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Documento 62015CC0195

Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 26. Mai 2016.
SCI Senior Home gegen Gemeinde Wedemark und Hannoversche Volksbank eG.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Insolvenzverfahren – Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 – Art. 5 – Begriff ‚dingliche Rechte Dritter‘ – Auf dem Grundbesitz ruhende öffentliche Last, die die Erhebung der Grundsteuer sichert.
Rechtssache C-195/15.

Recopilación de la Jurisprudencia. Recopilación general

Identificador Europeo de Jurisprudencia: ECLI:EU:C:2016:369

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 26. Mai 2016 ( 1 )

Rechtssache C‑195/15

SCI Senior Home im Sanierungsverfahren

gegen

Gemeinde Wedemark,

Hannoversche Volksbank eG

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts — Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen — Insolvenzverfahren — Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 — Art. 5 — Begriff ‚dingliche Rechte Dritter‘ — Grundsteuer — Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen die Grundsteuer eine auf dem Grundbesitz ruhende öffentliche Last ist, die gegenüber jedem etwaigen Eigentümer vollstreckt werden kann“

I – Einleitung

1.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Insolvenzverwalter einer Gesellschaft mit Sitz in Frankreich und einer deutschen Gemeinde über die Zwangsversteigerung eines im Eigentum der Gesellschaft stehenden in Deutschland belegenen Grundstücks wegen rückständiger Grundsteuern ( 2 ).

2.

Die vom Bundesgerichtshof (Deutschland) gestellte Frage wird dem Gerichtshof dazu Anlass geben, sich mit dem Begriff des dinglichen Rechts im Hinblick auf Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 ( 3 ) zu befassen. Konkret bietet sich ihm die Gelegenheit, zu erläutern, ob im besonderen Rahmen einer auf einem Grundstück ruhenden öffentlichen Last im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 dieser Verordnung die nationale Einstufung als dingliches Recht durch autonome Beurteilungskriterien zu begrenzen ist.

II – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

3.

Art. 5 („Dingliche Rechte Dritte“) der Verordnung Nr. 1346/2000 sieht vor:

„(1)   Das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners – sowohl an bestimmten Gegenständen als auch an einer Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung –, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, wird von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt.

(2)   Rechte im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere

a)

das Recht, den Gegenstand zu verwerten oder verwerten zu lassen und aus dem Erlös oder den Nutzungen dieses Gegenstands befriedigt zu werden, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts oder einer Hypothek;

b)

das ausschließliche Recht, eine Forderung einzuziehen, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts an einer Forderung oder aufgrund einer Sicherheitsabtretung dieser Forderung;

c)

das Recht, die Herausgabe des Gegenstands von jedermann zu verlangen, der diesen gegen den Willen des Berechtigten besitzt oder nutzt;

d)

das dingliche Recht, die Früchte eines Gegenstands zu ziehen.

(3)   Das in einem öffentlichen Register eingetragene und gegen jedermann wirksame Recht, ein dingliches Recht im Sinne von Absatz 1 zu erlangen, wird einem dinglichen Recht gleichgestellt.

(4)   Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen.“

B – Deutsches Recht

4.

§ 9 Abs. 2 Grundsteuergesetz (im Folgenden: GrStG) bestimmt:

„Die Steuer entsteht mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen ist.“

5.

§ 12 GrStG („Dingliche Haftung“) lautet:

„Die Grundsteuer ruht auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last.“

6.

§ 77 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) sieht vor:

„Wegen einer Steuer, die als öffentliche Last auf Grundbesitz ruht, hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden.“

7.

§ 10 Abs. 1 des Zwangsversteigerungsgesetzes bestimmt:

„Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück gewähren nach folgender Rangordnung …:

3.

die Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren rückständigen Beträge; wiederkehrende Leistungen, insbesondere Grundsteuern, Zinsen, Zuschläge oder Rentenleistungen … genießen dieses Vorrecht nur für die laufenden Beträge und für die Rückstände aus den letzten zwei Jahren …

4.

die Ansprüche aus Rechten an dem Grundstück …“

III – Ausgangsverfahren, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

8.

Die société civile immobilière Senior Home (im Folgenden: Schuldnerin) hat ihren Sitz in Frankreich. Sie ist Eigentümerin eines in Wedemark (Deutschland) belegenen Grundstücks.

9.

Mit Urteil vom 6. Mai 2013 ordnete das Tribunal de grande instance de Mulhouse (Landgericht Mülhausen, Frankreich) das Betriebssanierungsverfahren für die Schuldnerin an und beauftragte einen gerichtlich bestellten Verwalter mit deren Betreuung.

10.

Am 15. Mai 2013 beantragte die Gemeinde Wedemark wegen rückständiger Grundsteuern für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. Juni 2013 in Höhe von 7471,19 Euro die Zwangsversteigerung des Grundstücks und bescheinigte die Vollstreckbarkeit der Forderungen.

11.

Mit Beschluss vom 21. Mai 2013 ordnete das Amtsgericht Burgwedel (Deutschland) die Zwangsversteigerung an. Der dagegen gerichteten Erinnerung der Schuldnerin half es nicht ab. Das Landgericht Hannover (Deutschland) wies ihre sofortige Beschwerde zurück. Mit der beim Bundesgerichtshof eingelegten Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin erreichen, dass die Anordnung der Zwangsversteigerung aufgehoben und der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch gelöscht wird.

12.

Das vorlegende Gericht stellt hierzu fest, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1346/2000 falle. Gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 Satz 2 Buchst. f dieser Verordnung unterliege das Insolvenzverfahren dem französischen Recht, das grundsätzlich auch die Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger regele.

13.

Im französischen Recht begründe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein allgemeines Vollstreckungsverbot, und weder für dinglich gesicherte Gläubiger noch für den Fiskus bestünden Sonderregelungen. Allerdings blieben gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 dingliche Rechte eines Gläubigers oder eines Dritten an unbeweglichen Gegenständen, die sich im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befänden, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt.

14.

Nach deutschem Recht seien Grundsteuerforderungen gemäß § 12 GrStG jedoch öffentliche Lasten, die dingliche Verwertungsrechte seien, da der Eigentümer gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AO die Zwangsvollstreckung in das Grundstück dulden müsse. Öffentliche Lasten entstünden unabhängig davon, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden sei oder nicht.

15.

Dem Vorabentscheidungsersuchen ist zu entnehmen, dass jedoch Zweifel bestehen hinsichtlich der Frage, ob Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 als Kollisionsnorm zu verstehen ist, nach der die lex rei sitae – hier also das deutsche Recht – darüber entscheiden solle, ob ein dingliches Recht vorliege oder nicht. In der Literatur werde nämlich überwiegend angenommen, dass der Begriff „dingliches Recht“ autonom auszulegen sei.

16.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass aus dieser Sicht das Grundziel dieses Artikels zum einen die Gewährleistung von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit sei, wie aus dem 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 hervorgehe. Zum anderen bestehe laut dem 25. Erwägungsgrund dieser Verordnung bei dinglichen Rechten hierfür ein besonderes Bedürfnis, da diese für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung seien. Die Interessen der Finanzbehörden unterschieden sich jedoch in mehreren Punkten von denen privater Kreditgläubiger.

17.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof mit am 29. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangener Entscheidung vom 12. März 2015 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Erfasst der Begriff des dinglichen Rechts gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 des Rates eine nationale Regelung, wie sie in § 12 GrStG in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Satz 1 AO enthalten ist, wonach Grundsteuerforderungen kraft Gesetzes als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen und der Eigentümer insoweit die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz dulden muss?

18.

Das Königreich Spanien und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Sie haben in der Sitzung vom 10. März 2016 auch mündlich verhandelt.

IV – Würdigung

A – Vorbemerkungen

1. Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 1346/2000

19.

