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Document 62018CO0801

    Beschluss des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 5. September 2019.
    EU gegen Caisse pour l'avenir des enfants.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Art. 45 AEUV – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 4 – Sozialversicherungsabkommen zwischen dem Beschäftigungsstaat und einem Drittstaat – Kindergeld – Anwendung auf einen Grenzgänger, der weder Staatsangehöriger eines der Vertragsstaaten des Abkommens ist noch seinen Wohnsitz in einem von ihnen hat.
    Rechtssache C-801/18.

    ;

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:684

     BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

    5. September 2019 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Art. 45 AEUV – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 4 – Sozialversicherungsabkommen zwischen dem Beschäftigungsstaat und einem Drittstaat – Kindergeld – Anwendung auf einen Grenzgänger, der weder Staatsangehöriger eines der Vertragsstaaten des Abkommens ist noch seinen Wohnsitz in einem von ihnen hat“

    In der Rechtssache C‑801/18

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil supérieur de la sécurité sociale (Oberstes Schiedsgericht der Sozialversicherung, Luxemburg) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Dezember 2018, in dem Verfahren

    EU

    gegen

    Caisse pour l’avenir des enfants

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und M. Safjan,

    Generalanwalt: M. Szpunar,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

    folgenden

    Beschluss

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV, der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, und Berichtigung ABl. 2004, L 229, S. 35) sowie von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, und Berichtigung ABl. 2004, L 200, S. 1).

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen EU und der Caisse pour l’avenir des enfants (Zukunftskasse, Luxemburg) wegen deren Weigerung, dem Kind von EU, das mit seiner Mutter in einem Drittstaat wohnt, Kindergeld zu zahlen.

    Rechtlicher Rahmen

    Sozialversicherungsabkommen von 1965

    3

    Das Sozialversicherungsabkommen zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und den Vereinigten Staaten von Brasilien, das am 16. September 1965 in Rio de Janeiro unterzeichnet wurde (Mémorial A 1966, S. 621), in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Sozialversicherungsabkommen von 1965) bestimmt in Art. 1:

    „Das vorliegende Abkommen regelt die soziale Sicherheit der Staatsangehörigen der Hohen Vertragsparteien unter Wahrung der Gleichbehandlung.“

    4

    Art. 2 dieses Abkommens bestimmt:

    „Dieses Abkommen gilt für Kranken-, Mutterschafts-, Invaliditäts-, Renten-, Todesfalls- und Unfallversicherungen sowie Familienleistungen (ausgeschlossen sind beitragsunabhängig erbrachte Geburtsbeihilfen).“

    5

    Art. 3 Abs. 1 dieses Abkommens lautet:

    „Angehörige eines der beiden Vertragsstaaten, die gewöhnlich im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten arbeiten, unterliegen den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaats.“

    6

    Art. 4 dieses Abkommens bestimmt:

    „Angehörige eines Vertragsstaats, die Anspruch auf Geldleistungen haben, erhalten diese Leistungen vollständig und unbeschränkt, solange sie ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten haben.“

    Verordnung Nr. 883/2004

    7

    Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:

    „Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

    Luxemburgisches Recht

    8

    Das Sozialversicherungsabkommen von 1965 wurde vom Großherzogtum Luxemburg mit Gesetz vom 12. Juli 1966 (Mémorial A 1966, S. 620) angenommen.

    9

    Art. 269 Abs. 1 („Voraussetzungen für die Gewährung“) des Code de la sécurité sociale (Sozialgesetzbuch) bestimmt:

    „Anspruch auf Kindergeld hat unter den in diesem Kapitel vorgesehenen Voraussetzungen

    a)

    für sich selbst jedes Kind, das sich effektiv und ständig in Luxemburg aufhält und hier seinen gesetzlichen Wohnsitz hat;

    b)

    für ihre Familienangehörigen gemäß dem anwendbaren internationalen Abkommen jede Person, die den luxemburgischen Rechtsvorschriften unterworfen ist und dem Anwendungsbereich der Gemeinschaftsverordnungen oder einem anderen von Luxemburg geschlossenen zwei- oder mehrseitigen Abkommen über die soziale Sicherheit, die die Zahlung von Kindergeld gemäß den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats vorsehen, unterfällt. Als Familienangehöriger einer Person gilt ein Kind, das zu dem Familienverband der betreffenden Person im Sinne von Art. 270 gehört. Die unter die vorliegende Vorschrift fallenden Familienangehörigen müssen in einem Land wohnen, das unter die betreffende Verordnung oder das betreffende Abkommen fällt.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    10

