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Document 62016CC0245

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 5. April 2017.
    Nerea SpA gegen Regione Marche.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per le Marche.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Staatliche Beihilfen – Verordnung (EG) Nr. 800/2008 – Allgemeine Gruppenfreistellung – Geltungsbereich – Art. 1 Abs. 6 Buchst. c – Art. 1 Abs. 7 Buchst. c – Begriff ‚Unternehmen in Schwierigkeiten‘ – Begriff ‚Gesamtverfahren‘ – Gesellschaft, die gemäß dem operationellen Regionalprogramm des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) eine staatliche Beihilfe erhielt und später zum präventiven Vergleich zur Fortführung des Unternehmens zugelassen wurde – Widerruf der Beihilfe – Verpflichtung zur Rückzahlung des gezahlten Vorschusses.
    Rechtssache C-245/16.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:271

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

    vom 5. April 2017 ( 1 )

    Rechtssache C‑245/16

    Nerea SpA

    gegen

    Regione Marche

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per le Marche [Regionales Verwaltungsgericht für die Region Marken, Italien])

    „Vorabentscheidungsersuchen — Staatliche Beihilfen — Verordnung (EG) Nr. 800/2008 — Antrag eines Unternehmens, das europäische Mittel bezogen hat, auf einen präventiven Vergleichsabschluss — Begriff des Unternehmens in Schwierigkeiten — Begriff des Insolvenzverfahrens — Voraussetzungen für die Ablehnung oder den Widerruf einer Beihilfe aus europäischen Mitteln — Verpflichtung zur Rückerstattung der Beihilfe“

    1. 

    Dieses Vorabentscheidungsersuchen bietet dem Gerichtshof Gelegenheit, sich zu den Begriffen „Unternehmen in Schwierigkeiten“ ( 2 ) und „Gesamtverfahren, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt“ zu äußern, die in Art. 1 Abs. 6 Buchst. c bzw. Abs. 7 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 ( 3 ) verwendet werden.

    2. 

    Die Zweifel des vorlegenden Gerichts erheben sich in einem Verfahren, in dem ein Unternehmen (Nerea SpA, im Folgenden: Nerea) den Widerruf einer staatlichen Beihilfe anficht, die es im Rahmen eines Programms des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) von der italienischen Regionalverwaltung erhalten hat.

    3. 

    Als Nerea die Förderung (im März 2012) erhielt, erfüllte das Unternehmen die in der Ausschreibung der Beihilfen festgelegten Voraussetzungen einschließlich derjenigen, dass sie sich nicht in Schwierigkeiten befand. Nach Auffassung der die Beihilfen verwaltenden Stelle erfüllte Nerea diese Voraussetzungen aber nicht mehr, nachdem sie im Dezember 2013 die Eröffnung eines Verfahrens für einen „concordato preventivo“ (Vergleichsabschluss zur Abwendung der Insolvenz) beantragt hatte, das die Beihilfestelle als Gesamtverfahren, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt, im Sinne der Verordnung Nr. 800/2008 wertete. Die Beihilfestelle widerrief deshalb die ursprüngliche Entscheidung und verlangte von dem begünstigten Unternehmen die Rückzahlung des Beihilfebetrags.

    4. 

    Die Parteien des Verfahrens streiten über die Art des von Nerea eingeleiteten Insolvenzverfahrens sowie über die Einstufung von Nerea als „Unternehmen in Schwierigkeiten“. Der Streit betrifft auch den Zeitpunkt, auf den sich die Beurteilung des etwaigen Vorliegens von Schwierigkeiten (ob von Anfang an oder nachträglich) beziehen muss.

    I. Rechtlicher Rahmen

    A. Unionsrecht

    1.  Verordnung Nr. 800/2008

    5.

    Der 15. Erwägungsgrund lautet:

    „Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten … sollten auf der Grundlage dieser Leitlinien geprüft werden, damit deren Umgehung verhindert wird. Daher sollten Beihilfen für solche Unternehmen nicht von dieser Verordnung erfasst werden. Um den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten in Verbindung mit der Gewährung von KMU-Beihilfen [(Beihilfen für kleine und mittlere Unternehmen)] im Rahmen dieser Verordnung zu verringern, sollte die Bestimmung des Begriffs ‚Unternehmen in Schwierigkeiten‘ gegenüber der entsprechenden Begriffsbestimmung in den genannten Leitlinien vereinfacht werden. Außerdem sollten KMU in den ersten drei Jahren nach ihrer Gründung für die Zwecke dieser Verordnung nur dann als Unternehmen in Schwierigkeiten gelten, wenn die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt, erfüllt sind. Diese Vereinfachung sollte weder die Einstufung dieser KMU gemäß den genannten Leitlinien im Hinblick auf nicht unter diese Verordnung fallende Beihilfen berühren noch die im Rahmen dieser Verordnung erfolgende Einstufung von Großunternehmen als Unternehmen in Schwierigkeiten, für die weiterhin in vollem Umfang die in den genannten Leitlinien festgelegte Begriffsbestimmung gilt.“

    6.

    In Artikel 1 heißt es:

    „…

    (6)   Diese Verordnung gilt nicht für folgende Beihilfen:

    c)

    Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten.

    (7)   Für die Zwecke von Absatz 6 Buchstabe c wird ein KMU als Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet, wenn es die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

    a)

    im Falle von Gesellschaften mit beschränkter Haftung: Mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals ist verschwunden, und mehr als ein Viertel dieses Kapitals ist während der letzten zwölf Monate verlorengegangen, oder

    b)

    im Falle von Gesellschaften, in denen mindestens einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften: Mehr als die Hälfte der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel ist verschwunden, und mehr als ein Viertel dieser Mittel ist während der letzten zwölf Monate verloren gegangen, oder

    c)

    unabhängig von der Gesellschaftsform: Die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt, sind erfüllt.

    Ein KMU wird in den ersten drei Jahren nach seiner Gründung für die Zwecke dieser Verordnung nur dann als Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet, wenn es die Voraussetzungen von Unterabsatz 1 Buchstabe c erfüllt.“

    2.  Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten  ( 4 )

    7.

    Rn. 9 lautet:

    „Es gibt keine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung des Begriffs ‚Unternehmen in Schwierigkeiten‘. Gleichwohl geht die Kommission davon aus, dass sich ein Unternehmen im Sinne dieser Leitlinien in Schwierigkeiten befindet, wenn es nicht in der Lage ist, mit eigenen finanziellen Mitteln oder Fremdmitteln, die ihm von seinen Eigentümern/Anteilseignern oder Gläubigern zur Verfügung gestellt werden, Verluste aufzufangen, die das Unternehmen auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher in den wirtschaftlichen Untergang treiben werden, wenn der Staat nicht eingreift.“

    8.

    Rn. 10 bestimmt:

    „Im Sinne dieser Leitlinien befindet sich ein Unternehmen unabhängig von der Größe insbesondere in folgenden Fällen in Schwierigkeiten:

    a)

    wenn bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals verschwunden und mehr als ein Viertel dieses Kapitals während der letzten zwölf Monate verloren gegangen ist;

    b)

    wenn bei Gesellschaften, in denen mindestens einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften, mehr als die Hälfte der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel verschwunden und mehr als ein Viertel dieser Mittel während der letzten zwölf Monate verloren gegangen ist;

    c)

    wenn unabhängig von der Unternehmensform die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens erfüllt sind.“

    9.

