Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62015CC0513

Schlussanträge des Generalanwalts Y. Bot vom 8. Februar 2017.
Verfahren auf Betreiben von "Agrodetalė" UAB.
Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Binnenmarkt – EG-Typgenehmigung – Richtlinie 2003/37/EG – Geltungsbereich – Land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen – Inverkehrbringen und Zulassung von aus einem Drittland in die Europäische Union eingeführten Gebrauchtfahrzeugen – Begriffe ‚Neufahrzeug‘ und ‚Inbetriebnahme‘.
Rechtssache C-513/15.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:98

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 8. Februar 2017 ( 1 )

Rechtssache C‑513/15

„Agrodetalė“ UAB

gegen

Vilniaus miesto savivadybės administracija

(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas [Oberster Verwaltungsgerichtshof, Litauen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Binnenmarkt — Land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen — Richtlinie 2003/37/EG — Geltungsbereich der Richtlinie — Inverkehrbringen und Zulassung von außerhalb der Union hergestellten Gebrauchtfahrzeugen in der Europäischen Union — Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Zulassung dieser Fahrzeuge zu regeln — Seit dem 1. Juli 2009 in Betrieb genommene Neufahrzeuge — Begriffe ‚Neufahrzeug‘ und ‚Inbetriebnahme‘“

1. 

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2003/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Typgenehmigung für land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen, ihre Anhänger und die von ihnen gezogenen auswechselbaren Maschinen sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten dieser Fahrzeuge und zur Aufhebung der Richtlinie 74/150/EWG ( 2 ) in der durch die Richtlinie 2014/44/EU der Kommission vom 18. März 2014 ( 3 ) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/37).

2. 

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Unternehmen „Agrodetalė“ UAB und der Vilniaus miesto savivaldybės administracija (Verwaltung des Stadtbezirks von Vilnius, Litauen, im Folgenden: Stadtverwaltung Vilnius) wegen deren Weigerung, aus Weißrussland eingeführte gebrauchte Zugmaschinen im nationalen Register der Traktoren, selbstfahrenden landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen und deren Anhänger einzutragen.

3. 

Die Fragen des vorlegenden Gerichts gehen im Wesentlichen dahin, ob diese aus einem Drittland in die Europäische Union eingeführten Gebrauchtfahrzeuge die harmonisierten technischen Vorschriften der Richtlinie 2003/37 erfüllen müssen, um in einem Mitgliedstaat zugelassen werden zu können.

4. 

In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich die Auffassung vertreten, dass die Richtlinie 2003/37 dahin auszulegen ist, dass die aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat eingeführten und in die Kategorien dieser Richtlinie fallenden Gebrauchtfahrzeuge vor ihrer ersten Inbetriebnahme in der Europäischen Union, wenn diese seit dem 1. Juli 2009 stattgefunden hat, die technischen Vorschriften dieser Richtlinie erfüllen müssen, um in diesem Mitgliedstaat zugelassen werden zu können.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

5.

Dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 74/150/EWG des Rates vom 4. März 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern ( 4 ) zufolge ist der europäische Gesetzgeber von der Feststellung ausgegangen, dass „[i]n jedem Mitgliedstaat … Zugmaschinen bestimmten, zwingend vorgeschriebenen technischen Merkmalen entsprechen [müssen]; diese Vorschriften sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden; dadurch wird der Warenverkehr innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft behindert“.

6.

Angesichts dieser Feststellung ging der Gesetzgeber, wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, davon aus, dass „[d]iese Hemmnisse für die Errichtung und das reibungslose Funktionieren des Gemeinsamen Marktes … sich verringern und sogar beseitigen [lassen], wenn alle Mitgliedstaaten in Ergänzung oder an Stelle ihrer derzeitigen Rechtsvorschriften gleiche Vorschriften erlassen“.

7.

Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 74/150 stellt der Gesetzgeber klar, dass „[d]ie Vorschriften dieser Richtlinie … für luftbereifte Zugmaschinen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit zwischen 6 und nicht mehr als 25 km/h [gelten] und … das Hauptziel [verfolgen], die Sicherheit im Straßenverkehr und die Arbeitssicherheit zu gewährleisten, soweit der Bau dieser Fahrzeuge betroffen ist“.

8.

Nachdem der Unionsgesetzgeber im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 74/150 darauf hingewiesen hat, dass „[d]ie Einhaltung der technischen Vorschriften … herkömmlicherweise von den Mitgliedstaaten kontrolliert [wird], bevor die Fahrzeuge, für die sie gelten, in den Handel gebracht werden[, und] diese Kontrolle … sich auf Zugmaschinentypen [erstreckt]“, hat er im sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie festgestellt, dass „[d]ie Kontrolle der Einhaltung dieser [harmonisierten technischen] Vorschriften sowie die Anerkennung der von den anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen durch jeden Mitgliedstaat … die Einführung eines gemeinschaftlichen Verfahrens für die Betriebserlaubnis für jeden Zugmaschinentyp [erfordern]“.

9.

