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Document 62018CJ0394

    Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 30. Januar 2020.
    I.G.I. Srl gegen Maria Grazia Cicenia u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen der Corte di appello di Napoli.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 82/891/EWG – Art. 12 und 19 – Spaltungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung – Schutz der Interessen der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft – Nichtigkeit der Spaltung – Actio pauliana.
    Rechtssache C-394/18.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:56

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

    30. Januar 2020 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 82/891/EWG – Art. 12 und 19 – Spaltungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung – Schutz der Interessen der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft – Nichtigkeit der Spaltung – Actio pauliana

    In der Rechtssache C‑394/18

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte d’appello di Napoli (Berufungsgericht Neapel, Italien) mit Entscheidung vom 27. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2018, in dem Verfahren

    I.G.I. Srl

    gegen

    Maria Grazia Cicenia,

    Mario Di Pierro,

    Salvatore de Vito,

    Antonio Raffaele,

    Beteiligte:

    Costruzioni Ing. G. Iandolo Srl,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter), T. von Danwitz, C. Vajda und A. Kumin,

    Generalanwalt: M. Szpunar,

    Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2019,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der I.G.I. Srl, vertreten durch S. Ietti, avvocatessa,

    der Costruzioni Ing. G. Iandolo Srl, vertreten durch S. Pierro und S. Ietti, avvocatesse,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Malferrari, W. Mölls und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2019

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 und 19 der Sechsten Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften (ABl. 1982, L 378, S. 47) in der durch die Richtlinie 2007/63/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 (ABl. 2007, L 300, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der I.G.I. Srl auf der einen und Frau Maria Grazia Cicenia, Herrn Mario Di Pierro, Herrn Salvatore de Vito und Herrn Antonio Raffaele auf der anderen Seite über die Frage, ob diese Personen als Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft, von der ein Teil des Vermögens auf I.G.I. übertragen wurde, eine actio pauliana erheben können, damit der Spaltungsakt ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der auf die I.G.I. übertragenen Vermögenswerte eingeleitet werden.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Dritte Richtlinie 78/855/EWG

    3

    Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. 1978, L 295, S. 36) in der durch die Richtlinie 2007/63 geänderten Fassung (im Folgenden: Dritte Richtlinie) sieht vor:

    „(1) Die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Maßnahmen der Koordinierung gelten für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Gesellschaften folgender Rechtsformen:

    in Italien:

    la società per azioni,

    …“

    4

    Art. 13 Abs. 3 der Dritten Richtlinie sieht vor:

    „Der Schutz kann für die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft und für die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft unterschiedlich sein.“

    Sechste Richtlinie

    5

    Der achte Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie lautet:

    „Die Gläubiger einschließlich der Inhaber von Schuldverschreibungen sowie die Inhaber anderer Rechte der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften müssen dagegen geschützt werden, dass sie durch die Spaltung Schaden erleiden.“

    6

    Im elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

    „Schließlich müssen, um die Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den an der Spaltung beteiligten Gesellschaften, zwischen diesen und Dritten sowie unter den Aktionären zu gewährleisten, die Fälle der Nichtigkeit der Spaltung beschränkt werden; außerdem müssen der Grundsatz, dass Mängeln der Spaltung soweit wie möglich abgeholfen werden soll, und eine kurze Frist zur Geltendmachung der Nichtigkeit festgelegt werden“.

    7

    Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Gestatten die Mitgliedstaaten für die in Artikel 1 Absatz 1 der [Dritten] Richtlinie … genannten, ihrem Recht unterliegenden Gesellschaften die in Artikel 2 der vorliegenden Richtlinie beschriebene Spaltung durch Übernahme, so unterwerfen sie diesen Vorgang den Vorschriften des Kapitels I der vorliegenden Richtlinie.

    (2)   Gestatten die Mitgliedstaaten für die in Absatz 1 bezeichneten Gesellschaften die in Artikel 21 definierte Spaltung durch Gründung neuer Gesellschaften, so unterwerfen sie diesen Vorgang den Vorschriften des Kapitels II.

    …“

    8

    Art. 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor:

    „(1)   Im Sinne dieser Richtlinie ist die Spaltung durch Übernahme der Vorgang, durch den eine Gesellschaft ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf mehrere Gesellschaften überträgt, und zwar gegen Gewährung von Aktien der Gesellschaften, denen die sich aus der Spaltung ergebenden Einlagen zugutekommen, – im Folgenden ‚begünstigte Gesellschaften‘ genannt – an die Aktionäre der gespaltenen Gesellschaft und gegebenenfalls Gewährung einer baren Zuzahlung, die den zehnten Teil des Nennbetrags oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, des rechnerischen Wertes der gewährten Aktien nicht übersteigt.

    (3)   Soweit in dieser Richtlinie auf die [Dritte] Richtlinie … verwiesen wird, bezeichnen der Ausdruck ‚sich verschmelzende Gesellschaften‘ die an der Spaltung beteiligten Gesellschaften, der Ausdruck ‚übertragende Gesellschaft‘ die gespaltene Gesellschaft, der Ausdruck ‚übernehmende Gesellschaft‘ jede begünstigte Gesellschaft und der Ausdruck ‚Verschmelzungsplan‘ den Spaltungsplan.“

    9

    Art. 12 der Sechsten Richtlinie lautet:

    „(1)   Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten müssen ein angemessenes Schutzsystem für die Interessen der Gläubiger der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften vorsehen, deren Forderungen vor der Bekanntmachung des Spaltungsplans entstanden und zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung noch nicht fällig sind.

    (2)   Zu diesem Zweck sehen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zumindest vor, dass diese Gläubiger Anspruch auf angemessene Garantien haben, wenn die finanzielle Lage der gespaltenen Gesellschaft sowie der Gesellschaft, auf die die Verpflichtung nach dem Spaltungsplan übertragen wird, einen solchen Schutz erforderlich machen und die Gläubiger nicht schon derartige Garantien haben.

