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Document 62018CJ0014

Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 28. Februar 2019.
Alfamicro – Sistemas de computadores, Sociedade Unipessoal, Lda. gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Schiedsklausel – Art. 272 AEUV – Begriff ‚Feststellungsklage‘ – Art. 263 AEUV – Begriff ‚Verwaltungsentscheidung‘ – Im Rahmen des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) (2007 – 2013) abgeschlossene Finanzhilfevereinbarung – Auditberichte, in denen festgestellt wurde, dass bestimmte angemeldete Kosten nicht zuschussfähig sind.
Rechtssache C-14/18 P.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:159

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

28. Februar 2019 ( *1 )

„Rechtsmittel – Schiedsklausel – Art. 272 AEUV – Begriff ‚Feststellungsklage‘ – Art. 263 AEUV – Begriff ‚Verwaltungsentscheidung‘ – Im Rahmen des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) (2007–2013) abgeschlossene Finanzhilfevereinbarung – Auditberichte, in denen festgestellt wurde, dass bestimmte angemeldete Kosten nicht zuschussfähig sind“

In der Rechtssache C‑14/18 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 5. Januar 2018,

Alfamicro – Sistemas de computadores, Sociedade Unipessoal, Lda mit Sitz in Cascais (Portugal), Prozessbevollmächtigte: G. Gentil Anastácio und D. Pirra Xarepe, advogados,

Klägerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch J. Estrada de Solà und M. M. Farrajota als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter L. Bay Larsen und M. Safjan,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Alfamicro – Sistemas de computadores, Sociedade Unipessoal, Lda (im Folgenden: Alfamicro) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 14. November 2017, Alfamicro/Kommission (T‑831/14, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2017:804), mit dem dieses ihre auf Art. 272 AEUV gestützte Klage auf Feststellung, dass der Europäischen Kommission aus der Finanzhilfevereinbarung Nr. 238882 betreffend die Finanzierung des „Save Energy“-Projekts durch die Europäische Union, die im Rahmen des durch den Beschluss Nr. 1639/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 2006 (ABl. 2006, L 310, S. 15) eingerichteten Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation geschlossen wurde (im Folgenden: streitige Finanzhilfevereinbarung), keine Forderung gegen die Rechtsmittelführerin zustehe, abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Der Beschluss Nr. 1639/2006 wurde gemäß seinem Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit dem zweiten Erwägungsgrund erlassen, um zur Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft als einer fortschrittlichen Wissensgesellschaft beizutragen, einer Gesellschaft mit nachhaltiger Entwicklung basierend auf einem robusten Wirtschaftswachstum und einer hoch konkurrenzfähigen sozialen Marktwirtschaft mit einem hohen Schutzniveau und einer Verbesserung der Umweltqualität. Dieser Beschluss wurde ab dem 31. Dezember 2013 durch die Verordnung (EU) Nr. 1287/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über ein Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für kleine und mittlere Unternehmen (COSME) (2014-2020) und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1639/2006 (ABl. 2013, L 347, S. 33) aufgehoben.

3

Gemäß dem 19. Erwägungsgrund des Beschlusses Nr. 1639/2006 sollten mit diesem angemessene Maßnahmen getroffen werden, um Unregelmäßigkeiten und Betrug zu verhindern, und es sollten die erforderlichen Schritte unternommen werden, um entgangene, zu Unrecht gezahlte oder nicht ordnungsgemäß verwendete Beträge einzuziehen, im Einklang mit den Verordnungen (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 1995, L 312, S. 1), (Euratom, EG) Nr. 2185/96 des Rates vom 11. November 1996 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission (ABl. 1996, L 292, S. 2) und (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. 1999, L 136, S. 1).

4

Unter den in Art. 2 des Beschlusses vorgesehenen Zielen war in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b das Programm zur Unterstützung der Politik für Informations- und Kommunikations-Technologien (IKT) aufgeführt.

5

Art. 9 („Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft“) sah in Abs. 3 vor:

„Für alle Durchführungsmaßnahmen auf der Grundlage dieses Beschlusses wird insbesondere die Überwachung und Finanzkontrolle durch die Kommission oder einen von ihr bevollmächtigten Vertreter und durch Audits des Europäischen Rechnungshofes, erforderlichenfalls durch Audits vor Ort, vorgesehen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

6

Bei Alfamicro handelt es sich um eine Einpersonengesellschaft portugiesischen Rechts, die Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informatik und der Informationstechnologien erbringt. Am 9. Juni 2009 unterzeichnete sie die streitige Finanzhilfevereinbarung mit der Kommission.

7

Das mit dieser Vereinbarung finanzierte Projekt „Save Energy“ war darauf gerichtet, Bürger und politische Entscheidungsträger für Fragen der Energieeffizienz zu sensibilisieren. Das Projekt fand vom 1. März 2009 bis zum 31. Oktober 2011 statt.

