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Document 62016CC0527

Schlussanträge des Generalanwalts H. Saugmandsgaard Øe vom 31. Januar 2018.
Salzburger Gebietskrankenkasse und Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen Alpenrind GmbH u. a.
Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Verordnung (EG) Nr. 987/2009 – Art. 5 und 19 Abs. 2 – Arbeitnehmer, die in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden als den, in dem der Arbeitgeber gewöhnlich tätig ist – Ausstellung von A1-Bescheinigungen durch den Herkunftsmitgliedstaat, nachdem der Aufnahmemitgliedstaat anerkannt hat, dass die Arbeitnehmer seinem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind – Stellungnahme der Verwaltungskommission – Zu Unrecht ausgestellte A1‑Bescheinigungen – Feststellung – Bindungswirkung und Rückwirkung dieser Bescheinigungen – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Anwendbare Rechtsvorschriften – Art. 12 Abs. 1 – Begriff einer Person, die ‚eine andere Person ablöst‘.
Rechtssache C-527/16.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:52

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 31. Januar 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑527/16

Salzburger Gebietskrankenkasse,

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz,

Mitbeteiligte:

Alpenrind GmbH,

Martin-Meat Szolgáltató és Kereskedelmi Kft,

Martimpex-Meat Kft,

Pensionsversicherungsanstalt,

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wanderarbeitnehmer – Soziale Sicherheit – Arbeitnehmer, die in einen anderen Mitgliedstaat als den Niederlassungsstaat des Arbeitgebers entsandt werden – Verordnung (EG) Nr. 987/2009 – Art. 5 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 – Portables Dokument A1 – Bindungswirkung – Entscheidung der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, das portable Dokument A1 zu widerrufen – Rückwirkung des portablen Dokuments A1 – Ausstellung des portablen Dokuments A1 nach Anschluss des Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 12 Abs. 1 – Ablöseverbot für entsandte Arbeitnehmer“

I. Einführung

1.

Das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ( 2 ) sowie von Art. 5 Abs. 1 und von Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 ( 3 ).

2.

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Salzburger Gebietskrankenkasse (Österreich) und dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Österreich) einerseits sowie einem österreichischen und zwei ungarischen Unternehmen andererseits über die Bestimmung des im Bereich der sozialen Sicherheit auf nach Österreich entsandte Arbeitnehmer anwendbaren Rechts.

3.

Mit der ersten und der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts wird der Gerichtshof um Klarstellung der Wirkungen eines im Einklang mit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 ausgestellten portablen Dokuments A1 (im Folgenden: portables Dokument A1) ( 4 ) zur Bescheinigung der auf eine Person nach einer Bestimmung des Titels II der Verordnung Nr. 883/2004 anwendbaren Rechtsvorschriften ersucht. Insoweit möchte das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen, ob das portable Dokument A1 für ein Gericht (im Sinne des Art. 267 AEUV) des Aufnahmemitgliedstaats bindend ist. Bejahendenfalls möchte das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage im Wesentlichen wissen, ob das portable Dokument A1 auch dann Bindungswirkung hat, wenn die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden: Verwaltungskommission) ( 5 ) eine Entscheidung über den Widerruf dieses Dokuments erlassen, der ausstellende Träger es aber nicht widerrufen hat. Zudem fragt das vorlegende Gericht nach der Bindungswirkung des portablen Dokuments A1 für den Fall, dass es nach dem Anschluss des betreffenden Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellt wird, sowie nach einer etwaigen Rückwirkung des Dokuments.

4.

Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004, nach dem die von ihrem Arbeitgeber zur Ausführung einer Arbeit in einen anderen Mitgliedstaat entsandte Person unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Herkunftsmitgliedstaats unterliegt. Insoweit möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die in dieser Bestimmung aufgestellte Voraussetzung, dass die entsandte Person „nicht eine andere entsandte Person ablöst“ (im Folgenden: Ablöseverbot), verletzt wird, wenn die Ablösung nicht in Form einer Entsendung durch denselben Arbeitgeber erfolgt, sondern durch einen anderen Arbeitgeber, und ob es in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, ob die beiden Arbeitgeber ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat haben oder ob zwischen ihnen personelle und/oder organisatorische Verflechtungen bestehen.

II. Unionsrecht

A.   Verordnung Nr. 883/2004

5.

Der zu Titel II („Bestimmung des anwendbaren Rechts“) der Verordnung Nr. 883/2004 gehörende Art. 11 („Allgemeine Regelung“) bestimmt in den Abs. 1 und 3 Buchst. a:

„(1)   Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3)   Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a)

[E]ine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

…“

6.

Der zum gleichen Titel der Verordnung Nr. 883/2004 gehörende Art. 12 („Sonderregelung“) bestimmte in seiner ursprünglichen Fassung in Abs. 1:

„Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst.“

7.

Während des im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Zeitraums (1. Februar 2012 bis 13. Dezember 2013) wurde Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 durch die Verordnung Nr. 465/2012 mit Wirkung ab 28. Juni 2012 geändert ( 6 ). Insbesondere wurde die Wortfolge „diese Person nicht eine andere Person ablöst“ am Ende der Bestimmung durch die Wortfolge „diese Person nicht eine andere entsandte Person ablöst“ ( 7 ) ersetzt.

8.

Der zu Titel V („Verschiedene Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 883/2004 gehörende Art. 76 („Zusammenarbeit“) bestimmt in Abs. 6:

„Werden durch Schwierigkeiten bei der Auslegung oder Anwendung dieser Verordnung die Rechte einer Person im Geltungsbereich der Verordnung in Frage gestellt, so setzt sich der Träger des zuständigen Mitgliedstaats oder des Wohnmitgliedstaats der betreffenden Person mit dem Träger des anderen betroffenen Mitgliedstaats oder den Trägern der anderen betroffenen Mitgliedstaaten in Verbindung. Wird binnen einer angemessenen Frist keine Lösung gefunden, so können die betreffenden Behörden die Verwaltungskommission befassen.“

B.   Verordnung Nr. 987/2009

9.

Der zu Titel I („Allgemeine Vorschriften“) der Verordnung Nr. 987/2009 gehörende Art. 5 („Rechtswirkung der in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Dokumente und Belege“) bestimmt:

„(1)   Vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, sind für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden.

(2)   Bei Zweifeln an der Gültigkeit eines Dokuments oder der Richtigkeit des Sachverhalts, der den im Dokument enthaltenen Angaben zugrunde liegt, wendet sich der Träger des Mitgliedstaats, der das Dokument erhält, an den Träger, der das Dokument ausgestellt hat, und ersucht diesen um die notwendige Klarstellung oder gegebenenfalls um den Widerruf dieses Dokuments. Der Träger, der das Dokument ausgestellt hat, überprüft die Gründe für die Ausstellung und widerruft das Dokument gegebenenfalls.

(3)   Bei Zweifeln an den Angaben der betreffenden Personen, der Gültigkeit eines Dokuments oder der Belege oder der Richtigkeit des Sachverhalts, der den darin enthaltenen Angaben zugrunde liegt, nimmt der Träger des Aufenthalts- oder Wohnorts, soweit dies möglich ist, nach Absatz 2 auf Verlangen des zuständigen Trägers die nötige Überprüfung dieser Angaben oder dieses Dokuments vor.

(4)   Erzielen die betreffenden Träger keine Einigung, so können die zuständigen Behörden frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt, zu dem der Träger, der das Dokument erhalten hat, sein Ersuchen vorgebracht hat, die Verwaltungskommission anrufen. Die Verwaltungskommission bemüht sich binnen sechs Monaten nach ihrer Befassung um eine Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte.“

10.

Der zu Titel II („Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften“) der Verordnung Nr. 987/2009 gehörende Art. 19 („Unterrichtung der betreffenden Personen und der Arbeitgeber“) bestimmt in Abs. 2:

„Auf Antrag der betreffenden Person oder ihres Arbeitgebers bescheinigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung anzuwenden sind, dass und gegebenenfalls wie lange und unter welchen Umständen diese Rechtsvorschriften anzuwenden sind.“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

11.

Die Alpenrind GmbH mit Sitz in Österreich ist eine im Geschäftszweig der Vieh- und Fleischvermarktung tätige Gesellschaft. Sie betreibt in Salzburg seit 1997 einen gepachteten Schlachthof.

12.

Im Jahr 2007 schloss Alpenrind (bzw. die S GmbH als deren Rechtsvorgängerin) mit der Martin-Meat Szolgáltató es Kereskedelmi Kft (im Folgenden: Martin-Meat) mit Sitz in Ungarn einen Vertrag, in dem sich diese zur Durchführung von Fleischzerlegungs- und Verpackungsarbeiten verpflichtete. Die Arbeiten wurden von nach Österreich entsandten Mitarbeitern in den Räumlichkeiten von Alpenrind ausgeführt ( 8 ). Martin-Meat führte diese Arbeiten bis zum 31. Januar 2012 durch.

13.

Am 24. Januar 2012 schloss Alpenrind mit der Martimpex-Meat Kft mit Sitz in Ungarn einen Vertrag, in dem sich Letztere zur Durchführung von Fleischzerlegungs- und Verpackungsarbeiten im Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. Januar 2014 verpflichtete. Diese Arbeiten wurden von nach Österreich entsandten Mitarbeitern in den Räumlichkeiten von Alpenrind ausgeführt.

14.

Ab dem 1. Februar 2014 beauftragte Alpenrind wiederum Martin-Meat, mit ihren Mitarbeitern die Fleischzerlegungsarbeiten in den genannten Einrichtungen durchzuführen.

15.

Für die im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 13. Dezember 2013 von Martimpex-Meat beschäftigten mehr als 250 Mitarbeiter stellte der zuständige ungarische Träger im Einklang mit den Art. 11 bis 16 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 19 der Verordnung Nr. 987/2009 portable Dokumente A1 zur Bescheinigung der Anwendung des ungarischen Systems der sozialen Sicherheit auf diese Arbeitnehmer aus. Das vorlegende Gericht führt aus, diese Dokumente seien „teilweise rückwirkend und teilweise in Fällen, in denen der österreichische Sozialversicherungsträger bereits mit (nicht rechtskräftigem) Bescheid eine Pflichtversicherung des betreffenden Mitarbeiters nach österreichischen Rechtsvorschriften festgestellt hatte“, ausgestellt worden ( 9 ). In diesen Dokumenten war jeweils Alpenrind als Arbeitgeber an dem Ort, an dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, genannt.

16.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2013 stellte die Salzburger Gebietskrankenkasse fest, dass die genannten Dienstnehmer während des streitgegenständlichen Zeitraums in Österreich nach den österreichischen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften pflichtversichert gewesen seien.

17.

Mit Erkenntnis vom 7. März 2016 hob das Bundesverwaltungsgericht (Österreich) den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse wegen deren Unzuständigkeit auf. Das vorlegende Gericht führt aus, dieses Erkenntnis sei u. a. damit begründet worden, dass „für jede der der österreichischen Pflichtversicherung unterworfenen Personen … ein [portables Dokument A1] des zuständigen ungarischen Sozialversicherungsträgers ausgestellt worden [sei], wonach die jeweilige Person ein ab einem bestimmten Zeitpunkt in Ungarn beschäftigter und pflichtversicherter Arbeitnehmer [von Martimpex-Meat] sei und voraussichtlich für die Dauer der in den jeweiligen Formularen angegebenen Zeiten, von denen die gegenständlichen Zeiträume umfasst seien, [zu Alpenrind] nach Österreich entsendet werde“.

18.

Die Salzburger Gebietskrankenkasse und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz haben gegen dieses Erkenntnis beim Verwaltungsgerichtshof Revision erhoben, in der sie eine absolute Bindungswirkung der portablen Dokumente A1 verneinen. Sie sind der Auffassung, die Bindungswirkung beruhe auf der Einhaltung des in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Diesen Grundsatz habe der zuständige ungarische Träger im vorliegenden Fall missachtet. In diesem Zusammenhang legte der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz im Revisionsverfahren Dokumente vor, aus denen sich ergibt, dass die Verwaltungskommission am 20. und 21. Juni 2016 zu dem Schluss gelangte, dass Ungarn sich zu Unrecht für die betreffenden Arbeitnehmer für zuständig erklärt habe und daher die portablen Dokumente A1 widerrufen werden sollten.

