Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62016CC0274

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 19. Oktober 2017.
    flightright GmbH gegen Air Nostrum, Líneas Aéreas del Mediterráneo SA, Roland Becker gegen Hainan Airlines Co. Ltd und Mohamed Barkan u. a. gegen Air Nostrum, Líneas Aéreas del Mediterráneo SA.
    Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Düsseldorf und des Bundesgerichtshofs.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 5 Nr. 1 – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Art. 7 Nr. 1 – Begriff ‚Ansprüche aus einem Vertrag‘ – Dienstleistungsvertrag – Flugverbindung aus mehreren Flügen, die von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden – Begriff ‚Erfüllungsort‘ – Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – Anspruch von Fluggästen auf eine Ausgleichszahlung bei Nichtbeförderung und bei großer Verspätung von Flügen – Klage auf Ausgleichszahlung gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das seinen Sitz nicht in einem Mitgliedstaat hat oder zu dem die Fluggäste in keiner Vertragsbeziehung stehen.
    Verbundene Rechtssachen C-274/16, C-447/16 und C-448/16.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:787

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MICHAL BOBEK

    vom 19. Oktober 2017 ( 1 )

    Verbundene Rechtssachen C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16

    flightright GmbH

    gegen

    Air Nostrum Líneas Aéreas del Mediterráneo SA (C‑274/16)

    (Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Düsseldorf [Deutschland])

    und

    Roland Becker

    gegen

    Hainan Airlines Co. Ltd (C‑447/16)

    und

    Mohamed Barkan,

    Souad Asbai,

    Assia Barkan,

    Zakaria Barkan,

    Nousaiba Barkan

    gegen

    Air Nostrum Líneas Aéreas del Mediterráneo SA (C‑448/16)

    (Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

    „Vorabentscheidungsersuchen – Verordnungen (EG) Nr. 44/2001 und (EU) Nr. 1215/2012 – Gerichtliche Zuständigkeit für Ansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – Flugverspätung – Flugreise in Teilstrecken – Begriff ‚Ansprüche aus einem Vertrag‘ – Dienstleistungen – Erfüllungsort – Beklagter mit Sitz in einem Drittstaat“

    I. Einleitung

    1.

    Die vorliegenden Rechtssachen betreffen drei Klagen gegen Fluggesellschaften auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ( 2 ) wegen Verspätung und Nichtbeförderung auf unterschiedlichen Teilstrecken bei in Teilstrecken unterteilten Flugreisen.

    2.

    Die ersten beiden Klagen betreffen den gleichen Gegenstand: Das vertragschließende Luftfahrtunternehmen hat den Fluggästen eine Flugreise verkauft, die aus zwei verbundenen Flügen bestand. Das vertragschließende Luftfahrtunternehmen selbst hat lediglich die zweite Teilstrecke der Flugreise durchgeführt. Die erste Teilstrecke wurde nicht von dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen, sondern von einem ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt. In beiden Rechtssachen geht es darum, dass auf der ersten Teilstrecke der Flugreise eine Verspätung eintrat, die dazu führte, dass die Fluggäste den Anschlussflug verpassten.

    3.

    Dieser Sachverhalt wirft zwei Rechtsfragen auf. Erstens: Welche Rechtsnatur haben Ansprüche der Fluggäste gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen wegen der Verspätung auf der ersten Teilstrecke der Flugreise? Können solche Ansprüche, auch wenn zwischen dem Fluggast und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen kein Vertrag geschlossen wurde, als „Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne der Verordnungen (EG) Nr. 44/2001 ( 3 ) und (EU) Nr. 1215/2012 ( 4 ) eingestuft werden?

    4.

    Zweitens: Welche Gerichte sind für derartige Klagen auf Ausgleichszahlungen international zuständig? Die Fluggäste haben ihre Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen vor deutschen Gerichten geltend gemacht, und Deutschland war das Ziel der zweiten Teilstrecke der Flugreise. Das ausführende Luftfahrtunternehmen führte allerdings die erste Teilstrecke der Flugreise durch, und weder der Anfang noch das Ende dieser Teilstrecke lagen in Deutschland.

    5.

    Mit der dritten Klage werden ebenfalls Ausgleichszahlungen beansprucht, doch wird eine andere Frage aufgeworfen. Die Klage wurde gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen erhoben, das für den Fluggast zugleich auch das vertragschließende Luftfahrtunternehmen für die beanstandete Teilstrecke war. Hier geht es jedoch um eine andere Zuständigkeitsfrage, da das Luftfahrtunternehmen, das die Beförderung verweigert hat, nicht in der Union ansässig ist. Die Frage ist somit, welche Rechtsvorschriften über die internationale Zuständigkeit in einem solchen Fall Anwendung finden.

    II. Rechtlicher Rahmen

    a)   Verordnung Nr. 261/2004

    6.

    Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 definiert „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ als „ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt“.

    7.

    Nach Art. 3 Abs. 1 gilt die Verordnung Nr. 261/2004

    „a)

    für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;

    b)

    sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten“.

    8.

    Die Verordnung Nr. 261/2004 gilt gemäß ihrem Art. 3 Abs. 5 für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste im Sinne der Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung erbringen. Art. 3 Abs. 5 Satz 2 bestimmt: „Erfüllt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.“

    9.

    In Art. 6 Abs. 1 werden die Unterstützungsleistungen bestimmt, die das ausführende Luftfahrtunternehmen Fluggästen im Fall einer Verspätung in Abhängigkeit von der Dauer der Verspätung und der mit dem Flug zurückgelegten Entfernung zu erbringen hat. Art. 7 Abs. 1 legt darüber hinaus die Beträge pauschaler Ausgleichszahlungen fest, die an Fluggäste zu leisten sind.

    10.

    Art. 13 der Verordnung Nr. 261/2004 betrifft „Regressansprüche“. In der Bestimmung heißt es: „In Fällen, in denen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung leistet oder die sonstigen sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt, kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht des Luftfahrtunternehmens beschränkt, nach geltendem Recht bei anderen Personen, auch Dritten, Regress zu nehmen. Insbesondere beschränkt diese Verordnung in keiner Weise das Recht des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Erstattung von einem Reiseunternehmen oder einer anderen Person zu verlangen, mit der es in einer Vertragsbeziehung steht. Gleichfalls kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht eines Reiseunternehmens oder eines nicht zu den Fluggästen zählenden Dritten, mit dem das ausführende Luftfahrtunternehmen in einer Vertragsbeziehung steht, beschränkt, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ... eine Erstattung oder Entschädigung zu verlangen.“

    b)   Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012

    11.

    Nach Art. 66 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist diese auf Verfahren anzuwenden, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet worden sind.

    12.

    Die Verfahren in den Rechtssachen C‑447/16 und C‑448/16 sind vor diesem Datum eingeleitet worden. Für diese Rechtssachen findet die Verordnung Nr. 44/2001 weiterhin Anwendung. Für die Rechtssache C‑274/16 gilt die Verordnung Nr. 1215/2012. Mit Ausnahme der Nummerierung sind die Bestimmungen in den beiden Verordnungen, die vorliegend Anwendung finden, jedoch weitgehend dieselben geblieben.

    13.

    Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 sind „Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen“.

    14.

    Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012, der inhaltlich Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 entspricht, lautet: „Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich … die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht.“ ( 5 ) Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012, der inhaltlich Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 entspricht, bestimmt: „Gegenüber einem Beklagten, der keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann sich unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit jede Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in diesem Mitgliedstaat auf die dort geltenden Zuständigkeitsvorschriften … wie ein Staatsangehöriger dieses Mitgliedstaats berufen.“

    15.

    In Kapitel II Abschnitt 2 beider Verordnungen werden besondere Zuständigkeiten geregelt. Einschlägig sind vorliegend Art. 5 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 7 der Verordnung Nr. 1215/2012. Diese Artikel bestimmen in Nr. 1 Buchst. a, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden kann, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Im Fall der Erbringung von Dienstleistungen ist gemäß Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich dieser Bestimmungen der Erfüllungsort der Verpflichtung der Ort „in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“.

    16.

    Darüber hinaus ist gemäß Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012, „wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden“, das zuständige Gericht das „Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“.

    III. Sachverhalt, nationale Verfahren und Vorlagefragen

    17.

