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Document 62016CC0163(01)

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    ERGÄNZENDE SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MACIEJ SZPUNAR

    vom 6. Februar 2018 ( 1 )

    Rechtssache C‑163/16

    Christian Louboutin,

    Christian Louboutin SAS

    gegen

    Van Haren Schoenen BV

    (Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Den Haag [Gericht erster Instanz Den Haag, Niederlande])

    „Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung – Vorlage zur Vorabentscheidung – Marken – Ablehnung der Eintragung oder Ungültigkeit – Form – Begriff – Dreidimensionale Eigenschaften der Waren – Farbe“

    I. Einführung

    1.

    In dieser Rechtssache ersucht die Rechtbank Den Haag (Gericht erster Instanz Den Haag, Niederlande) den Gerichtshof um die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95/EG ( 2 ).

    2.

    Am 28. Februar 2017 hat der Gerichtshof entschieden, diese Rechtssache an die Neunte Kammer zu verweisen. Eine mündliche Verhandlung hat am 6. April 2017 stattgefunden. Am 22. Juni 2017 habe ich meine ersten Schlussanträge in dieser Rechtssache vorgetragen.

    3.

    Die Neunte Kammer hat am 13. September 2017 gemäß Art. 60 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entschieden, die Rechtssache dem Gerichtshof vorzulegen, damit sie an einen größeren Spruchkörper verwiesen wird. Daraufhin hat der Gerichtshof die Rechtssache an die Große Kammer verwiesen.

    4.

    Mit Beschluss vom 12. Oktober 2017, Louboutin und Christian Louboutin (C‑163/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:765), hat der Gerichtshof entschieden, das mündliche Verfahren wiederzueröffnen, und die Beteiligten eingeladen, an einer neuen mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A.   Unionsrecht

    5.

    Art. 3 („Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe“) der Richtlinie 2008/95 bestimmt in Abs. 1 Buchst. b und Buchst. e Ziff. iii:

    „(1)   Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

    b)

    Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;

    e)

    Zeichen, die ausschließlich bestehen:

    iii)

    aus der Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht;

    …“

    B.   Benelux-Übereinkunft

    6.

    Das niederländische Markenrecht ist in der vom Königreich Belgien, vom Großherzogtum Luxemburg und vom Königreich der Niederlande am 25. Februar 2005 in Den Haag unterzeichneten Benelux-Übereinkunft auf dem Gebiet des geistigen Eigentums (Marken und Muster oder Modelle) (im Folgenden: Benelux-Übereinkunft) geregelt.

    7.

    Art. 2.1 („Zeichen, die eine Benelux-Marke sein können“) der Benelux-Übereinkunft bestimmt u. a., dass „Zeichen, die ausschließlich bestehen aus der Form der Ware, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht oder die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, … jedoch nicht als Marken angesehen werden [können].“

    III. Verfahren vor dem Gerichtshof

    8.

    In Erwiderung auf die Einladung an die in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Beteiligten haben Herr Christian Louboutin und die Gesellschaft Louboutin SAS (im Folgenden zusammen: Louboutin), die Van Haren Schoenen BV (im Folgenden: Van Haren), die deutsche und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Europäische Kommission in der mündlichen Verhandlung am 14. November 2017 Stellung genommen ( 3 ). In diesem Verfahrensstadium haben die Beteiligten ein zweites Mal die Gelegenheit gehabt, sich mündlich zur Vorlagefrage zu äußern, die wie folgt lautet: Beschränkt sich der Begriff der Form im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 auf die dreidimensionalen Eigenschaften der Ware wie deren Konturen, Abmessungen oder Umfang (auszudrücken in drei Dimensionen), oder erfasst diese Bestimmung auch andere (nicht dreidimensionale) Eigenschaften der Ware wie Farbe?

    IV. Würdigung

    A.   In meinen ersten Schlussanträgen vorgeschlagene Auslegung und Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge

    9.

    In meinen ersten Schlussanträgen habe ich eine Würdigung vorgenommen, die mich zu dem Schluss geführt hat, dass ein Zeichen, das Farbe und Form kombiniert, vom Verbot des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 erfasst sein kann ( 4 ).

    10.

    Ich habe dem Gerichtshof deshalb vorgeschlagen, auf die Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass er auf ein Zeichen, das aus der Form der Ware besteht und Schutz für eine bestimmte Farbe beansprucht, anwendbar sein kann.

    11.

    In den Nrn. 28 bis 41 meiner ersten Schlussanträge habe ich hilfsweise meine Überlegungen zur Qualifizierung der streitigen Marke dargestellt. Ich habe festgestellt, dass die streitige Marke einem Zeichen, das aus der Form der Ware besteht und das den Schutz einer Farbe in Verbindung mit dieser Form beansprucht, gleichgestellt werden sollte – und nicht einer Marke, die ausschließlich aus einer Farbe als solcher besteht.

    12.

    Ich habe jedoch schon in Nr. 31 meiner ersten Schlussanträge darauf hingewiesen, dass die Qualifizierung der streitigen Marke eine Tatfrage ist, die hier vom vorlegenden Gericht zu entscheiden ist.

    13.