Nach dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 74/150 soll „[d]ieses Verfahren … es jedem Mitgliedstaat ermöglichen, festzustellen, ob jeder Zugmaschinentyp den in den Einzelrichtlinien vorgesehenen und auf dem Betriebserlaubnisbogen angegebenen Kontrollen unterworfen wurde; damit soll außerdem den Herstellern ermöglicht werden, eine Übereinstimmungsbescheinigung für alle Zugmaschinen auszustellen, die dem genehmigten Typ entsprechen; eine mit dieser Bescheinigung versehene Zugmaschine ist in allen Mitgliedstaaten als mit ihren eigenen Rechtsvorschriften übereinstimmend anzusehen“.

10.

Die Richtlinie 74/150 wurde durch die Richtlinie 2003/37 mit Wirkung vom 1. Juli 2005 aufgehoben ( 5 ).

11.

Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/37 heißt es:

„Da diese Richtlinie die vollständige Harmonisierung vorsieht, sollte die Übergangszeit bis zu dem Zeitpunkt, an dem die europäische Typgenehmigung verbindlich vorgeschrieben wird, ausreichend lang sein, damit sich die Hersteller auf die neuen, harmonisierten Verfahren einstellen können.“

12.

Art. 1 der Richtlinie 2003/37 lautet:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für die EG-Typgenehmigung von Fahrzeugen, unabhängig davon, ob sie in einer oder in mehreren Stufen gefertigt werden. Sie gilt für Fahrzeuge im Sinne des Artikels 2 Buchstabe d) mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von mindestens 6 km/h.

Diese Richtlinie gilt ferner für die EG-Typgenehmigung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten, die für diese Fahrzeuge bestimmt sind.

(2)   Diese Richtlinie gilt nicht

a)

für die Einzelgenehmigung von Fahrzeugen;

dieses Verfahren kann jedoch auf bestimmte Fahrzeugklassen angewandt werden, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen und für die die Typgenehmigung verbindlich vorgeschrieben ist;

b)

für speziell zum Einsatz in der Forstwirtschaft bestimmte Maschinen wie Seilschlepper (Skidder) und Rückezüge (Forwarder) nach ISO-Norm 6814:2000;

c)

für Forstmaschinen auf Fahrgestell für Erdbaumaschinen nach ISO-Norm 6165:2001;

d)

für auswechselbare Maschinen, die im öffentlichen Straßenverkehr von einem anderen Fahrzeug in vollständig angehobener Stellung mitgeführt werden.“

13.

Art. 2 der Richtlinie 2003/37 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a)

‚EG-Typgenehmigung‘ das Verfahren, durch das ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass der Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit die einschlägigen technischen Anforderungen dieser Richtlinie erfüllt; betrifft die EG-Typgenehmigung Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten, kann sie auch als EG-Bauteil-Typgenehmigung bezeichnet werden;

c)

‚Einzelgenehmigung von Fahrzeugen‘ das Verfahren, durch das ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein einzeln abgenommenes Fahrzeug seinen nationalen Vorschriften entspricht;

d)

‚Fahrzeug‘ zum Einsatz in der Land- oder Forstwirtschaft bestimmte Zugmaschine, Anhänger oder gezogene auswechselbare Maschine in vollständigem, unvollständigem oder vervollständigtem Zustand;

e)

‚Fahrzeugklasse‘ eine Gesamtheit von Fahrzeugen mit gleichen Baumerkmalen;

f)

‚Fahrzeugtyp‘ Fahrzeuge einer bestimmten Klasse, die sich in den in Anhang II Kapitel A aufgeführten grundlegenden Merkmalen nicht unterscheiden; ein Fahrzeugtyp kann verschiedene Versionen und Varianten umfassen (siehe Anhang II Kapitel A);

p)

‚Hersteller‘ jede natürliche oder juristische Person, die gegenüber der Typgenehmigungsbehörde für alle Aspekte des Typgenehmigungsverfahrens und für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist, und zwar unabhängig davon, ob diese Person unmittelbar an allen Fertigungsstufen eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit beteiligt ist oder nicht; als Hersteller gilt auch

i)

jede natürliche oder juristische Person, die ein Fahrzeug, System, oder Bauteil oder eine selbstständige technische Einheit für den Eigengebrauch entwickelt oder entwickeln lässt oder herstellt oder herstellen lässt;

ii)

jede natürliche oder juristische Person, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens oder der Inbetriebnahme für die Übereinstimmung eines Fahrzeugs, Systems oder Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit mit dieser Richtlinie verantwortlich ist;

q)

‚Inbetriebnahme‘ den erstmaligen bestimmungsgemäßen Einsatz eines Fahrzeugs in der Gemeinschaft, das vor dem erstmaligen Einsatz nicht vom Hersteller oder von einem von ihm beauftragten Dritten montiert oder eingestellt werden muss; der Tag der Zulassung zum Straßenverkehr oder des erstmaligen Inverkehrbringens gilt als Tag der Inbetriebnahme;

z)

‚Übereinstimmungsbescheinigung‘ das in Anhang III wiedergegebene Schriftstück, mit dem der Hersteller bescheinigt, dass ein bestimmtes, gemäß dieser Richtlinie genehmigtes Fahrzeug alle zum Zeitpunkt seiner Herstellung anwendbaren Vorschriften erfüllt, und aus dem hervorgeht, dass das Fahrzeug in allen Mitgliedstaaten ohne weitere Nachprüfung zum Straßenverkehr zugelassen oder in Betrieb genommen werden kann.“

14.