    (3)   Soweit ein Gläubiger von der Gesellschaft, auf welche die Verpflichtung nach dem Spaltungsplan übertragen wurde, keine Befriedigung erlangt hat, haften die begünstigten Gesellschaften für diese Verpflichtung als Gesamtschuldner. Die Mitgliedstaaten können diese Haftung auf das jeder dieser Gesellschaften mit Ausnahme der Gesellschaft, auf die die Verpflichtung übertragen wurde, zugeteilte Nettoaktivvermögen beschränken. Sie brauchen diesen Absatz nicht anzuwenden, wenn der Vorgang der Spaltung der Aufsicht eines Gerichtes nach Artikel 23 unterliegt und in einer Versammlung nach Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe c) die Mehrzahl der Gläubiger, auf die Dreiviertel des Betrages der Forderungen entfallen, oder die Mehrzahl einer Kategorie von Gläubigern der gespaltenen Gesellschaft, auf die Dreiviertel des Betrages der Forderungen dieser Kategorie entfallen, darauf verzichtet haben, die gesamtschuldnerische Haftung geltend zu machen.

    (4)   Artikel 13 Absatz 3 der [Dritten] Richtlinie … ist anzuwenden.

    (5)   Unbeschadet der Vorschriften über die gemeinsame Ausübung der Rechte der Anleihegläubiger der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften sind die Absätze 1 bis 4 auf diese Gläubiger anzuwenden, es sei denn, eine Versammlung der Anleihegläubiger – sofern die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine solche Versammlung vorsehen – oder jeder einzelne Anleihegläubiger hat der Spaltung zugestimmt.

    (6)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die begünstigten Gesellschaften für die Verpflichtungen der gespaltenen Gesellschaft als Gesamtschuldner haften. In diesem Fall brauchen sie die vorstehenden Absätze nicht anzuwenden.

    (7)   Verbindet ein Mitgliedstaat das System des Gläubigerschutzes nach den Absätzen 1 bis 5 mit der gesamtschuldnerischen Haftung der begünstigten Gesellschaften nach Absatz 6, so kann er diese Haftung auf das jeder dieser Gesellschaften zugeteilte Nettoaktivvermögen beschränken.“

    10

    Art. 15 der Sechsten Richtlinie sieht vor:

    „Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestimmen den Zeitpunkt, zu dem die Spaltung wirksam wird.“

    11

    In Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

    „Die Spaltung bewirkt ipso jure gleichzeitig folgendes:

    a)

    Sowohl zwischen der gespaltenen Gesellschaft und den begünstigten Gesellschaften als auch gegenüber Dritten geht das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der gespaltenen Gesellschaft auf die begünstigten Gesellschaften über, und zwar entsprechend der im Spaltungsplan oder in Artikel 3 Absatz 3 vorgesehenen Aufteilung;

    b)

    Die Aktionäre der gespaltenen Gesellschaft werden entsprechend der im Spaltungsplan vorgesehenen Aufteilung Aktionäre einer oder mehrerer begünstigter Gesellschaften;

    c)

    die gespaltene Gesellschaft erlischt.“

    12

    Art. 19 dieser Richtlinie lautet:

    „(1)   Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten können die Nichtigkeit der Spaltung von Gesellschaften nur nach Maßgabe folgender Bestimmungen regeln:

    a)

    Die Nichtigkeit muss durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden;

    b)

    für nichtig erklärt werden kann eine im Sinne von Artikel 15 wirksam gewordene Spaltung nur wegen Fehlens einer vorbeugenden gerichtlichen oder verwaltungsmäßigen Kontrolle der Rechtmäßigkeit oder einer öffentlichen Beurkundung oder wenn festgestellt wird, dass der Beschluss der Hauptversammlung nach innerstaatlichem Recht nichtig oder anfechtbar ist;

    c)

    die Nichtigkeitsklage kann nicht mehr erhoben werden, wenn eine Frist von sechs Monaten verstrichen ist, nachdem die Spaltung demjenigen gegenüber wirksam geworden ist, der sich auf die Nichtigkeit beruft, oder wenn der Mangel behoben worden ist;

    d)

    kann der Mangel, dessentwegen die Spaltung für nichtig erklärt werden kann, behoben werden, so räumt das zuständige Gericht den beteiligten Gesellschaften dazu eine Frist ein;

    e)

    die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Nichtigkeit der Spaltung ausgesprochen wird, wird in Übereinstimmung mit Artikel 3 der [Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1968, L 65, S. 8)] nach den in den Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahren offengelegt;

    f)

    falls die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten gegen die gerichtliche Entscheidung einen Einspruch Dritter vorsehen, so kann dieser nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten seit Offenlegung der gerichtlichen Entscheidung gemäß der Richtlinie 68/151/EWG nicht mehr erhoben werden;

    g)

    die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Nichtigkeit der Spaltung ausgesprochen wird, berührt für sich allein nicht die Wirksamkeit der Verpflichtungen, die vor der Offenlegung der gerichtlichen Entscheidung, jedoch nach dem in Artikel 15 bezeichneten Zeitpunkt, zu Lasten oder zugunsten der begünstigten Gesellschaften entstanden sind;

    h)

    jede begünstigte Gesellschaft haftet für die Verpflichtungen zu ihren Lasten, die nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Spaltung und vor dem Zeitpunkt, zu dem der Beschluss über die Nichtigkeit der Spaltung offengelegt worden ist, entstanden sind. Die gespaltene Gesellschaft haftet ebenfalls für diese Verpflichtungen; die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass diese Haftung auf den Teil des Nettoaktivvermögens beschränkt ist, welcher auf die begünstigte Gesellschaft entfällt, zu deren Lasten diese Verpflichtungen entstanden sind.

    (2)   Abweichend von Absatz 1 Buchstabe a) können die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats auch gestatten, dass die Nichtigkeit der Spaltung durch eine Verwaltungsbehörde ausgesprochen wird, wenn gegen eine solche Entscheidung ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann. Die Buchstaben b), d), e), f), g) und h) gelten entsprechend für die Verwaltungsbehörde. Dieses Nichtigkeitsverfahren kann nach Ablauf einer Frist von 6 Monaten nach dem in Artikel 15 genannten Zeitpunkt nicht mehr eingeleitet werden.

    (3)   Unberührt bleiben die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Nichtigkeit einer Spaltung, die im Wege einer anderen Kontrolle der Spaltung als der vorbeugenden gerichtlichen oder verwaltungsmäßigen Kontrolle der Rechtmäßigkeit ausgesprochen wird.“

    13

    Die Art. 2 bis 19 der Sechsten Richtlinie finden sich in Kapitel I („Spaltung durch Übernahme“).