    Das Gleiche gilt für die Beantwortung der Frage, ob die rote Farbe der Sohle der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Ich habe den Eindruck, dass das vorlegende Gericht hierzu einen klaren Standpunkt vertritt und davon ausgeht, dass diese Frage zu bejahen ist.

    14.

    Gleichwohl habe ich in den Nrn. 70 bis 72 meiner ersten Schlussanträge in meinem Vorschlag einer Antwort auf die Vorlagefrage erklärt, dass die Analyse zur Feststellung, ob es sich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 um eine Form handelt, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht – und ob diese Bestimmung damit im Ausgangsfall anwendbar ist –, sich ausschließlich auf den der Form innewohnenden Wert bezieht und den Reiz der Ware infolge des Rufs der Marke oder ihres Inhabers nicht berücksichtigen darf. Auf der Grundlage dieser Annahme habe ich den zweiten Teil meines Vorschlags einer Antwort auf die Vorlagefrage wie folgt formuliert: „Der Begriff der Form, die ‚der Ware einen wesentlichen Wert verleiht‘, im Sinne dieser Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf den der Form innewohnenden Wert und erlaubt es nicht, den Ruf der Marke oder ihres Inhabers zu berücksichtigen.“

    15.

    Ich werde in den vorliegenden Schlussanträgen die in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 erörterten Aspekte behandeln, so dass die Analyse in meinen ersten Schlussanträgen durch Erwägungen zu den verschiedenen Standpunkten der Beteiligten ergänzt werden wird.

    16.

    In diesem Sinne werde ich zunächst meine Erwägungen zur Qualifizierung der streitigen Marke im Hinblick auf die von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 vertretenen Standpunkte entwickeln. Sodann werde ich prüfen, ob sich die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1431 ( 5 ), die insbesondere den Begriff „Positionsmarke“ betrifft, auf die Analyse der Qualifizierung der streitigen Marke in meinen ersten Schlussanträgen auswirkt. Danach werde ich ergänzende Bemerkungen zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 im Kontext erstens des Verhältnisses zwischen dieser Richtlinie und der Richtlinie (EU) 2015/2436 ( 6 ) und zweitens des Sinn und Zwecks von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 formulieren. Schließlich werde ich einen Blick auf die Konsequenzen der von mir in meinen ersten Schlussanträgen abgelehnten, aber von mehreren Beteiligten in der letzten mündlichen Verhandlung favorisierten Lösung richten, nach der das Ziel, bestimmte Eigenschaften der Waren gemeinfrei zu halten, im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft berücksichtigt werden kann.

    B.   Ergänzende Erwägungen zur Qualifizierung der streitigen Marke

    17.

    Wie ich soeben kurz in Erinnerung gerufen habe, war ich in meinen ersten Schlussanträgen geneigt, die streitige Marke als Zeichen, das aus der Form der Ware besteht und Schutz für eine Farbe in Verbindung mit dieser Form beansprucht, und nicht als Farbmarke zu qualifizieren ( 7 ).

    18.

    Nachdem ich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 gehört habe, bin ich noch weniger geneigt, die streitige Marke als Marke, die aus einer Farbe als solcher besteht, zu qualifizieren.

    19.

    In Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 vom Gerichtshof gestellten Frage hat sich Louboutin in dem Sinne geäußert, dass die streitige Marke ein Zeichen sei, das wie folgt beschrieben werden könne: Zum einen wird die Sohle räumlich von Linien begrenzt, die es erlauben, sie zu zeichnen, und diese Begrenzung erfolgt durch die Farbe Rot, und zum anderen hat die Sohle eine Form, die der räumlichen Begrenzung der Farbe Rot entspricht. Nach Ansicht des Inhabers der streitigen Marke grenzt also die Farbe die Form ab und – was mir die natürliche Konsequenz dieser ersten Feststellung zu sein scheint – entspricht diese Form der räumlichen Begrenzung der Farbe.

    20.

    Im vorliegenden Fall scheint es sich deshalb nicht um eine völlig abstrakte Form oder um eine Form zu handeln, die von geringfügiger Bedeutung ist, was die Feststellung rechtfertigen könnte, dass die streitige Marke Schutz für eine bestimmte Farbe an sich ohne räumliche Begrenzung beansprucht. Dass die Form der Sohle je nach Schuhmodell variieren kann, ist unerheblich. Es handelt sich noch stets um die Form einer Sohle und nicht um einen anderen Teil eines Schuhs. In diesem Zusammenhang dürfen der Grundsatz, dass eine Marke als Ganzes beurteilt werden muss, und der Umstand, dass der Schutz, den der Markeninhaber genießt, nicht nur Zeichen umfasst, die mit dem angemeldeten Zeichen identisch sind, sondern auch solche, die diesem ähnlich sind, nicht unberücksichtigt bleiben.

    21.

    Außerdem bezweifle ich, dass die Farbe Rot die wesentliche Funktion der Marke, auf ihren Inhaber hinzuweisen, erfüllen kann, wenn sie außerhalb ihres spezifischen Kontexts, d. h. unabhängig von der Form der Sohle, verwendet wird. Jedenfalls denke ich nicht, dass dies der vom Inhaber bei der Anmeldung der streitigen Marke verfolgte Zweck war.

    22.

