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Document 62015TJ0452

    Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 20. November 2017.
    Andrei Petrov u. a. gegen Europäisches Parlament.
    Mitglied des Europäischen Parlaments – Verweigerung des Zugangs zu den Gebäuden des Parlaments – Drittstaatsangehöriger – Art. 21 der Charta der Grundrechte – Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft – Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit – Zulässigkeit eines Klagegrundes – Diskriminierung wegen der politischen Anschauung – Gleichbehandlung – Ermessensmissbrauch.
    Rechtssache T-452/15.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2017:822

    URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

    20. November 2017 ( *1 )

    „Mitglied des Europäischen Parlaments – Verweigerung des Zugangs zu den Gebäuden des Parlaments – Drittstaatsangehöriger – Art. 21 der Charta der Grundrechte – Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft – Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit – Zulässigkeit eines Klagegrundes – Diskriminierung wegen der politischen Anschauung – Gleichbehandlung – Ermessensmissbrauch“

    In der Rechtssache T‑452/15

    Andrei Petrov, wohnhaft in Sankt Petersburg (Russland),

    Fedor Biryukov, wohnhaft in Moskau (Russland),

    Alexander Sotnichenko, wohnhaft in Sankt Petersburg,

    Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Richter,

    Kläger,

    gegen

    Europäisches Parlament, vertreten durch N. Görlitz und M. Windisch als Bevollmächtigte,

    Beklagter,

    betreffend eine auf Art. 263 AEUV gestützte Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Parlaments vom 16. Juni 2015, mit der den Klägern der Zugang zu seinen Räumlichkeiten verweigert wurde,

    erlässt

    DAS GERICHT (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, des Richters L. Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín (Berichterstatter) und der Richterin I. Reine,

    Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2017

    folgendes

    Urteil

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    1

    Bei den Wahlen vom 25. Mai 2014 wurde Herr Udo Voigt, der Kläger in der unter dem Aktenzeichen T‑618/15 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragenen Rechtssache, über den Wahlvorschlag einer deutschen Partei, der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), ins Europäische Parlament gewählt. Seither gehört er dem Parlament als fraktionsloses Mitglied an.

    2

    Am 22. März 2015 wurde in Sankt Petersburg (Russland) ein politisches Forum, das „Russische Nationale Forum“ abgehalten, zu dem Herr Voigt von der russischen Partei „Rodina“ eingeladen wurde und an dem die drei Kläger Herr Andrei Petrov, Herr Fedor Biryukov und Herr Alexander Sotnichenko teilnahmen.

    3

    Im Nachgang zu diesem Forum teilte ein Mitarbeiter von Herrn Voigt mit E‑Mail vom 3. Juni 2015 dem Pressedienst des Parlaments mit, dass das Parlamentsmitglied beabsichtige, am 16. Juni 2015 eine Pressekonferenz mit dem Titel „Unsere Aktionen zur Verhinderung eines kalten und heißen Krieges in Europa“ (im Folgenden: Pressekonferenz) durchzuführen. Diese Pressekonferenz sollte im Beisein von sechs Teilnehmern, nämlich Herrn Voigt, einem griechischen Parlamentsmitglied, einem ehemaligen italienischen und einem ehemaligen britischen Parlamentsmitglied sowie Herrn Petrov und Herrn Biryukov, zwei russischen Staatsangehörigen und Mitgliedern der russischen Partei „Rodina“, stattfinden. Der Mitarbeiter von Herrn Voigt bat zu diesem Zweck, Herrn Voigt einen Raum des Parlaments zu überlassen und ihm die Dolmetschinfrastruktur zur Verfügung zu stellen.

    4

    Ebenfalls im Nachgang zum „Russischen Nationalen Forum“ beantragte der Mitarbeiter von Herrn Voigt am 9. Juni 2015 bei der für Akkreditierungsangelegenheiten zuständigen Generaldirektion (GD) „Sicherheit“ des Parlaments die Ausstellung von Zutrittsausweisen für 21 Personen, darunter fünf russische Staatsangehörige, nämlich die drei Kläger, Frau E. N. und Frau P. E., im Hinblick auf eine zweite Veranstaltung, nämlich ein als „Treffen über Europäische Zusammenarbeit“ bezeichnetes Arbeitstreffen, das ebenfalls für den 16. Juni 2015 angesetzt worden war (im Folgenden: Arbeitstreffen).

    5

    Am selben Tag, dem 9. Juni 2015, bestätigte die GD „Sicherheit“ per E‑Mail den Eingang des Akkreditierungsersuchens. Diese Eingangsbestätigung enthielt eine Referenznummer, mit der die Zutrittsausweise am 16. Juni 2015 abgeholt werden konnten, und einen Anhang mit der Bestätigung, dass die Veranstaltung den Sicherheitsanforderungen entspreche, aber auch dem Hinweis darauf, dass der Veranstalter nicht von der Durchführung des üblichen Genehmigungsverfahrens befreit sei.

    6

    Ebenfalls am 9. Juni 2015 teilte der Pressedienst dem Mitarbeiter von Herrn Voigt per E‑Mail mit, dass die politischen Entscheidungsträger des Parlaments ihm die Anweisung erteilt hätten, ihm die beantragten Einrichtungen für die Pressekonferenz nicht zur Verfügung zu stellen (im Folgenden: E‑Mail des Pressedienstes). Diese E‑Mail verwies auf die vom Parlament beschlossenen Zugangsbeschränkungen für russische Politiker und Diplomaten und auf die Gefahr einer möglichen Störung der Arbeitsabläufe des Parlaments durch die Anwesenheit von Herrn Petrov und Herrn Biryukov.

