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Document 62015CC0134

Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 16. März 2016.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:169

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 16. März 2016 ( 1 )

Rechtssache C‑134/15

Lidl GmbH & Co. KG

gegen

Freistaat Sachsen

(Vorabentscheidungsersuchen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Verordnung Nr. 543/2008 der Kommission — Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch — Gültigkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b — Frisches Geflügelfleisch in Fertigpackungen — Verpflichtung zur Angabe des Gesamtpreises und des Preises je Gewichtseinheit auf der Fertigpackung oder auf einem daran befestigten Etikett auf der Einzelhandelsstufe — Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta der Grundrechte — Recht auf freie Berufsausübung — Unternehmerische Freiheit — Verhältnismäßigkeit — Art. 40 Abs. 2 AEUV — Nichtdiskriminierung“

1. 

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 543/2008 der Kommission ( 2 ), der die Pflicht zur Etikettierung von frischem Geflügelfleisch vorsieht. Nach dieser Bestimmung ist bei frischem Geflügelfleisch in Fertigpackungen auf der Verpackung oder auf einem daran befestigten Etikett der Gesamtpreis und der Preis je Gewichtseinheit anzubringen (im Folgenden: Etikettierungspflicht).

2. 

Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof, ob die Etikettierungspflicht mit Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) vereinbar ist. In Anbetracht dessen, dass die Etikettierungspflicht ausschließlich für frisches Geflügelfleisch und keine anderen Fleischsorten gilt, bittet das vorlegende Gericht den Gerichtshof außerdem um Klärung der Frage, ob Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 mit dem in Art. 40 Abs. 2 AEUV verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar ist.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

3.

Art. 121 Buchst. e Ziff. iv der Verordnung Nr. 1234/2007 ( 3 ) sieht vor, dass die Kommission hinsichtlich der Vermarktung von Geflügelfleisch Durchführungsbestimmungen festlegt, darunter „Bestimmungen zu den zusätzlichen Angaben in den begleitenden Warenpapieren, zu Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmtem Geflügelfleisch sowie die Werbung hierfür, sowie Angaben über die Verkehrsbezeichnung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2000/13/EG“.

4.

Die Verordnung Nr. 543/2008 der Kommission legt auf der Grundlage von Art. 121 Buchst. e und Art. 4 der Verordnung Nr. 1234/2007 Durchführungsvorschriften für die Anwendung der Verordnung Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch fest.

5.

Der zehnte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 543/2008 lautet: „Um den Verbraucher ausreichend, unmissverständlich und objektiv über die zum Verkauf angebotenen Erzeugnisse zu informieren und den gemeinschaftsweit freien Verkehr dieser Erzeugnisse zu gewährleisten, sollte sichergestellt werden, dass die Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch den Vorschriften der Richtlinie 76/211/EWG des Rates vom 20. Januar 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfüllung bestimmter Erzeugnisse nach Gewicht oder Volumen in Fertigpackungen so weit wie möglich Rechnung tragen.“

6.

Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 543/2008 bestimmt: „Neben den Anforderungen der entsprechend der Richtlinie 2000/13/EG erlassenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften müssen Etikettierung und Aufmachung des für den Endverbraucher bestimmten Geflügelfleisches sowie die Werbung dafür den zusätzlichen Anforderungen der Absätze 3 und 4 dieses Artikels genügen.“

7.

Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008, der den Inhalt von Art. 5 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates ( 4 ) übernimmt, bestimmt: „Bei Geflügelfleisch in Fertigpackungen sind auf der Verpackung oder auf einem daran befestigten Etikett folgende Angaben anzubringen: … bei frischem Geflügelfleisch Gesamtpreis und Preis je Gewichtseinheit auf der Einzelhandelsstufe“ ( 5 ).

8.

Die Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür enthielt keine Vorschrift hinsichtlich Preisetikettierungspflichten.

9.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse ( 6 ) sind „[b]ei den in Artikel 1 bezeichneten Erzeugnissen … der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit anzugeben, wobei für die Angabe des Preises je Maßeinheit die Bestimmungen von Artikel 5 gelten. Der Preis je Maßeinheit muss nicht angegeben werden, wenn er mit dem Verkaufspreis identisch ist.“

II – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

10.

Die Lidl GmbH & Co. KG, die Klägerin, ist ein Einzelhandelsunternehmen, das in Deutschland Lebensmitteldiscountmärkte betreibt. In verschiedenen Handelsfilialen in der Region um Lampertswalde bietet die Klägerin u. a. frisches Geflügelfleisch in Fertigpackungen zum Verkauf an. Die Preisauszeichnung für frisches Geflügelfleisch erfolgt nicht unmittelbar mit einem Etikett auf der Ware, sondern mittels an den Regalen befestigter Preisschilder.

11.

Die damalige Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft (jetzt: Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie), die diese Preisauszeichnungspraxis bei verschiedenen Kontrollen feststellte, war der Ansicht, dass diese Praxis gegen Art. 5 Abs. 3 Buchst. b der zum Kontrollzeitpunkt geltenden Verordnung Nr. 1906/90, der inhaltlich dem jetzt geltenden Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 entspricht, verstoße.

12.

Die Klägerin erhob im Jahr 2007 Klage auf Feststellung, dass diese Art der Preisauszeichnung von frischem Geflügelfleisch in Fertigpackungen mit der Etikettierungspflicht gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1906/90 und danach gemäß Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 vereinbar sei. Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Bestimmung des Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 sei unwirksam, weil sie gegen Art. 6 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 der Charta verstoße. Sie stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar. Die Klage wurde 2010 mit Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden abgewiesen.

13.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch vor dem vorlegenden Gericht, dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht, weiter. In seinem Vorlagebeschluss stellt das vorlegende Gericht die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 aus zwei Gründen in Frage.

14.

Das vorlegende Gericht hat erstens Zweifel, ob der durch die Etikettierungspflicht bewirkte Eingriff im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta gerechtfertigt ist. Zwar werde durch die Etikettierungspflicht der Wesensgehalt der in Rede stehenden Freiheiten und Rechte nicht angetastet; sie entspreche den verbraucherschutzrechtlichen Grundsätzen, wie sie in der Union anerkannt sind, und sei für diese Zwecke geeignet und erforderlich. Fraglich sei aber, ob die Etikettierungspflicht auf einem angemessenen Interessenausgleich beruhe.

15.

Zweitens sei die Gültigkeit der Etikettierungspflicht für Geflügelfleisch auch im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung gemäß Art. 40 Abs. 2 AEUV fraglich. Für anderes Fleisch in Fertigpackungen, wie etwa Rind-, Schweine-, Schaf- und Ziegenfleisch, für das in der Verordnung Nr. 1308/2013 ebenfalls Regelungen zur gemeinsamen Marktorganisation getroffen würden, bestehe keine derartige Etikettierungspflicht. Die Etikettierungspflicht für frisches Geflügelfleisch stelle eine Ungleichbehandlung dar, weil vergleichbare Fälle unterschiedlich behandelt würden. Insbesondere bestünden Zweifel daran, ob eine solche Ungleichbehandlung aus Gründen des Verbraucherschutzes objektiv gerechtfertigt sei.

16.

Unter diesen Umständen hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta vereinbar?

2.

Ist Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 mit Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV vereinbar?

17.

