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Document 62017CJ0076

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 1. März 2018.
    SC Petrotel-Lukoil SA und Maria Magdalena Georgescu gegen Ministerul Economiei u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Abgabe zollgleicher Wirkung – Art. 30 AEUV – Inländische Abgabe – Art. 110 AEUV – Auf ausgeführte Erdölerzeugnisse angewandte Abgabe – Nichtabwälzung der Abgabe auf den Verbraucher – Vom Abgabenpflichtigen getragene Abgabenlast – Erstattung der vom Abgabenpflichtigen entrichteten Beträge.
    Rechtssache C-76/17.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:139

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

    1. März 2018 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Abgabe zollgleicher Wirkung – Art. 30 AEUV – Inländische Abgabe – Art. 110 AEUV – Auf ausgeführte Erdölerzeugnisse angewandte Abgabe – Nichtabwälzung der Abgabe auf den Verbraucher – Vom Abgabenpflichtigen getragene Abgabenlast – Erstattung der vom Abgabenpflichtigen entrichteten Beträge“

    In der Rechtssache C‑76/17

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 17. November 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2017, in dem Verfahren

    SC Petrotel-Lukoil SA,

    Maria Magdalena Georgescu

    gegen

    Ministerul Economiei,

    Ministerul Energiei,

    Ministerul Finanțelor Publice

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Vajda und E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos (Berichterstatter),

    Generalanwalt: M. Szpunar,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der SC Petrotel-Lukoil SA, vertreten durch C. Vasile, M. Strîmbei und A. Barbu, avocats,

    der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu, L. Liţu und R. Mangu als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart und L. Radu Bouyon als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 30 AEUV.

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Petrotel-Lukoil SA (im Folgenden: Lukoil) und Frau Maria Magdalena Georgescu auf der einen sowie dem Ministerul Economiei (Ministerium für Wirtschaft, Rumänien), dem Ministerul Energiei (Ministerium für Energie, Rumänien) und dem Ministerul Finanţelor Publice (Ministerium für öffentliche Finanzen, Rumänien) auf der anderen Seite wegen der Weigerung des Ministeriums für Wirtschaft, die von Lukoil an den zur Deckung der Schulden der ehemaligen Compania Română de Petrol (Rumänische Erdölgesellschaft, im Folgenden: CRP) eingerichteten Sonderfonds für Erdölerzeugnisse entrichteten Pauschalbeträge zu erstatten.

    Rechtlicher Rahmen

    3

    Mit der Ordonanţa de urgenţă a Guvernului nr. 249/2000 privind constituirea şi utilizarea Fondului special pentru produse petroliere (Dringlichkeitsverordnung der Regierung Nr. 249/2000 über die Einrichtung und Verwendung des Sonderfonds für Erdölerzeugnisse), veröffentlicht im Monitorul Oficial al României (Gesetzblatt Rumäniens), Teil I, Nr. 647 vom 12. Dezember 2000, in durch die Legea nr. 142/2006 pentru aprobarea Ordonanţei Guvernului nr. 53/2005 privind reglementarea unor măsuri financiare în domeniul bugetar şi al contabilităţii publice (Gesetz Nr. 142/2006 zur Genehmigung der Regierungsverordnung Nr. 53/2005 über finanzielle Maßnahmen im Haushaltsbereich und betreffend das öffentliche Rechnungswesen) geänderter und ergänzter Fassung (im Folgenden: OUG Nr. 249/2000) wurde der Sonderfonds für Erdölerzeugnisse eingerichtet, um sämtliche finanziellen Verpflichtungen der ehemaligen CRP zu begleichen.

