zweiten Teil betreffend die vom Auftragnehmer vorgelegte Bescheinigung

    78

    Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes geht dahin, dass die Bescheinigung, die der Auftragnehmer nach Unterzeichnung des Vertrags eingereicht habe, den Anforderungen des Abschnitts III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung nicht entsprochen habe. Die Bescheinigung sei nicht binnen fünf Tagen nach der Unterzeichnung des Vertrags beigebracht worden; außerdem stamme sie nicht von der Gesellschaft Nedap, sondern von einem anderen Unternehmen, das, wie sich aus einem diesbezüglichen Schriftwechsel zwischen der Klägerin und Vertretern der Gesellschaft Nedap ergebe, zur Ausstellung derartiger Bescheinigungen nicht befugt sei.

    79

    Die Kommission tritt dem Vorbringen entgegen.

    80

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Vergabeverfahren in mehreren Phasen ablaufen.

    81

    Als erstes werden Spezifikationen der Ausschreibung erstellt. Diese enthalten namentlich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen, die Eignungskriterien, die die Bewerber oder die Bieter erfüllen müssen, um zur Abgabe eines Angebots zugelassen zu werden, und die Vergabekriterien, anhand deren die Angebote bewertet werden.

    82

    Zweitens werden die Bewerber, die einen Teilnahmeantrag gestellt haben, anhand der in den Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Eignungskriterien ausgewählt. Die ausgewählten Bewerber sind berechtigt, ein Angebot abzugeben.

    83

    Drittens werden die beim öffentlichen Auftraggeber eingegangenen Angebote anhand der in den Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Vergabekriterien beurteilt und eins von ihnen erhält den Zuschlag. Sodann wird der Vertrag unterzeichnet.

    84

    Schließlich wird der unterzeichnete Vertrag vom Auftragnehmer erfüllt.

    85

    Wie sich aus diesen aufeinanderfolgenden Phasen ergibt, betrifft die Frage, ob ein Dokument, das ein Auftragnehmer nach der Vergabe des Auftrags vorlegt, den Bedingungen der Spezifikationen der Ausschreibung entspricht – unterstellt, dass diese rechtsgültig sind –, nicht die dritte Phase, die Vergabe des Auftrags, um die es im vorliegenden Verfahren geht. Sie betrifft vielmehr die letzte Phase, die Erbringung der den Gegenstand des Auftrags bildenden Leistungen und sonach nicht die angefochtenen Entscheidungen.

    86

    Deshalb ist die Frage, ob die von dem Auftragnehmer nach Unterzeichnung des Vertrags vorgelegte Bescheinigung den Anforderungen des Abschnitts III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung genügte, im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

    87

    Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

    – Zum dritten Teil betreffend die Rechtswidrigkeit des Abschnitts III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung

    88

    Im dritten Teil des zweiten Klagegrundes rügt die Klägerin die Rechtswidrigkeit der in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung enthaltene Klausel, die es den Bewerbern ermöglicht, in der Auswahlphase eine Erklärung dahin gehend abzugeben, dass sie im Fall des Zuschlags binnen fünf Tagen nach Unterzeichnung des Vertrags eine Bescheinigung über die Nedap-Schulung vorlegen würden.

    89

    Dazu hat die Klägerin in der Erwiderung ausgeführt, die in den Spezifikationen der Ausschreibung eingeräumte Möglichkeit, nach Unterzeichnung des Vertrags eine Bescheinigung über die Nedap-Schulung einzureichen, sei „unlogisch, kaum verständlich, ja sogar gefährlich, denn sie führt zu Unsicherheit in rechtlicher und technischer Hinsicht und öffnet Tür und Tor für die schlimmsten Unwägbarkeiten, falls ein Auftragnehmer diese Bedingung nach erhaltenem Zuschlag nicht erfüllt“.

    90

    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin außerdem vorgetragen, die fragliche Klausel sei realitätsfremd, unzulässig und unbillig, denn sie gestatte es dem öffentlichen Auftraggeber, den Auftrag an einen Bieter zu vergeben, bei dem er nicht sicher sein könne, ob er die erforderliche Bescheinigung beibringen würde, ob er also über die Leistungsfähigkeit für die Ausführung des Auftrags verfüge, während andere Bieter, die im Besitz dieser Bescheinigung seien, abgelehnt würden.

    91

    Die Kommission hält dieses Argument nicht für stichhaltig. Jedenfalls sei es unzulässig, denn es sei erstmals in der Erwiderung vorgebracht worden und zu unbestimmt formuliert.