    Zusammenfassend bin ich daher in Anbetracht der Ausführungen in den Nrn. 29 bis 41 meiner ersten Schlussanträge und der vorstehenden Erwägungen der Meinung, dass die streitige Marke einem Zeichen, das aus der Form der Ware besteht und das den Schutz einer Farbe in Verbindung mit dieser Form beansprucht, gleichgestellt werden sollte – und nicht einer Marke, die ausschließlich aus einer Farbe als solcher besteht.

    C.   Ergänzende Ausführungen zur Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 auf Zeichen, die aus der Form der Ware und einer bestimmten Farbe bestehen

    1. Auswirkungen der Qualifizierung einer Marke als „Positionsmarke“ im Sinne der Durchführungsverordnung 2017/1431 auf die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95

    23.

    In Nr. 32 meiner ersten Schlussanträge habe ich darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 2008/95 und die Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Rechtsfolgen an die Qualifizierung einer Marke als „Positionsmarke“ knüpfen. Die deutsche Regierung hat diesen Standpunkt in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 geteilt. Die Qualifizierung als „Positionsmarke“ schließt es ferner, wie ebenfalls in Nr. 32 meiner ersten Schlussanträge ausgeführt, nicht per se aus, dieselbe Marke als aus der Form der Ware bestehend anzusehen, mit der Folge, dass diese Marke von dem in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 enthaltenen Verbot erfasst sein kann, da letztere Kategorie, nämlich Marken, die aus der Form des Produkts bestehen, auch Zeichen umfasst, die einen Teil oder ein Element der Ware darstellen.

    24.

    In der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 hat Louboutin geltend gemacht, dass Art. 3 Abs. 3 Buchst. d der Durchführungsverordnung 2017/1431 die Positionsmarke definiere, indem er angebe, wie sie auf der Ware darzustellen sei. Die streitige Marke entspreche den in dieser Definition festgelegten Kriterien.

    25.

    Aufgrund ähnlicher Überlegungen haben die deutsche und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission – wie schon mehrere Beteiligte vor der Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens – in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 vorgetragen, dass die streitige Marke als Positionsmarke zu qualifizieren sei. Nur die französische Regierung hat ausdrücklich auf die Durchführungsverordnung 2017/1431 Bezug genommen.

    26.

    Die auf die Durchführungsverordnung 2017/1431 gestützten Argumente sind jedoch meines Erachtens nicht geeignet, die in Nr. 23 der vorliegenden Schlussanträge in Erinnerung gerufenen Erwägungen in Frage zu stellen ( 8 ).

    27.

    Die Durchführungsverordnung 2017/1431 gilt ab dem 1. Oktober 2017 und ergänzt das auf der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 ( 9 ), die zum 1. Oktober 2017 durch die Verordnung (EU) 2017/1001 ( 10 ) ersetzt wurde, beruhende Unionsmarkensystem. Zwischenzeitlich wurde die Verordnung Nr. 207/2009 durch die Verordnung (EU) 2015/2424 ( 11 ), die am 23. März 2016 in Kraft getreten ist, geändert. Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii ersterer Verordnung, der den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 übernimmt, wurde dahin geändert, dass Zeichen, die ausschließlich bestehen aus der „Form oder einem anderen charakteristischen Merkmal, die bzw. das der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“ ( 12 ), von der Eintragung ausgeschlossen sind ( 13 ).

    28.

    Daraus folgt, dass Art. 3 Abs. 3 Buchst. d der Durchführungsverordnung 2017/1431, der die „Positionsmarke“ betrifft, in das Unionsmarkensystem integriert worden ist, das zuvor anerkannt hat, dass ein Zeichen nicht notwendig aus der „Form“ bestehen muss, um von einem Eintragungshindernis bzw. einem Ungültigkeitsgrund, der dem in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 geregelten Grund entspricht, betroffen zu sein.

    29.

    Art. 3 Abs. 3 Buchst. d der Durchführungsverordnung 2017/1431 wurde also nicht als „Definition“ eines Markentyps konzipiert, der jedenfalls nicht im Sinne des Grundes in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 von der Eintragung ausgeschlossen bzw. ungültig sein kann. Denn es steht jetzt fest, dass im Unionsmarkensystem die Unterscheidung zwischen der „Form“ und den „anderen charakteristischen Merkmalen“ im Zusammenhang mit diesem Eintragungshindernis bzw. Ungültigkeitsgrund unerheblich ist.

    30.

    Aus dem gleichen Grund rechtfertigt Art. 3 Abs. 3 Buchst. d der Durchführungsverordnung 2017/1431 nicht die Annahme, dass eine Positionsmarke in jedem Fall völlig unabhängig von der Form der Ware ist, insbesondere wenn es sich um ein Zeichen handelt, das einen Teil oder ein Element der betreffenden Ware darstellt.

    31.

    Zwar unterscheidet die Durchführungsverordnung 2017/1431 zwischen der in ihrem Art. 3 Abs. 3 Buchst. d geregelten „Positionsmarke“ einerseits und der „Formmarke“ und der „Farbmarke“ andererseits, die in Art. 3 Abs. 3 Buchst. c bzw. Abs. 3 Buchst. f dieser Verordnung geregelt sind.

    32.

