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Document 62015CC0365

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 8. September 2016.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:663

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

    vom 8. September 2016 ( 1 )

    Rechtssache C‑365/15

    Wortmann KG Internationale Schuhproduktionen

    gegen

    Hauptzollamt Bielefeld

    (Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Düsseldorf, Deutschland)

    „Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif — Erstattung von Einfuhrabgaben — Nichtigkeit der Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls — Gültigkeit von Art. 241 des Zollkodex — Anwendbarkeit des Zollkodex — Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen“

    Nach der Aufhebung der Festsetzung von Antidumpingzoll auf die Einfuhr von Schuhen aus China und Vietnam als Folge der Nichtigerklärung der Verordnung zur Einführung dieses Zolls

    1. ( 2

    durch den Gerichtshof erstattete die deutsche Zollverwaltung die von dem einführenden Unternehmen zu Unrecht gezahlten Beträge. Die Verwaltung lehnte es jedoch ab, den erstatteten Betrag entsprechend dem Antrag des Unternehmens ab dem Tag der Zahlung der Hauptschuld zu verzinsen.

    2. 

    Der Streit zwischen der Importeurin und der deutschen Zollverwaltung ist vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) zu entscheiden, das den Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung um Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften ersucht.

    3. 

    Konkret lehnte die Zollverwaltung die Zahlung der geltend gemachten Zinsen ab und berief sich dabei auf Art. 241 des Zollkodex der Gemeinschaften ( 3 ) in Verbindung mit der nationalen Vorschrift, nach der Zinsen erst ab dem Tag ihrer gerichtlichen Geltendmachung anfallen. Die deutsche Zollverwaltung vertritt die Auffassung, ihre Ablehnung des Antrags der Importeurin finde ihre Stütze in der gemeinsamen Anwendung beider Vorschriften.

    4. 

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt der allgemeine Grundsatz, dass, wenn die Verwaltung Beträge, die sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht vereinnahmt hat, erstatten muss, die erstatteten Beträge ab dem Tag, an dem sie zu Unrecht gezahlt wurden, entsprechend zu verzinsen sind. Nach Art. 241 des Zollkodex ist die Verzinsung jedoch (mit gewissen Abstufungen) ausgeschlossen, wenn die Zollbehörden Einfuhrabgaben zu erstatten haben.

    5. 

    Das Spannungsverhältnis zwischen der allgemeinen Regel (die eine Verzinsung vorsieht) und der besonderen Vorschrift (die einer Verzinsung entgegensteht) steht im Mittelpunkt eines großen Teils des Vorabentscheidungsersuchens, in dessen Rahmen die Frage der Ungültigkeit von Art. 241 des Zollkodex aufgeworfen wurde, da er möglicherweise mit einem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten allgemeinen Grundsatz des Rechts der Europäischen Union unvereinbar ist.

    6. 

    Der Streit ist Widerhall einer Diskussion, die in der Geschichte der gesetzlichen Zinsen – also nicht der zwischen den Parteien vereinbarten, sondern der ex lege auferlegten Zinsen – Jahrhunderte zurückreicht. Die Spuren des alten Fragments des Buchs von Paulus über die Zinsen, Fiscus ex suis contractibus usuras non dat, sep ipse accipit ( 4 ), das in die Digesten aufgenommen wurde, scheinen noch in den Gesetzestexten durch, die diese klassische Unterscheidung vornehmen, nämlich ob es sich um Verbindlichkeiten zugunsten oder zulasten des Fiskus handelt.

    I – Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Zollkodex

    7.

    Art. 236 Abs. 1 lautet:

    „Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.

    …“

    8.

    Art. 241 besagt:

    „Erstatten die Zollbehörden Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge sowie bei deren Entrichtung gegebenenfalls erhobene Kredit- oder Säumniszinsen, so sind dafür von diesen Behörden keine Zinsen zu zahlen. Dagegen sind Zinsen zu zahlen,

    wenn eine Entscheidung, mit der einem Erstattungsantrag stattgegeben wird, nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrem Ergehen vollzogen wird;

    wenn dies aufgrund der einzelstaatlichen Bestimmungen vorgesehen ist.

    …“

    Verordnung Nr. 1472/2006

    9.

    Art. 1 Abs. 1 und 4 bestimmen:

    10.   „(1) Es wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf den Import von Schuhen mit Oberteil aus Leder oder rekonstituiertem Leder, ausgenommen Sportschuhe, nach Spezialtechniken hergestellte Schuhe, Pantoffeln, und andere Hausschuhe und Schuhe mit einem Schutz in der Vorderkappe, mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam, die unter folgenden … Codes [der Kombinierten Nomenklatur] eingereiht werden: …

    (4)   Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.“

    Deutsches Recht

    Abgabenordnung (im Folgenden: AO)

    11.

    § 1 Abs. 1 und 3 lauten:

    „(1)   Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar …

    12.   (3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar …“

    13.

    § 3 Abs. 3 und 4 sehen vor:

    14.   „(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes.

    15.   (4) Steuerliche Nebenleistungen sind … Zinsen (§§ 233 bis 237), … sowie Zinsen im Sinne des Zollkodexes …“

    12.

    § Art. 37 Abs. 1 und 2 bestimmen:

    „(1)   Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind … der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 …

    (2)   Ist eine Steuer, … ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags …“

    13.

    § 233 lautet:

    „Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) werden nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist …“

    14.

    Gemäß § 236 Abs. 1 gilt:

    „(1)   Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen …“

    II – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

    15.

    In den Jahren 2006 bis 2012 überführte die Wortmann KG Internationale Schuhproduktionen (im Folgenden: Wortmann) im eigenen Namen in einem Zolllager eingelagerte Waren ihrer Tochterunternehmen in den zollrechtlich freien Verkehr. Hierbei handelte es sich um Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und in Vietnam, bezogen vom Lieferanten Brosmann Footwear (HK) Ltd (im Folgenden: Brosmann) und vom Hersteller Seasonable Footwear (Zhong Shan) Ltd (im Folgenden: Seasonable).

    16.

    Das Hauptzollamt Bielefeld (Deutschland) setzte nach der Verordnung Nr. 1472/2006 Antidumpingzoll gegen Wortmann fest. Das Unternehmen reichte unter Berufung auf zwei beim Gerichtshof anhängige Rechtssachen (Rechtsmittelverfahren C‑247/10 P ( 5 ) und C‑249/10 P ( 6 )) ab dem 22. Juli 2010 mehrere Anträge auf Erstattung der seit 2006 gezahlten Antidumpingzölle ein.

    17.

    Mit dem Urteil Brosmann ( 7 ) erklärte der Gerichtshof die Verordnung Nr. 1472/2006 für nichtig, „soweit sie die Brosmann Footwear (HK) Ltd, die Seasonable Footwear (Zhongshan) Ltd, … betrifft“.

    18.

    Angesichts dieses Urteils erstattete das Hauptzollamt Bielefeld Wortmann mit Bescheid vom 17. April 2013 die Antidumpingzölle für die Jahre 2007 (61895,49 Euro) und 2008 (92870,62 Euro).

    19.

    Wortmann beantragte am 29. November 2013, den jeweiligen Erstattungsbetrag ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Antidumpingzölle zu verzinsen. Die Verwaltung lehnte diesen Antrag ab, da sie der Auffassung war, dass die Voraussetzungen des Art. 241 des Zollkodex nicht vorlägen: Ein Verzug von drei Monaten beim Vollzug der angeordneten Erstattung sei nicht eingetreten, und das deutsche Recht sehe einen Anspruch auf Verzinsung erst ab dem Tag der Rechtshängigkeit vor.