    7

    Am 10. Juni 2015 nahm das Parlament eine Entschließung zum Stand der Beziehungen EU–Russland (2015/2001[INI]) (ABl. 2016, C 407, S. 35, im Folgenden: Entschließung vom 10. Juni 2015) an, die seit dem 15. Januar 2015 debattiert worden war.

    8

    Am 16. Juni 2015 holte der Mitarbeiter von Herrn Voigt die für dessen Gäste vorgesehenen Zutrittsausweise für das Arbeitstreffen ab. Im Laufe des Vormittags informierte das Referat „Akkreditierung“ der GD „Sicherheit“ Herrn Voigt durch E‑Mail jedoch darüber, dass angesichts der Liste der Teilnehmer an dem Arbeitstreffen und gemäß den vom Kabinett des Präsidenten des Parlaments erhaltenen Anweisungen den fünf russischen Staatsangehörigen, darunter die Kläger, der Zugang zu den Räumlichkeiten des Parlaments verwehrt werde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

    Verfahren und Anträge der Parteien

    9

    Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 10. August 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage gegen das Parlament und dessen Präsidenten erhoben.

    10

    Mit Beschluss vom 18. September 2015, Petrov u. a./Parlament und Präsident des Parlaments (T‑452/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:709), hat das Gericht die Klage insoweit abgewiesen, als sie gegen den Präsidenten des Parlaments gerichtet war.

    11

    Am 12. Januar 2016 haben die Kläger eine Erwiderung eingereicht, und am 25. Februar 2016 hat das Parlament eine Gegenerwiderung eingereicht.

    12

    Die Kläger beantragen,

    – die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

    – dem Parlament die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    13

    Das Parlament beantragt,

    – die Klage als unbegründet abzuweisen;

    – den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    14

    Mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 hat das Gericht dem Parlament prozessleitende Maßnahmen zugestellt, auf die das Parlament am 21. Dezember 2016 geantwortet hat.

    Rechtliche Würdigung

    Zur Zulässigkeit der Erwiderung

    15

    In der Gegenerwiderung hat das Parlament Zweifel an der Zulässigkeit der Erwiderung geäußert, da sie wenig kohärente Überlegungen und Behauptungen enthalte, deren konkreter Bezug zu den in der Klageschrift vorgetragenen Klagegründen unklar bleibe.

    16

    Nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichts kann die Klageschrift durch eine Erwiderung ergänzt werden. Ferner geht aus Nr. 142 der Praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung hervor, dass, „[d]a der Rahmen des Rechtsstreits und die in Rede stehenden Klage- und Verteidigungsgründe oder Rügen in der Klageschrift … eingehend dargelegt … wurden, … der Zweck der Erwiderung … darin [liegt], es dem Kläger … zu ermöglichen, [seine] Auffassung zu erläutern oder [sein] Vorbringen zu einer wichtigen Frage zu präzisieren und auf Gesichtspunkte zu antworten, die in der Klagebeantwortung … erstmals vorgebracht wurden“.

    17

    Im vorliegenden Fall enthält die Erwiderung zwar Mehrdeutigkeiten, entspricht jedoch insgesamt den oben beschriebenen Zielen. Zudem könnte selbst die Annahme, dass sie Rügen enthält, die als neue Klagegründe angesehen werden können, nicht rechtfertigen, dass dieser Schriftsatz insgesamt von der Verhandlung ausgenommen wird. Dies könnte nur die Zulässigkeit der fraglichen Rügen in Frage stellen, was im Rahmen der Prüfung des jeweils betroffenen Klagegrundes zu klären ist.

    18

    Daher ist die Erwiderung zulässig.

    Begründetheit

    Vorbemerkungen

    19

    Die Kläger machen in der Klageschrift zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens eine „Verletzung der Verträge“ und zweitens einen Ermessensmissbrauch rügen.

    20

    Nach Art. 263 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV ist das Gericht für Klagen wegen Verletzung der Verträge tatsächlich zuständig.

    21

    Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung bestimmt gleichwohl, dass die Klageschrift eine kurze Darstellung der geltend gemachten Klagegründe enthalten muss. Nach ständiger Rechtsprechung müssen zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und einer ordnungsgemäßen Rechtspflege u. a. die wesentlichen rechtlichen Umstände sich zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Urteil vom 29. September 2016, Bach Flower Remedies/EUIPO – Durapharma [RESCUE], T‑337/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:578, Rn. 50 und 51). Zwar braucht ein Kläger die spezielle Rechtsvorschrift, auf die er seine Rüge stützt, nicht ausdrücklich anzuführen, doch muss sein Vorbringen hinreichend klar sein, um es der Gegenpartei und dem Unionsrichter zu ermöglichen, die Vorschrift ohne Schwierigkeiten zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Mai 2006, Galileo International Technology u. a./Kommission, T‑279/03, EU:T:2006:121, Rn. 47, und vom 13. November 2008, SPM/Rat und Kommission, T‑128/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:494, Rn. 65).

    22

    Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich, dass die „Verletzung der Verträge“ nur einen allgemeinen Fall darstellt, in dem die in die Zuständigkeit des Gerichts fallende Nichtigkeitsklage eröffnet ist. Sie ist jedoch nicht bestimmt genug, um als rechtliche Grundlage für einen Klagegrund zu dienen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. November 1997, Tremblay u. a./Kommission, T‑224/95, EU:T:1997:187, Rn. 80 und 81).

    23

    Daher ist zu prüfen, ob der erste Klagegrund auf einer genaueren Rechtsgrundlage als der bloßen Berufung auf eine „Verletzung der Verträge“ beruht.