    Der Sachverhalt und das Verfahren in den einzelnen Rechtssachen (Klage 1 – flightright, Klage 2 – Barkan und Klage 3 – Becker) werden nachfolgend in den Abschnitten A, B bzw. C dargestellt.

    A.   Rechtssache C‑274/16, flightright GmbH/Air Nostrum Líneas Aéreas del Mediterráneo SA

    18.

    In diesem Fall buchten Fluggäste bei dem Luftfahrtunternehmen Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden: Air Berlin) eine aus zwei verbundenen Flügen bestehende Flugreise von Ibiza (Spanien) nach Düsseldorf (Deutschland) über Palma de Mallorca (Spanien). Die erste Teilstrecke wurde von Air Nostrum Líneas Aéreas del Mediterráneo SA (im Folgenden: Air Nostrum) durchgeführt. Die zweite Teilstrecke wurde von Air Berlin durchgeführt. Auf der ersten Teilstrecke gab es eine Verspätung, so dass die Fluggäste ihren Anschlussflug verpassten. Sie erreichten Düsseldorf schließlich mit dreizehnstündiger Verspätung.

    19.

    Die Fluggäste traten den Anspruch, der sich wegen dieser Verspätung aus der Verordnung Nr. 261/2004 ergab, an die flightright GmbH (im Folgenden: flightright) ab. flightright macht nun gegen Air Nostrum eine Ausgleichszahlung in Höhe von 500 Euro nebst Zinsen geltend (im Folgenden: Klage 1 – flightright).

    20.

    flightright erhob Klage vor dem Amtsgericht Düsseldorf (Deutschland). Dieses Gericht hat Zweifel an seiner internationalen Zuständigkeit. Konkret stellt sich dem Gericht die Frage, ob der Zielort Düsseldorf im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 als Erfüllungsort anzusehen ist, weil die Verspätung auf der ersten Teilstrecke der Flugreise eintrat, die weder in Deutschland begann noch dort endete und auf der der Flug von einem anderen Luftfahrtunternehmen als dem, mit dem der Beförderungsvertrag abgeschlossen worden war, durchgeführt wurde.

    21.

    Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Ist bei einer Personenbeförderung auf einer aus zwei Flügen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen der Ankunftsort der zweiten Teilstrecke als Erfüllungsort gemäß Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 anzusehen, wenn sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen der ersten Teilstrecke richtet, auf der sich die Unregelmäßigkeit ereignet hat, und die Beförderung auf der zweiten Teilstrecke von einem anderen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird?

    B.   Rechtssache C‑448/16, Mohamed Barkan u. a./Air Nostrum L.A.M. SA

    22.

    Herr Mohamed Barkan, seine Frau und ihre drei Kinder (im Folgenden: Herr Barkan u. a.) buchten ebenfalls eine aus zwei verbundenen Flügen bestehende Flugreise, und zwar von Melilla (Spanien) nach Frankfurt am Main (Deutschland) über Madrid (Spanien). Der Beförderungsvertrag wurde mit der Iberia Líneas Aéreas de España (im Folgenden: Iberia) abgeschlossen. Die erste Teilstrecke des Fluges von Melilla nach Madrid wurde von Air Nostrum durchgeführt, während die zweite Teilstrecke des Fluges von Madrid nach Frankfurt am Main von Iberia durchgeführt wurde. Der Abflug von Melilla nach Madrid verzögerte sich, so dass die Fluggäste den Anschlussflug verpassten und am Endziel (Frankfurt am Main) mit vierstündiger Verspätung ankamen.

    23.

    Diese Fluggäste erhoben Klage gegen Air Nostrum und begehrten jeweils eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 in Höhe von 250 Euro. Herr Barkan begehrt darüber hinaus die Erstattung von im Zusammenhang mit der Wartezeit aufgewendeten Kosten für Lebensmittel und Telefonate in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen (im Folgenden: Klage 2 – Barkan).

    24.

    Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg, wurde jedoch im Berufungsverfahren abgewiesen. Das Berufungsgericht sah die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht als gegeben an. Im Inland liege kein Erfüllungsort im Sinne der Verordnung Nr. 44/2001. Die Klageforderung betreffe die Verspätung des Fluges von Melilla nach Madrid, und somit kämen nur diese beiden Orte als maßgebende Erfüllungsorte in Betracht.

    25.

    Der mit der Revision befasste Bundesgerichtshof meint, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte könne vorliegend nur dann gegeben sein, wenn der Erfüllungsort der in Rede stehenden Dienstleistung in Deutschland liege. Dafür komme es darauf an, ob das Rechtsverhältnis zwischen den Revisionsklägern des Ausgangsverfahrens und Air Nostrum als ein Vertragsverhältnis eingestuft werden könne, obwohl keine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen diesen Fluggästen und Air Nostrum bestanden habe.

    26.

    Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.

    Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 erfasst, der gegenüber einem ausführenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist?

    2.

    Soweit Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 Anwendung findet:

    Ist bei einer Personenbeförderung auf zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen das Endziel des Fluggasts auch dann als Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 44/2001 anzusehen, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 auf eine auf der ersten Teilstrecke aufgetretene Störung gestützt wird und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen des ersten Fluges richtet, das nicht Vertragspartner des Beförderungsvertrags ist?

    C.   Rechtssache C‑447/16, Roland Becker/Hainan Airlines Co. Ltd

    27.

    Herr Roland Becker schloss mit dem Luftfahrtunternehmen Hainan Airlines Co. Ltd (im Folgenden: Hainan Airlines) einen Vertrag über eine aus zwei verbundenen Flügen bestehende Luftreise. Dieses Luftfahrtunternehmen hat seinen Sitz außerhalb des Unionsgebiets. Die erste Teilstrecke dieser Flugreise bestand in einem Flug von Berlin-Tegel (Deutschland) nach Brüssel (Belgien), die zweite Teilstrecke in einem Anschlussflug von Brüssel nach Peking (China). Herr Becker wurde in Berlin für beide Teilstrecken abgefertigt und erhielt entsprechende Bordkarten. Auch sein Gepäck wurde bis Peking abgefertigt. Die erste Teilstrecke der Flugreise wurde von Brussels Airlines planmäßig durchgeführt. Jedoch wurde Herrn Becker am Flugsteig in Brüssel die Beförderung auf der von Hainan Airlines durchzuführenden zweiten Teilstrecke verweigert.

    28.

    Herr Becker begehrt mit seiner in Deutschland gegen Hainan Airlines erhobenen Klage eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 in Höhe von 600 Euro nebst Zinsen und Zahlung der Verfahrenskosten (im Folgenden: Klage 3 – Becker).

    29.

    Das Gericht erster Instanz wies die Klage mit der Begründung ab, deutschen Gerichten fehle die internationale Zuständigkeit. Das Berufungsgericht kam zu demselben Ergebnis. Es war der Auffassung, dass es keinen Erfüllungsort im Inland gebe, da auf der ersten Teilstrecke von Berlin nach Brüssel und auf der zweiten Teilstrecke von Brüssel nach Peking zwei getrennte Flüge im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 durchgeführt worden seien. Die Klage betreffe ausschließlich die Teilstrecke von Brüssel nach Peking, als Erfüllungsort sei daher Brüssel anzusehen. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass sich eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch nicht aus dem Unternehmenssitz herleiten lasse, da Hainan Airlines in Deutschland nicht ansässig sei. Da der in Rede stehende Vertrag Dienstleistungen betreffe, könne sich die gerichtliche Zuständigkeit nur aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 ergeben.

    30.

    Der mit der Revision befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) weist darauf hin, dass es von der Natur des zwischen Herrn Becker und Hainan Airlines bestehenden Rechtsverhältnisses abhänge, ob die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben sei. Ferner komme es darauf an, ob Berlin, der Abflugort des ersten Fluges, nach der Verordnung Nr. 44/2001 als Erfüllungsort angesehen werden könne.

    31.

    Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Ist bei einer Personenbeförderung auf zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 44/2001 anzusehen, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 auf eine auf der zweiten Teilstrecke aufgetretene Störung gestützt wird und sich die Klage gegen den Vertragspartner des Beförderungsvertrags richtet, der zwar ausführendes Luftfahrtunternehmen des zweiten, nicht aber des ersten Fluges ist?

    IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

    32.