    20.

    Das Finanzgericht Düsseldorf, bei dem die Ablehnung der Zinsen angefochten wurde, ist der Ansicht, dass gemäß Art. 241 des Zollkodex diese Zinsen grundsätzlich nicht zu zahlen seien, da die Klägerin ihren Anspruch nur auf die einzelstaatlichen Bestimmungen gründen könne, die eine Verzinsung eines Anspruchs aus einem Steuerschuldverhältnis aber nur vom Tag der Rechtshängigkeit an vorsähen (§§ 233 und 236 AO).

    21.

    Das Finanzgericht Düsseldorf hat jedoch Zweifel, ob diese Ablehnung mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs herausgearbeiteten allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar sei, wonach der Erstattungsanspruch nicht auf die Erstattung der zu Unrecht erhobenen Abgaben begrenzt sei, sondern auch die Beträge erfasse, die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Abgaben an den Staat gezahlt oder von ihm einbehalten worden seien. Dies betreffe insbesondere die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit einer Abgabe ( 8 ). Die Mitgliedstaaten seien deshalb nach dem Unionsrecht verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgabenbeträge zuzüglich der Zinsen zu erstatten.

    22.

    Vor diesem Hintergrund legt es dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

    Ist Art. 241 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften dahin gehend auszulegen, dass das darin in Bezug genommene einzelstaatliche Recht unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Effektivität eine Verzinsung von erstatteten Einfuhrabgabenbeträgen von dem Zeitpunkt der Zahlung der Abgabenbeträge bis zur Auszahlung der Erstattungsbeträge auch in den Fällen vorsehen muss, in denen der Erstattungsanspruch nicht bei einem einzelstaatlichen Gericht eingeklagt worden ist?

    III – Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorbringen der Parteien

    A – Verfahren

    23.

    Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 14. Juli 2015 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

    24.

    Wortmann, das Hauptzollamt Bielefeld, die Regierungen Deutschlands und Italiens sowie die Europäische Kommission haben innerhalb der Frist des Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs schriftliche Erklärungen eingereicht.

    25.

    Der Gerichtshof hat den Rat gemäß Art. 24 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs aufgefordert, schriftlich zur Frage der Gültigkeit von Art. 241 des Zollkodex Stellung zu nehmen und hierbei die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen, nach der sich der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, aus dem Unionsrecht ergibt ( 9 ). Der Rat hat hierauf am 2. Mai 2016 geantwortet.

    26.

    Am 13. Mai 2016 reichte die Kommission die Unterlagen, die das Verfahren der Ausarbeitung der Verordnung (EWG) Nr. 1854/89 ( 10 ) betrafen, zur Übermittlung an die Parteien und, wie auch geschehen, zur Erörterung in der mündlichen Verhandlung ein.

    27.

    Nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung wurden die Parteien gemäß Art. 61 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs aufgefordert, ihre mündlichen Ausführungen auf die Frage, inwieweit es möglich ist, Art. 241 des Zollkodex mit der in der Frage an den Rat angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs zu vereinbaren, sowie gegebenenfalls auf die Frage der Gültigkeit dieser Bestimmung zu konzentrieren.

    28.

    Am 25. Mai 2016 fand die mündliche Verhandlung statt, zu der Wortmann, das Hauptzollamt Bielefeld, die Regierung Deutschlands, die Europäische Kommission und der Rat erschienen sind.

    B – Zusammenfassung der Erklärungen der Parteien

    29.

    Wortmann meint, die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen als Folge der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1472/2006 durch das Urteil Brosmann ergebe sich nicht aus dem Zollkodex, sondern unmittelbar aus dem primären Unionsrecht, insbesondere aus einem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten und bestätigten allgemeinen Grundsatz auf der einen sowie aus dem angeführten Urteil in Verbindung mit Art. 266 AEUV, aus dem sich ein Anspruch auf Beseitigung aller Folgen einer vom Gerichtshof für nichtig erklärten Handlung mit Wirkung ex tunc ergebe, auf der anderen Seite.

    30.

    Als Importeurin der von ihren Lieferanten Brosmann und Seasonable gelieferten Schuhe komme ihr, Wortmann, das Urteil Brosmann unmittelbar zugute. Nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit bestehe eine Verpflichtung zur vollständigen Erstattung – einschließlich Zinsen – der zu Unrecht erhobenen Antidumpingzölle, die Gegenstand jener Entscheidung gewesen seien, da es sich um Eigenmittel der Europäischen Union handele, die über die Zollbehörden der Mitgliedstaaten vereinnahmt worden seien.

    31.

    Schließlich schlägt Wortmann dem Gerichtshof vor, dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Art. 241 des Zollkodex nicht anwendbar sei und einem Importeur, der Antidumpingzölle aufgrund einer Verordnung gezahlt habe, die durch den Gerichtshof für nichtig erklärt worden sei, ein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Beträge sowie auf deren Verzinsung vom Tag der Zahlung bis zum Tag ihrer vollständigen Erstattung zustehen müsse. Sollte der Gerichtshof Art. 241 des Zollkodex für anwendbar halten, sei dieser Artikel dahin auszulegen, dass das darin in Bezug genommene einzelstaatliche Recht eine Verzinsung von erstatteten Einfuhrabgaben auch in den Fällen gewähren müsse, in denen der Erstattungsanspruch nicht bei einem einzelstaatlichen Gericht eingeklagt worden sei.

    32.

    Weder das Hauptzollamt Bielefeld noch die deutsche Regierung, noch die Kommission sind der Ansicht, dass im Ausgangsverfahren eine der beiden in Art. 241 des Zollkodex vorgesehenen Ausnahmen vorliege. Diese Unionsbestimmung schließe die Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes aus, wenngleich sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gebe, als Ausnahme von der allgemeinen Regel, dass keine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen bestehe, eine andere Regelung vorzusehen.

    33.

    Das Hauptzollamt Bielefeld ist insbesondere der Auffassung, dass Art. 241 des Zollkodex nicht dahin ausgelegt werden könne, dass das darin in Bezug genommene einzelstaatliche Recht zwingend eine Verzinsung der Erstattungsbeträge für die zu Unrecht erhobenen Einfuhrabgaben vorsehen müsse.

    34.

    Die deutsche Regierung vertritt einen ähnlichen Standpunkt wie das Hauptzollamt Bielefeld und führt ergänzend aus, dass die Verneinung der Vorlagefrage durch folgende Gründe untermauert werde:

    Der neue Zollkodex ( 11 ) beseitige die entsprechende Ausnahme zugunsten der im einzelstaatlichen Recht gegebenenfalls vorgesehenen Regelungen, wodurch die Möglichkeit einer Verzinsung im Falle einer Erstattung noch weiter eingeschränkt werde.

    Die Befreiung von der Zinszahlung gemäß Art. 241 des Zollkodex sei durch den Mechanismus der anfänglichen Festsetzung der Zollabgaben gerechtfertigt, durch den die Waren sofort zur Überführung in den Handelsverkehr zur Verfügung stünden.

    35.