Die Verordnung Nr. 1346/2000, die am 31. Mai 2002 in Kraft getreten ist, ist nicht nur die erste Verordnung über Insolvenzverfahren ( 4 ), sondern auch das konkrete Ergebnis langjähriger Verhandlungen, die innerhalb der damals noch aus den sechs Gründungsstaaten bestehenden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in den 60er Jahren aufgenommen worden waren ( 5 ). Erst 1970 entstand eine erste Fassung des Übereinkommensentwurfs ( 6 ), der jedoch keine hinreichende Zustimmung fand. Bis zur Veröffentlichung eines zweiten Entwurfs vergingen zehn Jahre ( 7 ). Die durch diesen zweiten Entwurf getroffene Regelung war auf die Grundsätze der Einheit (ein einziges Verfahren für das gesamte Gebiet der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) und der Universalität (das Verfahren erstreckt sich auf das gesamte Vermögen des Schuldners, unabhängig davon, wo dieses belegen ist) ( 8 ) gestützt. Nachdem dieser Entwurf auf eine Reihe von Hindernissen gestoßen war, wurde er mangels hinreichenden Einvernehmens im Jahr 1985 aufgegeben ( 9 ). Daraufhin wurde ein neuer Übereinkommensentwurf erstellt, der diesmal von der abgeschwächten Theorie der Universalität der Insolvenzen getragen war ( 10 ).

20.

Das auf der Grundlage von Art. K 3 des Vertrags über die Europäische Union ausgearbeitete Übereinkommen über Insolvenzverfahren wurde am 23. November 1995 in Brüssel zur Unterzeichnung aufgelegt, jedoch nicht von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet ( 11 ). Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam und auf Initiative der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland wurde der Wortlaut des Übereinkommens von 1995 schließlich in der Form einer auf der Grundlage von Art. 61 Buchst. c EG und von Art. 67 Abs. 1 EG angenommenen Verordnung ( 12 ) übernommen.

2. Systematik des mit der Verordnung Nr. 1346/2000 eingeführten Mechanismus

21.

Hier ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 1346/2000 wie das Übereinkommen über Insolvenzverfahren nicht einem auf den Grundsatz der Universalität der Insolvenzverfahren gestützten Modell, sondern einem Modell der abgeschwächten Universalität entspricht. Diese Verordnung geht daher von einem Universalmodell aus, sieht aber eine Reihe besonderer Vorschriften vor, die als Ausnahmeregelungen fungieren und die Universalität des Modells korrigieren oder abschwächen ( 13 ).

22.

Grundsätzlich sind besondere Vorschriften, die die Universalität der Insolvenzverfahren korrigieren oder abschwächen, aus Gründen gerechtfertigt, die eine doppelte Grundlage haben. Zum einen im Hinblick auf die Anwendung der lex concursus eines anderen Mitgliedstaats den Schutz der in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung erworbenen Rechte ( 14 ) und zum anderen die Notwendigkeit, die Komplexität der Insolvenzverfahren zu verringern. Der elfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 ist insoweit sehr klar, wenn es dort heißt, dass „aufgrund der großen Unterschiede im materiellen Recht ein einziges Insolvenzverfahren mit universaler Geltung für die gesamte Gemeinschaft nicht realisierbar ist. Die ausnahmslose Anwendung des Rechts des Staates der Verfahrenseröffnung würde vor diesem Hintergrund häufig zu Schwierigkeiten führen. Dies gilt etwa für die in der Gemeinschaft sehr unterschiedlich ausgeprägten Sicherungsrechte. Aber auch die Vorrechte einzelner Gläubiger im Insolvenzverfahren sind teilweise völlig verschieden ausgestaltet.“ ( 15 )

23.

Konkret sieht Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000, was die Systematik des mit dieser Verordnung eingeführten Mechanismus angeht, vor, dass für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats gilt, in dem das Verfahren eröffnet worden ist (lex fori concursus). Wie es im 23. Erwägungsgrund der Verordnung heißt, bestimmen sich nach diesem Recht alle Voraussetzungen für die Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Insolvenzverfahrens ( 16 ). Um den Vertrauensschutz und die Rechtssicherheit von Geschäften in anderen Mitgliedstaaten als dem der Verfahrenseröffnung zu wahren, sieht die Verordnung Nr. 1346/2000 jedoch in den Art. 5 bis 15 ( 17 ), für bestimmte Rechte und Rechtsverhältnisse, die, wie ich in der vorstehenden Nummer dargelegt habe, nach dem elften Erwägungsgrund als besonders bedeutsam angesehen werden, einige Ausnahmen von der Regel über das anwendbare Recht vor ( 18 ). Diese Ausnahmen von der Anwendung der lex concursus sind in den Fällen vorgesehen, in denen die Anknüpfungspunkte (beispielsweise die Belegenheit eines Gegenstands) einen bestimmten Sachverhalt mit dem Recht eines anderen Mitgliedstaats verknüpfen ( 19 ).

24.

Vor diesem Hintergrund ist die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage zu prüfen.

B – Zur Vorlagefrage

25.

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 dahin auszulegen ist, dass eine zugunsten der Steuerverwaltung auf einem Grundstück ruhende öffentliche Last wie die des Ausgangsverfahrens unter den Begriff „dingliches Recht“ im Sinne dieses Artikels fällt.

26.

Um diese Frage zu beantworten, ist zu prüfen, ob es sich bei einer auf einem Grundstück ruhenden öffentlichen Last tatsächlich um ein dingliches Recht handelt und dementsprechend, ob die Voraussetzungen des Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 hier erfüllt sind. Nur wenn nämlich die öffentliche Last ein dingliches Recht ist, hat die Schuldnerin, die Eigentümerin des Grundstücks ist, die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden. Ich werde daher als Erstes die Tragweite von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 prüfen, bevor ich als Zweites untersuchen werde, welche möglichen Grenzen der nationalen Einstufung eines Rechts als dingliches Recht im Hinblick auf diesen Artikel gesetzt sind.

1. Zur Tragweite von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000

27.

Zunächst ist festzustellen, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 nur anwendbar ist, wenn das geprüfte Recht nach dem Recht des Belegenheitsorts (lex rei sitae) als dingliches Recht eingestuft wird.

28.

Was sodann den Schutz der durch Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 gewährleisteten dinglichen Rechte angeht, erinnere ich daran, dass nach der Systematik des mit ihm eingeführten Mechanismus die dinglichen Rechte an Gegenständen, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, unberührt bleiben, so dass derartige Rechte von den Wirkungen des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht erfasst werden ( 20 ). Diese Lösung beruht auf materiell-rechtlichen Gründen, wie der Schutz des Wirtschaftsverkehrs im Mitgliedstaat der Belegenheit und die Rechtssicherheit in Bezug auf die Rechte, die an diesen Vermögensgegenständen bestehen. Den dinglichen Rechten kommt eine sehr wichtige Funktion im Kreditbereich und bei der Mobilisierung von Mitteln zu. Sie schützen ihre Inhaber nämlich vor der Gefahr einer Insolvenz des Schuldners und ermöglichen es, Kredite zu günstigen Bedingungen zu erhalten ( 21 ). Deshalb sind die Rechtssicherheit und der Schutz des Vertrauens der Gläubiger hinsichtlich der getätigten Geschäfte von grundlegender Bedeutung.

29.

Außerdem ist ein verstärkter Schutz der dinglichen Rechte auch aus verfahrensrechtlichen Gründen gerechtfertigt, z. B. aufgrund der von den Unionsorganen mit der Verordnung Nr. 1346/2000 angestrebten Ziele im Zusammenhang mit dem Erfordernis, die Vermögensverwaltung zu vereinfachen und zu erleichtern ( 22 ). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Insolvenzverfahren relativ komplex sind und ihre Durchführung ziemlich kostspielig ist. Die Kostensenkung kann eine Begünstigung bestimmter Gläubiger nach sich ziehen, kann aber auch für alle vorteilhaft sein, da sich die administrativen Gesamtkosten der Verfahren ebenfalls verringern ( 23 ).

30.

