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Este documento é um excerto do sítio EUR-Lex

Documento 62017CJ0031

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 7. März 2018.
Cristal Union gegen Ministre de l'Économie et des Finances.
Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État (Frankreich).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2003/96/EG – Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom – Art. 14 Abs. 1 Buchst. a – Energieerzeugnisse, die bei der Stromerzeugung verwendet werden – Verpflichtung zur Steuerbefreiung – Art. 15 Abs. 1 Buchst. c – Energieerzeugnisse, die für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden – Möglichkeit der Steuerbefreiung oder der Steuerermäßigung – Erdgas, das für die Kraft-Wärme-Kopplung bestimmt ist.
Rechtssache C-31/17.

Coletânea da Jurisprudência — Coletânea Geral

Identificador Europeu da Jurisprudência (ECLI): ECLI:EU:C:2018:168

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

7. März 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2003/96/EG – Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom – Art. 14 Abs. 1 Buchst. a – Energieerzeugnisse, die bei der Stromerzeugung verwendet werden – Verpflichtung zur Steuerbefreiung – Art. 15 Abs. 1 Buchst. c – Energieerzeugnisse, die für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden – Möglichkeit der Steuerbefreiung oder der Steuerermäßigung – Erdgas, das für die Kraft-Wärme-Kopplung bestimmt ist“

In der Rechtssache C‑31/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 18. Januar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 2017, in dem Verfahren

Cristal Union, Rechtsnachfolgerin der Sucrerie de Toury SA,

gegen

Ministre de l’Économie et des Finances

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund, J. ‑C. Bonichot, A. Arabadjiev und E. Regan (Berichterstatter),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Cristal Union als Rechtsnachfolgerin der Sucrerie de Toury SA, vertreten durch C. Lesourd und J.‑M. Priol, avocats,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier, S. Ghiandoni und A. Alidière als Bevollmächtigte,

der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Perrin und F. Tomat als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Februar 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a und Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Cristal Union als Rechtsnachfolgerin der Sucrerie de Toury SA und dem Ministre de l’Économie et des Finances (Minister für Wirtschaft und Finanzen) wegen der Besteuerung von Erdgas, das in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage – also zur kombinierten Erzeugung von Wärme und Strom – verwendet wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 2 bis 7, 11, 12, 24 und 25 der Richtlinie 2003/96 lauten:

„(2)

Das Fehlen von Gemeinschaftsbestimmungen über eine Mindestbesteuerung für elektrischen Strom und Energieerzeugnisse mit Ausnahme der Mineralöle kann dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes abträglich sein.

(3)

Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Erreichung der Ziele der anderen Gemeinschaftspolitiken erfordern die Festsetzung von gemeinschaftlichen Mindeststeuerbeträgen für die meisten Energieerzeugnisse einschließlich elektrischen Stroms, Erdgas und Kohle.

(4)

Erhebliche Abweichungen zwischen den von den einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschriebenen nationalen Energiesteuerbeträgen könnten sich als abträglich für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erweisen.

(5)

Durch die Festsetzung angemessener gemeinschaftlicher Mindeststeuerbeträge lassen sich die derzeit bestehenden Unterschiede bei den nationalen Steuersätzen möglicherweise verringern.

(6)

Nach Artikel 6 des [EG-]Vertrags müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der anderen Gemeinschaftspolitiken einbezogen werden.

(7)

Die Gemeinschaft hat als Unterzeichner des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen das Protokoll von Kyoto ratifiziert. Die Besteuerung der Energieerzeugnisse – und, gegebenenfalls, des elektrischen Stroms – ist eines der Instrumente, die zur Verfügung stehen, um die Ziele des Protokolls von Kyoto zu erreichen.

