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Document 62016TJ0131

Urteil des Gerichts (Siebte erweiterte Kammer) vom 14. Februar 2019.
Königreich Belgien und Magnetrol International gegen Europäische Kommission.
Staatliche Beihilfen – Beihilferegelung Belgiens – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und die Rückforderung der gezahlten Beihilfe angeordnet wird – Steuervorbescheid (tax ruling) – Steuerregelung für Gewinnüberschüsse – Steuerautonomie der Mitgliedstaaten – Begriff der Beihilferegelung – Nähere Durchführungsmaßnahmen.
Rechtssachen T-131/16 und T-263/16.

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2019:91

 URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)

14. Februar 2019 ( *1 )

„Staatliche Beihilfen – Beihilferegelung Belgiens – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und die Rückforderung der gezahlten Beihilfe angeordnet wird – Steuervorbescheid (tax ruling) – Steuerregelung für Gewinnüberschüsse – Steuerautonomie der Mitgliedstaaten – Begriff der Beihilferegelung – Nähere Durchführungsmaßnahmen“

In den Rechtssachen T‑131/16 und T‑263/16,

Königreich Belgien, zunächst vertreten durch C. Pochet, M. Jacobs und J.‑C. Halleux, dann durch C. Pochet und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte M. Segura Catalán und M. Clayton,

Kläger in der Rechtssache T‑131/16,

unterstützt durch

Irland, zunächst vertreten durch E. Creedon, G. Hodge und A. Joyce, dann durch K. Duggan, M. Browne und A. Joyce und schließlich durch A. Joyce und J. Quaney als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gallagher, M. Collins, SC, B. Doherty und S. Kingston, Barristers,

Streithelfer in der Rechtssache T‑131/16,

Magnetrol International mit Sitz in Zele (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Gilliams und J. Bocken,

Klägerin in der Rechtssache T‑263/16,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch P.‑J. Loewenthal und B. Stromsky, dann durch P.‑J. Loewenthal und F. Tomat als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2016/1699 der Kommission vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) (ABl. 2016, L 260, S. 61)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richterin V. Tomljenović (Berichterstatterin), des Richters E. Bieliūnas, der Richterin A. Marcoulli und des Richters A. Kornezov,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2018

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Rechtlicher Rahmen

Zum Code des impôts sur les revenus 1992

1

In Belgien sind die Regeln für die Besteuerung der Einkünfte im Code des impôts sur les revenus 1992 (Einkommensteuergesetzbuch, im Folgenden: CIR 92) kodifiziert. Nach Art. 1 Abs. 1 des CIR 92 wird als Einkommensteuer u. a. eine Steuer auf das Gesamteinkommen der inländischen Gesellschaften, die sogenannte Körperschaftsteuer, erhoben.

2

Speziell zur Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer sieht Art. 185 vor, dass Gesellschaften in Bezug auf den Gesamtbetrag der Gewinne einschließlich der ausgeschütteten Dividenden steuerpflichtig sind.

Zum Gesetz vom 24. Dezember 2002

3

Am 24. Dezember 2002 wurde das Gesetz zur Änderung der Körperschaftsteuer und zur Einführung einer Regelung für Steuervorbescheide (im Folgenden: Gesetz vom 24. Dezember 2002) verabschiedet. Art. 20 dieses Gesetzes sieht vor, dass der Föderale Öffentliche Dienst Finanzen im Rahmen eines Vorbescheids über alle Anträge in Bezug auf die Anwendung der Steuergesetze entscheidet. Außerdem ist der Begriff „Vorbescheid“ definiert als der Rechtsakt, durch den der Föderale Öffentliche Dienst Finanzen nach den geltenden Vorschriften entscheidet, wie das Gesetz in einer bestimmten Situation oder auf ein bestimmtes Geschäft, das noch keine steuerliche Wirkung entfaltet hat, anwendbar ist. Außerdem ist geregelt, dass der Vorbescheid mit keiner Steuerbefreiung oder -minderung verbunden ist.

4

Art. 22 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 bestimmt, dass u. a. dann kein Steuervorbescheid erlassen werden kann, wenn der Antrag sich auf Situationen oder Geschäfte bezieht, die mit solchen identisch sind, die bereits steuerliche Wirkungen in Bezug auf den Antragsteller hatten.

5

Darüber hinaus regelt Art. 23 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002, dass, außer in den Fällen, in denen der Gegenstand des Antrags dies rechtfertigt, der Vorbescheid für einen Zeitraum erlassen wird, der fünf Jahre nicht überschreiten darf.

Zum Gesetz vom 21. Juni 2004 zur Änderung des CIR 92

6

Mit dem Gesetz vom 21. Juni 2004 zur Änderung des CIR 92 und des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 (im Folgenden: Gesetz vom 21. Juni 2004) führte das Königreich Belgien neue Steuerbestimmungen für grenzüberschreitende Transaktionen von verbundenen Unternehmen eines multinationalen Konzerns ein, die u. a. eine als „korrespondierende Berichtigung“ bezeichnete Gewinnberichtigung vorsahen.

– Begründung

7

Nach der Begründung des von der Regierung des Königreichs Belgien der Abgeordnetenkammer vorgelegten Gesetzesentwurfs dient dieses Gesetz zum einen der Anpassung des CIR 92, um darin ausdrücklich den Fremdvergleichsgrundsatz zu übernehmen, der auf internationaler Ebene allgemein anerkannt ist. Zum anderen soll es das Gesetz vom 24. Dezember 2002 ändern, um der Behörde für Steuervorbescheide die Zuständigkeit zum Erlass dieser Entscheidungen zu verleihen. Der Fremdvergleichsgrundsatz wird in das belgische Steuerrecht eingeführt, indem Art. 185 des CIR 92 ein Abs. 2 angefügt wird, der sich auf den Wortlaut von Art. 9 des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf dem Gebiet der Steuern auf das Einkommen und auf das Vermögen stützt. Das Ziel von Art. 185 Abs. 2 des CIR 92 besteht darin, zu gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlage der in Belgien der Steuer unterliegenden Gesellschaften durch Berichtigungen auf die Gewinne aus grenzüberschreitenden Transaktionen innerhalb des Konzerns angepasst werden kann, wenn die angewendeten Verrechnungspreise die Marktmechanismen und den Fremdvergleichsgrundsatz nicht widerspiegeln. Außerdem wird der von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 eingeführte Begriff „angemessene Berichtigung“ damit begründet, dass er das Ziel habe, eine (mögliche) Doppelbesteuerung zu verhindern oder zu unterbinden. Zudem wird dargelegt, dass diese Berichtigung im Einzelfall auf der Grundlage der verfügbaren Informationen zu erfolgen habe, die insbesondere vom Steuerpflichtigen vorgelegt würden, und dass eine korrespondierende Berichtigung nur vorzunehmen sei, wenn die Steuerverwaltung der Auffassung sei, dass die Primärberichtigung in einem anderen Mitgliedstaat dem Grundsatz und der Höhe nach gerechtfertigt sei.

– Art. 185 Abs. 2 des CIR 92

8

Art. 185 Abs. 2 des CIR 92 legt Folgendes fest:

„[…B]ei zwei Unternehmen, die einer multinationalen Gruppe verbundener Unternehmen angehören, und in Bezug auf deren gegenseitige grenzüberschreitende Beziehungen:

a)

dürfen, wenn die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet werden;

b)

werden, wenn bei den Gewinnen eines Unternehmens Gewinne aufgeführt sind, die ebenfalls bei den Gewinnen eines anderen Unternehmens aufgeführt sind, und die so zugerechneten Gewinne solche Gewinne sind, die von diesem anderen Unternehmen erzielt worden wären, falls die zwischen den beiden Unternehmen vereinbarten Bedingungen die gleichen gewesen wären, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, die Gewinne des ersten Unternehmens in angemessener Weise angepasst.“

Zum Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006

9

Das Rundschreiben vom 4. Juli 2006 zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (im Folgenden: Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006) wurde den Beamten der Allgemeinen Steuerverwaltung im Namen des Finanzministers übermittelt, um u. a. die Einfügung eines Abs. 2 in Art. 185 des CIR 92 und die entsprechende Anpassung dieses Gesetzbuchs zu erläutern. Das Rundschreiben weist darauf hin, dass diese Änderungen, die seit dem 19. Juli 2004 in Kraft seien, im belgischen Steuerrecht den Fremdvergleichsgrundsatz umsetzen sollten und die Rechtsgrundlage bildeten, die im Hinblick auf diesen Grundsatz erlaube, den steuerbaren Gewinn aus grenzüberschreitenden Beziehungen innerhalb des Konzerns zwischen verbundenen Unternehmen, die Teil eines multinationalen Konzerns seien, anzupassen.

10

So legt das Rundschreiben zum einen dar, dass die in Art. 185 Abs. 2 Buchst. a des CIR 92 vorgesehene positive Berichtigung eine Erhöhung der Gewinne der zu einem multinationalen Konzern gehörenden inländischen Gesellschaft gestatte, um die Gewinne einzubeziehen, die die inländische Gesellschaft bei einem bestimmten Geschäft in einem fremdvergleichskonformen Kontext hätte erzielen müssen.

11

Zum anderen habe die in Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 vorgesehene negative korrespondierende Berichtigung das Ziel, eine (mögliche) Doppelbesteuerung zu verhindern oder zu unterbinden. Hierfür könne kein Kriterium festgelegt werden, da diese Berichtigung im Einzelfall auf der Grundlage der verfügbaren Informationen zu erfolgen habe, die insbesondere vom Steuerpflichtigen vorgelegt würden. Außerdem sei eine korrespondierende Berichtigung nur vorzunehmen, wenn die Steuerverwaltung oder die Behörde für Steuervorbescheide der Auffassung sei, dass die Berichtigung dem Grundsatz und der Höhe nach gerechtfertigt sei. Im Übrigen sei Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 nicht anwendbar, wenn der in dem Partnerstaat erzielte Gewinn so erhöht werde, dass er höher als derjenige sei, der im Fall der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erlangt würde.