In Art. 3 der Richtlinie 2003/37 heißt es:

„(1)   Der Antrag auf Erteilung einer Typgenehmigung für einen Fahrzeugtyp ist vom Hersteller an die Typgenehmigungsbehörde eines Mitgliedstaats zu richten. Dem Antrag ist eine Beschreibungsmappe mit den in Anhang I genannten Angaben beizufügen.

(4)   Für einen Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit kann die EG-Typgenehmigung jeweils nur in einem einzigen Mitgliedstaat beantragt werden. Für jeden zu genehmigenden Typ ist ein gesonderter Antrag zu stellen.“

15.

Art. 4 der Richtlinie 2003/37 bestimmt:

„(1)   Jeder Mitgliedstaat erteilt

a)

eine EG-Typgenehmigung für Fahrzeugtypen, die mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmen und die für die jeweilige Fahrzeugklasse geltenden technischen Anforderungen aller in Anhang II Kapitel B genannten Einzelrichtlinien erfüllen;

(3)   Für jeden Fahrzeugtyp, für den sie die EG-Typgenehmigung erteilt, verweigert oder entzogen haben, übermitteln die Typgenehmigungsbehörden eines jeden Mitgliedstaats den Typgenehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten innerhalb eines Monats eine Kopie des Typgenehmigungsbogens zusammen mit den in Anhang II Kapitel C aufgeführten Anlagen.“

16.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 lautet:

„In seiner Eigenschaft als Inhaber einer Fahrzeug-EG-Typgenehmigung stellt der Hersteller eine Übereinstimmungsbescheinigung aus.

Diese Bescheinigung, für die Muster in Anhang III wiedergegeben sind, liegt jedem entsprechend dem genehmigten Typ hergestellten vollständigen oder unvollständigen Fahrzeug bei.“

17.

Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/37 lautet:

„Die Mitgliedstaaten erteilen die Zulassung für typgenehmigte Neufahrzeuge aufgrund ihrer Bauart oder Funktionsweise oder gestatten ihren Verkauf oder ihre Inbetriebnahme nur dann, wenn diese mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.“

18.

Art. 12 der Richtlinie 2003/37 bestimmt:

„(1)   Im Rahmen mehrseitiger oder zweiseitiger Übereinkünfte zwischen der Gemeinschaft und Drittländern kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit die Gleichwertigkeit zwischen den Bedingungen oder Bestimmungen für die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, selbstständigen technischen Einheiten und Bauteilen gemäß dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien einerseits und den Verfahren von internationalen oder Drittlandregelungen andererseits anerkennen.

(3)   Typgenehmigungen auf der Grundlage von UN/ECE-Regelungen, die in den Anhängen des Geänderten Übereinkommens von 1958 enthalten und in Anhang II Kapitel B Teil II-B der vorliegenden Richtlinie aufgeführt sind, werden als gleichwertig anerkannt.

…“

19.

Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 bestimmt:

„(1)   Bei Fahrzeugen der Klassen T1, T2 und T3 wenden die Mitgliedstaaten diese Richtlinie

a)

ab dem 1. Juli 2005 auf neue Fahrzeugtypen an;

b)

ab dem 1. Juli 2009 auf alle Neufahrzeuge an, die in Betrieb genommen werden.“

20.

Nach ihrem Art. 25 ist die Richtlinie 2003/37 am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten, d. h. am 9. Juli 2003.

B – Litauisches Recht

21.

Mit § 1 des Žemės ūkio ministras 2014 m. liepos 1 d. įsakymas Nr. 3D-396 dėl žemės ūkio ministro 2006 m. spalio 2 d. įsakymo Nr. 3d-384 „dėl traktorių, savaeigių ir žemės ūkio mašinų ir jų priekabų registravimo taisyklių patvirtinimo“ pakeitimo (Verordnung Nr. 3D-396 des Landwirtschaftsministers der Republik Litauen vom 1. Juli 2014 zur Änderung der Verordnung Nr. 3D-384 des Landwirtschaftsministers vom 2. Oktober 2006 über die Genehmigung der Bestimmungen über die Zulassung von Zugmaschinen, selbstfahrend, und Landwirtschaftsmaschinen sowie ihrer Anhänger) ( 6 ) wurde in die mit der Verordnung Nr. 3D-384 genehmigten Bestimmungen über die Zulassung von Zugmaschinen, selbstfahrend, und Landwirtschaftsmaschinen sowie ihrer Anhänger ein § 191 mit folgendem Wortlaut eingefügt:

„Gebrauchte Zugmaschinen, die nach dem 1. Juli 2009 in Ländern außerhalb der Europäischen Union hergestellt und nicht in EU-Ländern zugelassen wurden, werden nach diesen Bestimmungen zugelassen, wenn sie gemäß den Anforderungen der Richtlinie 2003/37 hergestellt wurden.“

II – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

22.

Am 1. Juli und 8. Oktober 2014 beantragte Agrodetalė bei der Stadtverwaltung Vilnius die Eintragung von in der Republik Belarus nach dem 1. Juli 2009 hergestellten gebrauchten Zugmaschinen in das nationale Register der Zugmaschinen, selbstfahrend, und Landwirtschaftsmaschinen sowie ihrer Anhänger.

23.