(11)

Es ist Sache des einzelnen Mitgliedstaats zu entscheiden, durch welche steuerlichen Maßnahmen er diesen gemeinschaftlichen Rahmen zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und von elektrischem Strom umsetzen will. Die Mitgliedstaaten können in diesem Zusammenhang auch beschließen, die Gesamtsteuerlast nicht zu erhöhen, falls sie der Ansicht sind, dass die Umsetzung dieses Grundsatzes der Aufkommensneutralität dazu beitragen könnte, ihre Steuersysteme zu restrukturieren und zu modernisieren, indem umweltfreundlichere Verhaltensweisen begünstigt werden und eine verstärkte Beachtung des Faktors Arbeitseinsatz gefördert wird.

(12)

Die Energiepreise sind Schlüsselelemente der Energie-, Verkehrs- und Umweltpolitik der Gemeinschaft.

(24)

Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, bestimmte weitere Steuerbefreiungen oder ‑ermäßigungen anzuwenden, sofern dies nicht das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt oder zu Wettbewerbsverzerrungen führt.

(25)

Insbesondere die Kraft-Wärme-Kopplung und – im Hinblick auf die Förderung des Einsatzes alternativer Energiequellen – erneuerbare Energieträger können Anspruch auf eine Vorzugsbehandlung haben.“

4

Art. 1 der Richtlinie 2003/96 lautet:

„Die Mitgliedstaaten erheben nach Maßgabe dieser Richtlinie Steuern auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom.“

5

In Art. 14 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie heißt es:

„Über die allgemeinen Vorschriften für die steuerbefreite Verwendung steuerpflichtiger Erzeugnisse gemäß der Richtlinie 92/12/EWG [des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 76, S. 1) in der durch die Richtlinie 2000/47/EG des Rates vom 20. Juli 2000 (ABl. 2000, L 193, S. 73) geänderten Fassung] hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und ‑vermeidung oder Missbrauch festlegen, die nachstehenden Erzeugnisse von der Steuer:

a)

bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse bzw. verwendeter elektrischer Strom sowie elektrischer Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, elektrischen Strom zu erzeugen, verwendet wird. Es steht den Mitgliedstaaten allerdings frei, diese Erzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen zu besteuern, ohne die in der Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge einhalten zu müssen. In diesem Fall wird die Besteuerung dieser Erzeugnisse in Bezug auf die Einhaltung der Mindeststeuerbeträge für elektrischen Strom im Sinne von Artikel 10 nicht berücksichtigt“.

6

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften können die Mitgliedstaaten unter Steueraufsicht uneingeschränkte oder eingeschränkte Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen gewähren für

c)

Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, die für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden“.

7

Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/96 bestimmt:

„Eine Einheit, die elektrischen Strom zur eigenen Verwendung erzeugt, gilt als Verteiler. Unbeschadet des Artikels 14 Absatz 1 Buchstabe a) können die Mitgliedstaaten kleine Stromerzeuger von der Steuer befreien, sofern sie die zur Erzeugung dieses Stroms verwendeten Energieerzeugnisse besteuern.“

Französisches Recht

8

Art. 266 quinquies des Code des douanes (Zollkodex) in der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2006 anwendbaren Fassung bestimmte:

„(1)   Erdgas … unterliegt bei seiner Lieferung an den Endverbraucher einer innerstaatlichen Verbrauchsteuer.

(3)   …

Befreit sind auch Lieferungen von Gas, das zu folgender Verwendung bestimmt ist:

c)

als Brennstoff für die Erzeugung von elektrischem Strom ab dem 1. Januar 2006, es sei denn, das gelieferte Gas ist zur Verwendung in Anlagen im Sinne von Art. 266 quinquies A bestimmt.“

9

In Art. 266 quinquies A des Code des douanes in der ab dem 1. Januar 2006 anwendbaren Fassung heißt es:

„Lieferungen von Erdgas und Mineralöl, das zur Verwendung in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage – also zur kombinierten Erzeugung von Wärme und Strom oder von Wärme und mechanischer Energie – bestimmt ist, sind für die Dauer von fünf Jahren ab Inbetriebnahme der Anlage von den innerstaatlichen Verbrauchsteuern im Sinne der Art. 265 und 266 quinquies befreit. …