Die Lidl GmbH & Co. KG, der Freistaat Sachsen (Beklagter des Ausgangsverfahrens) und die Kommission haben schriftliche Stellungnahmen eingereicht und in der Sitzung vom 13. Januar 2016 mündliche Ausführungen gemacht.

III – Prüfung der Vorlagefragen

A – Erste Frage: Ist die Etikettierungspflicht mit Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta vereinbar?

18.

Für meinen Vorschlag zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage werde ich zunächst ermitteln, anhand welcher Bestimmung der Charta die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 zu prüfen ist (Abschnitt 1). Danach werde ich die Vereinbarkeit der Etikettierungspflicht mit dieser Chartabestimmung prüfen (Abschnitt 2), indem ich untersuchen werde, ob dieser Eingriff eine gesetzliche Grundlage hat und den Wesensgehalt des betreffenden Rechts achtet (Unterabschnitt a) und ob er mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (Unterabschnitt b).

1. Welche Bestimmung ist anzuwenden: Art. 15 Abs. 1 oder Art. 16 der Charta?

19.

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist die Gültigkeit der Etikettierungspflicht sowohl im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 als auch auf Art. 16 der Charta zu prüfen. Das Gericht führt aus, dass die Klägerin durch die Etikettierungspflicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit und ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit betroffen sei. In gleicher Weise vertritt auch die Klägerin die Ansicht, dass die Etikettierungspflicht eine Beschränkung der in Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta gewährleisteten Freiheiten und Rechte darstelle. Beide Bestimmungen werden auch in den Stellungnahmen des Freistaats Sachsen erwähnt. Demgegenüber meint die Kommission, nur Art. 16 komme hier in Betracht.

20.

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass zwischen den Rechten und Freiheiten aus Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta ein enger Zusammenhang besteht. Dies lässt sich ohne Weiteres der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon entnehmen. Der Gerichtshof hat damals in unterschiedlichen Formulierungen auf die Freiheit der Arbeit, des Handels und anderer Berufstätigkeiten, das Recht auf freie Berufsausübung, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder die Freiheit der Wirtschaftstätigkeit als allgemeine Rechtsgrundsätze verwiesen ( 7 ). Er hat anerkannt, dass die Begriffe ineinander übergehen, indem er festgestellt hat, dass die unternehmerische Freiheit „sich mit der Berufsausübungsfreiheit überschneidet“ ( 8 ).

21.

Auch in der Rechtsprechung nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bleibt diese Überschneidung erkennbar. Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta werden oft gemeinsam herangezogen und ausgelegt, auch zusammen mit Art. 17 der Charta (Eigentumsrecht) ( 9 ). Es lässt sich sagen, dass alle diese Bestimmungen dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Einzelnen dienen.

22.

Die Tatsache, dass die Charta nunmehr zwei eigenständige Vorschriften enthält, zeigt jedoch, dass es zwischen den Begriffen „Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten“ (Art. 15 Abs. 1) und „unternehmerische Freiheit“ (Art. 16) gewisse Unterschiede gibt.

23.

Auf struktureller Ebene ist die Unterscheidung zwischen den beiden Vorschriften nicht ohne Folgen. Art. 16 der Charta gewährt, worauf die Kommission und der Freistaat Sachsen hinweisen, einen größeren Regelungsspielraum für Bestimmungen, die in die unternehmerische Freiheit eingreifen. Dies zeigt sich am Wortlaut der Vorschrift, in der im Gegensatz zu anderen Freiheiten in Kapitel II der Charta das Unionsrecht und das nationale Recht sowie die Gepflogenheiten in Bezug genommen werden. Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass „die unternehmerische Freiheit einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden [kann], die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können“ ( 10 ).

24.

Dieses relativ weite Ermessen der Staaten zur Regelung der Wirtschaftstätigkeiten kommt auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Ausdruck. Bei der Auslegung von Art. 1 des Protokolls 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention hat der EGMR festgestellt, dass die Staaten „für die Regelung der Nutzung des Eigentums in Einklang mit dem Allgemeininteresse“ einen großen Ermessensspielraum besitzen ( 11 ).

25.

Somit lässt Art. 16 der Charta ohne Zweifel ein größeres Maß beschränkender staatlicher Eingriffe zu als Art. 15 Abs. 1. Auch wenn es hinsichtlich der möglichen Beschränkungen dieser Freiheiten erkennbare Unterschiede gibt, lässt sich für die ursprüngliche Definition des Anwendungsbereichs des jeweiligen Rechts daraus nur wenig herleiten. Beide Artikel schützen den Bereich der individuellen Autonomie auf den eng miteinander verbundenen Gebieten Beruf und Unternehmen. Beide betreffen ihrem Wesen nach eine wirtschaftliche Tätigkeit. Es gibt daher kein festumrissenes Kriterium, um die Anwendungsbereiche der beiden Artikel etwa danach voneinander abzugrenzen, ob der Betroffene eine natürliche oder eine juristische Person ist oder um welche Art wirtschaftlicher Tätigkeit es geht ( 12 ).

26.

Auch wenn exakte Kriterien für die Abgrenzung zwischen Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta fehlen, lassen sich doch zumindest einige ungefähre Leitlinien erkennen. Auf der einen Seite stehen bei Art. 15 Abs. 1 die Wahlfreiheit und die Eigenständigkeit der Person im Mittelpunkt, die eng mit den Persönlichkeitsrechten und ihrer Entfaltung verbunden sind. Mit der Bezugnahme auf „arbeiten“ wird der Schwerpunkt stärker, wenn auch nicht ausschließlich, auf natürliche Personen und berufliche Rechtsverhältnisse gelegt ( 13 ). Die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 weist dagegen einen engeren Bezug zur Unternehmertätigkeit auf und steht dem Eigentumsrecht näher ( 14 ). Der Anwendungsbereich von Art. 16 der Charta, wie er vom Gerichtshof schrittweise definiert wurde, ist somit mehr auf die wirtschaftlichen Aspekte der unternehmerischen Tätigkeit ausgerichtet. Er umfasst die Ausübung einer wirtschaftlichen oder geschäftlichen Tätigkeit, einschließlich der Vertragsfreiheit und des freien Wettbewerbs, der freien Wahl des Geschäftspartners sowie der Freiheit, den Preis für eine Leistung festzulegen ( 15 ). Die unternehmerische Freiheit umfasst außerdem das Recht jedes Unternehmens, frei über seine wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen zu verfügen ( 16 ).

27.

Im Kern dürfte Art. 15 Abs. 1 der Charta somit eher auf Fälle anwendbar sein, in denen es um natürliche Personen und Fragen des Zugangs zu Arbeit und der Berufswahl geht. Umgekehrt ist Art. 16 der Charta eher einschlägig in Bezug auf juristische Personen und die Art und Weise, wie ein bestehendes Unternehmen oder ein bereits gewählter Beruf betrieben bzw. ausgeübt wird und geregelt ist ( 17 ).

28.

Gleichwohl schließen ungefähre Leitlinien für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 nicht aus, dass es im Einzelfall nicht doch Überschneidungen gibt oder dass in geeigneten Fällen nicht sowohl Art. 15 als auch Art. 16 der Charta in Betracht zu ziehen sind. Beispielsfälle, in denen beide Artikel zu prüfen sein können, betreffen Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf durch Lizenzierungs- oder Genehmigungsanforderungen beschränken, oder die Auferlegung sehr belastender Anforderungen an ein Unternehmen.