    14

    Art. 21 Abs. 1 in Kapitel II („Spaltung durch Gründung neuer Gesellschaften“) dieser Richtlinie sieht vor:

    „Im Sinne dieser Richtlinie ist die Spaltung durch Gründung neuer Gesellschaften der Vorgang, durch den eine Gesellschaft ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf mehrere neugegründete Gesellschaften überträgt, und zwar gegen Gewährung von Aktien der begünstigten Gesellschaften an die Aktionäre der gespaltenen Gesellschaft und gegebenenfalls Gewährung einer baren Zuzahlung, die den zehnten Teil des Nennbetrags oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, des rechnerischen Wertes der gewährten Aktien nicht übersteigt.“

    15

    Ebenfalls in Kapitel II der Richtlinie bestimmt Art. 22 Abs. 1:

    „Die Artikel 3, 4, 5 und 7, Artikel 8 Absätze 1 und 2 und die Artikel 9 bis 19 sind unbeschadet der Artikel 11 und 12 der Richtlinie 68/151/EWG auf die Spaltung durch Gründung neuer Gesellschaften anzuwenden. Für diese Anwendung bedeuten der Ausdruck ‚an der Spaltung beteiligte Gesellschaften‘ die gespaltene Gesellschaft, der Ausdruck ‚begünstigte Gesellschaft‘ jede der neuen Gesellschaften.“

    16

    Art. 25 in Kapitel IV („Andere der Spaltung gleichgestellte Vorgänge“) der Sechsten Richtlinie sieht vor:

    „Gestatten die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats einen der in Artikel 1 vorgesehenen Vorgänge, ohne dass die gespaltene Gesellschaft aufhört zu bestehen, so sind die Kapitel I, II und III mit Ausnahme des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe c) anzuwenden.“

    Italienisches Recht

    17

    Art. 2503 („Widerspruch der Gläubiger“) des Codice civile (Zivilgesetzbuch) bestimmt:

    „Die Verschmelzung darf erst sechzig Tage nach der letzten der in Art. 2502bis vorgesehenen Eintragungen durchgeführt werden, es sei denn, es steht die Zustimmung jener, die schon vor der im dritten Absatz des Art. 2501ter vorgesehenen Eintragung oder Veröffentlichung Gläubiger der teilnehmenden Gesellschaften gewesen sind, oder die Bezahlung der Gläubiger, die nicht zugestimmt haben, oder die Hinterlegung der entsprechenden Beträge bei einer Bank fest oder der in Art. 2501sexies vorgesehene Bericht für alle an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften ist von einer einzigen Prüfungsgesellschaft erstellt worden, die bei Haftung gemäß dem sechsten Absatz des Art. 2501sexies versichert, dass die Vermögens- und Finanzlage der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften keine Sicherstellungen zum Schutze der oben genannten Gläubiger erforderlich macht.

    Liegt keine dieser Ausnahmen vor, können die im vorhergehenden Absatz bezeichneten Gläubiger innerhalb der oben genannten Frist von sechzig Tagen Widerspruch erheben. In diesem Fall findet der letzte Absatz des Art. 2445 Anwendung.“

    18

    Art. 2504quater („Ungültigkeit der Verschmelzung“) des Zivilgesetzbuchs lautet:

    „Nachdem die Eintragungen des Verschmelzungsakts gemäß dem zweiten Absatz des Art. 2504 erfolgt sind, darf die Ungültigkeit des Verschmelzungsvertrages nicht mehr ausgesprochen werden.

    Das Recht auf Schadensersatz, das allenfalls den Gesellschaftern oder Dritten zusteht, die durch die Verschmelzung einen Schaden erlitten haben, bleibt unberührt.“

    19

    Art. 2506 („Formen der Spaltung“) des Zivilgesetzbuchs bestimmt:

    „Bei einer Spaltung weist eine Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen mehreren bestehenden oder neu zu gründenden Gesellschaften oder einen Teil ihres Vermögens, in diesem Fall auch nur an eine einzige Gesellschaft zu und weist die entsprechenden Aktien oder Anteile ihren Gesellschaftern zu.

    Zulässig ist ein Ausgleich in Geld, sofern er nicht zehn Prozent des Nennwerts der zugewiesenen Aktien oder Anteile überschreitet. Außerdem ist es bei einstimmiger Zustimmung zulässig, dass einigen Gesellschaftern keine Aktien oder Anteile einer der übernehmenden Gesellschaften, sondern Aktien oder Anteile der gespaltenen Gesellschaft zugewiesen werden.

    Die gespaltene Gesellschaft kann mit der Spaltung die eigene Auflösung ohne Liquidation vornehmen oder die eigene Tätigkeit fortführen.

    Die Beteiligung an einer Spaltung ist den in Liquidation befindlichen Gesellschaften, wenn die Verteilung des Vermögens bereits begonnen hat, nicht gestattet.“

    20

    Art. 2506ter („Anzuwendende Vorschriften“) letzter Absatz des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

    „Darüber hinaus finden auf die Spaltung die Art. 2501septies, 2502, 2502bis, 2503, 2503bis, 2504, 2504ter, 2504quater, 2505, erster und zweiter Absatz, 2505bis und 2505ter Anwendung. Alle in diesen Artikeln enthaltenen Bezugnahmen auf die Verschmelzung verstehen sich auch als auf die Spaltung bezogen.“

    21

    Der letzte Absatz des Art. 2506quater („Wirkung der Spaltung“) des Zivilgesetzbuchs lautet:

    „Jede Gesellschaft haftet als Gesamtschuldner und in den Grenzen des tatsächlichen Wertes des ihr zugewiesenen oder des bei ihr verbliebenen Reinvermögens für die Verbindlichkeiten der gespaltenen Gesellschaft, die von der Gesellschaft, der sie auferlegt worden sind, nicht befriedigt werden.“

    22

    Art. 2901 des Zivilgesetzbuchs, der sich im Teil „Anfechtungsklage“ findet, bestimmt:

    „Der Gläubiger kann, auch wenn seine Forderung bedingt oder befristet ist, beantragen, dass die seine Ansprüche benachteiligenden Verfügungshandlungen des Schuldners über das Vermögen ihm gegenüber für unwirksam erklärt werden, wenn folgende Bedingungen vorliegen:

    1)

    dass der Schuldner den Nachteil, den die Rechtshandlung den Ansprüchen des Gläubigers zufügte, gekannt hat oder dass im Fall einer vor dem Entstehen der Forderung vorgenommenen Rechtshandlung diese vorsätzlich zum Zweck der Benachteiligung ihrer Befriedigung geplant worden ist;

    2)

    dass zudem bei entgeltlichen Rechtshandlungen der Dritte sich der Benachteiligung bewusst war und dass er im Fall einer vor dem Entstehen der Forderung vorgenommenen Rechtshandlung an der vorsätzlichen Planung teilgenommen hat.