    Ich stelle jedoch fest, dass es in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 nicht um „Formmarken“ geht, sondern um Zeichen, die ausschließlich bestehen aus der Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht ( 14 ).

    33.

    Außerdem enthält Art. 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2017/1431 weder die abschließende Liste der eintragungsfähigen Markentypen noch die Definitionen der in dieser Bestimmung genannten Markentypen. Zum einen sieht Art. 3 Abs. 4 dieser Verordnung die Möglichkeit vor, eine Marke anzumelden, die „unter keine der in Absatz 3 [dieses Artikels] aufgeführten Formen [fällt]“. Zum anderen ist in diesem Abs. 3 nur geregelt, wie eine Marke wiederzugeben ist, wenn „die Anmeldung eine der Markenformen gemäß den Buchstaben a bis j“ der Durchführungsverordnung 2017/1431 betrifft. Mir scheint, dass sich Art. 3 Abs. 3 dieser Verordnung darauf beschränkt, festzulegen, auf welche Art und Weise die am häufigsten verwendeten Markentypen im Anmeldeverfahren wiederzugeben sind. Zeichen, die eine Mischung aus mehreren in Art. 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2017/1431 genannten Markentypen sind, sind also mit dem Unionsmarkensystem vereinbar. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass der Umstand, dass die streitige Marke als Bildmarke angemeldet worden ist, ihrer Qualifizierung als „Marke, die aus der Form der Ware besteht“, nicht entgegensteht.

    34.

    In Anbetracht des Vorstehenden und der Erwägungen in Nr. 32 meiner ersten Schlussanträge bin ich der Ansicht, dass die Einführung des Begriffs „Positionsmarke“ in Art. 3 Abs. 3 Buchst. d der Durchführungsverordnung 2017/1431 in das Unionsmarkensystem nicht geeignet ist, meine Erwägungen zur Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 auf ein Zeichen, das aus der Form der Ware besteht und Schutz für eine bestimmte Farbe beansprucht, zu beeinflussen.

    2. Reichweite von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 im Verhältnis zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2015/2436

    35.

    Die Richtlinie 2008/95 wird durch die Richtlinie 2015/2436 ersetzt werden, die bis zum 14. Januar 2019 umzusetzen ist. Art. 4 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2015/2436, der dem in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 geregelten Eintragungshindernis bzw. Ungültigkeitsgrund entspricht, bezieht sich auf Zeichen, die ausschließlich aus „der Form oder einem anderen charakteristischen Merkmal [der Ware], die bzw. das der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“, bestehen.

    36.

    Im Rahmen meiner ersten Schlussanträge habe ich mich gefragt, ob der Umstand, dass der Gesetzgeber die Schaffung von Übergangsvorschriften zur Lösung möglicher Konflikte zwischen den beiden aufeinanderfolgenden Richtlinien nicht für notwendig gehalten hat, darauf hinweisen kann, dass er angenommen hat, dass die rechtliche Regelung für diese Zeichen im Rahmen dieser Richtlinien die gleiche ist ( 15 ).

    37.

    Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs lässt dieses Fehlen von Übergangsvorschriften keinen Schluss auf die Rückwirkung zu. Diese Regierung hat darauf hingewiesen, dass es keine Übergangsvorschriften für die Bestimmungen gebe, die andere Aspekte des Markenrechts änderten, wie Art. 14 der Richtlinie 2015/2436, der den Schutz des Eigennamens natürlichen Personen vorbehalte und es einer Person gestatte, ihren Namen und ihre Adresse ohne Verstoß gegen das Markenrecht zu nutzen, während gemäß Art. 6 der Richtlinie 2008/95 dieser Schutz auch juristischen Personen gewährt werde.

    38.

    Es erscheint mir jedoch nicht ganz gerechtfertigt, die Änderungen von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 mit denjenigen, die den in Art. 6 dieser Richtlinie und in Art. 14 der Richtlinie 2015/2436 geregelten Schutz des Eigennamens betreffen, auf eine Stufe zu stellen.

    39.

    Der Schutz des Eigennamens ist eine Beschränkung der Ausschließlichkeitsrechte des Markeninhabers, der berechtigt ist, jedem Dritten die Verwendung eines Zeichens, das mit seiner Marke identisch ist, zu verbieten. Die durch die Richtlinie 2015/2436 eingeführten Änderungen beschränken jedoch nicht die Rechte des Markeninhabers. Im Gegenteil stärkt diese Richtlinie das Monopol des Markeninhabers und beschränkt zugleich die Rechte Dritter, so dass sich Unternehmen und Gesellschaften künftig nicht mehr auf einen Schutz des Eigennamens berufen können.

    40.

    Dieser Wandel der Wirkungen der Marke kann die Gültigkeit der Marke selbst jedenfalls nicht beeinträchtigen. Der aus bereits eingetragenen Marken und solchen, die noch eingetragen werden können, bestehende Markenfundus bleibt also sowohl unter der alten als auch unter der neuen Regelung unangetastet. Unabhängig von der Regelung, unter der die Marke eingetragen ist, wird die neue Regelung nur die Situation Dritter ändern, die keine natürlichen Personen sind.

    41.