    Am 8. Dezember 2015 beantragte EU, ein portugiesischer Staatsbürger, der in Frankreich wohnt und in Luxemburg arbeitet, bei der Caisse nationale des prestations familiales (Nationale Familienleistungskasse, Luxemburg) (jetzt Caisse pour l’avenir des enfants, Zukunftskasse) Kindergeld für sein Kind, das mit seiner Mutter in Brasilien wohnt.

    11

    Mit Bescheid vom 6. Juni 2016 lehnte die Zukunftskasse diesen Antrag mit der Begründung ab, dass EU nicht unter Art. 269 Abs. 1 Buchst. b des Sozialgesetzbuchs falle, da das Sozialversicherungsabkommen von 1965 keine Anwendung auf ihn finde, weil er weder brasilianischer noch luxemburgischer Staatsangehöriger sei.

    12

    Der Conseil arbitral de la sécurité sociale (Schiedsgericht der Sozialversicherung, Luxemburg) wies die Klage von EU gegen diesen Bescheid mit Urteil vom 7. Juli 2017 als unbegründet zurück. Er entschied, dass das Kind von EU keinen Anspruch auf Kindergeld habe, weder aus eigenem Recht, da es sich nicht effektiv und ständig in Luxemburg aufhalte, noch als Familienangehöriger seiner Mutter, die nicht den luxemburgischen Rechtsvorschriften unterliege, noch als Familienangehöriger seines Vaters, der nicht in den Anwendungsbereich des Sozialversicherungsabkommens von 1965 falle, weil er weder luxemburgischer noch brasilianischer Staatsangehöriger sei und die bloße Arbeitnehmereigenschaft als Grenzgänger nicht ausreiche, um ihn als luxemburgischen Staatsangehörigen zu qualifizieren.

    13

    Hilfsweise führte das Schiedsgericht der Sozialversicherung aus, dass sich die Frage stellen könne, ob das Urteil vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16), auf das Ausgangsverfahren Anwendung finden könne. Das Schiedsgericht hat diese Frage aber weder den Parteien des Ausgangsverfahrens unterbreitet noch rechtliche Konsequenzen aus ihr gezogen.

    14

    Am 4. August 2017 legte EU beim Conseil supérieur de la sécurité sociale (Oberstes Schiedsgericht der Sozialversicherung, Luxemburg) gegen das Urteil des Schiedsgerichts der Sozialversicherung Berufung ein und machte einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für sein Kind geltend.

    15

    EU führte aus, dass er, wenn er in Frankreich arbeiten würde, für sein Kind auf der Grundlage des am 15. Dezember 2011 in Brasilia unterzeichneten Sozialversicherungsabkommens zwischen der Französischen Republik und der Föderativen Republik Brasilien französische Familienleistungen, und wenn er in Portugal arbeiten würde, portugiesische Familienleistungen aufgrund eines bilateralen Abkommens namens „Iberoamericano“ beziehen könnte.

    16

    Unter Berufung auf den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union und unter Verweis auf Art. 45 AEUV, die Richtlinie 2004/38 sowie die Verordnung Nr. 883/2004, machte EU einen Anspruch auf luxemburgisches Kindergeld geltend und trug vor, dass er, wenn diese Leistung nicht gezahlt würde, einen besonderen Nachteil erlitte, der ihn dazu bewegen könnte, nicht mehr in Luxemburg zu arbeiten, wodurch der Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Union beeinträchtigt würde.

    17

    Hilfsweise verwies EU auf das Urteil vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16), und machte geltend, dass dem Träger des Mitgliedstaats, bei dem er versichert sei, bei Vorliegen eines Sozialversicherungsabkommens zwischen diesem Mitgliedstaat und dem betreffenden Drittstaat der aus den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts folgende Grundsatz der Gleichbehandlung entgegengehalten werden könne. Im Übrigen beantragte EU, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.