Zu den Antworten des Finanzministers auf parlamentarische Anfragen betreffend die Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92

12

Am 13. April 2005 bestätigte der belgische Finanzminister in Beantwortung parlamentarischer Anfragen betreffend die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse zunächst, dass Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 die Situation betreffe, in der ein Vorbescheid zu einer Methode erlassen werde, um zu einem fremdvergleichskonformen Gewinn zu gelangen. Sodann bestätigte er, dass die in den belgischen Finanzberichten enthaltenen Gewinne eines in Belgien tätigen internationalen Konzerns, die die fremdvergleichskonformen Gewinne überstiegen, bei der Bestimmung des steuerlichen Gewinns in Belgien nicht zu berücksichtigen seien. Schließlich bestätigte er die Auffassung, dass die Feststellung, welche ausländischen Unternehmen diese Mehrgewinne zu ihren Gewinnen hinzurechnen müssten, keine Aufgabe der belgischen Steuerbehörden sei.

13

Am 11. April 2007 erklärte der belgische Finanzminister im Rahmen einer neuen Reihe von parlamentarischen Anfragen zur Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. a und b des CIR 92, dass bisher nur Anträge bezüglich negativer Berichtigungen eingegangen seien. Darüber hinaus stellte er klar, dass für die Bestimmung der Methode zur Festsetzung des fremdvergleichskonformen Gewinns des belgischen Unternehmens im Rahmen der Steuervorbescheide die ausgeübten Aufgaben, die getragenen Risiken und die Vermögenswerte, die für Tätigkeiten bestimmt seien, die in Belgien noch keine steuerliche Wirkung gehabt hätten, berücksichtigt würden. Daher dürfe der in Belgien durch die belgischen Finanzberichte des internationalen Konzerns ausgewiesene Gewinn, der den fremdvergleichskonformen Gewinn überschreite, nicht in den in Belgien steuerpflichtigen Gewinn einbezogen werden. Schließlich wies der belgische Finanzminister darauf hin, da es nicht Sache des belgischen Fiskus sei, zu bestimmen, welchen ausländischen Gesellschaften der Mehrgewinn zuzurechnen sei, sei es unmöglich, insoweit Informationen mit ausländischen Steuerbehörden auszutauschen.

14

Am 6. Januar 2015 bestätigte der belgische Finanzminister, dass das grundlegende Prinzip der Steuervorbescheide darin bestehe, den Gewinn zu besteuern, der einem fremdvergleichskonformen Gewinn für das betroffene Unternehmen entspreche, und bekräftigte die von seinem Vorgänger am 11. April 2007 gegebenen Antworten zu dem Umstand, dass der belgische Fiskus nicht festzustellen habe, welcher ausländischen Gesellschaft der in Belgien nicht besteuerte Mehrgewinn zuzurechnen sei.

Angefochtener Beschluss

15

Mit dem Beschluss (EU) 2016/1699 vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) (ABl. 2016, L 260, S. 61, im Folgenden: angefochtener Beschluss) stellte die Europäische Kommission fest, dass die vom Königreich Belgien durch Steuervorbescheide, die sich auf Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 gründeten, gewährten Befreiungen eine Beihilferegelung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei und unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV angewendet worden sei.

16

Außerdem ordnete die Kommission die Rückforderung der gewährten Beihilfen von den Empfängern an, deren abschließende Liste das Königreich Belgien später aufzustellen hatte. Im Anhang des angefochtenen Beschlusses wurden zu Informationszwecken und auf der Grundlage von Angaben, die das Königreich Belgien im Verwaltungsverfahren vorgelegt hatte, 55 Empfänger aufgeführt, darunter Magnetrol International, die Klägerin in der Rechtssache T‑263/16.

17

Erstens stellte die Kommission zur Bewertung der Beihilfemaßnahme (Erwägungsgründe 94 bis 110 des angefochtenen Beschlusses) fest, dass die fragliche Maßnahme eine Beihilferegelung darstelle, die sich auf Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 in seiner Anwendung durch die belgische Steuerverwaltung gründe. Diese Anwendung werde in der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, in dem Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und in den Antworten des Ministers für Finanzen auf die parlamentarischen Anfragen zur Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 erläutert. Diese Rechtsakte stellten nach Auffassung der Kommission die Grundlage dar, auf der die fraglichen Befreiungen bewilligt worden seien. Außerdem seien diese Befreiungen gewährt worden, ohne dass Durchführungsmaßnahmen der grundlegenden Bestimmungen erforderlich gewesen seien, da die Steuervorbescheide nur technische Modalitäten für die Anwendung der fraglichen Regelung seien. Im Übrigen seien die Begünstigten der Befreiungen in einer allgemeinen und abstrakten Weise durch die der Regelung zu Grunde liegenden Bestimmungen definiert. Diese seien nämlich auf Unternehmen anwendbar, die einer multinationalen Gruppe verbundener Unternehmen angehörten.

18

Zweitens wies die Kommission zu den Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV (Erwägungsgründe 111 bis 117 des angefochtenen Beschlusses) als Erstes darauf hin, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse eine Maßnahme des Staates sei, die diesem zuzurechnen sei und zu einem Verlust staatlicher Mittel führe, soweit diese Befreiung eine Verringerung der Steuer, die von den die Regelung in Anspruch nehmenden Unternehmen in Belgien zu entrichten sei, zur Folge habe. Als Zweites stellte sie fest, dass die fragliche Regelung den Handel innerhalb der Union beeinträchtigen könne, da sie von multinationalen Konzernen, die ihre Tätigkeiten in mehreren Mitgliedstaaten ausübten, in Anspruch genommen worden sei. Als Drittes hob die Kommission hervor, dass die fragliche Regelung die begünstigten Unternehmen von einer Belastung entbinde, die diese normalerweise zu tragen gehabt hätten, und dass diese Regelung folglich den Wettbewerb verfälsche oder zu verfälschen drohe, indem sie die finanzielle Situation dieser Unternehmen stärke. Als Viertes nahm die Kommission an, dass die fragliche Regelung den belgischen Unternehmen einen selektiven Vorteil verschaffe, indem sie nur die multinationalen Konzerne, denen diese Unternehmen angehörten, begünstige.

19

Was speziell das Vorliegen eines selektiven Vorteils anbelangt, vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse eine Abweichung vom Bezugssystem, das sie als das allgemeine Körperschaftsteuersystem in Belgien angesehen habe, sei, soweit die Steuer nicht auf den tatsächlich erwirtschafteten Gesamtgewinn der betroffenen Gesellschaft, sondern auf einen berichtigten fremdvergleichskonformen Gewinn angewendet worden sei (Erwägungsgründe 118 bis 134 des angefochtenen Beschlusses).

20

Insoweit (Erwägungsgründe 135 bis 143 des angefochtenen Beschlusses) vertrat die Kommission in der Hauptsache die Auffassung, dass die fragliche Regelung selektiv sei, weil sie zunächst nur Unternehmen offen gestanden habe, die einem multinationalen Konzern angehörten, und von eigenständigen Unternehmen oder Unternehmen, die nationalen Unternehmensgruppen angehörten, nicht habe in Anspruch genommen werden können. Sodann habe die fragliche Regelung eine Selektivität zwischen den multinationalen Konzernen, die ihr Geschäftsmodell änderten und neue Tätigkeiten in Belgien aufnähmen, und allen anderen Wirtschaftsteilnehmern begründet, die ihre bestehenden Geschäftsmodelle in Belgien weiter betrieben. Schließlich sei die fragliche Regelung de facto selektiv gewesen, da nur belgische Unternehmen, die einem großen oder mittelgroßen multinationalen Konzern angehört hätten, die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse auch tatsächlich in Anspruch hätten nehmen können, und nicht die Unternehmen, die einem kleineren multinationalen Konzern angehörten.

21

Hilfsweise (Erwägungsgründe 144 bis 170 des angefochtenen Beschlusses) führte die Kommission aus, selbst wenn die Ansicht zu vertreten sei, dass das Körperschaftsteuersystem in Belgien eine Regel enthalte, die es untersage, den von den Unternehmen eines multinationalen Konzerns erzielten Gewinn, der einen fremdvergleichskonformen Gewinn übersteige, zu besteuern, was von der Kommission angezweifelt werde, stelle die fragliche Steuerregelung für Gewinnüberschüsse eine Abweichung vom Bezugssystem dar, da die Gründe, die die Steuerbefreiung und die zur Festsetzung des Mehrgewinns verwendete Methode rechtfertigten, gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstießen. Diese Methode umfasse zwei Stufen.

22

In der ersten Stufe seien die Fremdvergleichspreise, die für Transaktionen zwischen dem belgischen Unternehmen eines Konzerns und den verbundenen Unternehmen angewendet würden, auf der Grundlage eines von dem steuerpflichtigen Unternehmen vorgelegten Berichts über Verrechnungspreise festgelegt worden. Diese Verrechnungspreise würden anhand der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) bestimmt. Somit werde ein verbleibender oder fremdvergleichskonformer Gewinn festgesetzt, der dem tatsächlich erzielten Gewinn des belgischen Unternehmens entspreche.

23

In der zweiten Stufe werde auf Grundlage eines zweiten Berichts, der von dem steuerpflichtigen Unternehmen vorgelegt werde, der berichtigte fremdvergleichskonforme Gewinn des belgischen Unternehmens ermittelt, indem der Gewinn, den ein vergleichbares eigenständiges Unternehmen unter vergleichbaren Bedingungen erwirtschaftet hätte, bestimmt werde. Die Differenz zwischen dem in der ersten und dem in der zweiten Stufe ermittelten Gewinn (nämlich der verbleibende Gewinn abzüglich des berichtigten fremdvergleichskonformen Gewinns) stelle den Betrag des Mehrgewinns dar, den die belgischen Steuerbehörden als aus Synergien oder Skaleneffekten resultierenden Gewinn aufgrund der Zugehörigkeit zu einem multinationalen Konzern und folglich nicht dem belgischen Unternehmen zurechenbar ansähen.

24

Dieser Mehrgewinn werde nach der fraglichen Regelung nicht versteuert. Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Nichtbesteuerung den Begünstigten der Regelung einen selektiven Vorteil verschafft habe, insbesondere da die Methode zur Ermittlung des Mehrgewinns von einer Methode abweiche, die zu einer zuverlässigen Schätzung eines marktbasierten Ergebnisses führe, und somit vom Fremdvergleichsgrundsatz.