    Zur Klage 1 – flightright haben flightright, Air Nostrum, die portugiesische Regierung und die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Zur Klage 2 – Barkan haben Herr Barkan u. a., Air Nostrum, die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Schriftliche Erklärungen zur Klage 3 – Becker sind von Herrn Becker, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Kommission abgegeben worden.

    33.

    Herr Barkan u. a., flightright, Air Nostrum, die französische Regierung und die Kommission haben ihre Argumente in der gemeinsamen mündlichen Verhandlung am 6. Juli 2017 vorgetragen.

    V. Würdigung

    34.

    Diese Schlussanträge gliedern sich wie folgt: Die Klage 1 – flightright und die Klage 2 – Barkan fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 bzw. in den der Verordnung Nr. 1215/2012. Beginnen werde ich daher mit den beiden Rechtsfragen, die mit diesen beiden Klagen aufgeworfen werden: Handelt es sich bei dem Anspruch auf Ausgleichszahlungen um Ansprüche aus einem Vertrag (A.1), und wo befindet sich bei einem solchen Vertrag der Erfüllungsort (A.2). Danach werde ich die Frage der internationalen Zuständigkeit in Bezug auf die Klage 3 – Becker behandeln (B).

    A.   Klage 1 – flightright und Klage 2 – Barkan

    35.

    Wie kann der Mitgliedstaat bestimmt werden, dessen Gerichte für Ansprüche gegen ein Luftfahrtunternehmen zuständig sind, bei dem es sich nicht um den Vertragspartner des Fluggasts (das vertragschließende Luftfahrtunternehmen) handelt?

    36.

    Um dies festzustellen, bedarf es der Ermittlung der anwendbaren Zuständigkeitsregel (1) und danach im Rahmen der betreffenden Zuständigkeitsregel der Feststellung des für derartige Ansprüche international zuständigen Gerichts, und zwar im Licht des Urteils Rehder des Gerichtshofs ( 6 ). Dieses Urteil betraf Direktflüge. Es stellt sich somit die Frage, wie es auf eine Flugreise mit mehreren Teilstrecken anzuwenden ist (2).

    1. Anwendbare Zuständigkeitsregel

    a) Rechtsnatur des Anspruchs

    37.

    Die Verordnung Nr. 261/2004 definiert die Rechte, die Fluggäste gegen Luftfahrtunternehmen geltend machen können, wenn einer der darin beschriebenen Fälle eintritt. Verständlicherweise regelt diese Verordnung aber nicht die Rechtsnatur der nach ihr begründeten Ansprüche für die Zwecke der Anwendung der Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012.

    38.

    Die Beklagte bzw. Revisionsbeklagte der betreffenden Ausgangsverfahren, Air Nostrum, hat ihren Sitz in Spanien. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann somit nicht auf die allgemeine Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 gestützt werden.

    39.

    Was die besonderen Zuständigkeiten angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die in den Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012 vorgesehene besondere Zuständigkeit für Verbraucher im vorliegenden Fall ebenfalls nicht anwendbar ist. Zwar soll mit der Verordnung Nr. 261/2004 ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sichergestellt werden ( 7 ). Die für Verbraucher geltende besondere Zuständigkeit nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 und nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist aber aufgrund des ausdrücklichen Ausschlusses in Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 bzw. Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1215/2012 nur auf Beförderungsverträge anwendbar, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen. Nach der Sachverhaltsdarstellung der vorlegenden Gerichte ist dies in den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen nicht der Fall.

    40.

    Da andere Zuständigkeiten nach den Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012 offensichtlich nicht einschlägig sind, kann eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nur im Hinblick auf die besondere Zuständigkeit für Ansprüche aus einem Vertrag oder aus unerlaubter Handlung in Betracht gezogen werden.

    41.

    Im Vorlagebeschluss zur Klage 2 – Barkan vertritt der Bundesgerichtshof die Auffassung, bei den in Rede stehenden Ansprüchen handele es sich um gesetzliche Ansprüche auf vertraglicher Grundlage. Auf der Grundlage eines bestehenden Vertrags mit einem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen machten die Fluggäste im Ausgangsverfahren Ansprüche geltend, die sich nicht unmittelbar aus dem Beförderungsvertrag ergäben, sondern in der Verordnung Nr. 261/2004 niedergelegt seien. Eine Geltendmachung dieser Ansprüche setze einen Luftbeförderungsvertrag und eine bestätigte Buchung voraus. Insgesamt habe der Rechtsstreit daher Ansprüche aus einem Vertrag zum Gegenstand.

    42.

    flightright, Herr Barkan u. a., die französische Regierung und die Schweizerische Eidgenossenschaft sind der Auffassung, dass die in Rede stehenden Ansprüche unter den Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne der Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012 fielen. flightright und Herr Barkan u. a. verweisen im Wesentlichen auf den vertraglichen Ursprung des Anspruchs, auch wenn sie nicht unmittelbar einen Vertrag mit Air Nostrum abgeschlossen hätten.

    43.

    Die französische Regierung verweist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“, nach der dieser Begriff auch Ansprüche gegen einen Dritten umfasse, der eingewilligt habe, eine zwischen anderen eingegangene Verpflichtung zu erfüllen. Die französische Regierung verweist ferner auf die „Stellvertreter“-Regelung in Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 261/2004, die die vertragliche Rechtsnatur der geltend gemachten Ansprüche bestätige.

    44.

    In ähnlicher Weise trägt die Schweizerische Eidgenossenschaft unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und die genannte Bestimmung der Verordnung Nr. 261/2004 vor, der mit dieser Verordnung gesetzlich angeordnete Übergang von vertraglichen Pflichten von dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen auf das ausführende Luftfahrtunternehmen zeige, dass es sich um vertragliche Ansprüche handele.

    45.

    Die Kommission ist im Grundsatz zu demselben Ergebnis gelangt. Sie bemerkt, dass nach der Verordnung Nr. 261/2004 das ausführende Luftfahrtunternehmen für bestimmte Verpflichtungen anstelle des vertragschließenden Luftfahrtunternehmens verantwortlich gemacht werde. Dass die betreffenden Fluggastrechte in einer Verordnung und nicht in einem Vertrag definiert würden, sei unerheblich. Sie seien nämlich die Rechtsfolge der mangelhaften Erfüllung eines Vertrags.

    46.

    Air Nostrum akzeptiert offenbar den Ansatz, dass der streitige Anspruch als Anspruch aus einem Vertrag eingestuft werden kann (auch wenn sie in ihren schriftlichen Erklärungen zur Klage 1 – flightright das Fehlen einer Vertragsbeziehung hervorhebt). Sie meint jedoch, dass sie nur für die von ihr tatsächlich durchgeführte Teilstrecke der Flugreise verantwortlich gemacht werden könne, die nicht in Deutschland durchgeführt worden sei.

    b) Vertrag oder unerlaubte Handlung?

    47.

    Nach den von den vorlegenden Gerichten gemachten Angaben, wie sie auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurden, besteht im Wesentlichen ein Dreiecksverhältnis mit drei Beteiligten (vertragschließendes Luftfahrtunternehmen, ausführendes Luftfahrtunternehmen und Fluggast) und zwei Verträgen: dem Beförderungsvertrag zwischen dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen und dem Fluggast und, wie offenbar allgemein üblich, einem allgemeinen Rahmenvertrag zwischen dem vertragschließenden und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen. Dagegen gibt es keinen Vertrag unmittelbar zwischen den Fluggästen und dem beklagten ausführenden Luftfahrtunternehmen ( 8 ).

    48.

    Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund äußert das vorlegende Gericht in dem Verfahren über die Klage 2 – Barkan Zweifel, ob ein Anspruch gegen eine Rechtsperson, die keine Vertragspartei des einschlägigen zugrunde liegenden Vertrags ist, als ein Anspruch aus einem Vertrag angesehen werden kann.

    49.

    Hinsichtlich der Frage, wie die Natur der in Rede stehenden Ansprüche zu beurteilen ist, sind im vorliegenden Verfahren zwei Lösungsansätze erörtert worden.

    50.

    Erstens könnte man davon ausgehen, dass sich diese Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung ergeben. Da es zwischen dem Fluggast und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen keinen Vertrag gibt, wird das ausführende Luftfahrtunternehmen nämlich deshalb in Anspruch genommen, weil es seine Pflichten nach der Verordnung Nr. 261/2004 nicht erfüllt hat. Der Anspruch könnte demnach zwecks Bestimmung der internationalen Zuständigkeit als auf einer gesetzlich normierten unerlaubten Handlung beruhend angesehen werden: Der Inhalt der Verpflichtungen, die Folgen ihrer mangelnden Erfüllung und die Person des Schuldners werden alle in der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt ( 9 ).