    24

    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Inhalt der Klageschrift und der ihr beigefügten Zusammenfassung, die bei deren Auslegung berücksichtigt werden kann (Urteile vom 25. Oktober 2007, Komninou u. a./Kommission, C‑167/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:633, Rn. 25 und 26, und vom 12. April 2016, CP/Parlament, F‑98/15, EU:F:2016:76, Rn. 16), dass die Kläger ihren ersten Klagegrund in Wirklichkeit auf eine Verletzung von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) stützen. Genauer gesagt machen sie eine Diskriminierung wegen ihrer ethnischen Herkunft und einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit geltend.

    25

    In der Erwiderung machen die Kläger zudem geltend, Opfer einer Diskriminierung wegen ihrer politischen Anschauung geworden zu sein. Darin machen sie auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz geltend, da sie im Vergleich zu sonstigen Besuchern und Gästen des Parlaments unterschiedlich behandelt worden seien.

    26

    Schließlich wird sowohl in der Klageschrift als auch in der Erwiderung angedeutet, dass die angefochtene Entscheidung unverhältnismäßig sei. Zunächst ist festzustellen, ob es sich dabei um einen eigenständigen Klagegrund handelt.

    27

    Insoweit ist entgegen dem Vorbringen des Parlaments festzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwar einen eigenständigen Charakter hat, doch kann er auch Bestandteil des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots sein. So ist entschieden worden, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot erfordern, dass eine unterschiedliche Behandlung durch ein objektives und angemessenes Kriterium gerechtfertigt ist, d. h., dass sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht und diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht (Urteile vom 17. Oktober 2013, Schaible, C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 77, vom 23. März 1994, Huet/Rechnungshof, T‑8/93, EU:T:1994:35, Rn. 45, und vom 30. Januar 2003, C/Kommission, T‑307/00, EU:T:2003:21, Rn. 49). Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt haben die Kläger bestätigt, dass im vorliegenden Fall das Vorbringen, die angefochtene Entscheidung sei unverhältnismäßig, kein gesonderter Klagegrund sei.

    28

    In Anbetracht des Vorstehenden ist Folgendes zu prüfen:

    – erstens der Klagegrund, mit dem eine Verletzung von Art. 21 der Charta gerügt wird, weil die angefochtene Entscheidung eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft oder der Staatsangehörigkeit der Kläger darstelle;

    – zweitens der Klagegrund, mit dem zum einen eine Verletzung von Art. 21 Abs. 1 der Charta gerügt wird, weil die angefochtene Entscheidung eine Diskriminierung wegen der politischen Anschauung der Kläger darstelle, und zum anderen ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gerügt wird;

    – drittens der Klagegrund eines Ermessensmissbrauchs.

    29

    Des Weiteren haben die Kläger in Beantwortung einer Frage des Gerichts dargelegt, dass ihnen der politische Kontext im Wesentlichen bekannt gewesen sei, der bei ihrer Ankunft am Parlament vorgeherrscht habe, und Herr Voigt ihnen die angefochtene Entscheidung erklärt habe. Im Übrigen haben die Kläger der Klageschrift eine Kopie der Entscheidung und die E‑Mail des Pressedienstes beigefügt, mit der dem Mitarbeiter von Herrn Voigt mitgeteilt wurde, dass ihm die beantragten Einrichtungen für die Pressekonferenz wegen der vom Parlament beschlossenen Zugangsbeschränkungen für russische Politiker und Diplomaten und der Gefahr einer möglichen Störung der Arbeitsabläufe des Parlaments durch die Anwesenheit von Herrn Petrov und Herrn Biryukov nicht zur Verfügung gestellt würden.

    30

    Die Klage ist vor dem Hintergrund dieser Erwägungen zu prüfen.

    Zu dem Klagegrund, mit dem eine Verletzung von Art. 21 der Charta gerügt wird, weil die angefochtene Entscheidung eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft oder der Staatsangehörigkeit der Kläger darstelle

    31

    Die Kläger machen geltend, sie hätten weder eine Gefahr für den geordneten Arbeitsablauf des Parlaments noch für dessen Sicherheit dargestellt. Mangels sachlicher Gründe stelle die angefochtene Entscheidung eine Diskriminierung wegen ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer ethnischen Herkunft dar, so dass Art. 21 der Charta verletzt sei. Zudem hätte es, selbst wenn bestimmte russische Staatsangehörige tatsächlich eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Parlaments dargestellt hätten, ausgereicht, das Hausverbot auf diese Personen zu beschränken.

    32

    Nach Ansicht des Parlaments entbehrt der Klagegrund der Grundlage.

    33

    Nach Art. 21 Abs. 1 der Charta sind Diskriminierungen insbesondere wegen der ethnischen Herkunft verboten. Nach Art. 21 Abs. 2 der Charta ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich auch jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

    34

    Da die Kläger zwischen den beiden von ihnen geltend gemachten Diskriminierungsarten nicht klar unterscheiden, ist darauf hinzuweisen, dass es in einem Fall, in dem in einem Text mit allgemeiner Bedeutung zwei unterschiedliche Begriffe verwendet werden, aus Gründen der Kohärenz und der Rechtssicherheit nicht möglich ist, dass diesen dieselbe Bedeutung zugewiesen wird. Das gilt umso mehr, wenn diese Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch verschiedene Bedeutungen haben (Urteile vom 25. September 2013, Marques/Kommission, F‑158/12, EU:F:2013:135, Rn. 28, und vom 14. Mai 2014, Cocco/Kommission, F‑17/13, EU:F:2014:92, Rn. 33).

    35

    So ist die Staatsangehörigkeit ein rechtliches und politisches Band zwischen einem Einzelnen und einem souveränen Staat, während der Begriff der ethnischen Herkunft auf dem Gedanken beruht, dass gesellschaftliche Gruppen das Gefühl teilen, zum selben Staat oder zur selben Glaubensgemeinschaft, Sprache, kulturellen und traditionellen Herkunft und Lebensumgebung zu gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C‑83/14, EU:C:2015:480, Rn. 46).

