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Document 62016CJ0516

Urteil des Gerichtshofs (Siebte Kammer) vom 20. Dezember 2017.
Erzeugerorganisation Tiefkühlgemüse eGen gegen Agrarmarkt Austria.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Operationelles Programm im Sektor Obst und Gemüse – Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 361/2008 geänderten Fassung – Art. 103b, 103d und 103g – Finanzielle Beihilfe der Europäischen Union – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 – Art. 60 und Anhang IX Nr. 23 – Investitionen, die in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation stattfinden – Begriff – Berechtigtes Vertrauen – Rechtssicherheit.
Rechtssache C-516/16.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:1011

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

20. Dezember 2017 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Operationelles Programm im Sektor Obst und Gemüse – Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 361/2008 geänderten Fassung – Art. 103b, 103d und 103g – Finanzielle Beihilfe der Europäischen Union – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 – Art. 60 und Anhang IX Nr. 23 – Investitionen, die in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation stattfinden – Begriff – Berechtigtes Vertrauen – Rechtssicherheit“

In der Rechtssache C‑516/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 27. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2016, in dem Verfahren

Erzeugerorganisation Tiefkühlgemüse eGen

gegen

Agrarmarkt Austria

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Campos Sánchez‑Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Erzeugerorganisation Tiefkühlgemüse eGen, vertreten durch Rechtsanwalt G. Burgstaller,

der Agrarmarkt Austria, vertreten durch R. Leutner als Bevollmächtigten,

der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers, K. Skelly und A. Lewis als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 103c, Art. 103d Abs. 2 und Anhang I Teile IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. 2007, L 299, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 361/2008 des Rates vom 14. April 2008 (ABl. 2008, L 121, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1234/2007), der Art. 65, 66 und 69 der Verordnung (EG) Nr. 1580/2007 der Kommission vom 21. Dezember 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu den Verordnungen (EG) Nr. 2200/96, (EG) Nr. 2201/96 und (EG) Nr. 1182/2007 des Rates im Sektor Obst und Gemüse (ABl. 2007, L 350, S. 1), von Art. 51 Abs. 7 und der Art. 64, 65 und 68 bis 70 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1234/2007 für die Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (ABl. 2011, L 157, S. 1) sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es betrifft zudem die Auslegung und die Gültigkeit von Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011, die Gültigkeit von Art. 21 Abs. 1 Buchst. i und Art. 52 Abs. 6 Buchst. a der Verordnung Nr. 1580/2007 sowie die Gültigkeit von Art. 50 Abs. 3 Buchst. d und Art. 60 Abs. 7 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Erzeugerorganisation Tiefkühlgemüse eGen (im Folgenden: ETG) und der Agrarmarkt Austria (im Folgenden: AMA), einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die u. a. als Zahlstelle fungiert, wegen eines Bescheids, mit dem die AMA festgestellt hat, dass für eine Investition der ETG keine Beihilfe der Europäischen Union gewährt werden kann, und es folglich abgelehnt hat, die für diese Investition beantragte Beihilfe für das Jahr 2014 zu zahlen, und die Rückzahlung der hierfür bereits erhaltenen Beihilfe angeordnet hat.

Unionsrecht

Verordnung Nr. 1234/2007

3

Titel I des Teils II der Verordnung Nr. 1234/2007 betrifft die Marktintervention. Kapitel IV dieses Titels behandelt die Beihilferegelungen, wobei der in diesem Kapitel enthaltene Abschnitt IVa, der durch die Verordnung Nr. 361/2008 in die Verordnung Nr. 1234/2007 eingefügt wurde, Beihilfen im Sektor Obst und Gemüse betrifft. Unterabschnitt II („Betriebsfonds und operationelle Programme“) des Abschnitts IVa enthält die Art. 103b bis 103h der Verordnung Nr. 1234/2007.

4

Art. 103b („Betriebsfonds“) der Verordnung Nr. 1234/2007 bestimmt:

„(1)   Die Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse können einen Betriebsfonds einrichten. Diese Fonds werden wie folgt finanziert:

a)

Finanzbeiträge der Mitglieder oder der Erzeugerorganisation selbst,

b)

finanzielle Beihilfe der [Union], die Erzeugerorganisationen gewährt werden kann.

(2)   Die Betriebsfonds dienen ausschließlich zur Finanzierung der von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 103g genehmigten operationellen Programme.“

5

Art. 103c („Operationelle Programme“) der Verordnung Nr. 1234/2007 bestimmt in Abs. 1:

„Die operationellen Programme im Sektor Obst und Gemüse müssen zwei oder mehrere der in Artikel 122 Buchstabe c genannten Ziele oder der folgenden Ziele verfolgen:

a)

die Planung der Produktion,

b)

die Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse,

c)

die Förderung ihrer Vermarktung,

d)

die Förderung des Absatzes der Erzeugnisse, in frischer oder verarbeiteter Form,

e)

Umweltmaßnahmen und Methoden der umweltfreundlichen Produktion, einschließlich des ökologischen Landbaus,

...“

6

Art. 103d („Finanzielle Beihilfe der [Union]“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Die finanzielle Beihilfe der [Union] ist gleich der Höhe der tatsächlich entrichteten Finanzbeiträge gemäß Artikel 103b Absatz 1 Buchstabe a, beträgt aber höchstens 50 % des Betrages der tatsächlichen Ausgaben.

(2)   Für die finanzielle Beihilfe der [Union] gilt jedoch eine Obergrenze von 4,1 % des Wertes der vermarkteten Erzeugung jeder Erzeugerorganisation.

Dieser Prozentsatz kann jedoch auf 4,6 % … erhöht werden, sofern der den Satz von 4,1 % … übersteigende Betrag ausschließlich für Krisenpräventions- und ‑managementmaßnahmen verwendet wird.

...“

7

Art. 103g („Genehmigung der operationellen Programme“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)   Der Entwurf des operationellen Programms wird den zuständigen nationalen Behörden vorgelegt, die es nach Maßgabe dieses Unterabschnitts genehmigen, ablehnen oder seine Änderung veranlassen.

(2)   Die Erzeugerorganisationen teilen dem Mitgliedstaat den voraussichtlichen Betrag des Betriebsfonds für jedes Jahr mit und fügen dazu geeignete Nachweise bei, die sich auf die Voranschläge des operationellen Programms stützen; ferner teilen sie die Ausgaben des laufenden Jahres und möglichst auch die Ausgaben der vorausgegangenen Jahre sowie erforderlichenfalls die erwarteten Produktionsmengen des kommenden Jahres mit.

(3)   Der Mitgliedstaat teilt den Erzeugerorganisationen oder den Vereinigungen von Erzeugerorganisationen den voraussichtlichen Betrag der finanziellen Beihilfe der [Union] im Rahmen der in Artikel 103d festgesetzten Grenzen mit.

(4)   Die Zahlung der finanziellen Beihilfe der [Union] erfolgt nach Maßgabe der für die Maßnahmen des operationellen Programms getätigten Ausgaben. Für die gleichen Maßnahmen können Vorschusszahlungen erfolgen, für die Kautionen zu hinterlegen oder Sicherheiten zu leisten sind.

(5)   Die Erzeugerorganisationen teilen dem Mitgliedstaat den endgültigen Betrag der Ausgaben des vorangegangenen Jahres mit und fügen die erforderlichen Nachweise bei, so dass der Restbetrag der finanziellen Beihilfe der [Union] gezahlt werden kann.