    Diese Logik lässt sich jedoch kaum auf die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 geregelten Eintragungshindernisse bzw. Ungültigkeitsgründe übertragen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie sich die Änderung der Reichweite des Eintragungshindernisses bzw. des Ungültigkeitsgrundes auf das Recht der Unionsmarken nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2015/2436 auswirkt. Wäre es möglich, die Vielzahl der Anträge auf Ungültigerklärung von Marken nach Ablauf der Umsetzungsfrist der neuen Richtlinie zu antizipieren? Könnte es außerdem, wenn man annimmt, dass unter der alten Regelung eingetragene Marken von den Verboten in Art. 4 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2015/2436, der Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 entspricht, nicht betroffen sein können, zu einer großen Zahl von Markenanmeldungen vor diesem Datum kommen?

    42.

    Unabhängig von diesen Erwägungen bin ich der Meinung, dass das Fehlen von Übergangsvorschriften in der Richtlinie 2015/2436 nur ein Indiz für eine Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 ist, nach der diese Bestimmung auf Zeichen, die aus der Form der Ware bestehen und Schutz für eine bestimmte Farbe beanspruchen, anwendbar ist. Es ist insbesondere der Sinn und Zweck dieser Bestimmung, der das entscheidende Argument meiner Analyse darstellt ( 16 ).

    3. Der Sinn und Zweck von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95

    43.

    In der mündlichen Verhandlung haben mehrere Beteiligte zum Sinn und Zweck des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 geregelten Eintragungshindernisses bzw. Ungültigkeitsgrundes Stellung genommen.

    44.

    Die deutsche Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und Van Haren haben vorgetragen, dass diese Bestimmung eine missbräuchliche Verwendung von Marken, die wettbewerbswidrige Monopole zur Folge haben kann, verhindert.

    45.

    So vertritt die deutsche Regierung die Auffassung, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 eine Monopolisierung von Warenformen, die – aufgrund ihrer Merkmale – dauerhaft gemeinfrei bleiben müssen, um ihre Verwendung allen Marktteilnehmern zu ermöglichen, verhindert. Diese Regierung ist jedoch offenbar der Meinung, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 geregelten ästhetischen Merkmale eine eigene Dynamik in dem Sinne haben, dass sich ihre Attraktivität mit der Mode ändern kann.

    46.

    In ähnlicher Weise macht Louboutin offenbar geltend, dass es im Bereich der Ästhetik nicht notwendig ist, wesentliche Merkmale einer Ware markenrechtlich dauerhaft gemeinfrei zu halten, weil diese Merkmale keine ausreichend lange wirtschaftliche Lebensdauer haben, um einen solchen Schutz zu rechtfertigen.

    47.

    Ich kann der von Louboutin und der deutschen Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen These, nach der die Attraktivität ästhetischer Merkmale eine eigene Dynamik habe, weil sich die vom Publikum erwarteten und geschätzten Merkmale mit der Mode wandeln könnten, etwas abgewinnen. Diese den Merkmalen, die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen, inhärente Dynamik steht meines Erachtens einer Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95, nach der diese Bestimmung auf ein Zeichen anwendbar ist, das aus der Form der Ware besteht und Schutz für eine bestimmte Farbe beansprucht, nicht entgegen.

    48.

    In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Hauck ( 17 ) habe ich ausgeführt, dass die Beurteilung der Frage, ob die fragliche Form der Ware z. B. wegen ihrer ästhetischen Merkmale „einen wesentlichen Wert verleiht“, die Berücksichtigung der Perspektive des durchschnittlichen Verbrauchers erfordert. Die Wahrnehmung der jeweiligen Form durch den Verbraucher ist jedoch kein entscheidendes Kriterium dieser Beurteilung. Für die Erreichung des Ziels von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95, Formen, die das Publikum anziehen, für die Marktteilnehmer frei verfügbar zu halten, sind sowohl die Wahrnehmung des Zeichens durch die angesprochenen Verkehrskreise als auch die wirtschaftlichen Folgen seiner Eintragung für ein einziges Unternehmen zu berücksichtigen.

    49.

    Hilfsweise frage ich mich, ob – entgegen der Auffassung von Louboutin – die Bedeutung der Wahrnehmung des Publikums bei der Anwendung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 nicht für eine teleologische Auslegung dieser Bestimmung spräche. In diesem Fall würde sich die weniger strenge Auslegung des Begriffs „Form“ im Sinne dieses Artikels gegenüber einer wörtlichen Auslegung durchsetzen.

    50.

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i und Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 bezieht sich auf im Vorhinein und dauerhaft festgelegte Merkmale, die sich aus der Art der Ware selbst ergeben, weil sie „durch die Art der Ware selbst bedingt“ bzw. „zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich“ sind. Daher stelle ich, was insbesondere Letztere betrifft, fest, dass die Art, wie das Publikum diese Waren wahrnimmt, an diesem tatsächlichen Zustand nichts ändern kann, selbst wenn es möglich ist, eine technische Wirkung durch andere Formen zu erreichen ( 18 ).

    51.