    36

    Zum Verbot der Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft hat das Parlament geltend gemacht, dass Russland über 185 verschiedene ethnische Gruppen umfasse. Die Kläger, die sich nur auf ihre russische Staatsangehörigkeit berufen, haben jedoch nicht vorgetragen, dass sie einer bestimmten ethnischen Gruppe angehörten. Schon gar nicht haben sie dargetan, dass die angefochtene Entscheidung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe erlassen worden sei.

    37

    Folglich haben die Kläger nicht dargetan, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 21 Abs. 1 der Charta erfüllt sind. Somit können sie nicht geltend machen, aufgrund einer bestimmten ethnischen Herkunft diskriminiert worden zu sein.

    38

    Zum Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und nach Art. 52 Abs. 7 der Charta bei deren Auslegung die Erläuterungen zur Charta (ABl. 2007, C 303, S. 17) zu berücksichtigen sind.

    39

    Nach den Erläuterungen zur Charta „entspricht Artikel 18 Absatz 1 [AEUV Art. 21 Abs. 2 der Charta] und findet entsprechend Anwendung“. Zudem erfolgt nach Art. 52 Abs. 2 der Charta die Ausübung der durch sie anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen. Folglich ist Art. 21 Abs. 2 der Charta so zu verstehen, dass er die gleiche Tragweite wie Art. 18 Abs. 1 AEUV hat.

    40

    Nach Art. 18 Abs. 1 AEUV ist „[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge … in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten“. Diese Bestimmung steht im zweiten Teil („Nichtdiskriminierung und Unionsbürgerschaft“) dieses Vertrags. Sie betrifft in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende Situationen, in denen ein Angehöriger eines Mitgliedstaats nur aufgrund seiner Staatsangehörigkeit gegenüber den Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats diskriminiert wird. Dieser Artikel findet daher keine Anwendung im Fall einer etwaigen Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juni 2009, Vatsouras und Koupatantze, C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 51 und 52, und vom 7. April 2011, Francesco Guarnieri & Cie, C‑291/09, EU:C:2011:217, Rn. 20).

    41

    Folglich können sich die Kläger – russische Staatsangehörige – nicht auf Art. 21 Abs. 2 der Charta berufen.

    42

    Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen, mit dem eine Verletzung von Art. 21 der Charta gerügt wird, weil die angefochtene Entscheidung eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft oder der Staatsangehörigkeit der Kläger darstelle. Im Übrigen wird hinsichtlich der Rüge, die angefochtene Entscheidung sei unverhältnismäßig, da bei den russischen Staatsangehörigen nicht nach den von ihnen ausgehenden Gefahren unterschieden worden sei, auf die Rn. 75 bis 78 unten verwiesen.

    Zu dem Klagegrund, mit dem zum einen eine Verletzung von Art. 21 Abs. 1 der Charta gerügt wird, weil die angefochtene Entscheidung eine Diskriminierung wegen der politischen Anschauung der Kläger darstelle, und zum anderen ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gerügt wird

    43

    In der Erwiderung machen die Kläger geltend, sie seien wegen ihrer politischen Anschauung diskriminierend behandelt worden. Außerdem sei die „[angefochtene Entscheidung letztlich] in jedem Falle am allgemeinen … Gleichheitssatz zu messen“. Wegen dieser Entscheidung seien sie nämlich im Vergleich zu sonstigen Besuchern und Gästen des Parlaments unterschiedlich behandelt worden. Im Wesentlichen tragen sie vor, die angefochtene Entscheidung habe sie daran hindern sollen, im Parlament eine politische Anschauung zu äußern, die dessen Präsident missbillige und die der Entschließung vom 10. Juni 2015 zuwiderlaufe.

    44

    Das Parlament stellt die Zulässigkeit dieser Rügen in Abrede, weil es sich um Klagegründe handele, die erstmals und verspätet in der Erwiderung geltend gemacht worden seien.

    45

    Die Kläger tragen jedoch vor, dass ihnen der politische Hintergrund ihrer Diskriminierung erst aufgrund der Durchsicht der Klagebeantwortung bekannt geworden sei.

    46

    Nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Jedoch muss ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits unmittelbar oder mittelbar in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und das in engem Zusammenhang mit diesem steht, für zulässig erklärt werden. Um als Erweiterung eines bereits zuvor vorgetragenen Angriffsmittels oder einer bereits zuvor vorgebrachten Rüge betrachtet werden zu können, muss ein neues Argument mit den ursprünglich in der Klageschrift dargelegten Angriffsmitteln oder Rügen einen so engen Zusammenhang aufweisen, dass es als Bestandteil der üblichen sich in einem streitigen Verfahren entwickelnden Erörterung angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2011, Groupe Gascogne/Kommission, T‑72/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:671, Rn. 23 und 27).

    47

    Was erstens das Verbot der Diskriminierung wegen der politischen Anschauung anbelangt, steht dieses Verbot in Art. 21 Abs. 1 der Charta, auf den sich die Kläger in der Klageschrift im Rahmen ihres Klagegrundes einer „Verletzung der Verträge“ berufen haben. In der Klageschrift haben die Kläger ihr auf diese Vorschrift gestütztes Vorbringen jedoch auf einen behaupteten Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen ihrer ethnischen Herkunft beschränkt. Des Weiteren haben sie unter Berufung auf Art. 21 Abs. 2 der Charta eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit geltend gemacht. Sie haben in ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz an keiner Stelle einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen ihrer politischen Anschauung geltend gemacht.