19.

Durch ihre Schlussfolgerungen vom 20. und 21. Juni 2016 nahm die Verwaltungskommission mit den Stimmen aller nicht am Streitfall beteiligten Delegationen die Stellungnahme des Vermittlungsausschusses der Verwaltungskommission (im Folgenden: Vermittlungsausschuss) vom 9. Mai 2016 über einen Streitfall zwischen der Republik Österreich und Ungarn an ( 10 ). Aus der Stellungnahme geht hervor, dass dem Verfahren vor der Verwaltungskommission ein mehrere Jahre zurückreichender Streitfall zwischen der Republik Österreich und Ungarn über die Bestimmung des auf die Arbeitnehmer, die von Martin-Meat und Martimpex-Meat im Rahmen ihrer Vereinbarungen mit Alpenrind nach Österreich entsandt wurden, anwendbaren Rechts zugrunde lag. Dieser Streitfall steht im Kontext einer allgemeineren Diskussion innerhalb der Verwaltungskommission über die Auslegung des Ablöseverbots in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ( 11 ).

20.

In seiner Stellungnahme vom 9. Mai 2016 stimmte der Vermittlungsausschuss dem Standpunkt der Republik Österreich zu und führte dazu im Wesentlichen aus, der Umstand, dass die betreffende Person von einem anderen Dienstgeber als dem des zuvor entsandten Dienstnehmers entsandt werde, könne die Einstufung dieses Falls als „Ablösung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 nicht ausschließen ( 12 ). Auf dieser Grundlage stellte der Vermittlungsausschuss fest, dass im fraglichen Fall die portablen Dokumente A1 für die ersetzenden Dienstnehmer zu Unrecht ausgestellt worden seien und grundsätzlich ab dem Zeitpunkt widerrufen werden müssten, zu dem der zuständige ungarische Träger informiert worden sei und die Belege für den Sachverhalt im Aufnahmemitgliedstaat erhalten habe. Der Vermittlungsausschuss erkannte jedoch an, dass der rückwirkende Widerruf der portablen Dokumente A1 beträchtliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten bereiten würde und nachteilige Wirkungen für die betroffenen Dienstnehmer hätte, und zog deshalb die Möglichkeit in Betracht, dass die Republik Österreich und Ungarn eine Einigung zu diesem Thema aushandeln ( 13 ).

21.

Unstreitig ist, dass die für die betreffenden Dienstnehmer ausgestellten portablen Dokumente A1 im Anschluss an das Verfahren vor der Verwaltungskommission seitens des zuständigen ungarischen Trägers nicht widerrufen oder für ungültig erklärt wurden. Dazu ist den Erklärungen der österreichischen und der ungarischen Regierung zu entnehmen, dass es zwischen den Behörden der beiden Mitgliedstaaten einen Dialog über die Modalitäten des Widerrufs dieser Dokumente gegeben habe, der aber zur Zeit bis zur Entscheidung des Gerichtshofs über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt sei.

22.

Mit Beschluss vom 14. September 2016, der am 14. Oktober 2016 beim Gerichtshof eingegangen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

23.

Die Salzburger Gebietskrankenkasse, Alpenrind, Martin Meat und Martimpex-Meat ( 14 ), die österreichische, die belgische, die tschechische, die deutsche, die irische, die ungarische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. In der mündlichen Verhandlung am 28. September 2017 haben sich die Salzburger Gebietskrankenkasse, Alpenrind, Martin Meat und Martimpex-Meat, die österreichische, die tschechische, die irische, die französische, die ungarische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission mündlich geäußert.

IV. Würdigung

A.   Zur ersten Vorlagefrage

24.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen ist, dass ein vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats im Einklang mit Art. 19 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestelltes portables Dokument A1, mit dem nach einer Bestimmung des Titels II der Verordnung Nr. 883/2004 der Anschluss des Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats bescheinigt wird, ein Gericht (im Sinne des Art. 267 AEUV) eines anderen Mitgliedstaats bindet ( 15 ).

25.

Wie alle Beteiligten, die gegenüber dem Gerichtshof hierzu Erklärungen abgegeben haben – mit Ausnahme der Salzburger Gebietskrankenkasse – ( 16 ), bin ich aus den folgenden Gründen der Auffassung, dass diese Frage zu bejahen ist ( 17 ).

26.

Zunächst ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Bescheinigung E 101 (der Vorläufer zum portablen Dokument A1 ( 18 )), solange sie nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird, in der internen Rechtsordnung des Mitgliedstaats gilt, in den sich der Arbeitnehmer zur Ausführung einer Arbeit begibt, und daher die Träger dieses Mitgliedstaats bindet. Demzufolge ist ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats nicht befugt, die Gültigkeit einer Bescheinigung E 101 anhand der Umstände, auf deren Grundlage sie ausgestellt wurde, zu überprüfen ( 19 ).

27.

Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist mit der derzeit geltenden Verordnung Nr. 987/2009 die Rechtsprechung des Gerichtshofs kodifiziert worden, indem darin der bindende Charakter der Bescheinigung E 101 und die ausschließliche Zuständigkeit des ausstellenden Trägers für die Beurteilung ihrer Gültigkeit verankert wurden ( 20 ). Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung sieht nämlich vor, dass vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden ( 21 ).

28.

Ich sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Unionsgesetzgeber mit dieser Kodifikation die Absicht verfolgte, die Bindungswirkung der von Art. 5 der Verordnung Nr. 987/2009 erfassten Dokumente auf die Sozialversicherungsträger der Mitgliedstaaten zu beschränken und somit von der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs abzuweichen, nach der die Bescheinigung E 101 auch die nationalen Gerichte der anderen Mitgliedstaaten bindet ( 22 ).

29.

Zwar werden die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 nicht erwähnt. Der Wortlaut dieser Bestimmung entspricht jedoch weitgehend den vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Bescheinigung E 101 verwendeten Formulierungen. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Bescheinigung E 101 den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitnehmer eine Arbeit ausführt, bindet und dass, solange die Bescheinigung nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird, dieser Träger dem Umstand Rechnung zu tragen hat, dass der Arbeitnehmer bereits dem Recht der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats unterliegt, in dem das Unternehmen, das ihn beschäftigt, niedergelassen ist; der Träger kann daher den fraglichen Arbeitnehmer nicht seinem eigenen System der sozialen Sicherheit unterwerfen ( 23 ). Außerdem sieht Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ausdrücklich vor, dass die von ihm erfassten Dokumente so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden, was den Schluss bestätigt, dass diese Bestimmung es einem anderen Mitgliedstaat nicht ermöglicht, durch seine Gerichte die Gültigkeit dieser Dokumente in Frage zu stellen.

30.

Auch die Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 987/2009 enthält keine Hinweise auf eine Absicht des Unionsgesetzgebers, von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 für die nationalen Gerichte abzuweichen. Vielmehr lässt sich dem Vorschlag, der zum Erlass dieser Verordnung führte, entnehmen, dass sie nur auf die Vereinfachung und Modernisierung der Verordnung Nr. 574/72 abzielte ( 24 ).

31.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich nach dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 987/2009 die darin vorgesehenen Maßnahmen und Verfahren „aus der Rechtsprechung des [Gerichtshofs], aus den Beschlüssen der Verwaltungskommission und aus über dreißig Jahren Praxis in der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit im Rahmen der im Vertrag verankerten Grundfreiheiten“ ergeben ( 25 ). Dies lässt die Annahme zu, dass der Unionsgesetzgeber eine etwaige Absicht, von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 abzuweichen, ausdrücklich kundgetan hätte.

32.

Schließlich ist zu dem vom vorlegenden Gericht angesprochenen Art. 6 der Verordnung Nr. 987/2009 festzustellen, dass diese Bestimmung die vorläufige Anwendung der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats im Bereich der sozialen Sicherheit vorsieht, wenn zwischen den Trägern oder Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten eine Meinungsverschiedenheit darüber besteht, welche Rechtsvorschriften anzuwenden sind ( 26 ). Ich sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Unionsgesetzgeber die Absicht gehabt hätte, mit dieser Bestimmung die Bindungswirkung der von Art. 5 der Verordnung erfassten Dokumente zu beschränken. Insoweit ist festzustellen, dass Art. 6 nach seinem Abs. 1 Anwendung findet, „sofern in der [Verordnung Nr. 987/2009] nichts anderes bestimmt ist“ ( 27 ).

33.

Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass der Verordnung Nr. 987/2009 und insbesondere ihres Art. 5 Abs. 1 lediglich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 kodifizieren wollte. Deshalb halte ich diese Rechtsprechung für entsprechend auf die portablen Dokumente A1 anwendbar.

34.

Darüber hinaus bestünde bei einer die Bindungswirkung des portablen Dokuments A1 auf die Sozialversicherungsträger der Mitgliedstaaten beschränkenden Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 die Gefahr, dieser Bestimmung die praktische Wirksamkeit zu nehmen. Wie der Gerichtshof in Bezug auf die Bescheinigung E 101 festgestellt hat, wäre das auf der loyalen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Trägern der Mitgliedstaaten beruhende System gefährdet, wenn der zuständige nationale Träger des Aufnahmemitgliedstaats des betreffenden Arbeitnehmers die Bescheinigung von einem Gericht dieses Staates für ungültig erklären lassen könnte ( 28 ).

35.

Hierzu ist festzustellen, dass der frühere, aus den Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 bestehende Regelungsrahmen zwar keine Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 entsprechende Bestimmung enthielt, doch stützte der Gerichtshof seine Rechtsprechung zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 insbesondere auf den in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 (dem nunmehr Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 entspricht ( 29 )) niedergelegten Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts im Bereich der sozialen Sicherheit sowie auf den Grundsatz der Rechtssicherheit für die innerhalb der Union zu- und abwandernden Personen und die aus dem Prinzip der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 3 EUV resultierenden Verpflichtungen ( 30 ). Diese Erwägungen behalten meines Erachtens im Rahmen der Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 ihre volle Gültigkeit.

36.

In Anbetracht dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen ist, dass das vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats im Einklang mit Art. 19 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestellte portable Dokument A1, mit dem nach einer Bestimmung des Titels II der Verordnung Nr. 883/2004 der Anschluss des Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats bescheinigt wird, ein Gericht (im Sinne des Art. 267 AEUV) eines anderen Mitgliedstaats ( 31 ) bindet, solange es nicht widerrufen oder für ungültig erklärt wird.

B.   Zur zweiten Vorlagefrage

37.

Die nur für den Fall der Bejahung der ersten Frage gestellte zweite Vorlagefrage gliedert sich in zwei Teile, die zwei recht spezielle Fallkonstellationen betreffen. Im ersten Teil fragt das vorlegende Gericht nach der Bindungswirkung des portablen Dokuments A1 für den Fall, dass ein Verfahren vor der Verwaltungskommission stattgefunden hat (Buchst. a der zweiten Vorlagefrage). Im zweiten Teil möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das portable Dokument A1 Bindungswirkung entfaltet, wenn es nach dem Anschluss des betreffenden Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellt wurde, und, wenn ja, ob das Dokument in diesem Fall rückwirkend gilt (Buchst. b der zweiten Vorlagefrage). Ich werde diese beiden Fallkonstellationen nacheinander behandeln.

1. Erste Fallkonstellation: Verfahren vor der Verwaltungskommission (Buchst. a der zweiten Vorlagefrage)

38.

Buchst. a der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts bezieht sich auf die Bindungswirkung des portablen Dokuments A1, wenn ein vorangegangenes Verfahren vor der Verwaltungskommission weder zu einer Einigung noch zu einem Widerruf der streitigen Dokumente geführt hat.