Mit Entscheidungen vom 4. Juli und 13. Oktober 2014 lehnte die Stadtverwaltung Vilnius den Antrag von Agrodetalė mit der Begründung ab, diese habe keine Dokumente zur Bescheinigung vorgelegt, dass diese Zugmaschinen die Anforderungen nach § 1 der Verordnung Nr. 3D-396 erfüllten.

24.

Das Vilniaus apygardos adminitracinis teismas (Bezirksverwaltungsgericht Vilnius), bei dem Agrodetalė ein Rechtsmittel eingelegt hatte, setzte das Verfahren mit Beschluss vom 17. Februar 2015 aus und verwies die Rechtssache an das Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) mit dem Ersuchen um eine Entscheidung über die Vereinbarkeit von § 1 der Verordnung mit höherrangigem nationalem Recht.

25.

Nach Ansicht des verweisenden Gerichts gelten die technischen Anforderungen der Richtlinie 2003/37 nur für die Zulassung von Neufahrzeugen bis zu ihrer Inbetriebnahme. Die Bestimmungen dieser Richtlinie schrieben keine technischen Anforderungen für Gebrauchtfahrzeuge vor und hinderten die Mitgliedstaaten demzufolge nicht an der Zulassung von Gebrauchtfahrzeugen, für die kein EG-Typgenehmigungszeichen und keine vom Hersteller ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung vorlägen.

26.

Nach der gegenteiligen Ansicht des Žemės ūkio ministerija (Landwirtschaftsministerium Litauen, im Folgenden: Landwirtschaftsministerium) gelten die Anforderungen dieser Richtlinie für alle nach dem 1. Juli 2009 hergestellten Zugmaschinen, einschließlich gebrauchter.

27.

Angesichts dieser unterschiedlichen Standpunkte fragt sich das vorlegende Gericht, ob das Landwirtschaftsministerium rechtmäßig gehandelt hat, indem es in dem mit § 1 der Verordnung Nr. 3D-396 eingefügten § 191 der mit der Verordnung Nr. 3D-384 genehmigten Bestimmungen über die Zulassung von Zugmaschinen, selbstfahrend, und Landwirtschaftsmaschinen sowie ihrer Anhänger die Zulassung gebrauchter Zugmaschinen von der Einhaltung der Anforderungen der Richtlinie 2003/37 abhängig gemacht hat.

28.

Das vorlegende Gericht hält die Ansicht für vertretbar, dass die technischen Anforderungen der Richtlinie 2003/37 nur für die Zulassung von Neufahrzeugen bis zu ihrer Inbetriebnahme gälten, d. h., dass die Bestimmungen dieser Richtlinie keine technischen Anforderungen für Gebrauchtfahrzeuge vorschrieben und somit die Mitgliedstaaten nicht an der Zulassung solcher Fahrzeuge hinderten, für die keine Typgenehmigungszeichen und keine vom Hersteller ausgestellten Übereinstimmungsbescheinigungen vorlägen. Zudem sage die Richtlinie 2003/37 nichts darüber aus, ob es für die Anwendung ihrer Bestimmungen auf den Ort ankomme, an dem die Fahrzeuge hergestellt worden seien, und insbesondere darauf, ob diese Fahrzeuge außerhalb der Union hergestellt worden seien.

29.

Da der bei ihm anhängige Rechtsstreit seiner Ansicht nach Fragen der Auslegung des Unionsrechts aufwirft, hat das Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Sind die Bestimmungen der Richtlinie 2003/37 auf die Lieferung von außerhalb der Union hergestellten Gebrauchtfahrzeugen auf den Unionsmarkt und ihre Zulassung anwendbar, oder können die Mitgliedstaaten die Zulassung solcher Fahrzeuge in einem Mitgliedstaat durch besondere nationale Vorschriften regeln und für eine solche Zulassung Voraussetzungen vorsehen (z. B. die Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen der Richtlinie 2003/37)?

2.

Kann Art. 23 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2003/37 dahin ausgelegt werden, dass er festlegt, dass die Bestimmungen der Richtlinie auf Maschinen der Klassen T1, T2 und T3 anwendbar sind, die nach dem 1. Juli 2009 hergestellt wurden?

III – Würdigung

30.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2003/37 dahin auszulegen ist, dass die aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat eingeführten Gebrauchtfahrzeuge die technischen Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen müssen, um in diesem Mitgliedstaat zugelassen werden zu können.

31.

Zur Beantwortung dieser Frage stehen sich zwei Thesen gegenüber.

32.

Nach der ersten, von Agrodetalė, der spanischen Regierung und der Europäischen Kommission vertretenen These kann die durch die Richtlinie 2003/37 eingeführte Regelung der Typgenehmigung für landwirtschaftliche Zugmaschinen nur für Neufahrzeuge gelten, die noch nicht zugelassen oder in Betrieb genommen wurden. Aus einem Drittstaat in die Union eingeführte Gebrauchtfahrzeuge bedürften somit keiner Typgenehmigung und unterlägen nach dem Unionsrecht nicht den technischen Anforderungen dieser Richtlinie. Daraus folge, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, solche Fahrzeuge spezifischen nationalen Anforderungen zu unterwerfen. Agrodetalė zufolge müssen diese nationalen Anforderungen mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung vereinbar sein. Die Kommission und die spanische Regierung sind im Unterschied zu Agrodetalė der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Regelungsbefugnisse die Möglichkeit hätten, die technischen Vorschriften der Richtlinie 2003/37 auf aus einem Drittstaat eingeführte Gebrauchtfahrzeuge zu erstrecken.