Diese Befreiung gilt für Anlagen, die spätestens am 31. Dezember 2007 in Betrieb genommen werden. …“

10

Mit Wirkung vom 1. Januar 2007 wurde Art. 266 quinquies Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. c des Code des douanes wie folgt geändert:

„(3)   …

Befreit sind auch Lieferungen von Gas, das zu folgender Verwendung bestimmt ist:

c)

als Brennstoff für die Erzeugung von elektrischem Strom ab dem 1. Januar 2006.

Die in Abs. 3 Buchst. c vorgesehene Befreiung ist nicht auf Lieferungen von Gas anwendbar, das zur Verwendung in Anlagen im Sinne von Art. 266 quinquies A bestimmt ist. Die in Abs. 3 Buchst. c vorgesehene Befreiung gilt jedoch für Erzeuger, für deren Anlage es keinen … Stromabnahmevertrag gibt, sofern sie auf die in Art. 266 quinquies A vorgesehene Befreiung von den innerstaatlichen Steuern verzichten.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

11

Sucrerie de Toury, deren Rechtsnachfolgerin Cristal Union ist, betreibt eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, für die sie Erdgas als Brennstoff verwendet.

12

Für das Erdgas, das Sucrerie de Toury in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 25. Dezember 2007 geliefert wurde, berechnete der Lieferant die in Art. 266 quinquies vorgesehene innerstaatliche Verbrauchsteuer für Erdgas und führte diese ab.

13

Da Sucrerie de Toury die Ansicht vertritt, dass diese Gaslieferungen nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 von der innerstaatlichen Steuer hätten befreit werden müssen, erhob sie beim Tribunal administratif d’Orléans (Verwaltungsgericht Orléans, Frankreich) Klage gegen die Französische Republik auf Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sein soll, dass sie diese Bestimmung verspätet in nationales Recht umgesetzt habe.

14

Mit Urteil vom 31. Januar 2013 wies das Tribunal administratif d’Orléans (Verwaltungsgericht Orléans) die Klage ab.

15

Das von Sucrerie de Toury gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel wies die Cour administrative d’appel de Nantes (Verwaltungsberufungsgericht Nantes, Frankreich) mit Urteil vom 18. Dezember 2014 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, das für die Kraft-Wärme-Kopplung bestimmte Erdgas falle ausschließlich unter Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96 – wonach die Mitgliedstaaten Energieerzeugnisse, die für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden, befreien können – und nicht unter Art. 14 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie – wonach die Mitgliedstaaten bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse befreien.

16

Gegen dieses Urteil legte Sucrerie de Toury am 10. Februar 2015 beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) ein Rechtsmittel ein.

17

Unter diesen Voraussetzungen hat der Conseil d’État (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Fallen für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendete Energieerzeugnisse ausschließlich unter die mit Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96 eröffnete Möglichkeit zur Steuerbefreiung, oder fallen sie auch, was den Teil dieser Erzeugnisse betrifft, der bei der Stromerzeugung verwendet wird, in den Anwendungsbereich der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgesehenen obligatorischen Steuerbefreiung?

Zur Vorlagefrage

18

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene obligatorische Steuerbefreiung auf bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse anwendbar ist, die im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden.

19

Nach Ansicht der französischen Regierung fallen Energieerzeugnisse, die zur Erzeugung von elektrischem Strom in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wie der des Ausgangsverfahrens verwendet werden, ausschließlich in den Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96, so dass ungeachtet Art. 14 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet sei, den Teil dieser Erzeugnisse zu befreien, der bei der Stromerzeugung verwendet werde.