39.

In seiner Begründung führt das vorlegende Gericht aus, diese Frage ziele darauf ab, „ob nicht zumindest nach einem Verfahren vor der Verwaltungskommission, das weder zu einer Einigung (in dem Sinn, dass nunmehr die Träger beider Mitgliedstaaten von der Gültigkeit und Richtigkeit der Bescheinigung ausgehen) geführt noch bewirkt hat, dass das strittige Dokument zurückgezogen wird (sei es, weil es zu keiner entsprechenden Empfehlung der Verwaltungskommission gekommen ist, sei es, weil der ausstellende Träger der Empfehlung nicht Folge leistet), die Bindungswirkung des Dokuments durchbrochen und die Möglichkeit eines Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung eröffnet wird“.

40.

Aus der Vorlageentscheidung und den dem Gerichtshof unterbreiteten Erklärungen geht hervor, dass im vorliegenden Fall die betroffenen Mitgliedstaaten die Verwaltungskommission angerufen haben, die daraufhin eine Entscheidung über den Widerruf der fraglichen portablen Dokumente A1 traf, dass der zuständige ungarische Träger die Dokumente aber im Anschluss an das Verfahren vor der Kommission nicht widerrief ( 32 ).

41.

Unter diesen Umständen zielt Buchst. a der zweiten Vorlagefrage nach meinem Verständnis im Wesentlichen darauf ab, ob das portable Dokument A1 seine Bindungswirkung auch in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden behält, in der die Verwaltungskommission eine Entscheidung über den Widerruf dieses Dokuments erlassen hat, der ausstellende Träger es aber nicht widerrufen hat ( 33 ).

42.

Die Salzburger Gebietskrankenkasse sowie die österreichische, die belgische, die tschechische ( 34 ) und die französische Regierung schlagen im Wesentlichen vor, diese Frage zu verneinen. Insoweit machen diese Parteien und Beteiligten insbesondere geltend, dass der ausstellende Träger gegen den in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten verstoße, wenn er das portable Dokument A1 nicht im Einklang mit einer Entscheidung der Verwaltungskommission für ungültig erkläre oder widerrufe. Die übrigen Parteien und Beteiligten, die Erklärungen an den Gerichtshof gerichtet haben, bringen hingegen vor, dass das Verfahren vor der Verwaltungskommission keinen Einfluss auf die Bindungswirkung des portablen Dokuments A1 haben könne. Dies ist auch meine Überzeugung, und zwar aus folgenden Gründen.

43.

Zunächst ist festzustellen, dass sich die vorliegende Rechtssache darin von derjenigen unterscheidet, die dem Urteil A‑Rosa Flussschiff ( 35 ) zugrunde lag, als vorliegend die betroffenen Mitgliedstaaten das Verfahren vor der Verwaltungskommission angestrengt haben, die eine Entscheidung über den Widerruf der fraglichen portablen Dokumente A1 erlassen hat ( 36 ). Meines Erachtens kann dieser Unterschied jedoch nicht den in diesem Urteil aus einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 37 ) gezogenen Schluss berühren, wonach die Bescheinigung E 101 (nunmehr das portable Dokument A1) sowohl die Sozialversicherungsträger des Mitgliedstaats, in dem die Arbeit ausgeführt wird, bindet als auch die Gerichte dieses Mitgliedstaats.

44.

Ich bin nämlich der Ansicht, dass eine Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009, wonach das portable Dokument A1 seine Bindungswirkung in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens verliert, de facto darauf hinausliefe, den Entscheidungen der Verwaltungskommission Verbindlichkeit zuzuschreiben. Ich halte dieses Ergebnis für unvereinbar mit dem derzeitigen Regelungsrahmen.

45.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich nach den Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Romano ( 38 ) sowohl aus den primärrechtlichen Bestimmungen über die Befugnisse, die der Rat der Europäischen Union der Kommission zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt, als auch aus dem durch den EWG-Vertrag geschaffenen Rechtsschutzsystem ergibt, dass eine Stelle wie die Verwaltungskommission vom Rat nicht ermächtigt werden kann, „Rechtsakte mit normativem Charakter“ zu erlassen. Der Gerichtshof hat hinzugefügt, dass der Beschluss einer derartigen Stelle für die Einrichtungen, denen die Durchführung des Unionsrechts übertragen ist, zwar ein Hilfsmittel darstellen kann, aber nicht geeignet ist, sie zu verpflichten, bei der Anwendung des Unionsrechts bestimmte Methoden zu verwenden oder von einer bestimmten Auslegung auszugehen. Daraus hat der Gerichtshof geschlossen, dass der von der Verwaltungskommission erlassene streitige Beschluss das vorlegende Gericht „nicht bindet“ ( 39 ).

46.

Zwar kann man sich fragen, ob diese Rechtsprechung im Anschluss an die insbesondere durch den Vertrag von Lissabon vorgenommenen primärrechtlichen Änderungen fortgilt, vor allem hinsichtlich der Möglichkeit, einer Einrichtung wie der Verwaltungskommission die Befugnis zum Erlass von Handlungen mit Rechtswirkung zu verleihen ( 40 ), doch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Unionsgesetzgeber tatsächlich die Absicht gehabt hätte, der Verwaltungskommission eine solche Befugnis einzuräumen.

47.

Art. 72 der Verordnung Nr. 883/2004, in dem die Aufgaben der Verwaltungskommission aufgezählt werden, sieht nämlich in Buchst. a vor, dass sie „alle Verwaltungs- und Auslegungsfragen [behandelt], die sich aus [der Verordnung Nr. 883/2004] oder der [Verordnung Nr. 987/2009] oder in deren Rahmen geschlossenen Abkommen oder getroffenen Vereinbarungen ergeben; jedoch bleibt das Recht der betreffenden Behörden, Träger und Personen, die Verfahren und Gerichte in Anspruch zu nehmen, die nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, nach [der Verordnung Nr. 883/2004] sowie nach dem Vertrag vorgesehen sind, unberührt“ ( 41 ). Zu der fast identischen Bestimmung in Art. 43 der früheren Verordnung Nr. 3 ( 42 ) hat sich der Gerichtshof wie folgt geäußert: „Die … Frage …, welche Autorität den Beschlüssen der Verwaltungskommission zukommt, … wird bereits durch den Wortlaut des Artikels 43 beantwortet. … Diese Fassung lässt die Befugnisse der zuständigen Gerichte unberührt, über Gültigkeit und Inhalt der [Bestimmungen der Verordnung Nr. 3] zu entscheiden. Sie erkennt den diesbezüglichen Beschlüssen der Verwaltungskommission nur den Rang von Gutachten zu.“ ( 43 )

48.

Überdies bestimmt Art. 76 Abs. 6 der Verordnung Nr. 883/2004 hinsichtlich der Einleitung des Verfahrens vor der Verwaltungskommission, dass die betreffenden Behörden sie befassen können, wenn binnen einer angemessenen Frist keine Lösung gefunden wird. Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 987/2009 ergänzt, dass sich die Verwaltungskommission binnen sechs Monaten nach ihrer Befassung um eine Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte bemüht ( 44 ). Die auch in Art. 6 Abs. 3 der Verordnung 987/2009 sowie im Beschluss A1 der Verwaltungskommission ( 45 ) verwendeten Worte „bemüht sich … um eine Annäherung“ deuten in meinen Augen klar auf den unverbindlichen Charakter des Verfahrens vor dieser Kommission hin ( 46 ).

49.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bescheinigung E 101 scheint mir ebenfalls auf der Prämisse zu beruhen, dass die Entscheidungen der Verwaltungskommission keine bindende Wirkung haben. In dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof herausgearbeitet, welche Möglichkeiten einem Mitgliedstaat bei Uneinigkeit mit einem oder mehreren Mitgliedstaaten hinsichtlich der in einem konkreten Fall anwendbaren Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit zur Verfügung stehen ( 47 ). Seines Erachtens ist zunächst der Weg des Dialogs mit dem Träger zu suchen, der das betreffende Dokument ausgestellt hat. Wenn die betreffenden Träger nicht zu einer Einigung gelangen, können sie sich in einem zweiten Schritt an die Verwaltungskommission wenden. Gelingt es dieser nicht, zwischen den Standpunkten der zuständigen Träger zu vermitteln, bleibt für den Aufnahmemitgliedstaat schließlich die Möglichkeit – unbeschadet einer etwaigen Beschreitung des Rechtswegs im Mitgliedstaat des ausstellenden Trägers –, gemäß Art. 259 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren beim Gerichtshof einzuleiten ( 48 ). Hingegen hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang nicht die Möglichkeit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gegen die Entscheidung der Verwaltungskommission erwogen, was in meinen Augen aber logisch gewesen wäre, wenn er von einer bindenden Wirkung ihrer Entscheidungen ausgegangen wäre ( 49 ).

50.

Aus den vorstehenden Erwägungen schließe ich, dass beim aktuellen Stand der durch die Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 geschaffenen Regelung die Entscheidungen der Verwaltungskommission über einen Streitfall zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten, der die in einem konkreten Fall anwendbaren Rechtsvorschriften betrifft, keinen bindenden Charakter aufweisen. Daraus folgt meiner Ansicht nach, dass das Verfahren vor der Verwaltungskommission keinen Einfluss auf die Bindungswirkung des portablen Dokuments A1 haben kann.

51.

Mit anderen Worten halte ich das portable Dokument A1 auch in einer Konstellation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die betreffenden Mitgliedstaaten die Verwaltungskommission gemäß Art. 76 Abs. 6 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 987/2009 ( 50 ) angerufen haben und diese Kommission eine Entscheidung über den Widerruf des portablen Dokuments A1 getroffen hat, für bindend, solange es nicht vom ausstellenden Träger widerrufen oder für ungültig erklärt wird.

52.

Dies gilt meines Erachtens unabhängig von einer etwaigen Missachtung der Verpflichtungen, die sich aus dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ergeben, durch den Mitgliedstaat des ausstellenden Trägers im Rahmen des Verfahrens vor der Verwaltungskommission. Meint der Aufnahmemitgliedstaat, der andere Mitgliedstaat habe gegen seine unionsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen, steht es ihm frei, eine Vertragsverletzungsklage gemäß Art. 259 AEUV zu erheben oder die Kommission aufzufordern, selbst gegen diesen Mitgliedstaat vorzugehen ( 51 ).

53.

In Anbetracht dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf Buchst. a der zweiten Vorlagefrage zu antworten, dass das portable Dokument A1 seine Bindungswirkung auch in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden behält, in der die Verwaltungskommission eine Entscheidung über den Widerruf dieses Dokuments erlassen hat, der ausstellende Träger es aber nicht widerrufen hat.

2. Zweite Fallkonstellation: Rückwirkung des portablen Dokuments A1 (Buchst. b der zweiten Vorlagefrage)

54.

Mit Buchst. b seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das portable Dokument A1 auch dann Bindungswirkung entfaltet, wenn es nach dem Anschluss des betreffenden Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellt wurde, und, wenn ja, ob das Dokument in diesem Fall rückwirkend gilt.

55.

Zunächst ist festzustellen, dass diese Frage keinen hypothetischen Charakter hat, wie die ungarische Regierung meint. Sie macht insbesondere geltend, im vorliegenden Fall sei nicht dargetan worden, dass der zuständige ungarische Träger portable Dokumente A1 rückwirkend ausgestellt habe, nachdem die österreichischen Behörden den Anschluss der betreffenden Arbeitnehmer an das österreichische System der sozialen Sicherheit festgestellt hätten.

56.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV nur befugt ist, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung einer Unionsvorschrift zu äußern. Der Gerichtshof ist folglich nicht befugt, über den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zu entscheiden, da dafür ausschließlich das nationale Gericht zuständig ist ( 52 ). Das vorlegende Gericht hat aber in seiner Vorlageentscheidung ausgeführt, dass die fraglichen portablen Dokumente A1 teilweise rückwirkend und teilweise nach Feststellung der Pflichtversicherung der betreffenden Mitarbeiter im österreichischen Sozialversicherungssystem ausgestellt worden seien ( 53 ). Folglich ist Buchst. b der zweiten Vorlagefrage zu beantworten.