    92

    Hinsichtlich der Zulässigkeit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig ist, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

    93

    Die Kommission hat in der Klagebeantwortung in Beantwortung des zweiten Klagegrundes mitgeteilt, dass der Auftragnehmer eine ehrenwörtliche Erklärung eingereicht habe.

    94

    Vor dieser Mitteilung konnte die Klägerin somit nicht wissen, mit welchem Mittel genau der Auftragnehmer die Erfüllung des Kriteriums der Nedap-Schulung nachgewiesen hatte: durch eine ihm selbst oder einem Unterauftragnehmer erteilte Bescheinigung oder aber durch eine von ihm selbst oder einem Unterauftragnehmer abgegebene ehrenwörtliche Erklärung.

    95

    Unter diesen Umständen kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie erstmals in der Erwiderung die Rüge erhoben hat, Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung sei rechtswidrig, soweit er es den Bewerbern ermögliche, in der Auswahlphase eine ehrenwörtliche Erklärung dahin gehend einzureichen, dass sie im Fall des Zuschlags binnen fünf Tagen nach Unterzeichnung des Vertrags eine Bescheinigung über die Nedap-Schulung erwerben würden. Denn genaue und zielführende Argumente konnte die Klägerin erst vorbringen, nachdem sie davon Kenntnis erlangt hatte, mit welchem Mittel der Auftragnehmer faktisch den Nachweis für die Erfüllung des verlangten Eignungskriteriums erbracht hatte. Die Kenntnis des Umstands, dass der Auftragnehmer tatsächlich die Vorlage einer ehrenwörtlichen Erklärung gewählt hatte, war notwendig, damit die Klägerin die Rechtswidrigkeit dieser Klausel der Spezifikationen der Ausschreibung zweckdienlich anfechten konnte.

    96

    Zum zweiten Argument gegen die Zulässigkeit ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung vorgeschriebene Darstellung der Klagegründe und ihres Gegenstands nach ständiger Rechtsprechung so klar und deutlich sein muss, dass der Beklagte sein Verteidigungsvorbringen vorbereiten und das Gericht über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, entscheiden kann (Urteil vom 25. Januar 2018, BSCA/Kommission, T‑818/14, EU:T:2018:33, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    97

    Um die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, ist eine Klage nur zulässig, wenn sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, auf die sie gestützt wird, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich aus der Klageschrift selbst ergeben (Urteil vom 25. Januar 2018, BSCA/Kommission, T‑818/14, EU:T:2018:33, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    98

    Diese Regel für die in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe gilt auch für neue Klagegründe, die in der Erwiderung angeführt werden, wenn sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

    99

    Die Formulierung der fraglichen Rüge in der Erwiderung ist so klar, dass die Kommission und das Gericht verstehen konnten, dass die Klägerin es für rechtswidrig hält, dem Bewerber die Möglichkeit einzuräumen, den Nachweis dafür, dass er die in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung vorgesehene Bedingung hinsichtlich der Schulung erfüllt, durch die Vorlage einer ehrenwörtlichen Erklärung zu erbringen, da ihrer Meinung nach auf diese Weise nicht sichergestellt werden kann, dass der Auftragnehmer das Eignungskriterium vor Abschluss des Vertrags erfüllt, auf die Gefahr hin, dass der Auftrag an einen Bieter vergeben wird, der nicht über die technische Leistungsfähigkeit für dessen Ausführung verfügt.

    100

    Aus diesen Gründen ist der dritte Teil des vorliegenden Klagegrundes zulässig.

    101

    In der Sache selbst trägt die Kommission vor, die in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung enthaltene Klausel sei rechtsgültig, da sie es den Bewerbern ermögliche, sich ehrenwörtlich zu verpflichten, für den Fall, dass der Auftrag ihnen erteilt werde, die Bescheinigung über die Nedap-Schulung binnen fünf Tagen nach Unterzeichnung des Vertrags zu erwerben.

    102

    Insoweit ist zu beachten, dass die Haushaltsmittel der Union so eingesetzt werden müssen, dass die bestmögliche Verwendung der den Organen zur Verfügung gestellten Ressourcen sichergestellt wird.

    103

    Nach Art. 102 Abs. 1 der Haushaltsordnung gelten für öffentliche Aufträge, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt der Union finanziert werden, die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.

    104

    Durch diese Bestimmung wollte der Unionsgesetzgeber für die öffentlichen Aufträge einen Rahmen schaffen, in dem die von ordnungsgemäß ausgewählten Unternehmen eingereichten Angebote verglichen werden, damit dasjenige ausgewählt wird, das am ehesten im Stande ist, den Auftrag auszuführen.