    48

    Dass die Kläger in der Klageschrift keine solche Diskriminierung geltend gemacht haben, ist im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung. Die angefochtene Entscheidung darf nämlich nicht von ihrem Kontext isoliert werden. Insbesondere geht aus der Akte hervor, dass die Kläger bei Erhebung der Klage im Besitz der E‑Mail des Pressedienstes waren, mit der sich das Parlament weigerte, Herrn Voigt die für die ebenfalls am 16. Juni 2015 vorgesehene Pressekonferenz erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Diese Weigerung stützt sich auf zwei Gründe. Erstens verweist die E‑Mail des Pressedienstes auf die vom Parlament beschlossenen Zugangsbeschränkungen gegenüber russischen Diplomaten einerseits und russischen Politikern andererseits, genauer gesagt den Mitgliedern der Gosudarstvennaya Duma Federal’nogo Sobrania Rossiskoï Federatsii (Staatsduma der Föderationsversammlung der Russischen Föderation) und des Soviet Federatsii Federal’nogo Sobrania Rossiskoï Federatsii (Föderationsrat der Föderationsversammlung der Russischen Föderation), wie aus den Antworten des Parlaments auf die oben in Rn. 14 genannten prozessleitenden Maßnahmen hervorgeht. Zweitens erwähnt die E‑Mail die Gefahr einer möglichen Störung der Arbeitsabläufe des Parlaments durch die Anwesenheit von Herrn Petrov und Herrn Biryukov. Zudem sollte die angefochtene Entscheidung den Klägern verbieten, die Gebäude des Parlaments – einer politischen Instanz – zu betreten, um auf eine Einladung eines Parlamentsmitglieds an einem Treffen über ein politisches Thema, nämlich die „europäische Zusammenarbeit“, teilzunehmen. Ferner sind die ersten beiden Kläger in der russischen politischen Partei „Rodina“ mit bedeutenden Verantwortungsbereichen betraut und wird der dritte Kläger als Professor an einer Universität für internationale Beziehungen vorgestellt. Darüber hinaus sollte das fragliche Treffen die Fortsetzung eines politischen Forums sein, das „Russische Nationale Forum“, an dem die drei Kläger teilgenommen hatten und das das Parlament kurz zuvor in der Entschließung vom 10. Juni 2015 kritisiert hatte. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger schließlich bestätigt, dass die Veranstaltungen vom 16. Juni 2015, zu denen sie eingeladen worden waren, ihnen ermöglichen sollten, ihre politische Anschauung zur „europäischen Zusammenarbeit“ darzulegen, um einerseits das „Russische Nationale Forum“ in einem anderen Licht darzustellen als es die Entschließung vom 10. Juni 2015 getan hatte und andererseits die dort bereits begonnenen Arbeiten fortzusetzen. Daher musste ein politisch informierter und durchschnittlich aufmerksamer Kläger den politischen Kontext der angefochtenen Entscheidung beachten.

    49

    Daher ist festzustellen, dass die in der Erwiderung enthaltene Geltendmachung eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen der politischen Anschauung der Kläger keine Erweiterung eines in der Klageschrift enthaltenen Klagegrundes ist, die Bestandteil der üblichen sich in einem streitigen Verfahren entwickelnden Erörterung ist, sondern ein neuer Klagegrund. Dieser Klagegrund ist folglich als unzulässig anzusehen, da er nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

    50

    Was zweitens das ebenfalls in der Erwiderung enthaltene Vorbringen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger im Rahmen des Klagegrundes eines Ermessensmissbrauchs in ihrer Klageschrift u. a. geltend gemacht haben, dass die angefochtene Entscheidung „auf reiner Willkür [beruht] und in diametralem Widerspruch zum primärrechtlichen Diskriminierungsverbot [steht]“. Dieses Vorbringen verwies jedoch auf „[die] oben genannten [Gründe]“, d. h. auf die Äußerungen zur behaupteten Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder wegen der ethnischen Herkunft. Die Kläger haben in der Klageerhebung zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass im Hinblick auf die Behandlung der sonstigen Besucher und Gäste des Parlaments der allgemeine Gleichheitsgrundsatz als solcher verletzt worden sei.

    51

    Sollten die Kläger in der Erwiderung versucht haben, den Umfang ihres ersten Klagegrundes über die Rügen hinaus zu erweitern, die auf einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder wegen ihrer ethnischen Herkunft beschränkt sind, indem sie sich im Hinblick auf die Behandlung der sonstigen Besucher und Gäste des Parlaments generell auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz berufen, ist daher der Klagegrund eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz als ein neuer Klagegrund anzusehen, der nicht Bestandteil der üblichen sich in einem streitigen Verfahren entwickelnden Erörterung ist. Deshalb, und weil dieser Klagegrund nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, ist er ebenfalls als unzulässig anzusehen.

    52

    Es trifft zu, dass das Parlament zum Schutz seiner Verteidigungsrechte in der Klagebeantwortung hilfsweise die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, dass das Gericht den auf das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder wegen der ethnischen Herkunft gestützten Klagegrund als einen auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gestützten Klagegrund umqualifiziert. Dieser Umstand genügt jedoch nicht für die Annahme, dass die Gesichtspunkte, die eine Geltendmachung dieses Grundsatzes in der Erwiderung rechtfertigen, erst im Laufe des Verfahrens zutage getreten sind. Im Hinblick auf den oben in Rn. 48 angeführten Kontext sind den Klägern mit diesem Verteidigungsvorbringen des Parlaments keine Gründe der angefochtenen Entscheidung offengelegt worden, von denen sie bis dahin berechtigterweise nichts hätten wissen müssen.