Die Tragweite von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 wird gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch die Erwägungsgründe 11 und 25 dieser Verordnung erläutert, nach denen bei dinglichen Rechten ein Bedürfnis für eine „vom Recht des Eröffnungsstaats abweichende“ Sonderanknüpfung besteht, da diese Rechte für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung sind. Nach dem 25. Erwägungsgrund sollten sich daher die Begründung, die Gültigkeit und die Tragweite eines solchen dinglichen Rechts regelmäßig nach dem Recht des Belegenheitsorts (lex rei sitae) bestimmen und von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werden ( 24 ).

31.

Folglich ist Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 dahin zu verstehen, dass er es abweichend von der Regel des Rechts des Eröffnungsstaats erlaubt, auf das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an bestimmten dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenständen das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet sich der fragliche Vermögensgegenstand befindet (lex rei sitae) ( 25 ). Unter den Schutz dieses Artikels fallen ausschließlich die dinglichen Rechte, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befinden ( 26 ). Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist nämlich keine Kollisionsnorm, sondern eine „negative“ materiell-rechtliche Vorschrift ( 27 ), die den Schutz der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworbenen dinglichen Rechte sicherstellen soll ( 28 ).

32.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, da der Schutz dinglicher Rechte von Schuldnern oder Dritten und mithin die Unverletzlichkeit dieser Rechte relativ ist, der Ausschluss dieser Rechte vom Bereich der lex fori concursus nicht absolut ist ( 29 ).

33.

Erstens ist es dem Insolvenzverwalter nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 nicht verwehrt, die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat zu beantragen, in dem sich die Gegenstände befinden, wenn der Schuldner in diesem Mitgliedstaat eine Niederlassung hat ( 30 ). Ein solches Sekundärinsolvenzverfahren hat im Hinblick auf die dinglichen Rechte dieselben Wirkungen wie ein Hauptinsolvenzverfahren. Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 sieht vor, dass das Insolvenzverfahren nicht die dinglichen Rechte an Gegenständen berührt, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, und nicht, dass sich das Verfahren auf in einem anderen Staat belegene Vermögensgegenstände (oder Guthaben), die durch diese Rechte geschützt sind, nicht erstreckt. Da das Hauptinsolvenzverfahren grundsätzlich von universaler Geltung ist, erfasst es dass gesamte Vermögen des Schuldners. Dies ist dann von Bedeutung, wenn der Wert der Sicherheit höher ist als der Wert der durch das dingliche Recht gesicherten Forderung. Ohne die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens muss der Gläubiger daher dem Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens den etwaigen überschießenden Verkaufserlös auskehren (vgl. 25. Erwägungsgrund und Art. 20 der Verordnung Nr. 1346/2000). Ist die Forderung jedoch durch den Wert der Sicherheit gedeckt, braucht der Gläubiger, der für seine durch dingliche Rechte gesicherten Forderungen Befriedigung erlangt, den übrigen Gläubigern nichts zu ersetzen ( 31 ).

34.

Zweitens enthält Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1346/2000 eine Ausnahme von der in diesem Art. 5 aufgestellten Ausnahme, indem er vorsieht, dass Abs. 1 Klagen nicht entgegensteht, mit denen die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relative Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. m dieser Verordnung geltend gemacht wird ( 32 ). Die lex fori concursus gilt daher, wenn die Bestellung oder die Ausübung eines dinglichen Rechts den Interessen des Insolvenzverfahrens zuwiderläuft und die Rechtshandlungen als für die Gesamtheit der Gläubiger nachteilig eingestuft werden können. Dieser Artikel bezieht sich daher nicht auf Anfechtungsklagen, die sich auf allgemeine Rechtsvorschriften stützen (normale zivil‑ und handelsrechtliche Klagen), sondern auf solche, die sich auf die Vorschriften für das Insolvenzverfahren stützen ( 33 ). Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 sieht allerdings eine Ausnahme von der Anwendung der lex fori concursus vor, wonach die fragliche Handlung nicht wirksam angefochten werden kann, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass „für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich [ist] und dass nach diesem Recht die Handlung in keiner Weise angreifbar [ist]“ ( 34 ).

35.

Drittens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 nicht dazu genutzt werden darf, die Stellung des Inhabers des dinglichen Rechts im Verhältnis zu anderen Vorrechten außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verbessern. Mit anderen Worten sieht dieser Artikel das Recht des Inhabers zur gesonderten Vollstreckung vor, ohne etwas an der Regelung der Absonderungsrechte zu ändern, die für dieses dingliche Recht außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten ( 35 ).

2. Zu den Grenzen der nationalen Einstufung eines Rechts als „dingliches Recht“ im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000

36.

Zur Einstufung eines Rechts als dingliches Recht stelle ich vorab fest, dass die Verordnung Nr. 1346/2000 – vorbehaltlich ihres Art. 5 Abs. 2 und 3 – auf das nationale Recht verweist ( 36 ).

37.

Wie ich bereits in den Nrn. 34 und 35 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Lutz ( 37 ) dargelegt habe, muss die Einstufung eines Rechts anhand von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 in zwei klar getrennten Schritten erfolgen.

38.

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Einstufung eines Rechts als „dingliches Recht“ unter das nationale Recht fällt, das gemäß den vor dem Insolvenzverfahren geltenden Kollisionsnormen die dinglichen Rechte regelt (in der Regel die lex rei sitae) ( 38 ). Die Begründung, die Gültigkeit und der Umfang dieser dinglichen Rechte werden daher nach dem Recht des Ortes der Belegenheit des Gegenstands bestimmt, an den das dingliche Recht anknüpft ( 39 ).

39.

In einem zweiten Schritt ist nach der Bestimmung der tatsächlichen Natur des im Hinblick auf die lex rei sitae untersuchten Rechts zu prüfen, ob dieses Recht die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1346/2000 erfüllt. Diese autonomen Beurteilungskriterien ( 40 ) begrenzen also im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 dieser Verordnung die nationale Einstufung eines subjektiven Rechts als dingliches Recht ( 41 ).

40.

Ich möchte den Ausführungen in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Lutz ( 42 ) noch einige Bemerkungen hinzufügen.

41.

Erstens besteht laut dem Virgós-Schmit-Bericht der Zweck von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 darin, die Anwendung von dessen Abs. 1 zu erleichtern. Er hat, wie den Nrn. 100 und 102 dieses Berichts zu entnehmen ist, die Funktion, im Hinblick auf seine Anwendung Beschränkungen für die Einstufung eines Rechts als dingliches Recht auf einzelstaatlicher Ebene vorzusehen, ohne jedoch eine eigenständige Definition des Begriffs „dingliches Recht“ vorzugeben ( 43 ).

42.

Dass die Verordnung Nr. 1346/2000 eine solche Definition nicht bietet, bedeutet insoweit meines Erachtens keineswegs, dass sie im Hinblick auf die Anwendung ihres Art. 5 nicht gewisse Beschränkungen des Begriffs „dingliches Recht“ vorsieht. So muss man, wie es im Virgós-Schmit-Bericht (Nr. 102) heißt, „berücksichtigen, dass Artikel 5 [der Verordnung Nr. 1346/2000] eine wichtige Ausnahme von der Anwendung des Rechts des Staates der Verfahrenseröffnung und der universalen Geltung des Hauptinsolvenzverfahrens darstellt“. Betrachtet man diesen Bericht insgesamt, ergibt sich, dass dessen Nrn. 100 und 102 unter Berücksichtigung dessen, dass sie sich wechselseitig ergänzen, zusammen zu lesen sind. Da dieser Bericht sachdienliche Hinweise für die Auslegung der Verordnung Nr. 1346/2000 enthält ( 44 ), habe ich Zweifel an einer isolierten Betrachtung der einzelnen Nummern, in denen Art. 5 dieser Verordnung untersucht wird (Nrn. 94 bis 106).

43.