    18

    Die Zukunftskasse beantragte, das Urteil des Schiedsgerichts der Sozialversicherung zu bestätigen, da weder das Kind noch seine Mutter noch EU die in Art. 269 des Sozialgesetzbuchs vorgesehenen Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergelds erfüllten.

    19

    Am 22. Januar 2018 ersuchte das Oberste Schiedsgericht der Sozialversicherung die Parteien des Ausgangsverfahrens um Stellungnahme zur Anwendung des Sozialversicherungsabkommens von 1965 auf Personen, die wie im vorliegenden Fall keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines der beiden Vertragsstaaten dieses Abkommens haben, unter Berücksichtigung von Art. 4 dieses Abkommens, der den Empfang von Geldleistungen an die Bedingung knüpft, dass der betreffende Staatsangehörige seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten hat.

    20

    EU verwies insoweit erneut auf das Urteil vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16), um zu belegen, dass ihm Art. 4 des Sozialversicherungsabkommens von 1965 unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union nicht entgegengehalten werden könne.

    21

    Nach Ansicht der Zukunftskasse befindet sich EU, falls das Großherzogtum Luxemburg infolge des Urteils vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16), künftig zur Vermeidung jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verpflichtet ist, allen Angehörigen eines Mitgliedstaats sämtliche zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und einem Drittstaat geschlossenen internationalen Abkommen zugutekommen zu lassen, nicht in derselben objektiven Lage wie Staatsangehörige eines Vertragsstaats eines solchen Abkommens, die auch ihren rechtmäßigen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Staates haben.

    22

    Das Oberste Schiedsgericht der Sozialversicherung führt aus, dass das Kind von EU, da es weder seinen rechtmäßigen Wohnsitz in Luxemburg habe noch sich effektiv dort aufhalte, weder aus eigenem Recht noch als Familienangehöriger seiner Mutter, die nicht den luxemburgischen Rechtsvorschriften unterworfen sei, noch als Familienangehöriger seines Vaters Anspruch auf Kindergeld habe.

    23

    Damit dieses Kind als Familienangehöriger von EU Kindergeld beziehen könne, müsste EU, der aufgrund seines in Luxemburg abgeschlossenen Arbeitsvertrags den luxemburgischen Rechtsvorschriften unterliege, unter ein zweiseitiges Abkommen fallen. Der Anwendungsbereich des Sozialversicherungsabkommens von 1965 sei aber nach seinen Art. 3 und 4 auf Staatsbürger und Einwohner eines der Vertragsstaaten dieses Abkommens beschränkt.

    24

    EU trägt vor, diese Beschränkungen beeinträchtigten die Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Union und der Gleichbehandlung, indem er u. a. auf Art. 45 AEUV, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union gewährleiste und die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen umfasse, sowie auf die Verordnung Nr. 883/2004 und insbesondere deren Art. 4 verweist, der sicherstelle, dass die Personen, für die die Verordnung gelte, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates hätten.

    25

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Gerichtshof im Urteil vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16), entschieden hat, dass die zuständigen Sozialversicherungsträger eines ersten Mitgliedstaats gemäß ihren Verpflichtungen aus Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV) gehalten sind, für den Erwerb des Anspruchs auf Leistungen bei Alter die von einem Staatsangehörigen eines zweiten Mitgliedstaats in einem Drittstaat zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen, wenn diese Träger bei Vorliegen derselben Beitragsvoraussetzungen die Berücksichtigung solcher von den eigenen Staatsangehörigen zurückgelegten Zeiten aufgrund eines zwischen dem ersten Mitgliedstaat und diesem Drittstaat geschlossenen bilateralen Abkommens anerkennen.

    26

    Laut dem vorlegenden Gericht stellt sich daher die Frage, ob im Bereich des Kindergelds das Sozialversicherungsabkommen von 1965 auf EU Anwendung findet, obwohl er weder Staatsangehöriger eines der beiden Vertragsstaaten dieses Abkommens ist noch seinen Wohnsitz in einem von ihnen hat.