8

Alfamicro war im Rahmen eines Konsortiums mit 17 Partnern aus fünf Mitgliedstaaten als Koordinatorin an dem Projekt beteiligt. Sie koordinierte die Umsetzung der Pilotprojekte für Innovation im technologischen und sozialen Bereich. Ferner war sie an weiteren europäischen Projekten beteiligt, in denen sie die Rolle einer technischen Beraterin oder Projektkoordinatorin übernahm.

9

Die streitige Finanzhilfevereinbarung legte in ihrem Art. 5 Abs. 1 die maximale finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft auf 2230000 Euro fest und stellte klar, dass sich diese finanzielle Beteiligung auf 50 % der zuschussfähigen Kosten beschränke.

10

Art. 10 („Anwendbares Recht und zuständiges Gericht“) sah in Abs. 1 vor, dass für die Vereinbarung ihr Wortlaut, die einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsakte betreffend das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften und ihre Durchführungsbestimmungen, die übrigen einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts im Allgemeinen und, subsidiär, das belgische Recht gelten.

11

Nach Art. 10 Abs. 2 der Vereinbarung ist „dem Begünstigten bekannt, dass die Kommission Entscheidungen treffen kann, mit denen finanzielle Verpflichtungen auferlegt werden und die gemäß Art. 256 [EG einen vollstreckbaren Titel darstellen], und er willigt hierin ein“.

12

Art. 10 Abs. 3 der Vereinbarung bestimmte, dass, unbeschadet des Rechts der Kommission, die in Art. 10 Abs. 2 genannten Beschlüsse unmittelbar zu erlassen, für Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Begünstigten über die Auslegung, die Anwendung oder die Gültigkeit der streitigen Finanzhilfevereinbarung und die Rechtmäßigkeit der oben genannten Beschlüsse das Gericht oder bei einem Rechtsmittel der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausschließlich zuständig sind.

13

In Anhang II der streitigen Finanzhilfevereinbarung, der einen vollwertigen Bestandteil dieser Vereinbarung darstellte, waren deren Allgemeine Bedingungen aufgeführt. Art. II.28 („Finanzaudit“) dieser Allgemeinen Bedingungen sah in Abs. 1 Unterabs. 1 vor, dass die Kommission den Begünstigten während der Durchführung des betreffenden Projekts jederzeit und bis zu fünf Jahre nach der Abschlusszahlung einem Audit unterziehen konnte. Nach Unterabs. 2 konnte dieses Verfahren von externen Rechnungsprüfern oder von den Dienststellen der Kommission einschließlich des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) durchgeführt werden. Gemäß Art. II.28 Abs. 6 der Allgemeinen Bedingungen standen dem Europäischen Rechnungshof die gleichen Rechte wie der Kommission zu, insbesondere das Zugangsrecht für Prüfungs- und Auditzwecke.

14

Die Dauer des Projekts „Save Energy“, die ursprünglich auf 30 Monate angelegt war, wurde später auf 32 Monate ausgedehnt, so dass es bis zum 3. Oktober 2011 lief. Die Kommission leistete nach Durchführung des Projekts eine Zahlung von 680300 Euro, mithin 50 % der von Alfamicro angemeldeten Kosten.

15

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 teilte der Rechnungshof Alfamicro mit, dass bei ihr im Einklang mit Art. 287 AEUV und wie in Art. II.28 Abs. 6 der Allgemeinen Bedingungen der streitigen Finanzhilfevereinbarung vorgesehen vom 17. bis zum 19. Dezember 2012 ein Audit in ihren Räumlichkeiten in Cascais (Portugal) durchgeführt werde. Der Rechnungshof schloss dieses Audit am 11. April 2013 ab.

16

Der vorläufige Bericht des Audits, der Alfamicro mit Schreiben vom 29. April 2013 übermittelt wurde, wurde vom Rechnungshof in der Folge unter Berücksichtigung der vorläufigen Anmerkungen der Rechtsmittelführerin überarbeitet. Mit Schreiben vom 25. August 2014 übermittelte die Kommission Alfamicro den abschließenden Bericht des Audits und teilte ihr mit, dass das Audit endgültig beendet sei. Hiernach wies der Rechnungshof die erklärten Kosten für Personal, für die von zwei Subunternehmern von Alfamicro erbrachten Dienstleistungen sowie „weitere unmittelbare Kosten“, die sich hauptsächlich auf Reisekosten und Kosten für den Erwerb von Verbrauchsgütern bezogen, in Höhe von 934262 Euro als nicht dem geltenden Vereinbarungs- und Regelungsrahmen entsprechend zurück.

17

Mit Schreiben vom 8. September 2014 (im Folgenden: Vorabinformationsschreiben) teilte die Kommission Alfamicro mit, dass sie auf der Grundlage des Auditergebnisses einen Betrag von 467131 Euro einziehen werde und dass, falls Alfamicro nicht binnen einer Frist von 30 Tagen ab Zugang dieses Schreibens eine Stellungnahme abgebe, eine Belastungsanzeige in dieser Höhe ergehen werde. Die Kommission führte dort weiter aus, dass Verzugszinsen mit dem in der Belastungsanzeige angegebenen Zinssatz berechnet würden, soweit binnen der in dieser Anzeige genannten Frist keine Zahlung erfolge. Schließlich wies die Kommission darauf hin, dass sie über die Möglichkeit verfüge, den Betrag entweder durch Aufrechnung einzuziehen oder durch Erlass eines Rechtsakts, der einen vollstreckbaren Titel darstelle. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 wandte sich Alfamicro gegen den Inhalt des Vorabinformationsschreibens.