33.

Die zweite, von der litauischen Regierung vertretene These beruht dagegen auf dem Gedanken, dass die Einhaltung der technischen Vorschriften dieser Richtlinie für aus einem Drittstaat in die Union eingeführte Gebrauchtfahrzeuge verbindlich vorgeschrieben sei.

34.

Da die Richtlinie 2003/37 mehrfach auf den Begriff „Neufahrzeuge“ Bezug nimmt ( 7 ), könnte man auf den ersten Blick versucht sein, es für die Sache der Mitgliedstaaten zu halten, die technischen Anforderungen für in ihr Hoheitsgebiet eingeführte Gebrauchtfahrzeuge festzulegen. Die Mitgliedstaaten hätten somit nur die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht, diese Anforderungen denen der Richtlinie 2003/37 anzupassen.

35.

Ich teile jedoch den Standpunkt der litauischen Regierung, wonach die Anwendung der harmonisierten technischen Vorschriften auf aus einem Drittstaat in die Union eingeführte Gebrauchtfahrzeuge verbindlich vorgeschrieben ist, da ich ihn für den einzigen halte, der die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2003/37 sicherstellen kann.

36.

Ich erinnere daran, dass die EG-Typgenehmigung nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2003/37 das Verfahren ist, durch das ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass der Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbständigen technischen Einheit die einschlägigen technischen Anforderungen dieser Richtlinie erfüllt.

37.

Der Regelungsrahmen zur EG-Typgenehmigung beruht auf dem Grundsatz, dass alle Neufahrzeuge, die in Übereinstimmung mit einem von einem Mitgliedstaat genehmigten Fahrzeugtyp hergestellt wurden, in den anderen Mitgliedstaaten frei vertrieben und zugelassen werden dürfen.

38.

Die Richtlinie 2003/37 beruht, wie in ihrem vierten Erwägungsgrund dargelegt, auf dem Grundsatz der vollständigen Harmonisierung. Mit dieser Richtlinie wurde das Verfahren der EG-Typgenehmigung für in eine ihrer Kategorien fallende land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen somit verbindlich vorgeschrieben, während es zuvor freiwillig war. Nach Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 müssen die Mitgliedstaaten diese Richtlinie bei Fahrzeugen der Klassen T1, T2 und T3 zum einen ab dem 1. Juli 2005 auf neue Fahrzeugtypen und zum anderen ab dem 1. Juli 2009 auf alle Neufahrzeuge anwenden, die in Betrieb genommen werden. Die vollständige Harmonisierung bedeutet auch, dass für die Zwecke der EG-Typgenehmigung die technischen Anforderungen hinsichtlich der Konstruktion und der Funktion der Fahrzeuge durch das Unionsrecht festgelegt werden.

39.

Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 richtet der Hersteller seinen Antrag auf Erteilung einer Typgenehmigung für einen Fahrzeugtyp an die Typgenehmigungsbehörde eines Mitgliedstaats. Dem Antrag ist eine Beschreibungsmappe mit den in Anhang I dieser Richtlinie genannten Angaben beizufügen.

40.

Aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/37 ergibt sich, dass die EG-Typgenehmigung für Fahrzeugtypen erteilt wird, die mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmen und die für die jeweilige Fahrzeugklasse geltenden technischen Anforderungen aller in Anhang II Kapitel B der Richtlinie 2003/37 genannten Einzelrichtlinien erfüllen.

41.

Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2003/37 übermitteln die Typgenehmigungsbehörden dieses Mitgliedstaats für jeden Fahrzeugtyp, für den sie die EG-Typgenehmigung erteilt, verweigert oder entzogen haben, den Typgenehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten eine Kopie des Typgenehmigungsbogens.

42.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 sieht vor, dass der Hersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer Fahrzeug-EG-Typgenehmigung eine Übereinstimmungsbescheinigung ausstellt, mit der er bestätigt, dass das Fahrzeug dem genehmigten Typ entspricht. Diese Bescheinigung muss jedem neuen Fahrzeug, für das eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde, beigefügt werden.

43.

Für Neufahrzeuge mit EG-Typgenehmigung und gültiger EG-Übereinstimmungsbescheinigung darf weder eine erneute technische Prüfung vorgeschrieben werden, noch dürfen zusätzliche technische Anforderungen an ihre Bauart oder Funktionsweise gestellt werden, sofern sie nicht offensichtlich nach Verlassen des Herstellerwerks verändert worden sind. Eine nationale Regelung, die für die Zulassung von Kraftfahrzeugen, die mit einer gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind, die Vorlage einer nationalen Bescheinigung verlangt, mit der bestätigt wird, dass die Fahrzeuge den nationalen Anforderungen entsprechen, ist deshalb unzulässig ( 8 ).

44.

Die Fahrzeuge, die in einem der Mitgliedstaaten unter Beachtung dieser harmonisierten Regelungen genehmigt worden sind, können anschließend in der gesamten Union rechtmäßig vertrieben werden.

45.