    27

    Unter diesen Umständen hat das Oberste Schiedsgericht der Sozialversicherung beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Sind die zuständigen Sozialversicherungsbehörden eines ersten Mitgliedstaats (wie im Ausgangsverfahren die Zukunftskasse) gemäß ihren Verpflichtungen aus Art. 45 AEUV, der Richtlinie 2004/38 sowie der Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere deren Art. 4, verpflichtet, einem Angehörigen eines zweiten Mitgliedstaats Familienleistungen auszubezahlen, wenn diese zuständigen Behörden bei Vorliegen derselben Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen aufgrund eines bilateralen internationalen Abkommens zwischen dem ersten Mitgliedstaat (dem Großherzogtum Luxemburg) und dem Drittstaat (den Vereinigten Staaten von Brasilien, jetzt Föderative Republik Brasilien) den Anspruch auf die Familienleistungen für ihre eigenen Staatsangehörigen bzw. Einwohner anerkennen?

    2.

    Bejahendenfalls, und sofern der im Urteil vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16), aufgestellte Grundsatz auf Familienleistungen ausgedehnt werden sollte: Könnte die zuständige Sozialversicherungsbehörde, konkret die für Familienleistungen zuständige Behörde – im vorliegenden Fall die Zukunftskasse als nationaler Träger des Großherzogtums Luxemburg für Familienleistungen –, eine objektive Begründung auf der Grundlage von Erwägungen im Zusammenhang mit übermäßigen finanziellen und administrativen Belastungen der betroffenen Verwaltung geltend machen, um eine Ungleichbehandlung von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten (des betreffenden bilateralen Abkommens) und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu rechtfertigen?

    Zu den Vorlagefragen

    28

    Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 45 AEUV in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass er der Weigerung der zuständigen Behörden eines ersten Mitgliedstaats entgegensteht, einem Staatsangehörigen eines zweiten Mitgliedstaats, der im ersten Mitgliedstaat arbeitet, ohne dort wohnhaft zu sein, Familienleistungen für sein Kind, das mit seiner Mutter in einem Drittstaat wohnt, zu zahlen, wenn diese Behörden bei Vorliegen derselben Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen aufgrund eines bilateralen internationalen Abkommens zwischen dem ersten Mitgliedstaat und dem Drittstaat den Anspruch auf die Familienleistungen für ihre eigenen Staatsangehörigen bzw. Einwohner anerkennen. Gegebenenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Erwägungen zu den finanziellen und administrativen Belastungen der betroffenen Verwaltung geltend gemacht werden können, um eine Ungleichbehandlung von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten des betreffenden bilateralen Abkommens und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten der Union objektiv zu rechtfertigen.

    29

    Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, u. a. wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung einer solchen Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

    30

    Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.

    31

    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass EU in Luxemburg als Grenzgänger arbeitet, im luxemburgischen Sozialversicherungssystem versichert ist und in Luxemburg der Einkommensteuer unterliegt. Da EU aufgrund seines in Luxemburg abgeschlossenen Arbeitsvertrags den luxemburgischen Rechtsvorschriften unterliegt, hat er für sein Kind gemäß Art. 269 Abs. 1 Buchst. b des Sozialgesetzbuchs – wonach „für ihre Familienangehörigen gemäß dem anwendbaren internationalen Abkommen jede Person, die den luxemburgischen Rechtsvorschriften unterworfen ist und dem Anwendungsbereich der Gemeinschaftsverordnungen oder einem anderen von Luxemburg geschlossenen zwei- oder mehrseitigen Abkommen über die soziale Sicherheit, die die Zahlung von Kindergeld gemäß den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats vorsehen, unterfällt“, Anspruch auf Kindergeld hat – Kindergeld beantragt.

    32

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs jeder Unionsbürger, der vom Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnsitzstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV fällt (vgl. u. a. Urteile vom 12. Dezember 2002, de Groot, C‑385/00, EU:C:2002:750, Rn. 76, vom 28. Februar 2013, Petersen, C‑544/11, EU:C:2013:124, Rn. 34, sowie vom 14. März 2019, Jacob und Lennertz, C‑174/18, EU:C:2019:205, Rn. 21).

    33

    Angesichts der in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Fragen ist sodann auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen des Verhältnisses zwischen dem Unionsrecht und zwischen zwei Mitgliedstaaten oder einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat abgeschlossenen bilateralen Abkommen hinzuweisen.