    53

    Hinzuzufügen ist, dass Art. 21 der Charta, der die Grundlage für den auf das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder wegen der ethnischen Herkunft gestützten Klagegrund bildet, eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2015, Léger, C‑528/13, EU:C:2015:288, Rn. 48), und dass dieser Grundsatz und das Diskriminierungsverbot zwei Bezeichnungen ein und desselben allgemeinen Rechtsgrundsatzes sind, der es untersagt, zum einen gleiche Sachverhalte ungleich und zum anderen unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, sofern nicht objektive Gründe eine solche Behandlung rechtfertigen (Urteil vom 27. Januar 2005, Europe Chemi-Con [Deutschland]/Rat, C‑422/02 P, EU:C:2005:56, Rn. 33).

    54

    Soweit in Anbetracht dieser Rechtsprechung die in der Erwiderung enthaltene Berufung auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz als eine andere Formulierung des in der Klageschrift enthaltenen und auf das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder wegen der ethnischen Herkunft gestützten Klagegrundes anzusehen wäre, müsste daher die fragliche Rüge aus den oben in den Rn. 33 ff. bereits dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen werden.

    55

    Jedenfalls entbehrt der Klagegrund, mit dem zum einen eine Verletzung von Art. 21 Abs. 1 der Charta mit der Begründung gerügt wird, dass die angefochtene Entscheidung eine Diskriminierung wegen der politischen Anschauung der Kläger darstelle, und zum anderen ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gerügt wird, einer Grundlage, da aus den Rn. 63 bis 78 unten hervorgeht, dass die angefochtene Entscheidung auf einem objektiven und angemessenen, mit einem rechtlich zulässigen Ziel im Zusammenhang stehenden Grund beruht und in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht.

    Zum Klagegrund eines Ermessensmissbrauchs

    56

    Die Kläger machen geltend, die angefochtene Entscheidung sei ermessensmissbräuchlich, was das Parlament in Abrede stellt.

    57

    Nach ständiger Rechtsprechung hat der Begriff des Ermessensmissbrauchs eine ganz präzise Bedeutung; er betrifft den Fall, dass eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck als dem ausübt, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde. Insoweit genügt es nicht, bestimmte Tatsachen zur Stützung von Behauptungen anzuführen, vielmehr müssen hinreichend genaue, objektive und übereinstimmende Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass diese Tatsachen wahr sind oder ihr Vorliegen zumindest wahrscheinlich ist. Andernfalls kann die sachliche Richtigkeit der Angaben des betreffenden Organs nicht in Frage gestellt werden. Somit kann die Gesamtwürdigung der Anhaltspunkte für einen Ermessensmissbrauch nicht auf bloßen Behauptungen, nicht hinreichend genauen Anhaltspunkten, oder Anhaltspunkten beruhen, die weder objektiv noch schlüssig sind (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 2013, da Silva Tenreiro/Kommission, T‑32/13 P, EU:T:2013:721, Rn. 31 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    58

    Als Erstes machen die Kläger geltend, die angefochtene Entscheidung sei „[aus] den oben genannten Gründen“ ermessensmissbräuchlich, da sie „auf reiner Willkür [beruht] und in diametralem Widerspruch zum … Diskriminierungsverbot [steht]“.

    59

    Soweit sich die Kläger auf angebliche Unregelmäßigkeiten stützen, die sie in den auf eine „Verletzung der Verträge“ gestützten Klagegründen rügen, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Bezugnahme keinen Erfolg haben kann, da diese Klagegründe oben zurückgewiesen worden sind.

    60

    Als Zweites räumen die Kläger ein, dass die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Parlaments rechtlich zulässige Ziele darstellen, die eine Entscheidung rechtfertigen können, mit der Dritten der Zugang zu den Räumlichkeiten des Parlaments verweigert wird. Sie bestreiten dagegen, dass mit der angefochtenen Entscheidung tatsächlich diese Ziele verfolgt worden sind.

    61

    Die Kläger tragen nämlich vor, dass sie keine Gefahr für die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Parlaments dargestellt hätten. Obwohl das Parlament ein Ort des politischen Austauschs sei, habe die angefochtene Entscheidung in Wirklichkeit bezweckt, sie wegen ihrer politischen Überzeugungen und Parteizugehörigkeit fernzuhalten, die der Mehrheit des Parlaments missfallen hätten.

    62

    Mit diesem Argument versuchen die Kläger, den Beweis für einen Ermessensmissbrauch aus der Ungenauigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung abzuleiten.

    63

    Insoweit ist festzustellen, dass sich oben aus Rn. 48 ergibt, dass die angefochtene Entscheidung trotz der Tatsache, dass die Kläger keine Mitglieder der Staatsduma der Föderationsversammlung der Russischen Föderation oder des Föderationsrates der Föderationsversammlung der Russischen Föderation waren, damit begründet war, dass deren Anwesenheit im Parlament im allgemeinen Kontext der den Zugangsbeschränkungen zugrunde liegenden Ereignisse der Ordnung und der Sicherheit sowie der Funktionsfähigkeit des Parlaments abträglich sein könnte.

    64

    Genauer gesagt hat das Parlament in Anbetracht der Entschließung vom 10. Juni 2015 den besonderen Kontext der politischen Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Union zum Zeitpunkt des Sachverhalts geltend gemacht. So hat es auf die Situation in der Ukraine und auf die von der Russischen Föderation vorgenommene Veröffentlichung einer schwarzen Liste mit den Namen aktueller und früherer Parlamentsmitglieder und von Unionsbeamten verwiesen, die es dazu veranlasst hätten, den Zugang russischer Politiker und Diplomaten zu seinen Einrichtungen zu beschränken.