    …“

    23

    Nach Art. 2902 Abs. 1 des Zivilgesetzbuchs kann der Gläubiger, nachdem er erreicht hat, dass die die Sicherheit am Vermögen des Schuldners beeinträchtigende Vermögensverfügung des Schuldners für unwirksam erklärt wurde, gegen die Dritterwerber Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der den Gegenstand der angefochtenen Rechtshandlung bildenden Sachen einleiten.

    24

    Aus Art. 2903 des Zivilgesetzbuchs ergibt sich schließlich, dass die Anfechtungsklage mit Ablauf von fünf Jahren ab der Vornahme der Rechtshandlung verjährt.

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    25

    Durch notarielle Urkunde vom 16. September 2009 übertrug die Costruzioni Ing. G. Iandolo Srl im Rahmen einer Spaltung einen Teil ihres Vermögens auf I.G.I., die durch die gleiche notarielle Urkunde zu diesem Zweck gegründet wurde.

    26

    Da Frau Cicenia, Herr Di Pierro, Herr de Vito und Herr Raffaele der Auffassung waren, dass Costruzioni Ing. G. Iandolo durch diese Spaltung einen Großteil ihres Vermögens verloren habe und nunmehr nur noch Eigentümerin von Grundstücken von geringem Wert sei, erhoben sie Klage vor dem Tribunale di Avellino (Gericht Avellino, Italien) gegen I.G.I. und Costruzioni Ing. G. Iandolo, in deren Rahmen sie erklärten, dass sie Gläubiger von Costruzioni Ing. G. Iandolo seien. In erster Linie erhoben sie eine Anfechtungsklage, eine sogenannte actio pauliana, nach Art. 2901 des Zivilgesetzbuchs mit dem Antrag, dass die Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt werde. Hilfsweise beantragten sie die Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung von Costruzioni Ing. G. Iandolo und I.G.I. für die Verbindlichkeiten von Costruzioni Ing. G. Iandolo gemäß Art. 2506quater des Zivilgesetzbuchs.

    27

    Mit Urteil vom 11. Dezember 2015 gab das Tribunale di Avellino (Gericht Avellino) dem Hauptantrag der Gläubiger statt und erklärte den in der Spaltungsurkunde enthaltenen Vertrag über die Übertragung von Vermögenswerten „hinsichtlich der vom für nichtig erklärten Vertrag erfassten, noch im Eigentum von I.G.I. stehenden Vermögenswerte“ ihnen gegenüber für unwirksam.

    28

    I.G.I. und Costruzioni Ing. G. Iandolo legten gegen dieses Urteil Berufung bei der Corte d’appello di Napoli (Berufungsgericht Neapel, Italien) ein. Sie machten geltend, dass die von den betroffenen Gläubigern erhobene actio pauliana unzulässig sei, da die Gläubiger von an einer Spaltung beteiligten Gesellschaften nur den Rechtsbehelf des Widerspruchs nach Art. 2503 des Zivilgesetzbuchs ausüben könnten. Wenn kein Widerspruch eingelegt worden sei, entfalte die Spaltung auch im Verhältnis zu den Gläubigern endgültige Wirkungen. Außerdem schließe Art. 2504quater des Zivilgesetzbuchs aus, dass eine Spaltung für ungültig erklärt werde, nachdem die Veröffentlichungspflichten erfüllt worden seien.

    29

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Art. 2503 und 2504quater, Art. 2506ter und Art. 2506quater Abs. 3 des Zivilgesetzbuchs die Art. 12 und 19 der Sechsten Richtlinie in nationales Recht umsetzten.

    30

    Im Einzelnen habe der italienische Gesetzgeber zur Umsetzung von Art. 12 der Sechsten Richtlinie, der den Schutz der Interessen der Gläubiger der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften hinsichtlich der vor der Bekanntmachung des Spaltungsplans entstandenen Forderungen regele, vorgesehen, dass die Gläubiger, deren Ansprüche vor der Spaltung entstanden seien, innerhalb einer kurzen Frist Widerspruch gegen die Spaltung erheben könnten. Er habe weiterhin vorgesehen, dass jede Gesellschaft als Gesamtschuldner in den Grenzen des tatsächlichen Wertes des ihr zugewiesenen oder des bei ihr verbliebenen Reinvermögens für die Verbindlichkeiten der gespaltenen Gesellschaft hafte, die von der Gesellschaft, auf die diese Verpflichtung übertragen worden sei, nicht befriedigt würden. Schließlich habe er für den Fall, dass der Spaltungsakt nicht mehr für ungültig erklärt werden könne, ein Recht auf Ersatz des den Gesellschaftern oder Dritten durch die Spaltung möglicherweise entstandenen Schadens vorgesehen.

    31

    Zur Umsetzung von Art. 19 der Sechsten Richtlinie, in dem die Nichtigkeit von Spaltungen geregelt sei, habe der italienische Gesetzgeber vorgesehen, dass der Spaltungsakt nach seiner Eintragung im Handelsregister nicht mehr für ungültig erklärt werden könne.

    32

    Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass es in Bezug auf die Frage, ob die von Gläubigern einer gespaltenen Gesellschaft erhobene actio pauliana zulässig ist, zwei von den Tatsachengerichten entwickelte entgegengesetzte Rechtsprechungslinien gebe.

    33

    Nach einer ersten Rechtsprechungslinie sei eine solche Klage zulässig, da zwar sowohl der Widerspruch nach Art. 2503 des Zivilgesetzbuchs als auch die Anfechtungsklage nach Art. 2901 des Zivilgesetzbuchs den Schutz der Garantien der Gläubiger am Vermögen des Schuldners gewährleisten sollten, diese Rechtsbehelfe aber nicht vergleichbar seien. Sie unterschieden sich hinsichtlich der Personen, die sie einlegen könnten, hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem sie eingelegt werden könnten, hinsichtlich der Fristen, innerhalb deren sie einzulegen seien, hinsichtlich des Zwecks, der bei der Anfechtungsklage in der Ahndung eines rechtswidrigen Verhaltens bestehe, und schließlich hinsichtlich ihrer Wirkungen.