    Die italienische Regierung meint, dass für jede Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge ein Antrag erforderlich sei, so dass eine Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung in Betracht komme. Eine einzelstaatliche Bestimmung, die dies vorsehe, verstoße nicht gegen das Unionsrecht. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Rechtssachen Littlewoods Retail u. a. und Irimie ( 12 ) sei auf die vorliegende Rechtssache nicht übertragbar, da es in ihr um Antidumpingzölle gehe, die aufgrund einer Ratsverordnung erhoben worden seien, die zum Zeitpunkt der Zahlung vollständig wirksam und in Kraft gewesen und später vom Gerichtshof für nichtig erklärt worden sei. Um festzustellen, ob sich die Wirkungen des Urteils Brosmann auf Wortmann erstreckten, müssten die deutschen Behörden zudem die besonderen Umstände dieses Unternehmens prüfen, so dass der Antrag auf Erstattung der gezahlten Abgaben für den Erstattungsanspruch konstitutiv sei.

    36.

    Schließlich führt die italienische Regierung aus, dass für den Verstoß, der in dieser Rechtssache den Erstattungsanspruch entstehen lasse, nicht die Mitgliedstaaten, sondern die Organe der Union verantwortlich seien. Sie schlägt dem Gerichtshof daher vor, falls er erwäge, die Irimie-Rechtsprechung ( 13 ) anzuwenden, festzustellen, dass der betroffene Mitgliedstaat wegen seiner zusätzlichen Belastungen einen Regressanspruch gegenüber dem verantwortlichen europäischen Organ geltend machen könne.

    37.

    Die Kommission fügt den vorstehend dargestellten Argumenten hinzu, dass zwischen Ausgleichszinsen und Verzugszinsen unterschieden werden müsse und das Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung zu berücksichtigen sei. Die Rechtsprechung zum Zinsanspruch ( 14 ) sei in Rechtssachen ergangen, in denen eine einzelstaatliche Bestimmung gegen das Unionsrecht verstoßen habe und die Kläger zudem den ihnen entstandenen Schaden nachgewiesen hätten. Für die Zahlung von Ausgleichszinsen, die in der vorliegenden Rechtssache in Betracht kommen könne, müsse der Anspruchsteller den konkreten Nachweis des ihm entstandenen Schadens erbringen.

    38.

    Hilfsweise trägt die Kommission vor, Wortmann könne sich zur Stützung ihrer Ansprüche nicht auf Art. 266 AEUV berufen, denn a) sei sie an dem Verfahren vor den Gerichten der Union, das mit dem Urteil Brosmann abgeschlossen worden sei, nicht beteiligt gewesen und b) wären die gemäß Art. 266 AEUV anfallenden Verzugszinsen erst vom Tag der Verkündung jenes Urteils an entstanden. Was die Ausgleichszinsen betreffe, seien sie im Wege einer Klage wegen außervertraglicher Haftung gegenüber dem Rat oder der Kommission geltend zu machen.

    39.

    Zu einem möglichen Verstoß von Art. 241 des Zollkodex gegen höherrangiges Recht ( 15 ) führt die Kommission aus, das nationale Gericht habe dessen Gültigkeit nicht angezweifelt. Darüber hinaus verfüge der Unionsgesetzgeber über einen Beurteilungsspielraum, den er nicht überschritten habe, denn die Nichtanerkennung des Anspruchs auf Verzinsung der zu viel gezahlten Beträge stelle einen angemessenen Ausgleich dar: Der Importeur erhalte einen Vorteil aufgrund der sofortigen Verfügbarkeit der Waren und akzeptiere im Gegenzug, dass möglicherweise zu viel gezahlte Beträge nicht verzinst würden.

    40.

    Sollte der Gerichtshof feststellen, dass auf die Erstattungsbeträge Zinsen zu zahlen seien, sei Folgendes zu berücksichtigen: a) Für einen Anspruch auf Ausgleichszinsen sei der Nachweis eines tatsächlichen Schadens erforderlich, der im vorliegenden Fall nicht gegeben sei, da der Importeur die Antidumpingzölle systematisch auf den Käufer abgewälzt habe; b) die beklagte Verwaltung könne dem Importeur die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenhalten ( 16 ) und c) mangels einer Unionsregelung sei es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, alle mit der Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben zusammenhängenden Nebenfragen zu regeln, einschließlich solcher der Zahlung von Zinsen, des Zinssatzes und des Zeitpunkts, von dem an sie zu berechnen seien.

    41.

    Letztendlich schließe Art. 241 des Zollkodex die Zahlung von Ausgleichszinsen für zu Unrecht erhobene Antidumpingzölle aus, sofern nicht einzelstaatliche Bestimmungen einen solchen Anspruch anerkennten. Das einzelstaatliche Recht müsse nicht unbedingt die Verpflichtung vorsehen, Zinsen auf erstattete Zollabgaben für die Zeit von der Entrichtung dieser Abgaben bis zu ihrer Erstattung zu zahlen, wenn keine gerichtliche Geltendmachung vorausgegangen sei.

    42.

    Der Rat vertritt die Auffassung, dass Art. 241 des Zollkodex gültig sei, und stützt sich insoweit auf seine Entstehungsgeschichte. Die im Vorlagebeschluss angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs sei auf den Fall nicht anwendbar, da sie Situationen betreffe, die im Unionsrecht nicht geregelt seien. In diesem Verfahren gebe es hingegen eine ausdrückliche Regelung über die Verzinsung – Art. 241 des Zollkodex –, die das Gleichgewicht widerspiegele, das der Unionsgesetzgeber zwischen den Zollbehörden und den Importeuren habe wahren wollen. Hilfsweise schlägt er eine primärrechtskonforme Auslegung von Art. 241 in dem Sinne vor, dass die nationalen Rechtsvorschriften derartige Zinszahlungen vorsehen müssten.

    IV – Würdigung

    43.

    An erster Stelle ist jeder Zweifel hinsichtlich der Verbindung zwischen dem Zollkodex und diesem Rechtsstreit auszuräumen. Zum einen hat die Verordnung Nr. 1472/2006 bei der Einführung der Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Schuhen ausdrücklich auf diesen Kodex verwiesen ( 17 ). Zum anderen beruht der Mechanismus der Festsetzung der Antidumpingzölle im Wesentlichen auf dem System der Festsetzung der Zollabgaben ( 18 ), so dass Erstere, auch wenn sie sich von den Zollabgaben unterscheiden, tatsächlich nicht vom Zollkodex losgelöst betrachtet werden können ( 19 ).

    44.

    Zudem bin ich der Ansicht, dass diese Frage in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 20 ) implizit entschieden worden ist, der zufolge der Zollkodex Leitlinien für die Erstattung der Antidumpingzölle bietet.

    45.

    Dem Gerichtshof bieten sich im Hinblick auf die Anwendung von Art. 241 des Zollkodex auf den vorliegenden Fall drei Möglichkeiten. Die erste wäre die „lineare“ Auslegung dieser Bestimmung, nach der die allgemeine Regel Vorrang hat (d. h., die Zahlung von Zinsen würde abgelehnt), da keine der beiden in der Bestimmung vorgesehenen Ausnahmen vorliegt. Die zweite wäre, festzustellen, dass die in diese Bestimmung aufgenommene Regel gegen einen unionsrechtlichen Grundsatz verstößt, weil sie die Zahlung von Zinsen zusätzlich zur Erstattung des Hauptbetrags untersagt, und daher ungültig ist. Die dritte wäre eine differenziertere Auslegung von Art. 241 des Zollkodex, nach der Sachverhalte wie dieser, bei denen die Antidumpingzölle wegen der vorangegangenen Nichtigerklärung des Rechtsetzungsaktes zu ihrer Einführung erstattet werden müssen, nicht unter den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.