    Rn. 11 lautet:

    „Selbst wenn keine der in Randnummer 10 genannten Voraussetzungen erfüllt ist, kann ein Unternehmen als in Schwierigkeiten befindlich angesehen werden, wenn die hierfür typischen Symptome auftreten, wie steigende Verluste, sinkende Umsätze, wachsende Lagerbestände, Überkapazitäten, verminderter Cashflow, zunehmende Verschuldung und Zinsbelastung sowie Abnahme oder Verlust des Reinvermögenswerts. Schlimmstenfalls ist das Unternehmen bereits zahlungsunfähig oder es wurde bereits ein Insolvenzverfahren nach innerstaatlichem Recht eingeleitet. Die vorliegenden Leitlinien finden auch auf Beihilfen Anwendung, die im Rahmen eines solchen Verfahrens zur Weiterführung des Unternehmens gewährt werden. Ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt jedenfalls nur dann für eine Beihilfe in Betracht, wenn es nachweislich nicht in der Lage ist, sich aus eigener Kraft oder mit Mitteln seiner Eigentümer/Anteilseigner oder Fremdmitteln zu sanieren.“

    B. Nationales Recht

    10.

    Art. 186bis des Regio Decreto no267 ( 5 ) in seiner in zeitlicher Hinsicht auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Fassung regelt den sogenannten „concordato preventivo“ (im Folgenden: präventiver Vergleichsabschluss oder Vergleichsabschluss unter Fortführung des Unternehmens) wie folgt:

    „Sieht der Vergleichsvorschlag im Sinne von Art. 161 Abs. 2 Buchst. e die Fortführung der Unternehmenstätigkeit durch den Schuldner vor, finden auf die Veräußerung des noch betriebenen Unternehmens oder die Einbringung des noch betriebenen Unternehmens in eine oder mehrere – auch neu gegründete – Gesellschaften die Bestimmungen dieses Artikels Anwendung. Der Vorschlag kann auch die Verwertung von nicht dem Unternehmensbetrieb dienenden Gegenständen vorsehen.

    In den in diesem Artikel vorgesehenen Fällen

    a)

    muss der Vorschlag nach Art. 161 Abs. 2 Buchst. e auch eine aufgeschlüsselte Angabe der erwarteten Ausgaben und Einnahmen aus der im Vergleichsvorschlag vorgesehenen Fortführung des Betriebs des Unternehmens, der erforderlichen Finanzmittel und der entsprechenden Modalitäten ihrer Deckung vorsehen;

    b)

    muss der Sachverständigenbericht nach Art. 161 Abs. 3 bescheinigen, dass die im Vergleichsvorschlag vorgesehene Fortführung des Betriebs des Unternehmens zu einer besseren Befriedigung der Gläubiger beiträgt;

    c)

    der Vorschlag kann, unbeschadet der Bestimmungen des Art. 160 Abs. 2, für die Zahlung an bevorrechtigte Gläubiger, Pfand- oder Hypothekengläubiger ein Moratorium von bis zu einem Jahr ab Genehmigung vorsehen, es sei denn, dass die Verwertung der Gegenstände oder Rechte vorgesehen ist, an denen ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung besteht. In einem solchen Fall haben diese bevorrechtigten Gläubiger kein Stimmrecht.

    Unbeschadet der Bestimmungen des Art. 169bis werden zum Zeitpunkt der Klageerhebung laufende Verträge, auch solche, die mit der öffentlichen Verwaltung geschlossen wurden, durch die Eröffnung des Verfahrens nicht aufgelöst. Etwaige entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam. Die Zulassung zum Verfahren des präventiven Vergleichsabschlusses steht der Fortsetzung öffentlicher Verträge nicht entgegen, wenn der vom Schuldner bestellte Sachverständige im Sinne von Art. 67 die Übereinstimmung mit dem Vorschlag und darüber hinaus das Vorhandensein hinreichender Kapazitäten zur Vertragserfüllung bescheinigt hat. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, kann die Fortsetzung auch der Gesellschaft zugutekommen, die das Unternehmen oder Betriebsteile erwirbt oder in die sie eingebracht werden und auf die die Verträge übertragen werden. Der Insolvenzrichter verfügt bei Veräußerung oder Einbringung die Löschung von Eintragungen und Umschreibungen.

    Nach Klageerhebung ist die Teilnahme an Verfahren der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach Einholung der Stellungnahme des Insolvenzverwalters, sofern ein solcher benannt ist, vom Gericht zu genehmigen; fehlt es an einer solchen Benennung, entscheidet das Gericht.

    Die Zulassung zum Verfahren des präventiven Vergleichsabschlusses steht einer Teilnahme an Verfahren der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nicht entgegen, wenn das Unternehmen im Vergabeverfahren Folgendes vorlegt:

    a)

    ein von einem Sachverständigen, der den allgemeinen Anforderungen des Art. 67 Abs. 3 Buchst. d genügt, erstelltes Gutachten, das die Übereinstimmung mit dem Vorschlag und darüber hinaus das Vorhandensein hinreichender Kapazitäten zur Vertragserfüllung bescheinigt;

    b)

    die Erklärung eines anderen Wirtschaftsteilnehmers, der den allgemeinen Anforderungen genügt und der die Voraussetzungen hinsichtlich der finanziellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zertifizierungsfähigkeit für die Auftragsvergabe erfüllt und der sich gegenüber dem Bieter und der Vergabestelle verpflichtet hat, für die Vertragslaufzeit die zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Mittel bereitzustellen und für das unterstützte Unternehmen einzuspringen, falls dieses im Laufe des Vergabeverfahrens oder nach Vertragsschluss insolvent wird oder aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in der Lage ist, den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen. Art. 49 des Decreto Legislativo Nr. 163 vom 12. April 2006 findet Anwendung.

    Unbeschadet der Bestimmungen des vorstehenden Absatzes kann das im Vergleichsverfahren befindliche Unternehmen auch im Rahmen eines vorübergehenden Zusammenschlusses von Unternehmen am Verfahren teilnehmen, sofern es nicht als Beauftragter anzusehen ist und sich die anderen am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nicht in einem Insolvenzverfahren befinden. In diesem Fall kann die Erklärung gemäß Abs. 4 Buchst. b auch von einem an der Bietergemeinschaft beteiligten Wirtschaftsteilnehmer abgegeben werden.

    Sollte im Zuge des gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens der Betrieb des Unternehmens eingestellt werden oder sich erweisen, dass er für die Gläubiger offensichtlich nachteilig ist, entscheidet das Gericht gemäß Art. 173. Die Befugnis des Schuldners, den Vergleichsvorschlag zu ändern, bleibt hiervon unberührt.“

    II. Sachverhalt

    11.

    Die Regionalregierung der Region Marken ( 6 ) genehmigte am 9. November 2010 eine Ausschreibung, die Zuschüsse für bestimmte Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen im Rahmen eines operationellen Regionalprogramms des EFRE für den Zeitraum 2007–2013 vorsah ( 7 ).

    12.

    Das Dekret über die Ausschreibung enthielt in Anhang I u. a. Klauseln über die „Begünstigten“ (Nr. 1), die „Gründe der Nichtzulassung“ zum Verfahren (Nr. 10 Abs. 3 und Nr. 19), die „Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Projektbeständigkeit“ (Nr. 17 Abs. 3) und die „Widerrufsgründe“ für gewährte Beihilfen (Nr. 20).

    13.