    34

    Nach der zweiten Rechtsprechungslinie müsse eine Anfechtungsklage der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft im Hinblick auf das Ziel der Sechsten Richtlinie, sicherzustellen, dass die Spaltung gegenüber den Gläubigern innerhalb einer kurzen Frist endgültige und unwiderrufliche Wirkungen entfalte, ausgeschlossen werden, um die Interessen der zahlreichen von der Spaltung Betroffenen zu wahren, die nicht mit den Gläubigern der gespaltenen Gesellschaft identisch seien.

    35

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich die Wahrung der Rechtsbeständigkeit der Wirkungen der Spaltung sowie der Interessen der von der Spaltung Betroffenen, die eines der Ziele der Sechsten Richtlinie sei, nur dadurch gewährleisten lasse, dass der Nichteinlegung der in Art. 12 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Rechtsbehelfe Präklusionswirkung für spätere andere Klagen der Gläubiger zum Schutz ihrer Garantien am Vermögen des Schuldners beigemessen werde. Der Begriff „Nichtigkeit“ in Art. 19 der Sechsten Richtlinie müsse daher alle Klagen erfassen, die die Unwirksamkeit der Spaltung zur Folge hätten, gleich ob es sich um eine absolute oder relative Unwirksamkeit handele und ob die Spaltung in letzterem Fall gültig sei.

    36

    Allerdings schließe Art. 12 der Sechsten Richtlinie nicht jede spätere Klage zum Schutz der Garantien der Gläubiger am Vermögen des Schuldners aus, und im nationalen Recht gebe es eine Reihe von Unterschieden zwischen der Nichtigkeitsklage und der actio pauliana.

    37

    Unter diesen Umständen hat die Corte d’appello di Napoli (Berufungsgericht Neapel) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Können Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft, deren Forderungen vor der Spaltung entstanden sind und die von dem Rechtsbehelf des Widerspruchs nach Art. 2503 des Zivilgesetzbuchs (und damit von dem Schutzinstrument, das in Umsetzung von Art. 12 der Sechsten Richtlinie geschaffen worden ist) keinen Gebrauch gemacht haben, nach Vollzug der Spaltung die Anfechtungsklage (oder actio pauliana) nach Art. 2901 des Zivilgesetzbuchs erheben, damit die Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und sie infolgedessen bei der Vollstreckung gegenüber den Gläubigern der begünstigten Gesellschaft(en) bevorzugt werden und ihnen gegenüber deren Gesellschaftern der Vorrang eingeräumt wird?

    2.

    Bezieht sich der in Art. 19 der Sechsten Richtlinie verwendete Begriff der Nichtigkeit nur auf Klagen, die sich auf die Gültigkeit des Spaltungsakts auswirken, oder auch auf solche, die sich zwar nicht auf seine Gültigkeit auswirken, aber dazu führen, dass er relativ unwirksam ist oder dem Kläger nicht entgegengehalten werden kann?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur anwendbaren Richtlinie

    38

    Das vorlegende Gericht bezieht sich in seinem Vorabentscheidungsersuchen sowohl auf die Sechste Richtlinie als auch auf die Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. 2017, L 169, S. 46), die die Sechste Richtlinie mit ihrem Inkrafttreten am 20. Juli 2017 aufhob. Da der gesamte Sachverhalt des Ausgangsverfahrens vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2017/1132 liegt, findet die Sechste Richtlinie Anwendung.

    Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

    39

    Die Kommission bezweifelt die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen, weil das Ausgangsverfahren insoweit nicht unter die Sechste Richtlinie falle, als nur ein Teil des Vermögens von Costruzioni Ing. G. Iandolo auf I.G.I. übertragen worden sei.

    40

    Nach Ansicht der Kommission findet die Sechste Richtlinie gemäß Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 nämlich nur dann auf Spaltungen durch Gründung neuer Gesellschaften Anwendung, wenn das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der gespaltenen Gesellschaft übertragen werde.

    41

    Wie der Generalanwalt in Nr. 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht zum einen aus dem Titel der Sechsten Richtlinie hervor, dass ihr Gegenstand die Spaltung von Aktiengesellschaften ist. Aus Art. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie ergibt sich ferner, dass die Sechste Richtlinie in der Republik Italien für „società per azioni“ (Aktiengesellschaften) gilt. Costruzioni Ing. G. Iandolo und I.G.I. sind jedoch keine Aktiengesellschaften, sondern Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

    42

    Zum anderen wird nach Art. 21 der Sechsten Richtlinie der Vorgang, durch den eine Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf mehrere neu gegründete Gesellschaften überträgt, als Spaltung durch Gründung neuer Gesellschaften betrachtet. Costruzioni Ing. G. Iandolo hat aber nicht ihr gesamtes Vermögen auf mehrere Gesellschaften, sondern nur einen Teil ihres Vermögens auf eine Gesellschaft, I.G.I., übertragen.

    43

    Folglich fällt der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorgang der Spaltung nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie.

    44

    Nach Art. 267 AEUV entscheidet der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge und der Handlungen der Organe der Europäischen Union. Im Rahmen der durch diesen Artikel geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es allein Sache des nationalen Gerichts, im Hinblick auf die Besonderheiten der einzelnen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Folglich ist der Gerichtshof grundsätzlich zu einer Entscheidung verpflichtet, wenn die von den nationalen Gerichten vorgelegten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 31. Mai 2018, Ernst & Young, C‑633/16, EU:C:2018:371, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    45

    Unter Berufung auf diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof wiederholt seine Zuständigkeit für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen bejaht, die unionsrechtliche Vorschriften in Fällen betrafen, in denen der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zwar nicht in den unmittelbaren Geltungsbereich des Unionsrechts fiel, diese Vorschriften aber durch das nationale Recht aufgrund eines darin enthaltenen Verweises auf ihren Inhalt für anwendbar erklärt worden waren. Die Vorschriften waren in diesen Fällen, obwohl der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht unmittelbar unter das Unionsrecht fiel, durch das nationale Recht, das sich zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Unionsrecht getroffenen Regelungen richtete, für anwendbar erklärt worden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 1990, Dzodzi, C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 37, vom 17. Juli 1997, Leur-Bloem, C‑28/95, EU:C:1997:369, Rn. 27 und 32, sowie vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 53).