Durch das Typgenehmigungsverfahren auf Unionsebene wird somit ein System der gegenseitigen Anerkennung der Prüfungen der Übereinstimmung mit den in der Richtlinie 2003/37 und den Einzelrichtlinien vorgesehenen Anforderungen eingeführt, die von den Genehmigungsbehörden der verschiedenen Mitgliedstaaten durchgeführt werden ( 9 ).

46.

Nach Art. 7 der Richtlinie 2003/37 erteilen „[d]ie Mitgliedstaaten … die Zulassung für typgenehmigte Neufahrzeuge aufgrund ihrer Bauart oder Funktionsweise oder gestatten ihren Verkauf oder ihre Inbetriebnahme nur dann, wenn diese mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind“. Im gleichen Sinne bestimmt Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 167/2013 ( 10 ), dass „[d]ie Mitgliedstaaten … das Inverkehrbringen, die Zulassung oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten nur [gestatten], wenn diese den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen“. Zudem dürfen nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 167/2013 „[d]ie Mitgliedstaaten … das Inverkehrbringen, die Zulassung oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen oder selbstständigen technischen Einheiten nicht unter Verweis auf die von dieser Verordnung erfassten Aspekte des Baus oder der Wirkungsweise untersagen, beschränken oder behindern, wenn diese den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen“.

47.

Meines Erachtens schließt die Tatsache, dass das Typgenehmigungsverfahren zur Anwendung auf Fahrzeugtypen vor ihrer Serienproduktion bestimmt ist, nicht aus, dass ein Mitgliedstaat Konsequenzen daraus zieht, dass ein aus einem Drittstaat eingeführtes Gebrauchtfahrzeug nicht über eine Übereinstimmungsbescheinigung verfügt, wie es im Ausgangsrechtsstreit der Fall ist.

48.

Agrodetalė führt in ihren schriftlichen Erklärungen aus, dass die im Ausgangsrechtsstreit fraglichen Zugmaschinen über Übereinstimmungsbescheinigungen oder entsprechende Bescheinigungen verfügten, die in der nationalen Zentrale für Fahrzeugprüfungen aufbewahrt würden. Ihrer Auffassung nach liegt der Grund dafür, dass für diese Zugmaschinen keine Übereinstimmungsbescheinigungen vorlägen, allein darin, dass ihre Abgasemissionen die Anforderungen der EG-Typgenehmigung für einen Fahrzeugtyp um gerade einmal einige zehntel Prozentpunkte überstiegen.

49.

Nach diesen Ausführungen scheinen die im Ausgangsrechtsstreit fraglichen Zugmaschinen nicht über eine Übereinstimmungsbescheinigung zu verfügen, weil sie die technischen Anforderungen der Richtlinie 2000/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2000 über Maßnahmen zur Bekämpfung der Emission gasförmiger Schadstoffe und luftverunreinigender Partikel aus Motoren, die für den Antrieb von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen bestimmt sind, und zur Änderung der Richtlinie 74/150 ( 11 ) nicht erfüllen.

50.

Es ist darauf hinzuweisen, dass ein aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat eingeführtes Neufahrzeug dort nicht zugelassen werden kann, wenn es in eine von der Richtlinie 2003/37 erfasste Fahrzeugkategorie fällt und nicht zu einem Fahrzeugtyp gehört, für den eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde.

51.

Der Herstellungsort des Fahrzeugs ist in dieser Hinsicht unerheblich. Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht an den Herstellungsort eines Neufahrzeugs gebunden ist. Die Richtlinie 2003/37 muss somit unabhängig davon, ob das Fahrzeug innerhalb oder außerhalb der Union hergestellt wurde, in derselben Weise angewandt werden.

52.

Außerdem gilt, wie die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge ( 12 ) ausführt, das Recht, dass alle neuen Fahrzeuge, die in Übereinstimmung mit einem Fahrzeugtyp hergestellt wurden, der von einem Mitgliedstaat genehmigt worden ist, in den anderen Mitgliedstaaten ohne Einschränkungen vertrieben und zugelassen werden dürfen, „für alle derartigen Fahrzeuge ungeachtet des Ortes ihrer Herstellung. Dies bedeutet …, dass außerhalb der EU hergestellte Fahrzeuge ohne Einschränkungen in die EU eingeführt werden können, wenn der Hersteller bescheinigt hat, dass sie in Übereinstimmung mit einem Fahrzeugtyp hergestellt worden sind, der in einem der EU-Mitgliedstaaten genehmigt worden ist.“ ( 13 )

53.

Das in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 niedergelegte Erfordernis des Vorliegens einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung gilt somit nicht nur für in der Union hergestellte, sondern auch für außerhalb der Union hergestellte und aus einem Drittstaat in die Union eingeführte Neufahrzeuge.

54.

Meiner Meinung nach wäre es paradox und missbrauchsanfällig, die Zulassung eines aus einem Drittstaat in die Union eingeführten Gebrauchtfahrzeugs zu ermöglichen, obwohl dieses nicht über eine Übereinstimmungsbescheinigung verfügt. Der Mitgliedstaat, in den das Fahrzeug eingeführt wurde, hat meines Erachtens somit nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 das Recht, die Zulassung eines solchen Fahrzeugs abzulehnen.

55.