    34

    Hinsichtlich eines zwischen zwei Mitgliedstaaten geschlossenen Kulturabkommens, das die Gewährung von Stipendien den Staatsangehörigen dieser beiden Staaten vorbehielt, hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. 1968, L 257, S. 2) die Behörden dieser Mitgliedstaaten verpflichtet, die Gewährung der in dem betreffenden bilateralen Abkommen vorgesehenen Ausbildungsförderung auf Arbeitnehmer, die in ihrem Hoheitsgebiet wohnhaft sind und eine unselbständige Tätigkeit ausüben, aber die Staatsangehörigkeit eines dritten Mitgliedstaats besitzen, zu erstrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 1988, Matteucci, 235/87, EU:C:1988:460, Rn. 16 und 23).

    35

    Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass, wenn die Anwendung einer Gemeinschaftsvorschrift durch eine Maßnahme behindert werden kann, die im Rahmen der Durchführung eines – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Vertrags geschlossenen – zweiseitigen Abkommens getroffen wurde, jeder Mitgliedstaat verpflichtet ist, die Anwendung dieser Vorschrift zu erleichtern und zu diesem Zweck jeden anderen Mitgliedstaat, dem eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung obliegt, zu unterstützen (Urteil vom 27. September 1988, Matteucci, 235/87, EU:C:1988:460, Rn. 19).

    36

    So hat der Gerichtshof in Rn. 23 des Urteils vom 27. September 1988, Matteucci (235/87, EU:C:1988:460), entschieden, dass ein zweiseitiges Abkommen, das die Gewährung von Stipendien den Staatsangehörigen der beiden Mitgliedstaaten, die Parteien des Abkommens sind, vorbehält, der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und im Hoheitsgebiet eines dieser beiden Mitgliedstaaten niedergelassenen Arbeitnehmern der Gemeinschaft nicht entgegenstehen kann.

    37

    Bezüglich eines bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat hat der Gerichtshof außerdem darauf hingewiesen, dass die direkten Steuern zwar in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass sich diese Staaten jedoch nicht über die Gemeinschaftsvorschriften hinwegsetzen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN, C‑307/97, EU:C:1999:438, Rn. 57 bis 59). Er hat daher entschieden, dass der Grundsatz der Inländerbehandlung den an einem solchen Abkommen beteiligten Mitgliedstaat verpflichtet, die in dem Abkommen vorgesehenen Vorteile den Betriebsstätten der Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen wie den Gesellschaften mit Sitz in dem an dem Abkommen beteiligten Mitgliedstaat zu gewähren (Urteil vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN, C‑307/97, EU:C:1999:438, Rn. 59).

    38

    Der Gerichtshof hat im Rahmen des Urteils vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16, Rn. 32), auf diese Rechtsprechung verwiesen; dieses Urteil betraf das Recht einer französischen Staatsangehörigen, die in Italien, der Schweiz und Frankreich gearbeitet und keinen hinreichenden Anspruch auf eine Rente in Italien hatte, auf Zusammenrechnung ihrer Versicherungszeiten in der Schweiz und in Italien, wie es im bilateralen Übereinkommen zwischen der Republik Italien und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bereich der sozialen Sicherheit zugunsten ihrer Staatsangehörigen vorgesehen ist. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, wollte das nationale Gericht wissen, ob die zuständigen italienischen Sozialversicherungsbehörden entsprechend ihrer Verpflichtungen nach u. a. Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV) verpflichtet sind, die Berücksichtigung der in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb des Anspruchs auf italienische Leistungen bei Alter auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als der Republik Italien sind, zu erstrecken.

    39

    Unter diesen Umständen wies der Gerichtshof darauf hin, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Vereinbarungen, die sie aufgrund von internationalen Abkommen eingegangen sind, unabhängig davon, ob es sich um ein Abkommen zwischen Mitgliedstaaten oder zwischen einem Mitgliedstaat und einem oder mehreren Drittstaaten handelt, vorbehaltlich des Art. 307 EG (jetzt Art. 351 AEUV) ihre Verpflichtungen aus dem Unionsrecht beachten müssen (Urteile vom 15. Januar 2002, Gottardo, C‑55/00, EU:C:2002:16, Rn. 33, und vom 21. Januar 2010, Kommission/Deutschland, C‑546/07, EU:C:2010:25, Rn. 42). Dass die Drittstaaten ihrerseits keine unionsrechtliche Verpflichtung zu beachten haben, ist insoweit unerheblich.