    51.

    Zweitens ließe sich, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, eine vertragliche Rechtsnatur des Anspruchs entweder aus einem konkludenten Vertrag zwischen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen und dem Fluggast ( 10 ) oder daraus herleiten, dass man den allgemeinen Rahmenvertrag (über Code-Sharing oder eine andere Art der Zusammenarbeit) zwischen dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen als einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten des Fluggasts, ansieht.

    52.

    Meiner Ansicht nach handelt es sich in der Tat um einen Anspruch aus Vertrag und nicht aus unerlaubter Handlung. Ich muss allerdings zugeben, dass mir die Konstruktionen eines konkludenten Vertrags oder eines Vertrags zugunsten Dritter etwas umständlich und problematisch erscheinen. Meiner Ansicht nach ist die Begründung der vertraglichen Rechtsnatur eines solchen Anspruchs auf der Grundlage der Systematik der beiden Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012 einfacher.

    53.

    Zunächst und vor allem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012, wonach eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden kann, wenn „ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“ ( 11 ), ziemlich offen formuliert sind. Diese Formulierung, die sich auch in anderen Sprachfassungen findet ( 12 ), bezieht sich klar auf einen vertraglichen „Gegenstand“ und nicht auf die „Partei eines Vertrags“.

    54.

    Meiner Ansicht nach beruht die Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 und in Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 somit auf der Grundlage der Klage und nicht auf der Identität der Parteien. Entscheidend ist, ob sich die zugrunde liegende ursprüngliche Quelle der streitigen Rechte und Pflichten und der Grund, warum die Forderung gegen einen bestimmten Beklagten gerichtet wird, aus einem Vertrag herleiten. Ist dies der Fall, so betrifft die Klage zu ihrer Durchsetzung einen „Anspruch aus einem Vertrag“, auch wenn, wie dies bei Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz oftmals der Fall ist, die Rechte und Pflichten, um deren konkrete Durchsetzung es in dem betreffenden Einzelfall geht, durch zwingende gesetzliche Vorschriften in den Vertrag „hineingeschrieben“ (also ohne Änderungsmöglichkeit anwendbar gemacht) werden.

    55.

    In den Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012 finden sich zwei systematische Parallelen, die dies bestätigen. Erstens geht es bei der Auslegung des Begriffs „Klagen in Versicherungssachen“ in ähnlicher Weise darum, dass der betreffende Kläger Ansprüche geltend macht, denen ein Versicherungsvertrag zugrunde liegt, ohne dass dies davon abhängig ist, ob er Partei dieses Vertrags war oder nicht ( 13 ). Zweitens kann man auch Fälle des Eintretens in Rechte Dritter heranziehen. Unter bestimmten Umständen kann ein Dritter an die Stelle eines anderen treten, um Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis durchzusetzen, an dem er nicht beteiligt war. Auch hier kann ein Dritter, der Ansprüche aus dem ursprünglichen Vertrag geltend macht, berechtigt sein ( 14 ), dies entsprechend der Zuständigkeit für Ansprüche aus einem Vertrag zu tun, auch wenn er selbst nicht Partei des ursprünglichen Vertrags war ( 15 ). Wie die Kommission vorbringt, hat es der Gerichtshof in der Rechtssache Frahuil nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass sich der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ auch auf Sachverhalte bezieht, in denen ein Dritter gegen eine Partei eines Vertrags aufgrund einer gesetzlichen Forderungsübertragung auf einen klagenden Dritten klagt, wenn die Einwilligung des Beklagten zu der betreffenden Verpflichtung festgestellt werden kann ( 16 ). Auch das zeigt, dass der betreffende Anspruch nicht notwendigerweise zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien bestehen muss, damit ein Gegenstand unter die Zuständigkeitsregel gemäß Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 oder Art. 7 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 fällt. Voraussetzung ist allerdings, dass es ein zugrunde liegendes Vertragsverhältnis gibt, aufgrund dessen ein Dritter die Erfüllung von Verpflichtungen, die dieser Dritte durch Vertrag eingegangen ist oder die vertraglich zu seinen Gunsten begründet wurden, beanspruchen oder dafür in Anspruch genommen werden kann.

    56.

    Zweitens erfüllt, allgemein gesagt, ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, bei dem es sich nicht um das vertragschließende Luftfahrtunternehmen handelt, mit der Beförderungsleistung eine Verpflichtung, die ihren Ursprung in einem Vertrag hat. Die Beförderung des Fluggasts beruht nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung des ausführenden Luftfahrtunternehmens. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Ausführungen des Gerichtshofs zu dem Ausdruck „unerlaubte Handlung oder... Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung 44/2001: Der Ausdruck bezieht sich auf jede Klage, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung anknüpft ( 17 ).

    57.

    Im Umkehrschluss fallen Ansprüche, die in der einen oder anderen Weise an einen Vertrag anknüpfen, in den Geltungsbereich von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 7 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012.

    58.

    Damit komme ich zu einem dritten Punkt. Auf der konkreten Ebene besteht kein Zweifel, dass mit den in Rede stehenden Klagen materielle Ansprüche aus der mangelhaften Erfüllung eines Luftbeförderungsvertrags gemäß den in einem Vertrag festgelegten Bedingungen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen durchgesetzt werden sollen. Unstreitig ist, dass Air Nostrum als ein nicht vertragschließendes Luftfahrtunternehmen darin eingewilligt hat, in Ausführung des Vertrags zwischen den Fluggästen und dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen die klagenden Fluggäste von A nach B zu befördern.

    59.

    Die Fluggäste machen ihre Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend, weil das ausführende Luftfahrtunternehmen freiwillig im Namen des vertragschließenden Luftfahrtunternehmens im Sinne von Art. 3 Abs. 5 zweiter Satz der Verordnung Nr. 261/2004 gehandelt hat. Ohne eine entsprechende Einwilligung hätte das nicht vertragschließende Luftfahrtunternehmen die Fluggäste überhaupt nicht in das Flugzeug einsteigen lassen. Die gesetzliche Grundlage der Ansprüche, die Verordnung Nr. 261/2004, wäre ohne den zugrunde liegenden Vertrag zwischen dem Fluggast und dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen für den Erfolg der Klage nicht ausreichend.

    60.

    Alles in allem bleiben Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen somit „Ansprüche aus“ dem Luftbeförderungsvertrag zwischen dem Fluggast und dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen. Schließlich ist auch allgemein anerkannt, dass die verschiedenen Formen einer „Unterauftragsvergabe“ oder einer „Aufgabenauslagerung“, die zwischen der ursprünglichen Vertragspartei (dem Auftraggeber) und den gegebenenfalls für ihn Handelnden vereinbart wird, nicht zu einer Veränderung der Rechtsnatur oder des Umfangs der vom Auftraggeber übernommenen Verpflichtungen führen.

    61.

    Nach alledem komme ich zu dem Ergebnis, dass Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen sind, dass der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das nicht Partei des Vertrags ist, den der betreffende Fluggast mit einem anderen Luftfahrtunternehmen abgeschlossen hat, erfasst.

    2. Gerichtliche Zuständigkeit für Klagen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen

    a) Urteil Rehder

    62.

    Im Urteil Rehder ( 18 ) hat der Gerichtshof Stellung genommen zur Frage der internationalen Zuständigkeit ( 19 ) für Ansprüche nach der Verordnung Nr. 261/2004, die von einem Fluggast geltend gemacht worden waren, der einen Beförderungsvertrag mit einem einzigen Luftfahrtunternehmen, das zugleich das Luftfahrtunternehmen war, das den betreffenden annullierten Direktflug durchführen sollte, abgeschlossen hatte. Der Gerichtshof hat entschieden, dass das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeugs zuständig ist. Der Kläger hat die Wahl zwischen beiden Gerichtsständen.

    63.