    Was die Begünstigten anbelangt, führte die Klausel Nr. 1 die Voraussetzungen auf, die die Unternehmen, die die Förderung erhalten wollten, erfüllen mussten und von denen für den Ausgangsrechtsstreit die Voraussetzung von Bedeutung ist, dass sich die Unternehmen „zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 1 Abs. 7 der Verordnung Nr. 800/2008 [befinden]“ ( 8 ).

    14.

    Nach Klausel Nr. 17 Abs. 3 „ist der Beihilfeempfänger verpflichtet, für die vorgeschriebene Beständigkeit der Projekte zu sorgen, indem er gewährleistet, dass im Hinblick auf das bezuschusste Projekt in den fünf Jahren nach seiner Realisierung keine wesentlichen Änderungen eintreten, die seine Art oder die Bedingungen seiner Durchführung beeinträchtigen oder einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen und die eine Änderung der Art des Eigentums an Infrastruktureinrichtungen oder die Einstellung einer Tätigkeit mit sich bringen“.

    15.

    Nerea stellte am 13. April 2011 einen Zuschussantrag, der bewilligt wurde, woraufhin ihr am 20. März 2012 ein Zuschuss in Höhe von 144052,58 Euro gewährt wurde.

    16.

    Nach Erhalt eines Vorschusses hierauf in Höhe von 50 % der Beihilfe (72026,29 Euro) führte Nerea die von ihr zugesagten Investitionen durch ( 9 ), rechnete am 18. November 2013 ihre Ausgaben ab und beantragte zugleich die Auszahlung des Restbetrags.

    17.

    Gut einen Monat später, am 24. Dezember 2013, reichte Nerea einen Antrag auf einen präventiven Vergleichsabschluss beim Tribunale di Macerata (Gericht von Macerata) ein, das am 15. Oktober 2014 das dafür vorgesehene Verfahren eröffnete.

    18.

    Am 11. Februar 2015 informierte die die Beihilfen verwaltende Stelle ( 10 ) Nerea über die Eröffnung eines Verfahrens wegen Widerrufs der Förderung, da „die Zulässigkeitsvoraussetzungen … infolge der Zulassung des begünstigten Unternehmens zum Insolvenzverfahren gemäß Art. 1 in Verbindung mit Art. 20 der Ausschreibungsbekanntmachung nicht mehr erfüllt sind“.

    19.

    Nerea beantragte die Einstellung des Widerrufsverfahrens, was am 20. März 2015 von der die Beihilfen verwaltenden Stelle mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Eröffnung des Verfahrens des präventiven Vergleichsabschlusses gemäß Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 und Klausel Nr. 1 der Ausschreibung den Erhalt der Beihilfe ausschließe.

    20.

    Mit Entscheidung vom 11. Mai 2015 widerrief das zuständige Organ der Region Marken die bewilligte Beihilfe und verlangte den bereits gezahlten Betrag, zuzüglich Zinsen von 4997,30 Euro, zurück.

    21.

    Nach Erhebung der Verwaltungsklage vor dem Tribunale amministrativo regionale per le Marche (Regionales Verwaltungsgericht für die Region Marken, Italien) legte dieses Gericht dem Gerichtshof die Vorabentscheidungsfrage vor.

    III. Vorlagefragen

    22.

    Die am 28. April 2016 dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen lauten:

    1.

    Betrifft Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 nur die Verfahren, die von den Verwaltungsbehörden und Gerichten der Mitgliedstaaten von Amts wegen eingeleitet werden können (in Italien beispielsweise das Insolvenzverfahren) oder auch solche, die allein auf Antrag des betroffenen Unternehmers (wie im innerstaatlichen Recht das Vergleichsverfahren) eingeleitet werden können? Die Frage stellt sich, weil in den Rechtsvorschriften von der „Eröffnung“ eines Gesamtverfahrens die Rede ist, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt.

    2.

    Ist Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008, falls davon auszugehen sein sollte, dass diese Verordnung alle Insolvenzverfahren und insbesondere das Institut des Vergleichsverfahrens bei Unternehmensfortführung im Sinne von Art. 186bis R.D. Nr. 267/1942 betrifft, dahin auszulegen, dass allein das Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Unternehmer, der einen Zuschuss aus Strukturfondsmitteln erhalten möchte, der Gewährung der Finanzhilfe entgegensteht oder die nationale Verwaltungsbehörde verpflichtet, die bereits geleisteten Zahlungen zurückzufordern, oder ist vielmehr das Vorliegen der Schwierigkeiten konkret zu prüfen und sind dabei beispielsweise der Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens, die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen durch den Unternehmer und alle anderen maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen?

    23.

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich Nerea an sich in einer Lage befunden habe, die mit der Gewährung der streitgegenständlichen Beihilfe unvereinbar gewesen sei, da zum einen die Ausschreibung die Verpflichtung vorgesehen habe, über einen Zeitraum von fünf Jahren für die Beständigkeit des bezuschussten Projekts zu sorgen, und zum anderen „sich schwerlich bestreiten [lässt], dass ein Unternehmen sich im Sinne von Art. 1 Abs. 6 und 7 der Verordnung Nr. 800/2008 in Schwierigkeiten befindet, wenn der Antrag auf einen Vergleich wenige Tage nach der endgültigen Abrechnung des Projekts gestellt wird. Es liegt auf der Hand, dass die ‚Schwierigkeiten‘ eines Unternehmens, seinen Verpflichtungen nachzukommen, nicht innerhalb weniger Tage entstehen“ ( 11 ).

    24.

    Nichtsdestotrotz ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass „ein möglicher innerer Widerspruch bei einem System [besteht], das auf der einen Seite im Namen des umfassenden wirtschaftlichen Schutzes im Gebiet der EU Unternehmen in Schwierigkeiten, deren Produktivität aber in objektiven Grenzen fortbesteht, die Umstrukturierung erlaubt, was zu unzweifelhaften Wettbewerbsvorteilen führt (die allerdings durch die externe gerichtliche Aufsicht kompensiert werden), und auf der anderen Seite zulässt, dass diesen Unternehmen – auch ex post – finanzielle Mittel öffentlicher Herkunft entzogen werden, die bis zum Beweis des Gegenteils als für Zwecke der Sanierung und des Neuanfangs verwendet anzusehen sind“ ( 12 ).

    IV. Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    25.

    Die Region Marken, die italienische und die polnische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

    26.

    Die Region Marken ist der Ansicht, gemäß Art. 1 und Art. 17 Abs. 3 der Ausschreibung, wonach der Empfänger verpflichtet sei, für die vorgeschriebene Beständigkeit des gemeinsam finanzierten Projekts über einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt seiner Realisierung zu sorgen, habe die Beihilfe widerrufen werden müssen und der an Nerea gezahlte Betrag zurückgefordert werden müssen. Da die Einleitung des Verfahrens des präventiven Vergleichsabschlusses zeige, dass sich Nerea bei Beantragung der Auszahlung der restlichen Beihilfe in Schwierigkeiten befunden habe, habe das Unternehmen nicht die in der Ausschreibung vorgesehene Voraussetzung der finanziellen Solidität erfüllt.

    27.

    Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall die Zulassung des Antrags auf einen präventiven Vergleichsabschluss ohne Bedeutung, weil das EFRE-Programm vor dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften über dieses neue Insolvenzverfahren genehmigt worden sei. In Ermangelung spezifischer gemeinschaftsrechtlicher oder nationaler Ausnahmeregelungen könnten die Besonderheiten dieses Rechtsinstituts nicht berücksichtigt werden.

    28.