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 erlaubt es, die Eintragung einer Marke abzulehnen bzw. sie für ungültig zu erklären, wenn ihre Merkmale der Ware einen wesentlichen Wert verleihen. Diese Bestimmung erlaubt es also, ein Merkmal so lange, wie es einen besonderen Einfluss auf den Wert der Ware hat, für alle Marktteilnehmer frei verfügbar zu halten. Sobald dies nicht mehr der Fall ist – insbesondere, wie bestimmte Beteiligte geltend machen, weil sich die Präferenzen des Publikums geändert haben und das betreffende Merkmal vom Publikum nicht mehr nachgefragt und geschätzt wird –, kann es sein, dass die fragliche Marke nicht mehr vom Verbot des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 erfasst wird.

    52.

    In diesem Fall würde Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95, im Gegensatz zu den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i und ii dieser Richtlinie geregelten Eintragungshindernissen bzw. Ungültigkeitsgründen, Merkmale betreffen, die von externen Faktoren abhängen.

    53.

    Würde also die Antwort auf die Frage, welche Merkmale „der Ware einen wesentlichen Wert“ verleihen, von externen Faktoren abhängen, insbesondere von der Wahrnehmung des Publikums, wäre es im Fall eines Zeichens, das die besondere Aufmerksamkeit des Publikums erregt, inkohärent, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf ein Zeichen, das aus der Form der Ware besteht und Schutz für eine bestimmte Farbe beansprucht, zu verneinen. Was in der Wahrnehmung des Publikums zählt, ist nämlich nicht die Unterscheidung zwischen Form-, Farb- oder Positionsmarken, sondern die auf den Gesamteindruck eines Zeichens gestützte Identifizierung der Herkunft einer Ware.

    54.

    Außerdem erlaubt es die Tatsache, dass die Merkmale, die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen, teilweise durch die Wahrnehmung des Publikums bestimmt werden, meines Erachtens nicht, den Ruf der Marke oder ihres Inhabers bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob die fragliche Form im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 „der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“ ( 19 ). Wenn man nämlich akzeptieren würde, dass der Begriff der „Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“, auch nur teilweise durch Merkmale bestimmt wird, die vom Publikum als anziehend wahrgenommen werden, wären zwangsläufig Merkmale, die mit dem Ruf der Marke oder ihres Inhabers zusammenhängen, auszuschließen, um zu verhindern, dass die Anziehungskraft, die von diesem Ruf ausgeht, einer Form zugeschrieben wird, die, für sich genommen, keine Anziehungskraft hätte. Andernfalls könnte das Eintragungshindernis bzw. der Ungültigkeitsgrund in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 sehr weit und im Hinblick auf sein in Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge in Erinnerung gerufenes Ziel unangemessen ausgelegt werden.

    55.

    Im Anbetracht des Vorstehenden bin ich der Meinung, dass die Bezugnahme auf die Wahrnehmung des Publikums als Faktor, der neben anderen die Merkmale bestimmt, die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen, für eine Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii. der Richtlinie 2008/95 spricht, nach der diese Bestimmung auf Zeichen anwendbar ist, die aus der Form der Ware bestehen und Schutz für eine bestimmte Farbe in Verbindung mit dieser Form beanspruchen.

    D.   Qualifizierung der streitigen Marke unter dem Blickwinkel von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95

    56.

    In meinen ersten Schlussanträgen habe ich im Rahmen dieses Vorabentscheidungsersuchens zwei Ansätze in Betracht gezogen.

    57.

    Der erste besteht in der Annahme, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 weit ausgelegt werden könnte. Der zweite besteht in der Berücksichtigung des Interesses am Erhalt der Gemeinfreiheit bestimmter Zeichen im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft eines Zeichens im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie bei allen Zeichen, die in einem Aspekt der betreffenden Ware bestehen, oder sogar bei anderen Zeichentypen, deren Verfügbarkeit begrenzt ist.

    58.

    Während ich in meinen ersten Schlussanträgen meine Präferenz für den ersten Ansatz ausgedrückt habe, haben sich die deutsche und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission in der mündlichen Verhandlung offenbar für den zweiten Ansatz ausgesprochen. Ich stelle fest, dass diese Beteiligten einhellig von der Prämisse ausgegangen sind, dass die streitige Marke als Positionsmarke anzusehen ist, die nicht von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 erfasst ist.

    59.

    In diesem Zusammenhang werde ich meine ersten Schlussanträge erweitern. Diese ergänzenden Ausführungen könnten sich für das vorlegende Gericht in dem Fall als nützlich erweisen, dass der Gerichtshof in seinem künftigen Urteil annimmt, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 hier keine Anwendung finden kann. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass vertiefte Überlegungen es dem Gerichtshof ermöglichen werden, die in diesem Verfahren zu entscheidende Frage unter allen ihren Gesichtspunkten zu beurteilen.

    60.

    In den Nrn. 45 und 46 meiner ersten Schlussanträge habe ich mich dahin geäußert, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus dem Urteil Libertel ( 20 ), ergibt, dass im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft eines in einer Farbe als solcher bestehenden Zeichens zu beurteilen ist, ob seine Eintragung nicht dem öffentlichen Interesse an einer nicht unangemessenen Beschränkung der Verfügbarkeit der Farben für andere Akteure, die Waren oder Dienstleistungen der gleichen Art anbieten, widerspräche. Von dieser Prämisse ausgehend bin ich zu dem Schluss gelangt, dass, wenn es sich um Zeichen handelt, die mit dem Erscheinungsbild der Ware zusammenfallen, bei der Beurteilung ihrer Eintragung die gleichen Erwägungen zu berücksichtigen sind, wie jene, die Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 zugrunde liegen.