    Der Gerichtshof gelangte zu dem Ergebnis, dass jeder dieser beiden Orte eine hinreichende Nähe zum Gegenstand des Rechtsstreits aufwies. Zu diesem Ergebnis gelangte der Gerichtshof unter Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang zu erbringenden Dienstleistungen, bei denen es sich um folgende handelt: „die Abfertigung und das Anbordgehen der Fluggäste sowie ihren Empfang an Bord des Flugzeugs an dem im fraglichen Beförderungsvertrag vereinbarten Abflugort, den Start der Maschine zur vorgesehenen Zeit, die Beförderung der Fluggäste und ihres Gepäcks vom Abflugort zum Zielort, die Betreuung der Fluggäste während des Fluges und schließlich das sichere Verlassen des Flugzeugs durch die Fluggäste am Ort der Landung“. Nicht zu berücksichtigen sind nach der Feststellung des Gerichtshofs „die Orte, an denen die Maschine gegebenenfalls zwischenlandet, [da sie] keine hinreichende Verbindung zum Kern der sich aus dem Vertrag ergebenden Dienstleistungen auf[weisen]“ ( 20 ).

    64.

    Bei der Abwägung der Bedeutung des Abflug- und des Ankunftsorts bei einem Direktflug in der Rechtssache Rehder hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass „Beförderungen im Luftverkehr … bereits ihrer Natur nach Dienstleistungen sind, die untrennbar und einheitlich vom Ort des Abflugs bis zum Ort der Ankunft des Flugzeugs erbracht werden, so dass es in solchen Fällen nicht möglich ist, anhand wirtschaftlicher Kriterien einen gesonderten Teil der Leistung auszumachen, der die an einem bestimmten Ort erbrachte Hauptleistung darstellte“ ( 21 ) (im Gegensatz zur Bestimmung des Erfüllungsorts bei Lieferungen beweglicher Sachen an verschiedenen Orten) ( 22 ).

    65.

    Der Gerichtshof hat außerdem geprüft, ob seine Lösung mit den Grundsätzen der Nähe und der Vorhersehbarkeit sowie der Rechtssicherheit im Einklang steht. Dazu hat der Gerichtshof festgestellt, dass die auf zwei Gerichtsorte beschränkte Wahlmöglichkeit es beiden Parteien erlaubt, leicht die Gerichte auszumachen, bei denen eine Klage erhoben werden kann.

    b) Erstreckung der Rehder-Rechtsprechung auf Flugreisen in Teilstrecken?

    66.

    Die vorliegenden Rechtssachen unterscheiden sich von der Rechtssache Rehder in zweierlei Hinsicht. Erstens handelt es sich bei den Flügen in den Ausgangsverfahren um in Teilstrecken unterteilte Flugreisen und nicht um Direktflüge. Zweitens ist das in Anspruch genommene ausführende Luftfahrtunternehmen nicht das Luftfahrtunternehmen, mit dem die Fluggäste den Beförderungsvertrag geschlossen hatten.

    67.

    Das beklagte Luftfahrtunternehmen (Air Nostrum) führte keinen Flug mit Abflug- oder Ankunftsort in Deutschland durch; Deutschland war das Zielland der zweiten Teilstrecke der Flugreise. Zugleich war die erste Teilstrecke, die von dem beklagten ausführenden Flugunternehmen durchgeführt wurde, Teil der gesamten Flugreise, mit der der Zweck verfolgt wurde, die Fluggäste letztlich von Spanien nach Deutschland zu befördern.

    68.

    Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der Gründe für die vom Gerichtshof im Urteil Rehder gefundene Lösung kommen für die Zwecke der vorliegenden Rechtssachen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten zur Bestimmung des Erfüllungsorts für die in den vorliegenden Rechtssachen erbrachten Dienstleistungen in Betracht.

    69.

    Erstens könnte man die im Urteil Rehder gefundene Lösung bei in Teilstrecken unterteilten Flugreisen auf die jeweiligen Anteile der beteiligten Luftfahrtunternehmen anwenden: Da das vertragschließende Luftfahrtunternehmen für die gesamte Flugreise verantwortlich ist, wäre der Erfüllungsort für die von ihm zu erbringende Dienstleistung sowohl der Ort des Abflugs am Anfang und der Ort der Ankunft am Ende der gesamten Flugreise. Entsprechendes würde für jedes ausführende Luftfahrtunternehmen in Bezug auf die von ihm durchgeführte Teilstrecke gelten. Somit wäre bei einer Flugreise, die aus zwei Teilstrecken besteht, Erfüllungsort für das ausführende Luftfahrtunternehmen, bei dem es sich nicht um das vertragschließende Luftfahrtunternehmen handelt und das die erste Teilstrecke der Flugreise durchgeführt hat, der Ort des Abflugs und der Ort, an dem die betreffende Teilstrecke endete (also der Ort, an dem der Fluggast von dem einen Flugzeug in das andere umsteigt). Dies ist im Wesentlichen die Auffassung von Air Nostrum und der Kommission.

    70.

    Zweitens könnte man die im Urteil Rehder gefundene Lösung auch im Ganzen heranziehen, also den Erfüllungsort für das vertragschließende Luftfahrtunternehmen und das ausführende Luftfahrtunternehmen in gleicher Weise bestimmen. Für die vorliegend in Rede stehenden Ansprüche ließe sich argumentieren, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen für die gesamte Flugreise verantwortlich ist: Es ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass seine Leistung so erbracht wird, dass die Fluggäste das Endziel so wie im Vertrag mit dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen vereinbart erreichen können. Das würde bedeuten, dass sowohl der Abflugort der ersten Teilstrecke als auch der Ankunftsort der zweiten Teilstrecke (bzw. der letzten Teilstrecke) der Flugreise für die Zwecke der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit und im Hinblick auf Ansprüche, die sich aus dem Flug in seiner Gesamtheit ergeben, Erfüllungsorte sind. Dies ist im Wesentlichen die Auffassung der französischen und der portugiesischen Regierung sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

    71.

    Aus einer Reihe von Gründen, die ich im folgenden Abschnitt erläutern werde, halte ich die letztgenannte Auffassung für überzeugender.

    c) Das vertragschließende und das ausführende Luftfahrtunternehmen: spiegelbildlicher Erfüllungsort

    72.

    Vor allem ist auf die schlichte Logik der tatsächlich erbrachten Dienstleistung abzustellen, den Luftbeförderungsvertrag: Warum gibt es einen Vertrag, und welchem Ziel dient er? Der Fluggast bucht eine Flugreise von A nach C. Sein Ziel ist es, von A nach C befördert zu werden, und nicht etwa, sofern er dies nicht vielleicht ausdrücklich verlangt, um B einen Besuch abzustatten ( 23 ). Diesem Wunsch entsprechend verkauft das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast einen Flugschein mit einer einheitlichen Buchungsnummer für alle Teilstrecken des Fluges. Wenn der Fluggast am Flughafen des (ersten) Abflugs eintrifft, wird sein Gepäck bis zum Endzielort abgefertigt. Üblicherweise werden ihm beide Bordkarten am Abgangsflughafen ausgehändigt.

    73.

    Die wesentlichen Bestandteile einer solchen Dienstleistung bestimmen dann deren Erfüllungsort, an dem die Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 erbracht wurde. Sowohl der Ort des ersten Abflugs als auch der Ort der letzten Ankunft sind sicherlich Erfüllungsorte für diese Dienstleistung.

    74.

    Das Hauptargument gegen eine Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit „nach Anteilen“, wobei für jedes ausführende Luftfahrtunternehmen ein eigenständiger Erfüllungsort gelten würde, der sich aus dem Abflug- und dem Ankunftsort der von ihm durchgeführten Teilstrecke des Fluges ergäbe, ist einfach: Die durch den Wunsch des Fluggasts definierte Gesamtdienstleistung und der dementsprechend abgeschlossene Beförderungsvertrag müssen ungeachtet dessen, welche und wie viele „Unterauftragnehmer“, also ausführende Luftfahrtunternehmen, das vertragschließende Luftfahrtunternehmen zur Erbringung der Dienstleistung auswählt, dieselben bleiben.

    75.

    Diese Logik findet sich auch in der Verordnung Nr. 261/2004 in zwei Bestimmungen über den Umfang der materiellen Rechte und Pflichten, und zwar in Art. 3 Abs. 5 Satz 2 und Art. 13.

    76.