    4

    Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 lautet:

    „Es wird ein Sonderfonds für Erdölerzeugnisse eingerichtet; dafür wird in den Preis der für den Inlandsmarkt und ins Ausland gelieferten Erdölerzeugnisse, Benzin und Diesel, die von Erzeugern übernommen werden oder durch Verarbeitung entstehen, ein fester Betrag in [rumänischen Lei (RON)] einberechnet, der 0,01 [amerikanische Dollar (USD) pro Liter] zu dem am letzten Tag des Monats vor der Lieferung geltenden Wechselkurs entspricht.“

    5

    In Art. 2 der OUG Nr. 249/2000 heißt es:

    „Der nach Art. 1 eingerichtete Sonderfonds für Erdölerzeugnisse wird vom Ministerul Industriei şi Comerţului [(Ministerium für Industrie und Handel, Rumänien)] verwaltet und dient dazu, sämtliche finanziellen Verpflichtungen der ehemaligen [CRP] zu begleichen.“

    6

    Art. 5 der OUG Nr. 249/2000 bestimmt:

    „Die Verpflichtung zur Berechnung und Entrichtung der Beträge nach Art. 1 obliegt den als juristische Personen in Rumänien ansässigen Erzeugern und Raffinerien unabhängig von ihrer Organisationsform, der Art ihres Kapitals und der Bestimmung ihrer Erzeugnisse, wobei unter Bestimmung die Nutzungskategorie und die Art der Nutzer des betreffenden Erzeugnisses zu verstehen sind.“

    7

    Art. 7 der OUG Nr. 249/2000 sieht vor:

    „Bei dem im Preis der Erdölerzeugnisse enthaltenen Pauschalbetrag im Sinne des Art. 1 dieser Verordnung handelt es sich um eine steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    8

    Lukoil beantragte beim Ministerium für Wirtschaft die Erstattung der von ihr für die Ausfuhr von Erdölerzeugnissen nach der OUG Nr. 249/2000 zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. März 2010 entrichteten Beträge.

    9

    Mit Schreiben vom 24. Mai 2010 lehnte das Ministerium für Wirtschaft es ab, die Beträge wie von Lukoil beantragt zu erstatten.

    10

    Lukoil erhob daraufhin Klage bei der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien). Die Gesellschaft machte u. a. geltend, dass sie diese Beträge seit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union am 1. Januar 2007 nicht mehr schulde, da es sich um eine mit Art. 30 AEUV unvereinbare Abgabe mit fiskalischem Charakter handele, die einseitig von einem Mitgliedstaat auferlegt und für den Grenzübertritt von Waren erhoben werde.

    11

    Mit Urteil vom 12. Oktober 2011 wies die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) die Klage von Lukoil ab. Dieses Gericht entschied u. a., dass der im Preis von Erdölerzeugnissen enthaltene Betrag von 0,01 USD/Liter sowohl für in Rumänien als auch für ins Ausland gelieferte Erdölerzeugnisse berechnet werde, so dass die in Rede stehende Abgabe, da sie nicht aufgrund des Grenzübertritts einer Ware geschuldet werde, weder einen Ausfuhrzoll noch eine Abgabe zollgleicher Wirkung, sondern vielmehr eine inländische Abgabe darstelle. Selbst wenn es sich bei der durch die OUG Nr. 249/2000 eingeführte Abgabe um einen nach Art. 30 AEUV verbotenen Zoll handelte, wäre der auf die Erstattung dieser Abgabe gerichtete Antrag von Lukoil angesichts des Grundsatzes des Verbots einer ungerechtfertigten Bereicherung, wie ihn der Gerichtshof im Urteil vom 14. Januar 1997, Comateb u. a. (C‑192/95 bis C‑218/95, EU:C:1997:12), angewendet habe, unbegründet. Nach Ansicht der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) ist der fragliche Betrag nämlich gemäß Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 im Preis für Benzin und Diesel, die ins Ausland geliefert wurden, enthalten, so dass er nicht vom Lieferanten der Erdölerzeugnisse, sondern vom Abnehmer getragen werde.

    12

    Gegen das Urteil vom 12. Oktober 2011 legte Lukoil Rechtsmittel bei der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) ein. Diese hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zurück an die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest). Mit Urteil vom 25. Januar 2016 wies diese die von Lukoil erhobene Klage ab.