29.

Im vorliegenden Fall macht die Lidl GmbH & Co. KG geltend, dass die vorgeschriebene Etikettierung ihrer Waren die Art und Weise, wie sie ihre wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben gedenke, beeinträchtige. Die Etikettierungspflicht beschränkt die Klägerin keineswegs in der Freiheit der Berufswahl oder der Ausübung eines frei gewählten Berufs. Sie betrifft lediglich die Art und Weise, wie ein Unternehmen einer (bereits gewählten) wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen kann.

30.

Unter Anwendung der oben dargestellten allgemeinen Leitlinien bin ich daher der Auffassung, dass der vorliegende Fall nach Art. 16 der Charta zu prüfen ist.

2. Vereinbarkeit der Etikettierungspflicht mit Art. 16 der Charta

31.

Wie die Kommission und der Freistaat Sachsen zu Recht bemerkt haben, ist die unternehmerische Freiheit nicht absolut gewährleistet, sondern muss im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion gesehen werden ( 18 ). Im Einklang mit Art. 52 Abs. 1 der Charta kann die Ausübung der in der Charta verankerten Rechte und Freiheiten beschränkt werden, sofern diese Beschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit „erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen“ ( 19 ).

32.

Ich werde nunmehr prüfen, ob die Etikettierungspflicht diesen Anforderungen entspricht.

a) Zulässige Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit

33.

Wie die Klägerin in ihren schriftlichen Erklärungen eingeräumt hat, beruht die Etikettierungspflicht zweifellos auf einer gesetzlichen Grundlage.

34.

Der Gerichtshof hat zudem bereits entschieden, dass die unionsrechtliche Regelung der Etikettierung zwar die Berufstätigkeit der betreffenden Unternehmer in einem klar abgegrenzten Bereich gewissen Beschränkungen unterwirft, „jedoch das Recht auf freie Ausübung dieser Tätigkeit in seinem Wesensgehalt unangetastet [lässt]“ ( 20 ). Die Situation ist hier nicht anders. Deshalb stimme ich der Kommission und dem Freistaat Sachsen darin zu, dass die Etikettierungspflicht den Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit nicht beeinträchtigt.

b) Verhältnismäßigkeit

35.

Zu prüfen bleibt damit, ob die Etikettierungspflicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

i) Allgemeine Erwägungen

36.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der „Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers anhand einer Reihe von Gesichtspunkten eingeschränkt sein [kann]; zu ihnen gehören u. a. der betroffene Bereich, das Wesen des fraglichen durch die Charta gewährleisteten Rechts, Art und Schwere des Eingriffs sowie dessen Zweck“ ( 21 ).

37.

Das bedeutet, dass der Umfang der Nachprüfung durch den Gerichtshof, insbesondere die Tiefe der Verhältnismäßigkeitsprüfung, von Fall zu Fall verschieden sein kann. Zwei Faktoren sind für die Prüfung des vorliegenden Falles besonders wichtig: das betroffene Gebiet des Unionsrechts und das Wesen der fraglichen Rechte.

38.

Zu dem hier betroffenen Rechtsgebiet hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber im Landwirtschaftsbereich über einen Ermessensspielraum verfügt, der seiner politischen Verantwortung entspricht, die ihm die Art. 40 AEUV bis 43 AEUV übertragen ( 22 ). Folglich beschränkt sich die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Prüfung der Frage, ob der Unionsgesetzgeber die Grenzen seines Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat ( 23 ).

39.

Das weite Ermessen der Kommission wird im vorliegenden Fall auch durch das Wesen des in Rede stehenden Rechts bestätigt. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, kann die unternehmerische Freiheit „einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können“ ( 24 ).

40.

Allgemein geht es bei der Verhältnismäßigkeit darum, ob das/die Ziel/e mit dem/den angewandten Mittel/n in Einklang steht. Um mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar zu sein, müssen die getroffenen Maßnahmen zur Erreichung der zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet sein, sie dürfen nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist (stehen mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl, ist die am wenigsten belastende zu wählen), und die verursachten Nachteile müssen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (innerer Ausgleich oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) ( 25 ).

41.

Diese dreistufige Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist in großem Ausmaß inhaltlich flexibel. Sie kann mehr oder weniger streng durchgeführt werden und damit dem Gesetzgeber einen unterschiedlich weiten Spielraum zuerkennen. Jedoch muss die Verhältnismäßigkeitsprüfung stets alle drei Stufen umfassen. Die Tatsache, dass die Maßnahme in einem Bereich wie dem der Landwirtschaft getroffen wurde, in dem die Kommission ein weites Regelungsermessen besitzt, bedeutet nach meiner Auffassung nicht, dass sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Gerichtshof allein auf die Prüfstufe der Geeignetheit beschränken sollte. Vielmehr verlangt sie ein höheres Maß an Zurückhaltung im Rahmen derselben Prüfung. Die Prüfung beschränkt sich dann auf die Feststellung offensichtlicher Fehler ( 26 ). Sie ist jedoch ordnungsgemäß auf jeder der drei Stufen vorzunehmen.

42.

Entsprechend den aufschlussreichen Ausführungen anderer Generalanwälte ( 27 ) ist die Frage einer etwaigen „offensichtlichen Unangemessenheit“ auf allen drei Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu untersuchen. Wie Generalanwältin Kokott kürzlich dargelegt hat ( 28 ), beschränkt sich die gerichtliche Nachprüfung in solchen Fällen auf die Prüfung, ob die Maßnahme zur Erreichung der verfolgten Ziele nicht offensichtlich ungeeignet ist, ob sie nicht offensichtlich über das zur Verwirklichung dieser Ziele Erforderliche hinausgeht oder ob sie nicht Nachteile mit sich bringt, die offensichtlich außer Verhältnis zu jenen Zielen stehen.

43.

Zudem gibt es zwei allgemeinere verfassungsrechtliche Gründe dafür, dass die Maßnahmen der Unionsorgane einer tiefergehenden Nachprüfung einschließlich einer vollständigen dreistufigen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Erstens ist die Charta der Grundrechte aufgrund des Vertrags von Lissabon verbindliches Primärrecht. Damit hat die Überprüfung von Unionsakten auf Grundrechtsverletzungen eine herausgehobene Bedeutung erlangt.

44.

Zweitens ist, da es keine externe gerichtliche Kontrolle gibt ( 29 ), ausschließlich der Gerichtshof dafür zuständig, die Rechtsakte der Unionsorgane auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten zu überprüfen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe erfordert wegen des von der Charta angestrebten hohen Schutzniveaus eine umfassende und wirksame interne Überprüfung des Unionsrechts und der Handlungen der Unionsorgane.

45.

Vor diesem Hintergrund werde ich nun prüfen, ob die Etikettierungspflicht mit dem dreigliedrigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht.

ii) Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den vorliegenden Fall

46.

Die Kommission und der Freistaat Sachsen halten die Etikettierungspflicht für eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme im Hinblick auf das legitime Ziel des Verbraucherschutzes.

47.