    65

    In Anbetracht des besonderen Kontexts, der die politischen Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Union zum damaligen Zeitpunkt gekennzeichnet habe, und im Hinblick auf die Intensivierung der Beziehungen zwischen den als populistisch geltenden europäischen Parteien und den als nationalistisch eingestuften Kräften in Russland hat das Parlament hervorgehoben, dass die Kläger am „Russischen Nationalen Forum“ teilgenommen hätten, das kurz zuvor vom Parlament aufs Schärfste verurteilt worden sei. Ferner seien die beiden ersten Kläger aktive Mitglieder einer als nationalistisch geltenden russischen Partei. Schließlich seien die drei Kläger Protagonisten, die eingeladen worden seien, um im Parlament einen anderen Standpunkt zum „Russischen Nationalen Forum“ als den in der Entschließung vom 10. Juni 2015 zu vertreten und um die in diesem Forum begonnenen Arbeiten fortzusetzen, was die Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben (siehe oben, Rn. 48).

    66

    Die Kläger weisen allerdings darauf hin, dass das vom Parlament geltend gemachte „Hausrecht“ des Präsidenten des Parlaments nicht dazu verwendet werden könne, Versammlungen zu verhindern, an deren Thema sich die Mehrheit störe, weil gerade Parlamente Orte des politischen Austauschs seien.

    67

    Gleichwohl gibt Art. 22 der Geschäftsordnung des Parlaments dessen Präsidenten die erforderliche Befugnis, um die allgemeine Sicherheit in den Gebäuden des Parlaments zu gewährleisten, um Störungen des ordnungsgemäßen Ablaufs der parlamentarischen Tätigkeit zu verhindern und zu beenden und um die Würde des Parlaments zu schützen. Zudem hat das Parlament zu Recht vorgetragen, dass es nicht verpflichtet sei, in seinen Einrichtungen politische Aktivitäten einer Partei eines Drittstaats zu fördern. Die Kläger räumen dies in ihren Verfahrensschriftstücken ein. Daher ist das Parlament nicht verpflichtet, Mitglieder oder Sympathisanten einer solchen Partei zu empfangen, damit sie sich in seinen Räumlichkeiten äußern können. Allgemeiner ergibt sich aus Art. 14 EUV, dass das Recht, an den Gesetzgebungs- und Haushaltsbefugnissen, den Aufgaben der politischen Kontrolle und den Beratungsfunktionen im Parlament teilzunehmen, den in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl gewählten Vertretern der Unionsbürger vorbehalten ist, während Sondervorschriften wie Art. 15 Abs. 6 Buchst. d EUV und Art. 230 Abs. 1 AEUV dem Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission ein spezifisches Anhörungsrecht garantiert haben. Zudem bestimmt Art. 115 der Geschäftsordnung des Parlaments zwar, dass die Aussprachen des Parlaments öffentlich sind und auch die Ausschüsse des Parlaments grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zusammentreten, doch stellt Art. 157 der Geschäftsordnung klar, dass die zu den Tribünen zugelassenen Zuhörer sitzen zu bleiben und sich ruhig zu verhalten haben. Daher haben die Systematik der Verträge und ihrer Durchführungsvorschriften sowie die Notwendigkeit, die freie Ausübung der Befugnisse des Parlaments zu gewährleisten, zur Folge, dass das Parlament nicht der Ort ist, an dem sich die allgemeine Öffentlichkeit vollberechtigt äußern darf.

    68

    Die Kläger tragen weiter vor, das Parlament habe die Pflicht, die Arbeit der Parlamentsmitglieder, darunter die von Herrn Voigt, nicht zu behindern. Dieses Argument ist im vorliegenden Fall jedoch unerheblich, da die Kläger kein persönliches und unmittelbares Interesse daran haben, sich darauf zu berufen. In Beantwortung einer Frage des Gerichts haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung im Übrigen bestätigt, dass dieses Vorbringen an sich keine Rüge ist.

    69

    Die Kläger machen ferner geltend, dass ihnen Zutrittsausweise ausgestellt worden seien, wodurch Herr Voigt in dem Glauben gelassen worden sei, dass – wenn schon nicht die Pressekonferenz – so doch das Arbeitstreffen in den Parlamentsgebäuden mit ihrer Beteiligung würde stattfinden können. Die Ausstellung dieser Ausweise zeige, dass von ihnen keine besondere Gefahr ausgegangen sei, während der Meinungsumschwung des Parlaments den schikanösen Charakter der angefochtenen Entscheidung erkennen lasse.

    70

    Zwar trifft es zu, dass das Parlament mit der E‑Mail der GD „Sicherheit“ vom 9. Juni 2015 den Eingang des Akkreditierungsersuchens für das Arbeitstreffen bestätigte und diese E‑Mail eine Referenznummer enthielt, mit der die für die Kläger bestimmten Zutrittsausweise abgeholt werden konnten, doch ist daran zu erinnern, dass diese E‑Mail von der GD „Sicherheit“ stammte, während die Entscheidung, mit der den Klägern der Zugang zu den Gebäuden verweigert wurde, auf einer Beurteilung des politischen Kontexts beruhte, die über die Zuständigkeit der Verwaltungsdienste des Parlaments hinausging und allein den politischen Instanzen des Parlaments vorbehalten war. Zudem enthielt die E‑Mail der GD „Sicherheit“ vom 9. Juni 2015 einen Anhang, in dem klargestellt wurde, dass der Organisator der Veranstaltung nicht von dem im Parlament gültigen üblichen Genehmigungsverfahren befreit sei. Somit erklärt sich der scheinbare Widerspruch zwischen der Ausstellung einer Referenznummer, mit der die Zutrittsausweise abgeholt werden konnten, und der endgültigen Weigerung, den Klägern Zugang zum Parlament zu gewähren, durch die unterschiedliche Rolle der Verwaltungsdienste und der politischen Instanzen. Folglich lässt sich nicht die Auffassung vertreten, dass das Parlament aus reiner Schikane den Anschein erweckt habe, dass das streitige Treffen in seinen Einrichtungen hätte stattfinden können.