    Die italienische Regierung vertritt zur ersten Frage die Ansicht, das vorlegende Gericht gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Unternehmen sich nicht in einem Insolvenzverfahren befinde, wenn dieses Verfahren auf seinen Antrag hin eingeleitet worden sei. Nach ihrer Ansicht ist zuerst zu prüfen, ob der präventive Vergleichsabschluss unter den Begriff des Insolvenzverfahrens falle, und dann, falls dies nicht der Fall sei, ob – unabhängig von der Beantragung eines präventiven Vergleichsabschlusses – die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorlägen.

    29.

    Da der präventive Vergleichsabschluss das Vorliegen von Schwierigkeiten impliziere, die nicht unbedingt zur Insolvenz des betroffenen Unternehmens führen müssten, könne man diese Art Vergleichsverfahren nicht als ein Insolvenzverfahren einstufen. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass bei einem Unternehmen, das sich in einem Vergleichsverfahren mit diesen Merkmalen befinde, überdies auch die Voraussetzungen für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens erfüllt seien.

    30.

    In Bezug auf die zweite Frage ist die italienische Regierung – ausgehend von ihren Überlegungen zur ersten Frage – der Ansicht, dass das bloße Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Verfahrens des präventiven Vergleichsabschlusses nicht dazu führe, dass der Zugang zu den Strukturfonds verwehrt sei oder dass bereits gewährte Beihilfen zurückgefordert werden müssten. Ein solches Vorgehen wäre nur schwer mit dem Zweck dieses Vergleichsverfahrens vereinbar, nämlich für die Fortführung des Unternehmens zu sorgen. Die Beihilfe könne daher nur abgelehnt oder gegebenenfalls widerrufen werden, nachdem Schwierigkeiten im Sinne von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 konkret nachgewiesen worden seien.

    31.

    Die polnische Regierung trägt zur ersten Frage vor, dass gemäß den Richtlinien von 2004 der Begriff „Gesamtverfahren, das eine Insolvenz des Schuldners voraussetzt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 7 der Verordnung Nr. 800/2008 als Verweis auf gerichtliche oder Verwaltungsverfahren zu verstehen sei, ohne die ein Unternehmen nicht in der Lage sei, mit eigenen Mitteln oder Mitteln seiner Anteilseigner und Gläubiger Verluste aufzufangen, die über kurz oder lang seinen sicheren wirtschaftlichen Untergang bedeuten würden. Es spiele keine Rolle, ob solche Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag des betroffenen Unternehmens eingeleitet würden, weil die Verordnung Nr. 800/2008 insoweit keinerlei Einschränkung vorsehe.

    32.

    Im Hinblick auf die zweite Frage vertritt die polnische Regierung die Ansicht, die Voraussetzungen für den Erhalt einer Beihilfe auf der Grundlage der Verordnung Nr. 800/2008 müssten zum Zeitpunkt ihrer Gewährung vorliegen. Eine nachträgliche Änderung der Umstände begründe keine Verpflichtung zur Rückerstattung.

    33.

    Zur ersten Frage vertritt die Kommission die Ansicht, dass Art. 1 Abs. 6 Buchst. c und Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 alle Arten von Insolvenzverfahren betreffe, zu denen nach italienischem Recht auch der präventive Vergleichsabschluss zähle. Es sei Sache der nationalen Behörden festzustellen, ob die im innerstaatlichen Recht (auf das das Unionsrecht verweise) vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung solcher Verfahren vorlägen, wobei unerheblich sei, ob sie von Amts wegen oder auf Antrag des betroffenen Unternehmens eingeleitet würden. Die Tatsache, dass Nerea das Verfahren des präventiven Vergleichsabschlusses in Gang gebracht habe, zeige, dass sie ein Unternehmen in Schwierigkeiten gemäß der Verordnung Nr. 800/2008 sei.

    34.

    Hinsichtlich der zweiten Frage ist die Kommission der Auffassung, die Verordnung Nr. 800/2008 schließe Unternehmen aus, die sich zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe in Schwierigkeiten befänden, begründe aber keine Verpflichtung der Unternehmen, die sich zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe noch nicht in dieser Lage befunden hätten, zur Rückzahlung der einmal gewährten Beihilfe. Nerea habe sich nicht in Schwierigkeiten befunden, als die Förderung gewährt worden sei, und deshalb verpflichte das Unionsrecht die nationalen Behörden nicht dazu, die Beihilfe zurückzufordern. Dies lasse jedoch die Freiheit der Mitgliedstaaten unberührt, in Einklang mit ihrem nationalen Recht eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe zu bewilligen oder abzulehnen und gegebenenfalls zurückzufordern.

    V. Würdigung

    A. Vorbemerkungen

    35.

    Um dem vorlegenden Gericht eine hilfreiche Antwort zu geben, halte ich es für zweckmäßig, zwischen zwei Diskussionsebenen zu unterscheiden. Die erste betrifft die Auslegung des Unionsrechts (genauer gesagt der Verordnung Nr. 800/2008) im Hinblick auf den Ausgangsrechtsstreit. Die zweite Ebene beschränkt sich im Gegensatz dazu auf die Auslegung des nationalen Rechts (insbesondere einiger Klauseln der Ausschreibung), die nicht unbedingt die Anwendung der genannten Verordnung erfordern.

    36.

    Was die erste Ebene betrifft, so hätte eine Prüfung von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 angezeigt sein können, wenn Nerea sich in einem Insolvenzverfahren befunden hätte (und deshalb als Unternehmen in Schwierigkeiten anzusehen gewesen wäre), als sie die aus Mitteln des EFRE bezuschusste Förderung beantragte und erhielt. Wie alle Parteien einräumen und auch das vorlegende Gericht betont, befand sich Nerea jedoch zu diesen Zeitpunkten (2011 bei der Beantragung und 2012 bei der Gewährung der Beihilfe) nicht in Schwierigkeiten und auch nicht in einem Insolvenzverfahren, das erst Ende 2013 eingeleitet wurde.

    37.

    Die Klausel Nr. 1 der Ausschreibung, die ausdrücklich auf Art. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 Bezug nimmt, um den Begriff des Unternehmens in Schwierigkeiten zu übernehmen, das von der Beihilferegelung ausgeschlossen ist, sah vor, dass denjenigen Unternehmen, die sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in Schwierigkeiten im Sinne des genannten Artikels der Verordnung befanden, keine Beihilfen gewährt werden konnten. Wie gesagt erfüllte Nerea diese (negative) Voraussetzung, weshalb sie unter diesem Gesichtspunkt Beihilfen erhalten konnte. Art. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 stand mithin der Gewährung der Beihilfe nicht entgegen und verlangt dem entsprechend auch nicht deren Rückforderung.

    38.

    Etwas anderes gilt für eine andere Klausel der Ausschreibung (Nr. 17 Abs. 3), die eine „Projektbeständigkeit“ verlangt, die als solche nicht an von Anfang an vorliegende Schwierigkeiten anknüpft, sondern an nachträglich im Verlauf von fünf Jahren nach der Vollendung des bezuschussten Projekts eintretende Umstände. Weder diese Klausel noch das darin enthaltene Erfordernis der Beständigkeit haben einen direkten Bezug zum Unionsrecht (besser gesagt zur Verordnung Nr. 800/2008). Auf die Frage, ob sich aus Letzterer Auslegungshinweise für ihre Anwendung ergeben, wie das vorlegende Gericht anzunehmen scheint, werde ich später eingehen.