20

Demgegenüber vertreten Cristal Union, die finnische Regierung und die Europäische Kommission die Auffassung, Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96 schließe die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie nicht aus, wonach die Mitgliedstaaten den Teil der Energieerzeugnisse zu befreien hätten, der in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wie der des Ausgangsverfahrens verwendet werde, um elektrischen Strom zu erzeugen. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96 ermögliche es den Mitgliedstaaten lediglich zusätzlich, den Teil der Energieerzeugnisse, der der Wärmeerzeugung entspreche, uneingeschränkt oder eingeschränkt von der Steuer zu befreien.

21

Nach ständiger Rechtsprechung sind die in der Richtlinie 2003/96 vorgesehenen Bestimmungen über die Befreiungen unter Berücksichtigung ihres Wortlauts sowie der Systematik dieser Richtlinie und der mit ihr verfolgten Ziele autonom auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. April 2014, Kronos Titan und Rhein-Ruhr Beschichtungs-Service, C‑43/13 und C‑44/13, EU:C:2014:216, Rn. 25, sowie vom 13. Juli 2017, Vakarų Baltijos laivų statykla, C‑151/16, EU:C:2017:537, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22

Als Erstes ist festzustellen, dass bereits aus dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 hervorgeht, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, „bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse“ von der Steuer nach dieser Richtlinie zu befreien.

23

Dieser Wortlaut schließt vom Anwendungsbereich dieser obligatorischen Befreiung keineswegs die Energieerzeugnisse aus, die zur Erzeugung von elektrischem Strom in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wie der des Ausgangsverfahrens verwendet werden. Es bleibt nämlich dabei, dass es sich um in einer solchen Anlage „bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 handelt.

24

Als Zweites ist hinsichtlich der Systematik der Richtlinie 2003/96 darauf hinzuweisen, dass diese gewiss keine allgemeinen Steuerbefreiungen einführen will (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Dezember 2011, Systeme Helmholz, C‑79/10, EU:C:2011:797, Rn. 23, und vom 21. Dezember 2011, Haltergemeinschaft, C‑250/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:862, Rn. 19).

25

Da zudem Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 die für die Mitgliedstaaten im Rahmen der Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom geltenden zwingenden Ausnahmen abschließend aufzählt (vgl. Urteile vom 5. Juli 2007, Fendt Italiana, C‑145/06 und C‑146/06, EU:C:2007:411, Rn. 36, und vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems, C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 45), darf er nicht weit ausgelegt werden, weil sonst der durch diese Richtlinie eingeführten harmonisierten Besteuerung jede praktische Wirksamkeit genommen würde.

26

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sieht Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 dadurch, dass er den Mitgliedstaaten auferlegt, bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse zwingend von der Besteuerung auszunehmen, eine genaue und unbedingte Verpflichtung vor, so dass er dem Einzelnen das Recht verleiht, sich vor den nationalen Gerichten unmittelbar auf ihn zu berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2008, Flughafen Köln/Bonn, C‑226/07, EU:C:2008:429, Rn. 29 bis 33).

27

Außerdem ist anzumerken, dass in Fällen, in denen der Unionsgesetzgeber die Absicht hatte, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, von diesem System der obligatorischen Befreiung abzuweichen, er dies ausdrücklich vorgesehen hat, und zwar in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2003/96, wonach es den Mitgliedstaaten freisteht, bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen zu besteuern, bzw. in Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 dieser Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten, die den von kleinen Stromerzeugern erzeugten Strom von der Steuer befreien, die zur Erzeugung dieses Stroms verwendeten Energieerzeugnisse besteuern müssen.

28

Es ergibt sich somit aus der Systematik der Richtlinie 2003/96, dass mit Ausnahme dieser beiden Sonderfälle die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 dieser Richtlinie vorgesehene obligatorische Befreiung von bei der Stromerzeugung verwendeten Energieerzeugnissen für die Mitgliedstaaten unbedingt gilt.