25

Hinsichtlich der Rechtfertigung der fraglichen Regelung war die Kommission außerdem der Auffassung, dass diese nicht durch die Art oder den allgemeinen Aufbau des belgischen Steuersystems gerechtfertigt werden könne (Rn. 173 bis 181 des angefochtenen Beschlusses). Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien verfolge die fragliche Regelung nicht das Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung, da es nicht erforderlich sei, nachzuweisen, dass diese Gewinne in der Steuerbemessungsgrundlage eines anderen Unternehmens enthalten gewesen seien, um die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse zu erlangen.

26

Drittens stellte die Kommission fest, dass die fraglichen Maßnahmen eine Betriebsbeihilfe darstellten und daher nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar seien. Außerdem stellten diese Maßnahmen, da sie der Kommission nicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV mitgeteilt worden seien, rechtswidrige Beihilfen dar (Erwägungsgründe 189 bis 194 des angefochtenen Beschlusses).

27

In Bezug auf die Rückforderung der Beihilfen (Erwägungsgründe 195 bis 211 des angefochtenen Beschlusses) wies die Kommission darauf hin, dass das Königreich Belgien nicht den Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens der Begünstigten und den Grundsatz der Rechtssicherheit geltend machen könne, um sich seiner Verpflichtung zur Rückforderung der rechtswidrig gewährten unvereinbaren Beihilfen zu entziehen, und dass die zurückzufordernden Beträge für jeden Empfänger aufgrund der Differenz zwischen der auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Gewinns fälligen Steuer und der aufgrund des Vorbescheids tatsächlich entrichteten Steuer habe berechnet werden können.

28

Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Artikel 1

Die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, die sich auf Artikel 185 Paragraf 2 Buchstabe b des [CIR 92] stützt, in deren Rahmen [das Königreich] Belgien Steuervorbescheide für belgische Unternehmen, die einem multinationalen Konzern angehören, erlassen hat, in denen den besagten Unternehmen der Vorteil einer Körperschaftsteuerbefreiung für einen Teil des von ihnen erzielten Gewinns bewilligt wird, stellt eine Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV dar, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist und von Belgien unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV rechtswidrig angewendet wurde.

Artikel 2

1.   [Das Königreich] Belgien fordert die in Artikel 1 genannte unvereinbare und rechtswidrige Beihilfe von den Empfängern zurück.

2.   Alle Beträge, die nach der Rückforderung gemäß Absatz 1 noch nicht zurückerhalten wurden, werden von dem Konzern, dem der Beihilfeempfänger angehört, zurückgefordert.

3.   Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die von dem Tag, an dem die Beihilfen den Empfängern zur Verfügung gestellt wurden, bis zur tatsächlichen Rückzahlung berechnet werden.

4.   Die Zinsen auf die zurückzufordernden Beträge werden nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 anhand der Zinseszinsformel berechnet.

5.   [Das Königreich] Belgien stellt mit dem Tag des Erlasses dieses Beschlusses alle im Rahmen der besagten Beihilfe noch ausstehenden Zahlungen für die in Artikel 1 genannte Beihilfe ein.

6.   [Das Königreich] Belgien lehnt alle Anträge auf Erteilung eines Steuervorbescheids ab, die bei der Behörde für Steuervorbescheide in Zusammenhang mit der in Artikel 1 genannten Beihilfe eingehen oder am Tag des Erlasses dieses Beschlusses anhängig sind.

Artikel 3

1.   Die in Artikel 1 genannte gewährte Beihilfe wird sofort in wirksamer Weise zurückgefordert.

2.   [Das Königreich] Belgien stellt sicher, dass dieser Beschluss binnen vier Monaten nach seiner Bekanntgabe vollständig umgesetzt wird.

Artikel 4

1.   [Das Königreich] Belgien übermittelt der Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)

Liste der Empfänger der in Artikel 1 genannten Beihilfe und Gesamtbetrag, den jeder Empfänger in diesem Rahmen erhalten hat;

b)

Gesamtbetrag (Nennbetrag und Zinsen), der von jedem Empfänger zurückzufordern ist;

c)

ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die getroffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen;

d)

Unterlagen, die belegen, dass Rückzahlungsanordnungen an die Empfänger ergangen sind.

2.   [Das Königreich] Belgien unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beschlusses, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 genannten Beihilfe abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Belgien unverzüglich Informationen über die Maßnahmen vor, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt Belgien ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die vom Begünstigten bereits zurückgezahlt wurden.

Artikel 5

Dieser Beschluss ist an das Königreich Belgien gerichtet.“

Verfahren und Anträge

Verfahren und Anträge der Parteien in der Rechtssache T‑131/16

29

Mit Klageschrift, die am 22. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Belgien eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben.

30

Mit besonderem Schriftsatz, der am 26. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Belgien einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der darauf gerichtet gewesen ist, die Durchführung der Art. 2 bis 4 des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache auszusetzen. Mit Beschluss vom 19. Juli 2016 hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

31

Am 11. Juli 2016 hat das Gericht das Königreich Belgien aufgefordert, eine Frage zu beantworten. Das Königreich Belgien ist dieser Aufforderung mit Schreiben vom 19. Juli 2016 nachgekommen.

32

Mit Schriftsatz, der am 11. Juli 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Irland beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Belgien zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 25. August 2016 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts dem Streithilfeantrag von Irland stattgegeben. Irland hat seinen Streithilfeschriftsatz fristgerecht eingereicht, und die Hauptparteien haben sich fristgerecht zu diesem Schriftsatz geäußert.

33

Am 21. September 2016 ist im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts die Berichterstatterin der Siebten Kammer zugeteilt worden, der daher die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

34

Mit Schriftsatz, der am 26. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Belgien beantragt, dass die Rechtssache von einem erweiterten Spruchkörper entschieden werde. Am 15. Februar 2017 hat das Gericht gemäß Art. 28 Abs. 5 der Verfahrensordnung vermerkt, dass die Rechtssache an die Siebte erweiterte Kammer verwiesen wurde.

35

Da ein Mitglied der Siebten erweiterten Kammer an der Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts mit Entscheidung vom 28. März 2017 den Vizepräsidenten des Gerichts dazu bestimmt, die Kammer zu ergänzen.

36

Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat der Präsident der Siebten erweiterten Kammer am 12. Dezember 2017 gemäß Art. 67 Abs. 2 der Verfahrensordnung entschieden, dass die vorliegende Rechtssache mit Vorrang entschieden wird.

37

Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat das Gericht (Siebte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung das Königreich Belgien und die Kommission aufgefordert, Fragen schriftlich zu beantworten. Die Parteien sind dem fristgerecht nachgekommen.

38

Mit Beschluss vom 17. Mai 2018 hat der Präsident der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien beschlossen, die Rechtssachen T‑131/16, Belgien/Kommission, und T‑263/16, Magnetrol International/Kommission, gemäß Art. 68 Abs. 2 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu verbinden, und dem Antrag von Magnetrol International auf vertrauliche Behandlung gegenüber Irland stattgegeben.

39

In der Sitzung vom 28. Juni 2018 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

40

Das Königreich Belgien beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die Art. 1 und 2 des verfügenden Teils des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

41

Irland beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, wie es das Königreich Belgien beantragt.

42

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

dem Königreich Belgien die Kosten aufzuerlegen.

Verfahren und Anträge der Parteien in der Rechtssache T‑263/16

43

Mit Klageschrift, die am 25. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Magnetrol International eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben.

44

Am 20. Juni 2016 hat die Kommission die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung in der Rechtssache T‑131/16, Belgien/Kommission beantragt; die Klägerin ist diesem Antrag am 26. Juli 2016 entgegengetreten. Mit Beschluss, der den Hauptparteien am 9. August 2016 mitgeteilt worden ist, hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts den Antrag der Kommission auf Aussetzung zurückgewiesen.

45

Am 21. September 2016 ist im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung die Berichterstatterin der Siebten Kammer zugeteilt worden, der daher die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

46

Auf Vorschlag der Siebten Kammer hat das Gericht am 12. März 2018 gemäß Art. 28 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

47

Da ein Mitglied der Siebten erweiterten Kammer an der Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts mit Entscheidung vom 15. März 2018 den Vizepräsidenten des Gerichts dazu bestimmt, die Kammer zu ergänzen.

48

Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat der Präsident der Siebten erweiterten Kammer am 16. April 2018 gemäß Art. 67 Abs. 2 der Verfahrensordnung entschieden, dass die vorliegende Rechtssache mit Vorrang entschieden wird.

49

Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat das Gericht (Siebte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung Magnetrol International und die Kommission aufgefordert, Fragen schriftlich zu beantworten. Die Parteien sind dem fristgerecht nachgekommen.

50

Mit Beschluss vom 17. Mai 2018 hat der Präsident der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien beschlossen, die Rechtssachen T‑131/16, Belgien/Kommission, und T‑263/16, Magnetrol International/Kommission, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren gemäß Art. 68 Abs. 2 der Verfahrensordnung zu verbinden, und dem Antrag von Magnetrol International auf vertrauliche Behandlung gegenüber Irland stattgegeben.

51

Wie oben in Rn. 39 dargelegt, haben die Parteien in der Sitzung vom 28. Juni 2018 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

52

Magnetrol International beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die Art. 2 bis 4 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

weiter hilfsweise, die Art. 2 bis 4 des angefochtenen Beschlusses jedenfalls insoweit für nichtig zu erklären, als zum einen die Rückforderung der Beihilfe von Unternehmen verlangt wird, denen keine Vorbescheide erteilt worden sind, und zum anderen die Rückforderung eines Betrags in Höhe der ersparten Steuern des Begünstigten verlangt wird, ohne dem Königreich Belgien zu gestatten, eine effektive Anpassung nach oben, die eine andere Steuerverwaltung tatsächlich vorgenommen hat, zu berücksichtigen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

53

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

Magnetrol International die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

54

Nachdem die Parteien in der Sitzung hierzu gehört worden sind, hat das Gericht beschlossen, die vorliegenden Rechtssachen gemäß Art. 68 der Verfahrensordnung auch zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden.