    13

    In diesem Urteil ging die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) auf der Grundlage eines Rechnungslegungsgutachtens davon aus, dass Lukoil die in Rede stehende Abgabe zwar berechnet und an den Staat abgeführt, den Pauschalbetrag von 0,01 USD/Liter jedoch nicht auf den Preis der von ihr zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. März 2010 verkauften Erdölerzeugnisse aufgeschlagen, sondern diesen Betrag zulasten ihrer Eigenmittel verbucht habe. Trotz dieser Feststellung kam jenes Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass Lukoil nicht bewiesen habe, dass ihr durch die Zahlung der Abgabe ein Schaden entstanden sei. Lukoil habe nämlich aus eigenem Antrieb eine Zahlungsmodalität eingeführt, die weder der beklagten Behörde zugerechnet werden könne noch auf der OUG Nr. 249/2000 beruhe. Somit habe Lukoil keinen Anspruch auf die von ihr beantragte Erstattung, da die strittige Abgabe nicht aufgrund von rechtskräftig wegen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht für rechtswidrig erklärten Vorschriften, sondern aufgrund eines von Lukoil selbst eingeführten und nach der nationalen Regelung nicht vorgesehenen Mechanismus gezahlt worden sei.

    14

    Gegen das Urteil vom 25. Januar 2016 legte Lukoil Rechtsmittel bei der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) ein. Diese stellte fest, dass es sich bei der strittigen Abgabe um eine Abgabe zollgleicher Wirkung handele, weil sie vermögensrechtlicher Art sei, einseitig von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats auferlegt werde und die Waren aufgrund des Grenzübertritts erfasse. Lukoil habe die Erstattung der von ihr aus Eigenmitteln zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. März 2010 entrichteten Abgaben beantragt. Der Gerichtshof habe sich im Hinblick auf Art. 30 AEUV aber nie dazu geäußert, ob der Abgabenpflichtige, wenn er die Belastung mit einer Abgabe zollgleicher Wirkung tatsächlich getragen hat, die Erstattung der entrichteten Beträge auch dann verlangen kann, wenn der Zahlungsmechanismus für diese Abgabe im nationalen Recht so gestaltet war, dass die Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden sollte.

    15

    Unter diesen Umständen hat die Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Steht Art. 30 AEUV einer Auslegung entgegen, nach der der Abgabenpflichtige, wenn er tatsächlich eine Abgabe gleicher Wirkung getragen hat, die dafür abgeführten Beträge erstattet verlangen kann, obwohl der Zahlungsmechanismus für diese Abgabe in der nationalen Gesetzgebung so konzipiert war, dass die Abgabe an den europäischen Verbraucher weitergegeben werden sollte?

    2.

    Ist die Erstattung von als Abgabe gleicher Wirkung eingezogenen Beträgen, wenn diese tatsächlich vom Abgabenpflichtigen getragen (und nicht auf den Verbraucher abgewälzt) wurden, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar?

    Zu den Vorlagefragen

    16

    Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 30 AEUV, dahin auszulegen ist, dass der Abgabenpflichtige, der eine Abgabe zollgleicher Wirkung, die mit dieser Vorschrift unvereinbar ist, tatsächlich getragen hat, selbst dann die Möglichkeit haben muss, die Erstattung der von ihm in diesem Zusammenhang entrichteten Beträge zu erlangen, wenn der Zahlungsmechanismus für die Abgabe im nationalen Recht so gestaltet war, dass diese Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden sollte.

    Einleitende Erwägungen

    17

    Der Umstand, dass ein einzelstaatliches Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen seiner Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, hindert den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. u. a. Urteile vom 27. Oktober 2009, ČEZ, C‑115/08, EU:C:2009:660, Rn. 81, und vom 29. September 2016, Essent Belgium, C‑492/14, EU:C:2016:732, Rn. 43).