57.

Wie Alpenrind, Martin Meat, Martimpex-Meat, die tschechische, die irische, die ungarische und die polnische Regierung sowie die Kommission bin ich entgegen der Salzburger Gebietskrankenkasse sowie der österreichischen, der belgischen und der deutschen Regierung ( 54 ) der Auffassung, dass diese Frage zu bejahen ist. Aus den im Folgenden dargelegten Gründen ist das portable Dokument A1 nämlich auch dann bindend, wenn es erst nach dem Anschluss des betreffenden Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit des Ausnahmemitgliedstaats ausgestellt wurde, und kann in einem solchen Fall Rückwirkung entfalten.

58.

Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen, dass die Bescheinigung E 101 Rückwirkung haben kann. Dabei hat der Gerichtshof festgestellt, dass der zuständige Träger mit der Ausstellung einer solchen Bescheinigung nur erklärt, dass der betreffende Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum, während dessen er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine Arbeit ausführt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats dieses Trägers unterstellt bleibt. Der Gerichtshof hat hinzugefügt, eine solche Erklärung sollte zwar vor Beginn des betreffenden Zeitraums abgegeben werden, dies kann aber auch während dieses Zeitraums und sogar nach dessen Ablauf geschehen. Damit spricht nichts dagegen, dass die Bescheinigung E 101 gegebenenfalls Rückwirkung entfaltet ( 55 ).

59.

Diese Rechtsprechung ist meines Erachtens mutatis mutandis auf den neuen Regelungsrahmen übertragbar ( 56 ). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Art. 15 der Verordnung Nr. 987/2009, der das Verfahren für die Anwendung u. a. von Art. 12 der Verordnung Nr. 883/2004 regelt, in Abs. 1 ausdrücklich bestimmt, dass „der Arbeitgeber einer Person, die ihre Tätigkeit in einem anderen als dem nach Titel II der [Verordnung Nr. 883/2004] zuständigen Mitgliedstaat ausübt, oder die betreffende Person selbst, wenn diese keine Beschäftigung als Arbeitnehmer ausübt, den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften die Person unterliegt, darüber [unterrichtet]; diese Unterrichtung erfolgt im Voraus, wann immer dies möglich ist. Dieser Träger stellt der betreffenden Person die Bescheinigung nach Artikel 19 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 987/2009] aus und macht dem von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, bezeichneten Träger unverzüglich Informationen über die Rechtsvorschriften zugänglich, denen diese Person nach … Artikel 12 der [Verordnung Nr. 883/2004] unterliegt.“ ( 57 )

60.

Das vorlegende Gericht wirft allerdings die Frage auf, ob das portable Dokument A1 auch dann Bindungswirkung entfaltet, wenn es erst nach Feststellung der Pflichtversicherung des betreffenden Arbeitnehmers im System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellt wird. Seines Erachtens könnte nämlich die Auffassung vertreten werden, dass auch Schriftstücke, mit denen diese Pflichtversicherung festgestellt wird, „Dokumente“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 seien, was bedeuten würde, dass auch sie Bindungswirkung gegenüber den Behörden der anderen Mitgliedstaaten entfalten würden.

61.

Diese Begründung vermag mich nicht zu überzeugen.

62.

Erstens scheint mir eine solche Auslegung nicht mit dem Wortlaut der Verordnung Nr. 987/2009 im Einklang zu stehen. Wie bereits dargelegt, bezieht sich ihr Art. 5 Abs. 1 auf vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 bescheinigt wird, sowie auf Belege ( 58 ). Ein Bescheid, mit dem die Pflichtversicherung einer Person im System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats festgestellt wird, „bescheinigt“ aber nicht den Status dieser Person im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009, sondern zielt nach meinem Verständnis eher darauf ab, den Rechtsstatus dieser Person zu gestalten. Überdies bescheinigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Verordnung Nr. 883/2004 anzuwenden sind, gemäß Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 auf Antrag der betreffenden Person oder ihres Arbeitgebers, dass diese Rechtsvorschriften anzuwenden sind ( 59 ). Ein Bescheid, mit dem die Pflichtversicherung einer Person im System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats festgestellt wird, ergeht jedoch nicht „auf Antrag der betreffenden Person oder ihres Arbeitgebers“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung, sondern von Amts wegen auf Initiative der betreffenden Behörden.

63.

Zweitens ist, wie ich in den vorliegenden Schlussanträgen bereits dargelegt habe, davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 kodifizieren wollte ( 60 ). Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf die Bescheinigung E 101 (an deren Stelle das portable Dokument A1 getreten ist) und nicht auf andere Arten von Dokumenten ( 61 ). Darüber hinaus scheint mir in diesem Zusammenhang, dass es im Urteil Banks u. a. um einen ähnlichen Sachverhalt wie im Ausgangsverfahren ging, in dem die betreffenden Bescheinigungen E 101 zumindest teilweise nach dem Anschluss der betroffenen Arbeitnehmer an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellt worden waren ( 62 ). Dieser Umstand wirkte sich jedoch nicht auf die Beurteilung des Gerichtshofs aus, wonach diese Bescheinigungen bindende Wirkung hatten.

64.

Drittens könnte eine Auslegung, wonach ein Bescheid über die Feststellung der Pflichtversicherung einer Person im System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats als „Dokument“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 eingestuft werden kann, meines Erachtens zu unangemessenen oder sogar willkürlichen Ergebnissen führen. Wie die polnische Regierung ausführt, könnte ein solcher Ansatz nämlich einen Wettlauf zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auslösen, bei dem jede von ihnen bestrebt wäre, als erste einen Bescheid über die Versicherung in ihrem eigenen System der sozialen Sicherheit zu erlassen, was die Rechtssicherheit der betroffenen Personen beeinträchtigen könnte ( 63 ). Jeder Mitgliedstaat hätte dann nämlich ein finanzielles Interesse daran, den anderen zuvorzukommen.

65.

In Anbetracht dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf Buchst. b der zweiten Vorlagefrage zu antworten, dass das portable Dokument A1 auch dann Bindungswirkung entfaltet, wenn es nach dem Anschluss des betreffenden Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellt wurde, und dass es in einem solchen Fall rückwirkend gelten kann.

66.

Insoweit ist hinzuzufügen, dass die Frage, ob der ausstellende Träger durch die Ausstellung des portablen Dokuments A1 nach der Feststellung der Pflichtversicherung des betreffenden Arbeitnehmers im System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats möglicherweise seine Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV verletzt hat oder ob die betroffenen Behörden in einem solchen Fall auf Art. 6 der Verordnung Nr. 987/2009 hätten zurückgreifen müssen, keine Auswirkung auf die Bindungswirkung dieses Dokuments hat ( 64 ). Wie bereits ausgeführt, steht es einem Mitgliedstaat, wenn er der Auffassung ist, ein anderer Mitgliedstaat habe gegen seine unionsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen, frei, eine Vertragsverletzungsklage gemäß Art. 259 AEUV zu erheben ( 65 ).

C.   Zur dritten Vorlagefrage

1. Gegenstand der Frage und vorgeschlagene Auslegungen

67.

Die dritte Vorlagefrage betrifft die Auslegung des in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 aufgestellten Ablöseverbots ( 66 ). Das vorlegende Gericht hat diese Frage nur für den Fall gestellt, dass das portable Dokument A1 unter bestimmten Umständen nur beschränkte Bindungswirkung hätte. Angesichts der von mir vorgeschlagenen Antworten auf die erste und die zweite Vorlagefrage bedarf die dritte Vorlagefrage daher grundsätzlich keiner Beantwortung.

68.

Gleichwohl werde ich nachfolgend der Vollständigkeit halber und angesichts dessen, dass die dritte Vorlagefrage im Mittelpunkt des den Hintergrund des Ausgangsrechtsstreits bildenden Streitfalls zwischen der Republik Österreich und Ungarn ( 67 ) steht, auf diese Frage eingehen.

69.

Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet: „Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst.“ ( 68 ) Während des streitgegenständlichen Zeitraums wurden die Worte „diese Person nicht eine andere Person ablöst“ durch die Worte „diese Person nicht eine andere entsandte Person ablöst“ ersetzt ( 69 ).

70.

Das vorlegende Gericht hegt Zweifel hinsichtlich der Tragweite dieses Ablöseverbots und insbesondere in Bezug darauf, ob es in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens verletzt wird, wenn die Ablösung nicht in Form einer Entsendung durch denselben Arbeitgeber erfolgt, sondern durch einen weiteren Arbeitgeber. Hierzu führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die von Martimpex-Meat während des streitgegenständlichen Zeitraums entsandten Personen zwar keine Arbeitnehmer dieser Gesellschaft, aber möglicherweise solche von Martin-Meat ersetzt hätten ( 70 ). Ferner möchte der Verwaltungsgerichtshof wissen, ob es insoweit eine Rolle spielt, ob die beiden Arbeitgeber ihren Sitz im selben Mitgliedstaat haben (Buchst. a der dritten Vorlagefrage) oder ob zwischen ihnen personelle und/oder organisatorische Verflechtungen bestehen (Buchst. b der dritten Vorlagefrage).

71.

Vor dem Gerichtshof werden zwei Thesen zur Auslegung des Ablöseverbots in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 vertreten.

72.

Nach einem ersten, von der Salzburger Gebietskrankenkasse, der österreichischen, der belgischen, der tschechischen, der deutschen und der französischen Regierung sowie der Kommission vertretenen Ansatz steht das Ablöseverbot jeglicher Ablösung entsandter Arbeitnehmer entgegen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Arbeitnehmer von demselben oder von verschiedenen Arbeitgebern entsandt werden. Demzufolge würde gegen dieses Verbot verstoßen, wenn Arbeitgeber B einen Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedstaat zur Ausführung einer Arbeit entsendet, die zuvor von einem durch Arbeitgeber A entsandten Arbeitnehmer ausgeführt worden war, ohne dass es eine Rolle spielen würde, ob die beiden Arbeitgeber ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat haben oder ob zwischen ihnen personelle und/oder organisatorische Verflechtungen bestehen. Diese weite Auslegung des Ablöseverbots entspricht mutatis mutandis derjenigen im Praktischen Leitfaden der Verwaltungskommission ( 71 ).

73.

Nach einem zweiten, von Alpenrind sowie der ungarischen und der polnischen Regierung vertretenen Ansatz ist das Ablöseverbot enger auszulegen. Es würde im Fall von Entsendungen durch verschiedene Arbeitgeber gewahrt, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob die betreffenden Arbeitgeber ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat haben ( 72 ).

74.

Die beiden Ansätze beruhen auf ganz unterschiedlichen Perspektiven. Nach dem ersten Ansatz ist das Ablöseverbot nicht nur aus dem Blickwinkel des Herkunftsmitgliedstaats zu betrachten, sondern auch aus dem des Aufnahmemitgliedstaats. Das Verbot würde demnach verhindern, dass bestimmte Aufgaben oder Funktionen im Aufnahmemitgliedstaat ständig von entsandten Arbeitnehmern wahrgenommen werden, die nicht dem System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats unterliegen.

75.

In der Praxis bedeutet dieser Ansatz zum einen, dass der Arbeitgeber B daran gehindert ist, sich bei der Entsendung seiner Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedstaat zur Erbringung einer Dienstleistung auf die Regelung in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 zu berufen, wenn der Arbeitgeber A zuvor diese Regelung zur Erbringung derselben Dienstleistung in diesem Mitgliedstaat in Anspruch genommen hat. Zum anderen ist der Dienstleistungsempfänger im Aufnahmemitgliedstaat (d. h. im vorliegenden Fall Alpenrind) daran gehindert, auf sukzessive gesonderte Verträge mit verschiedenen Unternehmen über die Ausführung derselben Arbeiten durch entsandte Arbeitnehmer zurückzugreifen, die nicht dem System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats unterliegen.