In einer solchen Situation ist nämlich davon auszugehen, dass ein aus einem Drittstaat eingeführtes Gebrauchtfahrzeug, für das keine EG-Typgenehmigung vorliegt und das zum erstmaligen Einsatz in der Union bestimmt ist, wie ein Neufahrzeug zu betrachten und derselben Regelung nach der Richtlinie 2003/37 zu unterstellen ist.

56.

Mehrere Bestimmungen dieser Richtlinie nehmen Bezug auf den Begriff „Neufahrzeug“ (Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. b), ohne ihn jedoch zu definieren.

57.

Dagegen enthält Art. 3 Nr. 37 der Verordnung Nr. 167/2013 eine Definition dieses Begriffs. Nach dieser Bestimmung ist unter „Neufahrzeug“ ein Fahrzeug zu verstehen, „das noch nie zuvor zugelassen war oder in Betrieb genommen wurde“. Sowohl nach Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2003/37 als auch nach Art. 3 Nr. 40 der Verordnung Nr. 167/2013 ist unter einer solchen Inbetriebnahme der erste Einsatz eines Fahrzeugs in der Union zu verstehen.

58.

Unter diesen Umständen kann meines Erachtens angenommen werden, dass die Richtlinie 2003/37 auf Gebrauchtfahrzeuge anzuwenden ist, die aus einem Drittstaat eingeführt und erstmals in der Union eingesetzt werden.

59.

Außerdem sollte meines Erachtens der Standpunkt der Kommission in Nr. 72 des Leitfadens zur Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ( 14 ) entsprechend angewandt werden. Dort führt die Kommission aus: „Grundsätzlich findet die Maschinenrichtlinie keine Anwendung auf das Inverkehrbringen gebrauchter Maschinen oder Maschinen aus zweiter Hand. … Von dieser Grundregel gibt es eine Ausnahme. Die Maschinenrichtlinie findet Anwendung auf gebrauchte Maschinen oder Maschinen aus zweiter Hand, die erstmals für den Vertrieb oder die Benutzung außerhalb der EU in Verkehr gebracht wurden, wenn diese Maschinen in der Folge erstmals in der EU in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden.“ ( 15 )

60.

Wie die litauische Regierung im Wesentlichen ausführt, beruht die Bezugnahme in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37 auf „Neufahrzeuge“ darauf, dass es nicht möglich ist, Fahrzeuge im Binnenmarkt in Betrieb zu nehmen, die in die von dieser Richtlinie erfassten Kategorien fallen und in der Union hergestellt wurden, ohne eine EG-Typgenehmigung erhalten zu haben, was bedeutet, dass sie vorher nicht in den Verkehr gebracht werden können und somit neu sind. Analog hierzu müssen diese Neufahrzeuge, wenn sie in einem Drittstaat hergestellt und in die Union eingeführt werden, die EG-Typgenehmigung erhalten, bevor sie in den Handel gebracht werden.

61.

Nach Erledigung der in der Richtlinie 2003/37 festgelegten Formalitäten können die Fahrzeuge ungehindert in allen Mitgliedstaaten der Union verkehren, und die Anforderungen dieser Richtlinie dürfen ihnen grundsätzlich nicht erneut auferlegt werden. Demzufolge gehören alle Gebrauchtfahrzeuge, die in neuem Zustand in eine vom abgeleiteten Unionsrecht erfasste Kategorie fallen und in der Union in Betrieb genommen worden sind, zu Fahrzeugkategorien, für die eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde. Auf der Grundlage von Art. 28 AEUV darf ihr Handel zwischen den Mitgliedstaaten somit nicht beschränkt werden.

62.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass mit der Richtlinie 2003/37 sichergestellt werden soll, dass die erstmals auf den Markt der Union gebrachten Fahrzeuge den Anforderungen der harmonisierten technischen Vorschriften in der Union entsprechen, während der anschließende Verkehr dieser typgenehmigten Fahrzeuge zwischen den Mitgliedstaaten durch das Primärrecht der Union geregelt ist.

63.

Wie die litauische Regierung ausführt, geht es in der vorliegenden Situation um Gebrauchtfahrzeuge, die niemals Gegenstand eines EG-Typgenehmigungsverfahrens waren und die aus einem Drittstaat in die Union eingeführt, d. h. niemals in den Mitgliedstaaten der Union in Betrieb genommen worden sind. Ich stimme mit dieser Regierung überein, dass diese erstmals auf den Markt der Union gebrachten Fahrzeuge als neu im Sinne der Richtlinie 2003/37 anzusehen sind.

64.

Zusammengefasst beruht der freie Verkehr von Zugmaschinen innerhalb der Union auf der Prämisse, dass für diese im Neuzustand, d. h. vor ihrem ersten Inverkehrbringen, eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde.

65.

Meines Erachtens sollten die aus einem Drittstaat eingeführten und erstmals in der Union in Betrieb genommenen Zugmaschinen dem gleichen Anforderungsniveau unterliegen.

66.

Diese Lösung entspricht dem durch die Richtlinie 2003/37 eingeführten System, das auf dem Grundsatz beruht, dass alle Fahrzeuge, die bestimmten Kategorien angehören, vor ihrem ersten Inverkehrbringen in der Union einheitlichen technischen Anforderungen unterstellt werden müssen.

67.