18

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 bestätigte die Kommission ihren im Vorabinformationsschreiben dargelegten Standpunkt und fügte eine Belastungsanzeige mit der Nr. 3241413112 in Höhe von 467131 Euro bei und setzte die Fälligkeit der Zahlung auf den 12. Dezember 2014 fest.

19

Mit Schreiben vom 15. und vom 24. April 2015, die die Kommission während des schriftlichen Verfahrens vor dem Gericht an Alfamicro richtete, teilte sie ihr später mit, dass sie die Forderung gegen andere, der Rechtsmittelführerin als Begünstigter im Rahmen dreier weiterer von der Union subventionierter Projekte geschuldete Beträge aufrechne. Aufgrund dieser Aufrechnung beläuft sich der Betrag, den die Kommission von Alfamicro fordert, derzeit auf 270436 Euro.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

20

Mit Klageschrift, die am 29. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Alfamicro eine Klage gemäß Art. 272 AEUV, nach dem der Gerichtshof für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel zuständig ist, die in einem von der Union oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag enthalten ist.

21

Alfamicro beantragte beim Gericht, die Ungültigkeit der Entscheidung der Kommission, die in deren Schreiben vom 28. Oktober 2014 enthalten sein soll, mit allen sich daraus ergebenden Rechtsfolgen festzustellen, mithin der Nichtigerklärung der diesem Schreiben beigefügten Belastungsanzeige über einen Betrag von 467131 Euro und der Erteilung einer Gutschrift in Höhe dieses Betrags zu ihren Gunsten.

22

Alfamicro machte vor dem Gericht Klagegründe geltend, die sich auf Verstöße gegen die streitige Finanzhilfevereinbarung bei der Beurteilung der als nicht zuschussfähig bezeichneten Kosten, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der guten Verwaltung sowie gegen die Begründungspflicht stützten.

23

In ihrer Erwiderung, die Alfamicro nach Vornahme der in Rn. 19 des vorliegenden Urteils genannten Aufrechnungshandlungen durch die Kommission einreichte, erweiterte sie den Gegenstand ihrer Klage und ersuchte das Gericht um Feststellung der Ungültigkeit der Aufrechnungshandlungen und um Verurteilung der Kommission zu deren Aufhebung sowie Erstattung der entsprechenden Beträge zuzüglich Verzugszinsen.

24

Die Kommission erhob ihrerseits eine Widerklage, die in der Sache auf die Verurteilung von Alfamicro zur Rückerstattung des im Rahmen der streitigen Finanzhilfevereinbarung zu Unrecht gezahlten Zuschusses gerichtet war.

25

Das Gericht hat die von Alfamicro nach Art. 272 AEUV erhobene Klage als „Feststellungsklage“ qualifiziert, gerichtet auf die Feststellung, dass die Forderung, der sich die Kommission gemäß der streitigen Finanzhilfevereinbarung berühmt, nicht bestehe.

26

Bezogen auf den ersten Klagegrund, einen Verstoß gegen die streitige Finanzhilfevereinbarung, hat das Gericht eine vertiefte Prüfung der Schlussfolgerungen des Rechnungshofs zu den Kosten für Dienstleistungen von internen Beratern und Subunternehmern, hier der Gesellschaften O. und D., vorgenommen. Es hat die Beurteilung des Rechnungshofs und der Kommission hierzu bestätigt, nach der ein Rechnungsbetrag, der 93 % des von der Kommission geleisteten Zuschusses entspreche, nicht überprüfbar und verlässlich sei und daher nicht als von Alfamicro tatsächlich verauslagte Kosten angesehen werden könne. Folglich hat es entschieden, dass diese Kosten nach der streitigen Finanzhilfevereinbarung nicht zuschussfähig gewesen seien und den ersten Klagegrund zurückgewiesen.

27

Mit ihrem zweiten Klagegrund machte Alfamicro einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend. Da das Projekt „Save Energy“ beendet worden und der Kommission vollständig zugutegekommen sei, sei es unverhältnismäßig, den Zuschuss auf lediglich 7 % des ursprünglichen Betrags zu senken. Das Gericht hat entschieden, dass der Zuschuss bei einer Vereinbarung dieser Art keine Vergütung für die von der Begünstigten erbrachte Arbeit darstelle, sondern eine Bezuschussung von Projekten, deren Auszahlung an genaue Voraussetzungen geknüpft sei. Aus diesem Grund habe die Kommission nur die nach der mit der Begünstigten unterzeichneten Vereinbarung zuschussfähigen Kosten erstatten dürfen. Das Gericht ist somit davon ausgegangen, dass kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliege, und hat den Klagegrund zurückgewiesen.