    B. Zur Zweckmäßigkeit einer Umformulierung der beiden Vorlagefragen

    39.

    Mit der ersten Frage des vorlegenden Gerichts (die es selbst als „Vorfrage“ bezeichnet) soll ihrem Wortlaut nach einzig geklärt werden, ob zu den Insolvenzverfahren im Sinne von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 sowohl die auf Antrag des betroffenen Unternehmers als auch die von Amts wegen von den Verwaltungsbehörden und Gerichten eingeleiteten Verfahren gehören.

    40.

    Die Beantwortung dieser Frage wirft keine größeren Auslegungsschwierigkeiten auf: Die genannte Vorschrift der Verordnung unterscheidet Insolvenzverfahren nicht danach, ob sie von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei eingeleitet worden sind, weshalb sie für beide Verfahren gilt. Insoweit stimme ich mit den Regierungen, die sich am Vorabentscheidungsverfahren beteiligt haben, und mit der Kommission überein.

    41.

    Genauer gesagt, handelt es sich bei dem „präventiven Vergleichsabschluss unter Fortführung des Unternehmens“, der vom italienischen Gesetzgeber im Jahr 2012 eingeführt wurde (und der von Unternehmen mit Liquiditätsschwierigkeiten als Alternative zu ihrer Auflösung beantragt werden kann), um eine Variante des Gläubigervergleichs, der meiner Ansicht nach unter den Begriff des Insolvenzverfahrens im Sinne der Verordnung Nr. 800/2008 fällt.

    42.

    Die Bejahung dieser Frage führt zur zweiten Frage, d. h. zur Frage, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (von Amts wegen oder auf Antrag) das Bestehen von Schwierigkeiten als nachgewiesen angesehen werden kann, die der Gewährung einer Beihilfe entgegenstehen (oder die Rückforderung einer schon gewährten Beihilfe verlangen), oder ob vielmehr das Bestehen solcher Schwierigkeiten konkret zu prüfen ist.

    43.

    Um auch diese Unsicherheit zu beseitigen, muss unbedingt zuerst der Begriff „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne von Art. 1 Abs. 6 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 geklärt werden, weil die Unternehmen in Schwierigkeiten von den in dieser Verordnung angeführten Beihilfen ausgeschlossen sind. Wenn gemäß Art. 1 Abs. 7 Buchst. c dieser Verordnung ein KMU „als Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet“ wird, das die „im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt, erfüllt“, kann bei der Auslegung dieses Begriffs das nationale Recht nicht außer Acht bleiben ( 13 ).

    44.

    Aus diesem Grund erscheint es mir sinnvoller, die beiden Fragen umzuformulieren und zu untersuchen, was zum einen ein „Insolvenzverfahren“ im Sinne von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 ist und was zum anderen unter dem in Art. 1 Abs. 6 Buchst. c verwendeten Begriff „Unternehmen in Schwierigkeiten“ zu verstehen ist. Die Antwort auf diese beiden Fragen wird dem vorlegenden Gericht mehr Sicherheit geben, die Zweifel hinsichtlich der Frage aufzulösen, die seiner Ansicht nach den Kern des Rechtsstreits bildet: Muss das betroffene Unternehmen, weil es sich in einer Lage befindet, die für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens spricht, als Unternehmen in Schwierigkeiten eingestuft werden, so dass es keinen Anspruch auf die beantragte Förderung hat, und muss diese, falls sie schon bewilligt wurde, zurückgefordert werden?

    C. Der Begriff „Unternehmen in Schwierigkeiten “ im Sinne von Art. 1 Abs. 6 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008

    45.

    Als die Kommission die Leitlinien von 2004 erließ, räumte sie ein, dass es „keine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung des Begriffs Unternehmen in Schwierigkeiten“ gebe. Aus diesem Grund mussten in einem Text die Merkmale dieses Begriffs festgelegt werden, denn von ihm hing die Anwendbarkeit anderer Bestimmungen des Unionsrechts ab (wie z. B. der Vorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen oder über die Fusionskontrolle), die nicht die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Realität außer Acht lassen können, die Unternehmen in Schwierigkeiten darstellen.

    46.

    Daher mussten begriffliche Ad-hoc-Konstruktionen herangezogen werden, die dieser komplexen Realität bei der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die diese Realität zum Gegenstand haben, eine spezifische Bedeutung verleihen konnten. Zu diesem Zweck wurden die Leitlinien von 2004 veröffentlicht, die als Richtschnur für die Tätigkeit der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten dienen sollten. Die Verordnung Nr. 800/2008 machte sich die Erwägungen in diesen Leitlinien zu eigen und verlieh ihnen damit als wesentlichen Bestandteilen eines Begriffs, der aus unionsrechtlicher Sicht nur als autonom qualifiziert werden kann, normativen Charakter.

    47.

    Nach dem 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 800/2008 sollen Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten „auf der Grundlage dieser Leitlinien geprüft werden“, auch wenn für die KMU „die Bestimmung des Begriffs ‚Unternehmen in Schwierigkeiten‘ gegenüber der entsprechenden Begriffsbestimmung in den genannten Leitlinien vereinfacht werden [sollte]“.

    48.

    Die Leitlinien von 2004 sind somit rechtsverbindliche Bestandteile des Rechtsbegriffs „Unternehmen in Schwierigkeiten“ geworden. Dieser Begriff, das möchte ich nochmals betonen, ist zwangsläufig autonom und dem Unionsrecht eigen, da er, weil er in allen Mitgliedstaaten angewendet werden muss, in diesen ein- und dieselbe Bedeutung haben muss.

    49.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs „folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss“ ( 14 ).

    50.

    Die Definition des Begriffs „Unternehmen in Schwierigkeiten“, die in die Verordnung Nr. 800/2008 übernommen worden ist (um diese Unternehmen aus ihrem Anwendungsbereich auszuschließen), ist nicht genau die gleiche, die die Kommission in den Leitlinien von 2004 zugrunde gelegt hat, sondern ist, wie schon gesagt, eine vereinfachte Version. Dem Text von Art. 1 Abs. 7 der Verordnung Nr. 800/2008 lässt sich entnehmen, dass diese Vereinfachung darin bestand, nur die in Rn. 10 der Leitlinien von 2004 aufgeführten Merkmale des Begriffs der „Unternehmen in Schwierigkeiten“ zu übernehmen und somit auf die in Rn. 11 aufgeführten Merkmale zu verzichten.

    51.

    Tatsächlich wird Rn. 10 der Leitlinien von 2004 in Art. 1 Abs. 7 der Verordnung Nr. 800/2008 beinahe wortgetreu wiedergegeben und diesem wurde lediglich ein Hinweis zu den KMU, die weniger als drei Jahre bestehen, hinzugefügt, der bereits im 15. Erwägungsgrund der Verordnung zu finden ist. Dagegen werden die Merkmale, die gemäß Rn. 11 der Leitlinien von 2004 ebenfalls zu dem gleichen Ergebnis führen könnten, die festzustellen aber eine umfangreichere Beweiserhebung erfordern würde, nicht erwähnt. Man entschied sich, von diesen Merkmalen abzusehen, um „den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten … zu verringern“.

    52.