    61.

    Im Urteil Libertel ( 21 ) hat der Gerichtshof seinen Standpunkt zur Beurteilung der Unterscheidungskraft von Farbmarken auf die Annahme gegründet, dass die Zahl der Farben, die das Publikum unterscheiden kann, niedrig ist, da sich ihm selten die Gelegenheit zum unmittelbaren Vergleich von Waren mit unterschiedlichen Farbtönen bietet ( 22 ).

    62.

    Dies gilt umso mehr für als Positionsmarken qualifizierte Marken, bei denen Markenschutz für eine bestimmte Farbe beansprucht wird. Mir scheint sogar, dass die Zahl der Farben, die tatsächlich auf der Sohle eines Schuhs als Herkunftsangabe verwendet werden können, noch eingeschränkter ist, weil es den Schattierungen von Schwarz, Grau und Braun aufgrund ihrer häufigen Verwendung durch die Marktteilnehmer in der Praxis systematisch an Unterscheidungskraft fehlt.

    63.

    In diesem Zusammenhang stelle ich fest, dass bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens auch die Rechtsprechung zu den dreidimensionalen Zeichen zu berücksichtigen wäre, nach der, da die Durchschnittsverbraucher gewöhnlich nicht von Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild einer Ware übereinstimmen, auf die Herkunft dieser Waren schließen, solche Zeichen nur dann Unterscheidungskraft haben, wenn sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweichen ( 23 ).

    64.

    Insoweit erinnere ich daran, dass der Gerichtshof in dem Beschluss in der Rechtssache X Technology Swiss/HABM ( 24 ) einen Teil eines Rechtsmittelgrundes zurückgewiesen hat, mit dem die Rechtsmittelführerin geltend gemacht hatte, dass das Gericht im Rahmen des Klageverfahrens betreffend die Eintragung einer Marke, die in einer kappenartigen Einfärbung in Orange, aus der der Bereich der Zehenspitzen der jeweiligen Strumpfware gestaltet war, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der Marke zu Unrecht nicht zwischen dreidimensionalen Marken und Positionsmarken unterschieden habe. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof die Erwägungen des Gerichts, wonach das entscheidende Kriterium für die Beurteilung, ob ein Zeichen Unterscheidungskraft habe, nicht seine Qualifizierung als Bildmarke, dreidimensionale oder andere Marke sei, sondern die Frage, ob es mit dem Erscheinungsbild der betreffenden Ware übereinstimme, nicht zurückgewiesen. Daraus folgt, dass ein Zeichen, das Schutz für eine Farbe beansprucht und mit dem Erscheinungsbild der betreffenden Ware übereinstimmt, nur dann Unterscheidungskraft hat, wenn es erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht.

    65.

    Schließlich stelle ich fest, dass – im Gegensatz zu dem in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 geregelten Eintragungshindernis bzw. Ungültigkeitsgrund – das Hindernis des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95, im Licht von Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie gelesen, entfallen kann, wenn das Zeichen nach einem normalen Prozess der Gewöhnung der angesprochenen Verkehrskreise Unterscheidungskraft erlangt hat. Das Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 zugrunde liegende öffentliche Interesse, die Verfügbarkeit einer vom Publikum nachgefragten und geschätzten Eigenschaft für die anderen Marktteilnehmer nicht zu beschränken, kann also mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie nicht dauerhaft gewahrt werden.

    66.

    Aus diesen Überlegungen folgt, dass im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft eines Zeichens, das mit dem Erscheinungsbild der betreffenden Ware übereinstimmt, zu prüfen ist, ob seine Eintragung nicht dem Allgemeininteresse zuwiderlaufe, die Verfügbarkeit seiner Merkmale für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der gleichen Art anbieten, nicht ungerechtfertigt zu beschränken. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 kann die Funktion von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii dieser Richtlinie allerdings nicht vollständig übernehmen, weil von dieser ersten Bestimmung unter den Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie abgewichen werden kann.

    V. Ergebnis

    67.

    In Anbetracht des Vorstehenden sowie der Analyse in meinen ersten Schlussanträgen halte ich meinen Vorschlag einer Antwort auf die von der Rechtbank den Haag (Gericht erster Instanz Den Haag, Niederlande) gestellte Vorlagefrage aufrecht, der wie folgt lautete:

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er auf ein Zeichen, das aus der Form der Ware besteht und Schutz für eine bestimmte Farbe beansprucht, anwendbar sein kann. Der Begriff der Form, die „der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“, im Sinne dieser Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf den der Form innewohnenden Wert und erlaubt es nicht, den Ruf der Marke oder ihres Inhabers zu berücksichtigen.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).

    ( 3 ) Ich weise darauf hin, dass die französische Regierung und die des Vereinigten Königreichs, anders als die anderen Beteiligten, an der ersten mündlichen Verhandlung vom 6. April 2017 nicht teilgenommen haben.