    Art. 3 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung Nr. 261/2004 lautet: „Erfüllt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.“ Auch wenn man der von der Kommission in ihren schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen vertretenen Auffassung nur zustimmen kann, dass sich die in der Verordnung niedergelegten Pflichten im Grundsatz an das ausführende Luftfahrtunternehmen richten, so wird demnach in Art. 3 Abs. 5 doch klar zum Ausdruck gebracht, dass zwischen dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen weiterhin das übergreifende Rechtsverhältnis eines Auftraggebers zu seinem Beauftragten besteht. Art. 13, und dort insbesondere Satz 2, ergänzt diese Bestimmung, indem er das Recht auf Regress im Verhältnis zwischen den Luftfahrtunternehmen bekräftigt.

    77.

    Anders ausgedrückt: Das vertragschließende Luftfahrtunternehmen kann sich nicht dadurch von den mit dem Fluggast vereinbarten vertraglichen Pflichten befreien, dass es im Wege eine Unterauftrags ein anderes Luftfahrtunternehmen mit einem Teil der Beförderungsleistung betraut. In diesem Sinne leitet sich die Rechtsstellung des ausführenden Luftfahrtunternehmens von der des vertragschließenden Luftfahrtunternehmens ab und spiegelt diese wider und umgekehrt. Es erscheint angebracht, dass die auf materieller Ebene gegebene Rechtslage spiegelbildlich auch auf der Ebene des Verfahrens und der gerichtlichen Zuständigkeit gilt.

    78.

    Es gibt drei zusätzliche Argumente, die für einen „spiegelbildlichen“ Ansatz sprechen, bei dem der Erfüllungsort der Dienstleistung für das vertragschließende und das ausführende Luftfahrtunternehmen derselbe ist.

    79.

    Erstens gibt es, was die Ansprüche nach der Verordnung Nr. 261/2004 in materieller Hinsicht betrifft, weitere Umstände, die analog für Überlegungen zur gerichtlichen Zuständigkeit herangezogen werden können: Für die Berechnung der Ausgleichszahlung bei einer in Teilstrecken aufgeteilten Flugreise wird nach der Verordnung Nr. 261/2004 der Flug als ein Ganzes betrachtet, ohne dass seine etwaigen internen Teilstrecken geprüft würden. Zum einen ist die Frage, ob nach der Verordnung Nr. 261/2004 ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht, auf der Grundlage der tatsächlichen Verspätung am Endziel zu beurteilen. Eine eher kurze Verspätung am Umsteigeflughafen, die den Fluggast zu keiner Ausgleichszahlung gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 berechtigen würde, gibt dennoch einen solchen Anspruch, wenn die Verspätung am Endziel drei Stunden überschreitet ( 24 ). Zum anderen sieht die Verordnung Nr. 261/2004 eine Staffelung der Höhe der Ausgleichszahlung – 250 Euro, 400 Euro oder 600 Euro – vor, die auf der zurückgelegten Entfernung basiert. Auch in diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof erläutert, dass bei der Berechnung der Entfernung bei einer in Teilstrecken aufgeteilten Flugreise unabhängig vom Umsteigeort auf die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Ort der Ankunft auf der zweiten (und letzten) Teilstrecke der Flugreise abzustellen ist ( 25 ).

    80.

    Soweit es um materielle Ansprüche nach der Verordnung Nr. 261/2004 geht, sind die maßgebenden Orte also der Ort des ersten Abflugs und der Ort des Endziels, wobei Zwischenlandungen keine Rolle spielen.

    81.

    Zweitens meine ich, dass diese Lösung auch im Einklang mit dem Ziel der Vorhersehbarkeit steht, das einen der Grundpfeiler der gemeinsamen Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit bildet. Die Fluggäste kennen selbstverständlich die Abflug- und Ankunftsorte ihrer Flugreise. Demgegenüber vertritt Air Nostrum in ihrer Stellungnahme die Ansicht, dass für einen Beklagten, bei dem es sich um das ausführende Luftfahrtunternehmen und nicht um das vertragschließende Luftfahrtunternehmen handle, bei dieser Lösung das zuständige Gericht nicht vorhersehbar sei. Air Nostrum trägt vor, ein ausführendes Luftfahrtunternehmen habe, wenn es eine bestimmte Teilstrecke einer Flugverbindung durchführe, keine Informationen über die weiteren Reisepläne der an Bord genommenen Fluggäste. Das ausführende Luftfahrtunternehmen wisse nicht, ob einige Fluggäste einen Anschlussflug hätten, und kenne auch nicht die Zielorte dieser Flüge. Das ausführende Luftfahrtunternehmen könne daher nicht alle Orte in Europa mit einer möglichen gerichtlichen Zuständigkeit vorhersehen, an denen es verklagt werden könne.

    82.

    Meiner Ansicht nach sind die Einwände von Air Nostrum nicht überzeugend, und zwar weder in tatsächlicher noch – und vor allem – in grundsätzlicher Hinsicht. In tatsächlicher Hinsicht wäre es schon erstaunlich, wenn in einer Welt der vernetzten elektronischen Kommunikation, in der zwei Luftfahrtunternehmen ein Code-Sharing ihrer Flüge oder eine andere Art der Zusammenarbeit beschließen, dieselben Luftfahrtunternehmen nicht auch Informationen über die verschiedenen Teilstrecken einer Flugreise und einzelne Fluggäste austauschen würden, wenn sie solche Flugreisen gemeinsam durchzuführen haben.

    83.

    Unabhängig davon gibt es ein – wohl wichtigeres – grundsätzliches Argument: Code-Sharing oder sonstige Zusammenschlüsse von Luftfahrtunternehmen sind das Ergebnis von Geschäftsstrategien und von den betreffenden Luftfahrtunternehmen frei abgeschlossenen Geschäftsvereinbarungen. Man dürfte nicht fehlgehen, wenn man davon ausgeht, dass solche Vereinbarungen abgeschlossen werden, um den Umsatz und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern: Ein Luftfahrtunternehmen, das mehr Zielorte anbieten kann, wird mehr Flugscheine verkaufen können. Es ist nur konsequent, dass das Risiko, das ein solches Verfahren mit sich bringt, letztlich von der Einheit (oder von denjenigen Einheiten) getragen wird, die den wirtschaftlichen Nutzen davon haben werden.

    84.

    Darüber hinaus kann entsprechend der wirtschaftlichen Logik des gesamten Vorgangs davon ausgegangen werden, dass in den einzelnen Code-Sharing-Vereinbarungen eine Absprache darüber enthalten sein dürfte (oder jedenfalls enthalten sein sollte, wenn sie gut aufgesetzt sind), in welcher Weise das ausführende Luftfahrtunternehmen dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen gegenüber (und umgekehrt) Kosten trägt und/oder es im Fall von Rechtsstreitigkeiten unterstützt und/oder Kosten im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten erstattet, die durch Fehler des einen oder des anderen Vertragspartners entstehen. Im Gegensatz dazu hätten Fluggäste bei Gerichtsverfahren am Ort eines Flughafens, auf dem eine Zwischenlandung stattgefunden hat und der weder der Abflugort noch der Zielort ihrer Flugreise ist, kaum eine solche Möglichkeit der Kostendeckung oder einer sonstigen Unterstützung.

    85.

    Drittens wird der Gerichtshof vorliegend eine Lösung zur Frage der internationalen Zuständigkeit finden müssen, die nicht nur bei Flugreisen in zwei Teilstrecken praktikabel ist, sondern auch bei Flugreisen, die aus drei oder sogar mehr Teilstrecken bestehen. Wenn man sich die Anwendung des oben erörterten Lösungsansatzes „nach Anteilen“ auf solche Flüge mit womöglich mehreren unterschiedlichen ausführenden Luftfahrtunternehmen hypothetisch vor Augen führt, sind die praktischen Probleme deutlich zu erkennen. Aus der Sicht des Fluggasts würde dies nämlich bedeuten, dass die gerichtliche Zuständigkeit wahrscheinlich von dem Ort abhängen würde, an dem der Flug tatsächlich unterbrochen wurde. Eine solche vom Zufall abhängige gerichtliche Zuständigkeit ( 26 ) könnte dazu führen, dass das zuvor dargestellte Dreiecksverhältnis (vertragschließendes Luftfahrtunternehmen – ausführendes Luftfahrtunternehmen – Fluggast) ( 27 ) zu einem wahren Bermuda-Dreieck wird – mit dem Unterschied, dass sich, während im Bermuda-Dreieck Flugzeuge und Schiffe offensichtlich nur in der Science-Fiction verschwinden, bei einer derartigen Zuständigkeitsregel die Rechte der Fluggäste tatsächlich mit Sicherheit in nichts auflösen würden.