76.

Der zweite Ansatz beruht hingegen auf der Perspektive des Herkunftsmitgliedstaats und des die Arbeitnehmer entsendenden Arbeitgebers. Danach kommt es ausschließlich darauf an, ob aus der Sicht des Arbeitgebers eine Ablöse der entsandten Arbeitnehmer vorliegt oder nicht.

77.

Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht keinen Anhaltspunkt dafür geliefert hat, dass der Sachverhalt, mit dem es im Ausgangsrechtsstreit befasst ist, einen Betrug oder einen Rechtsmissbrauch darstellen könnte ( 73 ). Ich gehe daher davon aus, dass sich die dritte Vorlagefrage nicht auf die Sonderfälle des Betrugs oder des Missbrauchs bezieht.

78.

Sodann ist festzustellen, dass die Vorlageentscheidung keinen Anhaltspunkt dafür enthält, dass es im vorliegenden Fall personelle und/oder organisatorische Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern Martin-Meat und Martimpex-Meat gibt, oder gegebenenfalls Angaben über die Art solcher Verflechtungen ( 74 ). Gleichwohl möchte das vorlegende Gericht mit Buchst. b der dritten Vorlagefrage wissen, welche Bedeutung solche Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern für die Auslegung des Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 haben ( 75 ).

79.

In der folgenden Analyse werde ich zunächst untersuchen, ob das Ablöseverbot in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004, sofern es keine personellen und/oder organisatorischen Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern gibt, einer Entsendung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat zur Ausführung einer Arbeit entgegensteht, die zuvor durch einen von einem anderen Arbeitgeber entsandten Arbeitnehmer ausgeführt worden war (Abschnitt 2).

80.

Schon an dieser Stelle sei gesagt, dass diese Frage meines Erachtens zu verneinen ist. Nach meiner Auffassung entbehrt nämlich die weite Auslegung des Ablöseverbots aus den im Folgenden dargestellten Gründen einer Grundlage, so dass nichts den Arbeitgeber B an einer Entsendung im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 hindert, wenn der Arbeitgeber A zuvor eine solche Entsendung vorgenommen hatte.

81.

Zweitens werde ich die Buchst. a und b der dritten Vorlagefrage prüfen, mit denen das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob es etwas an der Beantwortung der dritten Vorlagefrage ändern kann, wenn zum einen die Arbeitgeber ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat haben und zum anderen zwischen ihnen personelle und/oder organisatorische Verflechtungen bestehen. Vor diesem Hintergrund werde ich erstens die Gründe erläutern, aus denen ich dem Sitzort jedes der betroffenen Arbeitgeber keine Bedeutung für das Ablöseverbot beimesse (Abschnitt 3). Zweitens werde ich kurz auf den Fall eingehen, dass zwischen den betroffenen Arbeitgebern personelle und/oder organisatorische Verflechtungen bestehen (Abschnitt 4).

2. Zur Auslegung von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004

a) Zu der in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehenen Regelung

82.

Die Bestimmungen von Titel II der Verordnung Nr. 883/2004, zu dem Art. 12 Abs. 1 gehört, bilden ein vollständiges und einheitliches System von Kollisionsnormen, das bezweckt, Arbeitnehmer, die innerhalb der Union zu- und abwandern, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats zu unterwerfen, so dass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden ( 76 ).

83.

Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 enthält die Grundregel für die Zuordnung, nach der eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt (lex loci laboris) ( 77 ). Gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung unterliegt jedoch eine von ihrem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandte Person weiterhin den Rechtsvorschriften des Herkunftsmitgliedstaats. Mit anderen Worten sieht Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 die Möglichkeit für den Arbeitgeber vor, seine Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen in einen anderen Mitgliedstaat zu entsenden, ohne sie dem System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats unterwerfen zu müssen.

84.

Art. 12 Abs. 1 soll insbesondere den freien Dienstleistungsverkehr zugunsten von Unternehmen fördern, die davon Gebrauch machen, indem sie Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten als den Staat ihrer Betriebsstätte entsenden. Er soll nämlich Hindernisse für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer überwinden helfen sowie die gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung fördern und dabei administrative Schwierigkeiten insbesondere für die Arbeitnehmer und die Unternehmen vermeiden ( 78 ).

85.

Klarzustellen ist, dass entgegen dem Vorbringen der Salzburger Gebietskrankenkasse, der österreichischen, der belgischen, der tschechischen, der deutschen und der französischen Regierung sowie der Kommission Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 nicht als „Ausnahme“ qualifiziert werden kann. Wie ausdrücklich aus seiner Überschrift hervorgeht, stellt er nämlich eine Sonderregelung für einen Spezialfall dar, der ein anderes Zuordnungskriterium rechtfertigt ( 79 ). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof zu Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 (dem Vorgänger von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 883/2004) ausgeführt, dass „die ausnahmslose Anwendung des in Art. 13 Abs. 2 Buchst. a [der Verordnung Nr. 1408/71] [(nunmehr Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004)] aufgestellten allgemeinen Grundsatzes in bestimmten Sonderfällen sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber und die Sozialversicherungseinrichtungen zur Schaffung statt zur Vermeidung administrativer Schwierigkeiten führen [könnte], die eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Personen bewirken würden, die unter die genannte Verordnung fallen … Für derartige Fälle enthält Art. 14 der Verordnung Nr. 1408/71 [(nunmehr Art. 12 der Verordnung Nr. 883/2004)] Sondervorschriften.“ ( 80 )

86.

Unter diesen Umständen besteht meines Erachtens kein Grund zu einer besonders engen Auslegung von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004.

b) Das Ablöseverbot in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004

87.

Gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 unterliegt die entsandte Person weiterhin dem System der sozialen Sicherheit des Herkunftsmitgliedstaats, sofern sie insbesondere „nicht eine andere entsandte Person ablöst“.

88.

Dieses Ablöseverbot fand sich nicht in der ursprünglichen Fassung von Art. 13 Buchst. a der Verordnung Nr. 3 (dem Vorgänger von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004), wurde aber durch die Verordnung Nr. 24/64/EWG ( 81 ) in ihren Wortlaut eingefügt. Im ersten Erwägungsgrund der letztgenannten Verordnung heißt es: „Die Anwendung des Artikels 13 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 3 … hat zu Missbräuchen geführt; es ist daher angebracht, Buchstabe a) dieses Artikels zu ändern, um derartigen Missbräuchen Einhalt zu gebieten; hierbei müssen die entsandten Arbeitnehmer jedoch die Möglichkeit behalten, dass die Rechtsvorschriften des gewöhnlichen Beschäftigungslandes weiterhin auf sie angewandt werden.“

89.

Nach meinem Verständnis der Entstehungsgeschichte des Ablöseverbots wollte der Unionsgesetzgeber mit ihm eine offensichtliche Lücke in der Verordnung Nr. 3 schließen, die darin bestand, dass manche Arbeitgeber die Bedingung hinsichtlich der Entsendedauer umgingen ( 82 ), indem sie die erforderlichen Auswechslungen ihres entsandten Personals vornahmen, um es weiterhin den Rechtsvorschriften des Herkunftsmitgliedstaats unterwerfen zu können, in dem die Sozialkosten niedriger waren als im Aufnahmemitgliedstaat ( 83 ). Später wurde das Ablöseverbot ohne wesentliche Änderungen in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 und dann in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 beibehalten ( 84 ).

90.

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der Unionsgesetzgeber durch die Einführung des Ablöseverbots auch andere Situationen verhindern wollte als die, in der derselbe Arbeitgeber zur Umgehung der die Entsendedauer betreffenden Bedingung Auswechslungen seines entsandten Personals vornimmt, und vor allem, ob er aufeinanderfolgende Entsendungen durch verschiedene Arbeitgeber verbieten wollte.

91.

Meines Erachtens ist dies nicht der Fall.

92.

Erstens ist weder im Wortlaut der Verordnungen Nrn. 3, 1408/71 und 883/2004 noch in ihrer Entstehungsgeschichte ein Hinweis auf einen derartigen Willen des Gesetzgebers zu finden.

93.

Auch wenn der Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004, wonach es nicht zulässig ist, dass die entsandte Person „eine andere entsandte Person ablöst“, nicht eindeutig ist, spricht er meines Erachtens doch für die Auslegung, nach der das Ablöseverbot nicht dazu dient, aufeinanderfolgende Entsendungen durch verschiedene Arbeitgeber zu verhindern. Nach ihrem Wortlaut implizieren nämlich alle Sprachfassungen von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 mit Ausnahme der deutschen meines Erachtens, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Ablösung eines anderen entsandten Arbeitnehmers entsandt wird ( 85 ).

94.

Außer in Missbrauchsfällen dient die Entsendung durch den Arbeitgeber B aber nicht dazu, einen vom Arbeitgeber A entsandten Arbeitnehmer abzulösen. Sie zielt vielmehr auf die Erbringung einer Dienstleistung im Aufnahmemitgliedstaat ab. Hinzuzufügen ist insoweit, dass nicht einmal sicher ist, ob der Arbeitgeber B Kenntnis von der vorhergehenden Entsendung durch den Arbeitgeber A hatte ( 86 ).

95.

Darüber hinaus bestätigen die Worte „zur Ablösung entsandt“ meines Erachtens die These, dass das Ablöseverbot allein aus der Sicht des den Arbeitnehmer entsendenden Arbeitgebers zu betrachten ist. Wie bereits dargelegt, sieht Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 die Voraussetzungen vor, unter denen dieser Arbeitgeber eine Entsendung seiner Arbeitnehmer vornehmen kann, ohne sie dem System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats unterwerfen zu müssen ( 87 ). Insoweit wird in dieser Bestimmung die Voraussetzung aufgestellt, dass die Person (vom Arbeitgeber) nicht zur Ablösung einer anderen entsandten Person entsandt werden darf. Das Ablöseverbot geht daher nach seinem Wortlaut von der Perspektive des den Arbeitnehmer entsendenden Arbeitgebers aus.

96.

Meines Erachtens liegt somit keine „Ablösung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 vor, wenn der Arbeitgeber B einen Arbeitnehmer zur Ausführung einer Arbeit entsendet, die zuvor von einem vom Arbeitgeber A entsandten Arbeitnehmer durchgeführt wurde. Mit anderen Worten hindert meines Erachtens nichts den Arbeitgeber B an einer solchen Entsendung. Daraus folgt auch, dass der Dienstleistungsempfänger im Aufnahmemitgliedstaat nicht gehindert ist, auf aufeinanderfolgende gesonderte Verträge mit verschiedenen Unternehmen über die Ausführung derselben Arbeiten durch entsandte Arbeitnehmer zurückzugreifen, die nicht dem System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats unterliegen.

97.

Hinzuzufügen ist, dass die gegenteilige Auslegung zur Folge hätte, dass sich der Arbeitgeber B in einer ungünstigeren Situation befinden würde als der Arbeitgeber A, nur weil Letzterer zuerst die in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehene Möglichkeit in Anspruch genommen hat (Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“). Meines Erachtens lässt aber nichts darauf schließen, dass der Unionsgesetzgeber ein solches Ergebnis anstrebte. Eine solche Auslegung würde deshalb in meinen Augen darauf hinauslaufen, eine neue Voraussetzung in diese Bestimmung aufzunehmen, die sich nicht aus ihrem Wortlaut ergibt, was nach meinem Verständnis dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderliefe ( 88 ).

98.

In diesem Kontext ist davon auszugehen, dass dem Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung Nr. 883/2004 die mit der Ablösung entsandter Arbeitnehmer verbundene Problematik voll und ganz bekannt war und dass ihm auch die mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung verbundenen potenziellen wirtschaftlichen Vorteile für den Arbeitgeber und daneben für dessen Vertragspartner im Aufnahmemitgliedstaat bewusst waren. Hätte er aufeinanderfolgende Entsendungen durch verschiedene Arbeitgeber unterbinden wollen, so hätte er dies ohne Zweifel mit sehr viel klareren Worten getan.