...“

8

In Titel II („Vorschriften für die Vermarktung und die Herstellung“) von Teil II der Verordnung Nr. 1234/2007 betrifft das Kapitel II „Erzeugerorganisationen, Branchenverbände, Marktteilnehmerorganisationen“. Der in diesem Kapitel enthaltene Art. 122 („Erzeugerorganisationen“) bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erkennen Erzeugerorganisationen an, die

...

c)

ein spezifisches Ziel verfolgen, das insbesondere eine oder mehrere der folgenden Zielsetzungen einschließen kann bzw. in Bezug auf den Sektor Obst und Gemüse einschließen muss:

i)

Sicherstellung einer planvollen und insbesondere in quantitativer und qualitativer Hinsicht nachfragegerechten Erzeugung;

ii)

Bündelung des Angebots und Vermarktung der Erzeugung ihrer Mitglieder;

iii)

Optimierung der Produktionskosten und Stabilisierung der Erzeugerpreise.“

9

Anhang I der Verordnung Nr. 1234/2007 trägt die Überschrift „Liste der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Erzeugnisse“. In seinem Teil IX („Obst und Gemüse“) wird ausgeführt, dass sich diese Verordnung u. a. auf Obst und Gemüse bezieht, das unter den KN-Code ex 0709 („Anderes Gemüse, frisch oder gekühlt, ausgenommen [bestimmte Arten von Paprika, Oliven und Mais]“) fällt. Nach Teil X („Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse“) des Anhangs I bezieht sich diese Verordnung u. a. auf Erzeugnisse, die unter den KN-Code ex 0710 („Gemüse, auch in Wasser oder Dampf gekocht, gefroren, ausgenommen [bestimmte Arten von Mais, Oliven und Paprika]“) fallen.

10

Die Verordnung Nr. 1234/2007 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2014 durch die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671) aufgehoben. Die vor dem 1. Januar 2014 angenommenen Mehrjahresprogramme unterliegen jedoch gemäß Art. 231 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 bis zu ihrem Auslaufen weiter den betreffenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 1234/2007.

Verordnung Nr. 1580/2007

11

Art. 21 der Verordnung Nr. 1580/2007 enthält Begriffsbestimmungen. Sein Abs. 1 bestimmt:

„Im Sinne dieses Titels [III, betreffend Erzeugerorganisationen] sind:

...

i)

‚Erstverarbeitung‘ die Verarbeitung von Obst oder Gemüse zu einem anderen in Anhang I des [AEU-]Vertrags genannten Erzeugnis. Das Säubern, Zerteilen, Schälen, Trocknen und Verpacken frischer Erzeugnisse im Hinblick auf die Vermarktung werden dabei nicht als Erstverarbeitung angesehen;

...“

12

Kapitel II des Titels III trägt die Überschrift „Betriebsfonds und operationelle Programme“. Abschnitt 1 („Wert der vermarkteten Erzeugung“) dieses Kapitels umfasst die Art. 52 und 53. Art. 52 („Berechnungsgrundlage“) sieht vor:

„(1)   Der ‚Wert der vermarkteten Erzeugung‘ einer Erzeugerorganisation im Sinne dieses Kapitels berechnet sich auf der Grundlage der Erzeugung der Mitglieder einer Erzeugerorganisation, für die diese Erzeugerorganisation anerkannt ist.

...

(6)   Die vermarktete Erzeugung wird auf der Stufe ‚ab Erzeugerorganisation‘ wie folgt angerechnet:

a)

gegebenenfalls als verpacktes, aufbereitetes oder erstverarbeitetes Erzeugnis,

...“

13

Art. 52 der Verordnung Nr. 1580/2007 wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 687/2010 der Kommission vom 30. Juli 2010 (ABl. 2010, L 199, S. 12) geändert, die am 7. August 2010 in Kraft trat und mit der ein neues System für die Berechnung des Wertes der vermarkteten Erzeugung eingeführt wurde. Dieses neue Berechnungssystem wurde in Art. 50 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 übernommen.

14

Abschnitt 3 des Kapitels II der Verordnung Nr. 1580/2007, der die Art. 57 bis 68 umfasst, ist den operationellen Programmen gewidmet. Art. 61 („Inhalt der operationellen Programme und beihilfefähige Ausgaben“) bestimmt in Abs. 3 Unterabs. 3: „Investitionen oder Aktionen können in Einzelbetrieben von Mitgliedern der Erzeugerorganisation durchgeführt werden, sofern sie zur Erreichung der Ziele des operationellen Programms beitragen. Wenn ein Mitglied die Erzeugerorganisation verlässt, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Investition oder ihr Restwert wiedereingezogen wird, es sei denn, der Mitgliedstaat sieht etwas anderes vor.“ Art. 61 Abs. 4 lautet: „Die operationellen Programme dürfen keine Maßnahmen oder Ausgaben umfassen, die in der Liste in Anhang VIII aufgeführt sind.“ Nr. 22 des Anhangs VIII erfasst „Investitionen oder ähnliche Aktionen, die nicht in den Liegenschaften der Erzeugerorganisation, der Vereinigung von Erzeugerorganisationen oder einer Tochtergesellschaft … stattfinden“.

15

Die Art. 65 und 66 der Verordnung Nr. 1580/2007 tragen die Überschriften „Entscheidung“ bzw. „Änderungen der operationellen Programme für die Folgejahre“. Ihre Bestimmungen wurden im Wesentlichen unverändert in die Art. 64 und 65 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 übernommen.

16

Abschnitt 4 („Beihilfe“) des Kapitels II umfasst die Art. 69 bis 73 der Verordnung Nr. 1580/2007. Die Bestimmungen in Art. 69 („Genehmigter Beihilfebetrag“) und Art. 70 („Anträge“) wurden im Wesentlichen unverändert in die Art. 68 und 69 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 übernommen.

17

Die Verordnung Nr. 1580/2007 wurde durch die am 22. Juni 2011 in Kraft getretene Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 aufgehoben, wobei Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung als Bezugnahmen auf die Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 zu verstehen sind.

Durchführungsverordnung Nr. 543/2011

18

Der 42. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 lautet:

„Um bei einzelbetrieblichen Investitionen die ungerechtfertigte Bereicherung einer privaten Partei, die während der Nutzungsdauer der Investition ihre Beziehungen zur Erzeugerorganisation abgebrochen hat, zu verhindern, sollen Bestimmungen festgelegt werden, wonach Erzeugerorganisationen den Restwert der Investition zurückfordern können, unabhängig davon, ob ein Mitglied oder die Organisation Eigentümer der Investition ist.“

19

Kapitel II des Titels III der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 betrifft Betriebsfonds und operationelle Programme. Sein Abschnitt 1 („Wert der vermarkteten Erzeugung“) umfasst die Art. 50 und 51. In Art. 50 („Berechnungsgrundlage“) heißt es:

„(1)   Der Wert der vermarkteten Erzeugung einer Erzeugerorganisation berechnet sich auf der Grundlage der eigenen Erzeugung der Erzeugerorganisation und derjenigen der angeschlossenen Erzeuger und umfasst nur die Erzeugung von Obst und Gemüse, für die die Erzeugerorganisation anerkannt ist.

...

(3)   Der Wert der vermarkteten Erzeugung umfasst nicht den Wert von Verarbeitungserzeugnissen aus Obst und Gemüse oder von Erzeugnissen, die kein Obst oder Gemüse sind.

Der Wert der zur Verarbeitung bestimmten vermarkteten Erzeugung von Obst und Gemüse, die zu einem der Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse gemäß Anhang I Teil X der Verordnung … Nr. 1234/2007 oder einem anderen Verarbeitungserzeugnis verarbeitet worden ist, das in diesem Artikel genannt und in Anhang VI der vorliegenden Verordnung näher beschrieben ist, wird jedoch als pauschaler Prozentsatz des angerechneten Wertes dieser Verarbeitungserzeugnisse berechnet; dabei muss die Verarbeitung … durch eine Erzeugerorganisation, eine Vereinigung von Erzeugerorganisationen oder deren angeschlossenen Erzeugern … entweder von ihnen selbst oder als ausgelagerte Tätigkeiten vorgenommen werden. Dieser Pauschalsatz beläuft sich auf

...

d)

62 % für gefrorenes Obst und Gemüse,

...“

20

Art. 51 („Referenzzeitraum“) der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 bestimmt:

„(1)   Die jährliche Obergrenze der finanziellen Beihilfe gemäß Artikel 103d Absatz 2 der Verordnung … Nr. 1234/2007 wird jährlich auf der Grundlage des Wertes der Erzeugung berechnet, die während eines vom Mitgliedstaat zu bestimmenden Referenzzeitraums von zwölf Monaten vermarktetet wurde.