    86.

    Im Licht der vorstehenden Ausführungen komme ich zu dem Ergebnis, dass bei einer Beförderung von Fluggästen auf einer Flugreise, die aus zwei verbundenen Flügen besteht, sowohl der Ort des Abflugs auf der ersten Teilstrecke als auch der Ort der Ankunft auf der zweiten Teilstrecke Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 oder Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 ist, wenn die Klage gegen das Luftfahrtunternehmen gerichtet ist, das die erste Teilstrecke durchgeführt hat, auf der die Verspätung eingetreten ist, und bei dem es sich nicht um das Luftfahrtunternehmen handelt, das mit dem Fluggast einen Vertrag geschlossen hat.

    B.   Klage 3 – Becker

    87.

    Im Rahmen des Verfahrens zur Klage 3 – Becker fragt das vorlegende Gericht nach der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001. Es möchte wissen, welches Gericht für einen Anspruch nach der Verordnung Nr. 261/2004, den ein Fluggast eines Anschlussflugs gegen ein im Unionsgebiet nicht ansässiges Luftfahrtunternehmen geltend macht, international zuständig ist.

    88.

    Konkret möchte das vorlegende Gericht wissen, welcher Ort der Erfüllungsort für die betreffende Dienstleistung ist, wenn die in Rede stehende Flugreise in Berlin begann und in Brüssel unterbrochen wurde, weil dem Fluggast am Flugsteig die Beförderung und damit die Fortsetzung des Fluges auf der zweiten Teilstrecke nach Peking verweigert wurde. Anders als bei den beiden anderen Klagen, die in Abschnitt A dieser Schlussanträge behandelt wurden, war in diesem Fall das vertragliche Luftfahrtunternehmen als ausführendes Luftfahrtunternehmen für die Nichtbeförderung verantwortlich.

    89.

    Zunächst ist auf Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 hinzuweisen: „Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich … die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen.“ Nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 gilt: „Gegenüber einem Beklagten, der keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann sich jede Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in diesem Staat auf die dort geltenden Zuständigkeitsvorschriften … wie ein Inländer berufen, ohne dass es auf ihre Staatsangehörigkeit ankommt.“

    90.

    Zwar hatte die Kommission in dem Vorschlag, der zu der Verordnung Nr. 1215/2012 führte, angeregt, den Geltungsbereich der gemeinsamen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit auf Beklagte aus Drittstaaten auszudehnen ( 28 ), im Kern blieb die zitierte Vorschrift jedoch in der Verordnung Nr. 1215/2012, und zwar in ihrem Art. 6, unverändert.

    91.

    Es gibt somit eine eindeutige und neuerliche Erklärung des Unionsgesetzgebers über die Anwendbarkeit der gemeinsamen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit auf Beklagte aus Drittstaaten: Die internationale Zuständigkeit für Klagen gegen Beklagte aus Drittstaaten bestimmt sich weiterhin nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten.

    92.

    Wie die Kommission zu Recht ausführt, gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz ( 29 ). Diese Ausnahmen finden indessen vorliegend offensichtlich keine Anwendung. Die Kommission weist auch zu Recht darauf hin, dass im Vorlagebeschluss nicht angegeben ist, dass das nationale Verfahrensrecht in irgendeiner Weise auf die Verordnung Nr. 44/2001 Bezug nimmt, was gegebenenfalls zu einer Erörterung der Anwendbarkeit der Dzodzi-Rechtsprechung hätte führen können ( 30 ).

    93.

    Aus diesen Gründen bin ich der Auffassung, dass die Verordnung Nr. 44/2001 auf die Revisionsbeklagte des Ausgangsverfahrens keine Anwendung findet. Die internationale Zuständigkeit (oder deren Fehlen) ist daher nach den nationalen Rechtsvorschriften zu bestimmen.

    94.

    Es darf aber nicht übersehen werden, dass der in Rede stehende Anspruch auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 geltend gemacht wird, die gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a auch auf Luftfahrtunternehmen aus Drittstaaten Anwendung findet, wenn die Klage von einem Fluggast erhoben wird, der seinen Flug „auf [einem Flughafen] im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt“, angetreten hat.

    95.

    Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass diese Verordnung dem verbesserten Schutz der Fluggäste als Verbraucher dient. Das bedeutet, dass die nationalen Zuständigkeitsvorschriften angemessen zugänglich sein müssen, damit der Schutz wirksam in Anspruch genommen werden kann. Der Grundsatz der Effektivität verlangt, dass die Mitgliedstaaten die Ausübung der durch die Rechtsordnung der Union verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen ( 31 ).

    96.

    Aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 folgt, dass diese Verordnung einem Fluggast wie dem Revisionskläger des Ausgangsverfahrens Ansprüche gewährt, die gegen einen Beklagten wie den Revisionsbeklagten des Ausgangsverfahrens geltend gemacht werden können. Meiner Auffassung nach dürfen die nationalen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit die Wirksamkeit dieser Bestimmungen nicht beeinträchtigen.

    97.

    Innerhalb dieses Rechtsrahmens ist es indessen Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die geltenden nationalen Rechtsvorschriften dieser Anforderung entsprechen, und sie, wenn notwendig, so anzuwenden, dass die in der Verordnung Nr. 261/2004 niedergelegten Rechte wirksam in Anspruch genommen werden können.

    98.

    Aus den dargelegten Gründen bin ich hinsichtlich der Klage 3 – Becker der Auffassung, dass Art. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass die Bestimmungen dieser Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit auf einen nicht im Unionsgebiet ansässigen Beklagten wie die Revisionsbeklagte des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar sind. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts muss daher nach Maßgabe der am Ort des angerufenen Gerichts anwendbaren Rechtsvorschriften beurteilt werden. Diese nationalen Rechtsvorschriften über die internationale Zuständigkeit dürfen jedoch dem Fluggast die Durchsetzung eines Anspruchs nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

    VI. Ergebnis

    99.

    Nach alledem schlage ich vor, dass der Gerichtshof die vom Amtsgericht Düsseldorf (Deutschland) in der Rechtssache C‑274/16, flightright GmbH/Air Nostrum Líneas Aéreas del Mediterráneo SA, vorgelegte Frage wie folgt beantwortet:

    Art. 7 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass bei einer Beförderung von Fluggästen auf einer aus zwei Flügen bestehenden Flugverbindung sowohl der Ort des Abflugs auf der ersten Teilstrecke als auch der Ort der Ankunft auf der zweiten Teilstrecke Erfüllungsort im Sinne dieser Bestimmung ist, wenn die Klage gegen das Luftfahrtunternehmen gerichtet ist, das die erste Teilstrecke durchgeführt hat, auf der die Verspätung eingetreten ist, und bei dem es sich nicht um das Luftfahrtunternehmen handelt, das mit dem Fluggast einen Vertrag geschlossen hat.

    100.

    In der Rechtssache C‑448/16, Mohamed Barkan u. a./Air Nostrum L.A.M. SA, schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Bundesgerichtshofs (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

    1.

    Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das nicht Partei des Vertrags ist, den der betreffende Fluggast mit einem anderen Luftfahrtunternehmen abgeschlossen hat, erfasst.

    2.

    Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass bei einer Beförderung von Fluggästen auf einer aus zwei Flügen bestehenden Flugverbindung sowohl der Ort des Abflugs auf der ersten Teilstrecke als auch der Ort der Ankunft auf der zweiten Teilstrecke Erfüllungsort im Sinne dieser Bestimmung ist, wenn die Klage gegen das Luftfahrtunternehmen gerichtet ist, das die erste Teilstrecke durchgeführt hat, auf der die Verspätung eingetreten ist, und bei dem es sich nicht um das Luftfahrtunternehmen handelt, das mit dem Fluggast einen Vertrag geschlossen hat.

    101.