Der Verbraucherschutz ist zweifellos ein von der Union insbesondere in Art. 114 Abs. 3 AEUV, Art. 169 AEUV und Art. 38 der Charta anerkanntes im Allgemeininteresse liegendes Ziel. Allerdings gilt er, wie auch eine Reihe anderer Ziele und Werte, nicht absolut. Die Notwendigkeit, den Verbraucherschutz und andere Werte, darunter die unternehmerische Freiheit, in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, hat der Gerichtshof des Öfteren anerkannt ( 30 ).

48.

Die Kommission hat in ihren schriftlichen Erklärungen auf den zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 543/2008 verwiesen. Danach sollte sichergestellt werden, dass die Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch den Vorschriften der Richtlinie 76/211/EWG des Rates ( 31 )„so weit wie möglich“ Rechnung tragen, um den Verbraucher „ausreichend, unmissverständlich und objektiv über die zum Verkauf angebotenen Erzeugnisse zu informieren“. Ich stimme daher zu, dass – obwohl nicht unmittelbar mit der Etikettierungspflicht des vorliegenden Falles verbunden – dieser und andere Erwägungsgründe zeigen, dass das Ziel einer besseren Verbraucherinformation in der Verordnung Nr. 543/2008 ausdrücklich anerkannt wird ( 32 ).

49.

Dagegen meint die Klägerin, dass der Verbraucherschutz durch die Etikettierungspflicht in der Praxis nicht gefördert werde. Sie erschwere spontane Preisanpassungen und beschränke daher die Möglichkeit des kurzfristigen Preiswettbewerbs, was letztlich nicht im wohlverstandenen Interesse der Verbraucher liege.

50.

Obwohl dieser Vortrag der Klägerin bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Etikettierungspflicht mit dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz erheblich sein mag, kann kaum bezweifelt werden, dass eine Preisinformation durch Etikettierung das Ziel des Verbraucherschutzes fördert. Die Etikettierungspflicht erfordert die Angabe des Preises je Gewichtseinheit und des Gesamtpreises auf der Fertigpackung oder auf einem daran befestigten Etikett. Durch die klare und genaue Preisangabe verbessert sie somit die Information des Verbrauchers und ermöglicht ihm dadurch eine informierte Entscheidung. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Etikettierungspflicht sicherlich nicht offensichtlich ungeeignet zur Erreichung des legitimen Ziels einer besseren Verbraucherinformation.

51.

Zum Kriterium der Erforderlichkeit lässt sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Weiteres entnehmen, dass die Etikettierung im Allgemeinen als eine der am wenigsten einschränkenden Formen eines regulatorischen Eingriffs angesehen wird ( 33 ).

52.

Die Klägerin macht jedoch geltend, dass Preisschilder am Verkaufsregal ein milderes rechtliches Mittel zur Erreichung des Verbraucherschutzziels darstellten. Die allgemeine Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6, Verkaufspreis und Preis je Maßeinheit anzugeben (ohne dass vorgeschrieben wäre, wo), erfülle bereits das Ziel einer ausreichenden Verbraucherinformation.

53.

Selbst wenn die Praxis der Klägerin als ein geeignetes Mittel der Preisinformation angesehen werden könnte, ist sie doch meines Erachtens nicht ebenso wirksam wie die Etikettierungspflicht. Es sind verschiedene Situationen denkbar, in denen die Angabe des Gesamtpreises und des Preises je Gewichtseinheit auf einem Etikett auf der Fertigpackung eine wirksamere Art der Verbraucherinformation darstellt.

54.

Erstens gewährleistet die Etikettierungspflicht, dass die Preisinformation während des gesamten Einkaufsvorgangs verfügbar ist. Sie ermöglicht einen Preisvergleich, nachdem der Gegenstand dem Verkaufsregal entnommen wurde. Auch schützt sie den Verbraucher in Fällen, in denen die Ware falsch einsortiert wurde.

55.

Zweitens ist die Angabe des Gesamtpreises und des Preises je Gewichtseinheit von noch größerer Relevanz bei Fertigpackungen, die kein Standardgewicht haben. In solchen Fällen entspricht die Etikettierungspflicht sicherlich dem Ziel des Verbraucherschutzes. Sie garantiert die Genauigkeit der Preisinformation und ermöglicht dem Verbraucher eine informierte Entscheidung.

56.

Es ist richtig, dass die Verpflichtung, auf der Verpackung den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, nach den Vorschriften der Richtlinie 98/6 nur für Fertigpackungen gilt, die kein Standardgewicht haben.

57.

Die Kommission verfügt jedoch, wie bereits gesagt, über ein weites Ermessen in diesem Bereich. Angesichts dieser Tatsache bin ich der Auffassung, dass die Kommission nicht offensichtlich über das zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes Erforderliche hinausgegangen ist.

58.

Schließlich ist zu prüfen, ob die Etikettierungspflicht dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer nicht offensichtlich unverhältnismäßige Nachteile auferlegt.

59.

Die Klägerin betont die finanziellen und organisatorischen Belastungen, die mit der Etikettierungspflicht verbunden seien, und macht geltend, dass die widerstreitenden Interessen nicht zu einem angemessenen Ausgleich gebracht worden seien.

60.

Aus den Darlegungen des Freistaats Sachsen in seinen mündlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof ergibt sich jedoch, dass die Etikettierungspflicht für die Erzeuger in der Praxis keine erheblichen zusätzlichen zeitlichen oder kostenmäßigen Belastungen mit sich bringt. Umfang und Einzelheiten der Informationen auf den Etiketten lassen sich in flexibler Weise auf dem Computer zum Zeitpunkt der Produktion ohne wesentliche zusätzliche Kosten abändern.

61.

Auch die zusätzlichen Kosten einer etwaigen Umetikettierung im Einzelhandelsgeschäft bei einer späteren Preisänderung oder einer Werbeaktion sind mäßig. Erstens sind, wie die Kommission und der Freistaat Sachsen in der Verhandlung ausgeführt haben, die davon betroffenen Warenmengen relativ klein. Zweitens erfordert die Umetikettierung bei Preisänderungen für den Einzelhändler gewiss einen gewissen zusätzlichen Aufwand. Wie jedoch der Freistaat Sachsen in der Verhandlung erläutert hat, würde zur Erfüllung der Etikettierungspflicht ein auf dem ursprünglichen Etikett angebrachter Aufkleber ausreichen. Es kann nicht gesagt werden, dass damit im Hinblick auf das Ziel der Information des Verbrauchers über die Preisänderung unverhältnismäßige Kosten verbunden sind.

62.

Aus diesen Gründen schafft die Etikettierungspflicht nach meiner Auffassung keine im Hinblick auf die Interessen der Klägerin offensichtlich unverhältnismäßige Belastung und ist nicht unverhältnismäßig zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes. Demgemäß stellt sie keine unzulässige Beschränkung der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der Charta dar.

63.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage wie folgt zu beantworten: Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 der Kommission im Hinblick auf Art. 16 der Charta beeinträchtigt.

B – Zweite Frage: Ist die Etikettierungspflicht mit Art. 40 Abs. 2 AEUV vereinbar?

64.

Für den Agrarsektor kommt das Diskriminierungsverbot nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs in Art. 40 Abs. 2 AEUV zum Ausdruck ( 34 ). Es gilt für Wirtschaftsteilnehmer, die der gemeinsamen Marktorganisation unterliegen ( 35 ). Diese Bestimmung ist ein spezifischer Ausdruck des allgemeinen Diskriminierungsverbots, das verlangt, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist ( 36 ).