    18

    Im vorliegenden Fall vertritt das vorlegende Gericht die Auffassung, dass es sich bei der in der OUG Nr. 249/2000 vorgesehenen Abgabe um eine Abgabe gleicher Wirkung im Sinne von Art. 30 AEUV handele. Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass das Ministerium für Wirtschaft in Beantwortung des von Lukoil gestellten Erstattungsantrags ausgeführt hat, dass es sich bei dieser Abgabe weder um einen Zoll noch um eine Abgabe gleicher Wirkung, sondern um eine inländische Abgabe handele und dass die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest), das Tatsachengericht im Ausgangsverfahren, diese Feststellung in ihrem Urteil vom 12. Oktober 2011 bestätigte.

    19

    Die rumänische Regierung und die Europäische Kommission gehen in ihren schriftlichen Erklärungen ebenfalls davon aus, dass es sich bei der in der OUG Nr. 249/2000 vorgesehenen Abgabe um eine inländische Abgabe im Sinne von Art. 110 AEUV handele.

    20

    Angesichts dieser Einwände sind dem vorlegenden Gericht somit vor der Beantwortung seiner Fragen alle Hinweise zu geben, die für die unionsrechtliche Beurteilung dieser Abgabe von Nutzen sein können.

    21

    Jede noch so geringe einseitig auferlegte finanzielle Belastung von Waren aufgrund ihres Grenzübertritts stellt unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung eine Abgabe zollgleicher Wirkung dar, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist. Dagegen fallen finanzielle Belastungen, wenn sie zu einem allgemeinen inländischen Abgabensystem gehören, das Erzeugnisgruppen systematisch nach objektiven Kriterien unabhängig vom Ursprung oder der Bestimmung der Erzeugnisse erfasst, unter Art. 110 AEUV, der diskriminierende inländische Abgaben verbietet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium, C‑393/04 und C‑41/05, EU:C:2006:403, Rn. 51, 55 und 56, und vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a., C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 40 und 41).

    22

    Eine Abgabe, die auf inländische Erzeugnisse, die auf dem Inlandsmarkt vertrieben werden, nach denselben Kriterien wie auf ausgeführte Erzeugnisse erhoben wird, kann gleichwohl nach dem AEU‑Vertrag verboten sein, wenn das Aufkommen aus dieser Abgabe dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die speziell den inländischen und auf dem Inlandsmarkt vertriebenen Erzeugnissen zugutekommen.

    23

    In diesem Fall kann es nämlich zu einer Diskriminierung bezüglich der ausgeführten Waren kommen, da die Abgabenbelastung der auf dem Inlandsmarkt vertriebenen Erzeugnisse durch Vorteile, deren Finanzierung sie dient, ausgeglichen wird, während sie für die ausgeführten Erzeugnisse eine Nettobelastung darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. April 2002, Nygård, C‑234/99, EU:C:2002:244, Rn. 22, und vom 8. Juni 2006, Koornstra, C‑517/04, EU:C:2006:375, Rn. 18).

    24

    Wenn die Vorteile, die sich aus der Verwendung des Aufkommens aus einer Abgabe ergeben, die zu einem allgemeinen System inländischer Abgaben gehört und systematisch die auf dem Inlandsmarkt in den Verkehr gebrachten und die ausgeführten inländischen Erzeugnisse erfasst, die Belastung des auf dem Inlandsmarkt in den Verkehr gebrachten inländischen Erzeugnisses bei seinem Inverkehrbringen vollständig ausgleichen, stellt eine solche Abgabe eine gegen die Art. 28 und 30 AEUV verstoßende Abgabe zollgleicher Wirkung dar. Eine solche Abgabe würde dagegen einen Verstoß gegen das in Art. 110 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot darstellen, wenn die Vorteile, die die Verwendung der Einnahmen aus der Abgabe für diese auf dem Inlandsmarkt vertriebenen inländischen Erzeugnisse mit sich bringt, die Belastung dieser Erzeugnisse nur teilweise ausgleichen würden. In diesem Fall muss die auf die ausgeführten inländischen Erzeugnisse erhobene, grundsätzlich rechtmäßige Abgabe insoweit, als sie diese Belastung ausgleicht, verboten und entsprechend herabgesetzt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2006, Koornstra, C‑517/04, EU:C:2006:375, Rn. 19 und 20 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    25