28

Mit ihrem dritten Klagegrund machte Alfamicro einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung geltend. Das Gericht hat diesen Klagegrund als ins Leere gehend zurückgewiesen, da es davon ausging, dass diese Grundsätze im vertraglichen Kontext nicht anwendbar seien. In jedem Fall liege kein Verstoß gegen diese Grundsätze vor.

29

Der vierte und letzte Klagegrund stützte sich auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht durch die Kommission. Alfamicro berief sich darauf, dass die Begründung der Entscheidung, die im Schreiben vom 28. Oktober 2014 enthalten sein soll, „außerordentlich kurz“ sei, so dass diese Entscheidung einen Rechtsfehler aufweise. Das Gericht hat diesen Klagegrund zurückgewiesen, wobei es darauf abgestellt hat, dass die Begründungspflicht im vorliegenden Fall nicht gelte, da das Schreiben keinen Verwaltungsakt darstelle. Es ist zudem davon ausgegangen, dass dieser Klagegrund auch dann nicht durchgriffe, wenn man ihn so auslegen würde, dass er auf die Verpflichtung, den Vertrag in gutem Glauben zu erfüllen, gestützt wäre. Denn das Schreiben sei in einem Rahmen ergangen, der Alfamicro, die bereits durch das Vorabinformationsschreiben ausreichend unterrichtet gewesen sei, bekannt gewesen sei.

30

Das Gericht hat die Feststellungsklage daher insgesamt abgewiesen.

31

Das Gericht hat die Anträge, die Alfamicro in ihrer Erwiderung stellte, in der sie die Feststellung der Ungültigkeit der Aufrechnungshandlungen, die die Kommission nach Einreichung der Klageschrift erlassen hatte, sowie die Verurteilung der Kommission begehrte, ihr die diesen Aufrechnungen entsprechenden Beträge zuzüglich Verzugszinsen zu erstatten, mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass es sich bei den Aufrechnungshandlungen um Verwaltungsakte handle, zu deren Nichtigerklärung nach Art. 263 AEUV Klage zu erheben sei. Die Verfahrensordnung des Gerichts erlaube eine solche Änderung der Klageart während des Verfahrens allerdings nicht.

32

Bezogen auf die Widerklage der Kommission hat das Gericht die Würdigung des Rechnungshofs zu den für nicht zuschussfähig erachteten Kosten als begründet bestätigt und folglich auch das Bestehen einer entsprechenden Forderung zugunsten der Kommission. Es hat Alfamicro daher verurteilt, den nach den Aufrechnungshandlungen noch verbleibenden Restbetrag, also 277849,93 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 26,88 Euro pro Verzugstag ab dem 20. Juni 2015 und bis zur vollständigen Begleichung ihrer sich aus der Durchführung der streitigen Finanzhilfevereinbarung ergebenden Schulden an die Kommission zu zahlen.

Anträge der Parteien

33

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Alfamicro,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

die Rechtssache an das Gericht zur Entscheidung nach Art. 263 AEUV zurückzuverweisen;

der Kommission sämtliche Kosten aufzuerlegen.

34

Die Kommission beantragt,

das von der Rechtsmittelführerin eingelegte Rechtsmittel für unzulässig zu erklären;

hilfsweise, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen und folglich das angefochtene Urteil zu bestätigen;

der Rechtsmittelführerin die gesamten Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

35

Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht Alfamicro vier Rechtsmittelgründe geltend, und zwar, erstens, eine fehlerhafte Auslegung der Anträge der ursprünglichen Klageschrift durch das Gericht dahin, dass diese auf die Feststellung gerichtet gewesen seien, dass die von der Kommission nach der streitigen Finanzhilfevereinbarung erhobene Forderung nicht bestehe, zweitens, einen Verstoß gegen die streitige Finanzhilfevereinbarung, drittens, einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und, viertens, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 263 AEUV

Zur Zulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

36

Die Kommission macht die Unzulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes geltend. Sie beruft sich auf den Umstand, dass Alfamicro ihre Klage vor dem Gericht auf der Grundlage von Art. 272 AEUV und der in die streitige Finanzhilfevereinbarung aufgenommenen Schiedsklausel erhoben habe. Indem die Rechtsmittelführerin den Gerichtshof im Rahmen des Rechtsmittels darum ersuche, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit dieses auf der Grundlage von Art. 263 AEUV über die Gültigkeit einer Verwaltungsentscheidung befinde, die die Kommission erlassen haben und die in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2014 enthalten sein soll, ändere die Rechtsmittelführerin unter Verstoß gegen Art. 170 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs den Streitgegenstand. Der Rechtsmittelgrund sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

37

Alfamicro macht geltend, sie habe in ihrer Klageschrift klar zum Ausdruck gebracht, dass ihr Antrag auf Feststellung der Ungültigkeit der Entscheidung, die ihrer Meinung nach im Schreiben vom 28. Oktober 2014 enthalten sei, und auf die Nichtigerklärung der ihm beigefügten Belastungsanzeige gerichtet sei. Das Gericht habe in den Rn. 35 und 36 des angefochtenen Urteils auch eingeräumt, dass Alfamicro die Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission mit dem Vortrag beantragt habe, dass die in diesem Schreiben enthaltene Entscheidung einen Verwaltungsakt darstelle. Die Unzulässigkeitseinrede der Kommission sei daher zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