    Von den drei tatbestandlichen Voraussetzungen, die in Art. 1 Abs. 7 der Verordnung Nr. 800/2008 festgelegt sind, um im Hinblick auf deren Anwendungsbereich zu präzisieren, wann ein KMU in Schwierigkeiten ist, sind die Buchst. a ( 15 ) und b ( 16 ) in dieser Sache nicht von Bedeutung. In diesen beiden Fällen bestimmt die Verordnung Nr. 800/2008 vollständig die maßgeblichen Kriterien, so dass für die Feststellung, ob sie in einem bestimmten Fall erfüllt sind, nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden muss. Die Autonomie des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs ist daher sowohl in dem einen als auch in dem anderen Fall nicht zu bestreiten.

    53.

    Das dritte Kriterium, nämlich das, das hier von Bedeutung ist („[Unternehmen, bei denen d]ie im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt, … erfüllt [sind]“), verweist ohne Zweifel auf die innerstaatlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats. Allerdings handelt es sich nicht um eine absolute Verweisung, weil der Beitrag des nationalen Rechts sich auf die Festlegung der Bedingungen für die Eröffnung eines Verfahrens beschränkt, das seinerseits ebenfalls einem autonomen Begriff des Unionsrechts entsprechen muss.

    D. Der Begriff „Insolvenzverfahren “ im Sinne von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008

    54.

    Das gleiche Erfordernis von Einheitlichkeit und Kohärenz der Regelung, das die Bildung des Begriffs „Unternehmen in Schwierigkeiten“ als eigene Kategorie des Unionsrechts verlangt, gilt auch für den Begriff „Insolvenzverfahren“, auch wenn zu seiner Konkretisierung auf das nationale Recht verwiesen wird.

    55.

    Die Verwendung dieses Rechtsbegriffs muss im Rahmen der Verordnung Nr. 800/2008 (d. h. unter Berücksichtigung ihres Gegenstands und Zwecks) erfolgen, wobei Grundlage ist, dass der Begriff „Insolvenzverfahren“ dem Unionsrecht nicht unbekannt, sondern dort sogar ausdrücklich verankert ist.

    56.

    Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 ( 17 ) definiert in ihrem Art. 2 Buchst. a Insolvenzverfahren als „die in Artikel 1 Absatz 1 [der Verordnung] genannten Gesamtverfahren“, d. h. die Verfahren, „welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben“. Von dieser Prämisse ausgehend hat Art. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1346/2000 die Aufnahme der Liste der verschiedenen nationalen Insolvenzverfahren vorgesehen, die im Einzelnen in Anhang A wiedergegeben werden.

    57.

    In diesem Anhang ist, soweit er Italien betrifft, der sogenannte „concordato preventivo“ aufgeführt ( 18 ). Der Vergleichsabschluss unter Fortführung des Unternehmens ist seinerzeit nicht erwähnt worden, weil er erst später in das italienische Recht eingeführt wurde (dem vorlegenden Gericht zufolge im Jahr 2012). Zu Recht stellt sich daher die Frage, ob die Art und Weise, in der das nationale Recht dieses Vergleichsverfahren ausgestaltet hat, es zu einem Verfahren machen, das von dem des „concordato preventivo“ verschieden ist, oder bloß eine Variante des Letztgenannten ist.

    58.

    Die Antwort darauf muss logischerweise die nationale Rechtsprechung geben, auch wenn die systematische Stellung des Art. 186bis im italienischen Insolvenzgesetz und sein Wortlaut selbst dafür zu sprechen scheinen, dass der präventive Vergleichsabschluss unter Fortführung des Unternehmens nur eine (neue) Variante des „concordato preventivo“ im Allgemeinen ist, d. h. nicht von dieser zuletzt genannten umfassenderen Kategorie verschieden ist ( 19 ). Das vorlegende Gericht selbst bezeichnet den präventiven Vergleichsabschluss unter Fortführung des Unternehmens als eine „Kategorie der Insolvenzverfahren“ ( 20 ).

    59.

    Somit folgt meiner Ansicht nach, wenn das vorlegende Gericht feststellt, dass der Vergleichsabschluss unter Fortführung des Unternehmens eine Variante des in Anhang A der Verordnung Nr. 1346/2000 erwähnten „concordato preventivo“ ist, daraus, dass es sich bei diesem Vergleichsverfahren um ein Insolvenzverfahren im Sinne von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 handelt.

    60.

    Im Übrigen bin ich, da in Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 nicht zwischen Insolvenzverfahren, die von Amts wegen eingeleitet wurden, und solchen, die auf Antrag des Unternehmers oder seiner Gläubiger eingeleitet wurden, unterschieden wird, wie gesagt der Ansicht, dass dieser Unterschied für die hier in Rede stehenden Fragen irrelevant ist.

    E. Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

    61.

    Das vorlegende Gericht möchte wissen – und darum geht es im Kern bei den Zweifeln, die es bewogen haben, den Gerichtshof anzurufen –, ob das bloße Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bedeutet, dass das betroffene Unternehmen sich im Sinne der Verordnung Nr. 800/2008 in Schwierigkeiten befindet, oder ob vielmehr jeglicher Automatismus vermieden werden muss und die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu würdigen sind, um zu klären, ob sich das Unternehmen in einer tatsächlich schwierigen Lage befindet.

    62.

    Während die Region Marken und die Kommission sich für die erste Lösung aussprechen, vertreten die italienische und die polnische Regierung die zweite Auffassung.

    63.

    Meines Erachtens lassen der Zweck der Verordnung Nr. 800/2008 und der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers den Schluss zu, dass ein Unternehmen sich schon dann im Sinne von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c dieser Verordnung in Schwierigkeiten befindet, wenn die objektiven Bedingungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens – rein formell betrachtet – erfüllt sind.

    64.

    Die Verordnung Nr. 800/2008 hat die in den Leitlinien von 2004 enthaltene Bestimmung des Begriffs „Unternehmen in Schwierigkeiten“„vereinfachen“ wollen. Sie hat dies getan, indem sie die in Rn. 11 dieser Leitlinien aufgeführten Merkmale weggelassen hat, also die Merkmale, die festzustellen von den Behörden der Mitgliedstaaten einen Verwaltungsaufwand verlangen würde, der, wie es in der Verordnung selbst heißt, verringert werden soll.

    65.

    Mit dieser Absicht einer Vereinfachung wäre es nur schwerlich zu vereinbaren – und stünde in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, den Inhalt von Rn. 11 der Leitlinien von 2004 außer Betracht zu lassen –, wenn die nationalen Behörden sich nicht darauf beschränken könnten, festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens vorliegen, sondern über diese Feststellung hinaus verpflichtet wären, eine – im Übrigen schon an und für sich nicht immer einfache – materielle Prüfung in der vom vorlegenden Gericht vorgeschlagenen Art und Weise vorzunehmen.

    66.

    Hinzu kommen zwei zusätzliche Argumente. Erstens obliegt es den für Insolvenzverfahren zuständigen Gerichten, bei denen der präventive Vergleichsabschluss zu beantragen ist, gerade unter Berücksichtigung des konkreten Falles des jeweiligen Unternehmens zu entscheiden, wann es sich in einer Lage befindet, in der es gezwungen ist, die Zahlungen an seine Gläubiger einzustellen (mit anderen Worten, wann es in finanziellen Schwierigkeiten ist). Im vorliegenden Fall musste das Tribunale di Macerata (Gericht von Macerata), das dem vorlegenden Gericht zufolge den präventiven Vergleichsabschluss „zuließ“ ( 21 ), zweifellos prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlagen.

    67.