    40

    Wenn ein Mitgliedstaat mit einem Drittstaat ein bilaterales Abkommen über die soziale Sicherheit abschließt, das die Berücksichtigung der in diesem Drittstaat zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb des Anspruchs auf Leistungen bei Alter vorsieht, zwingt der fundamentale Grundsatz der Gleichbehandlung diesen Mitgliedstaat folglich, den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten die gleichen Vorteile zu gewähren, die auch seinen eigenen Staatsangehörigen aufgrund dieses Abkommens zustehen, es sei denn, dass er eine objektive Rechtfertigung für seine Weigerung vorbringen kann (Urteil vom 15. Januar 2002, Gottardo, C‑55/00, EU:C:2002:16, Rn. 34).

    41

    Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Gefährdung des Gleichgewichts und der Gegenseitigkeit eines bilateralen Abkommens zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat eine objektive Rechtfertigung für die Weigerung des an diesem Abkommen beteiligten Mitgliedstaats darstellen kann, die Vorteile, die seine eigenen Staatsangehörigen aus diesem Abkommen ziehen, auf die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten zu erstrecken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN, C‑307/97, EU:C:1999:438, Rn. 60, und vom 15. Januar 2002, Gottardo, C‑55/00, EU:C:2002:16, Rn. 36).

    42

    Im Urteil vom 15. Januar 2002, Gottardo (C‑55/00, EU:C:2002:16, Rn. 37), hat der Gerichtshof jedoch festgestellt, dass die italienische Regierung nicht dargetan hat, dass ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen die Verpflichtungen in Frage stellen würden, die sich aus den Vereinbarungen ergeben, die die Italienische Republik mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft getroffen hat. Denn würde die Italienische Republik die Berücksichtigung der in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb des Anspruchs auf italienische Leistungen bei Alter einseitig auf Arbeitnehmer erstrecken, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als der Republik Italien sind, so würde dies in keiner Weise die Rechte der Schweizerischen Eidgenossenschaft aus dem zwischen der Republik Italien und der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossenen Sozialversicherungsabkommen beeinträchtigen oder der Eidgenossenschaft neue Verpflichtungen auferlegen.

    43

    Der Gerichtshof hat in diesem Urteil außerdem darauf hingewiesen, dass die Argumente, die die zuständige nationale Behörde und die italienische Regierung vorgebracht haben, um ihre Weigerung zu rechtfertigen, die Zusammenrechnung der von der Betreffenden zurückgelegten Versicherungszeiten anzuerkennen, nämlich die mögliche Erhöhung ihrer finanziellen Lasten und die mit der Zusammenarbeit mit den zuständigen schweizerischen Behörden verbundenen administrativen Schwierigkeiten, keine Rechtfertigung dafür darstellen können, dass die Italienische Republik nicht die Verpflichtungen beachtet, die sich aus dem Vertrag ergeben.

    44

    Im vorliegenden Fall arbeitet EU, ein portugiesischer Staatsangehöriger, in Luxemburg und wohnt in Frankreich. Es zeigt sich somit, dass sein Fall in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV fällt, der die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen vorschreibt, und dass er sowie sein Kind unter die Verordnung Nr. 883/2004 fallen, deren Art. 4 sicherstellt, dass die Personen, für die die Verordnung gilt, die gleichen Rechte aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates haben.

    45

    Wie sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, haben die luxemburgischen Behörden festgestellt, dass angesichts der Umstände des Ausgangsverfahrens das Kind von EU keinen Anspruch auf Kindergeld hat, weder aus eigenem Recht noch als Familienangehöriger seiner Mutter oder als Familienangehöriger seines Vaters.

    46

    Im Licht der in den Rn. 38 bis 42 des vorliegenden Beschlusses angeführten Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, dass die Verpflichtung des Großherzogtums Luxemburg, die Vorteile, die seine eigenen Staatsangehörigen aus diesem Abkommen ziehen, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens auf einen Wanderarbeiter zu erstrecken, das Gleichgewicht und die Gegenseitigkeit dieses Abkommens gefährden kann, da diese Ausweitung nicht die Verpflichtungen des Großherzogtums Luxemburg gegenüber den Vereinigten Staaten von Brasilien (jetzt Föderative Republik Brasilien) beeinträchtigen würde. Wenn nämlich das Großherzogtum Luxemburg einseitig auch den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die in Luxemburg arbeiten, für ihre Kinder, die nicht in Luxemburg wohnen, Kindergeld gewährt, dann werden die Rechte der Föderativen Republik Brasilien aus dem Sozialversicherungsabkommen von 1965 hierdurch nicht beeinträchtigt und diesem Drittstaat auch keine neuen Verpflichtungen auferlegt.