    Eine sachdienliche und korrekte Anwendung des Kriteriums des Ausgleichs setzt voraus, dass geprüft wird, ob während eines Referenzzeitraums die Beträge, die insgesamt für die fragliche Abgabe auf die auf dem Inlandsmarkt vertriebenen inländischen Erzeugnisse erhoben werden, und die Vorteile, die ausschließlich diesen Erzeugnissen zugutekommen, finanziell gleichwertig sind. Das vorlegende Gericht muss sich also vergewissern, dass bezüglich der auf dem Inlandsmarkt vertriebenen inländischen Erzeugnisse aus der fraglichen Abgabe nicht de facto ein ausschließlicher oder verhältnismäßig größerer Nutzen gezogen wird als bezüglich der ausgeführten inländischen Erzeugnisse, der die mit dieser Abgabe verbundene Belastung vollständig oder teilweise ausgleichen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2006, Koornstra, C‑517/04, EU:C:2006:375, Rn. 21 und 22 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    26

    Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass durch die OUG Nr. 249/2000 der durch den Beitrag aller in Rumänien ansässigen Erzeuger und Raffinerien von Erdölerzeugnissen (Benzin und Diesel) finanzierte Sonderfonds für Erdölerzeugnisse zur Deckung der Schulden der ehemaligen CRP eingerichtet wurde. Gemäß Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 müssen diese Abgabenpflichtigen in den Preis der von ihnen sowohl für den Inlandsmarkt als auch ins Ausland gelieferten Erzeugnisse einen Pauschalbetrag von 0,01 USD/Liter der vertriebenen Erdölerzeugnisse einrechnen. Gemäß Art. 5 der OUG Nr. 249/2000 obliegt die Verpflichtung zur Berechnung und Entrichtung der entsprechenden Beträge den als juristische Personen in Rumänien ansässigen Erzeugern und Raffinerien unabhängig von der Bestimmung ihrer Erzeugnisse.

    27

    Auch wenn die in Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 vorgesehene Abgabe tatsächlich eine einseitig auferlegte finanzielle Belastung von Waren darstellt, ist sie doch nicht, wie die Ausführungen in der vorstehenden Randnummer zeigen, wegen eines Grenzübertritts geschuldet. Diese Abgabe wird nämlich gleichermaßen für auf dem rumänischen Markt wie für in einen anderen Mitgliedstaat gelieferte Erdölerzeugnisse zum selben Satz und auf derselben Handelsstufe erhoben. Steuertatbestand im Sinne dieses Art. 1 ist also offenbar der Vertrieb von Erdölerzeugnissen, unabhängig davon, ob dieser innerhalb Rumäniens oder in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt. Somit wäre diese Abgabe unabhängig davon anzuwenden, ob die betroffenen Erdölerzeugnisse die rumänische Grenze überschreiten.

    28

    Unter diesen Umständen kann es sich bei der in Rede stehenden Abgabe um eine mit dem Unionsrecht vereinbare nicht diskriminierende inländische Abgabe handeln.

    29

    Das vorlegende Gericht müsste allerdings noch prüfen, ob bei der Verwendung des Aufkommens dieser Abgabe inländische Erdölerzeugnisse, die auf dem Inlandsmarkt vertrieben werden, bevorzugt werden; die Vorlageentscheidung enthält hierzu keine Angaben. Allein aufgrund des Umstands, dass die in Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 vorgesehene Abgabe zur Begleichung der Schulden der ehemaligen CRP dient, kann nämlich nicht definitiv ausgeschlossen werden, dass durch das Aufkommen dieser Abgabe tatsächlich Tätigkeiten gefördert werden sollen, die ausschließlich oder teilweise diesen Erzeugnissen zulasten der in andere Mitgliedstaaten als Rumänien ausgeführten inländischen Erzeugnisse zugutekommen.