Vorbemerkungen

55

Das Königreich Belgien stützt seine Klage auf fünf Gründe. Der erste Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 6 AEUV und Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV, da die Kommission in die Steuerhoheit des Königreichs Belgien eingegriffen habe. Der zweite Klagegrund betrifft einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, da die Kommission die Maßnahmen als Beihilferegelung eingestuft habe. Er gliedert sich in zwei Teile, wobei mit dem ersten die Bestimmung der Rechtsakte, auf die sich die in Rede stehende angebliche Regelung stütze, und mit dem zweiten die Erwägung hinsichtlich des Fehlens näherer Durchführungsmaßnahmen angegriffen werden. Der dritte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV, da die Kommission angenommen habe, dass das System der Gewinnüberschüsse eine staatliche Beihilfemaßnahme darstelle. Der vierte Klagegrund betrifft einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission bei der Bestimmung der Empfänger der angeblichen Beihilfe. Der fünfte, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9), da der angefochtene Beschluss Rückforderungen bei multinationalen Konzernen anordne, denen die belgischen Steuersubjekte, denen ein Steuervorbescheid erteilt worden sei, angehörten.

56

Magnetrol International stützt ihre Klage auf vier Gründe. Der erste betrifft einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, einen Befugnismissbrauch und das Fehlen einer Begründung, soweit der angefochtene Beschluss das Vorliegen einer Beihilferegelung feststelle. Der zweite betrifft einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV sowie gegen die Begründungspflicht und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, da der angefochtene Beschluss die angebliche Regelung als selektive Maßnahme einstufe. Der dritte betrifft einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV sowie gegen die Begründungspflicht und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, da der angefochtene Beschluss feststelle, dass durch die angebliche Beihilferegelung ein Vorteil gewährt werde. Der vierte, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV, einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, einen Befugnismissbrauch und ein Fehlen einer Begründung hinsichtlich der im angefochtenen Beschluss angeordneten Rückforderung der Beihilfe, der Bestimmung der Empfänger sowie des zurückzufordernden Betrags.

57

Aus der Darstellung aller vorstehenden Klagegründe geht hervor, dass das Königreich Belgien und Magnetrol International, wenn auch in unterschiedlicher Reihenfolge, im Wesentlichen folgende Klagegründe geltend machen:

erstens einen Eingriff der Kommission, der deren Befugnisse im Bereich der staatlichen Beihilfen überschreite, in die ausschließlichen Zuständigkeiten des Königreichs Belgien im Bereich der direkten Besteuerung (erster Klagegrund in der Rechtssache T‑131/16 und erster Teil des dritten Klagegrundes in der Rechtssache T‑263/16);

zweitens eine fehlerhafte Feststellung des Vorliegens einer Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 im vorliegenden Fall, insbesondere aufgrund der falschen Bestimmung der Rechtsakte, auf die sich die angebliche Regelung gründe, und die fehlerhafte Erwägung, dass die Beihilferegelung keine näheren Durchführungsmaßnahmen erfordere (zweiter Klagegrund in der Rechtssache T‑131/16 und erster Klagegrund in der Rechtssache T‑263/16);

drittens eine fehlerhafte Feststellung, dass die Steuervorbescheide betreffend die Gewinnüberschüsse staatliche Beihilfen seien, insbesondere unter Berücksichtigung des Fehlens eines Vorteils und des Fehlens von Selektivität (dritter Klagegrund in der Rechtssache T‑131/16 und dritter Klagegrund in der Rechtssache T‑263/16);

viertens einen Verstoß gegen insbesondere die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und des Vertrauensschutzes, da die Rückforderung der angeblichen Beihilfen, einschließlich bei den Unternehmensgruppen, denen die Empfänger dieser Beihilfen angehörten, fehlerhaft angeordnet worden sei (vierter und fünfter Klagegrund in der Rechtssache T‑131/16 und vierter Klagegrund in der Rechtssache T‑263/16).

58

Das Gericht wird die Klagegründe in der oben in Rn. 57 angeführten Reihenfolge prüfen.

Zum angeblichen Eingriff der Kommission in die ausschließliche Zuständigkeit des Königreichs Belgien im Bereich der direkten Steuern

59

Das Königreich Belgien und Magnetrol International machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten habe, indem sie das Unionsrecht im Bereich der staatlichen Beihilfen genutzt habe, um einseitig Umstände zu bestimmen, die in die ausschließliche Steuerhoheit eines Mitgliedstaats fielen. Die Bestimmung der steuerbaren Einkünfte bleibe nämlich eine ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, ebenso wie die Art der Besteuerung der Gewinne aus grenzüberschreitenden Transaktionen innerhalb von Konzernen, selbst wenn dies zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen würde. Der Standpunkt der Kommission, wonach die Steuervorbescheide über die Gewinnüberschüsse staatliche Beihilfen darstellten, da sie von einer von ihr für richtig gehaltenen Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes abwichen, käme jedoch einer erzwungenen Harmonisierung der Vorschriften für die Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte gleich, was nicht in die Zuständigkeit der Union falle.

60

Irland bringt im Wesentlichen vor, dass der angefochtene Beschluss die ausgewogene Verteilung der Befugnisse zwischen der Union und den Mitgliedstaaten, die u. a. durch Art. 3 Abs. 6 EUV und Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV festgelegt werde und durch eine ständige Rechtsprechung bestätigt sei, ernstlich beeinträchtige.

61

Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass, auch wenn die Mitgliedstaaten über eine Steuerautonomie auf dem Gebiet der direkten Besteuerung verfügten, jede von einem Mitgliedstaat erlassene steuerliche Maßnahme im Einklang mit den Vorschriften der Union über staatliche Beihilfen zu stehen habe.

62

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die direkten Steuern beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben müssen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dagegen steht fest, dass die Kommission befugt ist, über die Einhaltung von Art. 107 AEUV zu wachen.

63

Daher sind Maßnahmen der Mitgliedstaaten in den Bereichen, die nicht in der Union harmonisiert sind, wie die direkte Besteuerung, vom Anwendungsbereich der Regelung in Bezug auf die Kontrolle staatlicher Beihilfen nicht ausgeschlossen. Folglich kann die Kommission eine steuerliche Maßnahme als staatliche Beihilfe einstufen, sofern die Voraussetzungen für eine solche Einstufung erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 28; vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, EU:C:2006:416, Rn. 81, sowie vom 25. März 2015, Belgien/Kommission, T‑538/11, EU:T:2015:188, Rn. 65 und 66). Die Mitgliedstaaten müssen daher ihre Befugnisse in Steuersachen unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (Urteil vom 3. Juni 2010, Kommission/Spanien, C‑487/08, EU:C:2010:310, Rn. 37). Folglich haben sie in diesem Kontext jede Maßnahme zu unterlassen, die eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen könnte.

64

Zwar fallen mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen und die Verteilung der Steuerbelastung auf die unterschiedlichen Produktionsfaktoren und Wirtschaftssektoren in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 97).

65

Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede steuerliche Maßnahme, die sich u. a. auf die von den Steuerbehörden berücksichtigte Besteuerungsgrundlage auswirkt, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 107 AEUV fällt. Wenn nämlich eine solche Maßnahme in der Praxis offensichtlich zu einer unterschiedlichen Behandlung der Gesellschaften führt, die sich im Hinblick auf das mit dieser Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Lage befinden, und somit den Empfängern der Maßnahme selektive Vorteile verschafft, die „bestimmte“ Unternehmen oder „bestimmte“ Produktionszweige begünstigen, kann sie als eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 104).

66

Außerdem kann eine Maßnahme, mit der staatliche Stellen bestimmten Unternehmen eine steuerliche Vergünstigung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Steuerpflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Dagegen stellen Vorteile aus einer unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbaren allgemeinen Maßnahme keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV dar (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67

Da die Kommission befugt ist, über die Einhaltung von Art. 107 AEUV zu wachen, kann ihr folglich nicht vorgeworfen werden, sie habe ihre Befugnisse überschritten, als sie die Maßnahmen prüfte, die die fragliche angebliche Regelung darstellen, um zu untersuchen, ob sie staatliche Beihilfen darstellten, und, wenn ja, ob sie mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vereinbar waren.

68

Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen des Königreichs Belgien in Bezug auf zum einen das Fehlen einer Zuständigkeit zur Besteuerung der Gewinnüberschüsse und zum anderen seine eigene Zuständigkeit für den Erlass von Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Frage gestellt werden.

69

Das Königreich Belgien macht geltend, da die Gewinnüberschüsse nicht den in Belgien steuerpflichtigen belgischen Steuersubjekten zuzuschreiben seien, fielen diese Gewinne nicht unter die belgische Steuerhoheit. Die Kommission könne daher die Nichtbesteuerung dieser Gewinne in Belgien nicht in Frage stellen.

70

Soweit dieses Vorbringen dahin zu verstehen sein sollte, dass damit die Zuständigkeit der Kommission für die Prüfung der in Rede stehenden Maßnahmen beanstandet wird, ist festzustellen, dass diese Maßnahmen die Steuervorbescheide betreffen, die die belgischen Steuerbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit im Bereich der direkten Steuern erlassen. Insoweit ist auf die in der vorstehenden Rn. 65 angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach jede steuerliche Maßnahme, die die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt, eine staatliche Beihilfe darstellt. Daraus folgt, dass die Kommission innerhalb ihrer Zuständigkeit in Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV die fraglichen Maßnahmen prüfen können muss, um zu untersuchen, ob sie diese Voraussetzungen erfüllen.

71

In Bezug auf das Vorbringen betreffend die Zuständigkeit des Königreichs Belgien für den Erlass von Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Doppelbesteuerungstatbestände zu vermeiden, indem u. a. die in der internationalen Besteuerungspraxis befolgten Verteilungskriterien verwendet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2006, Kerckhaert und Morres, C‑513/04, EU:C:2006:713, Rn. 23). Wie jedoch oben in Rn. 63 festgestellt worden ist, müssen die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse in Steuersachen unter Wahrung des Unionsrechts ausüben und jede Maßnahme unterlassen, die eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen könnte. Daher kann sich das Königreich Belgien nicht auf die Notwendigkeit der Vermeidung der Doppelbesteuerung als das von der Praxis der belgischen Steuerbehörden in Bezug auf die Gewinnüberschüsse verfolgte Ziel berufen, um insoweit eine ausschließliche Zuständigkeit nachzuweisen, die der Kontrolle der Einhaltung von Art. 107 AEUV durch die Kommission entzogen wäre.