...

(7)   Abweichend von [Absatz] 1 … berechnet sich der Wert der vermarkteten Erzeugung für den Referenzzeitraum nach den in diesem Referenzzeitraum geltenden Rechtsvorschriften.

Für bis zum 20. Januar 2010 genehmigte operationelle Programme wird der Wert der in den Jahren bis 2007 vermarkteten Erzeugung jedoch auf der Grundlage der während des Bezugszeitraums geltenden Rechtsvorschriften berechnet, während der Wert der in den Jahren ab 2008 vermarkteten Erzeugung auf der Grundlage der 2008 geltenden Rechtsvorschriften berechnet wird.

Für nach dem 20. Januar 2010 genehmigte operationelle Programme wird der Wert der in den Jahren ab 2008 vermarkteten Erzeugung auf der Grundlage der Rechtsvorschriften berechnet, die zum Zeitpunkt der Genehmigung des operationellen Programms galten.“

21

Abschnitt 3 des Kapitels II von Titel III der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 befasst sich mit den operationellen Programmen und enthält die Art. 55 bis 67. Art. 60 („Beihilfefähigkeit von Aktionen im Rahmen operationeller Programme“) sieht vor:

„(1)   Die operationellen Programme dürfen keine Aktionen oder Ausgaben umfassen, die in der Liste in Anhang IX aufgeführt sind.

...

(6)   Investitionen oder Aktionen können in den jeweiligen Betrieben und/oder Räumlichkeiten von angeschlossenen Erzeugern der Erzeugerorganisation oder Vereinigung von Erzeugerorganisationen, einschließlich in Fällen, in denen Tätigkeiten auf Mitglieder der Erzeugerorganisation oder Vereinigung von Erzeugerorganisationen ausgelagert werden, durchgeführt werden, sofern sie zur Erreichung der Ziele des operationellen Programms beitragen. Wenn ein angeschlossener Erzeuger die Erzeugerorganisation verlässt, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Investition oder ihr Restwert wiedereingezogen wird. …

(7)   Investitionen und Aktionen im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Obst und Gemüse zu Verarbeitungserzeugnissen können beihilfefähig sein, sofern sie die Ziele gemäß Artikel 103c Absatz 1 der Verordnung … Nr. 1234/2007, einschließlich der Ziele gemäß Artikel 122 Absatz 1 Buchstabe c der genannten Verordnung, verfolgen und in der nationalen Strategie gemäß Artikel 103f Absatz 2 der Verordnung … Nr. 1234/2007 festgelegt sind.“

22

In Art. 64 („Entscheidung“) der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011, der Art. 65 der Verordnung Nr. 1580/2007 im Wesentlichen unverändert übernimmt, heißt es:

„(1)   Die zuständige Behörde des Mitgliedstaats trifft eine der folgenden Entscheidungen:

a)

sie genehmigt die Beträge des Betriebsfonds und das operationelle Programm, wenn sie die Voraussetzungen der Verordnung … Nr. 1234/2007 und dieses Kapitels erfüllen;

b)

sie genehmigt das operationelle Programm, sofern die Erzeugerorganisation bestimmte Änderungen akzeptiert, oder

c)

sie lehnt das operationelle Programm oder Teile des Programms ab.

(2)   Die zuständige Behörde des Mitgliedstaats trifft bis 15. Dezember des Jahres der Vorlage eine Entscheidung über die operationellen Programme und die Betriebsfonds.

Die Mitgliedstaaten teilen den Erzeugerorganisationen die Entscheidungen bis zum 15. Dezember mit.

In hinreichend begründeten Fällen kann die zuständige Behörde des Mitgliedstaats jedoch die Entscheidung über operationelle Programme und Betriebsfonds bis zum 20. Januar nach der Vorlage treffen. In der Genehmigungsentscheidung kann die Beihilfefähigkeit der Ausgaben ab dem 1. Januar des Jahres nach der Vorlage vorgesehen werden.“

23

Art. 65 („Änderungen der operationellen Programme für die Folgejahre“) dieser Verordnung gibt den Wortlaut von Art. 66 der Verordnung Nr. 1580/2007 im Wesentlichen unverändert wieder. Er bestimmt:

„(1)   Die Erzeugerorganisationen können jedes Jahr bis spätestens 15. September Änderungen der operationellen Programme, einschließlich in Bezug auf die Laufzeit, beantragen, die ab dem darauf folgenden 1. Januar gelten sollen.

...

(3)   Die zuständige Behörde des Mitgliedstaats trifft bis zum 15. Dezember des Antragsjahres eine Entscheidung über die Anträge auf Änderung eines operationellen Programms.

In hinreichend begründeten Fällen kann die zuständige Behörde des Mitgliedstaats jedoch die Entscheidung über die Änderung eines operationellen Programms bis zum 20. Januar des Jahres nach dem Jahr der Antragstellung treffen. In der Genehmigungsentscheidung kann die Beihilfefähigkeit der Ausgaben ab dem 1. Januar nach dem Jahr der Antragstellung vorgesehen werden.“

24

Abschnitt 4 („Beihilfe“) des Kapitels II der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 umfasst die Art. 68 bis 72. Der in diesem Abschnitt enthaltene Art. 68 („Genehmigter Beihilfebetrag“), der den Wortlaut von Art. 69 der Verordnung Nr. 1580/2007 übernimmt, bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten teilen den Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen den genehmigten Beihilfebetrag gemäß Artikel 103g Absatz 3 der Verordnung … Nr. 1234/2007 bis spätestens 15. Dezember des Jahres mit, das dem Jahr vorangeht, für das die Beihilfe beantragt wird.

(2)   Im Fall der Anwendung von Artikel 64 Absatz 2 Unterabsatz 3 bzw. Artikel 65 Absatz 3 Unterabsatz 2 der vorliegenden Verordnung teilen die Mitgliedstaaten den genehmigten Beihilfebetrag bis spätestens 20. Januar des Jahres mit, für das die Beihilfe beantragt wird.“

25

Art. 69 („Beihilfeanträge“) der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011, der Art. 70 der Verordnung Nr. 1580/2007 entspricht, bestimmt:

„(1)   Die Erzeugerorganisationen reichen die Anträge auf Zahlung einer Beihilfe oder ihres Restbetrags bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats für jedes operationelle Programm bis zum 15. Februar des Jahres ein, das auf das Jahr folgt, auf das sich die Anträge beziehen.

(2)   Den Beihilfeanträgen sind Belege beizufügen über

...

b)

den Wert der vermarkteten Erzeugung;

...“

26

Art. 70 („Zahlung der Beihilfe“) der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 lautet: „Die Mitgliedstaaten zahlen die Beihilfe bis 15. Oktober des Jahres, das auf das Durchführungsjahr des Programms folgt.“

27

In Anhang IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 sind die Aktionen und Ausgaben aufgeführt, die im Rahmen der operationellen Programme gemäß Art. 60 Abs. 1 nicht bezuschusst werden. Nr. 23 dieses Anhangs erwähnt „Investitionen oder ähnliche Aktionen, die nicht in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation oder Vereinigung von Erzeugerorganisationen oder deren angeschlossenen Erzeugern oder einer Tochtergesellschaft … stattfinden“.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

28

Bei der ETG handelt es sich um eine Erzeugerorganisation im Sinne der Verordnung Nr. 1234/2007. Mit Schreiben vom 15. September 2009, 19. Dezember 2009 und 14. Januar 2010 stellte sie beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Österreich) (im Folgenden: zuständige österreichische Behörde) einen Antrag auf Förderung eines auf die Jahre 2010 bis 2014 ausgerichteten operationellen Programms.