Zweitens weise ich darauf hin, dass dieser Bericht betont, dass eine unangemessen weite Auslegung des einzelstaatlichen Begriffs „dingliches Recht“, bei der beispielsweise Gläubigerrechte mit der bloßen Möglichkeit, eine vorrangige Befriedigung zu fordern, auch als dingliche Rechte gelten würden, wie dies bei einigen Vorrechten der Fall sei, Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 gegenstandslos werden ließe ( 45 ).

44.

Drittens heißt es, auch wenn die in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 aufgestellte Liste von Rechten, die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten grundsätzlich als dingliche Rechte gelten, nicht erschöpfend ist ( 46 ), im Virgós-Schmit-Bericht ( 47 ), dass er u. a. der Vorstellung folge, dass ein dingliches Recht grundsätzlich über zwei Merkmale verfüge ( 48 ). Es geht zum einen darum, dass es „an die Sache, die Gegenstand des dinglichen Rechts ist und der Befriedigung der zugrunde liegenden Forderung dient, direkt und unmittelbar gebunden [ist], und zwar unabhängig von der Frage, zu wessen Vermögen die betreffende Sache gehört, und unabhängig von dem Verhältnis des Rechtsinhabers zu einer anderen Person“, und zum anderen darum, dass „[d]ie Absolutheit des dem Rechtsinhaber zuerkannten Rechts bedeutet, dass dieser es gegen jedermann, der dieses Recht ohne seine Zustimmung missachtet oder beeinträchtigt, einklagen kann …, dass das dingliche Recht bei Veräußerung der Sache an Dritte bestehen bleibt (es ist vorbehaltlich der spezifischen Beschränkungen betreffend den Schutz gutgläubiger Erwerber erga omnes wirksam) und dass das Recht auch bei Einzelrechtsverfolgung durch Dritte und bei Gesamtverfahren (durch die damit verbundene Absonderung oder die individuelle Befriedigung) bestehen bleibt“ ( 49 ).

45.

Schließlich erinnere ich daran, dass nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten sowohl an bestimmten Gegenständen als auch „an einer Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung“ von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt wird. Mit anderen Worten können dingliche Rechte im Sinne dieses Artikels nicht nur an bestimmten Gegenständen, sondern auch an Gesamtvermögen bestehen ( 50 ).

46.

Die Einstufung einer öffentlichen Last wie die des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist daher unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte zu prüfen.

a) Einstufung der öffentlichen Last nach dem Recht des Belegenheitsorts (lex rei sitae)

47.

Ich weise vorab darauf hin, dass allein das vorlegende Gericht für die Feststellung und die Würdigung des Sachverhalts des ihm vorliegenden Rechtsstreits und für die Auslegung und die Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist ( 51 ). Folglich obliegt es ihm auch, festzustellen, ob eine solche öffentliche Last nach innerstaatlichem Recht ein dingliches Recht darstellt.

48.

In Bezug auf das Ausgangsverfahren geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass nach deutschem Recht, dem Recht des Belegenheitsorts des betreffenden Grundstücks, die Grundsteuerforderungen, die zur Anordnung der Zwangsversteigerung geführt haben, öffentliche Lasten gemäß § 12 GrStG sind; dabei handele es sich um dingliche Verwertungsrechte, da der Eigentümer gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AO die Zwangsvollstreckung in das Grundstück dulden müsse ( 52 ). Nach Angaben des vorlegenden Gerichts entsprechen sie einem Grundpfandrecht und werden nicht in das Grundbuch eingetragen.

49.

Wie es weiter ausführt, entsteht die Grundsteuer nach § 9 Abs. 2 GrStG zu Beginn des Jahres, so dass im vorliegenden Fall zumindest die Forderungen aus der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 5. Mai 2013 vor Verfahrenseröffnung entstanden wären und daher von der öffentlichen Last erfasst würden. Diese sei wie eine Hypothek akzessorisch, weil sie von dem Bestehen einer Abgabenschuld abhänge. Sie setze aber nicht notwendig voraus, dass der Eigentümer selbst die Steuer schulde und für diese persönlich hafte. Vielmehr bleibe sie bestehen, wenn das Grundstück nach Festsetzung der Steuerforderung veräußert werde, sofern die Forderung fällig und vollstreckbar sei. Während des Insolvenzverfahrens stehe der Finanzbehörde aufgrund der öffentlichen Last ein Recht auf abgesonderte und vorrangige Befriedigung zu ( 53 ). Sie kann daher – wie hier – die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragen.

50.

Aus der Vorlageentscheidung geht eindeutig hervor, dass nach deutschem Recht die auf dem betreffenden Grundstück ruhende öffentliche Last eine dingliche Haftung begründet. Da das vorlegende Gericht die Einstufung ex lege causae eindeutig festgestellt hat, stellt sich folglich die Frage, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende öffentliche Last im Hinblick auf Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 als dingliches Recht eingestuft werden kann.

51.

Um dies zu beantworten, ist zu prüfen, ob die autonomen Beurteilungskriterien des Art. 5 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1346/2000 erfüllt sind (siehe Nrn. 41 bis 45 der vorliegenden Schlussanträge).

b) Einstufung der öffentlichen Last im Hinblick auf Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000

52.

Wie aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1346/2000 hervorgeht, ist ein dingliches Recht u. a. „das Recht, den Gegenstand zu verwerten oder verwerten zu lassen und aus dem Erlös oder den Nutzungen dieses Gegenstands befriedigt zu werden, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts oder einer Hypothek“. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts entspricht eine öffentliche Last wie die des Ausgangsverfahrens einem Grundpfandrecht. Der Schutz des Rechtsinhabers – hier der Steuerverwaltung – sei nach § 77 Abs. 2 Satz 1 der AO daher grundsätzlich dadurch gewährleistet, dass er die Zwangsvollstreckung in das Grundstück der Schuldnerin betreiben könne. Der Vorlageentscheidung ist nämlich zu entnehmen, dass während des Insolvenzverfahrens der Finanzbehörde aufgrund der öffentlichen Last ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gemäß § 49 der Insolvenzordnung zusteht ( 54 ).

53.

Aus der Vorlageentscheidung geht ferner hervor, dass ausgehend von der Auflistung des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 ( 55 ) und den im Virgós-Schmit-Bericht genannten und in Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten autonomen Beurteilungskriterien eine öffentliche Last gemäß § 12 GrStG tatsächlich die beiden wesentlichen Eigenschaften eines dinglichen Rechts erfüllt: Zum einen ist sie direkt und unmittelbar an die Sache selbst gebunden, und zwar unabhängig von der Frage, zu wessen Vermögen die betreffende Sache gehört, und unabhängig von dem Verhältnis des Rechtsinhabers zu einer anderen Person, und zum anderen hat sie absoluten Charakter, d. h., dass sie der Rechtsinhaber gegen jedermann, der dieses Recht ohne seine Zustimmung missachtet oder beeinträchtigt, einklagen kann, dass sie bei Veräußerung des Gegenstands an Dritte bestehen bleibt und dass sie auch bei Einzelrechtsverfolgung durch Dritte und bei Gesamtverfahren durch die damit verbundene Absonderung oder die individuelle Befriedigung bestehen bleibt.

c) Zwischenergebnis

54.

Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts geht zweifelsfrei hervor, dass nach deutschem Recht, d. h. dem nationalen Recht des Belegenheitsorts des Grundstücks (lex rei sitae), die im Ausgangsverfahren in Rede stehende öffentliche Last die dingliche Haftung des betreffenden Grundstücks begründet. Das vorlegende Gericht weist nämlich darauf hin, dass diese Last „bei dessen Veräußerung bestehen bleibt, Dritten entgegengehalten werden kann und in der Insolvenz ein Absonderungsrecht begründet“. Somit erfüllt eine solche öffentliche Last die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000.

55.