    105

    Aus diesen Anforderungen ergibt sich die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, spätestens zum Zeitpunkt der Vergabe zu prüfen, ob der Bieter, der das günstigste Angebot abgegeben hat, tatsächlich die in den Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Bedingungen erfüllt.

    106

    Diese Verpflichtung wird nicht erfüllt, wenn die Spezifikationen der Ausschreibung wie hier die Vergabe des Auftrags aufgrund einer Erklärung eines Bieters ermöglichen, durch die er sich verpflichtet, nach Unterzeichnung des Vertrags eine die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffende Bedingung zu erfüllen, die als Mindestanforderung für die Erfüllung des Vertrags bezeichnet wurde.

    107

    Der öffentliche Auftraggeber hat dadurch, dass er diese Anforderung in den Spezifikationen der Ausschreibung als Mindestanforderung bezeichnet hat, klargestellt, dass der Besitz der betreffenden Bescheinigung und damit die Schulung, die absolviert werden muss, um sie zu erwerben, eine zwingende Voraussetzung für die Fähigkeit des Bieters zur ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags darstellt.

    108

    Mit der Klägerin ist davon auszugehen, dass eine Klausel, die die Möglichkeit vorsieht, nach Unterzeichnung des Vertrags eine berufliche Schulung zu erhalten, die in den Spezifikationen der Ausschreibung als Mindestanforderung bezeichnet wurde, dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht entspricht, denn sie kann zur Vergabe des Auftrags an einen Bieter führen, der diese Anforderung nicht erfüllt, während andere Teilnehmer, die diese Schulung zur Zeit der Vergabe des Auftrags absolviert haben, abgelehnt werden.

    109

    Wird erst nach Vergabe des Auftrags geprüft, ob der Auftragnehmer tatsächlich die für dessen Ausführung erforderlichen beruflichen Kompetenzen besitzt, so würde dies unter Verstoß gegen die Rechtssicherheit zur Kündigung des Vertrags führen, wenn der Auftragnehmer nicht im Stande ist, die betreffende Bescheinigung beizubringen. Dann müsste ein neues Verfahren veranstaltet werden, um das Vorhaben, das Gegenstand des fraglichen Auftrags ist, durchzuführen.

    110

    Es ist darauf hinzuweisen, dass im Laufe der Erörterung Zweifel daran geäußert worden sind, ob das Dokument, das der Bieter der Kommission nach Unterzeichnung des Vertrags übermittelt hat, den Bedingungen der Spezifikationen der Ausschreibung entsprach und ob der Bieter die in den Spezifikationen festgesetzte Frist von fünf Tagen eingehalten hat, denn er hat fünfzehn Tage verstreichen lassen, ehe er die notwendigen Schritte unternommen hat, und zwei Monate, ehe er die erforderliche Bescheinigung eingereicht hat.

    111

    Die Verpflichtung, in der Vergabephase zu prüfen, ob der erfolgreiche Bieter die in den Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Bedingungen für die Leistungsfähigkeit erfüllt, ergibt sich jedoch schon aus dem öffentlichen Auftragsrecht selbst.

    112

    Denn nach Art. 110 Abs. 1 der Haushaltsordnung werden Aufträge vergeben, sofern der öffentliche Auftraggeber insbesondere überprüft hat, ob der Bewerber oder Bieter die in den Auftragsunterlagen genannten Eignungskriterien erfüllt.

    113

    Dieser Bestimmung zufolge kann kein Auftrag vergeben werden, ohne dass ordnungsgemäß überprüft und festgestellt wurde, dass der Bieter die nach den Spezifikationen der Ausschreibung erforderliche Leistungsfähigkeit besaß.

    114

    Folglich ist die Klausel in Abschnitt III.3.2.B der Spezifikationen der Ausschreibung, die es ermöglicht, die Prüfung der Voraussetzung der Nedap-Schulung erst nach Vergabe des Auftrags vorzunehmen, rechtswidrig.

    115

    Dagegen führt die Kommission mehrere Argumente an.

    116

    Erstens hätten die Spezifikationen der Ausschreibung, wie oben in Rn. 3 dargelegt, zum Nachweis der in der Klausel bezeichneten Schulung die Vorlage der Bescheinigung über diese Schulung oder die Vorlage einer ehrenwörtlichen Erklärung dahin gehend zugelassen, dass die Bescheinigung binnen fünf Tagen nach Unterzeichnung des Vertrags erworben werde. Die Möglichkeit, eine Erklärung vorzulegen, sei in den Spezifikationen der Ausschreibung als Zuschlagskriterium vorgesehen gewesen. Die Kommission habe am Ende des Verfahrens geprüft, ob das erfolgreiche Angebot den Anforderungen der Spezifikationen der Ausschreibung entsprochen habe. Da dort die Möglichkeit vorgesehen worden sei, die genannte Erklärung einzureichen, sei sie der Auffassung gewesen, dass der Auftrag an den im Ergebnis erfolgreichen Bieter habe vergeben werden können.