65.

Vorauszuschicken ist, dass die Antwort auf die erste Vorlagefrage der Prüfung der Vereinbarkeit der Etikettierungspflicht mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht vorgreift. Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Etikettierungspflicht mit der in Art. 16 der Charta verankerten unternehmerischen Freiheit handelte es sich um eine Prüfung vertikaler Art: Das erklärte Ziel des Verbraucherschutzes wird in Bezug auf die Etikettierungspflicht nämlich nur für das jeweilige Erzeugnis, hier Geflügelfleisch, geprüft. Diese Prüfung erfolgt weitgehend unabhängig von anderen Erzeugnissen und Sektoren. Demgegenüber bedingt der Grundsatz der Nichtdiskriminierung nach Art. 40 Abs. 2 AEUV eine andere Art der Prüfung, die ihrem Wesen nach horizontal ist: Stellt es eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte dar, dass die Etikettierungspflicht nur und ausschließlich frisches Geflügelfleisch betrifft? Wenn ja, ist eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt?

1. Vergleichbarkeit

66.

Zunächst stellt sich die Frage der Vergleichbarkeit: Welche Erzeuger, Verbraucher und demzufolge Erzeugnisse stellen im Sinne von Art. 40 Abs. 2 AEUV vergleichbare Sachverhalte dar? Hierüber gibt es unterschiedliche Auffassungen.

67.

Auf der einen Seite vertreten das vorlegende Gericht und die Klägerin einen weiten Begriff der Vergleichbarkeit. Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 543/2008 führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber anderen Fleischsorten wie Schweine-, Rind-, Schaf- und Ziegenfleisch, die von dieser Pflicht nicht erfasst werden. In Bezug auf die Etikettierung seien alle Fleischsorten vergleichbar.

68.

Auf der anderen Seite vertritt die Kommission einen engeren Begriff der Vergleichbarkeit und meint, dass bei frischem Geflügelfleisch eine andere Situation bestehe als bei anderen Fleischerzeugnissen. Die Kommission stützt diese Ansicht vor allem auf ein historisches Argument. Sie legt umfassend dar, wie sich der jeweilige rechtliche Rahmen für die einzelnen Fleischsektoren entwickelt hat. Der Unionsgesetzgeber sei im Sektor Geflügelfleisch im Vergleich zu anderen Fleischsektoren weniger interventionistisch gewesen. Zu den wenigen Maßnahmen, die die Union zur Förderung des Geflügelfleischsektors getroffen habe, gehörten Vermarktungsnormen wie die Etikettierungspflicht. Indem sie die Verbraucher schütze, fördere diese Pflicht den Verkauf und damit auch das Ziel, das Einkommen der Landwirte zu verbessern.

69.

Die Darlegungen der Kommission werfen eine Reihe von Fragen auf. Vor allem verlangt die Frage der Vergleichbarkeit ihrer Natur nach eine objektive Prüfung. Es geht darum, ob in Bezug auf eine bestimmte Eigenschaft (das tertium comparationis, das ein Wert, ein Ziel, eine Handlung usw. sein kann) die zu vergleichenden Größen (Personen, Erzeugnisse usw.) mehr Übereinstimmungen oder mehr Unterschiede aufweisen. Für eine solche Prüfung sind frühere subjektive Regelungsentscheidungen sicherlich relevant, insbesondere für die Bestimmung des tertium comparationis ( 37 ). Sie sind aber nicht unbedingt ausschlaggebend.

70.

Die ziemlich komplexen Fragen der Vergleichbarkeit einzelner Agrarsektoren brauchen hier jedoch aus einem einfachen Grund nicht erörtert zu werden: Selbst wenn man der Kommission darin folgen würde, dass Fleischerzeugnisse verschiedener Sektoren nicht vergleichbar sind, bleibt die Tatsache, dass Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 nur ein einziges Erzeugnis, nämlich frisches Geflügelfleisch, der Etikettierungspflicht unterwirft. Wie die Klägerin vorträgt, unterliegen andere Geflügelfleischerzeugnisse, auf die die Verordnung Nr. 543/2008 ebenfalls anwendbar ist, wie gefrorenes oder tiefgefrorenes Geflügelfleisch ( 38 ), nicht der Etikettierungspflicht ( 39 ).

71.

Selbst wenn man also den von der Kommission vertretenen engen Begriff der Vergleichbarkeit ausschließlich für Geflügelfleisch akzeptieren würde, bliebe es doch bei einer Ungleichbehandlung allein innerhalb des Geflügelfleischsektors.

2. Objektive Rechtfertigung

72.

Nach der Feststellung einer Ungleichbehandlung ist nun zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt ist.

73.

Die Kommission beruft sich auf ihr Ermessen bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik. Wie ich bereits oben in Nr. 38 angemerkt habe, hat der Gerichtshof in der Tat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Unionsorgane im Bereich Landwirtschaft ein weites Ermessen besitzen. Folglich beschränkt er sich bei der Prüfung eines behaupteten Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Bereich der Landwirtschaft auf die Frage, ob die betreffende Maßnahme nicht mit einem offensichtlichen Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat ( 40 ).

74.

Gleichwohl erfordert eine Ungleichbehandlung in diesem Bereich immer noch eine Rechtfertigung durch objektive Gründe, die nicht offensichtlich unangemessen sind ( 41 ). Es obliegt insbesondere dem Organ, das die betreffende Maßnahme getroffen hat, das Vorliegen solcher objektiver Kriterien darzutun und dem Gerichtshof die Informationen vorzutragen, deren er bedarf, um das Vorliegen dieser Kriterien zu überprüfen ( 42 ).

75.

Obwohl die Kommission in der Verhandlung mehrmals dazu befragt worden ist, besteht weiterhin eine merkliche Unklarheit über die objektiven Gründe für die Einführung einer Etikettierungspflicht ausschließlich für frisches Geflügelfleisch, nicht aber für andere Arten von Geflügelfleisch. Zwei mögliche objektive Gründe hat die Kommission angeführt: erstens den Verbraucherschutz als solchen und zweitens einen erhöhten Verbraucherschutz als indirektes Mittel zur Steigerung der Einkommen der Landwirte.

76.

Es fällt mir schwer, diese Argumente als tragfähige Rechtfertigung für die in Rede stehende Ungleichbehandlung zu akzeptieren.

77.

Obwohl die Etikettierungspflicht als per se geeignet für die Erreichung eines hohen Maßes an Verbraucherinformation angesehen werden kann, wurden keine objektiven Gründe angeführt, um zu erklären, warum diese Pflicht nur für frisches Geflügelfleisch und nicht auch für die anderen von der Verordnung erfassten Arten von Geflügelfleisch gelten soll.

78.