    Auf derselben Linie liegt das zweite zusätzliche Argument, wonach es nicht Ziel der Verordnung ist, jegliche Art von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar zu erklären, sondern nur solche, die einen Bedarf befriedigen sollen, für den gerade nur Unternehmen in Betracht kommen, die zur Befriedigung dieses Bedarfs in der Lage sind, was die Förderung von Unternehmen in Schwierigkeiten ausschließt. Sind die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt, ist dies allein schon nach meiner Ansicht ein hinreichend überzeugender Grund, um die Ausführbarkeit des Projekts, für das die Förderung beantragt wird, als zweifelhaft erscheinen zu lassen, und legt die Vermutung nahe, dass die beantragte Beihilfe unter Umgehung der Leitlinien von 2004 der Bewältigung von Schwierigkeiten dienen soll, was durch die Verordnung Nr. 800/2008 verhindert werden soll.

    68.

    Zu guter Letzt ist nicht außer Acht zu lassen, dass „die Verordnung Nr. 800/2008 und die von ihr vorgesehenen Voraussetzungen als Ausnahme von der allgemeinen Regel der Anmeldepflicht [für staatliche Beihilfen] eng auszulegen sind“ ( 22 ).

    69.

    Daher bin ich der Auffassung, dass auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten ist, dass ein Unternehmen, das die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt, keine öffentliche Beihilfe aus Strukturfonds erhalten kann.

    70.

    Diese Feststellung bedarf jedoch sofort einer Nuancierung angesichts der Zweifel des vorlegenden Gerichts, das ebenfalls wissen möchte, ob die Beihilfe, wenn nach ihrer Gewährung ein Insolvenzverfahren eröffnet wird (wie im Fall von Nerea), von den nationalen Verwaltungsbehörden widerrufen werden muss. Diese Frage stellt sich in einem Kontext, den ich in meinen Vorbemerkungen als zweite Ebene der Diskussion bezeichnet habe, d. h. sie betrifft die Auslegung und Anwendung der Ausschreibungsklauseln.

    F. Zum Widerruf ( 23 )der gewährten Beihilfen

    71.

    Wie schon gesagt, kommt es für die Beurteilung, ob ein Unternehmen, das eine Beihilfe beantragt, für eine solche in Betracht kommen kann, auf den Zeitpunkt an, in dem die Beihilfe gewährt wird, d. h. „in dem der Beihilfeempfänger nach dem geltenden nationalen Recht einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt“ ( 24 ). Tatsächlich ist unstreitig, dass Nerea die Voraussetzungen für den Erhalt der streitgegenständlichen Beihilfe zum Zeitpunkt ihrer Gewährung erfüllte.

    72.

    Die Schwierigkeiten von Nerea, die in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15. Oktober 2014 zum Ausdruck kamen, traten erst auf, nachdem Nerea bereits 50 % der Beihilfe erhalten hatte und (dem vorlegenden Gericht zufolge) die bezuschusste Investition durchgeführt hatte, worüber das Unternehmen am 18. November 2013 Rechnung legte.

    73.

    Wenn Nerea bis nach der Bewilligung der Beihilfe kein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ gewesen ist (und sogar seinen Investitionsverpflichtungen nachgekommen ist), gebietet keine Bestimmung der Verordnung Nr. 800/2008 den Widerruf des Zuschusses. Das Unionsrecht verlangt in Fällen wie diesem keine Rückerstattung der Förderung.

    74.

    Allerdings bedeutet, wie die Kommission anmerkt ( 25 ), die Tatsache, dass eine staatliche Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, nicht, dass ein Mitgliedstaat dazu verpflichtet ist, sie zu gewähren, oder dass er sie nicht zurückfordern darf, wenn nationale Rechtsvorschriften – seien es allgemeine Vorschriften oder Ausschreibungsklauseln – eine Rückforderung vorsehen.

    75.

    Art. 17 Abs. 3 der Ausschreibung enthält eine Regelung, die meines Erachtens im rechtstechnischen Sinne als eine auflösende Bedingung angesehen werden könnte: Der Beihilfeempfänger war verpflichtet, für die „Beständigkeit“ des gemeinsam finanzierten Projekts über einen Zeitraum von fünf Jahren ab dessen Vollendung zu sorgen. Zu dieser Verpflichtung gehörte die Vermeidung „wesentliche[r] Änderungen …, die [die] … Art [des Projekts] oder die Bedingungen seiner Durchführung beeinträchtigen oder einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen“. Diese Bedingung – ob auflösend oder nicht – ist in der Verordnung Nr. 800/2008 nicht vorgesehen, die deshalb auch nicht als Orientierungshilfe für ihre Auslegung oder Umsetzung herangezogen werden kann.

    76.

    Da der Gerichtshof nicht zuständig ist, über Inhalt und Tragweite dieser konkreten Klausel der Beihilfeausschreibung zu befinden, muss das vorlegende Gericht entscheiden, ob gegen die Klausel tatsächlich verstoßen wurde ( 26 ) und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

    77.

    Für das Problem, das sich aus dem (nachträglichen) Auftreten von Schwierigkeiten des Unternehmens ergibt, nachdem es die Beihilfe erhalten und die Investitionsverpflichtungen erfüllt hat, halten die untersuchten Vorschriften der Verordnung Nr. 800/2008 keine Lösung bereit. Die Auslegung der Begriffe dieser Verordnung, die ich vorstehend angeführt habe, bietet keine Hilfe für die Auflösung des inneren Widerspruchs, den das vorlegende Gericht beschreibt, wenn es den Zweck der Förderung der Umstrukturierung von KMU mit Liquiditätsproblemen, deren Produktivität aber in objektiven Grenzen fortbesteht, einer nationalen Regelung gegenüberstellt, die den Unternehmen „ex post … finanzielle Mittel öffentlicher Herkunft entzieht, die … für Zwecke der Sanierung und des Neuanfangs geeignet sind“.

    78.

    Es kommt dem vorlegenden Gericht zu, endgültig zu entscheiden, inwieweit die Nichteinhaltung dieser Bedingung der Beständigkeit zu einem Widerruf der Beihilfe und zu einer Rückforderung des Nerea gezahlten Betrags führen muss. Wenn die einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zum Widerruf der Beihilfe und darüber hinaus auch zur Rückforderung des schon gezahlten Betrags zuzüglich Zinsen zwingen, verstößt dies weder gegen die Verordnung Nr. 800/2008, noch stellt es die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt zum Zeitpunkt ihrer Gewährung in Frage – die einzigen Fragen, zu denen der Gerichtshof, was die Auslegung dieser Verordnung anbelangt, Stellung nehmen kann.

    79.

    Ich schlage daher vor, auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass nach Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 das Vorliegen der im nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmens im Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe von Bedeutung ist, nicht aber, wenn diese Situation später unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits eintritt. Die nationalen Behörden können jedoch die Beihilfe widerrufen und die schon gezahlten Beträge zurückfordern, wenn nach ihrem innerstaatlichen Recht das begünstigte Unternehmen die Klauseln der Ausschreibung, in der die Gewährung dieser Beihilfe geregelt ist, nicht eingehalten hat.

    VI. Ergebnis

    80.

    Angesichts des Vorstehenden schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Tribunale amministrativo regionale per le Marche (Regionales Verwaltungsgericht für die Region Marken) vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

    1.

    Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass er sowohl Insolvenzverfahren betrifft, die von Amts wegen durch Verwaltungsbehörden und Gerichte eingeleitet werden können, als auch solche, die auf Antrag des betroffenen Unternehmens eingeleitet worden sind.

    2.