    30

    Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung, dass mit dem Aufkommen aus der in Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 vorgesehenen Abgabe die inländischen und auf dem Inlandsmarkt vertriebenen Erzeugnisse nicht bevorzugt werden, könnte es sich um eine rechtmäßige inländische Abgabe handeln. Stellt sich hingegen heraus, dass diese Erzeugnisse durch die Abgabe teilweise bevorzugt werden oder dass durch die Abgabe die Belastung dieser Erzeugnisse vollständig ausgeglichen wird, könnte es sich im ersten Fall um eine mit Art. 110 AEUV unvereinbare diskriminierende inländische Abgabe und im zweiten Fall um eine mit Art. 30 AEUV unvereinbare Abgabe zollgleicher Wirkung handeln. Es ist somit Sache des vorlegenden Gerichts, die Prüfungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um die Natur der in Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 vorgesehenen Abgabe und deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu bestimmen.

    31

    Nach diesen Ausführungen ist für den Fall, dass es sich um eine mit Art. 30 AEUV unvereinbare Abgabe zollgleicher Wirkung handeln sollte, auf die Frage des Erstattungsanspruchs, wie sie in Rn. 16 des vorliegenden Urteils umformuliert worden ist, zu antworten.

    Zum Erstattungsanspruch

    32

    Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Anspruch auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar, die den Abgabenpflichtigen aus den Bestimmungen des Unionsrechts in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen. Ein Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben entsprechend den nationalen Verfahrensmodalitäten nach den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität zu erstatten (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 9. November 1983, San Giorgio, 199/82, EU:C:1983:318, Rn. 12, vom 14. Januar 1997, Comateb u. a., C‑192/95 bis C‑218/95, EU:C:1997:12, Rn. 20, und vom 12. Dezember 2013, Test Claimants in the Franked Investment Income Group Litigation, C‑362/12, EU:C:2013:834, Rn. 30).

    33

    Als Ausnahme vom Grundsatz der Erstattung nicht mit dem Unionsrecht vereinbarer Abgaben kann jedoch die Rückzahlung einer rechtsgrundlos erhobenen Abgabe abgelehnt werden, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Berechtigten führt. Der Schutz der in diesem Bereich durch die Unionsrechtsordnung garantierten Rechte verlangt daher nicht die Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuern, Gebühren oder Abgaben, wenn die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogene Person sie nachweislich tatsächlich auf andere abgewälzt hat (Urteile vom 9. November 1983, San Giorgio, 199/82, EU:C:1983:318, Rn. 13, vom 14. Januar 1997, Comateb u. a., C‑192/95 bis C‑218/95, EU:C:1997:12, Rn. 21, und vom 6. September 2011, Lady & Kid u. a., C‑398/09, EU:C:2011:540, Rn. 18).

    34

    Unter diesen Umständen hat nämlich nicht der Abgabenpflichtige die Last der ohne Rechtsgrund erhobenen Abgabe getragen, sondern der Abnehmer, auf den die Last abgewälzt worden ist. Würde man daher dem Abgabenpflichtigen den Abgabenbetrag erstatten, den er bereits vom Abnehmer erhalten hat, käme dies einer Doppelzahlung an ihn gleich, die als ungerechtfertigte Bereicherung angesehen werden kann, ohne dass damit die Folgen der Rechtswidrigkeit der Abgabe für den Abnehmer beseitigt wären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Januar 1997, Comateb u. a., C‑192/95 bis C‑218/95, EU:C:1997:12, Rn. 22, und vom 6. September 2011, Lady & Kid u. a., C‑398/09, EU:C:2011:540, Rn. 19).