29

Eine der zu fördernden Aktionen war die Anschaffung einer Spinatverarbeitungslinie, die eingesetzt wird, um frisch geernteten Spinat zu Tiefkühlspinat zu verarbeiten. Die von der ETG angeschaffte Verarbeitungslinie wurde auf dem Gelände der Ardo Austria Frost GmbH (im Folgenden: Ardo), ihrem in der Verarbeitung und Vermarktung ihrer Produkte tätigen Vertragspartner, eingesetzt. Der Betrieb der Verarbeitungslinie sollte „unter Aufsicht und unter Verantwortung“ der ETG erfolgen. Nach den Angaben der ETG waren ihr die für die Verarbeitungslinie notwendigen Grundstücke „von Ardo aufgrund eines Leihvertrags zwecks Aufstellung und Betrieb der Maschinen [der Verarbeitungslinie] zur Verfügung gestellt worden“.

30

Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 genehmigte die zuständige österreichische Behörde dieses operationelle Programm. Das Bundesverwaltungsgericht (Österreich) führt hierzu aus, es sei unstreitig, dass diese Behörde, als sie die Investition als beihilfefähig erachtet habe, gewusst habe, dass sich die Verarbeitungslinie nicht auf Grundstücken der ETG, sondern auf dem Gelände von Ardo befinde. Außerdem liege dem operationellen Programm eine Berechnung des Wertes der vermarkteten Erzeugung zugrunde, die auf Zahlen aus dem Jahr 2009 beruhe, da die ETG erst im Jahr 2009 gegründet worden sei. Bei der Berechnung dieses Wertes seien insbesondere die „Verarbeitungskosten“ einbezogen worden, wobei die Verarbeitung des Spinats „das Zerkleinern, Waschen, Schneiden, Trocknen[,] Blanchieren [und] Einfrieren“ umfasse.

31

Mehrere Änderungen des operationellen Programms wurden genehmigt. Im Besonderen wurde mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 der Referenzzeitraum für die Berechnung des Wertes der vermarkteten Produktion geändert. Er wurde vom Jahr 2009 auf den Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2011 umgestellt, wobei in den Wert der vermarkteten Produktion weiterhin die „Verarbeitungskosten“ einbezogen wurden.

32

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 stellte die AMA fest, dass die Investition in die Verarbeitungslinie aufgrund des in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 vorgesehenen Ausschlusskriteriums für Zuschüsse nicht beihilfefähig sei. Sie lehnte daher die Zahlung der fraglichen Beihilfe für das Jahr 2014 insoweit ab, als sie für diese Investition beantragt worden war, und ordnete die Rückzahlung der Beihilfe an, die die ETG hierfür bereits erhalten hatte. Die ETG erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

33

Das vorlegende Gericht äußert zunächst Zweifel hinsichtlich des anwendbaren Rechts, und zwar zum einen für die Bestimmung der Beihilfefähigkeit der mit der betreffenden Verarbeitungslinie verbundenen Ausgaben und zum anderen für die Berechnung des Wertes der vermarkteten Erzeugung. Während die Frage der Beihilfefähigkeit der Ausgaben unter die Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 zu fallen scheine, bedürfe der Klärung, ob die mit dem oben genannten Schreiben vom 13. Dezember 2013 vorgenommene Änderung an dem am 19. Januar 2010 genehmigten operationellen Programm dazu führe, dass die in der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 vorgesehene neue Methode für die Berechnung des Wertes der vermarkteten Erzeugung angewandt werde.

34

In der Sache möchte das vorlegende Gericht erstens wissen, welche Auswirkungen die verschiedenen Schreiben der österreichischen Behörden – jenes zur Genehmigung des operationellen Programms, jenes zur Genehmigung der Änderung dieses Programms und jenes, durch das der ETG der genehmigte Beihilfebetrag mitgeteilt wird – auf den für das Jahr 2014 zu zahlenden Beihilfebetrag haben könnten. Genauer gesagt möchte es wissen, ob es den in diesen Schreiben genannten Wert der vermarkteten Erzeugung als bindend und im Rahmen der bei ihm anhängigen Beschwerde unüberprüfbar ansehen muss.

35

Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass es nach österreichischem Recht befugt sei, die Rechtmäßigkeit des bei ihm angefochtenen Bescheids von Amts wegen, ohne Rüge seitens der ETG, zu prüfen, und zwar auch dann, wenn es dadurch zu einem für die ETG nachteiligen Verfahrensausgang käme. Diese Prüfung von Amts wegen sei jedoch nicht zulässig, wenn über die Frage bereits in einem früheren Bescheid abgesprochen worden sei.

36

Zweitens äußert das vorlegende Gericht Zweifel, ob der Wert der vermarkteten Erzeugung rechtmäßig berechnet wurde, und zwar sowohl für den Fall, dass sich die Berechnung nach der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 richtet, als auch für den Fall, dass sie sich nach der Verordnung Nr. 1580/2007 richtet.

37

Drittens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Maßnahmen der Verarbeitung von Obst und Gemüse Gegenstand einer unionsrechtlichen Förderung im Rahmen eines operationellen Programms einer im Sektor Obst und Gemüse anerkannten Erzeugerorganisation sein dürfen und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.

38

Viertens möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Tragweite das in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 genannte Ausschlusskriterium für Zuschüsse insbesondere angesichts der verschiedenen Sprachfassungen der Durchführungsverordnung hat. Es führt aus, der ETG sei für die Verarbeitungslinie keine Beihilfe gewährt worden, weil „diese Investition eine Maßnahme darstellt, die auf fremdem Grund stattfand“. Sofern Nr. 23 so auszulegen sein sollte, dass sie der Förderung von Investitionen auf fremdem Grund absolut entgegenstehe, d. h., ohne dass der Antragsteller im Einzelfall nachweisen könne, dass es legitime wirtschaftliche Gründe dafür gebe, in ein Objekt auf fremdem Grund zu investieren, könnte sie ungültig sein.

39

Fünftens möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass der Gerichtshof Nr. 23 als „absolutes Ausschlusskriterium“ für Investitionen auf fremdem Grund auslegen sollte, wissen, ob sich die ETG gleichwohl auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könnte, da die österreichischen Behörden stets darüber informiert waren, dass die ETG die Verarbeitungslinie auf Liegenschaften von Ardo aufstellt, und in diesem Wissen das fragliche operationelle Programm genehmigten.

40

Sechstens schließlich bringt das vorlegende Gericht vor, wenn der Gerichtshof die fraglichen Bestimmungen in einem für die ETG ungünstigen Sinn auslegen und/oder einige von ihnen für ungültig erklären sollte, werde er möglicherweise mit einem Vorbringen der ETG konfrontiert, das auf die zeitliche Begrenzung der Urteilswirkungen abziele. Insoweit möchte das vorlegende Gericht wissen, wie es mit Argumenten der ETG umgehen soll, mit denen sie sich unter Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit gegen die begehrte Rückforderung wendet oder die Auszahlung verbindlich zugesicherter Beträge anstrebt, falls der Gerichtshof die Wirkungen seines Urteils zeitlich nicht oder in einer die ETG nicht betreffenden Weise begrenzen sollte.

41

Unter diesen Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Zu den Vorlagefragen

Zu Buchst. a der dritten Frage

42

Mit Buchst. a seiner dritten Frage, der als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 dahin auszulegen ist, dass die bloße Tatsache, dass eine im Rahmen eines operationellen Programms im Sinne von Art. 60 Abs. 1 dieser Verordnung getätigte Investition auf einem Grundstück stattfand, das einem Dritten und nicht der betreffenden Erzeugerorganisation gehört, einen Grund dafür darstellt, dass die Ausgaben der Erzeugerorganisation für diese Investition aufgrund von Nr. 23 des Anhangs IX nicht beihilfefähig sind.