99.

Zweitens besteht meines Erachtens hinsichtlich des Ziels der Missbrauchsvermeidung kein Grund dafür, generell einen Missbrauch zu vermuten, wenn der Arbeitgeber B seine Arbeitnehmer im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 zur Ausführung von Arbeiten entsendet, die zuvor von entsandten Arbeitnehmern des Arbeitgebers A durchgeführt wurden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in einem solchen Fall der Arbeitgeber B nicht notwendigerweise Kenntnis von der vorhergehenden Entsendung durch den Arbeitgeber A hat ( 89 ).

100.

Drittens meine ich, dass die weite Auslegung des Ablöseverbots, wonach es auch aufeinanderfolgende Entsendungen durch verschiedene Arbeitgeber erfassen würde, den mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 verfolgten Zielen zuwiderlaufen könnte. Wie bereits ausgeführt, zielt diese Bestimmung insbesondere auf die Förderung des freien Dienstleistungsverkehrs, der Freizügigkeit der Arbeitnehmer sowie der gegenseitigen wirtschaftlichen Durchdringung ab und soll dabei administrative Schwierigkeiten insbesondere für die Arbeitnehmer und die Unternehmen vermeiden ( 90 ).

101.

Die weite Auslegung des Ablöseverbots würde faktisch den Arbeitgeber zum Entsendezeitpunkt potenziell darüber im Unklaren lassen, ob der entsandte Arbeitnehmer unter Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 fällt und ob er somit während seiner Entsendung dem System der sozialen Sicherheit des Herkunftsmitgliedstaats oder des Aufnahmemitgliedstaats unterliegt. Der Arbeitgeber B ist nämlich zu der Annahme berechtigt, dass die in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn sich später herausstellt, dass ein vom Arbeitgeber A entsandter Arbeitnehmer die betreffende Arbeit bereits zuvor im Aufnahmemitgliedstaat ausgeführt hat, müsste der Arbeitgeber B es nach dieser Auslegung aber hinnehmen, dass der von ihm entsandte Arbeitnehmer dem System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats unterliegt. Dies würde ungeachtet der etwaigen Ausstellung eines portablen Dokuments A1 durch den zuständigen Träger des Herkunftsmitgliedstaats gelten, mit dem der Anschluss dieses Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats bescheinigt wird ( 91 ).

102.

Eine solche Entwicklung könnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Erbringung der Dienstleistungen des Arbeitgebers B im Aufnahmemitgliedstaat beträchtlich verändern ( 92 ) und würde darüber hinaus zu administrativen Schwierigkeiten für ihn und den betroffenen Arbeitnehmer führen, insbesondere in Bezug auf den Anschluss dieses Arbeitnehmers an das System des Aufnahmemitgliedstaats, die Rückforderung im Herkunftsmitgliedstaat bereits geleisteter Beiträge und den Widerruf des portablen Dokuments A1 durch den ausstellenden Träger. Meines Erachtens stünde eine solche Unsicherheit für den Arbeitgeber B nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und könnte entgegen dem mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 verfolgten Ziel zu einer Beeinträchtigung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Union führen.

103.

Angesichts aller vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass das Ablöseverbot in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 der Entsendung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber zur Ausführung einer Arbeit, die zuvor von einem durch einen anderen Arbeitgeber entsandten Arbeitnehmer ausgeführt wurde, nicht entgegensteht.

104.

Der Vollständigkeit halber möchte ich hervorheben, dass die hier vertretene Auslegung des Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 von jener der Verwaltungskommission abweicht ( 93 ). Insoweit genügt die Feststellung, dass es dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, diese Verordnung zu ändern, wenn er das in der genannten Bestimmung enthaltene Ablöseverbot auf aufeinanderfolgende Entsendungen durch verschiedene Arbeitgeber ausdehnen will. Im bestehenden rechtlichen Rahmen sehe ich dagegen keine Grundlage für ein solches Ergebnis.

3. Zur Fallkonstellation, dass die Arbeitgeber ihren Sitz im selben Mitgliedstaat haben (Buchst. a der dritten Vorlagefrage)

105.

Mit Buchst. a der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Umstand, dass die betreffenden Arbeitgeber ihren Sitz im selben Mitgliedstaat haben, Einfluss auf die Beantwortung der dritten Vorlagefrage haben kann.

106.

Ich habe keine Zweifel daran, dass dies zu verneinen ist.

107.

Die vorstehende Analyse hat nämlich keine Rechtfertigung für eine Differenzierung anhand des jeweiligen Sitzorts der betreffenden Arbeitgeber ergeben. Aus meiner Sicht steht daher das Ablöseverbot in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 der Entsendung eines Arbeitnehmers zur Ausführung einer Arbeit, die zuvor von einem durch einen anderen Arbeitgeber entsandten Arbeitnehmer ausgeführt wurde, nicht entgegen, unabhängig davon, ob diese Arbeitgeber ihren Sitz im selben Mitgliedstaat haben oder nicht.

108.

Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, auf Buchst. a der dritten Frage zu antworten, dass es im Rahmen der dritten Vorlagefrage keine Rolle spielt, ob die betreffenden Arbeitgeber ihren Sitz im selben Mitgliedstaat haben.

4. Zur Fallkonstellation, dass personelle und/oder organisatorische Verflechtungen zwischen den Arbeitgebern bestehen (Buchst. b der dritten Vorlagefrage)

109.

Mit Buchst. b seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Bestehen personeller und/oder organisatorischer Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern Einfluss auf die Beantwortung der dritten Vorlagefrage haben kann.

110.

Die zuvor vorgenommene Analyse hinsichtlich der Auslegung des Ablöseverbots in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 betrifft den Fall, dass keine personellen und/oder organisatorischen Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern bestehen ( 94 ). Zudem weise ich nochmals darauf hin, dass das vorlegende Gericht keine Anhaltspunkte für das Bestehen personeller und/oder organisatorischer Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern im vorliegenden Fall geliefert oder gegebenenfalls Angaben zur Art solcher Verflechtungen gemacht hat ( 95 ).

111.

Unter diesen Umständen beschränke ich mich auf die Feststellung, dass im Fall des Bestehens personeller und/oder organisatorischer Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern meines Erachtens zu prüfen ist, ob die von ihnen vorgenommenen Entsendungen auf eine Umgehung des Ablöseverbots in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 abzielen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt, und die Anwendung des Unionsrechts kann nicht so weit gehen, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden ( 96 ).

112.

Das vorlegende Gericht hat jedoch keinen Hinweis darauf gegeben, dass der Sachverhalt, mit dem es im Ausgangsverfahren befasst ist, einen Betrug oder einen Rechtsmissbrauch darstellen könnte ( 97 ). Unter diesen Umständen halte ich es nicht für erforderlich, dass sich der Gerichtshof näher dazu äußert.

113.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf Buchst. b der dritten Vorlagefrage zu antworten, dass im Fall des Bestehens personeller und/oder organisatorischer Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern zu prüfen ist, ob die von ihnen vorgenommenen Entsendungen auf die Umgehung des Ablöseverbots in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 abzielen.

V. Ergebnis

114.

Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass das vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats im Einklang mit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 in der durch die Verordnung Nr. 465/2012 geänderten Fassung ausgestellte portable Dokument A1, mit dem nach einer Bestimmung des Titels II der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung Nr. 465/2012 geänderten Fassung der Anschluss des Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats bescheinigt wird, ein Gericht (im Sinne des Art. 267 AEUV) eines anderen Mitgliedstaats bindet, solange es nicht widerrufen oder für ungültig erklärt wird.

2.

Das portable Dokument A1 behält seine Bindungswirkung auch in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit eine Entscheidung über den Widerruf dieses Dokuments erlassen hat, der ausstellende Träger es aber nicht widerrufen hat.

Dies gilt auch dann, wenn dieses Dokument nach dem Anschluss des betreffenden Arbeitnehmers an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellt wurde. In einem solchen Fall kann das Dokument auch rückwirkend gelten.

3.

Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 465/2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass das in dieser Bestimmung enthaltene Ablöseverbot der Entsendung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat zur Ausführung einer Arbeit, die zuvor von einem durch einen anderen Arbeitgeber entsandten Arbeitnehmer ausgeführt wurde, nicht entgegensteht, unabhängig davon, ob die betreffenden Arbeitgeber ihren Sitz im selben Mitgliedstaat haben.

Bestehen personelle und/oder organisatorische Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern, ist jedoch zu prüfen, ob die von ihnen vorgenommenen Entsendungen auf die Umgehung des Ablöseverbots in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 abzielen.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) (berichtigt im ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (ABl. 2012, L 149, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004). Zu der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung der Verordnung Nr. 883/2004 siehe Nrn. 6 und 7 der vorliegenden Schlussanträge.

( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (ABl. 2009, L 284, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 987/2009).

( 4 ) Das portable Dokument A1 ist das Nachfolgedokument zur Bescheinigung E 101, die unter der Geltung der früheren Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. 1971, L 149, S. 2), und (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. 1972, L 74, S. 1) als Formular für die Bescheinigung der im Bereich der sozialen Sicherheit anwendbaren Rechtsvorschriften vorgesehen war.

( 5 ) Zur Verwaltungskommission vgl. insbesondere Art. 71 und 72 der Verordnung Nr. 883/2004.

( 6 ) Vgl. Art. 3 der Verordnung Nr. 465/2012. Zum streitgegenständlichen Zeitraum im Ausgangsverfahren siehe Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge.

( 7 ) Hervorhebung nur hier. Zum Ziel dieser Änderung des Art. 12. Abs. 1 siehe Fn. 69 der vorliegenden Schlussanträge.

( 8 ) Zur Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen Martin-Meat und Alpenrind anhand der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) vgl. Urteil vom 18. Juni 2015, Martin Meat (C‑586/13, EU:C:2015:405).

( 9 ) Die ungarische Regierung stellt die Feststellung des vorlegenden Gerichts in Frage, dass die betreffenden portablen Dokumente A1 nach dem Anschluss der fraglichen Arbeitnehmer an das österreichische System der sozialen Sicherheit ausgestellt worden seien. Siehe dazu Nrn. 55 und 56 der vorliegenden Schlussanträge.

( 10 ) Vgl. Abschnitt IV der wichtigsten Schlussfolgerungen der 347. Tagung der Verwaltungskommission in Amsterdam am 20. und 21. Juni 2016 (AC 827/16) und die Stellungnahme des Vermittlungsausschusses vom 9. Mai 2016: Opinion of the conciliation board in case CB‑4/15 concerning Austria and Hungary, Subject: Replacement of posted workers (AC 336/16). Zur Verfahrensgeschichte des Streitfalls vgl. Nr. 1 dieser Stellungnahme.

( 11 ) Diese Diskussion spiegelt sich wider im Praktischen Leitfaden der Verwaltungskommission zum anwendbaren Recht in der Europäischen Union (EU), im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz. Siehe Fn. 71 der vorliegenden Schlussanträge. Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 wird in den Nrn. 6 und 7 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben.

( 12 ) Vgl. Nr. 4 der oben erwähnten Stellungnahme des Vermittlungsausschusses vom 9. Mai 2016.

( 13 ) Vgl. Nr. 5 der oben erwähnten Stellungnahme des Vermittlungsausschusses vom 9. Mai 2016. Insoweit merkt der Vermittlungsausschuss an, dass sich die Rückerstattung bereits geleisteter Beiträge und die Rückforderung aller den betreffenden Arbeitnehmern bereits gewährten Leistungen als „administrativer Alptraum“ erweisen könnte.

( 14 ) Martin Meat und Martimpex-Meat wurden gemeinsam vor dem Gerichtshof vertreten.