    35

    Da jedoch eine solche Nichterstattung einer auf den Verkauf von Waren erhobenen Abgabe eine Beschränkung eines aus der Unionsrechtsordnung abgeleiteten subjektiven Rechts ist, ist sie eng auszulegen. Die unmittelbare Abwälzung der ohne Rechtsgrund gezahlten Abgabe auf den Abnehmer stellt daher die einzige Ausnahme vom Recht auf Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Abgaben dar (Urteil vom 6. September 2011, Lady & Kid u. a., C‑398/09, EU:C:2011:540, Rn. 20).

    36

    Im vorliegenden Fall steht fest, dass Lukoil entgegen Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 die darin vorgesehene Abgabe nicht auf den Verbraucher der von ihr vertriebenen Erdölerzeugnisse abgewälzt hat. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Lukoil in einer Situation, in der der Zahlungsmechanismus für diese Abgabe im nationalen Recht in der Weise gestaltet wurde, dass die Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden sollte, gleichwohl einen Anspruch auf Erstattung der von ihr entrichteten Beträge haben kann.

    37

    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Lukoil die nach Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 vorgesehene Abgabe selbst getragen hat und daher die Erstattung des Betrags keine ungerechtfertigte Bereicherung dieser Gesellschaft zur Folge hätte. Unter diesen Umständen hat Lukoil, da hier die einzige vom Gerichtshof anerkannte Ausnahme vom Grundsatz der Erstattung nicht mit dem Unionsrecht vereinbarer Abgaben nicht vorliegt, einen Anspruch auf Erstattung der von ihr getragenen Abgabe, wenn diese als Abgabe zollgleicher Wirkung eingestuft wird. Der etwaige Verstoß gegen die sich aus dem nationalen Recht ergebende Verpflichtung, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Abgabe auf den Endpreis des betroffenen Erzeugnisses abzuwälzen, ist insoweit unerheblich. Der auf dem Unionsrecht beruhende Anspruch auf Erstattung dieser Abgabe kann nämlich nicht aus einem auf das nationale Recht gestützten Grund versagt werden.

    38

    Außerdem hätte Lukoil auch einen Anspruch auf – wenn auch nur teilweise – Erstattung der von ihr nach Art. 1 der OUG Nr. 249/2000 getragenen Abgabe, falls das vorlegende Gericht im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und die Erwägungen in den Rn. 21 bis 25 des vorliegenden Urteils feststellen sollte, dass es sich bei der in dieser Bestimmung vorgesehenen Abgabe um eine mit Art. 110 AEUV unvereinbare diskriminierende inländische Abgabe handelt. In diesem Fall beträfe der Erstattungsanspruch die Differenz zwischen der Abgabe, mit der die auf dem Unionsmarkt vertriebenen Waren belastet sind, und der Abgabe, mit der die auf dem Inlandsmarkt vertriebenen Waren belastet sind, da bei Letzterer die Vorteile, die ausschließlich diesen Erzeugnissen zugutegekommen wären, angemessen berücksichtigt wären.

    39

    Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 30 AEUV, dahin auszulegen ist, dass der Abgabenpflichtige, der eine Abgabe zollgleicher Wirkung, die mit dieser Vorschrift unvereinbar ist, tatsächlich getragen hat, selbst dann die Möglichkeit haben muss, die Erstattung der von ihm in diesem Zusammenhang entrichteten Beträge zu erlangen, wenn der Zahlungsmechanismus für die Abgabe im nationalen Recht so gestaltet war, dass diese Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden sollte.

    Kosten

    40

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Das Unionsrecht, insbesondere Art. 30 AEUV, ist dahin auszulegen, dass der Abgabenpflichtige, der eine Abgabe zollgleicher Wirkung, die mit dieser Vorschrift unvereinbar ist, tatsächlich getragen hat, selbst dann die Möglichkeit haben muss, die Erstattung der von ihm in diesem Zusammenhang entrichteten Beträge zu erlangen, wenn der Zahlungsmechanismus für die Abgabe im nationalen Recht so gestaltet war, dass diese Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden sollte.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.

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