38

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs würde einer Partei, wenn sie vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen könnte, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, letztlich gestattet, den Gerichtshof mit einem weiter reichenden Rechtsstreit zu befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels kann der Gerichtshof grundsätzlich nur überprüfen, wie das Gericht die vor ihm erörterten Angriffs- und Verteidigungsmittel gewürdigt hat. Ein Argument, das im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde, ist jedoch dann kein neues, im Rechtsmittelverfahren unzulässiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, wenn es lediglich eine Erweiterung eines bereits vor dem Gericht geltend gemachten Arguments darstellt (Urteil vom 16. November 2017, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik/Kommission, C‑250/16 P, EU:C:2017:871, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Alfamicro hat zwar beim Gericht beantragt, dass dieses nicht auf der Grundlage von Art. 263 AEUV, sondern auf der von Art. 272 AEUV und der in der streitigen Finanzhilfevereinbarung enthaltenen Schiedsklausel entscheide.

40

Aus Rn. 36 des angefochtenen Urteils ergibt sich jedoch, dass die Rechtsmittelführerin von Anfang an die Feststellung der Ungültigkeit der Entscheidung der Kommission beantragt hat, die im Schreiben vom 28. Oktober 2014 enthalten sein soll. Daraus ergibt sich, dass Alfamicro in Wirklichkeit eine Nichtigkeitsklage beabsichtigte. Zudem hat das Gericht in Rn. 41 des angefochtenen Urteils diesen Widerspruch festgestellt und angenommen, dass eine etwaige Nichtigkeitsklage unzulässig sei, da weder das Schreiben noch die Belastungsanzeige einen im Rahmen einer solchen Klage anfechtbaren Verwaltungsakt darstellten.

41

Daraus ergibt sich, dass Alfamicro bereits im Rahmen ihrer Klage beim Gericht vorgetragen hat, dass das Schreiben der Kommission vom 28. Oktober 2014 als ein Verwaltungsakt dieses Organs anzusehen sei, auch wenn sie ihre Klage möglicherweise auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt hat. Da sich der erste Rechtsmittelgrund auf eine fehlerhafte Beurteilung der Rechtsnatur des Schreibens der Kommission vom 28. Oktober 2014 durch das Gericht stützt, stellt ein solcher Rechtsmittelgrund lediglich eine Erweiterung eines bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegrundes dar.

42

Daher ist der Rechtsmittelgrund für zulässig zu erklären.

Zur Begründetheit

– Vorbringen der Parteien

43

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt Alfamicro, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass der Rechtsakt, dessen Nichtigerklärung sie beantragt habe, nicht die Merkmale einer anfechtbaren Handlung im Sinne vom Art. 263 AEUV aufweise. Weiterhin rügt sie, das Gericht habe in Rn. 50 des angefochtenen Urteils entschieden, dass ihre Klage in Wirklichkeit darauf gerichtet sei, das Nichtbestehen der Forderung, derer sich die Kommission nach der streitigen Finanzhilfevereinbarung berühme, vom Gericht feststellen zu lassen.

44

Nach Ansicht von Alfamicro lässt sich anhand mehrerer Merkmale dartun, dass es sich bei dem Schreiben der Kommission vom 28. Oktober 2014 um einen Verwaltungsakt handelt. Dieses Schreiben setze einseitig die Forderung sowie ihren Fälligkeitszeitpunkt fest und sehe eine Befugnis der Kommission zur Vornahme von Vollstreckungshandlungen vor. Somit zeige die Art des vom Rechnungshof durchgeführten Audits und der Umstand, dass die Ergebnisse dieses Audits auf andere Vereinbarungen zwischen Alfamicro und der Kommission extrapoliert worden seien, dass dieses Audit aus dem vertraglichen Rahmen herausfalle.

45

Gleichermaßen stellten auch die von der Kommission nach diesem Schreiben ergriffenen Aufrechnungshandlungen Verwaltungsakte dar. Es sei aber widersprüchlich, zum einen zu behaupten, dass die Forderung der Kommission auf einer vertraglichen Grundlage beruhe, und aufgrund dieses Umstands den Begünstigten zu verpflichten, eine Klage aufgrund von Art. 272 AEUV zu erheben, und zum anderen diesem Organ die Möglichkeit zuzuerkennen, diese Forderung einseitig per Aufrechnung und somit mittels eines Verwaltungsakts zwangsweise einzuziehen, der nur aufgrund von Art. 263 AEUV angefochten werden könne.

46

Die Kommission tritt dem von Alfamicro zur Stützung des ersten Rechtsmittelgrundes geltend gemachten Vortrag entgegen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

47

Zunächst ist, wie auch das Gericht in Rn. 42 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 263 AEUV nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gegen alle Handlungen der Organe gegeben ist, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Form – dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung berühren (Urteile vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission, C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Der Gerichtshof hat bereits bei mehreren Gelegenheiten entschieden, dass die Zuständigkeit des Unionsrichters zur Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des AEU-Vertrags im Rahmen einer Nichtigkeitsklage keine Anwendung findet, wenn die Rechtsstellung des Klägers im Rahmen vertraglicher Beziehungen festgelegt wird, für die das von den Vertragsparteien gewählte nationale Recht gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 18, und Beschluss vom 21. April 2016, Borde und Carbonium/Kommission, C‑279/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:297, Rn. 39).