    46

    Richten sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Unionsrecht getroffenen Regelungen, um beispielsweise zu verhindern, dass es zu Benachteiligungen der eigenen Staatsangehörigen oder zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, oder um sicherzustellen, dass in vergleichbaren Fällen ein einheitliches Verfahren angewandt wird, besteht ein klares Interesse der Union daran, dass die aus dem Unionsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern. Somit rechtfertigt sich eine Auslegung von Vorschriften des Unionsrechts durch den Gerichtshof in rein innerstaatlichen Sachverhalten dadurch, dass diese Vorschriften vom nationalen Recht unmittelbar und unbedingt für anwendbar erklärt worden sind, um zu gewährleisten, dass innerstaatliche und unionsrechtlich geregelte Sachverhalte gleichbehandelt werden (Urteile vom 21. Dezember 2011, Cicala, C‑482/10, EU:C:2011:868, Rn. 18 und 19, und vom 21. November 2019, Deutsche Post u. a., C‑203/18 und C‑374/18, EU:C:2019:999, Rn. 37).

    47

    Wenn der Gerichtshof in einem Zusammenhang mit einem Sachverhalt, der nicht unmittelbar in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, angerufen wird und das nationale Gericht lediglich angibt, dass die fragliche nationale Regelung unterschiedslos auf durch die in Rede stehenden Unionsvorschriften geregelte und rein innerstaatliche Sachverhalte anwendbar ist, kann er nicht davon ausgehen, dass das nationale Gericht das Ersuchen um Auslegung im Wege der Vorabentscheidung bezüglich der Unionsvorschriften für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits benötigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 54).

    48

    Die konkreten Merkmale, die es ermöglichen, festzustellen, dass die Unionsvorschriften vom nationalen Recht unmittelbar und unbedingt für anwendbar erklärt worden sind, um zu gewährleisten, dass innerstaatliche und durch das Unionsrecht geregelte Sachverhalte gleichbehandelt werden, müssen sich aus der Vorlageentscheidung ergeben (Urteil vom 20. September 2018, Fremoluc, C‑343/17, EU:C:2018:754, Rn. 21).

    49

    Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, gemäß Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs anzugeben, inwieweit der bei ihm anhängige Rechtsstreit trotz seines rein innerstaatlichen Charakters einen Anknüpfungspunkt bezüglich der Vorschriften des Unionsrechts aufweist, der die erbetene Auslegung im Wege der Vorabentscheidung für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich macht. Diese Anforderungen spiegeln sich im Übrigen auch in den Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2019, C 380, S. 1) wider.

    50

    Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht, das im Rahmen des Systems der gerichtlichen Zusammenarbeit nach Art. 267 AEUV für die Auslegung des nationalen Rechts ausschließlich zuständig ist, klargestellt, dass die Art. 2503, 2504quater, Art. 2506ter und Art. 2506quater Abs. 3 des Zivilgesetzbuchs, deren Anwendung im vorliegenden Fall von den Parteien des Ausgangsrechtsstreits verlangt werde, die Art. 12 und 19 der Sechsten Richtlinie in nationales Recht umsetzten. Dies ergibt sich in der Tat, wie die Kommission feststellt, aus dem Decreto legislativo n. 22 – Attuazione delle direttive n. 78/855/CEE e n. 82/891/CEE in materia di fusioni e scissioni societarie, ai sensi dell’art. 2, comma 1, della legge 26 marzo 1990, n. 69 (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 22 zur Umsetzung der Richtlinien 78/855/EWG und 82/891/EWG über Verschmelzungen und Spaltungen gemäß Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 69 vom 26. März 1990) vom 16. Januar 1991 (GURI Nr. 19 vom 23. Januar 1991).

    51

    Aus der Vorlageentscheidung geht weiter hervor, dass diese Vorschriften des Zivilgesetzbuchs, die Art. 12 und 19 der Sechsten Richtlinie in nationales Recht umsetzen, gemäß Art. 2506 des Zivilgesetzbuchs sowohl auf Spaltungen, bei denen eine Gesellschaft nur einen Teil ihres Vermögens auf eine oder mehrere Gesellschaften überträgt, als auch auf Spaltungen anwendbar sind, bei denen eine Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen auf mehrere Gesellschaften überträgt, und zwar sowohl auf Aktiengesellschaften als auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

    52

    Mit dieser Umsetzung der Sechsten Richtlinie hat der italienische Gesetzgeber daher beschlossen, die Art. 12 und 19 der Sechsten Richtlinie unmittelbar und unbedingt auch auf Spaltungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden, bei denen eine Gesellschaft nur einen Teil ihres Vermögens auf eine andere Gesellschaft überträgt.

    53

    Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen angeführte Art. 25 der Sechsten Richtlinie, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, es dem nationalen Gesetzgeber nicht verbietet, die in der Sechsten Richtlinie vorgesehene Spaltungsregelung auf Spaltungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden, bei denen eine Gesellschaft nur einen Teil ihres Vermögens auf eine andere Gesellschaft überträgt.

    54

    Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof entgegen dem Vorbringen der Kommission für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts zuständig.

    Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

    55

    I.G.I. trägt vor, dass das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig sei, weil es entgegen den Anforderungen von Art. 94 der Verfahrensordnung nicht die Beschreibung des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen enthalte. Außerdem machen I.G.I. und Costruzioni Ing. G. Iandolo geltend, dass die vorgelegten Fragen unerheblich seien, da alle Forderungen, die die Berufungsbeklagten des Ausgangsverfahrens durch die Erhebung einer actio pauliana hätten schützen wollen, erloschen seien. In der mündlichen Verhandlung hat auch die Kommission festgestellt, dass das Vorabentscheidungsersuchen gegenstandslos und für unzulässig zu erklären sei, wenn diese Forderungen tatsächlich erloschen sein sollten.

    56

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die dieses zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 10. Juli 2019, Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung, C‑26/18, EU:C:2019:579, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    57

    Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung ist eine Auslegung des Unionsrechts, die für das nationale Gericht von Nutzen ist, nur dann möglich, wenn das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Kontext, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen, auf denen diese beruhen, erläutert. Außerdem muss die Vorlageentscheidung die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Unionsrechts fraglich und die Vorlage einer Vorabentscheidungsfrage an den Gerichtshof erforderlich erscheint (Urteil vom 19. Dezember 2018, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑375/17, EU:C:2018:1026, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    58

    Im Vorabentscheidungsersuchen beschreibt das vorlegende Gericht den rechtlichen und tatsächlichen Kontext des Ausgangsrechtsstreits hinreichend und erklärt eindeutig, dass die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen erforderlich sind, um über die Frage der Vereinbarkeit der actio pauliana mit dem Unionsrecht zu entscheiden.