( 15 ) Ich möchte auf die laufenden Gesetzgebungsarbeiten zur Änderung der Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 hinweisen, die u. a. die Art. 5 und 19 der Verordnung Nr. 987/2009 betreffen. Vgl. Vorschlag der Kommission vom 13. Dezember 2016 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (COM[2016] 815 final) (Art. 2 Nrn. 7 und 11 dieses Vorschlags und die Erläuterungen zu ihnen in der Begründung).

( 16 ) Die französische Regierung hat sich zu dieser Frage nicht geäußert.

( 17 ) Das vorlegende Gericht hat in der Vorlageentscheidung keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass der Sachverhalt des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auf einen Betrug oder einen Rechtsmissbrauch hindeuten könnte. Ich gehe daher davon aus, dass sich die erste Vorlagefrage nicht auf die Sonderfälle des Betrugs oder des Missbrauchs bezieht, sondern die allgemeinere Frage betrifft, ob das portable Dokument A1 die Gerichte der Mitgliedstaaten bindet. Siehe auch Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge. Zu dem Fall, dass ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats feststellen sollte, dass die Bescheinigung E 101 auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde, vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2017:850).

( 18 ) Siehe Fn. 4 der vorliegenden Schlussanträge.

( 19 ) Vgl. jüngst Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). In Bezug auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2017:850, Nrn. 32 bis 34). Durch die Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung auf ihre Gültigkeit unterscheidet sich die Bescheinigung E 101 von anderen Bescheinigungen. Vgl. dazu Urteil vom 12. Februar 2015, Bouman (C‑114/13, EU:C:2015:81, Rn. 26 und 27). Siehe auch Fn. 61 der vorliegenden Schlussanträge.

( 20 ) Urteil vom 27. April 2017, A-Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 59). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:12, Nr. 56) und in der Rechtssache Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2017:850, Nr. 20).

( 21 ) Art. 5 wird in Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben. Zur Definition des Begriffs „Träger“ vgl. Art. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 883/2004.

( 22 ) Siehe Nr. 26 und Fn. 19 der vorliegenden Schlussanträge.

( 23 ) Vgl. jüngst Urteil vom 27. April 2017, A-Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 41 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 24 ) Vgl. insbesondere Nrn. 1 und 3 der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, vorgelegt von der Kommission am 31. Januar 2006 (KOM[2006] 16 endgültig).

( 25 ) Hervorhebung nur hier.

( 26 ) Insoweit sieht Art. 6 in Abs. 1 eine Rangfolge vor, an deren erster Stelle die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats stehen, in dem die Person ihrer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit tatsächlich nachgeht, wenn die Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit in nur einem Mitgliedstaat ausgeübt wird.

( 27 ) Zu Art. 6 der Verordnung Nr. 987/2009 siehe auch Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge.

( 28 ) Vgl. Urteil vom 27. April 2017, A-Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 29 ) Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 wird in Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben.

( 30 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache A-Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:12, Nrn. 45 bis 57) und in der Rechtssache Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2017:850, Nrn. 35 bis 37).

( 31 ) Hinsichtlich der Bezugnahme des vorlegenden Gerichts auf Art. 267 AEUV habe ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2017:850, Nrn. 22 bis 26) die Gründe angeführt, aus denen ich der Ansicht bin, dass das Vorabentscheidungsverfahren nicht zur Klärung der Frage geeignet ist, ob die Bescheinigung E 101 (nunmehr das portable Dokument A1) in einem konkreten Fall korrekt ausgestellt wurde.

( 32 ) Siehe Nrn. 18 bis 21 der vorliegenden Schlussanträge.

( 33 ) Festzustellen ist, dass Buchst. a der zweiten Vorlagefrage entgegen der Auffassung der irischen und der ungarischen Regierung keinen hypothetischen Charakter hat. Zwar hat die ungarische Regierung im vorliegenden Fall vermutlich die Entscheidung der Verwaltungskommission, dass die fraglichen portablen Dokumente A1 widerrufen werden müssen, akzeptiert, doch haben die ungarischen Behörden sie bislang nicht widerrufen. Außerdem trifft es, wie die irische Regierung hervorhebt, zwar zu, dass der Vermittlungsausschuss in seiner Stellungnahme vom 9. Mai 2016 die Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und Ungarn über die genauen Modalitäten des Widerrufs der fraglichen portablen Dokumente A1 sowie über die hinsichtlich der betreffenden Arbeitnehmer vorzunehmenden Berichtigungen angesprochen hat, doch gibt es bislang keine solche Vereinbarung zwischen diesen Mitgliedstaaten. Siehe Nrn. 18 bis 21 der vorliegenden Schlussanträge.

( 34 ) Die tschechische Regierung macht insbesondere geltend, dass das portable Dokument A1 in der von Buchst. a der zweiten Vorlagefrage erfassten Fallkonstellation seine Bindungswirkung vorläufig verliere und dann auf den die vorläufige Anwendung von Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit betreffenden Art. 6 der Verordnung Nr. 987/2009 zurückgegriffen werden müsse. Zu diesem Artikel siehe Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge.

( 35 ) Urteil vom 27. April 2017, A-Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309).

( 36 ) In Rn. 56 des Urteils vom 27. April 2017, A-Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309), hat der Gerichtshof festgestellt, dass „die französischen Behörden im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits weder den Weg des Dialogs mit der schweizerischen Sozialversicherungsanstalt ausgeschöpft noch überhaupt versucht haben, die Verwaltungskommission anzurufen, so dass der diesem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt … nicht geeignet ist, vermeintliche Mängel des durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Verfahrens aufzuzeigen oder zu belegen, dass es unmöglich ist, etwaige Fälle von unlauterem Wettbewerb oder Sozialdumping zu lösen“.

( 37 ) Zu der die Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 betreffenden Rechtsprechung des Gerichtshofs siehe Nr. 26 und Fn. 19 der vorliegenden Schlussanträge.

( 38 ) Urteil vom 14. Mai 1981, Romano (98/80, EU:C:1981:104, Rn. 20).

( 39 ) Vgl. Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 5. Dezember 1967, van der Vecht (19/67, EU:C:1967:49, S. 474 und 475), vom 5. Juli 1988, Borowitz (21/87, EU:C:1988:362, Rn. 19), vom 1. Oktober 1992, Grisvard und Kreitz (C‑201/91, EU:C:1992:368, Rn. 25), sowie vom 10. Februar 2000, FTS (C‑202/97, EU:C:2000:75, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 40 ) Vgl. insbesondere Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2013:562, Nrn. 60 bis 88) und Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18, Rn. 63 bis 65). Vgl. dazu Art. 263 Abs. 1 AEUV, wonach der Gerichtshof u. a. „die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten“ überwacht (Hervorhebung nur hier). Außerdem entscheidet der Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV über „die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union“ (Hervorhebung nur hier).

( 41 ) Hervorhebung nur hier. Vgl. auch Nr. 3 des Beschlusses A1 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009 über die Einrichtung eines Dialog- und Vermittlungsverfahrens zu Fragen der Gültigkeit von Dokumenten, der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften und der Leistungserbringung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (ABl. 2010, C 106, S. 1).

( 42 ) Verordnung des Rates über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (ABl. 1958, S. 561).

( 43 ) Vgl. Urteil vom 5. Dezember 1967, van der Vecht (19/67, EU:C:1967:49, S. 474); Hervorhebung nur hier. Nach Art. 43 Buchst. a wird eine Verwaltungskommission eingesetzt, die die Aufgabe hat, „alle Verwaltungs- oder Auslegungsfragen [zu regeln], die sich aus dieser Verordnung, späteren Verordnungen und allen in deren Rahmen zu treffenden Vereinbarungen ergeben, unbeschadet des Rechts der beteiligten Behörden, Träger und Personen, die Verfahren und die zur Entscheidung von Streitigkeiten berufenen Stellen in Anspruch zu nehmen, welche in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in dieser Verordnung und im Vertrag vorgesehen sind“.

( 44 ) Art. 76 Abs. 6 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 987/2009 werden in den Nrn. 8 und 9 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben.

( 45 ) Vgl. Nr. 18 des oben angeführten Beschlusses A1 der Verwaltungskommission.

( 46 ) Diese Analyse kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass Art. 89 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009 den zuständigen Behörden allgemein vorschreibt, sicherzustellen, „dass ihre Träger über sämtliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Gemeinschaft, einschließlich der Beschlüsse der Verwaltungskommission, informiert sind und diese … anwenden“. Diese Bestimmung kann meines Erachtens nicht dahin ausgelegt werden, dass sie der Verwaltungskommission die Zuständigkeit zur Vornahme von Handlungen mit Rechtswirkung verleiht.

( 47 ) Diese Rechtsprechung wurde teilweise in Art. 5 Abs. 2 bis 4 der Verordnung Nr. 987/2009 kodifiziert, der in Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben wird.

( 48 ) Vgl. jüngst in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, A-Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 44 bis 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 49 ) Nach Art. 263 Abs. 1 AEUV überwacht der Gerichtshof u. a. die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten.

( 50 ) Art. 76 Abs. 6 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 987/2009 werden in den Nrn. 8 und 9 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben.

( 51 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Mai 1997, Denuit (C‑14/96, EU:C:1997:260, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ich halte es nicht für angebracht, dass sich der Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Rechtssache zu der Frage äußert, ob in dem Umstand, dass sich ein Mitgliedstaat nicht an eine Entscheidung der Verwaltungskommission hält, ein Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Art. 4 Abs. 3 EUV zu sehen ist.

( 52 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2008, CEPSA (C‑279/06, EU:C:2008:485, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 53 ) Siehe Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge. In der mündlichen Verhandlung hat auch die Salzburger Gebietskrankenkasse angegeben, dass die fraglichen portablen Dokumente A1 sowohl vor als auch nach der Feststellung der Pflichtversicherung der betroffenen Arbeitnehmer im österreichischen System der sozialen Sicherheit durch die österreichischen Behörden ausgestellt worden seien.

( 54 ) Die deutsche Regierung ist insbesondere der Auffassung, dass die Bindungswirkung des portablen Dokuments A1 nicht gelte, wenn es erst ausgestellt werde, nachdem der Aufnahmemitgliedstaat selbst formell die Pflichtversicherung nach seinen Rechtsvorschriften angenommen habe und dies dem Entsendemitgliedstaat bekannt sei.

( 55 ) Vgl. Urteil vom 30. März 2000, Banks u. a. (C‑178/97, EU:C:2000:169, Rn. 53 und 54). Vgl. auch Urteil vom 4. Oktober 2012, Format Urządzenia i Montaże Przemysłowe (C‑115/11, EU:C:2012:606, Rn. 43), aus dem hervorgeht, dass die Bescheinigung E 101 in der Regel vor oder zu Beginn des erfassten Zeitraums ausgestellt wird. Vgl. auch Nr. 6 des Beschlusses Nr. 181 der Verwaltungskommission vom 13. Dezember 2000 über die Auslegung des Art. 14 Abs. 1, des Art. 14a Abs. 1 und des Art. 14b Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. 2001, L 329, S. 73).

( 56 ) Siehe Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge.

( 57 ) Hervorhebung nur hier.

( 58 ) Art. 5 Abs. 1 wird in Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben.

( 59 ) Art. 19 Abs. 2 wird in Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben. Vgl. auch Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009, wonach der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften die betreffende Person unterliegt, ihr die Bescheinigung nach Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 ausstellt.

( 60 ) Siehe Nrn. 27 bis 33 der vorliegenden Schlussanträge.

( 61 ) Zur Unterscheidung zwischen den Wirkungen der Bescheinigung E 101 und denen anderer Arten von Dokumenten vgl. Urteile vom 12. Februar 2015, Bouman (C‑114/13, EU:C:2015:81, Rn. 26 und 27), sowie vom 9. September 2015, X und van Dijk (C‑72/14 und C‑197/14, EU:C:2015:564, Rn. 47 bis 50).