    46.

    Aus den Gründen, die ich sogleich darstellen werde, meine ich, dass die dritte Möglichkeit am ehesten den Umständen dieser Rechtssache gerecht wird. Art. 241 des Zollkodex regelt die „gewöhnlichen“ Situationen, in denen die Festsetzung von Abgaben (einschließlich der von Antidumpingzöllen) wegen Fehlern bei der konkreten Anwendung der einzelnen Elemente der Zollschuld für nichtig erklärt wird ( 21 ). Dagegen erfasst er meines Erachtens nicht die Fälle, in denen die Erstattung der von den Importeuren zu Unrecht geleisteten Zahlungen Folge der Nichtigerklärung der Verordnung ist, mit der die Verpflichtung zur Leistung dieser Zahlungen eingeführt wurde.

    47.

    Um die Gründe aufzuzeigen, auf denen die allgemeine Regel (keine Verzinsung bei der Erstattung von Zollabgaben) beruht, ist es meines Erachtens zweckmäßig, auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift einzugehen, die sich aus den Unterlagen ergibt, die von der Kommission vorgelegt und in der mündlichen Verhandlung erörtert wurden.

    48.

    Anhand dieser Unterlagen lässt sich feststellen, dass Art. 241 des Zollkodex auf Art. 17a der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 ( 22 ) zurückgeht, der durch Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1854/89 eingeführt worden war. Der sechste Erwägungsgrund der letztgenannten Verordnung enthielt nach dem Entwurf der Arbeitsgruppe für Wirtschaftsfragen des Rates – Tagung vom 11. und 12. März 1986 – zwei Sätze, die aufgrund einer Berichtigung des Rates vom 28. November 1988, mit der die endgültige Fassung angenommen wurde ( 23 ), entfernt wurden. Trotz des Wegfalls dieser Sätze lässt sich der Schluss ziehen, dass die Regel eine gewisse Symmetrie zwischen der Situation der Wirtschaftsteilnehmer und der der Zollverwaltung hinsichtlich der Verzinsung herstellen sollte, wenn eine anfängliche Festsetzung später wegen Fehlern, die möglicherweise wegen des auf rascher Abwicklung basierenden Abfertigungssystems auftreten, in dem einen oder anderen Sinne abgeändert werden müssen.

    49.

    Der Wortlaut des Erwägungsgrundes, der ein Licht auf die wahre Bedeutung der Vorschrift wirft, stellt ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen den Parteien her. Die Durchführung des Verfahrens der anfänglichen Festsetzung der Zollschuld steht auf einer so fragilen Grundlage, dass es gerechtfertigt ist, dass als allgemeine Regel weder die Verwaltung noch der Abgabenpflichtige während des (kurzen) Zwischenzeitraums zur Zahlung von Zinsen verpflichtet sind, wenn die Grundlage nachträglich wegen einer Überzahlung oder einer unzureichenden Zahlung berichtigt werden muss.

    50.

    Die Kommission räumt selbst ein, dass die Zollbehörde in einigen Fällen die Ware nicht prüfe, bevor sie sie freigebe, und erst danach die Ordnungsmäßigkeit der Einfuhren kontrolliere. Wenn zu diesem späteren Zeitpunkt eine Neufestsetzung erforderlich ist, kann dies sowohl dazu führen, dass der Importeur bis dahin nicht entrichtete Beträge zahlen muss (ursprünglich unzureichende Festsetzung), als auch dazu, dass die Verwaltung die Überzahlung erstatten muss; in beiden Fällen sind keine Zinsen zu zahlen.

    51.

    Dieses ausgewogene Prinzip, das den gewöhnlichen Verkehr bei der Abfertigung von Waren in verkürzten Fristen berücksichtigt, ist in den Zollkodex aufgenommen worden und hat seinen Niederschlag in der allgemeinen Regel des Art. 241 sowie in einer anderen Bestimmung gefunden, konkret in Art. 232 Abs. 1 Buchst. b, der die Zahlung von Säumniszinsen durch den Schuldner vorsieht, der die Abgabe nicht in der vorgegebenen Frist (die in Art. 222 Abs. 1 des Zollkodex festgelegt ist) entrichtet hat ( 24 ), was die Kehrseite der von der Zollverwaltung gewährten allgemeinen Befreiung von der Zahlung von Zinsen nach Art. 241 des Zollkodex darstellt ( 25 ).

    52.

    Hierbei gilt die Befreiung von der Zahlung von Zinsen für beide Seiten (Verwaltung und Wirtschaftsteilnehmer). Sie ist bei normalen Bedingungen für die Anwendung der Elemente, die für die Festsetzung der Zollschuld notwendig sind, unter der stillschweigenden Voraussetzung gerechtfertigt, dass nicht der rechtliche Rahmen für diese Elemente, sondern nur die Berechnung oder einzelne Bedingungen dieser Elemente oder der erfolgten Festsetzung in Frage gestellt wird ( 26 ).

    53.

    Eine Regel, die für diese Fälle gedacht ist, ist nicht ohne Weiteres auf andere Fälle anwendbar, die mit der raschen Abwicklung der Zollabfertigung oder den einzelnen Parametern einer jeden Festsetzung nichts zu tun haben, bei denen es wohl aber um die Ungültigkeit der Verordnung zur Einführung der Antidumpingzölle geht. Im letztgenannten Fall ergibt sich meiner Ansicht nach der Anspruch auf Erstattung sowohl des zu Unrecht vereinnahmten Betrags als auch auf Zahlung der Zinsen unmittelbar aus der Ungültigerklärung der Verordnung zur Einführung der Antidumpingzölle. Diesen Zöllen wird ihre Rechtsgrundlage entzogen, so dass die durch sie begründeten Verpflichtungen „rechtsgrundlos“ werden und die insoweit gezahlten Beträge denen, die sie entrichtet haben, zu erstatten sind.

    54.

    Bevor ich fortfahre, halte ich es für angebracht, auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Erstattung der Beträge einzugehen, die die nationalen Behörden (auch die Zollbehörden) unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu Unrecht erhoben haben. Am Ende dieses Exkurses werde ich vorschlagen, dem vorlegenden Gericht eine Antwort zu geben, die so formuliert ist, dass sie für seine Endentscheidung hilfreich ist ( 27 ).

    55.

    In den Urteilen Metallgesellschaft u. a. und Test Claimants in the FII Group Litigation ( 28 ) wurde auf die Erstattung zu Unrecht gezahlter Steuern, die Anwendung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie und die Erstattung von Zinsen als Nebenanspruch eingegangen ( 29 ). Konkret wurde im letztgenannten Urteil ausgeführt, dass „die Einzelnen, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Steuern erhoben hat, Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge [haben], die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. … [D]arunter [fallen] auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer“ ( 30 ). Die Entschädigung für die mangelnde Verfügbarkeit des Geldes ist mithin als Verpflichtung ausgestaltet, die akzessorisch zur Erstattung der Hauptschuld ist.

    56.