Ich stelle weiter fest, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts die in Rede stehende öffentliche Last auch die im Virgós-Schmit-Bericht aufgeführten wesentlichen Eigenschaften eines „dinglichen Rechts“ erfüllt ( 56 ). Gleichwohl sieht es Bedarf zur Klärung durch den Gerichtshof, ob dieses Ergebnis mit dem Zweck von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 und dem Gesamtkonzept dieser Verordnung zu vereinbaren ist.

3. Zur steuerlichen Natur der öffentlichen Last und zur Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit der Verordnung Nr. 1346/2000

56.

Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist das wesentliche Ziel der Verordnung Nr. 1346/2000 die Gewährleistung von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit (24. Erwägungsgrund). Nach dieser Verordnung bestehe bei dinglichen Rechten hierfür ein besonderes Bedürfnis, da diese für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung seien. Die Interessen der Finanzbehörden unterschieden sich jedoch von denen privater Kreditgläubiger in mehreren Punkten ( 57 ).

57.

Nach Ansicht der Kommission, die vorschlägt, die Vorlagefrage zu verneinen, ist Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 nicht allein deshalb anwendbar, weil das Recht nach der lex rei sitae als dinglich anzusehen ist. Die reine Verweisung könnte sich nämlich als unvereinbar mit dem in Art. 4 dieser Verordnung vorgesehenen Grundsatz der ausschließlichen Anwendung der lex fori concursus (Recht des Staates der Verfahrenseröffnung) erweisen. Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 sei als Abweichung von diesem Grundsatz daher restriktiv auszulegen ( 58 ).

58.

Das mit Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 verfolgte Ziel rechtfertige die restriktive Auslegung dieses Artikels dahin, dass nur Rechte, die vom Schuldner an den Kreditgläubiger im Rahmen eines Handelsgeschäfts gewährt würden, als dingliche Rechte anzusehen seien. Dieses Ziel umfasse hingegen nicht den Schutz einer Finanzbehörde. Wenn, wie im Ausgangsverfahren, eine öffentliche Last im Zwangsversteigerungsverfahren den Rechten der Kreditgläubiger im Rang vorgehe, bewirke sie sogar eine Schlechterstellung der Kreditgläubiger, deren Schutz Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 doch dienen solle.

59.

Demgegenüber trägt die spanische Regierung, nach deren Ansicht die Vorlagefrage zu bejahen ist, vor, der Unionsgesetzgeber habe angesichts der Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme und ‑traditionen der einzelnen Mitgliedstaaten zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit der Verordnung Nr. 1346/2000 diejenigen Rechte festlegen wollen, die – unabhängig von ihrer konkreten Einstufung als „dingliche“ oder „nicht dingliche“ Rechte in dem Mitgliedstaat, der sie einräume – wegen ihrer Eigenschaften und aus Gründen der Rechtssicherheit von dieser allgemeinen Regel ausgenommen werden müssten. Aus eben diesem Grund regele Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung insbesondere, welche konkreten Rechte im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung als dingliche Rechte anzusehen seien.

60.

Daher ist folgende Frage zu stellen: Ist davon auszugehen, dass die steuerliche Natur der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden öffentlichen Last ein für die Annahme ausschlaggebender Faktor ist, dass der Zweck von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 nicht den Schutz eines öffentlichen Gläubigers – hier der Finanzverwaltung –umfasst?

61.

Dieser Meinung bin ich nicht.

62.

Erstens ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 weder, dass es sich bei dem Guthaben um eine private Forderung handeln muss, noch, dass es außerdem allein mit einem reinen Handelsgeschäft in Zusammenhang stehen muss ( 59 ).

63.

Zweitens genügt die mit Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 im Hinblick auf deren Ziele gewählte Lösung, wie ich in den Nrn. 28 und 29 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, nicht nur materiell-rechtlichen Gründen, wie dem Schutz des Wirtschaftsverkehrs im Mitgliedstaat der Belegenheit, die Rechtssicherheit in Bezug auf die Rechte, die an diesen Vermögensgegenständen bestehen, und das Vertrauen der Gläubiger und Dritter, sondern auch verfahrensrechtlichen Gründen im Zusammenhang mit dem Erfordernis, die Vermögensverwaltung zu vereinfachen und zu erleichtern. Insoweit ist zu betonen, dass eine zu restriktive Auslegung des Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000, durch die eine generelle Abschwächung des darin vorgesehenen relativen Schutzes herbeigeführt würde ( 60 ), weder dessen Entstehungsgeschichte (siehe Nrn. 21 bis 23 der vorliegenden Schlussanträge) noch den in dieser Verordnung vorgesehenen Mechanismen zur Vermeidung eines möglichen „übermäßigen Schutzes“ aufgrund der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme (siehe Nrn. 32 bis 35 der vorliegenden Schlussanträge) hinreichend Rechnung trüge.

64.

Drittens ist darauf hinzuweisen, dass ein weiteres Grundziel der Verordnung Nr. 1346/2000 die Beseitigung der Diskriminierungen und die Gleichbehandlung der Gläubiger ist. So regelt nach ihrem Art. 4 die lex fori concursus, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist, sowie insbesondere die Rangfolge der Forderungen. Die Art. 39 bis 42 der Verordnung Nr. 1346/2000 enthalten jedoch die Vorschriften über die Unterrichtung der Gläubiger und die Anmeldung ihrer Forderungen. Insbesondere nennt Art. 39 dieser Verordnung ausdrücklich die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten ( 61 ). Die Staatszugehörigkeit der Gläubiger hat dementsprechend keinerlei Einfluss auf die Anmeldung ihrer Forderungen, und sie können weder deshalb vom Insolvenzverfahren ausgeschlossen werden, weil sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung haben, noch wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters ihrer Forderungen ( 62 ).

65.

Zur Verpflichtung der zuständigen Gerichte (des Staates der Verfahrenseröffnung) und des von diesen bestellten Verwalters, die Gläubiger zu unterrichten, heißt es in diesem Zusammenhang zum einen in Art. 40 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000, dass in dem Informationsvermerk „auch anzugeben [ist], ob die … dinglich gesicherten Gläubiger ihre Forderungen anmelden müssen“, und sieht zum anderen Art. 41 dieser Verordnung vor, dass der Gläubiger eine Kopie der etwaigen Belege übersendet und u. a. angibt, „ob er für die Forderung … eine dingliche Sicherheit … geltend macht und welche Vermögenswerte Gegenstand seiner Sicherheit sind“. Mithin ergibt sich aus einer Zusammenschau der Art. 39 bis 41 der Verordnung Nr. 1346/2000, dass die Verordnung die Anmeldung von Forderungen durch die Finanzbehörden auch in den Fällen nicht ausgeschlossen hat, in denen diese Forderungen durch ein dingliches Recht gesichert sind.

66.

Ferner weise ich, immer noch in Bezug auf die Anmeldung von Forderungen, darauf hin, dass die Richtlinien 2001/24/EG ( 63 ) und 2009/138/EG ( 64 ) über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten sowie betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit Art. 39 der Verordnung Nr. 1346/2000 entsprechende Bestimmungen vorsehen und ebenfalls die öffentlich-rechtlichen Stellen in den Mitgliedstaaten ausdrücklich nennen ( 65 ). Dieser letztgenannte Gesichtspunkt ist im Rahmen meiner Würdigung offenbar von Bedeutung. Nach diesen Artikeln werden nämlich die Forderungen aller Gläubiger, die ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat haben, genauso behandelt und erhalten denselben Rang wie gleichwertige Forderungen, die von den Gläubigern angemeldet werden könnten, die ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Herkunftsmitgliedstaat haben ( 66 ).

67.