( 62 ) Urteil vom 30. März 2000, Banks u. a. (C‑178/97, EU:C:2000:169). Vgl. insbesondere Rn. 5 bis 7 dieses Urteils.

( 63 ) Wie bereits ausgeführt, beruht die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 u. a. auf Erwägungen hinsichtlich der Rechtssicherheit für die innerhalb der Union zu- und abwandernden Personen. Siehe Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass nach den Angaben in der Vorlageentscheidung die Salzburger Gebietskrankenkasse im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht vorgetragen hat, dass „[d]er einzige Weg, eine Entscheidung in der Sache herbeizuführen, … die bescheidmäßige Feststellung der Pflichtversicherung trotz Vorliegens der [portablen Dokumente A1] des ungarischen Trägers gewesen [sei]“.

( 64 ) Zum Verhältnis zwischen den Art. 5 und 6 der Verordnung Nr. 987/2009 siehe Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge.

( 65 ) Siehe auch Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge.

( 66 ) Ich weise darauf hin, dass der oben erwähnte Vorschlag der Kommission vom 13. Dezember 2016 auf die Änderung von Art. 12 der Verordnung Nr. 883/2004 abzielt. Vgl. Art. 1 Nr. 13 dieses Vorschlags und die Erläuterungen dazu in der Begründung.

( 67 ) Siehe Nrn. 18 bis 21 der vorliegenden Schlussanträge.

( 68 ) Hervorhebung nur hier. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass im vorliegenden Fall unstreitig ist, dass die voraussichtliche Dauer der Arbeit 24 Monate nicht überschritten hat, wie es Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 verlangt.

( 69 ) Hervorhebung nur hier. Der Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 465/2012 lässt sich entnehmen, dass mit dieser Änderung klargestellt werden sollte, dass eine entsandte Person nicht durch eine andere entsandte Person ersetzt werden kann, nachdem der Entsendezeitraum der ersten Person abgelaufen ist, wobei das Wort „entsandte“ in der ursprünglichen Fassung der Verordnung Nr. 883/2004 versehentlich ausgelassen wurde. Vgl. Nr. 5 der Begründung des Vorschlags der Kommission vom 20. Dezember 2010 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 883/2004 (KOM[2010] 794 endgültig). Siehe auch Nrn. 6 und 7 der vorliegenden Schlussanträge.

( 70 ) Siehe Nrn. 12 und 13 der vorliegenden Schlussanträge.

( 71 ) Vgl. Teil I Nr. 7 des Praktischen Leitfadens der Verwaltungskommission zum anwendbaren Recht in der Europäischen Union (EU), im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz vom Dezember 2013, aus dem Folgendes hervorgeht: „Ein entsandter Arbeitnehmer darf im Aufnahmestaat A nicht unmittelbar ersetzt werden, und zwar weder durch einen vom selben Unternehmen im Mitgliedstaat B entsandten Arbeitnehmer noch durch einen von einem anderen Unternehmen im Mitgliedstaat B entsandten Arbeitnehmer noch durch einen Arbeitnehmer, der von einem im Mitgliedstaat C niedergelassenen Unternehmen entsandt wird. … Wurde eine Tätigkeit im Aufnahmeunternehmen des Mitgliedstaats A … vorher bereits von einer entsandten Person aus dem Mitgliedstaat B ausgeübt, so darf diese nicht unmittelbar durch eine andere Person ersetzt werden, unabhängig davon, aus welchem Mitgliedstaat diese neu entsandt wird. Dabei spielt es keine Rolle, von welchem Entsendeunternehmen oder von welchem Mitgliedstaat aus dieser neue Arbeitnehmer entsandt wird – ein entsandter Arbeitnehmer darf nicht sofort durch einen anderen entsandten Arbeitnehmer ersetzt werden.“ Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Fassung des Praktischen Leitfadens erst nach dem im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum veröffentlicht wurde. Die vorherige Fassung des Praktischen Leitfadens der Verwaltungskommission vom Januar 2011 enthielt diese Erläuterung nicht.

( 72 ) Weder Martin Meat und Martimpex-Meat noch die irische Regierung haben sich zur dritten Vorlagefrage geäußert.

( 73 ) Siehe auch Fn. 17 der vorliegenden Schlussanträge.

( 74 ) Nach dem Vorbringen von Martin-Meat und Martimpex-Meat bestehen zwischen ihnen keine Verflechtungen im Bereich des Eigentums, der Organisation oder der Verwaltung. In ähnlicher Weise trägt die ungarische Regierung vor, dass es sich im vorliegenden Fall um zwei verschiedene juristische Personen handle. Hingegen macht die österreichische Regierung geltend, dass es starke Überschneidungen bei den Namen und der Organisationsstruktur der beiden Arbeitgeber und teilweise auch bei den entsandten Arbeitnehmern gebe.

( 75 ) Meines Erachtens hat Buchst. b der dritten Vorlagefrage keinen hypothetischen Charakter, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unzulässigkeit führen könnte. Mir scheint nämlich auf der Grundlage der Vorlageentscheidung, dass das vorlegende Gericht die Frage nach dem Bestehen personeller und/oder organisatorischer Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern im vorliegenden Fall bisher noch nicht entschieden hat, da sich diese Frage nur stellen würde, wenn der Gerichtshof die weite Auslegung des Ablöseverbots ablehnen sollte.

( 76 ) Vgl. entsprechend, zu Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 (dem Vorgänger von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004), Urteil vom 9. November 2000, Plum (C‑404/98, EU:C:2000:607, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zum Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts vgl. den in Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004.

( 77 ) Siehe Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2004.

( 78 ) Vgl. entsprechend, zu Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 (dem Vorgänger von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004), Urteil vom 9. November 2000, Plum (C‑404/98, EU:C:2000:607, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Erwägungsgründe 1 und 2 des Beschlusses A2 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009 über die Auslegung des Art. 12 der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. 2010, C 106, S. 5).

( 79 ) Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 wird in den Nrn. 6 und 7 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben. Vgl. auch 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2004, der lautet: „Von dieser allgemeinen Regel ist in besonderen Fällen, die andere Zugehörigkeitskriterien rechtfertigen, abzuweichen.“

( 80 ) Hervorhebung nur hier. Vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012, Format Urządzenia i Montaże Przemysłowe (C‑115/11, EU:C:2012:606, Rn. 31).

( 81 ) Verordnung des Rates vom 10. März 1964 zur Änderung des Artikels 13 der Verordnung Nr. 3 und des Artikels 11 der Verordnung Nr. 4 (Rechtsvorschriften, die auf entsandte Arbeitnehmer sowie auf Arbeitnehmer anzuwenden sind, die ihre Berufstätigkeit gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten ausüben) (ABl. 1964, Nr. 47, S. 746).

( 82 ) Früher sah Art. 13 Buchst. a der Verordnung Nr. 3 eine „voraussichtliche Beschäftigung“ von höchstens zwölf Monaten vor, die auf 24 Monate verlängert werden konnte. Es sei daran erinnert, dass Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 eine „voraussichtliche Dauer“ von höchstens 24 Monaten vorsieht. Vgl. Nr. 6 der vorliegenden Schlussanträge.

( 83 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Dutheillet de Lamothe in der Rechtssache Manpower (35/70, nicht veröffentlicht, EU:C:1970:104, S. 1265), der ausführt, dass Art. 13 Buchst. a der Verordnung Nr. 3 „zu Missbräuchen geführt [hatte]. Einige Unternehmen richteten im Ausland Baustellen ein und wechselten das entsandte Personal immer wieder aus, soweit dies notwendig war, damit dieses Personal weiterhin den Rechtsvorschriften des Heimatlandes unterstellt blieb, wo die Sozialabgaben weniger hoch waren als im Beschäftigungsland. Solche Praktiken wurden insbesondere in Frankreich in der Bau- und Holzindustrie festgestellt. Andererseits war namentlich in den Beziehungen zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik [Deutschland] festgestellt worden, dass ‚Einstellerfirmen‘ oder ‚Subunternehmer‘, die im ersten Land keine Arbeitgebereigenschaft hatten, Unternehmern des zweiten Landes Arbeitnehmer überließen, die der Sozialgesetzgebung des ersten Landes unterstellt blieben.“ Die Ausführungen des Generalanwalts beziehen sich insbesondere auf die parallele Einführung des Begriffs „Entsendung“ in Art. 13 Buchst. a der Verordnung Nr. 3. Vgl. auch den Fünften Jahresbericht der Verwaltungskommission über die Umsetzung der Verordnungen über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, Januar–Dezember 1963, S. 12 und 56. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache FTS (C‑202/97, EU:C:1999:33, Nr. 26), der ebenfalls auf die Einführung des Ablöseverbots Bezug nimmt.

( 84 ) Art. 13 Buchst. a der Verordnung Nr. 3 sah in der durch die Verordnung Nr. 24/64 geänderten Fassung vor, dass der entsandte Arbeitnehmer „nicht entsandt wird, um einen anderen Arbeitnehmer abzulösen, bei dem die Zeit, für die er entsandt worden ist, abgelaufen ist“. Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmte, dass der entsandte Arbeitnehmer „nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit abgelaufen ist“. Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 wird in den Nrn. 6 und 7 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben.

( 85 ) Manche Sprachfassungen bestimmen sogar, dass die Person nicht entsandt werden darf, „um“ eine andere entsandte Person abzulösen. Vgl. u. a. die Fassung in dänischer Sprache („ikke udsendes for at afløse en anden person“), in englischer Sprache („not sent to replace another person“) und in schwedischer Sprache („inte sänds ut för att ersätta någon annan person“). Die deutsche Sprachfassung sieht hingegen vor, dass die Person „nicht eine andere [entsandte] Person ablöst“. Die Änderungen von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 durch die Verordnung Nr. 465/2012 haben keinen Einfluss auf diese Analyse der verschiedenen Sprachfassungen. Siehe Nrn. 6 und 7 der vorliegenden Schlussanträge.

( 86 ) Die in diesem Abschnitt vorgenommene Analyse betrifft bekanntlich nur den Fall, dass es keine personellen und/oder organisatorischen Verflechtungen zwischen den betreffenden Arbeitgebern gibt. Siehe Nrn. 78 und 79 der vorliegenden Schlussanträge.

( 87 ) Siehe auch Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge.

( 88 ) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit insbesondere, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sind, vor allem, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne haben können. Vgl. u. a. Urteil vom 18. Dezember 2008, Altun (C‑337/07, EU:C:2008:744, Rn. 60).

( 89 ) Wie bereits ausgeführt, hat das vorlegende Gericht keinen Hinweis darauf geliefert, dass der Sachverhalt des bei ihm anhängigen Ausgangsverfahrens einen Betrug oder einen Rechtsmissbrauch darstellen könnte. Siehe Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge.

( 90 ) Siehe Nr. 84 der vorliegenden Schlussanträge.

( 91 ) Vgl. dazu Teil I Nr. 7 des oben erwähnten Praktischen Leitfadens der Verwaltungskommission vom Dezember 2013, wo es heißt: „Aus Sicht des zuständigen Trägers des Entsendemitgliedstaats mögen die Voraussetzungen für eine Entsendung auf den ersten Blick zwar erfüllt sein.“

( 92 ) Im vorliegenden Fall geben Martin-Meat und Martimpex-Meat an, dass die österreichischen Sozialversicherungsbehörden am 21. März 2016 an Martimpex-Meat eine Aufforderung zur Zahlung der Beiträge für diese Arbeitnehmer in Höhe von über 4 Mio. Euro zuzüglich Verspätungszuschlägen, d. h. von insgesamt etwa 5 Mio. Euro, gerichtet hätten.

( 93 ) Siehe Nr. 72 und Fn. 71 der vorliegenden Schlussanträge.

( 94 ) Siehe Nr. 79 der vorliegenden Schlussanträge.

( 95 ) Siehe Nr. 78 der vorliegenden Schlussanträge.

( 96 ) Vgl. Urteil vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Nr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 97 ) Siehe Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge.

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