49

Wenn sich nämlich die Unionsgerichte für Rechtsstreitigkeiten über die Nichtigerklärung von Rechtshandlungen für zuständig erklärten, die in einem rein vertraglichen Rahmen stehen, liefen sie nicht nur Gefahr Art. 272 AEUV überflüssig zu machen, der die Übertragung der gerichtlichen Zuständigkeit aufgrund einer Schiedsklausel ermöglicht, sondern außerdem, falls der Vertrag keine solche Klausel enthält, ihre Zuständigkeit über die Grenzen hinaus auszudehnen, die in Art. 274 AEUV gezogen worden sind, der den nationalen Gerichten die allgemeine Zuständigkeit für die Entscheidung von Streitsachen überträgt, in denen die Union Partei ist (Urteil vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 19).

50

Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass bei Vorliegen eines Vertrags, der den Kläger an ein Unionsorgan bindet, eine Klage nach Art. 263 AEUV nur dann bei den Unionsgerichten anhängig gemacht werden kann, wenn die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll, die außerhalb der vertraglichen Beziehung, die die Parteien bindet, angesiedelt sind und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzen, die dem vertragschließenden Organ als Verwaltungsbehörde übertragen worden sind (Urteil vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 20).

51

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der von Alfamicro angefochtenen Handlung um das Schreiben der Kommission vom 28. Oktober 2014, mit dem diese eine Belastungsanzeige an Alfamicro richtet und sie zur Rückerstattung der nach der streitigen Finanzhilfevereinbarung zu Unrecht geleisteten Beträge in einer Höhe anmahnt, die dem in der Belastungsanzeige genannten Betrag entspricht.

52

Daher steht die Belastungsanzeige im Zusammenhang mit der streitigen Finanzhilfevereinbarung, da sie die Beitreibung einer daraus entspringenden Forderung zum Gegenstand hat. Eine solche Belastungsanzeige und die begleitende Mahnung enthalten lediglich einen Hinweis auf den Fälligkeitszeitpunkt sowie die Zahlungsbedingungen für die dort festgestellte Forderung und können einem vollstreckbaren Titel als solchem nicht gleichgesetzt werden, auch wenn die Belastungsanzeige das Vollstreckungsverfahren nach Art. 299 AEUV als einen möglichen Weg nennt, der der Kommission offenstehe, falls der Schuldner nicht zum festgelegten Fälligkeitszeitpunkt erfüllen sollte (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 23).

53

Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedenfalls nicht auf eine Zwangsvollstreckung zurückgegriffen, sondern entschieden, vor dem Gericht eine Widerklage auf Verurteilung von Alfamicro zur Zahlung der Forderung zu erheben.

54

Zudem lässt sich mit keinem der von Alfamicro vorgetragenen Gesichtspunkte die Annahme begründen, dass die Kommission in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsbehörde gehandelt hätte oder dass ihr Schreiben vom 28. Oktober 2014 Rechtswirkungen über den vertraglichen Rahmen hinaus enthalten würde, die geeignet wären, die Rechtsstellung von Alfamicro zu verändern.

55

Das vom Rechnungshof durchgeführte Audit war nämlich in der streitigen Finanzhilfevereinbarung vorgesehen und gehört zu einem in dieser Art Vereinbarung üblicherweise vorgesehenen Verfahren. Mit den Audits soll sichergestellt werden, dass dem Empfänger einer Finanzhilfe lediglich die Kosten erstattet werden, die nach der Vereinbarung zu ihrer Gewährung zuschussfähig sind, so dass eine verantwortliche Verwaltung und Verwendung der europäischen Mittel gewährleistet wird.

56

Es trifft zu, dass die Kommission nach dem Versand ihres Schreibens vom 28. Oktober 2014 die Ergebnisse des Audits zur streitigen Finanzhilfevereinbarung auf andere Vereinbarungen, die sie mit Alfamicro geschlossen hatte, extrapoliert hat und dass die auf der Grundlage dieser Extrapolationen von der Kommission getroffenen Entscheidungen gegebenenfalls Verwaltungsakte dieses Organs darstellen könnten, wenn sie aus dem vertraglichen Rahmen dieser anderen Vereinbarungen herausfallen. Allerdings beruht die von der Kommission in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2014 festgestellte Forderung zum einen nicht auf solchen Extrapolationen, sondern unmittelbar auf den Ergebnissen des Audits, das der Rechnungshof zu den von Alfamicro gemäß der streitigen Finanzhilfevereinbarung angemeldeten Ausgaben durchgeführt hatte. Zum anderen war das Gericht nicht mit einem auf die weiteren Vereinbarungen bezogenen Antrag befasst.