    Wenn der Vergleichsabschluss unter Fortführung des Unternehmens unter die Verfahrenskategorie des „concordato preventivo“ fällt, der in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren aufgeführt ist, was das vorlegende Gericht feststellen muss, stellt dieser Vergleichsabschluss ein Insolvenzverfahren im Sinne von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 dar.

    3.

    Gemäß Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 ist das Vorliegen der im nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmens im Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe von Bedeutung, nicht aber, wenn diese Situation später unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits eintritt. Die nationalen Behörden können jedoch die Beihilfe widerrufen und die schon gezahlten Beträge zurückfordern, wenn nach ihrem innerstaatlichen Recht das begünstigte Unternehmen die Klauseln der Ausschreibung, in der die Gewährung dieser Beihilfe geregelt ist, nicht eingehalten hat.


    ( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

    ( 2 ) Ich werde (im Spanischen) den Begriff „empresa en crisis“ (Unternehmen in der Krise) verwenden, der in der spanischen Fassung der Verordnung Nr. 800/2008 benutzt wird, möchte aber darauf hinweisen, dass der Begriff „empresa en dificultades“ (Unternehmen in Schwierigkeiten) den anderen Sprachfassungen am nächsten käme. Dieser Begriff wird z. B. in der italienischen Fassung („imprese in difficoltà“), der französischen („entreprises en difficulté“), der englischen („undertakings in difficulty“), der portugiesischen („empresas em dificuldade“), der deutschen („Unternehmen in Schwierigkeiten“) und der niederländischen („ondernemingen in moeilijkheden“) verwendet.

    ( 3 ) Verordnung der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (ABl. 2008, L 214, S. 3).

    ( 4 ) ABl. 2004, C 244, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2004. Die derzeit geltende Fassung mit dem Titel „Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten“ ist in der Mitteilung 2014/C 249/01 der Kommission, ABl. 2014, C 249, S. 1, veröffentlicht.

    ( 5 ) Königliches Dekret vom 16. März 1942 (GURI Nr. 81 vom 6. April 1942) in der durch das Decreto legge Nr. 83 vom 22. Juni 2012 geänderten Fassung, die durch das Gesetz Nr. 134 vom 7. August 2012 bestätigt wurde, im Folgenden: Insolvenzordnung.

    ( 6 ) Konkret handelte es sich bei der Verwaltungsstelle, die das Dekret Nr. 267/IRE_11 zur Regelung der Beihilfen unterzeichnete, um den „Direktor der Funktionsstelle Innovation, Untersuchung, wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit der Produktionssektoren“.

    ( 7 ) Operationelles Regionalprogramm des EFRE Region Marken 2007–2013, genehmigt von der Europäischen Kommission durch Beschluss Nr. 3986 vom 17. August 2007.

    ( 8 ) In einer Fußnote heißt es ergänzend, dass „als Unternehmen in Schwierigkeiten ein KMU anzusehen ist, das die folgenden Voraussetzungen erfüllt …“: Hier folgt eine wortgetreue Wiedergabe der in der Verordnung Nr. 800/2008 enthaltenen Voraussetzungen.

    ( 9 ) Dies stellt das vorlegende Gericht in Nr. 1.2 des Vorlagebeschlusses fest.

    ( 10 ) Laut dem Vorlagebeschluss der „Organismo intermedio Medio Credito centrale (MCC)“.

    ( 11 ) Rn. 9 dritter Spiegelstrich des Vorlagebeschlusses.

    ( 12 ) Rn. 15 des Vorlagebeschlusses.

    ( 13 ) Ich werde jedoch aufzuzeigen versuchen, dass der Verweis auf das nationale Recht nicht ausschließt, für einen autonomen, d. h. dem Unionsrecht eigenen Begriff des Unternehmens in Schwierigkeiten zu plädieren.

    ( 14 ) Urteil vom 15. Oktober 2015, Axa Belgium (C‑494/14, EU:C:2015:692, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 15 ) Im Fall von Gesellschaften mit beschränkter Haftung: Mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals ist verschwunden, und mehr als ein Viertel dieses Kapitals ist während der letzten zwölf Monate verloren gegangen.

    ( 16 ) Im Fall von Gesellschaften, in denen einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften: Mehr als die Hälfte der Eigenmittel ist verschwunden und mehr als ein Viertel dieser Mittel ist während der letzten zwölf Monate verloren gegangen.

    ( 17 ) Verordnung des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000, L 160, S. 1).

    ( 18 ) Der italienische „concordato preventivo“ wird ebenfalls in Anhang A („Insolvenzverfahren nach Artikel 2 Nummer 4“) der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) genannt.

    ( 19 ) Generalanwältin Sharpston hat in Nr. 43 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache Degano Trasporti (C‑546/14, EU:C:2016:13), in der es ebenfalls um italienische Insolvenzverfahren ging, erklärt, dass es in dieser Rechtssache nicht möglich sei, zu den Besonderheiten der nationalen Insolvenzgesetze Stellung zu nehmen. Insbesondere ist es, wie ich hinzufügen möchte, nicht Sache des Gerichtshofs, die verschiedenen Verfahrensvarianten zu klassifizieren.

    ( 20 ) Rn. 10 des Vorlagebeschlusses.

    ( 21 ) Rn. 15 (am Ende) des Vorlagebeschlusses.

    ( 22 ) Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel (C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 37). Dieser Ansatz, so führt der Gerichtshof in Rn. 38 weiter aus, „wird durch die mit den allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnungen für Beihilfen verfolgten Ziele bestätigt … Kann die Kommission solche Verordnungen erlassen, um eine wirksame Überwachung der Wettbewerbsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu gewährleisten und die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen – ohne die Kontrolle der Kommission in diesem Bereich zu schwächen –, so haben sie auch die Erhöhung der Transparenz und der Rechtssicherheit zum Ziel. Die Einhaltung der von diesen Verordnungen – also auch der Verordnung Nr. 800/2008 – vorgesehenen Voraussetzungen ermöglicht es, die vollständige Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten.“

    ( 23 ) Im Ausgangsrechtsstreit ist stets der Begriff Widerruf (revoca) verwendet worden, den die die Beihilfen verwaltende Stelle (dem Vorlagebeschluss zufolge) in ihrer ursprünglichen Entscheidung benutzt hat. Ohne eine Kontroverse hierüber auslösen zu wollen, könnte zweifelhaft sein, ob die Gewährung der Beihilfe wirklich zu widerrufen war, da deren Bewilligung nicht mit einem Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund behaftet war, was eigentlich für den einseitigen Widerruf im Rahmen dieser Art verwaltungsrechtlicher Beziehungen kennzeichnend ist. Die Klausel Nr. 20 der Ausschreibung verbot diese Maßnahme jedoch nicht bei „einem Verstoß gegen die in der Klausel Nr. 20 Buchst. b, c, und h und in der Ausschreibung vorgesehenen Verpflichtungen … des Empfängers“.

    ( 24 ) Urteil vom 21. März 2013, Magdeburger Mühlenwerke (C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 40), mit einer nahezu wortgetreuen Wiedergabe des 36. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 800/2008.

    ( 25 ) Rn. 44 ihrer schriftlichen Erklärungen.

    ( 26 ) Davon scheint das Gericht auszugehen, wenn es argumentiert, dass „[z]u den erheblichen Änderungen … u. a. der Eintritt einer Situation [gehört], in der das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät, die geeignet sind, beispielsweise zu einem ungerechtfertigten Vorteil im Sinne von Art. 17 Abs. 3 der Ausschreibung zu führen“.

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