43

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass beim vorlegenden Gericht der Bescheid der AMA vom 12. Oktober 2015 angefochten wird, der die Zahlung des Restbetrags der Beihilfe der Union für das Jahr 2014 im Rahmen eines operationellen Programms für die Jahre 2010 bis 2014 betrifft, das am 19. Januar 2010, also vor dem Erlass der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011, genehmigt worden war. Da es keine gegenteilige Übergangsbestimmung gibt und Art. 149 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011, mit dem die Verordnung Nr. 1580/2007 aufgehoben wird, bestimmt, dass Bezugnahmen auf diese Verordnung als Bezugnahmen auf die Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 gelten, ist jedoch festzustellen, dass sich die Frage der Beihilfefähigkeit der durchgeführten Aktionen und getätigten Ausgaben für das Jahr 2014 nach den Bestimmungen der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 richtet.

44

Überdies wurde Nr. 22 des Anhangs VIII der Verordnung Nr. 1580/2007, an deren Stelle Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 getreten ist, bei der es sich nach den Angaben in der Vorlageentscheidung und der dem Gerichtshof übermittelten nationalen Akte um die Bestimmung handelt, auf deren Grundlage festgestellt wurde, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Beihilfe für die Anschaffung der betreffenden Verarbeitungslinie nicht gewährt werden könne, durch die letztgenannte Bestimmung in keiner für die vorliegende Rechtssache relevanten Weise geändert.

45

Nr. 22 des Anhangs VIII der Verordnung Nr. 1580/2007 sah nämlich vor, dass Investitionen oder ähnliche Aktionen, die nicht „in den Liegenschaften“ u. a. der Erzeugerorganisation „stattfinden“, im Rahmen der operationellen Programme nicht bezuschusst werden, während Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 neben den Liegenschaften auch die „Räumlichkeiten“ einer solchen Organisation erfasst. Eine Investition, die das in Nr. 23 vorgesehene Ausschlusskriterium für Zuschüsse erfüllt, erfüllte daher notwendigerweise auch das entsprechende in Nr. 22 vorgesehene Kriterium.

46

Hinsichtlich der erbetenen Auslegung ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 60 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 die operationellen Programme keine der in der Liste in ihrem Anhang IX aufgeführten Aktionen oder Ausgaben umfassen dürfen. Nach Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 gehören zu den Aktionen und Ausgaben, die im Rahmen der operationellen Programme nicht bezuschusst werden, „Investitionen oder ähnliche Aktionen, die nicht in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation oder Vereinigung von Erzeugerorganisationen oder deren angeschlossenen Erzeugern oder einer Tochtergesellschaft im Falle gemäß Artikel 50 Absatz 9 [dieser Verordnung] stattfinden“.

47

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Ardo auf den Grundstücken, auf denen sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verarbeitungslinie befindet, in Bezug auf die ETG, die im Ausgangsverfahren beschwerdeführende Erzeugerorganisation, ein Dritter ist. Unter diesen Umständen braucht zur Beantwortung der Vorlagefrage lediglich ermittelt zu werden, ob der Ausdruck „in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation“ nur die im Eigentum der Erzeugerorganisation stehenden Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten erfasst oder ob eine andere Auslegung angebracht ist.

48

Aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts wie auch aus dem Gleichheitssatz folgt, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

In der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 wird nicht definiert, was unter Investitionen, die „in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation“ stattfinden, zu verstehen ist, und in Bezug auf die Bedeutung dieser Wendung wird auch nicht auf die nationalen Rechtsvorschriften verwiesen. Die Wendung ist daher für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung als autonomer, in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegender Begriff des Unionsrechts anzusehen.

50

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen (Urteile vom 10. März 2005, EasyCar, C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 21, und vom 3. September 2014, Deckmyn und Vrijheidsfonds, C‑201/13, EU:C:2014:2132, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei eine Bestimmung im Fall von Zweifeln nicht in einer ihrer Sprachfassungen isoliert betrachtet werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2009, Horvath, C‑428/07, EU:C:2009:458, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen, C‑51/14, EU:C:2015:380, Rn. 34).

51

Im vorliegenden Fall ermöglicht der übliche Sinn des fraglichen Ausdrucks für sich genommen noch keine eindeutige Auslegung. Dieser Ausdruck kann sich nämlich nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, je nach Sprachfassung, auf eine Liegenschaft oder Räumlichkeit beziehen, die im Eigentum der betreffenden Erzeugerorganisation steht, oder allgemeiner eine Liegenschaft oder Räumlichkeit erfassen, über die die Erzeugerorganisation eine gewisse Kontrolle ausübt.

52

Zum einen geht jedoch aus dem Kontext von Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 klar hervor, dass Investitionen, die in Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten von Personen stattfinden, die im Verhältnis zu der betreffenden Erzeugerorganisation Dritte sind, grundsätzlich nicht – auch nicht teilweise – für eine Förderung im Rahmen eines operationellen Programms in Frage kommen.

53

Art. 60 Abs. 6 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 sieht nämlich für den Fall, dass Investitionen in den Betrieben und/oder Räumlichkeiten von angeschlossenen Erzeugern der Erzeugerorganisation durchgeführt werden, vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Investition oder ihr Restwert – außer in wohlbegründeten Fällen – wiedereingezogen wird, wenn der angeschlossene Erzeuger die Erzeugerorganisation verlässt. Ferner heißt es im 42. Erwägungsgrund der Verordnung, dass eine Erzeugerorganisation in der Lage sein muss, den Restwert einer Investition zurückzufordern, um die ungerechtfertigte Bereicherung einer privaten Partei zu verhindern, die während der Nutzungsdauer der Investition ihre Beziehungen zur Erzeugerorganisation abgebrochen hat.

54

Zum anderen ergibt sich auch aus den mit der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 verfolgten Zielen, dass nur die unionsrechtlich anerkannten Erzeugerorganisationen in den Genuss der finanziellen Beihilfe der Union kommen können. Insoweit ist nicht nur auf den 42. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011, dessen wesentlicher Inhalt in der vorstehenden Randnummer wiedergegeben worden ist, hinzuweisen, sondern auch darauf, dass mit dieser Verordnung die Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1234/2007 für die Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse festgelegt werden. Aus Art. 103b der Verordnung Nr. 1234/2007 geht aber hervor, dass die Finanzierung der Betriebsfonds der Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse, zu der die finanzielle Beihilfe der Union beitragen kann, ausschließlich für die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 103g dieser Verordnung genehmigten operationellen Programme herangezogen werden darf.

55

Es stünde in offenkundigem Widerspruch zu der oben in den Rn. 52 und 53 dargelegten Systematik der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 und zu diesem Ziel, wenn Dritte in den Genuss dieser finanziellen Beihilfe kommen könnten. Dies wäre jedoch der Fall, wenn mit ihr Investitionen gefördert werden könnten, von denen nicht gesichert ist, dass sie ausschließlich der betreffenden Erzeugerorganisation zugutekommen.

56

Insoweit kann zwar grundsätzlich die bloße Tatsache, dass die Liegenschaft oder Räumlichkeit, in der die Investition stattfindet, nicht im Eigentum der Erzeugerorganisation steht, nicht zwangsläufig zum Nachweis dafür ausreichen, dass nicht gesichert ist, dass die Investition ausschließlich dieser Organisation zugutekommt, doch kann die Investition jedenfalls nur dann als eine im Rahmen eines operationellen Programms im Sinne von Art. 60 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 beihilfefähige Ausgabe angesehen werden, wenn sie in einer Liegenschaft und/oder Räumlichkeit stattfindet, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich unter der alleinigen Kontrolle der Erzeugerorganisation steht, so dass jede Nutzung der Investition zugunsten eines Dritten ausgeschlossen ist.

57

Die Bezugnahme in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 auf Investitionen, die „in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation“ stattfinden, ist folglich dahin auszulegen, dass sie Investitionen erfasst, die in Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten stattfinden, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich unter der alleinigen Kontrolle der betreffenden Erzeugerorganisation stehen, so dass jede Nutzung der Investitionen zugunsten eines Dritten ausgeschlossen ist.