29

Als Drittes ist hinsichtlich der Ziele der Richtlinie 2003/96 zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie, indem sie ein harmonisiertes System der Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vorsieht, ausweislich ihrer Erwägungsgründe 2 bis 5 und 24 das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts im Energiesektor insbesondere durch Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen fördern soll (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 3. April 2014, Kronos Titan und Rhein-Ruhr Beschichtungs-Service, C‑43/13 und C‑44/13, EU:C:2014:216, Rn. 31 und 33, vom 2. Juni 2016, ROZ‑ŚWIT, C‑418/14, EU:C:2016:400, Rn. 32, und vom 7. September 2017, Hüttenwerke Krupp Mannesmann, C‑465/15, EU:C:2017:640, Rn. 26).

30

Zu diesem Zweck hat sich der Unionsgesetzgeber in Bezug auf die Stromerzeugung, wie insbesondere aus Seite 5 der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen (ABl. 1997, C 139, S. 14) hervorgeht, dazu entschieden, den Mitgliedstaaten in Art. 1 der Richtlinie 2003/96 die Besteuerung des erzeugten Stroms vorzuschreiben, wobei die für die Erzeugung dieses Stroms verwendeten Energieerzeugnisse dementsprechend von der Besteuerung auszunehmen sind, was – wie der Generalanwalt in den Nrn. 56 bis 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – darauf abzielt, die Doppelbesteuerung von elektrischem Strom zu vermeiden.

31

Würden aber Energieerzeugnisse, die zur Erzeugung von elektrischem Strom in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wie der des Ausgangsverfahrens verwendet werden, nicht nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 von der Besteuerung befreit, ergäbe sich daraus gerade die Gefahr der Doppelbesteuerung, da der so erzeugte Strom gemäß Art. 1 dieser Richtlinie ebenfalls besteuert würde.

32

Die Richtlinie 2003/96 schließt zwar nicht jegliche Gefahr der Doppelbesteuerung aus, da es einem Mitgliedstaat – wie bereits in Rn. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist – gemäß ihrem Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 freisteht, bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen zu besteuern (vgl. Urteil vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems, C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 51).

33

Würde im Fall einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wie der des Ausgangsverfahrens die Befreiung nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 allein deshalb versagt, weil sie nicht nur elektrischen Strom, sondern auf kombinierte Weise Wärme und elektrischen Strom erzeugt, könnte dies jedoch – wie die Umstände des Ausgangsverfahrens zeigen – zu einer Ungleichbehandlung der Stromerzeuger führen, was wiederum zu für das Funktionieren des Binnenmarkts im Energiesektor schädlichen Wettbewerbsverzerrungen führen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Haltergemeinschaft, C‑250/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:862, Rn. 17 und 18).

34

Darüber hinaus soll mit der Richtlinie 2003/96 auch das in ihren Erwägungsgründen 6, 7, 11 und 12 genannte Ziel erreicht werden, nämlich die Förderung umweltpolitischer Ziele (Urteil vom 7. September 2017, Hüttenwerke Krupp Mannesmann, C‑465/15, EU:C:2017:640, Rn. 26).

35

Die Besteuerung von Energieerzeugnissen, die zur Erzeugung von elektrischem Strom in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wie der des Ausgangsverfahrens verwendet werden, liefe aber angesichts der damit verbundenen Gefahr der Doppelbesteuerung diesem Ziel zuwider.

36

Wie insbesondere aus der Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG (ABl. 2012, L 315, S. 1) hervorgeht, soll mit dem Unionsrecht nämlich eine am Nutzwärmebedarf orientierte Kraft-Wärme-Kopplung im Energiebinnenmarkt gefördert werden, da hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung ein erhebliches Potenzial für die Einsparung von Primärenergie birgt.

37

Außerdem steht fest, dass – wie aus dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32) hervorgeht – die Kraft-Wärme-Kopplung geringere CO2-Emissionen je Produktionseinheit erzeugt als die getrennte Erzeugung von Wärme und elektrischen Strom.