    117

    Mit ihrem Einwand der Rechtswidrigkeit rügt die Klägerin jedoch nicht die Unvereinbarkeit der Vergabeentscheidung mit den Spezifikationen der Ausschreibung, sondern die Rechtswidrigkeit einer darin enthaltenen Klausel, wonach ein Auftrag im Vertrauen auf eine von einem Bieter vorgelegte Verpflichtungserklärung vergeben werden kann, d. h. auf ein Versprechen, nach Unterzeichnung des Vertrags eine Bescheinigung darüber einzureichen, dass er eine Schulung absolviert habe, um eine für die Erfüllung des Vertrags als Mindestanforderung angesehene Kompetenz zu erwerben.

    118

    Eine solche Verpflichtungserklärung ist nicht verlässlich genug, um die Vergabe eines Auftrags unter Bedingungen zu ermöglichen, die die erforderliche Rechtssicherheit für eine sachgemäße Verwendung der Mittel der Union sicherstellen. Zudem gewährleistet sie nicht die Gleichbehandlung der Teilnehmer, denn die Verpflichtung, eine Bescheinigung über eine Schulung vorzulegen, kann bei einem objektiven Vergleich nicht der durch diese Schulung erworbenen Kompetenz gleichgestellt werden.

    119

    Zweitens führt die Kommission aus, durch die angegriffene Klausel habe der Auftrag solchen Bewerbern zugänglich gemacht werden sollen, die zum Zeitpunkt der Abgabe ihres Angebots noch nicht im Besitz der Bescheinigung über die Nedap-Schulung gewesen seien. Auch habe man, da diese Schulung kostenpflichtig sei, Bewerber, deren Angebot möglicherweise nicht angenommen würde, nicht zu dieser Ausgabe zwingen wollen.

    120

    Das Bestreben, den Bewerbern Kosten zu ersparen, kann jedoch eine Ausnahme von der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit nicht rechtfertigen, denn der Auftrag ist dem Unternehmen zu erteilen, das das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben und seine technische Leistungsfähigkeit, ihn auszuführen, unter Beweis gestellt hat. Wenn der öffentliche Auftraggeber die Zahl der Teilnehmer an einem öffentlichen Auftrag erweitern will, verfügt er über Mechanismen, die nach den anwendbaren Vorschriften und Grundsätzen zulässig sind. Er kann insbesondere Bedingungen der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit aufstellen, die von einer größeren Zahl von Unternehmen erfüllt werden können.

    121

    Drittens weist die Kommission darauf hin, dass das Gericht im Urteil vom 25. November 2014, Alfastar Benelux/Rat (T‑394/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:992), die Nachprüfung eines Eignungskriteriums nach der Vergabe des Auftrags zugelassen habe.

    122

    Das von der Kommission angeführte Urteil betraf jedoch, wie sie selbst angegeben hat, einen Auftrag, bei dem vom Bieter namentlich verlangt wurde, dass er über eine Sicherheitsermächtigung verfügte, an deren Stelle die Erklärung des Bieters treten konnte, dass er beabsichtige, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um diese zu erwerben (Urteil vom 25. November 2014, Alfastar Benelux/Rat, T‑394/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:992, Rn. 165).

    123

    In jenem Verfahren warf die Klägerin dem Rat vor, vorgesehen zu haben, dass die Unternehmen zum Zeitpunkt der Auswahl lediglich eine Absichtserklärung vorzulegen brauchten und nicht verpflichtet gewesen seien nachzuweisen, dass sie schon in diesem Stadium des Verfahrens für ihr gesamtes Personal die eigentliche Sicherheitsermächtigung besaßen (Urteil vom 25. November 2014, Alfastar Benelux/Rat, T‑394/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:992, Rn. 202).

    124

    In diesem Rahmen hat das Gericht untersucht, ob es unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, das die Rechtsprechung dem öffentlichen Auftraggeber für die Festlegung und Bewertung der Kriterien, die die Unternehmen zum Zeitpunkt der Auswahl erfüllen müssen, einräumt, rechtmäßig ist, in diesem Stadium des Verfahrens eine Absichtserklärung zu akzeptieren.