58

Wie die Europäische Kommission geltend gemacht hat, ermöglicht es nur diese Auslegung, die finanziellen Interessen der Union zu schützen und jede Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse zu verhindern.

59

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verarbeitungslinie zwar von der ETG angeschafft wurde und unter ihrer „Aufsicht und … Verantwortung“ betrieben wird, aber sich auf Grundstücken von Ardo befindet, die „der ETG von [dieser] aufgrund eines Leihvertrags zwecks Aufstellung und Betrieb der Maschinen [der Verarbeitungslinie] zur Verfügung gestellt“ wurden. Die betreffende Investition fand daher offenbar nicht in einer Liegenschaft und/oder Räumlichkeit statt, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich unter der alleinigen Kontrolle der ETG steht, so dass jede Nutzung der Investition zugunsten eines Dritten ausgeschlossen ist. Die Anwendung des in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 vorgesehenen Ausschlusskriteriums für Zuschüsse erscheint somit gerechtfertigt.

60

Insoweit ist noch hervorzuheben, dass die zur Rechtfertigung der Vornahme der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Investition in der Liegenschaft und/oder Räumlichkeit eines Dritten, über den die betreffende Erzeugerorganisation nicht die alleinige Kontrolle ausübt, angeführten „legitimen wirtschaftlichen Gründe“ nicht den Schluss zulassen, dass das Ausschlusskriterium für Zuschüsse im vorliegenden Fall nicht anwendbar wäre. Dasselbe gilt für die buchhalterische Zuordnung der Investition zur Erzeugerorganisation sowie für die geltend gemachte „wirtschaftliche Zurechenbarkeit“ der Investition zum Betrieb der Erzeugerorganisation und dafür, dass ein „betrieblicher Zusammenhang“ zwischen der Investition und der Erzeugerorganisation bestehen soll. Dadurch kann nämlich nicht gewährleistet werden, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Investition nicht zugunsten eines Dritten genutzt wird.

61

Nach alledem ist auf Buchst. a der dritten Frage zu antworten, dass die Bezugnahme in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 auf Investitionen, die „in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation“ stattfinden, wie folgt auszulegen ist:

Die bloße Tatsache, dass eine im Rahmen eines operationellen Programms im Sinne von Art. 60 Abs. 1 dieser Verordnung getätigte Investition auf einem Grundstück stattfindet, das einem Dritten und nicht der betreffenden Erzeugerorganisation gehört, stellt grundsätzlich keinen Grund dafür dar, dass die Ausgaben der Erzeugerorganisation für diese Investition aufgrund von Nr. 23 des Anhangs IX nicht beihilfefähig sind.

Nr. 23 des Anhangs IX erfasst Investitionen, die in Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten stattfinden, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich unter der alleinigen Kontrolle der betreffenden Erzeugerorganisation stehen, so dass jede Nutzung der Investitionen zugunsten eines Dritten ausgeschlossen ist.

Zu Buchst. b der dritten Frage

62

Wie aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts in seinem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, wird Buchst. b der dritten Frage nur für den Fall gestellt, dass Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 dahin auszulegen sein sollte, dass die bloße Tatsache, dass die im Ausgangsverfahren beschwerdeführende Erzeugerorganisation nicht Eigentümerin der Liegenschaft ist, auf der eine im Rahmen eines operationellen Programms im Sinne von Art. 60 Abs. 1 dieser Verordnung erfolgte Investition stattfand, einen Grund dafür darstellt, dass die Ausgaben der Erzeugerorganisation für diese Investition aufgrund von Nr. 23 des Anhangs IX nicht beihilfefähig sind.

63

Aus der Antwort auf Buchst. a der dritten Frage ergibt sich, dass dieser Auslegung nicht zu folgen ist. Somit ist Buchst. b der dritten Frage nicht zu beantworten.

Zu Buchst. c der dritten Frage

64

Auch Buchst. c der dritten Frage wird für den Fall gestellt, dass Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 dahin auszulegen sein sollte, dass die bloße Tatsache, dass die im Ausgangsverfahren beschwerdeführende Erzeugerorganisation nicht Eigentümerin der Liegenschaft ist, auf der eine im Rahmen eines operationellen Programms im Sinne von Art. 60 Abs. 1 dieser Verordnung erfolgte Investition stattfand, einen Grund dafür darstellt, dass die Ausgaben der Erzeugerorganisation für diese Investition aufgrund von Nr. 23 des Anhangs IX nicht beihilfefähig sind.

65

Wie bereits in Rn. 63 des vorliegenden Urteils festgestellt, ist dieser Auslegung nicht zu folgen. In Wirklichkeit möchte das vorlegende Gericht mit Buchst. c der dritten Frage jedoch wissen, ob sich die ETG unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der ihr für die betreffende Investition gewährten oder zugesagten Beihilfe auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann. Wie in Rn. 59 des vorliegenden Urteils dargelegt, ist das in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 vorgesehene Ausschlusskriterium für Zuschüsse aber offenbar auf diese Investition anwendbar, wenn auch aus einem anderen als dem vom vorlegenden Gericht in Erwägung gezogenen Grund. Buchst. c der dritten Frage bleibt daher relevant und ist zu beantworten.

66

Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die zuständige nationale Behörde daran hindert, die von einer Erzeugerorganisation für eine Investition, die letztlich in Anwendung von Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 für nicht beihilfefähig erklärt wurde, beantragte Zahlung des Restbetrags einer finanziellen Beihilfe abzulehnen und von der Erzeugerorganisation die ihr für diese Investition bereits gewährte Beihilfe zurückzufordern.

67

Die Umstände des Ausgangsverfahrens sind dadurch gekennzeichnet, dass die zuständige österreichische Behörde, als sie das betreffende operationelle Programm genehmigte und somit davon ausging, dass die Investition in Bezug auf die Anschaffung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verarbeitungslinie a priori beihilfefähig war, und als sie für diese Investition die ersten Teilzahlungen leistete, volle Kenntnis von den Modalitäten hatte, unter denen die Verarbeitungslinie aufgestellt und betrieben werden sollte.

68

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Ausübung eines Ermessens durch einen Mitgliedstaat hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung zu Unrecht oder vorschriftswidrig gewährter Unionsmittel zweckmäßig ist, mit der Verpflichtung der nationalen Behörden im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik unvereinbar wäre, zu Unrecht oder vorschriftswidrig ausgezahlte Mittel wiedereinzuziehen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 21. September 1983, Deutsche Milchkontor u. a., 205/82 bis 215/82, EU:C:1983:233, Rn. 22).

69

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gegen eine klare unionsrechtliche Bestimmung angeführt werden, und das unionsrechtswidrige Verhalten einer mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten nationalen Behörde kann kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen, in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung zu kommen (Urteile vom 1. April 1993, Lageder u. a., C‑31/91 bis C‑44/91, EU:C:1993:132, Rn. 35, und vom 20. Juni 2013, Agroferm, C‑568/11, EU:C:2013:407, Rn. 52).

70

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung von Buchst. a der dritten Frage, dass die fragliche Beihilfe unter Verstoß gegen die Bestimmung in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 – nach ihrer Auslegung anhand des Kontexts, in dem sie steht, und des mit der anwendbaren Regelung verfolgten einschlägigen Ziels – gewährt wurde.

71

Außerdem stand zum Zeitpunkt der Genehmigung des betreffenden operationellen Programms bereits eindeutig fest, dass im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik eine enge Auslegung der Voraussetzungen für die Übernahme der Ausgaben zulasten der Union zwingend ist, da die Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik die Gleichheit zwischen den Wirtschaftsteilnehmern der Mitgliedstaaten gewährleisten muss und die nationalen Behörden eines Mitgliedstaats daher nicht mittels einer weiten Auslegung einer bestimmten Vorschrift die Wirtschaftsteilnehmer dieses Staates begünstigen dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Februar 1985, Italien/Kommission, 55/83, EU:C:1985:84, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. November 2014, Niederlande/Kommission, C‑610/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2349, Rn. 41).