Demnach verleiht die Verordnung Nr. 1346/2000 öffentlich-rechtlichen Forderungen meines Erachtens weder ein Vorrecht noch einen Vorrang; sieht aber der nationale Gesetzgeber vor, dass den nationalen Behörden ein solches Vorrecht, ein solcher Vorrang oder eine dingliche Haftung zugutekommt, müsste dies auch bei den öffentlich-rechtlichen Forderungen anderer Mitgliedstaaten anerkannt werden ( 67 ). Diese Auslegung scheint mir im Zusammenhang damit von Bedeutung, dass die Verordnung in das unionsrechtliche System der Insolvenz als allgemeine Regelung die speziellen Vorschriften, insbesondere die in der vorstehenden Nummer aufgeführten Richtlinien über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten sowie betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit, einbezieht ( 68 ). Die Kohärenz dieses Systems erfordert es daher, Auslegungsfragen in allen diesen Rechtsakten kohärent und unter Berücksichtigung des Systems als Ganzes zu beantworten.

68.

Es trifft zwar zu, dass diese Argumente (vgl. die Nrn. 64 bis 66 der vorliegenden Schlussanträge) dem Grundsatz nach die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1346/2000 (und namentlich der entsprechend angeführten Richtlinien) über die Unterrichtung der Gläubiger und die Anmeldung ihrer Forderungen betreffen. Jedoch würde aus den in der vorstehenden Nummer bereits genannten Gründen die Kohärenz dieser Verordnung in Frage gestellt, wären die öffentlich-rechtlichen dinglichen Rechte vom relativen Schutz ihres Art. 5 ausgenommen.

69.

Viertens erinnere ich daran, dass der Gerichtshof bereits im Urteil Lutz ( 69 ) ein vollstreckbares Pfändungspfandrecht (eine Pfändung von Kontoguthaben) als dingliches Recht angesehen hat, obwohl es sich nicht um ein durch Rechtsakt begründetes, sondern um ein ipso iure entstandenes Recht handelte ( 70 ).

70.

Fünftens bin ich natürlich auch der Meinung, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 als Ausnahme von einer Sondervorschrift eng auszulegen ist. Ich erinnere jedoch daran, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende öffentliche Last streng genommen nicht nur die Voraussetzungen von Art. 5 dieser Verordnung, sondern auch die im Virgós-Schmit-Bericht erwähnten und im Schrifttum vertretenen Kriterien für die eigenständige Einstufung eines dinglichen Rechts im Hinblick auf diesen Artikel erfüllt.

71.

Zudem stünde es meines Erachtens mit der Entstehungsgeschichte und dem mit dieser Verordnung eingeführten Mechanismus selbst nicht im Einklang, könnte ein etwaiger Ausschluss der in Rede stehenden öffentlichen Last lediglich auf eines ihrer Ziele gestützt werden, nämlich den Schutz des Handels in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Gegenstände befinden, ohne den Zielen der Rechtssicherheit und dem Vertrauen der Gläubiger oder Dritter, dem Erfordernis, die Vermögensverwaltung zu vereinfachen und zu erleichtern, sowie der Beseitigung von Diskriminierungen und der Gleichbehandlung der Gläubiger Rechnung zu tragen.

72.

Schließlich könnte sich ein Ausschluss der in Rede stehenden öffentlichen Last erheblich und nachhaltig auf die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten auswirken, die ähnliche oder entsprechende öffentliche Lasten wie die des Ausgangsverfahrens kennen ( 71 ).

73.

Hierzu weise ich darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber in der neuen Verordnung 2015/848 über Insolvenzverfahren in deren Art. 8, der Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 übernimmt, keine wesentliche Änderung vorgesehen hat ( 72 ).

V – Ergebnis

74.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Bundesgerichtshof wie folgt zu antworten:

Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 583/2011 des Rates vom 9. Juni 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine zugunsten der Steuerverwaltung auf einem Grundstück ruhende öffentliche Last wie die des Ausgangsverfahrens unter den Begriff „dingliches Recht“ im Sinne dieses Artikels fällt.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Es ist darauf hinzuweisen, dass die Vorlageentscheidung keinen Hinweis darauf enthält, welche Rolle die Hannoversche Volksbank eG im Ausgangsverfahren spielt.

( 3 ) Verordnung des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000, L 160, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 583/2011 des Rates vom 9. Juni 2011 (ABl. 2011, L 160, S. 52) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1346/2000).

( 4 ) Diese Verordnung wurde durch die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) (ABl. 2015, L 141, S. 19) ersetzt. Die letztgenannte Verordnung ist nach ihrem Art. 84 jedoch nur auf solche Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach dem 26. Juni 2017 eröffnet worden sind.

( 5 ) Ich weise darauf hin, dass Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren von dem damaligen, am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen von 1968) ausgenommen waren.

( 6 ) Eine erste, auf Art. 220 vierter Gedankenstrich des EWG-Vertrags gestützte Fassung des Übereinkommensentwurfs wurde 1970 erstellt. Siehe Doc. Comm. 3.327/1/XIV/70. Vgl. auch Noël, J., und Lemontey, J., Projet de convention relative à la faillite, aux concordats et aux procédures analogues, 1970, 16.775/XIV/70-E.

( 7 ) Siehe den zusammen mit dem Erläuternden Bericht von J. Lemontey in der Beilage 2/82 zum Bulletin der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Übereinkommensentwurf von 1980.

( 8 ) Zu diesen Grundsätzen vgl. u. a. Lopucki, L. M., „Cooperation in international bankruptcy: A post-universalist approach“, Cornell Law Review, 1999, 84/3, S. 696 bis 762.

( 9 ) Nach dem Erläuternden Bericht vom 3. Mai 1996 von M. Virgós und E. Schmit zum Insolvenz-Übereinkommen, Dokument des Rates der Europäischen Union 6500/96, DRS 8 (CFC), Nr. 3 (im Folgenden: Virgós-Schmit-Bericht), sah der Übereinkommensentwurf von 1980 „ein einziges Verfahren vor (… ausschließliche Zuständigkeit … des Staates …, in dem sich das Geschäftszentrum des Schuldners befindet); es musste in den übrigen Vertragsstaaten anerkannt werden, ohne dass in diesen anderen Staaten parallel dazu inländische Verfahren eröffnet werden konnten. Damit richtete sich dieser Text streng nach den Grundsätzen der ‚Einheit‘ … und der ‚Universalität‘ … des Verfahrens.“ Nach diesem Bericht führte der Übereinkommensentwurf von 1980 zu sehr komplexen Bestimmungen.

( 10 ) Dieser Entwurf lehnte sich an das am 5. Juni 1990 in Istanbul zur Unterzeichnung aufgelegte Europäische Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses an, das das Ergebnis der Verhandlungen im Rahmen des Europarats ist, jedoch nicht in Kraft getreten ist. Sein Ansatz bestand bereits darin, die Grundsätze der Einheit und Universalität abzuschwächen. Vgl. hierzu Convention européenne sur certains aspects internationaux de la faillite, Europarat, Sammlung der Europaratsverträge Nr. 136. Vgl. auch den zusammen mit dem Übereinkommen veröffentlichten Erläuternden Bericht. Zu diesem Übereinkommen vgl. u. a. Volken, P., „L’harmonisation du droit international privé de la faillite“, Recueil de Cours de La Haye, 1991, Bd. 230, S. 343. Aus rechtsvergleichender Sicht ist festgestellt worden, dass es die „Zwischensysteme“ sind, die in zahlreichen Mitgliedstaaten die Oberhand gewonnen haben. Vgl. in diesem Sinne u. a. Watté, N., und Marquette, V., „Les sûretés dans les faillites internationales“, Gesamtbericht der Tagung zur Rechtsvergleichung in Bristol, EPR – REDP, 1999, S. 287 bis 317.

( 11 ) Daher wurde der begleitende Virgós-Schmit-Bericht nicht amtlich veröffentlicht. Es ist bereits darauf hinzuweisen, dass die Literatur, auch wenn er nur das Übereinkommen über Insolvenzverfahren betrifft, davon ausgeht, dass er brauchbare Hinweise für die Auslegung der Verordnung Nr. 1346/2000 enthält. Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Eurofood IFSC (C‑341/04, EU:C:2005:579, Nr. 2).