Im Allgemeinen kann die Verderblichkeit frischer Erzeugnisse bestimmte Unterschiede im Informationsgehalt der Etiketten, die auf den Fertigpackungen von Fleischprodukten angebracht werden, theoretisch rechtfertigen ( 43 ). Es wurden aber keine besonderen Merkmale angeführt, die in Bezug auf die Preisangabe unterschiedliche Anforderungen an die Etikettierung rechtfertigen würden ( 44 ). Im Gegenteil: In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerin und der Freistaat Sachsen bestätigt, dass die behaupteten besonderen Merkmale von frischem Geflügelfleisch hinsichtlich Haltbarmachung, Transport, Schlachtung, Zerlegung, Vermarktung und Größe von Geflügelfleisch keinerlei Einfluss auf die Herstellung von Packungen mit Standardgewicht haben. Wenn überhaupt hätten die besonderen Merkmale nicht nur für frisches Geflügelfleisch Geltung, sondern auch für andere Arten von Geflügelfleisch, die der Etikettierungspflicht nicht unterliegen.

79.

Die Kommission hat ferner erklärt, dass sich aufgrund des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6 die Unterschiede in der rechtlichen Behandlung von Geflügelfleisch und anderen Fleischarten verringert hätten, da die Anwendung dieser Bestimmung darauf hinauslaufe, dass insbesondere bei Produkten mit unterschiedlichem Gewicht der Verkaufspreis auf der Fertigpackung angegeben werden müsse. Diese allgemeine Regelung bedeute nicht, dass das Schutzniveau im Geflügelfleischsektor abgesenkt worden sei. Dieser Argumentationslinie folgend erklärt auch der Freistaat Sachsen in Analogie zur Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der tierseuchenrechtlichen und gesundheitlichen Bedingungen ( 45 ), dass die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung nicht das niedrigste Schutzniveau zur Folge haben dürfe.

80.

Auch diese Argumente liefern meiner Ansicht nach keine tragfähige Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.

81.

Erstens geht das Vorbringen der Kommission fehl, das Ausmaß der Ungleichbehandlung habe sich durch die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6 festgelegte allgemeine Kennzeichnungspflicht verringert. Zum einen rechtfertigt es keinesfalls eine verbleibende Ungleichbehandlung und rechtfertigt gewiss nicht die Ungleichbehandlung per se.

82.

Zweitens ist der vorliegende Fall von der Rechtssache ABNA u. a., auf die sich der Freistaat Sachsen beruft, zu unterscheiden. In jener Rechtssache hat der Gerichtshof die Vereinbarkeit einer Anforderung der Richtlinie 2002/2 ( 46 ) mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung geprüft, die darin bestand, dass die Hersteller von Futtermitteln für Tiere einer Informationspflicht unterworfen wurden, der Lebensmittel für den menschlichen Verzehr nicht unterlagen. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in der Tatsache, dass derart restriktive Maßnahmen auch in Sektoren gerechtfertigt wären, in denen solche Maßnahmen noch nicht getroffen wurden, keinen ausreichenden Grund dafür gesehen, dass die streitigen Maßnahmen wegen ihres diskriminierenden Charakters rechtswidrig wären. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass dies „[a]nderenfalls … dazu führen [würde], dass das Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit an diejenige bestehende Regelung angeglichen würde, die den niedrigsten Schutz aufweist“ ( 47 ).

83.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich klar von der Situation in der Rechtssache ABNA u. a. Erstens betraf jene Rechtssache nicht eine Ungleichbehandlung von Erzeugnissen im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik, die unter eine gemeinsame Marktorganisation fielen. Die Richtlinie 2002/2 beruhte vielmehr auf Art. 152 Abs. 4 Buchst. b EGV (jetzt Art. 168 Abs. 4 Buchst. b AEUV) und somit auf einer Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus für den Menschen. Im Gegensatz zur Rechtssache ABNA u. a. begründet die vorliegend umstrittene Etikettierungspflicht eine Ungleichbehandlung in Bezug auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zu demselben Sektor gehören, nämlich zum Geflügelfleischsektor gemäß der Verordnung Nr. 1234/2007 und der Durchführungsverordnung Nr. 543/2008. Zweitens waren die strengeren Vorschriften für Futtermittel, worauf der Generalanwalt in jenem Fall hingewiesen hat, wegen der engen Verbindung des Futtermittelbereichs mit den Gesundheitskrisen, wie der BSE- und der Dioxinkrise, auf die der Erlass der Richtlinie 2002/2 zurückging, objektiv gerechtfertigt ( 48 ).

84.

Die zweite Argumentationslinie der Kommission für eine mögliche Rechtfertigung nennt den Verbraucherschutz als Ziel, diesmal jedoch nicht als ein eigenständiges Ziel, sondern als einen Zwischenwert zum eigentlichen Ziel der Einkommensverbesserung für die Landwirte. Die Kommission argumentiert wie folgt: Indem der Verbraucher zusätzliche Informationen erhalte, stärke die Preisinformation auf der Verpackung das Vertrauen des Verbrauchers in das Erzeugnis. Ein gestärktes Vertrauen der Verbraucher fördere den Absatz und führe schließlich zu Einkommenssteigerungen für die Landwirte.

85.

Dieses Argument überzeugt nicht. Selbstverständlich haben auch die Klägerin und andere Einzelhändler ein Interesse an der Förderung der Verkäufe. Wie die Klägerin jedoch ausführlich erläutert hat, führen die zusätzlichen Kosten, die mit der Etikettierungspflicht verbunden sind, bei Preisanpassungen und Werbeaktionen für frisches Geflügelfleisch zu einer höheren Belastung der Einzelhändler und halten dadurch von Verkäufen gerade dieses Erzeugnisses ab. Es ist schwer vorstellbar, wie eine zusätzliche Etikettierungspflicht zu einer Steigerung der Verkäufe beitragen soll.

86.

Unabhängig von Mutmaßungen über die soziale Wirklichkeit und die Verbrauchervorstellungen bleibt aber die Tatsache, dass die Kommission keine objektive Rechtfertigung angeführt hat, die erklären würde, warum – selbst wenn man der Prämisse folgen würde, dass die Etikettierungspflicht zur Steigerung der Einkommen der Landwirte beitragen würde – eine solche Maßnahme auf frisches Geflügelfleisch beschränkt ist und für andere Arten von Geflügelfleisch nicht gilt.

87.

Nach meiner Auffassung enthalten daher weder das erste noch das zweite Argument der Kommission eine objektive Rechtfertigung für die unterschiedlichen Etikettierungsanforderungen im Geflügelfleischsektor.

88.

Schließlich beruft sich die Kommission auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der zufolge die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union nach der Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Aktes zu beurteilen ist ( 49 ). In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, dass, wenn sie jetzt entsprechende Vorschriften zu erlassen hätte, diese möglicherweise anders ausfallen würden. Die Kommission ist somit der Auffassung, dass ihr Ermessen auch eine historische Dimension habe: Ihr müsse gestattet werden, Änderungen schrittweise durchzuführen. In einem solchen Kontext sei es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, einzugreifen und diese Vorschriften für ungültig zu erklären.

89.

Auf dieses Vorbringen lassen sich zwei Antworten geben: eine konkrete fallspezifische und eine allgemeine verfassungsrechtliche. Konkret auf den vorliegenden Fall bezogen genügt der Hinweis, dass die Etikettierungspflicht, die ursprünglich in Art. 5 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1906/90 ( 50 ) normiert war, in die in Rede stehende, 2008 erlassene Durchführungsverordnung übernommen worden ist. Es kann also davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber im Jahr 2008 dieselbe Regelungsentscheidung treffen wollte. Dem Gerichtshof liegen keine Informationen vor, anhand deren sich feststellen ließe, dass zum damaligen Zeitpunkt technische oder andere objektive Gründe bestanden, die die im vorliegenden Fall geltend gemachte Ungleichbehandlung rechtfertigen würden.