    71

    Nach alledem ist nicht erkennbar, dass das Ziel der Gewährleistung der Sicherheit und der Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den vom ihm angeführten Gründen steht, da der Erlass von Maßnahmen wie die Weigerung, Personen Zugang zum Parlament zu gewähren, damit dessen Arbeiten nicht gestört werden, eine anhand der verfügbaren Daten vorzunehmende Gefahrenprognose voraussetzt, die zwangsläufig mit einem Unsicherheitsfaktor verbunden ist.

    72

    Die Kläger meinen schließlich, ein Indiz für einen Ermessensmissbrauch darin gefunden zu haben, dass die angefochtene Entscheidung jedenfalls über das hinausgegangen sei, was erforderlich gewesen sei. So weisen sie darauf hin, dass der Präsident des Parlaments über einen Sicherheitsdienst verfüge, der Provokationen gleich welcher Art unterbinden könne. Darüber hinaus zeige der Umstand, dass die angefochtene Entscheidung auf alle russischen Gäste erstreckt worden sei, obwohl der E‑Mail des Pressedienstes zufolge nur die ersten beiden Kläger eine Gefahr für die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Parlaments dargestellt hätten, dass die angefochtene Entscheidung eine Art „Kollektivstrafe“ darstelle.

    73

    Die Kläger haben jedoch nicht nachgewiesen und noch nicht einmal geltend gemacht, dass jedermann zu politischen Propagandazwecken oder zur Diskussion über die politische Ausrichtung des Parlaments über einen bedingungslosen Zugang zu den Einrichtungen des Parlaments verfügt. Wie oben in Rn. 67 ausgeführt, hat das Parlament – ohne dass ihm widersprochen wurde – vielmehr dargelegt, dass das Unionsrecht der Öffentlichkeit nicht automatisch die Befugnis einräume, seine Gebäude zu betreten und sie zur Meinungsäußerung zu nutzen.

    74

    Daher kann es in dem oben in den Rn. 64 und 65 angeführten internationalen Kontext nicht als ein Indiz für einen Ermessensmissbrauch angesehen werden, dass der Präsident des Parlaments die Kläger daran hinderte, die Räumlichkeiten des Parlaments zu betreten, um sich bei einem politischen Treffen zu äußern, anstatt sich darauf zu verlassen, dass der Sicherheitsdienst gegebenenfalls eingreift. Dies gilt umso mehr, als das Parlament in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, dass die angefochtene Entscheidung nur vorübergehenden Charakter hatte, da sie mit dem fraglichen Kontext zusammenhing.

    75

    Die Kläger können sich ebenso wenig darauf berufen, dass die angefochtene Entscheidung gegenüber „der gesamten russischen Besuchergruppe“ erging, also auch gegenüber Frau E. N. und Frau P. E., um darzutun, dass sie in Wirklichkeit eine unverhältnismäßige Kollektivstrafe darstellt. Die Weigerung, diesen beiden Personen Zugang zum Parlament zu gewähren, erklärt sich nämlich dadurch, dass es sich um Begleiterinnen handelte, und zwar bei der einen um die Ehefrau des zweiten Klägers und bei der anderen um die Dolmetscherin, wie sich aus den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ergibt.

    76

    Die Kläger wenden sich schließlich ebenso vergeblich gegen den Kollektivcharakter der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung, dass sich aus der E‑Mail des Pressedienstes im Umkehrschluss ergebe, dass nach Ansicht des Parlaments vom dritten Kläger, Herrn Sotnichenko, keine besondere Gefahr ausgegangen sei.

    77

    Aus dem Umstand, dass das Parlament in der E‑Mail des Pressedienstes, mit der es abgelehnt wurde, Herrn Voigt einen Raum für die Durchführung seiner Pressekonferenz zur Verfügung zu stellen, die Ansicht vertrat, dass die Anwesenheit der ersten beiden Kläger eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Parlaments darstelle, ohne den Fall von Herrn Sotnichenko zu erwähnen, lässt sich kein Argument ableiten. Denn aus der E‑Mail, die der Mitarbeiter von Herrn Voigt am 3. Juni 2015 bezüglich der Durchführung dieser Konferenz an den Pressedienst des Parlaments sandte, geht hervor, dass Herr Sotnichenko nicht daran teilnehmen sollte.

    78

    Zudem hat das Parlament dargelegt, dass Herr Sotnichenko wie die ersten beiden Kläger am „Russischen Nationalen Forum“ teilgenommen hatte, was nicht bestritten worden ist, und dass diese Teilnahme es rechtfertigte, dass in dem oben in den Rn. 64 und 65 genannten Kontext auch ihm der Zugang zu den Gebäuden des Parlaments zur Teilnahme an dem Arbeitstreffen verweigert wurde.

    79

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kläger keine hinreichend genauen, objektiven und übereinstimmenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen haben, die dafür sprechen, dass die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht das Ziel gewesen sind, das dessen Präsident tatsächlich verfolgte, als er die angefochtene Entscheidung erließ. Folglich ist der Klagegrund eines Ermessensmissbrauchs zurückzuweisen.

    80

    Da keiner der Klagegründe durchgreift, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

    Kosten

    81

    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    82

    Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag des Parlaments sämtliche Kosten aufzuerlegen.

     

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Vierte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Die Klage wird abgewiesen.

     

    2.

    Herr Andrei Petrov, Herr Fedor Biryukov und Herr Alexander Sotnichenko tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Europäischen Parlaments.

     

    Kanninen

    Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín

    Reine

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. November 2017.

    Der Kanzler

    E. Coulon

    Der Präsident

    H. Kanninen


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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