72

Im Übrigen ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall die Nichtbesteuerung der Gewinnüberschüsse, wie sie von den belgischen Steuerbehörden angewandt wurde, keine Ziele der Vermeidung der Doppelbesteuerung zu verfolgen schien. Denn die Anwendung der beanstandeten Maßnahmen war nicht an die Voraussetzung des Nachweises geknüpft, dass diese Gewinne bei den Gewinnen eines anderen Unternehmens aufgeführt waren. Es war auch nicht der Nachweis erforderlich, dass diese Gewinnüberschüsse tatsächlich in einem anderen Land besteuert worden waren.

73

Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 sieht nämlich eine negative Berichtigung der Gewinne einer Gesellschaft nur vor, wenn diese bei den Gewinnen einer anderen Gesellschaft aufgeführt sind. Das Königreich Belgien hat sich jedoch nicht von den Feststellungen der Kommission in den Erwägungsgründen 173 bis 181 des angefochtenen Beschlusses zum Bestehen einer Praxis seiner Steuerbehörden distanziert, wie sie insbesondere durch die oben in den Rn. 12 bis 14 dargelegten Antworten des Ministers für Finanzen erläutert wurde und wonach die negative Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage einer einen Vorbescheid beantragenden Gesellschaft erfolgte, ohne dass geprüft wurde, ob der von der Besteuerungsgrundlage dieser Gesellschaft als ein Mehrgewinn abgezogene Gewinn tatsächlich beim Gewinn einer anderen Gesellschaft aufgeführt war.

74

Nach alledem ist der Klagegrund eines Eingriffs der Kommission in die Steuerhoheit des Königreichs Belgien als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Vorliegen einer Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589

75

Das Königreich Belgien und Magnetrol International machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe die Rechtsakte fehlerhaft bestimmt, auf deren Grundlage das System der Gewinnüberschüsse eine Beihilferegelung darstelle, und sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Rechtsakte keine näheren Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 erforderten. Darüber hinaus stütze sich die Schlussfolgerung zum Vorliegen einer Beihilferegelung auf eine widersprüchliche Begründung.

76

Die Kommission trägt im Wesentlichen vor, dass sie im angefochtenen Beschluss kohärent argumentiert habe, indem sie davon ausgegangen sei, dass sich die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse auf Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 gründe, wie dieser im Licht der Auslegung gemäß der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, dem Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und den Antworten des Ministers für Finanzen auf die parlamentarischen Anfragen zur Anwendung dieses Artikels von der Behörde für Steuervorbescheide angewendet werde. Diese Rechtsakte zeugten von einem systematischen und kohärenten Ansatz, mit dem die belgischen Steuerbehörden die sogenannten Mehrgewinne von der Steuer befreit hätten, ohne dass nähere Durchführungsmaßnahmen erforderlich gewesen seien.

77

Nach Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 ist eine Beihilferegelung eine Regelung, wonach Unternehmen, die in der Regelung in einer allgemeinen und abstrakten Weise definiert werden, ohne nähere Durchführungsmaßnahmen Einzelbeihilfen gewährt werden können, bzw. eine Regelung, wonach einem oder mehreren Unternehmen nicht an ein bestimmtes Vorhaben gebundene Beihilfen für unbestimmte Zeit und/oder in unbestimmter Höhe gewährt werden können.

78

Nach der Rechtsprechung kann sich die Kommission bei einer Beihilferegelung darauf beschränken, die Merkmale der betreffenden Regelung zu untersuchen, um in den Gründen der fraglichen Entscheidung zu würdigen, ob diese Regelung den Beihilfeempfängern wegen der in ihr vorgesehenen Modalitäten einen spürbaren Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern sichert und so beschaffen ist, dass sie ihrem Wesen nach vor allem Unternehmen zugutekommt, die sich am Handel zwischen den Mitgliedstaaten beteiligen. So braucht die Kommission in einer Entscheidung über eine solche Regelung keine Analyse der im Einzelfall aufgrund einer solchen Regelung gewährten Beihilfe durchzuführen. Erst im Stadium der Rückforderung der Beihilfen ist es erforderlich, die konkrete Situation jedes einzelnen betroffenen Unternehmens zu untersuchen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato Venezia vuole vivere u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79

Außerdem ist entschieden worden, dass sich die Kommission im Rahmen der Prüfung einer Beihilferegelung bei fehlender Identifizierung eines Rechtsakts zur Einführung einer solchen Beihilferegelung auf Umstände stützen kann, die in ihrer Gesamtheit darauf schließen lassen, dass der Sache nach eine Beihilferegelung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. April 1994, Deutschland und Pleuger Worthington/Kommission, C‑324/90 und C‑342/90, EU:C:1994:129, Rn. 14 und 15).

80

Es ist darauf hinzuweisen, dass im angefochtenen Beschluss zunächst im 97. Erwägungsgrund angegeben ist, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse auf der Grundlage von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 gewährt wird. Sodann wird im 98. Erwägungsgrund dieses Beschlusses dargelegt, dass die Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 durch die belgische Steuerverwaltung in der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, in dem Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und in den Antworten des Ministers für Finanzen auf die parlamentarischen Anfragen zu dieser Anwendung erläutert wird. Schließlich wird im 99. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92, die Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, das Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und die Antworten des Ministers für Finanzen auf die parlamentarischen Anfragen zur Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 die Akte darstellen, auf deren Grundlage die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse bewilligt wird.

81

Hingegen heißt es im 125. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass keine Bestimmung des CIR 92 eine abstrakte einseitige Steuerbefreiung eines bestimmten Teils oder eines bestimmten Prozentsatzes des tatsächlich erzielten Gewinns eines belgischen Unternehmens, das einem Konzern angehöre, vorschreibt. Außerdem erlaubt Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 negative Berichtigungen der Verrechnungspreise, unter der Bedingung, dass der durch die fragliche internationale Transaktion oder Vereinbarung generierte Gewinn, der von der Steuer zu befreien ist, im Gewinn der ausländischen Gegenpartei dieser Transaktion oder Vereinbarung ausgewiesen sein muss.

82

Zwar scheint aus den Erwägungen der Kommission eine gewisse Mehrdeutigkeit hervorzugehen, da sie zum einen die Gesamtheit der im 99. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aufgeführten Rechtsakte als Grundlagen für die beanstandete Regelung feststellt, während sie zum anderen bei der Analyse des Bezugssystems im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils ausführt, dass keine Bestimmung des CIR 92 eine Befreiung, wie die von den belgischen Steuerbehörden angewandte, vorschreibe.

83

Allerdings ergibt sich aus dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses in seiner Gesamtheit, dass Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92, wie er von den belgischen Steuerbehörden angewandt wird, die Grundlage für die in Rede stehende angebliche Beihilferegelung darstellt, und dass eine solche Anwendung aus der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, dem Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und den Antworten des Ministers für Finanzen auf die parlamentarischen Anfragen zur Anwendung dieses Artikels abgeleitet werden kann.

84

Daher ist zu prüfen, ob die angebliche Beihilferegelung, die auf die von der Kommission identifizierten Rechtsakte gegründet sein soll, nähere Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 erfordert.

85

Die folgenden Erwägungen lassen sich aus der oben in Rn. 77 angeführten Definition der Beihilferegelung nach Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung ableiten.

86

Erstens müssen sich, soweit die Einzelbeihilfen ohne nähere Durchführungsmaßnahmen gewährt werden, die wesentlichen Elemente der fraglichen Beihilferegelung zwangsläufig aus den Bestimmungen ergeben, die als Grundlage dieser Regelung identifiziert wurden.

87

Zweitens dürfen die nationalen Behörden, wenn sie diese Regelung anwenden, über keinen Ermessensspielraum hinsichtlich der Bestimmung der wesentlichen Elemente der fraglichen Beihilfe und hinsichtlich der Zweckmäßigkeit ihrer Gewährung verfügen. Damit nämlich das Vorliegen solcher Durchführungsmaßnahmen ausgeschlossen ist, müsste sich die Befugnis der nationalen Behörden auf eine technische Anwendung der Bestimmungen, die die fragliche Regelung darstellen sollen, beschränken, gegebenenfalls nachdem sie geprüft haben, dass die Antragsteller die Voraussetzungen erfüllen, um in den Genuss dieser Regelung zu kommen.

88

Drittens ergibt sich aus Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589, dass die die Beihilferegelung begründenden Rechtsakte die Empfänger in einer allgemeinen und abstrakten Weise definieren müssen, selbst wenn die ihnen gewährte Beihilfe unbestimmt bleibt.

89

Es ist daher zu untersuchen, inwieweit die oben herausgestellten Elemente sich aus den von der Kommission identifizierten Rechtsakten ergeben, die die Grundlage der Beihilferegelung bilden, so dass die angeblichen Beihilfemaßnahmen, d. h. die Steuerbefreiungen für Gewinnüberschüsse, auf der Grundlage dieser Rechtsakte gewährt werden können, ohne dass nähere Durchführungsmaßnahmen zu treffen sind.

Zu den wesentlichen Elementen der fraglichen Beihilferegelung

90

In den Erwägungsgründen 13 bis 22 des angefochtenen Beschlusses beschreibt die Kommission die fragliche Beihilferegelung als in einer Steuerregelung für Gewinnüberschüsse bestehend und legt die Elemente dar, die im Kern die wesentlichen Elemente für die Gewährung dieser Regelung darstellen, die im 102. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiederholt werden. Erstens wird der Umstand berücksichtigt, dass es sich bei den betreffenden belgischen Unternehmen um Unternehmen handelt, die einem multinationalen Konzern angehören. Zweitens wird die Erlangung eines Vorbescheids bei der Behörde für Steuervorbescheide berücksichtigt, der mit einer neuen Situation zusammenhängt, wie einer Neuorganisation, die zu einer Neuansiedlung des Hauptunternehmens in Belgien führt, oder der Schaffung von Arbeitsplätzen oder Investitionen. Drittens wird das Vorliegen von Gewinnen herangezogen, die die Gewinne übersteigen, die von vergleichbaren eigenständigen Unternehmen unter ähnlichen Umständen erwirtschaftet worden wären. Viertens wird hingegen nicht das Vorliegen einer positiven Primärberichtigung in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt.