    In der Rechtssache C‑447/16, Roland Becker/Hainan Airlines Co. Ltd, schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Bundesgerichtshofs wie folgt zu beantworten:

    Art. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass die Bestimmungen dieser Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit auf einen nicht im Unionsgebiet ansässigen Beklagten wie die Revisionsbeklagte des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar sind. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts muss daher nach Maßgabe der am Ort des angerufenen Gerichts anwendbaren Rechtsvorschriften beurteilt werden. Diese nationalen Rechtsvorschriften über die internationale Zuständigkeit dürfen jedoch dem Fluggast die Durchsetzung eines Anspruchs nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

    ( 3 ) Verordnung des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

    ( 4 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1). Durch diese Verordnung wurde die Verordnung Nr. 44/2001 aufgehoben.

    ( 5 ) Vorbehaltlich Art. 18 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2 und der Art. 24 und 25 der Verordnung Nr. 1215/2012 bzw. der Art. 22 und 23 der Verordnung Nr. 44/2001.

    ( 6 ) Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder (C‑204/08, EU:C:2009:439, Rn. 47).

    ( 7 ) Vgl. Erwägungsgründe 1 bis 4 der Verordnung Nr. 261/2004 sowie Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 69), vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 44, 49 und 60), und vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a. (C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 72 und 74).

    ( 8 ) Bei der Klage 1 – flightright ist die Situation noch komplexer. Der Kläger in dieser Rechtssache war nicht Vertragspartei des Beförderungsvertrags zwischen dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen und den Fluggästen, die den fraglichen Anspruch abgetreten haben.

    ( 9 ) Damit fänden Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 Anwendung. Nach diesen Vorschriften ist das Gericht des Ortes international zuständig, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Nach der Definition des Gerichtshofs ist damit sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint. Zur Formulierung in einer jüngeren Rechtssache vgl. etwa Urteil vom 22. Januar 2015, Hejduk (C‑441/13, EU:C:2015:28, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zur ursprünglichen grundsätzlichen Feststellung vgl. Urteil vom 30. November 1976, Bier (21/76, EU:C:1976:166, Rn. 19, 24 und 25).

    ( 10 ) Es ist die Ansicht vertreten worden, dass sich ein solcher konkludenter Vertrag aus der Kombination zwischen dem Beförderungsvertrag zwischen dem Fluggast und dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen und dem Rahmenvertrag zwischen dem vertragschließenden Luftfahrtunternehmen und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen ergibt.

    ( 11 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 12 ) Beispielsweise auf Englisch: „in matters relating to a contract“, auf Französisch: „en matière contractuelle“, auf Spanisch: „en materia contractual“, auf Italienisch: „in materia contrattuale“, auf Tschechisch: „pokud předmět sporu tvoří smlouva nebo nároky ze smlouvy“.

    ( 13 ) Vgl. hierzu auch meine Schlussanträge in der Rechtssache MMA IARD (C‑340/16, EU:C:2017:396, insbesondere Nrn. 36 und 37).

    ( 14 ) Ich möchte klar hervorheben, dass der hier vertretene Ansatz folgender ist: Ein Anspruch, der von einer Person geltend gemacht wird, die nicht Partei eines Vertrags ist, wird dadurch nicht plötzlich von einem vertraglichen Anspruch zu einem Anspruch aus unerlaubter Handlung – oder irgendeiner anderen Grundlage. Ob ein solches Eintreten in Rechte Dritter auch dazu führt, dass eine besondere Zuständigkeit, die nur für eine schwächere Partei (wie etwa einen Verbraucher) gilt, anwendbar wird (oder ob diese davon unberührt bleibt), ist eine ganz andere Frage, die sich in den vorliegenden Rechtssachen nicht stellt.

    ( 15 ) Zur Frage, auf welche Zuständigkeitsregeln sich im Fall der Abtretung einer Forderung nach der Verordnung Nr. 261/2004 der klagende Abtretungsempfänger stützen kann, vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Flight Refund (C‑94/14, EU:C:2015:723, Nr. 60).

    ( 16 ) Urteil vom 5. Februar 2004, Frahuil (C‑265/02, EU:C:2004:77, Rn. 25); vgl. auch Urteil vom 14. März 2013, Česká spořitelna (C‑419/11, EU:C:2013:165, Rn. 46 und 47).

    ( 17 ) Urteil vom 18. Juli 2013, ÖFAB (C‑147/12, EU:C:2013:490, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 18 ) Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder (C‑204/08, EU:C:2009:439).

    ( 19 ) Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es in der Union zwei Regelungsrahmen gibt, nach denen die internationale Zuständigkeit für Klagen von Fluggästen gegen ein Luftfahrtunternehmen bestimmt werden kann: die Vorschriften des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. 2001, L 194, S. 38) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde („Übereinkommen von Montreal“), sowie die zu seiner Umsetzung erlassenen unionsrechtlichen Vorschriften und diejenigen in den Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1215/2012. Nach dem Sachverhalt der vorliegenden Rechtssachen und im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs sind allein die letzteren Rechtsvorschriften für die vorliegenden Rechtssachen einschlägig. Wie der Gerichtshof in jüngster Zeit festgestellt hat, „finden, da für Ansprüche, die auf die Vorschriften der Verordnung Nr. 261/2004, und solche, die auf die Bestimmungen des Übereinkommens von Montreal gestützt sind, unterschiedliche Regelungsrahmen gelten, die Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens von Montreal auf Klagen, die allein auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 erhoben wurden, keine Anwendung; solche Klagen sind anhand der Verordnung Nr. 44/2001 zu prüfen“. Urteil vom 10. März 2016, Flight Refund (C‑94/14, EU:C:2016:148, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 20 ) Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder (C‑204/08, EU:C:2009:439, Rn. 40).

    ( 21 ) Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder (C‑204/08, EU:C:2009:439, Rn. 42).

    ( 22 ) Urteil vom 3. Mai 2007, Color Drack (C‑386/05, EU:C:2007:262, Rn. 40 bis 42).

    ( 23 ) Diese Verallgemeinerung erfolgt auf der Grundlage der in den vorliegenden Rechtssachen mitgeteilten Sachverhalte, in denen der Ort des Umsteigeflughafens und die Frage, ob und in welcher Weise es eine Zwischenlandung gibt, offensichtlich keine Rolle spielen. Es kann allerdings auch den Fall geben, dass ein Fluggast den Wunsch äußert, über einen bestimmten Umsteigeflughafen zu reisen und dort (oder eher in der Stadt oder dem Land, wo sich der Flughafen befindet) für eine nicht unerhebliche Dauer einen Halt einzulegen; dadurch könnte dieser Ort zu einem eigenständigen Zielort werden. Ein Fluggast könnte z. B. mit seinem Luftfahrtunternehmen vereinbaren, dass er auf dem Weg von Madrid nach Bratislava einen Aufenthalt von zwei Tagen in Paris einlegt. Verhielte es sich tatsächlich so, was hier aber nicht der Fall ist, dann ließe sich die Ansicht vertreten, dass ein derartiger individuell ausgehandelter Aufenthalt, bei dem der Fluggast den Flughafen verlässt und das Gepäck auscheckt, für die Bestimmung der Zuständigkeitsregeln von Bedeutung ist.

    ( 24 ) Urteil vom 26. Februar 2013, Folkerts (C‑11/11, EU:C:2013:106, Rn. 35 und 37).

    ( 25 ) Urteil vom 7. September 2017, Bossen u. a. (C‑559/16, EU:C:2017:644, insbesondere Rn. 29 bis 33).

    ( 26 ) Damit käme man tatsächlich sehr nahe an die zuvor abgelehnte Zuständigkeitsregel für eine unerlaubte Handlung, wonach der Ort maßgebend ist, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist – vgl. oben, Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 27 ) Vgl. oben, Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 28 ) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, KOM(2010) 748 endgültig, Abschnitt 3.1.2, Punkt 1 und S. 25.

    ( 29 ) Hierbei handelt es sich um die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22, der auf den streitigen Anspruch keine Anwendung findet, sowie um die Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23, der voraussetzt, dass mindestens eine Partei der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat.

    ( 30 ) Urteile vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 36 ff.), und vom 18. Oktober 2012, Nolan (C‑583/10, EU:C:2012:638, Rn. 45 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 31 ) Zur neueren Rechtsprechung in diesem Sinne vgl. beispielsweise Urteil vom 15. Dezember 2016, Nemec (C‑256/15, EU:C:2016:954, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 9. November 2016, ENEFI (C‑212/15, EU:C:2016:841, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Top