( 12 ) Vgl. Watte, N., und Marquette, V., „Le Règlement communautaire, du 29 mai 2000, relatif aux procédures d’insolvabilité“, Revue de droit commercial belge, 2000, S. 564.

( 13 ) Vgl. in diesem Sinne den Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 5.

( 14 ) Es ist daher vernünftig, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Vertrauen in das Gesetz geschützt wird, unter dessen Geltung ein Recht ausgestaltet wurde, um insbesondere im Rahmen einer Kollisionsnorm die Intensität widerzuspiegeln, mit der die materiellen Rechte bestimmte Gläubiger vor dem Insolvenzrisiko abschirmen, wie es bei dinglichen Rechten der Fall ist. Außerdem haben bestimmte Rechtsgebiete, wie beispielsweise die gesetzlichen Vorschriften über den Personenstand, die normative Funktion, den Rechten Sicherheit zu verleihen. Vgl. in diesem Sinne Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., Comentario al Reglamento europeo de insolvencia, Thomson-Civitas, Madrid, 2003, S. 92, sowie Virgós, M., und Garcimartín, F., The European Insolvency Regulation: Law and Practice, Kluwer Law International, Den Haag, 2004, S. 90.

( 15 ) Hervorhebung nur hier.

( 16 ) Urteil vom 5. Juli 2012, ERSTE Bank Hungary (C‑527/10, EU:C:2012:417, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 17 ) Die abgeschwächte Universalität ergibt sich auch aus der Möglichkeit der Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren. Vgl. den 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 sowie Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F., a. a. O., S. 27.

( 18 ) Urteil vom 5. Juli 2012, ERSTE Bank Hungary (C‑527/10, EU:C:2012:417, Rn. 39). Vgl. auch den 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000.

( 19 ) Diese Ausnahmen sind eher als speziellere Vorschriften, denn als „Ausnahmen“ zu verstehen. Vgl. hierzu Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., a. a. O., S. 98, sowie Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 96.

( 20 ) Ich möchte hervorheben, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 voraussetzt, dass der Ort der Belegenheit des Vermögens in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung nicht in betrügerischer Absicht gewählt wird. Vgl. hierzu Virgós-Schmit-Bericht, Rn. 105, und Ingelmann, T., „Article 5“, European Insolvency Regulation, K. Pannen (Hrsg.), De Gruyter Recht, Berlin, 2007, S. 252.

( 21 ) Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 97. Vgl. auch Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., Moss, Fletcher and Isaacs on the EC Regulation on Insolvency Procedures, Oxford University Press, 3. Aufl., 2016, S. 170.

( 22 ) Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 97.

( 23 ) Vgl. in diesem Sinne Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 92.

( 24 ) Urteil vom 5. Juli 2012, ERSTE Bank Hungary (C‑527/10, EU:C:2012:417, Rn. 41). Vgl. auch Urteil vom 16. April 2015, Lutz (C‑557/13, EU:C:2015:227, Rn. 27).

( 25 ) Urteil vom 5. Juli 2012, ERSTE Bank Hungary (C‑527/10, EU:C:2012:417, Rn. 42).

( 26 ) Bei einer teleologischen Auslegung von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 setzt die Anwendung dieser Vorschrift voraus, dass alle für die Bestellung eines dinglichen Rechts erforderlichen Rechtshandlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind. Ist die Bestellung eines dinglichen Rechts nach Verfahrenseröffnung erfolgt, findet Art. 4 der Verordnung Nr. 1346/2000 Anwendung. Vgl. Virgós-Schmit-Bericht, Nrn. 95 und 96, Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., a. a. O., S. 96 und 101, sowie Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., a. a. O., S. 171 und 347.

( 27 ) Zum materiell-rechtlichen Charakter dieser Bestimmung vgl. Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 99, Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 163, Ingelmann, T., „Article 5“, a. a. O., S. 250, Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., a. a. O., S. 346, Hess, B., Oberhammer, P., und Pfeiffer, T., European Insolvency Law. The Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report on the Application of the Regulation No 1346/2000/EC on Insolvency Proceedings, Beck-Hart-Nomos, C. H., München/Oxford, 2014, S. 178, und Klyta, W., Uznanie zagranicznych postępowań upadłościowych, Oficyna Wolters Kluwer business, Warschau, 2008, S. 149. Vgl. auch Haubold, J., Gebauer, M., und Wiedmann, T., Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl., Stuttgart, 2010, Kapitel 32, Rn. 110.

( 28 ) Im Urteil vom 10. September 2009, German Graphics Graphische Maschinen (C‑292/08, EU:C:2009:544, Rn. 35), hat der Gerichtshof nämlich zu Art. 7 der Verordnung Nr. 1346/2000, einer ähnlichen Vorschrift wie Art. 5 derselben Verordnung, festgestellt, dass es sich „[b]ei dieser Bestimmung … nur um eine materiell-rechtliche Vorschrift handelt, durch die der Verkäufer in Bezug auf die Sachen geschützt werden soll, die sich nicht im Mitgliedstaat der Verfahrenseröffnung befinden“. Hess, B., Oberhammer, P., und Pfeiffer, T., a. a. O., zufolge wird Art. 5 im überwiegenden Teil des Schrifttums in 17 Mitgliedstaaten als eine materiell-rechtliche Vorschrift angesehen (S. 181).

( 29 ) Der Schutz kann absolut sein, wenn der Schuldner in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Gegenstände befinden, keine Niederlassung hat. Allerdings findet die Regelung für Nichtigkeits‑ und Anfechtungsklagen sowie für Klagen auf Feststellung der relativen Unwirksamkeit Anwendung. Vgl. Nrn. 33 und 34 der vorliegenden Schlussanträge.

( 30 ) Vgl. in diesem Sinne Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., a. a. O., S. 347. Vgl. auch Art. 27 der Verordnung Nr. 1346/2000.

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Virgós-Schmit-Bericht, Nrn. 99 und 173, und Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., a. a. O., S. 106 und 236. Vgl. auch Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., a. a. O., S. 348, sowie Porzycki, M., „Zabezpieczenia rzeczowe w transgranicznym postępowaniu upadłościowym w Unii Europejskiej“, Czasopismo kwartalne całego prawa handlowego, upadłościowego oraz rynku kapitałowego, Nr. 3 (5) 2008, S. 405.

( 32 ) Vgl. hierzu Urteil vom 16. April 2015, Lutz (C‑557/13, EU:C:2015:227), sowie meine Schlussanträge in dieser Rechtssache (C‑557/13, EU:C:2014:2404). Vgl. auch Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1346/2000.

( 33 ) Für Letztere gelten die allgemeinen Kollisionsnormen. Diese Klagen nach allgemeinen Rechtsvorschriften sind jedoch nur insoweit zulässig, als die lex fori concursus es zulässt. Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 135.

( 34 ) Zur Tragweite von Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 vgl. Urteil vom 16. April 2015, Lutz (C‑557/13, EU:C:2015:227, Rn. 32 bis 49), sowie meine Schlussanträge in dieser Rechtssache (C‑557/13, EU:C:2014:2404, Nrn. 56 bis 61).

( 35 ) Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., a. a. O., S. 100.

( 36 ) Ich weise darauf hin, dass für die Zwecke von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 nach dessen Abs. 3 das in einem öffentlichen Register eingetragene und gegen jedermann wirksame Recht unmittelbar und im Verhältnis zum einzelstaatlichen Gesetz autonom als dingliches Recht anzusehen ist. Es handelt sich dabei in dieser Verordnung im Kontext ihres Art. 5 um die einzige Ausnahme von der Verweisung auf die lex rei sitae. Vgl. Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 101 a. E. Vgl. auch, Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., a. a. O., S. 99.

( 37 ) C‑557/13, EU:C:2014:2404.

( 38 ) Ingelmann, T., „Article 5“, a. a. O., S. 253.

( 39 ) Virgós-Schmit-Bericht, Nrn. 95 und 100.