    59

    In Anbetracht der Angaben des vorlegenden Gerichts, das im Rahmen des Systems der gerichtlichen Zusammenarbeit nach Art. 267 AEUV für die Auslegung des nationalen Rechts ausschließlich zuständig ist, kann zudem nicht festgestellt werden, dass die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünden oder sich auf ein Problem hypothetischer Natur bezögen.

    60

    Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

    Zur ersten Frage

    61

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft, deren Forderungen vor der Spaltung entstanden sind und die von den im nationalen Recht in Anwendung dieser Bestimmung vorgesehenen Schutzinstrumenten keinen Gebrauch gemacht haben, nach der Spaltung eine actio pauliana erheben können, damit diese Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der auf die begünstigte Gesellschaft übertragenen Vermögenswerte eingeleitet werden.

    62

    Zunächst ist festzustellen, dass nach Art. 22 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie die Art. 12 und 19 dieser Richtlinie auf die Spaltung durch Gründung neuer Gesellschaften im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie anzuwenden sind. Aus diesem Art. 22 Abs. 1 ergibt sich, dass für diese Anwendung der Ausdruck „an der Spaltung beteiligte Gesellschaften“ die gespaltene Gesellschaft und der Ausdruck „begünstigte Gesellschaft“ jede der neuen Gesellschaften bedeuten.

    63

    Gemäß Art. 12 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten ein angemessenes Schutzsystem für die Interessen der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft vorsehen, deren Forderungen vor der Bekanntmachung des Spaltungsplans entstanden und zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung noch nicht fällig sind.

    64

    Art. 12 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für die Zwecke des Abs. 1 dieses Artikels zumindest vorsehen, dass diese Gläubiger Anspruch auf angemessene Garantien haben, wenn die finanzielle Lage der gespaltenen Gesellschaft sowie der Gesellschaft, auf die die Verpflichtung nach dem Spaltungsplan übertragen wird, einen solchen Schutz erforderlich machen und die Gläubiger nicht schon derartige Garantien haben.

    65

    Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 12 Abs. 3 und 6 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass die neu gegründeten Gesellschaften für die Verpflichtungen der gespaltenen Gesellschaft als Gesamtschuldner haften.

    66

    Zu den in Art. 12 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Instrumenten des Schutzes der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft gehört zwar nicht die actio pauliana.

    67

    Jedoch zeigt, wie der Generalanwalt in den Nrn. 59 und 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Verwendung des Ausdrucks „zumindest“ in Art. 12 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, dass dieser Artikel Mindestanforderungen vorsieht, die die Interessen der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaften für Forderungen, die vor der Bekanntmachung des Spaltungsplans entstanden und zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung noch nicht fällig sind, schützen sollen. Folglich hindert dieser Art. 12 Abs. 2 die Mitgliedstaaten nicht daran, für diese Forderungen zusätzliche Instrumente zum Schutz der Interessen dieser Gläubiger vorzusehen.

    68

    Außerdem ergibt sich aus Art. 12 der Sechsten Richtlinie nicht, dass die Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft deshalb, weil sie eines der Instrumente, die in den nationalen Rechtsvorschriften in Anwendung dieses Artikels zu ihrem Schutz vorgesehen sind, nicht genutzt haben, daran gehindert wären, andere als die in diesem Artikel aufgeführten Schutzinstrumente zu nutzen.

    69

    Unter diesen Umständen ist in Anbetracht des im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziels, die Gläubiger einschließlich der Inhaber von Schuldverschreibungen sowie die Inhaber anderer Rechte der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften vor dem Schaden zu schützen, der durch die Spaltung entstehen kann, davon auszugehen, dass Art. 12 der Sechsten Richtlinie es nicht ausschließt, dass der Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft eine actio pauliana, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, erheben kann, wenn die finanzielle Lage der gespaltenen Gesellschaft sowie der Gesellschaft, auf die die Verpflichtung nach dem Spaltungsplan übertragen wird, einen solchen Schutz erforderlich machen. Die Wirkungen einer solchen Klage dürfen jedoch nicht dem Zweck dieser Bestimmung zuwiderlaufen.

    70

    In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass bereits aus dem Wortlaut der ersten Frage hervorgeht, dass eine von den Gläubigern der gespaltenen Gesellschaft erhobene actio pauliana, wie sie in Art. 2901 des Zivilgesetzbuchs vorgesehen ist, dazu führen kann, dass sie bei der Vollstreckung gegenüber den Gläubigern der begünstigten Gesellschaft(en) bevorzugt werden und ihnen gegenüber deren Gesellschaftern der Vorrang eingeräumt wird. Da es sich bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Spaltung um eine Spaltung durch Gründung einer neuen Gesellschaft handelt, ist der vom vorlegenden Gericht verwendete Ausdruck „begünstigte Gesellschaft(en)“ so zu verstehen, dass er die neu gegründete Gesellschaft oder die neu gegründeten Gesellschaften bezeichnet.

    71

    Das in Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehene System des Mindestschutzes der Gläubigerinteressen betrifft jedoch die Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft und nicht die Gläubiger der neu gegründeten Gesellschaften oder von deren Gesellschaftern, da diese Gesellschaften vor der Spaltung nicht existierten.

    72

    Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 12 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie und Art. 13 Abs. 3 der Dritten Richtlinie, dass der Schutz für die Gläubiger der neu gegründeten Gesellschaften und für die Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft „unterschiedlich sein kann“.

    73

    Art. 12 der Sechsten Richtlinie verlangt also nicht, dass der von den Mitgliedstaaten vorgesehene Schutz der Gläubiger der neu gegründeten Gesellschaften dem der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft gleichwertig ist.

    74

    Aus allen diesen Bestimmungen lässt sich daher ableiten, dass die mit der Sechsten Richtlinie vorgenommene Mindestharmonisierung des Schutzes der Interessen der Gläubiger der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften es nicht verbietet, dass bei einer Spaltung durch Gründung einer neuen Gesellschaft, wie sie im Ausgangsrechtsstreit in Rede steht, dem Schutz der Interessen der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft Vorrang eingeräumt wird.