    Das Urteil Littlewoods Retail u. a. ( 31 ), das in einem Fall erging, in dem einem Steuerpflichtigen die wegen der Nichtbeachtung des Unionsrechts zu viel vereinnahmten Steuern (MwSt.) zu erstatten waren, führt die frühere Rechtsprechung zum Anspruch auf Erstattung sowohl der zu Unrecht erhobenen Steuern als auch zu den Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit des Geldes fort. Ergänzend heißt es dort: „Nach dieser Rechtsprechung ergibt sich der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, aus dem Unionsrecht“ ( 32 ).

    57.

    Im Urteil Zuckerfabrik Jülich u. a. ( 33 ), das in einem Vorabentscheidungsverfahren über die Gültigkeit erging, wurde die Verordnung Nr. 1193/2009 für nichtig erklärt ( 34 ), da die in ihr angewandte Berechnungsart gegen die Grundverordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. 2001, L 178, S. 1) verstieß. Der Gerichtshof kam infolgedessen zu dem Ergebnis, dass die zu Unrecht gezahlten Produktionsabgaben für Zucker zu erstatten waren, und stellte unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung fest, dass „Rechtssuchende, die einen Anspruch auf die Erstattung von Beträgen haben, die als in einer ungültigen Verordnung festgesetzte [Abgaben] zu Unrecht gezahlt wurden, auch einen Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Zinsen [haben]“ ( 35 ).

    58.

    Das Urteil Irimie ( 36 ) schließlich folgt nach der Feststellung, dass Art. 110 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, durch die eine Umweltsteuer auf die Einfuhr eines Kraftfahrzeugs aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt wird, der Linie der früheren Urteile ( 37 ) und bestätigt nach Wiedergabe der Rn. 205 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation ( 38 ), dass „sich der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, aus dem Unionsrecht ergibt“ ( 39 ).

    59.

    Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung also einen unionsrechtlichen Grundsatz aufgestellt, nach dem die Erstattung von Beträgen, die zu Unrecht gezahlt worden sind, weil ihre Grundlage unionsrechtswidrige Bestimmungen sind, nicht nur die zu Unrecht gezahlten Beträge umfasst, sondern auch deren Zinsen seit der zu Unrecht erfolgten Zahlung. Die oben angeführten Urteile weisen ein gemeinsames Element auf, nämlich das Bestehen einer Zahlungspflicht aufgrund einer Bestimmung des nationalen Rechts (Urteil Irimie) ( 40 ) oder des Unionsrechts (Urteil Zuckerfabrik Jülich u. a.) ( 41 ), die später für unanwendbar oder nichtig erklärt wird, weil sie gegen das Unionsrecht verstößt.

    60.

    Unter diesem Blickwinkel unterliegen sowohl die Erstattung des Hauptbetrags als auch der Zinsen – ohne dass zwischen dem einen und dem anderen unterschieden wird – dem Vorrang des Unionsrechts, das es (außer in Ausnahmefällen und vorbehaltlich bestimmter zeitlicher Grenzen) nicht gestattet, die Wirkungen ihm widersprechender Vorschriften, die durch ein Urteil des Gerichtshofs für ungültig oder unanwendbar erklärt worden sind, aufrechtzuerhalten. Insbesondere für Handlungen der Union sieht Art. 264 Abs. 1 AEUV vor, dass die angefochtene Handlung für nichtig erklärt wird, wenn einer Nichtigkeitsklage stattgegeben wird. Aus dieser Prämisse folgt, wie Art. 264 Abs. 2 AEUV im Umkehrschluss bestätigt, dass die „Wirkungen“ dieser Handlungen grundsätzlich nicht fortbestehen können.

    61.

    In diesem Stadium der Debatte kommt Art. 266 AEUV ins Spiel, auf den Wortmann ihren Anspruch gestützt hat, soweit er die Organe der Union, denen das für nichtig erklärte Handeln (in dieser Rechtssache die Verordnung Nr. 1472/2006, die Gegenstand des Urteils Brosmann ist) zur Last fällt, verpflichtet, „die sich aus dem Urteil … ergebenden Maßnahmen“ zu ergreifen.

    62.

    Die Kommission meint, Wortmann sei nicht berechtigt, sich auf ein Urteil zu stützen, das in einem Verfahren ergangen sei, an dem sie nicht beteiligt gewesen sei, zumal in dem Urteil die Verordnung Nr. 1472/2006 für nichtig erklärt worden sei, „soweit sie“ die klagenden Unternehmen „betrifft“. Der Einwand könnte theoretisch zulässig sein, wenn Wortmann im Verfahren zur Durchführung des Urteils vor dem Gemeinschaftsorgan hätte auftreten wollen, das diese Verordnung erlassen hat. Der Einwand ist dagegen nicht zulässig im Hinblick auf die Befugnis dieses Unternehmens, sich vor den nationalen Behörden auf das Urteil Brosmann zu berufen, denn es besteht eine enge Verbindung zwischen Wortmann und der Verordnung Nr. 1472/2006 und dem Rechtsstreit, in dem diese für nichtig erklärt wurde, weil Wortmann als Importeurin der Schuhe, die von Brosmann und Seasonable ausgeführt und die mit dem Antidumpingzoll belegt worden waren, diesen Zoll zahlen musste.

    63.

    Gerade wegen ihrer Eigenschaft als unmittelbar betroffene Wirtschaftsteilnehmerin, die Nutzen aus der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1472/2006 ziehen kann, hatte die deutsche Zollverwaltung keine Vorbehalte, Wortmann nach dem Erlass des Urteils Brosmann die Antidumpingzölle zu erstatten, die sie in Vollzug dieser Verordnung vereinnahmt hatte. Dass sie bei den entsprechenden Zinsen auf diese zu Unrecht geleistete Zahlung nicht genauso gehandelt hat, liegt nur an dem Hindernis, das diese Verwaltung in Art. 241 des Zollkodex gesehen hat. Ich möchte aber betonen, dass die deutschen Zollbehörden die sich aus der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1472/2006 ergebenden Konsequenzen ( 42 ) zwar nur zum Teil, aber zutreffend gezogen haben, als sie der von Wortmann beantragten Erstattung stattgaben.

    64.

    Art. 266 AEUV stellt innerhalb eben dieses Kontextes eine wertvolle normative Richtschnur für die Ausrichtung des Handelns der nationalen Verwaltungen (und der Gerichte der Mitgliedstaaten) dar, wenn die zu Unrecht von ihnen vereinnahmten Beträge aus der Einziehung von Eigenmitteln der Union stammen. Mehrere der untersuchten Urteile (Littlewoods Retail u. a. und Zuckerfabrik Jülich u. a.) ( 43 ) betrafen gerade einige dieser Eigenmittel (Mehrwertsteuer und Produktionsabgabe für Zucker).

    65.

    Die Verwaltung der Eigenmittel (die die Antidumpingzölle einschließen) ( 44 ) erfolgt nach einem Schema, nach dem den Verwaltungen der Mitgliedstaaten deren Festsetzung und Erhebung obliegt und die Einnahmen mit der Union geteilt werden. Der Staat handelt also als Instrument der Organe der Europäischen Union. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass die nationalen Behörden an das Urteil über die Nichtigerklärung einer Antidumpingverordnung ganz besonders gebunden sind, und macht es umso notwendiger, dass das Gericht die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie die aus Art. 266 AEUV abgeleiteten Durchführungskriterien berücksichtigt.

    66.