72

Angesichts dessen ist festzustellen, dass Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 eine Bestimmung darstellt, gegen die der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht angeführt werden kann.

73

Überdies war die zuständige österreichische Behörde nicht befugt, der ETG eine unionsrechtswidrige Behandlung zuzusagen.

74

Daher konnte die nationale Behörde durch die Genehmigung des betreffenden operationellen Programms und die ersten Zahlungen für die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Investition unabhängig vom guten Glauben der ETG kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, dass diese in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung kommen würde.

75

Nach alledem ist auf Buchst. c der dritten Frage zu antworten, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die zuständige nationale Behörde nicht daran hindert, die von einer Erzeugerorganisation für eine Investition, die letztlich in Anwendung von Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 für nicht beihilfefähig erklärt wurde, beantragte Zahlung des Restbetrags einer finanziellen Beihilfe abzulehnen und von der Erzeugerorganisation die ihr für diese Investition bereits gewährte Beihilfe zurückzufordern.

Zu den Buchst. a bis h der ersten Frage

76

Mit den Buchst. a bis c seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 65, 66 und 69 der Verordnung Nr. 1580/2007 sowie die Art. 64, 65 und 68 bis 70 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 dahin auszulegen sind, dass sie ein nationales Gericht, das unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens über ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid einer nationalen Behörde zu entscheiden hat, mit dem über einen Antrag gemäß Art. 103g Abs. 5 der Verordnung Nr. 1234/2007 auf Zahlung des Restbetrags der finanziellen Beihilfe im Rahmen eines operationellen Programms entschieden wurde, daran hindern, im Rahmen dieses Rechtsmittels von Amts wegen die Rechtmäßigkeit der Methode für die Berechnung des Wertes der vermarkteten Erzeugung zu prüfen. Für den Fall, dass die Buchst. a bis c der ersten Frage verneint werden sollten, hat das vorlegende Gericht die Buchst. d bis h der ersten Frage gestellt.

77

Die Buchst. a bis c der ersten Frage und infolgedessen ihre Buchst. d bis h sind jedoch nur für den Fall relevant, dass sich aus der Antwort auf Buchst. a der dritten Frage ergeben sollte, dass das in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 vorgesehene Ausschlusskriterium für Zuschüsse auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Investition nicht anwendbar war. Wie aus der Antwort auf Buchst. a der dritten Frage hervorgeht, ist dies aber nicht der Fall.

78

Folglich sind die Buchst. a bis h der ersten Frage nicht zu beantworten.

Zu den Buchst. a bis c der zweiten Frage

79

Mit den Buchst. a und b seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 103c der Verordnung Nr. 1234/2007 dahin auszulegen ist, dass er der Gewährung einer finanziellen Beihilfe der Union für Investitionen in die Verarbeitung von Obst und Gemüse im Rahmen eines operationellen Programms im Sektor Obst und Gemüse im Sinne dieses Artikels entgegensteht, und – wenn dies nicht der Fall ist – unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang solche Beihilfen zulässig sind. Mit Buchst. c seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 60 Abs. 7 der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011, wonach bestimmte Investitionen und Aktionen im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Obst und Gemüse zu Verarbeitungserzeugnissen unter gewissen Voraussetzungen beihilfefähig sein können, gültig ist.

80

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs streitet eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 16. Dezember 2008, Cartesio, C‑210/06, EU:C:2008:723, Rn. 67, und vom 29. Januar 2013, Radu, C‑396/11, EU:C:2013:39, Rn. 22). Dasselbe gilt, wenn die vorgelegten Fragen die Gültigkeit einer Bestimmung des Unionsrechts betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 34 und 35 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

81

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung und der dem Gerichtshof übermittelten nationalen Akte hervor, dass in dem im Ausgangsverfahren angefochtenen Bescheid die Weigerung, den Restbetrag der Beihilfe für die in Rede stehende Verarbeitungslinie zu zahlen, und die Aufforderung zur Rückzahlung der hierfür bereits erhaltenen Beihilfe allein auf die Anwendung des in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 vorgesehenen Ausschlusskriteriums für Zuschüsse gestützt wird.

82

Daher liefe eine Beantwortung der Buchst. a bis c der zweiten Frage unter diesen Umständen offensichtlich darauf hinaus, dass der Gerichtshof unter Missachtung der ihm im Rahmen der mit Art. 267 AEUV eingeführten Zusammenarbeit der Gerichte zugewiesenen Aufgabe ein Gutachten zu einer hypothetischen Frage abgäbe (Urteil vom 24. Oktober 2013, Stoilov i Ko, C‑180/12, EU:C:2013:693, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, und in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, Romeo, C‑313/12, EU:C:2013:718, Rn. 39 und 40).

83

Folglich sind die Buchst. a bis c der zweiten Frage nicht zu beantworten.

Zur vierten Frage

84

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dahin auszulegen ist, dass es, wenn die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich begrenzt werden, einer Heranziehung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, um die Rückzahlung einer zu Unrecht gezahlten Beihilfe auszuschließen, entgegensteht.

85

Zunächst ist festzustellen, dass diese Frage auf der Prämisse beruht, dass der Gerichtshof die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich begrenzt hat. Die ETG hat aber im Kern eine solche Begrenzung für den Fall beantragt, dass der Gerichtshof die Ungültigkeit einer der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Unionsvorschriften feststellen sollte. Im vorliegenden Urteil hat sich der Gerichtshof jedoch auf die Auslegung bestimmter Unionsvorschriften beschränkt.

86

Dagegen hat die österreichische Regierung beim Gerichtshof beantragt, die Wirkungen des vorliegenden Urteils insbesondere dann zeitlich zu begrenzen, wenn er zu der Auffassung gelangen sollte, dass Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 dahin auszulegen ist, dass Investitionen auf fremdem Grund nicht beihilfefähig sind. Wie aus den Rn. 59 und 61 des vorliegenden Urteils hervorgeht, waren die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Investitionen offenbar nicht beihilfefähig, da sie in Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten stattfanden, die nicht unter der alleinigen Kontrolle der betreffenden Erzeugerorganisation stehen. Daher ist über diesen Antrag zu entscheiden.

87

Die österreichische Regierung stützt ihren Antrag darauf, dass die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen auf die beschwerdeführende Gesellschaft des Ausgangsverfahrens, deren Existenz bedroht sein könnte, sowie auf den gesamten Sektor Obst und Gemüse bestehe. Außerdem nehme Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 in zahlreichen Sprachfassungen auf das Vorliegen eines betrieblichen Zusammenhangs zwischen der Erzeugerorganisation und der betreffenden Investition Bezug, wodurch eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite des Unionsrechts geschaffen werde.

88

Nach ständiger Rechtsprechung beschränkt sich die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, darauf, zu erläutern und zu verdeutlichen, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (Urteile vom 15. März 2005, Bidar, C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C‑110/15, EU:C:2016:717, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89

Nur ganz ausnahmsweise kann der Gerichtshof aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit beschränken, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (Urteile vom 15. März 2005, Bidar, C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C‑110/15, EU:C:2016:717, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90

Der Gerichtshof hat eine solche Begrenzung nur unter ganz bestimmten Umständen ausgesprochen, wenn zum einen die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, insbesondere wegen der großen Zahl von Rechtsverhältnissen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich zum anderen herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit der Unionsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Unionsbestimmungen bestand, zu der gegebenenfalls auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte (Urteile vom 15. März 2005, Bidar, C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C‑110/15, EU:C:2016:717, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91

Außerdem obliegt es dem Mitgliedstaat, der die zeitliche Begrenzung der Wirkungen eines in einem Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteils beantragt, dem Gerichtshof Zahlen vorzulegen, die belegen, dass die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen besteht (Urteil vom 7. Juli 2011, Nisipeanu, C‑263/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:466, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, und entsprechend Urteil vom 9. April 2014, T-Mobile Austria, C‑616/11, EU:C:2014:242, Rn. 53).