    75

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 12 in Verbindung mit den Art. 21 und 22 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft, deren Forderungen vor der Spaltung entstanden sind und die von den im nationalen Recht in Anwendung dieses Art. 12 vorgesehenen Schutzinstrumenten keinen Gebrauch gemacht haben, nach der Spaltung eine actio pauliana erheben können, damit diese Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der auf die neu gegründete Gesellschaft übertragenen Vermögenswerte eingeleitet werden.

    Zur zweiten Frage

    76

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 19 der Sechsten Richtlinie, der die Nichtigkeit von Spaltungen regelt, dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft nach einer Spaltung eine actio pauliana erheben, die nicht die Gültigkeit dieser Spaltung berührt, sondern lediglich dazu führen kann, dass ihnen diese Spaltung nicht entgegengehalten werden kann.

    77

    Art. 19 der Sechsten Richtlinie regelt die Nichtigkeit von Spaltungen. Insbesondere begrenzt dieser Artikel die Fälle der Nichtigkeit, sieht eine kurze Frist zur Geltendmachung der Nichtigkeit vor und legt fest, dass den beteiligten Gesellschaften, wenn der Mangel, dessentwegen die Spaltung für nichtig erklärt werden kann, behoben werden kann, dazu eine Frist eingeräumt wird.

    78

    Der Begriff „Nichtigkeit“ wird in der Sechsten Richtlinie nicht definiert.

    79

    Da dieser Begriff nicht definiert wird, ist seine Bedeutung und Tragweite nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs anhand des gewöhnlichen Sinnes der verwendeten Worte zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang sie benutzt werden und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehören (Urteil vom 26. Juli 2017, Jafari, C‑646/16, EU:C:2017:586, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    80

    Der Begriff „Nichtigkeit“ bezieht sich in seinem gewöhnlichen Sinne auf Klagen, die auf die Nichtigerklärung eines Rechtsakts abzielen, dessen Wegfall zur Folge haben und Wirkungen gegenüber jedermann entfalten.

    81

    Diese Bedeutung des Begriffs „Nichtigkeit“ wird, wie der Generalanwalt in den Nrn. 73 bis 75 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, durch den Kontext dieses Begriffs und die mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziele bestätigt.

    82

    Zum Kontext dieses Begriffs ist festzustellen, dass nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie eine wirksam gewordene Spaltung nur in drei Fällen für nichtig erklärt werden kann, nämlich wegen Fehlens einer vorbeugenden gerichtlichen oder verwaltungsmäßigen Kontrolle der Rechtmäßigkeit oder einer öffentlichen Beurkundung oder wenn festgestellt wird, dass der Beschluss der Hauptversammlung, mit dem der Spaltungsplan genehmigt worden ist, nach innerstaatlichem Recht nichtig oder anfechtbar ist.

    83

    Diese drei Fälle der Nichtigkeit beziehen sich auf das Zustandekommen der Spaltung und berühren deren Existenz als solche. Es handelt sich also um Fälle, die den Wegfall der Spaltung zur Folge haben.

    84

    Was das mit der Sechsten Richtlinie verfolgte Ziel anbelangt, geht aus dem elften Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie hervor, dass der Unionsgesetzgeber es für notwendig hielt, die Fälle der Nichtigkeit zu beschränken und zum einen den Grundsatz, dass Mängeln der Spaltung soweit wie möglich abgeholfen werden soll, und zum anderen eine kurze Frist zur Geltendmachung der Nichtigkeit festzulegen, um die Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den an der Spaltung beteiligten Gesellschaften, zwischen diesen und Dritten sowie unter den Aktionären zu gewährleisten. Dieses Ziel der Sechsten Richtlinie, das in ihrem Art. 19 umgesetzt wurde, bestätigt, dass die Nichtigkeit einer Spaltung Wirkungen gegenüber jedermann entfaltet.

    85

    Während die Nichtigkeitsklage, wie der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Nichteinhaltung der für das Zustandekommen des Spaltungsakts erforderlichen Voraussetzungen sanktionieren soll, hat eine actio pauliana wie die im Ausgangsverfahren fragliche jedoch nur den Schutz der Gläubiger, deren Ansprüche durch die Spaltung benachteiligt wurden, zum Gegenstand.

    86

    Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass die von den Berufungsbeklagten des Ausgangsverfahrens gemäß Art. 2901 des Zivilgesetzbuchs erhobene actio pauliana nur dazu führen kann, dass die betreffende Spaltung und insbesondere die Übertragung bestimmter in der Spaltungsurkunde genannter Vermögenswerte ihnen nicht entgegengehalten werden kann. Diese Klage berührt nicht die Gültigkeit dieser Spaltung, führt nicht zu deren Wegfall und hat keine Wirkungen gegenüber jedermann.

    87

    Folglich fällt diese Klage nicht unter den Begriff „Nichtigkeit“ in Art. 19 der Sechsten Richtlinie.

    88

    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 19 der Sechsten Richtlinie, der die Nichtigkeit von Spaltungen regelt, in Verbindung mit den Art. 21 und 22 dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft nach einer Spaltung eine actio pauliana erheben, die nicht die Gültigkeit dieser Spaltung berührt, sondern lediglich dazu führen kann, dass ihnen diese Spaltung nicht entgegengehalten werden kann.

    Kosten

    89

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 12 in Verbindung mit den Art. 21 und 22 der Sechsten Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften in der durch die Richtlinie 2007/63/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft, deren Forderungen vor der Spaltung entstanden sind und die von den im nationalen Recht in Anwendung dieses Art. 12 vorgesehenen Schutzinstrumenten keinen Gebrauch gemacht haben, nach der Spaltung eine actio pauliana erheben können, damit diese Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der auf die neu gegründete Gesellschaft übertragenen Vermögenswerte eingeleitet werden.

     

    2.

    Art. 19 der Richtlinie 82/891 in der durch die Richtlinie 2007/63 geänderten Fassung, der die Nichtigkeit von Spaltungen regelt, ist in Verbindung mit den Art. 21 und 22 dieser Richtlinie 82/891 dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft nach einer Spaltung eine actio pauliana erheben, die nicht die Gültigkeit dieser Spaltung berührt, sondern lediglich dazu führen kann, dass ihnen diese Spaltung nicht entgegengehalten werden kann.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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