    ( 4 ) Siehe Nrn. 49 bis 66 meiner ersten Schlussanträge. Hilfsweise denke ich nicht, dass diese Auslegung durch die Erwägungen in Rn. 24 des Urteils vom 10. Juli 2014, Apple (C‑421/13, EU:C:2014:2070), das die Anmeldung eines Zeichens betrifft, das die Ausstattung einer Verkaufsstätte darstellt, in Frage gestellt werden kann. Die Eintragungshindernisse bzw. Ungültigkeitsgründe in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 betreffen Zeichen, die in einer Form und – nach der von mir in meinen ersten Schlussanträgen vorgeschlagenen Auslegung – in anderen Eigenschaften „der Ware“ bestehen (zu dem Zusammenhang zwischen Form und Ware vgl. Urteil vom 8. April 2003, Linde u. a., C‑53/01 bis C‑55/01, EU:C:2003:206, Rn. 43). Die Ausstattung einer Verkaufsstätte ist nicht die Ware an sich, sondern – nach meinen Überlegungen in Nr. 107 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Hauck (C‑205/13, EU:C:2014:322) – ein Zeichen, das die Bedingungen, unter denen die fragliche Leistung erbracht wird, materiell darstellt. Mir scheint daher, dass – die im Urteil vom 10. Juli 2014, Apple (C‑421/13, EU:C:2014:2070), verwendeten Worte übernehmend – Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/95 im vorliegenden Fall für die Lösung unerheblich war, weil es nicht um ein Zeichen ging, das aus einer Form oder einer anderen Eigenschaft der Ware besteht, sondern um ein Zeichen, das diese Bedingungen darstellt.

    ( 5 ) Durchführungsverordnung der Kommission vom 18. Mai 2017 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 205, S. 39).

    ( 6 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, S. 1).

    ( 7 ) Vgl. Nrn. 29 bis 41 meiner ersten Schlussanträge.

    ( 8 ) Die Durchführungsverordnung 2017/1431 betrifft die Unionsmarken und ist deshalb im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar. Da der Unionsgesetzgeber jedoch auf die Komplementarität des Unionsmarkensystems und der nationalen Markensysteme achtet, könnte diese Verordnung einen Hinweis darauf geben, wie die Bestimmungen der Richtlinien über diese nationalen Systeme auszulegen sind.

    ( 9 ) Verordnung des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).

    ( 10 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).

    ( 11 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. 2015, L 341, S. 21).

    ( 12 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 13 ) Eine gleichlautende Bestimmung enthalten auch die Verordnung 2017/1001 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2015/2436, die die Richtlinie 2008/95 ersetzen wird. Vgl. Nrn. 5 und 61 bis 64 meiner ersten Schlussanträge.

    ( 14 ) Zur Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 auf Marken, die dieser Beschreibung entsprechen, vgl. Nrn. 57 bis 60 meiner ersten Schlussanträge.

    ( 15 ) Vgl. Nr. 64 meiner ersten Schlussanträge.

    ( 16 ) Vgl. Nrn. 53 bis 58 meiner ersten Schlussanträge.

    ( 17 ) C‑205/13, EU:C:2014:322, Nrn. 89 bis 92.

    ( 18 ) Vgl. Urteil vom 18. Juni 2002, Philips (C‑299/99, EU:C:2002:377, Rn. 83).

    ( 19 ) Vgl. Nrn. 70 bis 72 meiner ersten Schlussanträge. Vgl. in diesem Sinne auch Richtlinien zur Markenpraxis, Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, Teil B: Prüfung, Abschnitt 4: Absolute Eintragungshindernisse, Fassung vom 23. März 2016, herunterzuladen von der Seite https://euipo.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/document_library/contentPdfs/law_and_practice/decisions_president/ex16-1_de.pdf, S. 90 (2.5.4 Form oder anderes charakteristisches Merkmal, die bzw. das den Waren einen wesentlichen Wert verleiht: „Der Begriff des ‚Werts‘ sollte nicht im Sinne von ‚Reputation‘ ausgelegt werden, da die Anwendung dieses absoluten Eintragungshindernisses ausschließlich durch die Wirkung auf den durch die Form oder ein anderes charakteristisches Merkmal erzielten Mehrwert der Waren und nicht durch andere Faktoren, wie die Reputation der Wortmarke, die ebenfalls zur Identifizierung der betreffenden Waren verwendet wird, begründet ist [siehe diesbezüglich die Entscheidung vom 16. Januar 2013, R 2520/2011‑5, § 19].“). Vgl. auch Kur, A., Too Pretty to Protect? Trade Mark Law and the Enigma of Aesthetic Functionality, Drexl, J., Hilty, R. M., Godt, L., u. a., Brüssel, Larcier 2009, S. 153.

    ( 20 ) Urteil vom 6. Mai 2003 (C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 53 und 54).

    ( 21 ) Urteil vom 6. Mai 2003 (C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 47).

    ( 22 ) Vgl. Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel (C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 47).

    ( 23 ) Vgl. Urteile vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM (C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 30 und 31), und vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi-Werke/HABM (C‑173/04 P, EU:C:2006:20, Rn. 28 und 31).

    ( 24 ) Beschluss vom 16. Mai 2011 (C‑429/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:307).

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