57

In gleicher Weise handelt es sich bei den später von der Kommission vorgenommenen Aufrechnungshandlungen um gesonderte Maßnahmen, deren etwaiger verwaltungsrechtlicher Charakter keinerlei Auswirkung auf die vertragliche Natur der Forderungsanmeldung in der dem Schreiben dieses Organs vom 28. Oktober 2014 beigefügten Belastungsanzeige hat. Außerdem kritisiert Alfamicro zwar allgemein den differenzierten Ansatz zu vertraglichen Maßnahmen und Verwaltungsakten zur Aufrechnung in der Rechtsprechung des Gerichts, sie wendet sich im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels aber nicht gegen die Entscheidung des Gerichts in Rn. 196 des angefochtenen Urteils, die auf Nichtigerklärung der Aufrechnungshandlungen der Kommission gerichteten Anträge für unzulässig zu erklären. Sie beschränkt sich vielmehr auf den Vortrag, das Gericht hätte davon ausgehen müssen, dass das Schreiben vom 28. Oktober 2014 und die ihm beigefügte Belastungsanzeige anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne von Art. 263 AEUV seien.

58

Folglich ist das Gericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klage, selbst wenn sie trotz ihrer ausdrücklichen Stützung auf Art. 272 AEUV als „Nichtigkeitsklage“ – deren rechtliche Grundlage in Art. 263 AEUV liegt – anzusehen wäre, als solche unzulässig wäre, da weder das Schreiben vom 28. Oktober 2014 noch die diesem Schreiben beigefügte Belastungsanzeige anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV darstellen, so dass die Klage von Alfamicro unter Berücksichtigung der in der streitigen Finanzhilfevereinbarung aufgeführten Schiedsklausel als auf Art. 272 AEUV gestützt anzusehen war.

59

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen ist.

Zum zweiten und zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die streitige Finanzhilfevereinbarung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Vorbringen der Parteien

60

Mit ihren Rechtsmittelgründen 2 und 3, die zusammen zu prüfen sind, wirft Alfamicro dem Gericht vor, in Rn. 142 des angefochtenen Urteils entschieden zu haben, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, die Rückerstattung der für nicht zuschussfähig befundenen Kosten zu fordern, und dass sie nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder die Verpflichtung verstoßen habe, ihre vertraglichen Verpflichtungen nach Treu und Glauben zu erfüllen.

61

Da die Klausel II.28 der streitigen Finanzhilfevereinbarung vorsehe, dass die Kommission „alle geeigneten Maßnahmen [ergreift], die sie für erforderlich hält“, hätte sie nach der Auffassung von Alfamicro bei der Umsetzung des Ergebnisses des vom Rechnungshof durchgeführten Audits dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen müssen. Bei der streitigen Finanzhilfevereinbarung handle es sich um einen synallagmatischen Vertrag, und Alfamicro habe ihre sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllt. Indem die Kommission die Finanzhilfe ungeachtet des Umstands, dass das Projekt „Save Energy“ abgeschlossen worden sei, um 93 % gekürzt habe, habe sie gegen die Finanzhilfevereinbarung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.

62

Die Kommission tritt dem Vortrag von Alfamicro zur Stützung des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

63

Zunächst ist auf die Feststellung des Gerichts in den Rn. 90 und 128 des angefochtenen Urteils, der Rechnungshof habe die mangelnde Zuschussfähigkeit der von Alfamicro angemeldeten Kosten korrekt beurteilt, zu verweisen. Diese Feststellung, die in jedem Fall auf einer in die ausschließliche Befugnis des Gerichts fallenden Tatsachenbeurteilung beruht, wird mit dem vorliegenden Rechtsmittel nicht angegriffen.

64

Daher geht es ausschließlich um die Prüfung der Frage, ob das Gericht zu Recht entschieden hat, dass die Kommission mit der Kürzung der Finanzhilfe um alle für nicht zuschussfähig befundenen Kosten und folglich mit der Forderung nach der Rückerstattung eines Großteils dieser Finanzhilfe nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen hat.

65

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 317 AEUV gehalten ist, den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung zu beachten. Sie wacht auch über den Schutz der finanziellen Interessen der Union bei der Ausführung deren Haushaltsplans. Gleiches gilt im vertraglichen Bereich, da die von der Kommission vergebenen Finanzhilfen aus dem Unionshaushalt stammen. Nach einem für von der Union gewährte Finanzhilfen geltenden grundlegenden Prinzip können von der Union nur solche Ausgaben bezuschusst werden, die tatsächlich angefallen sind (Urteil vom 28. Februar 2013, Portugal/Kommission, C‑246/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:118, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66

Folglich kann die Kommission eine rechtsgrundlose Ausgabe zulasten des Unionshaushalts nicht billigen, ohne gegen die im AEU-Vertrag festgeschriebenen Grundsätze zu verstoßen. Im Zusammenhang mit einer Finanzhilfe werden die Voraussetzungen für deren Gewährung und Verwendung jedoch von der Finanzhilfevereinbarung, insbesondere von den Klauseln zur Bestimmung der Höhe dieser Finanzhilfe in Abhängigkeit der vom Vertragspartner der Kommission angemeldeten Kosten geregelt.