91

Insoweit ist zu prüfen, ob sich die oben genannten wesentlichen Elemente der angeblichen Beihilferegelung aus den Rechtsakten ergeben, von denen die Kommission feststellte, dass sie die Grundlage des Systems der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse bildeten.

92

Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 101 und 139 des angefochtenen Beschlusses darlegte, dass die wesentlichen Elemente der angeblichen Beihilfen anhand der Prüfung einer Stichprobe der Steuervorbescheide festgestellt worden seien. Somit hat die Kommission selbst eingeräumt, dass sich diese wesentlichen Elemente nicht aus den Rechtsakten ergaben, auf denen ihrer Ansicht nach die Regelung beruhte, sondern aus den Steuervorbescheiden selbst oder vielmehr einer Stichprobe davon.

93

Jedenfalls können sich zwar einige der von der Kommission festgestellten wesentlichen Elemente der Regelung aus den Rechtsakten ergeben, die in den Erwägungsgründen 97 bis 99 des angefochtenen Beschlusses identifiziert wurden, jedoch ist das nicht für alle diese wesentlichen Elemente der Fall.

94

Wie nämlich das Königreich Belgien und Magnetrol International zu Recht geltend machen, ergeben sich weder die Methode zur Berechnung der Gewinnüberschüsse in zwei Stufen, noch das Erfordernis von Investitionen, der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Zentralisierung oder der Zunahme der Geschäftstätigkeiten in Belgien – auch nicht implizit – aus den Rechtsakten, von denen die Kommission in den Erwägungsgründen 97 bis 99 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass sie die Grundlage der fraglichen Regelung bildeten. Wenn jedoch diese Punkte, die nach Ansicht der Kommission selbst Teil der wesentlichen Elemente der angeblichen Beihilferegelung sind, nicht in den Rechtsakten enthalten sind, die die Grundlage dieser Regelung bilden sollen, würden die Durchführung dieser Rechtsakte und daher die Gewährung der angeblichen Beihilfen zwangsläufig vom Erlass näherer Durchführungsmaßnahmen abhängen, so dass es sich nicht um eine Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 handeln kann.

95

Zum einen führen die in den Erwägungsgründen 97 bis 99 des angefochtenen Beschlusses identifizierten Rechtsakte, die oben in Rn. 80 wiedergegeben wurden, die zweistufige Methode, die die TNMM für die Berechnung der Gewinnüberschüsse umfasst, nicht an. Aus dem angefochtenen Beschluss, insbesondere seinem Abschnitt 6.3.2 (Erwägungsgründe 133, 144 und 152 bis 168 dieses Beschlusses), ergibt sich jedoch, dass diese Methode systematisch angewendet wurde und ein wesentliches Element der Regelung darstellt, da gerade die Anwendung dieser Methode diese Regelung selektiv macht.

96

Folglich ist, ohne der Frage vorzugreifen, ob die Ermittlung der Gewinnüberschüsse nach der zweistufigen Methode, die im angefochtenen Beschluss dargelegt wird, zu einem selektiven Vorteil führen könnte, festzustellen, dass sich dieses tragende Element der fraglichen Regelung jedoch nicht aus den dieser Regelung zugrunde liegenden Rechtsakten ergibt und daher nicht ohne nähere Durchführungsmaßnahmen angewandt werden kann.

97

Zum anderen ist in Bezug auf die Investitionen, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Zentralisierung oder die Zunahme der Geschäftstätigkeiten der Antragsteller von Steuervorbescheiden in Belgien festzustellen, dass die Kommission in Abschnitt 6.3.2.1 des angefochtenen Beschlusses ausführte, dass zwar diese Elemente nicht als Bedingungen für die Gewährung der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse auf der Grundlage von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 aufgelistet würden, sie aber wesentlich seien, um einen Steuervorbescheid zu erhalten, was für die Gewährung der fraglichen Steuerbefreiung vorgeschrieben gewesen sei.

98

Wie die Kommission jedoch, insbesondere im 139. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, selbst einräumt, gehen diese Elemente nicht aus den Rechtsakten hervor, auf die sich die fragliche Regelung gründet, sondern aus den Steuervorbescheiden selbst, nach der von ihr geprüften Stichprobe. Wenn folglich, wie das Königreich Belgien und Magnetrol International zu Recht vortragen, solche Elemente nicht aus den Rechtsakten hervorgehen, die nach Ansicht der Kommission die Grundlage der Beihilferegelung bilden, müssen diese Akte zwangsläufig Gegenstand näherer Durchführungsmaßnahmen sein. Wenn nämlich, wie die Kommission geltend macht, solche Investitionen von den belgischen Steuerbehörden für die Gewährung der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse berücksichtigt werden, würde eine solche Berücksichtigung zwangsläufig die Vornahme einer Prüfung und einer spezifischen Bewertung dieser von den betreffenden belgischen Unternehmen vorgeschlagenen Investitionen, insbesondere in Bezug auf ihre Natur, ihre Höhe oder anderer Merkmale ihrer Durchführung, implizieren. Eine solche Prüfung könnte jedoch nur im Einzelfall erfolgen und würde daher nähere Durchführungsmaßnahmen erfordern.

Zum Ermessensspielraum der belgischen Steuerbehörden

99

Wie die Kommission im 100. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausführte, impliziert das Vorliegen näherer Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 die Ausübung eines Ermessens seitens der die fraglichen Maßnahmen bewilligenden Steuerbehörde, durch das sie die Merkmale, den Betrag oder die Bedingungen für die Bewilligung der Beihilfen beeinflussen kann. Die Kommission ist dagegen der Ansicht, dass die bloße technische Anwendung des Rechtsakts zur Gewährung der fraglichen Beihilfen keine Durchführungsmaßnahme im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 darstelle.

100

Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein Antrag auf vorherige Bewilligung bei den zuständigen Steuerbehörden zu stellen ist, um in den Genuss einer Beihilfe zu kommen, nicht bedeutet, dass diese Behörden über ein Ermessen verfügen, wenn sie sich darauf beschränken, zu prüfen, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Beihilfe erfüllt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, C‑519/07 P, EU:C:2009:556, Rn. 57).

101

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Nichtbesteuerung der Gewinnüberschüsse von der Erlangung eines Steuervorbescheids abhängt. Insoweit ist an den Wortlaut von Art. 20 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 zu erinnern, wonach unter dem Vorbescheid der Rechtsakt zu verstehen ist, durch den der Föderale Öffentliche Dienst Finanzen nach den geltenden Vorschriften entscheidet, wie das Gesetz in einer bestimmten Situation oder auf ein bestimmtes Geschäft, die noch keine steuerliche Wirkung hatten, anwendbar ist.

102

Es ist daher zu prüfen, ob dieser Dienst beim Erlass dieser Steuervorbescheide über ein Ermessen verfügte, das es ihm ermöglichte, die Höhe, die wesentlichen Elemente und die Bedingungen, unter denen die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse gewährt wurde, zu beeinflussen.

103

Erstens ergibt sich aus der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004 zur Änderung des CIR 92 (wie oben in Rn. 7 zusammengefasst) und dem Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 (wie oben in den Rn. 9 bis 11 beschrieben), dass die in Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 vorgesehene negative Berichtigung im Einzelfall auf der Grundlage verfügbarer Informationen zu erfolgen hat, die insbesondere vom Steuerpflichtigen vorgelegt werden. Außerdem wird dargelegt, dass für diese Berichtigung kein Kriterium festgelegt werden könne, da sie im Einzelfall zu erfolgen habe. Allerdings wird klargestellt, dass eine korrespondierende Berichtigung nur vorzunehmen sei, wenn die Steuerverwaltung oder die Behörde für Steuervorbescheide der Auffassung sei, dass die Berichtigung dem Grundsatz und der Höhe nach gerechtfertigt sei. Überdies beschränken sich die Antworten des Ministers für Finanzen auf parlamentarische Anfragen betreffend die Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 (wie oben in den Rn. 12 bis 14 zusammengefasst) darauf, allgemein den Standpunkt der belgischen Steuerverwaltung in Bezug auf die Gewinnüberschüsse und den Fremdvergleichsgrundsatz darzulegen.

104

Aus den oben in Rn. 103 angeführten Rechtsakten kann insgesamt abgeleitet werden, dass die belgischen Steuerbehörden, wenn sie Steuervorbescheide über die Gewinnüberschüsse erließen, keine technische Anwendung des anwendbaren Rechtsrahmens vornahmen, sondern vielmehr „im Einzelfall“ eine qualitative und quantitative Beurteilung jedes Antrags auf der Grundlage der vom betreffenden Unternehmen vorgelegten Berichte und Beweismittel durchführten, um zu entscheiden, ob die Gewährung der in Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 vorgesehenen negativen Berichtigung gerechtfertigt war. Folglich musste, entgegen der von der Kommission insbesondere im 106. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses vertretenen Auffassung und in Ermangelung weiterer Anweisungen, die die Entscheidungsbefugnis der belgischen Steuerverwaltung begrenzten, diese zwangsläufig über ein tatsächliches Ermessen verfügen, wenn sie entschied, dass solche negativen Berichtigungen zu gewähren seien.

105

Zweitens sieht, wie in der vorstehenden Rn. 73 dargelegt, Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 eine negative Berichtigung der Gewinne einer Gesellschaft nur vor, wenn diese bei den Gewinnen einer anderen Gesellschaft aufgeführt sind. In der Praxis, wie sie insbesondere durch das Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und die Antworten des Ministers für Finanzen auf die parlamentarischen Anfragen zur Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 erläutert wurde, wurde jedoch die negative Berichtigung von der Behörde für Steuervorbescheide vorgenommen, ohne dass die Frage beantwortet worden wäre, welchen ausländischen Gesellschaften der Mehrgewinn zuzurechnen sei.

106

Außerdem ergibt sich aus den Erwägungsgründen 67 und 68 des angefochtenen Beschlusses, dass die beanstandete Regelung nicht alle Steuervorbescheide betrifft, die auf der Grundlage von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 erlassen wurden. Es soll sich lediglich um Steuervorbescheide handeln, die negative Berichtigungen gewähren, ohne dass die Verwaltung geprüft hat, ob die betroffenen Gewinne den Gewinnen einer anderen Konzerngesellschaft mit Sitz in einem anderen Steuergebiet zugerechnet wurden. Hingegen sollen die Steuervorbescheide, die nach dem Wortlaut von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 eine negative Berichtigung gewähren, die der positiven Berichtigung der steuerpflichtigen Gewinne einer anderen Konzerngesellschaft mit Sitz in einem anderen Steuergebiet entspricht, nicht Teil der beanstandeten Beihilferegelung sein.