    47

    Im Übrigen stellen die finanziellen und administrativen Belastungen, die auf die betroffene Verwaltung zukämen, wenn sie die ihren eigenen Staatsangehörigen gewährten Vorteile auf die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten ausweiten müsste, als solche keinen objektiven Grund dar, mit dem die Verwaltung die Verweigerung dieser Ausweitung rechtfertigen könnte.

    48

    Hierzu hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass Begründungen, die sich aus der Erhöhung der finanziellen Lasten und eventuellen administrativen Schwierigkeiten herleiten, die Nichtbeachtung der Verpflichtungen, die sich aus dem in Art. 45 AEUV aufgestellten Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergeben, jedenfalls nicht rechtfertigen können (Urteile vom 15. Januar 2002, Gottardo, C‑55/00, EU:C:2002:16, Rn. 38, vom 16. September 2004, Merida, C‑400/02, EU:C:2004:537, Rn. 30, vom 28. Juni 2012, Erny, C‑172/11, EU:C:2012:399, Rn. 48, und vom 19. Juni 2014, Specht u. a., C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 77).

    49

    Daraus folgt, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem das mit seiner Mutter in einem Drittstaat wohnende Kind eines Wanderarbeiters, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, weder aus eigenem Recht noch als Familienangehöriger seiner Mutter noch als Familienangehöriger seines Vaters Anspruch auf Kindergeld hat, der Beschäftigungsstaat grundsätzlich verpflichtet ist, diesem Kind gemäß den ihm obliegenden Verpflichtungen aus Art. 45 AEUV und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 den Anspruch auf Kindergeld zuzuerkennen, der seinen eigenen Staatsangehörigen und Einwohnern bei Vorliegen derselben Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen aufgrund eines bilateralen internationalen Abkommens mit diesem Drittstaat gewährt würde, es sei denn, er kann eine objektive Rechtfertigung für seine Weigerung vorbringen. Die Gefährdung des Gleichgewichts und der Gegenseitigkeit eines bilateralen Abkommens zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat kann eine objektive Rechtfertigung für die Weigerung dieses Mitgliedstaats darstellen, die Vorteile, die seine eigenen Staatsangehörigen aus diesem Abkommen ziehen, auf die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten zu erstrecken.

    50

    Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 45 AEUV in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass er der Weigerung der zuständigen Behörden eines ersten Mitgliedstaats entgegensteht, einem Staatsangehörigen eines zweiten Mitgliedstaats, der im ersten Mitgliedstaat arbeitet, ohne dort wohnhaft zu sein, Familienleistungen für sein Kind, das mit seiner Mutter in einem Drittstaat wohnt, zu zahlen, wenn diese zuständigen Behörden bei Vorliegen derselben Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen aufgrund eines bilateralen internationalen Abkommens zwischen dem ersten Mitgliedstaat und dem Drittstaat den Anspruch auf die Familienleistungen für ihre eigenen Staatsangehörigen bzw. Einwohner anerkennen, es sei denn, diese Behörden können eine objektive Rechtfertigung für ihre Weigerung vorbringen.

    Kosten

    51

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 45 AEUV in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass er der Weigerung der zuständigen Behörden eines ersten Mitgliedstaats entgegensteht, einem Staatsangehörigen eines zweiten Mitgliedstaats, der im ersten Mitgliedstaat arbeitet, ohne dort wohnhaft zu sein, Familienleistungen für sein Kind, das mit seiner Mutter in einem Drittstaat wohnt, zu zahlen, wenn diese zuständigen Behörden bei Vorliegen derselben Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen aufgrund eines bilateralen internationalen Abkommens zwischen dem ersten Mitgliedstaat und dem Drittstaat den Anspruch auf die Familienleistungen für ihre eigenen Staatsangehörigen bzw. Einwohner anerkennen, es sei denn, diese Behörden können eine objektive Rechtfertigung für ihre Weigerung vorbringen.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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