    Der einzelne Rechtsakt der nationalen Behörden zur Festsetzung von Antidumpingzoll ist nichts anderes als die Durchführung der Verordnung Nr. 1472/2006: Ist sie als Rechtsgrundlage für nichtig erklärt worden, muss die Zollbehörde die sich daraus „ergebenden Maßnahmen“ ergreifen, um die auf sie gestützte Festsetzung mit all ihren Folgen außer Kraft zu setzen, was bedeutet, dass sowohl die zu Unrecht vereinnahmten Antidumpingzölle zu erstatten als auch Zinsen seit dem Zeitpunkt der Entrichtung der festgesetzten Zölle zu zahlen sind. Nur so wird der Zustand wiederhergestellt, der bestanden hätte, wenn der Rechtsakt zur Durchführung der später für nichtig erklärten Verordnung nicht erlassen worden wäre. Da diese Wiederherstellung erst nach langer Zeit erfolgte, in der Wortmann die Beträge, die sie zu Unrecht gezahlt hatte, nicht verwenden konnte, wird durch die Zahlung von Zinsen ein Ausgleich für die fehlende Verfügbarkeit dieses Teils ihres Vermögens geschaffen.

    67.

    Letztendlich folgt aus der Ungültigkeit der Verordnung Nr. 1472/2006 die Verpflichtung, sowohl die von Wortmann gezahlten Antidumpingzölle zu erstatten als auch auf diesen Betrag die entsprechenden Zinsen zu zahlen. Nur so werden die Wirkungen der Zollfestsetzung der deutschen Behörden vollständig aufgehoben und alle ihre Folgen ex tunc beseitigt. So hat der Gerichtshof in der Rechtssache Zuckerfabrik Jülich u. a. ( 45 ) entschieden, zu der die vorliegende besondere Parallelen aufweist.

    68.

    Gemäß dem Urteil Zuckerfabrik Jülich u. a. ( 46 ) ist zudem dieser „Anspruch des Einzelnen“ losgelöst von dem möglichen Fehlen eines Wegs für die Mitgliedstaaten, die zur Erstattung des Hauptbetrags und der Zinsen verpflichtet sind, diesen Betrag im Wege des Rückgriffs bei den Organen der Union, die die für nichtig erklärte Verordnung erlassen haben, geltend machen zu können ( 47 ). Angesichts dieser Regel kann ich auch nicht erkennen, weshalb der Bürger, dem durch die Festsetzung eines letztendlich ungültigen Antidumpingzolls bereits ein erheblicher Vermögensschaden entstanden ist, zweimal klagen soll, nämlich zum einen gegen die nationale Verwaltung auf unmittelbare Erstattung des Hauptbetrags und zum anderen – wie die Kommission offenbar vorschlägt – auf der Grundlage von Art. 340 AEUV gegen die Organe der Europäischen Union auf Zahlung der Zinsen wegen außervertraglicher Haftung.

    69.

    Es sprechen meiner Meinung nach auch keine überzeugenden Argumente dafür, dass der dies a quo für die Berechnung der Zinsen der Tag der Verkündung des Urteils Brosmann oder sogar der Tag ihrer gerichtlichen Geltendmachung sein soll. Zu der letztgenannten Ansicht hat der Gerichtshof im Urteil Irimie ( 48 ) festgestellt, dass das Unionsrecht „einer nationalen Regelung … entgegensteht, die die bei der Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer zu zahlenden Zinsen auf die Zinsen beschränkt, die ab dem auf das Datum des Antrags auf Erstattung der Steuer folgenden Tag angefallen sind“.

    70.

    Diese Feststellung ist darin begründet, dass dem Abgabenpflichtigen bei Zugrundelegung der gegenteiligen Regel der angemessene Ausgleich für die Einbußen, die ihm durch die Zahlung der unionsrechtswidrig erhobenen Steuer entstanden sind, genommen würde. Diese Einbußen „hängen nämlich u. a. davon ab, wie lange der unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu Unrecht gezahlte Betrag nicht zur Verfügung stand, und entstehen somit grundsätzlich im Zeitraum vom Tag der zu Unrecht erfolgten Zahlung der fraglichen Steuer bis zum Tag ihrer Erstattung“ ( 49 ). Ich bin der Ansicht, dass diese Überlegungen mutatis mutandis auch für die angefallenen Zinsen gelten, wenn es um die Erstattung von Antidumpingzöllen geht, die aufgrund einer Antidumpingverordnung erhoben wurden, die der Gerichtshof für unvereinbar mit dem Unionsrecht erklärt hat. In diesen Fällen ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung unmittelbar aus dem Unionsrecht, also ipso iure, ohne dass es für ihre Entstehung einer gesonderten Mahnung bedarf, die auf den Hauptbetrag anfallenden Zinsen zu zahlen.

    71.

    Aus gleichartigen Gründen meine ich auch nicht, dass der dies a quo für die Berechnung von Zinsen in diesem Fall mit der Verkündung des Urteils Brosmann (2. Februar 2012) zusammenfallen muss. Unter den besonderen Umständen der Rechtssache Kommission/IPK International ( 50 ) hat der Gerichtshof zwar festgestellt, dass die Zahlung von Verzugszinsen eine „Maßnahme zur Durchführung des Nichtigkeitsurteils im Sinne von Art. 266 Abs. 1 AEUV“ ( 51 ) ist, während „die Gewährung von Ausgleichszinsen[, die] … unter den zweiten Absatz von Art. 266 AEUV [fällt], der auf Art. 340 AEUV verweist“ ( 52 ), dies nicht ist, denn mit der „Zahlung von Verzugszinsen [soll] die Vorenthaltung eines zu zahlenden Geldbetrags pauschal ausgeglichen und der Schuldner veranlasst werden …, das Nichtigkeitsurteil so schnell wie möglich durchzuführen“ ( 53 ).

    72.

    Das Urteil Kommission/IPK International (vom 12. Februar 2015, C‑336/13 P, EU:C:2015:83) muss meiner Ansicht nach unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jenes Rechtsstreits gelesen werden und lässt nicht den Schluss auf eine Kehrtwende in der von mir in den vorstehenden Nummern angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 54 ) zu. Mithin gilt weiterhin der Grundsatz, dass Beträge, die aufgrund von nach Unionsrecht ungültigen oder unanwendbaren Vorschriften an die nationalen Behörden (in diesem Fall die Zollbehörden) zu Unrecht gezahlt wurden, einen Anspruch desjenigen, der sie entrichtet hat, auf Erstattung sowohl der zu Unrecht gezahlten Beträge als auch auf Zahlung der Zinsen ab dem Zeitpunkt der Vereinnahmung dieser Beträge begründen.

    73.

    In Bezug auf die übrigen Einwände gegen die Erstattungspflicht, die sich auf die Zinsen erstreckt, die wegen der Nichtverfügbarkeit des vereinnahmten Geldes anfallen, reicht die Feststellung, dass eine mögliche ungerechtfertigte Bereicherung desjenigen, der die Antidumpingzölle gezahlt hat (Wortmann), wegen Abwälzung des entrichteten Betrags auf Dritte nicht nachgewiesen wurde. Zudem machte diesen Umstand nicht einmal die deutsche Zollverwaltung, die Wortmann den entrichteten Betrag vorbehaltlos erstattete, im Hinblick auf die Hauptschuld geltend. Umso weniger lässt sich dieser Einwand gegen die Zahlung von Zinsen erheben, deren Entstehung schlussendlich darauf zurückgeht, dass es für den Zahler unmöglich war, über die eingezahlten Geldbeträge zu verfügen, solange sie – objektiv – zu Unrecht von der Verwaltung einbehalten wurden.