67

Wenn die vom Begünstigten angemeldeten Kosten nach der Vereinbarung nicht zuschussfähig sind, weil sie für nicht überprüfbar und/oder nicht verlässlich befunden worden sind, bleibt der Kommission folglich keine andere Wahl, als die Beitreibung der Finanzhilfe bis zur Höhe der nicht belegten Beträge zu veranlassen. Denn dieses Organ ist nach der Rechtsgrundlage, nämlich der Finanzhilfevereinbarung, nur befugt, ordnungsgemäß belegte Beträge zulasten des Unionshaushalts auszuzahlen. Unter diesen Umständen stellt es im vorliegenden Fall eine geeignete Maßnahme dar, die Rückerstattung des Teils der Finanzhilfe zu fordern, der den nicht zuschussfähigen Kosten entspricht, wie sie im Auditbericht des Rechnungshofs festgestellt wurden.

68

Was den Vortrag zum synallagmatischen Charakter der Vereinbarung betrifft, genügt der Hinweis, dass die Finanzhilfe nicht die Gegenleistung für die Durchführung des Projekts darstellt, auf das sich die Finanzhilfevereinbarung bezieht. Die von der Kommission danach geleisteten Zahlungen werden ausschließlich zu dem Zweck erbracht, es dem Begünstigten zu ermöglichen, die durch die Durchführung entstandenen Kosten zu schultern. Da ein Teil dieser Kosten für nicht zuschussfähig befunden wurde, weil der Begünstigte seine vertragliche Verpflichtung nicht beachtet hatte, die Verwendung der an ihn gewährten Beträge zu belegen, ist dieser Teil der Kosten in entsprechender Höhe von der Kommission zurückzufordern. Der Umstand, dass der Begünstigte das in der Finanzhilfevereinbarung bezeichnete Projekt zwischenzeitlich erfolgreich beendet hat, kann keinen Einfluss auf diese Verpflichtung haben.

69

Zum dem auf eine ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Vorbringen von Alfamicro genügt die Feststellung, dass dieses zum ersten Mal vor dem Gerichtshof geltend gemacht wurde und daher nicht zulässig ist.

70

Folglich hat das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Kommission mit der Forderung nach Rückerstattung der für nicht zuschussfähig befundenen Kosten eine geeignete Maßnahme gegenüber der Rechtsmittelführerin ergriffen hat, da dies die einzige Maßnahme darstellte, die sie aufgrund ihrer Verpflichtungen aus der streitigen Finanzhilfevereinbarung und dem Unionsrecht ergreifen konnte, und dass die Kommission in diesem Zusammenhang nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder den der Vertragsdurchführung nach Treu und Glauben verstoßen hat.

71

Aus den vorstehenden Erwägungen sind die Rechtsmittelgründe 2 und 3 als unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

Vorbringen der Parteien

72

Mit diesem Rechtsmittelgrund macht Alfamicro geltend, das Gericht habe insoweit einen Rechtsfehler begangen, als es einen Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit hätte feststellen müssen. Sie verweist darauf, dass die Kommission gemäß Art. II.28 Abs. 5 der streitigen Finanzhilfevereinbarung „geeignete Maßnahmen“ ergreifen dürfe. Für sie sei zwar absehbar gewesen, dass sich der Umstand, dass sie die gemäß der streitigen Finanzhilfevereinbarung angemeldeten Kosten nicht habe belegen können, auf die Höhe der Finanzhilfe auswirken könnte. Sie hätte aber niemals vorhersehen können, dass diese – trotz Abschluss des Projekts – um 93 % gekürzt werden würde. Indem die Kommission so verfahren sei, habe sie entgegen der streitigen Finanzhilfevereinbarung ungeeignete Maßnahmen ergriffen und damit gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.

73

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

74

Es ist daran zu erinnern, dass das Gericht in seiner Eigenschaft als für den Vertrag zuständiger Richter, der über einen Rechtsstreit vertraglicher Art zu befinden hat, angerufen wurde, und nicht als Richter über die Rechtmäßigkeit einer im Wege der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV anfechtbaren Handlung.

75

Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, müssen aber die Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76

In diesem Zusammenhang ergibt sich daraus, dass das Gericht in den Rn. 156 und 157 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden hat, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit auf einen Rechtsstreit vertraglicher Art, in dem das Gericht nicht dazu berufen ist, die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts zu prüfen, keine Anwendung findet. Daher wäre ein etwaiger Verstoß gegen diesen Grundsatz ohne Einfluss auf die Verpflichtungen, die der Kommission nach der streitigen Finanzhilfevereinbarung obliegen.

77

Der vierte Rechtsmittelgrund ist somit als ins Leere gehend zurückzuweisen.

78

Nach alledem kann Alfamicro mit keinem ihrer Rechtsmittelgründe durchdringen.

79

Das Rechtsmittel ist daher insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

80

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Alfamicro mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Alfamicro – Sistemas de computadores, Sociedade Unipessoal, Lda trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

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