38

Folglich ist festzustellen, dass sich sowohl aus dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 als auch aus ihrer Systematik und ihren Zielen ergibt, dass die für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendeten Energieerzeugnisse in den Anwendungsbereich der in dieser Bestimmung vorgesehenen obligatorischen Steuerbefreiung fallen.

39

Diese Auslegung kann durch Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96 nicht in Frage gestellt werden.

40

Die in dieser Bestimmung vorgesehene fakultative Regelung, wonach die Mitgliedstaaten für Energieerzeugnisse, die für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden, uneingeschränkte oder eingeschränkte Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen gewähren können, kann nämlich kein entscheidendes Kriterium für die Festlegung des Umfangs der in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 vorgesehenen obligatorischen Steuerbefreiungen sein (vgl. entsprechend Urteil vom 1. März 2007, Jan De Nul, C‑391/05, EU:C:2007:126, Rn. 29).

41

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei verschiedenen möglichen Auslegungen einer Vorschrift des Unionsrechts derjenigen der Vorzug zu geben ist, die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist (vgl. u. a. Urteile vom 18. Dezember 2008, Afton Chemical, C‑517/07, EU:C:2008:751, Rn. 43, und vom 10. September 2014, Holger Forstmann Transporte, C‑152/13, EU:C:2014:2184, Rn. 26).

42

Wie aber aus den Rn. 26 bis 28 des vorliegenden Urteils hervorgeht, wird den Mitgliedstaaten in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 die unbedingte Verpflichtung auferlegt, bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse von der Steuer zu befreien.

43

Um dieser Bestimmung nicht ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen, kann die in Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie vorgesehene fakultative Regelung daher nur Auffangcharakter in dem Sinne haben, dass sie den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit einräumt, für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendeten Energieerzeugnissen – wie aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht – eine „Vorzugsbehandlung“ zukommen zu lassen, indem zur Förderung der in den Rn. 34 bis 37 des vorliegenden Urteils genannten umweltpolitischen Ziele eine besondere Regelung erlassen wird, die für diese Energieerzeugnisse entweder eine Steuerbefreiung oder eine Steuerermäßigung vorsieht, soweit der gewählte Steuerbetrag die obligatorische Befreiung des Teils dieser Erzeugnisse sicherstellt, der bei der Stromerzeugung verwendet wird (vgl. entsprechend Urteil vom 1. März 2007, Jan De Nul, C‑391/05, EU:C:2007:126, Rn. 29).

44

Mit Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96 soll den Mitgliedstaaten somit eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet werden, von der in ihrem Art. 1 vorgesehenen Besteuerung von Energieerzeugnissen abzusehen, nicht aber die Anwendung der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Regelung der obligatorischen Befreiung ausgeschlossen werden.

45

Die etwaigen praktischen Schwierigkeiten, die mit der erforderlichen Abgrenzung des Teils der Energieerzeugnisse, der in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage für die Stromerzeugung verwendet wird, von dem Teil, der für die Wärmeerzeugung verwendet wird, einhergehen – auf die die französische Regierung hingewiesen hat –, können die Mitgliedstaaten keinesfalls von ihrer Verpflichtung entbinden, die bei der Stromerzeugung verwendeten Energieerzeugnisse gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 unbedingt von der Steuer zu befreien. Im Übrigen geht – wie der Generalanwalt in Nr. 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – aus den Ausführungen der Kommission und von Cristal Union in der mündlichen Verhandlung hervor, dass es keineswegs unmöglich ist, nach Modalitäten, die mangels Angaben hierzu in der Richtlinie von den Mitgliedstaaten zu bestimmen sind, die – je nach den Merkmalen der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen möglicherweise unterschiedliche – Menge der Energieerzeugnisse zu ermitteln, die für die Erzeugung einer bestimmten Menge an elektrischem Strom oder an Wärme erforderlich ist.

46

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene obligatorische Befreiung auf bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse anwendbar ist, die im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden.

Kosten

47

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene obligatorische Befreiung auf bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse anwendbar ist, die im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie für die Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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