107

Folglich kann, wie das Königreich Belgien und Magnetrol International zu Recht geltend machen, wenn die belgische Steuerverwaltung auf der Grundlage derselben Bestimmung sowohl Bescheide erlassen kann, die nach Ansicht der Kommission staatliche Beihilfen gewähren, als auch Bescheide, die keine solchen Beihilfen gewähren, vernünftigerweise nicht behauptet werden, dass die Rolle dieser Verwaltung sich auf eine technische Anwendung der fraglichen Regelung beschränke.

108

Drittens ist auf der Grundlage der Informationen, die das Königreich Belgien der Kommission zur Funktionsweise der Behörde für Steuervorbescheide vorgelegt hat, zu prüfen, wie diese Behörde im Rahmen ihrer individuellen Prüfung der Anträge auf Steuervorbescheide ermittelte, ob eine Situation vorlag, die zu Gewinnüberschüssen führte, ob eine negative Berichtigung nach Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 vorzunehmen war und welches die Merkmale, der Betrag oder die Bedingungen für eine solche Berichtigung wären.

109

Zu den Merkmalen und den Bedingungen, unter denen die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse gewährt wird, genügt der Hinweis auf die Ausführungen oben in den Rn. 90 bis 98, wonach sich bestimmte wesentliche Elemente der angeblichen Beihilferegelung nicht aus den Rechtsakten ergeben, die nach Auffassung der Kommission deren Grundlage bilden.

110

Was die Höhe der Steuerbefreiung anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass der Prozentsatz des Gewinns, der als Überschuss angesehen wird, in den Rechtsakten, auf die sich die angebliche Beihilferegelung gründet, nicht definiert ist. Es kann nämlich aus diesen Rechtsakten weder ein spezifischer Prozentsatz noch eine Bandbreite, nicht einmal eine Obergrenze, abgeleitet werden, und kein konkretes Element, das die anzuwendende Berechnungsmethode bestimmen würde, wird angegeben. Im Gegenteil geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor (103. Erwägungsgrund dieses Beschlusses), dass die individuellen Tatsachen, die betroffenen Beträge und die zu berücksichtigenden Transaktionen bei jedem Steuervorbescheid unterschiedlich sind. Auch die Beschreibung der Mehrgewinne im 15. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zeigt, dass ihre Bestimmung eine Einzelfallbeurteilung der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Berichte erfordert, und zwar in einem ersten Schritt in Bezug auf den verbleibenden Gewinn der Gesellschaft aus ihren Transaktionen mit demselben Konzern zugehörigen Gesellschaften und in einem zweiten Schritt in Bezug auf die aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Konzern erwirtschafteten Gewinnüberschüsse, die vom verbleibenden Gewinn, wie er in der ersten Stufe berechnet wurde, abgezogen werden.

111

Insbesondere sind, wie das Königreich Belgien und Magnetrol International zu Recht vorbringen, die Parameter für die Berechnung der Gewinnüberschüsse sowie die erforderlichen Angaben für die Berücksichtigung der Synergien, der Investitionen, der Zentralisierung der Geschäftstätigkeiten und der Schaffung von Arbeitsplätzen in Belgien beim Erlass der Steuervorbescheide in den Rechtsakten, die nach Ansicht der Kommission die Grundlage der beanstandeten Regelung bilden, nicht vorgesehen. Es ist daher die Behörde für Steuervorbescheide, die zum einen die wesentlichen Elemente festlegte, die verlangt wurden, um eine negative Berichtigung zu erhalten, und die zum anderen prüfte, ob dieses Erfordernis in den Fällen, in denen sie diese Berichtigung gewährte, erfüllt war. Es kann daher nicht geltend gemacht werden, dass sich das Ermessen der belgischen Steuerbehörden auf eine bloße technische Anwendung der im 99. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses identifizierten Bestimmungen beschränkte.

112

Viertens ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren vor der Behörde für Steuervorbescheide eine Vorprüfungsphase umfasst, in der der Antrag auf Vorbescheid geprüft wird und nach der nur ein Teil der Anträge offiziell berücksichtigt wird. Aus den vom Königreich Belgien angeführten Jahresberichten der Behörde für Steuervorbescheide, insbesondere demjenigen für das Jahr 2014, geht nämlich hervor, dass nur rund 50 % der Akten, die in der Phase der Voranmeldung eröffnet werden, zu einem Vorbescheid führen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Behörde für Steuervorbescheide, entgegen dem Vorbringen der Kommission, über ein Ermessen verfügt, das sie tatsächlich ausübt, wenn sie, auch im Stadium der Voranmeldung, den Anträgen betreffend die Gewinnüberschüsse stattgibt oder diese ablehnt.

113

Schließlich ist festzustellen, dass die Kommission im 106. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hinweist, dass die Behörde für Steuervorbescheide über ein begrenztes Ermessen verfügt, um den genauen Satz der negativen Berichtigung festzulegen. Es ergibt sich jedoch aus den Erwägungen in den vorstehenden Rn. 101 bis 112, dass die belgischen Steuerbehörden im vorliegenden Fall über ein Ermessen in Bezug auf alle wesentlichen Elemente der angeblichen Beihilferegelung verfügten.

Zur Definition der Begünstigten

114

Zur Definition der Begünstigten ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 109. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 verweist. Dieser Artikel, dessen Wortlaut oben in Rn. 8 wiedergegeben ist, sieht vor, dass er für Unternehmen, die einem multinationalen Konzern angehören, in Bezug auf deren gegenseitige grenzüberschreitende Beziehungen gilt.

115

Zwar könnte man die Ansicht vertreten, dass Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92 eine allgemeine und abstrakte Kategorie von Unternehmen, nämlich die Unternehmen, die einem multinationalen Konzern angehören, im Rahmen ihrer gegenseitigen grenzüberschreitenden Beziehungen betrifft. Die Begünstigten der Regelung, wie sie im angefochtenen Beschluss beschrieben sind, können jedoch nicht allein auf der Grundlage dieser Bestimmung ohne nähere Durchführungsmaßnahmen ermittelt werden.

116

Im vorliegenden Fall entsprechen nämlich die Begünstigten der Regelung, wie sie von der Kommission festgestellt wurde, einer viel spezielleren Kategorie, als derjenigen der im Rahmen ihrer gegenseitigen grenzüberschreitenden Beziehungen zu einem multinationalen Konzern gehörenden Unternehmen. Nach den Feststellungen der Kommission zu den wesentlichen Elementen der beanstandeten Beihilferegelung u. a. im 102. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses würde diese Regelung für einem multinationalen Konzern angehörenden Unternehmen gelten, die auf der Grundlage von Berichten über Verrechnungspreise und über das Vorliegen von mittels dieser Berichte berechneten Gewinnüberschüssen die Befreiung dieser Überschüsse mit dem Antrag auf einen Vorbescheid geltend machen und die darüber hinaus Investitionen durchführen, Arbeitsplätze schaffen oder Geschäftstätigkeiten in Belgien zentralisieren.

117

Des Weiteren ist festzustellen, dass die anderen von der Kommission identifizierten Rechtsakte, die die Grundlage der Beihilferegelung bilden, keine zusätzlichen Einzelheiten hinsichtlich der Definition der Begünstigten der fraglichen Regelung enthalten.

118

Speziell das Gesetz vom 24. Dezember 2002 sieht, soweit es in seinem Art. 20 das Erfordernis einer bestimmten Situation oder eines bestimmten Geschäfts, die noch keine steuerliche Wirkung hatten, vorsieht, keine Bestimmungen über die Definition der Begünstigten der angeblichen Beihilferegelung vor. Auch das Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und die Antworten des Ministers für Finanzen vom 13. April 2005, 11. April 2007 und 6. Januar 2015 enthalten inhaltlich keine näheren Ausführungen zu den Begünstigten der angeblichen Beihilferegelung. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsakte nach 2004, dem Jahr, seit dem laut der Kommission die fragliche Regelung angewendet wurde, erlassen wurden.

119

Folglich kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Begünstigten der angeblichen Beihilferegelung in einer allgemeinen und abstrakten Weise durch die von der Kommission identifizierten Rechtsakte, die die Grundlage der Beihilferegelung bilden, definiert werden. Eine solche Definition hat daher zwangsläufig durch nähere Durchführungsmaßnahmen zu erfolgen.

120

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission zu Unrecht zu dem Schluss gelangt ist, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, wie sie sie im angefochtenen Beschluss definiert hat, keine näheren Durchführungsmaßnahmen erfordere und daher eine Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 darstelle.

Zum Vorliegen eines systematischen Konzepts

121

Die Schlussfolgerung oben in Rn. 120 kann durch das Vorbringen der Kommission zum Vorliegen eines systematischen Konzepts, das sie durch die Prüfung einer Stichprobe von 22 Steuervorbescheiden von den 66 bestehenden Bescheiden festgestellt habe, nicht in Frage gestellt werden.

122

Es ist nämlich auf die oben in Rn. 79 angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach sich die Kommission im Rahmen der Prüfung einer Beihilferegelung bei fehlender Identifizierung eines Rechtsakts, der eine Beihilferegelung einführt, gleichwohl auf Umstände stützen kann, die in ihrer Gesamtheit darauf schließen lassen, dass der Sache nach eine Beihilferegelung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. April 1994, Deutschland und Pleuger Worthington/Kommission, C‑324/90 und C‑342/90, EU:C:1994:129, Rn. 14 und 15).

123

Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission das Vorliegen einer Beihilferegelung feststellen kann, wenn sie ein systematisches Konzept, dessen Merkmale den Anforderungen von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 entsprechen, rechtlich hinreichend nachweisen kann.

124

Die Kommission konnte allerdings nicht nachweisen, dass das Konzept, das sie festgestellt hatte, den Anforderungen von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 entsprach.