90.

Auf allgemeinerer Ebene lässt sich sagen, dass das weite Ermessen, das die Organe der Union in bestimmten Bereichen genießen, nach meiner Auffassung nicht als eine Art zeitlich unbegrenzter Blankoscheck verstanden werden kann, aufgrund dessen frühere Regelungsentscheidungen für die Marktorganisation als immerwährende und ausreichende Rechtfertigung ihrer fortdauernden Anwendung in einem erheblich gewandelten Markt und sozialen Umfeld angesehen werden können. Um es bildhaft auszudrücken: Der Gesetzgeber muss ähnlich einem Förster den gesetzgeberischen Aufwuchs regelmäßig pflegen. Er hat nicht nur die Aufgabe, neue Bäume zu pflanzen, sondern er muss auch in regelmäßigen Abständen den Wald ausdünnen und Totholz beseitigen. Tut er dies nicht, darf er sich nicht wundern, wenn sich ein anderer zum Einschreiten veranlasst sieht.

91.

Aus all diesen Gründen, selbst bei Berücksichtigung eines weiten Ermessens der Kommission und unter Anwendung nicht allzu strenger Prüfungsmaßstäbe, muss ich feststellen, dass es der Kommission nicht gelungen ist, irgendein objektives Kriterium zu nennen, mit dem die Ungleichbehandlung in Bezug auf die Etikettierungsanforderungen zwischen den verschiedenen Arten von Geflügelfleisch gerechtfertigt werden könnte.

92.

Der Gerichtshof sollte daher meines Erachtens die zweite Vorlagefrage wie folgt beantworten: Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 der Kommission ist ungültig, soweit er unter Verstoß gegen Art. 40 Abs. 2 AEUV eine Diskriminierung zwischen verschiedenen Arten von Geflügelfleisch bewirkt.

IV – Ergebnis

93.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts wie folgt zu beantworten:

1.

Die Prüfung der ersten Vorlagefrage im Licht des Art. 16 der Charta hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 543/2008 der Kommission vom 16. Juni 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch beeinträchtigen könnte.

2.

Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 543/2008 ist ungültig, soweit er unter Verstoß gegen Art. 40 Abs. 2 AEUV eine Diskriminierung zwischen verschiedenen Arten von Geflügelfleisch bewirkt.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung (EG) Nr. 543/2008 der Kommission vom 16. Juni 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABl. 2008, L 157, S. 46).

( 3 ) Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. 2007, L 299, S. 1). Die genannte Verordnung wurde aufgehoben durch die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. 2013, L 347, S. 671). Die Bestimmung, auf die die Verordnung Nr. 543/2008 gestützt ist, Art. 121 Buchst. e Ziff. iv der Verordnung Nr. 1234/2007, gehört aber zu den Bestimmungen, die nach Art. 230 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1308/2013 weiterhin gelten. Gemäß Art. 230 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 gelten Verweise auf die Verordnung Nr. 1234/2007 als Verweise auf die Verordnung Nr. 1308/2013 und auf die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 nach der Entsprechungstabelle in Anhang XIV der Verordnung Nr. 1308/2013.

( 4 ) Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26. Juni 1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABl. 1990, L 173, S. 1), aufgehoben durch die Verordnung Nr. 1234/2007.

( 5 ) Nach Art. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 543/2008 bedeutet „Geflügelfleisch in Fertigpackungen“ gemäß Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 (ABl. 2000, L 109, S. 29) angebotenes Geflügelfleisch. Gemäß Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2000/13 bedeutet „‚vorverpackte Lebensmittel‘ die Verkaufseinheit, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher und an gemeinschaftliche Einrichtungen abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten abgepackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, dass der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss oder eine Veränderung erfährt“. Die Richtlinie 2000/13 ist durch die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (ABl. 2011, L 304, S. 18) aufgehoben worden. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 1169/2011 behält jedoch die genannte Begriffsbestimmung bei und ergänzt, dass „Lebensmitte, die auf Wunsch des Verbrauchers am Verkaufsort verpackt oder im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt werden, ... von dem Begriff ‚vorverpacktes Lebensmittel‘ nicht erfasst [werden]“.

( 6 ) Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABl. 1998, L 80, S. 27).

( 7 ) Vgl. u. a. hinsichtlich der unterschiedlichen Formulierungen Urteile Nold/Kommission (C‑4/73, EU:C:1974:51, Rn. 14), Hauer (C‑44/79, EU:C:1979:290, Rn. 32), Eridania (C‑230/78, EU:C:1979:216, Rn. 21), Biovilac/EWG (C‑59/83, EU:C:1984:380, Rn. 21), Keller (C‑234/85, EU:C:1986:377, Rn. 8), Finsider/Kommission (C‑63/84 und C‑147/84, EU:C:1985:358, Rn. 24), Rau Lebensmittelwerke u. a. (C‑133/85 bis C‑136/85, EU:C:1987:244, Rn. 19), Schräder HS Kraftfutter (C‑265/87, EU:C:1989:303, Rn. 15), Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest (C‑143/88 und C‑92/89, EU:C:1991:65, Rn. 76), Kühn (C‑177/90, EU:C:1992:2, Rn. 16), Deutschland/Rat (C‑280/93, EU:C:1994:367, Rn. 81) und Bosphorus (C‑84/95, EU:C:1996:312, Rn. 22).

( 8 ) Urteil Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 51).

( 9 ) Vgl. z. B. Urteile Deutsches Weintor (C‑544/10, EU:C:2012:526, Rn. 44 ff.), Interseroh Scrap and Metals Trading (C‑1/11, EU:C:2012:194, Rn. 43) und Pfleger u. a. (C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 57 ff.).

( 10 ) Urteile Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 46) und Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft (C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 123).

( 11 ) Vgl. Urteile vom 23. September 1982, Sporrong und Lönnroth, Series A Nr. 52, Rn. 61, vom 24. Oktober 1986, AGOSI/Vereinigtes Königreich, Series A Nr. 108, S. 18, Rn. 52, vom 25. Oktober 1989, Allan Jacobsson/Schweden (Nr. 1) App. Nr. 10842/84 A163, Rn. 55, und vom 20. August 2007, J. A. Pye (Oxford) LTD und J. A. Pye (Oxford) Land LTD/Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 44302/02 2007-III, Rn. 55. Vgl. auch die Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte in der Rechtssache Pinnacle Meat Processors Company u. a./Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998.

( 12 ) So hat Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Gullotta und Farmacia di Gullotta Davide & C. (C‑497/12, EU:C:2015:168, Nr. 69) darauf hingewiesen, dass Unternehmen das Recht nach Art. 15 der Charta zusteht.

( 13 ) Vgl. in diesem Zusammenhang die Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:334, Nr. 24).

( 14 ) Vgl. z. B. Urteil Hauer (C‑44/79, EU:C:1979:290, Rn. 32). Wie Generalanwalt Cruz Villalón in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Alemo-Herron u. a. (C‑426/11, EU:C:2013:82, Nr. 51) ausgeführt hat, schützen aber trotz dieser engen Verbindung das Grundrecht auf Eigentum und die unternehmerische Freiheit unterschiedliche rechtliche Situationen.