( 40 ) Vgl. hierzu Veder, P. M., Cross-border insolvency proceedings and security rights: a comparison of Dutch and German law, the EC Insolvency Regulation and the UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency, Deventer, 2004, S. 334 bis 336: „An independent interpretation of rights in rem is facilitated by the references that the second paragraph contains of the types of rights Art. 5 IR refers to.“ Vgl. auch Klyta, W., a. a. O., S. 150.

( 41 ) Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 100. Vgl. auch Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 96.

( 42 ) C‑557/13, EU:C:2014:2404.

( 43 ) Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 96: „Its function [of article 5] is to operate as a limit to the characterization of a right as a right in rem for the purposes of Article 5. Only those rights conferred by national laws that conform to its typological characterization are protected by Article 5.1 of [the] Regulation.“

( 44 ) Vgl. Fn. 11 der vorliegenden Schlussanträge.

( 45 ) Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 102.

( 46 ) „Rechte im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere …“. Hervorhebung nur hier.

( 47 ) Vgl. Nr. 103 dieses Berichts.

( 48 ) Dieser Bericht verweist auch auf Nr. 166 des Berichts von P. Schlosser zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof (ABl. 1979, C 59, S. 71).

( 49 ) Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 103, sowie Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., a. a. O., S. 173.

( 50 ) Dies ist u. a. bei den im britischen und irischen Recht bekannten „floating charges“ der Fall, die daher im Sinne der Verordnung Nr. 1346/2000 als dingliche Rechte eingestuft werden können. Vgl. Virgós-Schmit-Bericht, Nr. 104, sowie Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., a. a. O., S. 172.

( 51 ) Urteil vom 25. Oktober 2012, Rintisch (C‑553/11, EU:C:2012:671, Rn. 15).

( 52 ) Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist der Begriff „öffentliche Last“ zwar nicht im GrStG definiert, doch bestehe Einigkeit darüber, dass eine öffentliche Last eine Abgabenverpflichtung sei, die auf öffentlichem Recht beruhe, durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistung zu erfüllen sei und nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks voraussetze. Hervorhebung nur hier.

( 53 ) Aus der Vorlageentscheidung geht weiter hervor, dass nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Zwangsversteigerungsgesetzes in einem Zwangsversteigerungsverfahren laufende und rückständige Grundsteuerforderungen aus den letzten zwei Jahren privilegiert werden und bei der Erlösverteilung daher Vorrang haben gegenüber u. a. den Grundpfandrechten von Kreditgebern, wie etwa Hypotheken und Grundschulden.

( 54 ) Insoweit unterscheiden sich – so das vorlegende Gericht – derartige öffentliche Lasten von den Privilegien„der romanischen Rechtsordnungen“, deren Inhaber auf eine vorrangige Befriedigung beschränkt sind und die nicht unter Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 fallen sollen. Hervorhebung nur hier.

( 55 ) Das vorlegende Gericht nimmt auch auf den Begriff „dingliches Recht“ nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Bezug, auf den auch der Virgós-Schmit-Bericht verweist (Nr. 103).

( 56 ) Vgl. Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge.

( 57 ) Vgl. Nr. 16 der vorliegenden Schlussanträge.

( 58 ) Die Kommission nimmt insoweit auf Nr. 97 des Virgós-Schmit-Berichts Bezug, ohne weitere Nummern dieses Berichts zu erwähnen.

( 59 ) Ubi lex non distinguit, nec nos distinguere debemus.

( 60 ) Die Vereinfachung der Vermögensverwaltung ist eines der von den Unionsorganen mit dieser Verordnung angestrebten Ziele. Vgl. in diesem Sinne Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 92, 106 und 107. Im Schrifttum werden als Beispiele für eine restriktive Auslegung die Versuche angeführt, die Tragweite der Ausnahme in den Insolvenzverfahren zu begrenzen, oder auch die Behauptung, Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 habe keinen materiell-rechtlichen Charakter, sondern den einer Kollisionsnorm. Ebd., S. 106.

( 61 ) Nach diesem Artikel kann „[j]eder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, einschließlich der Steuerbehörden … der Mitgliedstaaten, … seine Forderungen in dem Insolvenzverfahren schriftlich anmelden“. Hervorhebung nur hier.

( 62 ) Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass es, auch wenn Art. 39 der Verordnung Nr. 1346/2000 nur die Anmeldung der Forderungen betreffe, auch gegen Sinn und Zweck dieses Artikels verstieße, wäre es möglich, die Gläubiger – einschließlich der Finanzbehörden – hinsichtlich der Dividendenzahlungen zu diskriminieren. Vgl. in diesem Sinne Fletcher, I. F., Insolvency in Private International Law, 2. Aufl., Oxford University Press, 2005, S. 436.

( 63 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. 2001, L 125, S. 15) in der durch die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 (ABl. 2014, L 173, S. 190) geänderten Fassung.

( 64 ) Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (Neufassung) (ABl. 2009, L 335, S. 1). Durch diese Richtlinie wurde die Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (ABl. 2001, L 110, S. 28) aufgehoben.

( 65 ) Nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2001/24 und Art. 282 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138 (ex-Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2001/17) hat jeder Gläubiger, einschließlich öffentlich-rechtlicher Stellen in den Mitgliedstaaten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Wohnsitz oder seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat hat, das Recht, seine Forderung anzumelden oder schriftlich zu erläutern. Hervorhebung nur hier. Vgl. zu diesen Artikeln, Moss, G., und Wessels, B., EU Banking and Insurance Insolvency, G. Moss und B. Wessels, Oxford University Press, 2006, S. 76 und 136. Zur Definition des „Herkunftsmitgliedstaats“ vgl. Art. 2 der Richtlinie 2001/24 und Art. 268 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/138. Ebd., S. 53 und 114.

( 66 ) Hierzu heißt es im Schrifttum auch: „… it would seem contrary to the coherence of the Community law system to allow any other solution in the context of this Regulation“, Virgós, M., und Garcimartín, F., a. a. O., S. 150 und 151.

( 67 ) Ebd., S. 151: „The same argument can be made in favour of admitting claims of Member States’ public authorities other than tax or social security autorithies“.

( 68 ) U. A. entspricht der dingliche Rechte Dritter betreffende Art. 286 der Richtlinie 2009/138 Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000.

( 69 ) Urteil vom 16. April 2015 (C‑557/13, EU:C:2015:227, Rn. 27 und 28).

( 70 ) Dieses dingliche Recht setzte die Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner voraus. Nach dem Schrifttum handelt es sich bei den dinglichen Rechten im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 1346/2000 nicht nur um Rechte, die durch Rechtsakt begründet werden, sondern auch um solche, die ipso iure entstehen. Porzycki, M., a. a. O., S. 405.

( 71 ) Ipso iure entstandene Lasten zugunsten des Staates als Gläubiger sind dem Anschein nach u. a im österreichischen und im dänischen Recht vorgesehen (das Königreich Dänemark ist von der Verordnung allerdings nicht betroffen). Im griechischen Recht gibt es offensichtlich ein Vorrecht des Staates, das es der Staatskasse erlaubt, zur Befriedigung von Steuerforderungen Grundbesitz zu beschlagnahmen. Die einzelstaatlichen Gesetzgeber haben auch auf durch Gesetz vorgesehene dingliche Sicherheiten zurückgegriffen (Hypotheken kraft Gesetzes), häufig öffentlich-rechtlicher Natur, wie es u. a. im französischen, im polnischen oder im portugiesischen Recht der Fall zu sein scheint. Sie haben ferner auf Grundbesitz ruhende Lasten vorgesehen, mit dem Ziel, die Einziehung öffentlich-rechtlicher Forderungen sicherzustellen, beispielsweise in Form der gesetzlichen Privilegien nach französischem Recht, dem Pfandrecht der Staatskasse im polnischen Recht oder der Seepfandrechte im zyprischen, im dänischen, im finnischen oder im schwedischen Recht.

( 72 ) Vgl. Erwägungsgründe 22 und 68. Vgl. in diesem Sinne Moss, G., Fletcher, I. F., und Isaacs, S., a. a. O., S. 455.

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