92

Im vorliegenden Fall hat die österreichische Regierung in ihrem Antrag auf zeitliche Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils, den sie auch für den Fall gestellt hat, dass der Gerichtshof eine oder mehrere der vom vorlegenden Gericht genannten Bestimmungen für ungültig erklären sollte, nicht näher ausgeführt, inwiefern die in Rn. 61 des vorliegenden Urteils dargelegte Auslegung für sich genommen geeignet sein soll, eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen herbeizuführen. Sie hat sich insoweit darauf beschränkt, allgemein zu erwähnen, dass das Unterbleiben der zeitlichen Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils „existenzgefährdende Konsequenzen nach sich ziehen könnte“, und von „einer großen Zahl an Rechtsverhältnissen“ zu sprechen, ohne jede Angabe zur Zahl der möglicherweise betroffenen Erzeugerorganisationen oder zu den möglicherweise auf dem Spiel stehenden Beträgen.

93

Daher ist im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen, dass eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen im Sinne der in den Rn. 89 und 90 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung besteht, die eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils rechtfertigen könnte. Somit sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu begrenzen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob das erste dort erwähnte Kriterium erfüllt ist.

94

Hinsichtlich der Frage, ob sich die ETG unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens vor dem vorlegenden Gericht gleichwohl auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen kann, ist darauf hinzuweisen, dass es nach Art. 4 Abs. 3 EUV Sache der Mitgliedstaaten ist, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Unionsregelungen, namentlich im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, zu sorgen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 1998, Oelmühle und Schmidt Söhne, C‑298/96, EU:C:1998:372, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95

Desgleichen haben die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1), der von der AMA in dem im Ausgangsverfahren angefochtenen Bescheid angeführt wurde und dessen Bestimmungen im Wesentlichen in Art. 58 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549, berichtigt im ABl. 2016, L 130, S. 9) übernommen wurden, im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen. Die Ausübung eines Ermessens hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung zu Unrecht oder vorschriftswidrig gewährter Unionsmittel zweckmäßig ist, wäre mit dieser Verpflichtung unvereinbar (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 1998, Oelmühle und Schmidt Söhne, C‑298/96, EU:C:1998:372, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung), worauf bereits in Rn. 68 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist.

96

Wie die Kommission ausgeführt hat, müssen die nationalen Gerichte Rechtsstreitigkeiten über die Wiedereinziehung zu Unrecht aufgrund des Unionsrechts geleisteter Zahlungen jedoch in Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften nach ihrem nationalen Recht entscheiden, vorbehaltlich der durch das Unionsrecht gezogenen Grenzen; danach dürfen die im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten nicht darauf hinauslaufen, dass die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beihilfen praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird, und das nationale Recht muss ohne Diskriminierung im Vergleich zu den Verfahren, in denen über gleichartige, rein nationale Streitigkeiten entschieden wird, angewandt werden (Urteile vom 16. Juli 1998, Oelmühle und Schmidt Söhne, C‑298/96, EU:C:1998:372, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. Januar 2009, Bayerische Hypotheken- und Vereinsbank, C‑281/07, EU:C:2009:6, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97

Es kann daher nicht als Verstoß gegen das Unionsrecht angesehen werden, wenn das nationale Recht im Bereich der Rückforderung zu Unrecht gewährter öffentlichen Geldleistungen neben dem Gebot rechtmäßigen Handelns auch den Grundsatz der Rechtssicherheit berücksichtigt, der Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist (Urteile vom 19. September 2002, Huber, C‑336/00, EU:C:2002:509, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Juni 2007, ROM-projecten, C‑158/06, EU:C:2007:370, Rn. 24).

98

Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt insbesondere, dass eine Unionsregelung es den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Denn die Einzelnen müssen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (Urteil vom 21. Juni 2007, ROM-projecten, C‑158/06, EU:C:2007:370, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99

Im vorliegenden Fall ergibt sich aber aus der Prüfung von Buchst. a der dritten Frage, dass Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 – nach ihrer Auslegung anhand des Kontexts, in dem sie steht, und des mit der anwendbaren Regelung verfolgten einschlägigen Ziels – es dem Einzelnen als Letztbegünstigtem einer finanziellen Beihilfe der Union ermöglichte, den Umfang der ihm damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, so dass er in der Lage war, seine Rechte und Pflichten eindeutig zu erkennen und sich darauf einzustellen.

100

Dem Interesse der Union an der Rückforderung von Beihilfen, die unter Verstoß gegen die Voraussetzungen für ihre Gewährung ausgezahlt wurden, muss allerdings bei der Würdigung der in Betracht kommenden Interessen in vollem Umfang Rechnung getragen werden, und zwar auch dann, wenn man ungeachtet der Ausführungen in der vorstehenden Randnummer davon ausginge, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit einer Rückforderung der Beihilfe vom Begünstigten entgegensteht (Urteile vom 19. September 2002, Huber, C‑336/00, EU:C:2002:509, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Juni 2007, ROM-projecten, C‑158/06, EU:C:2007:370, Rn. 32).

101

Außerdem kann sich der Begünstigte der Rückforderung nur widersetzen, wenn er hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Beihilfe guten Glaubens war (Urteil vom 19. September 2002, Huber, C‑336/00, EU:C:2002:509, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102

Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dahin auszulegen ist, dass es, wenn die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich begrenzt werden, einer Heranziehung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, um die Rückzahlung einer zu Unrecht gezahlten Beihilfe auszuschließen, nicht entgegensteht, sofern dies unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Rückforderung rein nationaler finanzieller Leistungen geschieht, dem Interesse der Union in vollem Umfang Rechnung getragen wird und der gute Glaube des Begünstigten nachgewiesen ist.

Kosten

103

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Die Bezugnahme in Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates für die Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse auf Investitionen, die „in den Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten der Erzeugerorganisation“ stattfinden, ist wie folgt auszulegen:

Die bloße Tatsache, dass eine im Rahmen eines operationellen Programms im Sinne von Art. 60 Abs. 1 dieser Verordnung getätigte Investition auf einem Grundstück stattfindet, das einem Dritten und nicht der betreffenden Erzeugerorganisation gehört, stellt grundsätzlich keinen Grund dafür dar, dass die Ausgaben der Erzeugerorganisation für diese Investition aufgrund von Nr. 23 des Anhangs IX nicht beihilfefähig sind.

Nr. 23 des Anhangs IX erfasst Investitionen, die in Liegenschaften und/oder Räumlichkeiten stattfinden, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich unter der alleinigen Kontrolle der betreffenden Erzeugerorganisation stehen, so dass jede Nutzung der Investitionen zugunsten eines Dritten ausgeschlossen ist.

 

2.

Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die zuständige nationale Behörde nicht daran hindert, die von einer Erzeugerorganisation für eine Investition, die letztlich in Anwendung von Nr. 23 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 für nicht beihilfefähig erklärt wurde, beantragte Zahlung des Restbetrags einer finanziellen Beihilfe abzulehnen und von der Erzeugerorganisation die ihr für diese Investition bereits gewährte Beihilfe zurückzufordern.

 

3.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist das Unionsrecht dahin auszulegen, dass es, wenn die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich begrenzt werden, einer Heranziehung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, um die Rückzahlung einer zu Unrecht gezahlten Beihilfe auszuschließen, nicht entgegensteht, sofern dies unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Rückforderung rein nationaler finanzieller Leistungen geschieht, dem Interesse der Union in vollem Umfang Rechnung getragen wird und der gute Glaube des Begünstigten nachgewiesen ist.

 

Rosas

Prechal

Jarašiūnas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Dezember 2017.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident der Siebten Kammer

A. Rosas


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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