Würde man der Auslegung folgen, dass in die Union aus einem Drittstaat eingeführte Gebrauchtfahrzeuge nicht den einheitlichen technischen Anforderungen unterliegen, bestünde zudem, wie die litauische Regierung im Wesentlichen ausführt, die Gefahr, dass diese Anforderungen umgangen werden könnten. Ein Importeur oder Händler brauchte nur anzugeben, Gebrauchtfahrzeuge zu importieren, um sich der Einhaltung dieser Anforderungen zu entziehen. Würden die technischen Anforderungen der Richtlinie 2003/37 nicht für Gebrauchtfahrzeuge gelten, die erstmals auf den Markt der Union gebracht werden, hätten deren Importeure und Händler außerdem einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Herstellern, Importeuren und Händlern von Fahrzeugen, die niemals in Betrieb genommen worden sind.

68.

Eine solche Auslegung liefe auch dem zuerst mit der Richtlinie 74/150, dann mit der Richtlinie 2003/37 und heute mit der Verordnung Nr. 167/2013 verfolgten Ziel der Stärkung des Binnenmarkts zuwider. Durch die Schaffung einer Lücke in der Vereinheitlichung der technischen Anforderungen für Zugmaschinen würden auch die Ziele der Sicherheit des Straßenverkehrs, der Sicherheit am Arbeitsplatz und des Umweltschutzes gefährdet.

69.

Würde man die Bestimmung der technischen Anforderungen für aus einem Drittstaat in die Union eingeführte Gebrauchtfahrzeuge den Mitgliedstaaten überlassen, entstünden große Unterschiede zwischen diesen, die den Verkehr von aus Drittstaaten importierten Gebrauchtfahrzeugen zwischen den Mitgliedstaaten behindern würden. Die sich daraus ergebende Fragmentierung des Binnenmarkts ist nicht nur mit dem vorgenannten Ziel der Stärkung dieses Marktes, sondern auch damit unvereinbar, dass die Richtlinie 2003/37 nach ihrem vierten Erwägungsgrund die vollständige Harmonisierung vorsieht.

70.

Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der in Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2003/37 vorgesehene Mechanismus zur Feststellung der Gleichwertigkeit im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen kann. Nach dieser Bestimmung werden „Typgenehmigungen auf der Grundlage von UN/ECE-Regelungen, die in den Anhängen des Geänderten Übereinkommens von 1958 enthalten und in Anhang II Kapitel B Teil II-B der vorliegenden Richtlinie aufgeführt sind, … als gleichwertig anerkannt“. Die Anwendung dieses Mechanismus könnte der Weigerung, die von Agrodetalė eingeführten gebrauchten Zugmaschinen zuzulassen, gegebenenfalls entgegenstehen.

71.

In Beantwortung der zweiten Frage weise ich schließlich darauf hin, dass die vorstehende Analyse dafür spricht, die Voraussetzungen für die erste Inbetriebnahme von Neufahrzeugen und von in die Union aus einem Drittstaat eingeführten Gebrauchtfahrzeugen einander anzugleichen. Entsprechend der Regelung in Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/37 müssen aus einem Drittstaat in die Union eingeführte Gebrauchtfahrzeuge die technischen Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen, wenn sie seit dem 1. Juli 2009 erstmals in der Union in Betrieb genommen worden sind.

IV – Ergebnis

72.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, dem Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberster Gerichtshof, Litauen) wie folgt zu antworten:

Die Richtlinie 2003/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Typgenehmigung für land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen, ihre Anhänger und die von ihnen gezogenen auswechselbaren Maschinen sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten dieser Fahrzeuge und zur Aufhebung der Richtlinie 74/150/EWG in der durch die Richtlinie 2014/44/EU der Kommission vom 18. März 2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat eingeführten und in die Kategorien dieser Richtlinie fallenden Gebrauchtfahrzeuge vor ihrer ersten Inbetriebnahme in der Europäischen Union, wenn diese seit dem 1. Juli 2009 stattgefunden hat, die technischen Vorschriften dieser Richtlinie erfüllen müssen, um in diesem Mitgliedstaat zugelassen zu werden.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) ABl. 2003, L 171, S. 1.

( 3 ) ABl. 2014, L 82, S. 20.

( 4 ) ABl. 1974, L 84, S. 10.

( 5 ) Vgl. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2003/37.

( 6 ) Žin., 2014, no 9566, im Folgenden: Verordnung Nr. 3D-396.

( 7 ) Vgl. Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/37.

( 8 ) Vgl. Urteil vom 29. Mai 1997, VAG Sverige (C‑329/95, EU:C:1997:256).

( 9 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 18. November 2010, Lahousse und Lavichy (C‑142/09, EU:C:2010:694, Rn. 27).

( 10 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Februar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen (ABl. 2013, L 60, S. 1). Durch Art. 76 Abs. 1 dieser Verordnung wurde die Richtlinie 2003/37 mit Wirkung zum 1. Januar 2016 aufgehoben.

( 11 ) ABl. 2000, L 173, S. 1.

( 12 ) COM(2016) 31 final, veröffentlicht am 27. Januar 2016.

( 13 ) Nr. 3.2 der Begründung des Vorschlags, S. 6.

( 14 ) Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (ABl. 2006, L 157, S. 24).

( 15 ) 2. Auflage dieses Leitfadens, Juni 2010, S. 61.

Top