    125

    Im vorliegenden Verfahren stellt sich eine andere Frage, denn es geht nicht um die Feststellung, ob eine ehrenwörtliche Erklärung zum Zeitpunkt der Auswahl akzeptiert werden konnte, sondern darum, ob allein im Vertrauen auf eine ehrenwörtliche Erklärung der Auftrag vergeben und sodann der Vertrag unterzeichnet werden konnte, ohne dass überprüft wurde, ob der erfolgreiche Bieter tatsächlich die erforderliche technische Leistungsfähigkeit besaß, die nach den Spezifikationen der Ausschreibung ein Eignungskriterium darstellte.

    126

    In dieser Frage hat das Gericht in dem von der Kommission herangezogenen Urteil vom 25. November 2014, Alfastar Benelux/Rat (T‑394/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:992), keinen anderen Standpunkt eingenommen als in der vorliegenden Rechtssache, denn es hat ausgeführt, dass die Klägerin „bereits im Besitz der erforderlichen Ermächtigungen war“ (siehe Rn. 167 des Urteils). Dies setzt voraus, dass in diesem Stadium überprüft worden war, ob das Unternehmen, dem der Zuschlag erteilt wurde, tatsächlich die nach den Spezifikationen der Ausschreibung für die Ausführung des Auftrags erforderliche Leistungsfähigkeit besaß.

    127

    Viertens macht die Kommission geltend, zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Spezifikationen der Ausschreibung seien die Produkte, die eine Nedap-Schulung erforderlich machten, in dem von dem Auftrag betroffenen Gebäude noch nicht installiert gewesen, so dass diese Schulung zu Beginn der Ausführung des Auftrags nicht erforderlich gewesen sei. Darüber hinaus habe nicht festgestanden, dass die Produkte, die eine Nedap-Schulung erforderlich machten, während der Laufzeit dieses Auftrags installiert würden, so dass die betreffende Schulung vielleicht nicht notwendig gewesen sei.

    128

    Insoweit genügt der Hinweis darauf, dass die öffentlichen Aufträge unter Einhaltung der in den Spezifikationen der Ausschreibung aufgestellten Bedingungen und Anforderungen zu vergeben sind.

    129

    Die Spezifikationen der Ausschreibung, um die es hier geht, verlangten jedoch wie oben in Rn. 3 dargelegt unter den Mindestanforderungen, dass der Techniker in der Rolle des „Standortleiters“ des Bieters im Besitz einer Bescheinigung über eine umfassende Nedap-Schulung sein musste.

    130

    Deshalb musste, wie oben in Rn. 114 ausgeführt worden ist, in Anwendung der in den Rn. 103 und 112 genannten Bestimmungen vor Vergabe des Auftrags und Unterzeichnung des Vertrags geprüft werden, ob der erfolgreiche Bieter diese technische Anforderung erfüllte.

    131

    Aus diesen Gründen ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen.

    132

    Dem dritten Teil des zweiten Klagegrundes ist somit stattzugeben und die angefochtenen Entscheidungen sind für nichtig zu erklären, ohne dass die weiteren Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

    133

    Der zweite Klageantrag geht dahin, „alle weiteren erforderlichen rechtlichen Maßnahmen anzuordnen“.

    134

    Dieser Antrag ist jedoch entgegen Art. 76 Abs. d und e der Verfahrensordnung zu ungenau. Wenn er dahin auszulegen wäre, dass mit ihm eine an das Parlament gerichtete Anordnung begehrt wird, wäre er überdies unzulässig, denn das Gericht ist im Rahmen einer Klage nach Art. 173 EG-Vertrag nicht befugt, Anordnungen an die Organe zu richten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 1996, Bernardi/Parlament, T‑146/95, EU:T:1996:105, Rn. 27).

    Kosten

    135

    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    136

    Da die Kommission im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr außer ihren eigenen Kosten gemäß dem Antrag der Klägerin auch deren Kosten aufzuerlegen.

     

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Vierte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 7. September 2018, das Angebot von Securitec für das Los 4 des Auftrags abzulehnen, der Gegenstand des nicht offenen Ausschreibungsverfahrens HR/R1/PR/2017/059 betreffend die „Wartung der Sicherheitsanlagen in den von der Europäischen Kommission besetzten und/oder verwalteten Gebäuden in Belgien und in Luxemburg“ war, sowie die Entscheidung der Kommission vom 17. September 2018, Securitec die genaueren Auskünfte zu verweigern, um die diese in demselben Verfahren am 11. September 2018 ersucht hatte, werden für nichtig erklärt.

     

    2.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

     

    3.

    Die Kommission wird zur Tragung der Kosten verurteilt.

     

    Gervasoni

    Nihoul

    Martín y Pérez de Nanclares

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2020.

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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