( 15 ) Vgl. z. B. Urteile Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 42 ff.), Alemo-Herron u. a. (C‑426/11, EU:C:2013:521, Rn. 32 ff.) und Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 25).

( 16 ) Urteil UPC Telekabel Wien (C‑314/12, EU:C:2014:192, Rn. 49 und 50).

( 17 ) Vgl. die Herangehensweise des Gerichtshofs in den Urteilen Scarlet Extended (C‑70/10, EU:C:2011:771), McDonagh (C‑12/11, EU:C:2013:43), Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28), Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661) oder Neptune Distribution (C‑157/14, EU:C:2015:823).

( 18 ) Vgl. z. B. Urteile Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 45) und Deutsches Weintor (C‑544/10, EU:C:2012:526, Rn. 54).

( 19 ) Vgl. z. B. Urteil Volker und Markus Schecke sowie Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 65).

( 20 ) Urteil Keller (C‑234/85, EU:C:1986:377, Rn. 9). Vgl. auch Urteile Deutsches Weintor (C‑544/10, EU:C:2012:526, Rn. 57 und 58) und Neptune Distribution (C‑157/14, EU:C:2015:823, Rn. 71).

( 21 ) Urteil Digital Rights Ireland (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 47).

( 22 ) Vgl. z. B. Urteile Fédesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 14), Schräder HS Kraftfutter (C‑265/87, EU:C:1989:302, Rn. 22) und Spanien/Rat (C‑310/04, EU:C:2006:521, Rn. 96 ff.).

( 23 ) Vgl. u. a. Urteile Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 48) und AJD Tuna (C‑221/09, EU:C:2011:153, Rn. 80).

( 24 ) Vgl. u. a. Urteil Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 28).

( 25 ) Vgl. u. a. Urteile Jippes u. a. (C‑189/01, EU:C:2001:420, Rn. 81), Agrana Zucker (C‑309/10, EU:C:2011:531, Rn. 42), Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 29) oder Léger (C‑528/13, EU:C:2015:288, Rn. 58).

( 26 ) Vgl. hierzu Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache ABNA u. a. (C‑453/03, EU:C:2005:202, Nr. 57).

( 27 ) Vgl. u. a. Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, EU:C:2009:142, Nrn. 74 ff.) und Association Kokopelli (C‑59/11, EU:C:2012:28, Nr. 61) und von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:334, Nr. 40).

( 28 ) Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen Polen/Parlament und Rat (C‑358/14, EU:C:2015:848, Nr. 89), Pillbox 38 (C‑477/14, EU:C:2015:854, Nr. 58) und Philip Morris Brands u. a. (C‑547/14, EU:C:2015:853, Nr. 150). In diesem Sinne vgl. auch Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Chabo (C‑213/09, EU:C:2010:372, Nrn. 80 ff.).

( 29 ) Vgl. hierzu Gutachten 2/13 (EU:C:2014:2454).

( 30 ) Vgl. z. B. Urteile McDonagh (C‑12/11, EU:C:2013:43, Rn. 63) und Neptune Distribution (C‑157/14, EU:C:2015:823, Rn. 74).

( 31 ) Richtlinie vom 20. Januar 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfüllung bestimmter Erzeugnisse nach Gewicht oder Volumen in Fertigpackungen (ABl. 1976, L 46, S. 1).

( 32 ) Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 6, 11 und 12.

( 33 ) Vgl. z. B. für den Bereich des freien Warenverkehrs Urteil Rau Lebensmittelwerke (261/81, EU:C:1982:382, Rn. 17).

( 34 ) Vgl. u. a. Urteil Agrargenossenschaft Neuzelle (C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 35 ) Vgl. hierzu Urteil Deutschland/Rat (C‑280/93, EU:C:1994:367, Rn. 68).

( 36 ) Vgl. u. a. Urteile Ruckdeschel u. a. (C‑117/76 und C‑16/77, EU:C:1977:160, Rn. 10), Moulins et huileries de Pont-à-Mousson und Providence agricole de la Champagne (C‑124/76 und C‑20/77, EU:C:1977:161, Rn. 22), Niemann (C‑14/01, EU:C:2003:128, Rn. 51) oder Franz Egenberger (C‑313/04, EU:C:2006:454, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 37 ) Die Vergleichbarkeit ist insbesondere „im Licht des Ziels und des Zwecks der Gemeinschaftsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen“ (vgl. Urteil Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu den Besonderheiten bei der Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung in den verschiedenen Sektoren der gemeinsamen Agrarpolitik vgl. Barents, R., „The Significance of the Non-Discrimination Principle for the Common Agricultural Policy: Between Competition and Intervention“, in Mélanges H. G. Schermers, Bd. 2, Martinus Nijhoff Publishers 1994, S. 527 ff., insbesondere S. 538.

( 38 ) Gemäß Anhang XIV Teil B Abschnitt III Nr. 2 der Verordnung Nr. 1234/2007 wird Geflügelfleisch in einem der folgenden Angebotszustände vermarktet: frisch, gefroren oder tiefgefroren. Diese Bestimmung ist jetzt in Anhang VII Teil V Abschnitt III der Verordnung Nr. 1308/2013 enthalten.

( 39 ) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung (EG) Nr. 1047/2009 des Rates vom 19. Oktober 2009 zur Änderung der Verordnung Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABl. 2009, L 290, S. 1) den Anwendungsbereich der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch um „Geflügelfleischzubereitungen“ und „Geflügelfleischerzeugnisse“ erweitert hat.

( 40 ) Vgl. u. a. Urteile Agrargenossenschaft Neuzelle (C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 43) und AJD Tuna (C‑221/09, EU:C:2011:153, Rn. 80).

( 41 ) Vgl. z. B. Urteile Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008 :728, Rn. 58) und Agrargenossenschaft Neuzelle (C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 44 ff.).

( 42 ) Vgl. hierzu z. B. Urteile Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 78) und Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 43 ) Vgl. z. B. die Regelung in der Verordnung Nr. 1169/2011 (in Fn. 5 angeführt).

( 44 ) Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher von Fällen wie denen in den Urteilen Niemann (C‑14/01, EU:C:2003:128, Rn. 51 ff.) oder Association Kokopelli (C‑59/11, EU:C:2012:447, Rn. 73).

( 45 ) Urteil ABNA u. a. (C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, EU:C:2005:741, Rn. 65).

( 46 ) Richtlinie 2002/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 79/373/EWG des Rates über den Verkehr mit Mischfuttermitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 91/357/EWG der Kommission (ABl. 2002, L 63, S. 23).

( 47 ) Urteil ABNA u. a. (C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, EU:C:2005:741, Rn. 65).

( 48 ) Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache ABNA u. a. (C‑453/03, EU:C:2005:202, Nr. 138).

( 49 ) Vgl. z. B. Urteil Agrana Zucker (C‑309/10, EU:C:2011:531, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 50 ) Es ist darauf hinzuweisen, dass der Kommissionsvorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (KOM[89] 580 endg. vom 23. November 1989) in Art. 5 Abs. 3 eine Etikettierungspflicht allgemein für „Geflügelfleisch in Fertigpackungen“ vorsah. Die einzige Etikettierungspflicht für frisches Geflügelfleisch betraf das Verbrauchsdatum.

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