    V – Ergebnis

    74.

    Aufgrund der vorstehenden Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) vorgelegte Frage wie folgt zu antworten:

    Die Pflicht der Zollbehörden zur Erstattung der Beträge, die ein Importeur zu Unrecht als Antidumpingzölle gezahlt hat, die in einer Verordnung vorgesehen waren, die vom Gerichtshof für nichtig erklärt wurde, umfasst auch die Verzinsung dieser Beträge ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung.


    ( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

    ( 2 ) Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates vom 5. Oktober 2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam (ABl. 2006, L 275, S. 1).

    ( 3 ) Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1; im Folgenden: Zollkodex).

    ( 4 ) Der Fiskus zahlt im Rahmen seiner Verträge keine Zinsen, erhebt sie aber, in Liber singularis de usuris, Paulus, D.22.1.17.5. Der Begriff Verträge hat in diesem Kontext die Bedeutung von Schuldverhältnissen, wie sich aus dem übrigen Teil des Satzes von Paulus ergibt.

    ( 5 ) Urteil vom 15. November 2012, Zhejiang Aokang Shoes/Rat (EU:C:2012:710).

    ( 6 ) Urteil vom 2. Februar 2012, Brosmann Footwear (HK) u. a./Rat (C‑249/10 P, EU:C:2012:53; im Folgenden: Urteil Brosmann).

    ( 7 ) Rechtssache Brosmann Footwear (HK) u. a./Rat (C‑249/10 P, EU:C:2012:53).

    ( 8 ) Urteil vom 18. April 2013, Irimie (C‑565/11, EU:C:2013:250, Rn. 20 ff.).

    ( 9 ) Schreiben vom 6. April 2016.

    ( 10 ) Verordnung (EWG) Nr. 1854/89 des Rates vom 14. Juni 1989 über die buchmäßige Erfassung und die Voraussetzungen für die Entrichtung der Eingangs- oder Ausfuhrabgaben bei Bestehen einer Zollschuld (ABl. 1989, L 186, S. 1).

    ( 11 ) Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1), Art. 116 Abs. 6.

    ( 12 ) Urteile vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a. (C‑591/10, EU:C:2012:478), und vom 18. April 2013, Irimie (C‑565/11, EU:C:2013:250).

    ( 13 ) Urteil vom 18. April 2013 (C‑565/11, EU:C:2013:250).

    ( 14 ) Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a. (C‑397/98 und C‑410/98, EU:C:2001:134, Rn. 83 und 87 bis 95), vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04, EU:C:2006:774, Rn. 197 bis 220), vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a. (C‑591/10, EU:C:2012:478, Rn 22 bis 34), und vom 18. April 2013, Irimie (C‑565/11, EU:C:2013:250, Rn. 16 bis 29).

    ( 15 ) In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission die Gültigkeit von Art. 241 des Zollkodex verteidigt und auf seine Entstehungsgeschichte und die Bedingungen verwiesen, unter denen ihrer Ansicht nach die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen entsteht, u. a. das Erfordernis des Nachweises eines Schadens. Sie hat eingeräumt, dass dieser Artikel letztlich in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht ausgelegt werden könnte.

    ( 16 ) Urteil vom 9. November 1983, San Giorgio (199/82, EU:C:1983:318, Rn. 13).

    ( 17 ) Siehe Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1472/2006, der oben in Nr. 9 wiedergegeben ist.

    ( 18 ) Die im konkreten Fall in der Verordnung Nr. 1472/2006 erhobenen Antidumpingzölle wurden als ein Prozentsatz des Zolls festgelegt. Zu ihrer Festsetzung war daher in einem ersten Schritt der entsprechende Satz auf den Zollwert anzuwenden, um die Quote zu bestimmen. Sodann wurde dieser Zollquote der dem Antidumpingzoll entsprechende Prozentsatz hinzugerechnet (Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1472/2006).

    ( 19 ) Formell kommt der Antidumpingzoll in der Nomenklatur der einheitlichen Zollkodifizierung zum Ausdruck, indem den Codes der Kombinierten Nomenklatur vier alphanumerische Zeichen hinzugefügt werden (TARIC‑Zusatzcode). Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) bezieht sich auf die sogenannten „TARIC‑Unterpositionen“ und verweist auf Anhang II, unter dessen Nr. 4 die Antidumpingzölle genannt sind.

    ( 20 ) Siehe in diesem Sinne Urteile vom 27. September 2007, Ikea Wholesale (C‑351/04, EU:C:2007:547), vom 14. Juni 2012, CIVAD (C‑533/10, EU:C:2012:347), und vom 4. Februar 2016, C & J Clark International (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74). In diesen Fällen war der Gerichtshof der Ansicht, dass aufgrund einer für ungültig erklärten Verordnung gezahlte Antidumpingzölle nicht im Sinne von Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex gesetzlich geschuldet sind und Art. 236 Abs. 2 des Zollkodex als die maßgebliche Bestimmung für die Feststellung anzusehen ist, ob die Erstattung statthaft war.

    ( 21 ) In der mündlichen Verhandlung wurden sie von der Kommission als „technische Fehler“ bezeichnet.

    ( 22 ) Verordnung des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. 1979, L 175, S. 1).

    ( 23 ) Der Erwägungsgrund, dessen entfernte Satzteile ich hervorhebe, lautete: „Angesichts der ständigen Entwicklung des Handelsverkehrs und der Notwendigkeit, die Waren so schnell wie möglich freizubekommen, wurden die Kontrollmethoden der Zolldienststellen so angepasst, dass die Dienststelle die Waren nur in sehr wenigen Fällen vor ihrer Freigabe prüft; die Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Ein- und Ausfuhren wird so aufgeschoben und besteht am häufigsten in einer buchmäßigen Kontrolle, die die Nacherhebung einer Ergänzungsabgabe zur Folge haben kann. Der Schuldner dieses Betrags hat nicht die eventuellen Folgen dieser Kontrollmethoden der Zolldienststellen zu tragen, und die nachträgliche buchmäßige Erfassung darf daher nicht zu einer Zahlung von Zinsen an die Zollbehörde führen. Diese nachträgliche Kontrolle kann auch die Erstattung eines zu viel erhobenen Betrags zur Folge haben. Der zu viel erhobene Betrag ist auf der von dem Beteiligten angegebenen Bemessungsgrundlage errechnet worden. Dieser konnte wesentlich schneller über die Waren verfügen, als wenn sie vor der Freigabe geprüft worden wären. Diese Erstattung darf daher auch nicht zu einer Zahlung von Zinsen durch die Zollbehörde führen.“

    ( 24 ) Im Urteil vom 31. März 2011, Aurubis Balgaria (C‑546/09, EU:C:2011:199), stellte der Gerichtshof fest, dass „Art. 232 Abs. 1 Buchst. b … des Zollkodex der Gemeinschaften … dahin auszulegen [ist], dass Säumniszinsen auf den Betrag der noch einzuziehenden Zollabgaben nach dieser Bestimmung nur für den Zeitraum erhoben werden dürfen, der auf den Ablauf der Frist für die Begleichung dieses Betrags folgt“.