125

Zum Vorbringen der Kommission, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, wonach ein solches systematisches Konzept die Grundlage der Beihilferegelung darstellen könnte, genügt erstens der Hinweis, dass es sich nicht um die Grundlage der Regelung handelt, die im angefochtenen Beschluss festgestellt wurde. Wie nämlich oben in Rn. 80 ausgeführt, legte die Kommission in den Erwägungsgründen 97 bis 99 des angefochtenen Beschlusses dar, dass Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92, wie er von der belgischen Steuerverwaltung angewandt werde, die Grundlage für die in Rede stehende angebliche Beihilferegelung darstelle und dass eine solche Anwendung aus der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, dem Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 und den Antworten des Ministers für Finanzen auf die parlamentarischen Anfragen zur Anwendung dieses Artikels abgeleitet werden könne.

126

Selbst wenn das Vorbringen der Kommission dahin zu verstehen wäre, dass die wesentlichen Elemente der Beihilferegelung aus einem systematischen Konzept hervorgingen, das sich wiederum aus der Stichprobe der von ihr geprüften angefochtenen Bescheide ergebe, ist zweitens festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss das Vorliegen eines solchen systematischen Konzepts nicht rechtlich hinreichend nachweisen konnte.

127

Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 65 und 103 des angefochtenen Beschlusses einräumt, dass sie eine Stichprobe von 22 Steuervorbescheiden von den 66 betroffenen geprüft habe. Wie jedoch das Königreich Belgien und Magnetrol International zu Recht geltend machen, legte die Kommission im angefochtenen Beschluss weder die Auswahl dieser Stichprobe noch die Gründe, aus denen diese Stichprobe als repräsentativ für die Gesamtheit der Steuervorbescheide betrachtet werde, näher dar. Insbesondere in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts, die auch Gegenstand von Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung war, hat die Kommission ausgeführt, dass sie die Steuervorbescheide angefordert habe, die in den Jahren 2005 (da 2004 kein Bescheid erlassen worden sei), 2007, 2010 und 2013 erlassen worden seien, um mit ihrer Prüfung die Bescheide abzudecken, die zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Zeitraums, in dem die Behörde für Steuervorbescheide solche Entscheidungen getroffen habe, erlassen worden seien.

128

Darüber hinaus enthält der angefochtene Beschluss in den Erwägungsgründen 62 bis 64 und in Fn. 80 Bezugnahmen auf sechs von den 66 betroffenen Steuervorbescheiden, die summarisch beschrieben und als Beispiele zur Veranschaulichung aller Steuervorbescheide eingestuft wurden. Jedoch enthält der angefochtene Beschluss keine näheren Angaben zu den Gründen, aus denen diese sechs Beispiele ausgewählt wurden, diese geprüften Steuervorbescheide eine hinreichend repräsentative Grundlage für alle 66 Steuervorbescheide darstellen und diese sechs Beispiele ausreichen, um darauf die Feststellung der Kommission zum Vorliegen eines systematischen Konzepts der belgischen Steuerbehörden zu gründen.

129

Sodann ist auf die oben in den Rn. 103 bis 112 angestellten Erwägungen hinzuweisen, wonach die belgischen Steuerbehörden jeden Antrag im Einzelfall prüften und über ein Ermessen verfügten, das weit über eine bloße technische Anwendung der im 99. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses identifizierten Bestimmungen hinausging, als sie jeden Steuervorbescheid nach dieser Prüfung erließen, was für sich genommen den systematischen Charakter des von den belgischen Steuerbehörden angeblich verfolgten Konzepts widerlegt. Zudem wird das Vorliegen eines systematischen Konzepts durch die oben in Rn. 98 getroffene Feststellung zu den näheren Durchführungsmaßnahmen in Frage gestellt, die erforderlich sind, um das im vorliegenden Fall beanstandete System betreffend die Gewinnüberschüsse umzusetzen.

130

Schließlich machen das Königreich Belgien und Magnetrol International geltend, dass mehrere Steuervorbescheide die wesentlichen Elemente der angeblichen Beihilferegelung, die die Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellt habe, nicht übernähmen, insbesondere weil sie nicht alle die Rolle des Hauptunternehmens beträfen, wie sie von der Kommission berücksichtigt worden sei, weil eine Zentralisierung oder Rezentralisierung von Geschäftstätigkeiten nicht in allen Fällen erfolgt sei und weil die Berechnung der Gewinnüberschüsse im Einzelfall und nicht immer nach der von der Kommission gerügten zweistufigen Methode der Berechnung erfolgt sei.

131

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die oben in den Rn. 127 und 128 festgestellten Mängel nicht durch zusätzliche Informationen, die die Kommission auf die oben in Rn. 49 angeführten Fragen des Gerichts betreffend die Stichprobe der von ihr geprüften Steuervorbescheide dargelegt hat, behoben werden können. Das Gericht kann sich nämlich bei der Zurückweisung eines vor ihm geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht auf im angefochtenen Beschluss nicht zu findende Gründe stützen, ohne die Grenzen der Rechtmäßigkeitskontrolle dieses Beschlusses zu überschreiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2016, Irland und Aughinish Alumina/Kommission, T‑50/06 RENV II und T‑69/06 RENV II, EU:T:2016:227, Rn. 145).

132

Wie das Königreich Belgien und Magnetrol International zu Recht geltend machen, geht aus den zusätzlichen Informationen, die die Kommission auf die Fragen des Gerichts vorgelegt hat, jedenfalls hervor, dass die Steuervorbescheide, die Teil der von der Kommission geprüften Stichprobe waren, individuelle Antworten anführen, die die belgischen Steuerbehörden auf unterschiedliche ihnen vorgelegte Sachverhalte gaben. Die zu den 22 Bescheiden vorgelegten Informationen zeigen nämlich, dass diese Bescheide im Rahmen unterschiedlicher Sachverhalte, wie der Verschmelzung oder der Umstrukturierung der Produktionstätigkeiten, dem Bau neuer Anlagen, der Zunahme der Produktionskapazitäten bestehender Anlagen oder der Internalisierung von Versorgungstätigkeiten erlassen wurden. Entgegen den im 15. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffenen Feststellungen und den Ausführungen der Kommission zum Nachweis, dass die beanstandete angebliche Beihilferegelung den Begünstigten einen selektiven Vorteil gewähre (Nr. 6.3.2.2 des angefochtenen Beschlusses), betreffen die Steuervorbescheide, die Teil der geprüften Stichprobe sind, daher nicht alle Situationen, in denen durch das fragliche belgische Unternehmen eine Struktur eines „Hauptunternehmens“ eingerichtet wurde.

133

Außerdem ergibt sich aus den Informationen, die von der Kommission in ihrer Antwort auf die oben in Rn. 49 angeführten Fragen des Gerichts vorgelegt wurden, dass der zweistufige Ansatz für die Berechnung der Gewinnüberschüsse, den die Kommission als eines der wesentlichen Elemente der angeblichen Beihilferegelung angesehen hat und wie er von ihr im 15. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses beschrieben wurde, der insbesondere die Nutzung von Berichten bei Verrechnungspreisen und die TNMM implizierte, nicht systematisch verfolgt wurde.

134

Folglich vermag – neben den oben in den Rn. 127 und 128 festgestellten Mängeln, die das Vorbringen zum Vorliegen eines systematischen Konzepts der belgischen Steuerbehörden widerlegen würden, – die Stichprobe, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss bezieht, nicht zwangsläufig nachzuweisen, dass ein solches systematisches Konzept tatsächlich bestand und dass diesem in allen Steuervorbescheiden gefolgt wurde.

Schlussfolgerung zur Einstufung der beanstandeten Maßnahmen als Beihilferegelung

135

Nach alledem hat die Kommission zu Unrecht festgestellt, dass das in Rede stehende belgische System betreffend die Gewinnüberschüsse, wie es im angefochtenen Beschluss beschrieben ist, eine Beihilferegelung darstellte.

136

Folglich greifen die Klagegründe des Königreichs Belgien und von Magnetrol International betreffend einen Verstoß gegen Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 in Bezug auf die Feststellung im angefochtenen Beschluss zum Vorliegen einer Beihilferegelung durch. Somit ist der angefochtene Beschluss, ohne dass die anderen gegen ihn vorgetragenen Klagegründe geprüft zu werden brauchten, insgesamt für nichtig zu erklären, weil er auf der fehlerhaften Feststellung betreffend das Vorliegen einer solchen Regelung beruht.

Kosten

137

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr außer ihren eigenen Kosten die Kosten des Königreichs Belgien, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, und von Magnetrol International gemäß deren Antrag aufzuerlegen.

138

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Irland trägt daher seine eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Rechtssachen T‑131/16 und T‑263/16 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

 

2.

Der Beschluss (EU) 2016/1699 der Kommission vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) wird für nichtig erklärt.

 

3.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten des Königreichs Belgien, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, sowie die Kosten von Magnetrol International.

 

4.

Irland trägt seine eigenen Kosten.

 

Van der Woude

Tomljenović

Bieliūnas

Marcoulli

Kornezov

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Februar 2019.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

Rechtlicher Rahmen

 

Zum Code des impôts sur les revenus 1992

 

Zum Gesetz vom 24. Dezember 2002

 

Zum Gesetz vom 21. Juni 2004 zur Änderung des CIR 92

 

– Begründung

 

– Art. 185 Abs. 2 des CIR 92

 

Zum Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006

 

Zu den Antworten des Finanzministers auf parlamentarische Anfragen betreffend die Anwendung von Art. 185 Abs. 2 Buchst. b des CIR 92

 

Angefochtener Beschluss

 

Verfahren und Anträge

 

Verfahren und Anträge der Parteien in der Rechtssache T‑131/16

 

Verfahren und Anträge der Parteien in der Rechtssache T‑263/16

 

Rechtliche Würdigung

 

Vorbemerkungen

 

Zum angeblichen Eingriff der Kommission in die ausschließliche Zuständigkeit des Königreichs Belgien im Bereich der direkten Steuern

 

Zum Vorliegen einer Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589

 

Zu den wesentlichen Elementen der fraglichen Beihilferegelung

 

Zum Ermessensspielraum der belgischen Steuerbehörden

 

Zur Definition der Begünstigten

 

Zum Vorliegen eines systematischen Konzepts

 

Schlussfolgerung zur Einstufung der beanstandeten Maßnahmen als Beihilferegelung

 

Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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