    ( 25 ) Dasselbe Gleichgewicht ist auf den neuen Zollkodex übertragen worden (Verordnung Nr. 952/2013, Art. 114 [der die Zinsen auf die Zollschuld regelt] und Art. 116 Abs. 6 [der die Zinsen im Falle der Erstattung oder des Erlasses von Ein- oder Ausfuhrzollabgaben behandelt]).

    ( 26 ) In der mündlichen Verhandlung nannte die Kommission als Beispiel die Fehler in Bezug auf die zolltarifliche Einreihung der Waren, die in den freien Verkehr zu überführenden Mengen oder die festgesetzten Zollsätze.

    ( 27 ) Es steht dem Gerichtshof frei, „aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material (insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung) diejenigen Elemente des Gemeinschaftsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung oder gegebenenfalls einer Beurteilung ihrer Gültigkeit bedürfen“ (Urteil vom 29. November 1978, Redmond, 83/78, EU:C:1978:214, Rn. 26).

    ( 28 ) Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a. (C‑397/98 und C‑410/98, EU:C:2001:134), und vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04, EU:C:2006:774). In beiden wurde über einen möglichen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr entschieden, der sich aus der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Ausschüttung von Dividenden zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften ergab, je nachdem, ob sie gebietsansässig waren oder nicht,.

    ( 29 ) Die Rechtssache, in der das Urteil vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a. (C‑397/98 und C‑410/98, EU:C:2001:134), erging, weist die Besonderheit auf, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen nicht eine Nebenfrage betraf, sondern der Streitgegenstand der von den Klägern der Ausgangsverfahren erhobenen Klage war.

    ( 30 ) Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04, EU:C:2006:774, Rn. 205).

    ( 31 ) Urteil vom 19. Juli 2012 (C‑591/10, EU:C:2012:478).

    ( 32 ) Ebd., Rn. 26.

    ( 33 ) Urteil vom 27. September 2012 (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591).

    ( 34 ) Zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006 (ABl. 2009, L 321, S. 1).

    ( 35 ) Nr. 3 des Tenors.

    ( 36 ) Urteil vom 18. April 2013 (C‑565/11, EU:C:2013:250).

    ( 37 ) Ebd., Rn. 28. In diesem Sinne wiederholt es, dass „die Einbußen … nämlich u. a. davon ab[hängen], wie lange der unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu Unrecht gezahlte Betrag nicht zur Verfügung stand, und … somit grundsätzlich im Zeitraum vom Tag der zu Unrecht erfolgten Zahlung der fraglichen Steuer bis zum Tag ihrer Erstattung [entstehen]“.

    ( 38 ) Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04, EU:C:2006:774).

    ( 39 ) Urteil vom 18. April 2013, Irimie (C‑565/11, EU:C:2013:250, Rn. 22).

    ( 40 ) Urteil vom 18. April 2013 (C‑565/11, EU:C:2013:250).

    ( 41 ) Urteil vom 27. September 2012 (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591).

    ( 42 ) Im Urteil vom 1. Juni 2006, P & O European Ferries (Vizcaya) und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission (C‑442/03 P und C‑471/03 P, EU:C:2006:356), hat der Gerichtshof entschieden, dass das Urteil, mit dem eine Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt wurde, „[diese] mit Wirkung für und gegen alle Rechtsbürger rückwirkend beseitigt. Ein solches Nichtigkeitsurteil hat somit eine Wirkung erga omnes, durch die ihm absolute Rechtskraft verliehen wird.“ Obwohl die Umstände jener Rechtssache nicht dieselben sind wie in dieser, steht die Feststellung im Einklang mit Art. 264 AEUV.

    ( 43 ) Urteile vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a. (C‑591/10, EU:C:2012:478), und vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591).

    ( 44 ) Der Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2016 (ABl. 2016, L 48, S. 1) enthält unter der Überschrift „Eigenmittel“ (S. 36) das Kapitel 12 über „Zölle und andere Abgaben gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Beschlusses 2007/436/EG, Euratom“, das neben den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs andere „Zölle auf den Warenverkehr mit Drittländern, die von den Organen der Europäischen Union eingeführt worden sind oder noch eingeführt werden“, einschließt.

    ( 45 ) Urteil vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich u. a. (C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591).

    ( 46 ) In Nr. 3 des Tenors dieses Urteils heißt es am Ende, dass „ein nationales Gericht … nicht im Rahmen seines Ermessens die Zuerkennung von Zinsen auf Beträge, die von einem Mitgliedstaat auf der Grundlage einer ungültigen Verordnung vereinnahmt wurden, mit der Begründung ablehnen [kann], dass dieser Mitgliedstaat keine entsprechenden Zinsen auf die Eigenmittel der Europäischen Union verlangen könne“.

    ( 47 ) Die von der italienischen Regierung in ihren Erklärungen aufgeworfene Frage, ob die deutschen Behörden ihrerseits die europäischen Organe auf Erstattung des Betrags in Anspruch nehmen können, den sie denen erstatten müssen, die die in der für nichtig erklärten Verordnung festgesetzten Antidumpingzölle gezahlt hatten, hat mit dem Vorabentscheidungsersuchen nichts zu tun.

    ( 48 ) Urteil vom 18. April 2013 (C‑565/11, EU:C:2013:250).

    ( 49 ) Ebd., Rn. 28.

    ( 50 ) Urteil vom 12. Februar 2015 (C‑336/13 P, EU:C:2015:83). Der Rechtsstreit ging auf eine Entscheidung der Kommission zurück, die Gewährung bestimmter IPK gewährter Zuschüsse aufzuheben. Aufgrund dessen erhielt diese Gesellschaft bestimmte Beträge nicht mehr und sah sich gezwungen, die vereinnahmten Beträge zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen. Nach Aufhebung der Entscheidung zahlte die Kommission die geschuldeten und die von IPK zurückgezahlten Beträge nebst „Ausgleichszinsen“ für die Zeit vor dem Datum des Nichtigkeitsurteils.

    ( 51 ) Ebd., Rn. 30.

    ( 52 ) Ebd., Rn. 37.

    ( 53 ) Urteil vom 12. Februar 2015, Kommission/IPK International (C‑336/13 P, EU:C:2015:83, Rn. 30). In den Rn. 37 und 38 wird begründet, weshalb die in jenem Fall entstandenen Zinsen als Verzugszinsen und nicht als Ausgleichszinsen anzusehen sind: „Mit Ausgleichszinsen soll nämlich der Ablauf der Zeit bis zur gerichtlichen Bewertung des Schadens unabhängig von einer vom Schuldner zu vertretenden Verzögerung ausgeglichen werden.“ Diese Begründung wird klarer, wenn ergänzend Nr. 92 der Schlussanträge von Generalanwalt Bot in der Rechtssache Kommission/IPK International (C‑336/13 P, EU:C:2014:2170) herangezogen wird: „Infolge der Ex-tunc-Wirkung der Nichtigerklärung war die Kommission daher zur Zahlung einer bestimmten, festgesetzten und fälligen Hauptschuld verpflichtet, bestehend aus den Beträgen, die IPK zu zahlen oder zu erstatten waren. Auf die Forderung von IPK waren daher Verzugszinsen zu zahlen, die für den zu zahlenden Betrag ab der Beschwerde von IPK und für den zu erstattenden Betrag ab seiner Zahlung durch IPK an die Kommission liefen.“

    ( 54 ) Siehe Nrn. 46 ff. dieser Schlussanträge.

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