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Document 62014TJ0384

Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 12. Mai 2016 (Auszüge).
Italienische Republik gegen Europäische Kommission.
EAGFL – Abteilung Garantie – EGFL und ELER – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Sektoren der Rinder- und Schafzucht – Pauschale finanzielle Berichtigung – Punktuelle Berichtigung – Art. 48 und 69 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 – Besondere Zahlungsansprüche – Begründungspflicht.
Rechtssache T-384/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2016:298

T‑384/1462014TJ0384EU:T:2016:29800011188T

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

12. Mai 2016 ( *1 )

„EAGFL — Abteilung Garantie — EGFL und ELER — Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben — Sektoren der Rinder- und Schafzucht — Pauschale finanzielle Berichtigung — Punktuelle Berichtigung — Art. 48 und 69 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 — Besondere Zahlungsansprüche — Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑384/14

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri und B. Tidore als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P. Rossi und D. Bianchi als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses 2014/191/EU der Kommission vom 4. April 2014 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. L 104, S. 43), soweit damit bestimmte von der Italienischen Republik getätigte Ausgaben ausgeschlossen werden,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen sowie der Richter F. Dehousse und A. M. Collins (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2015

folgendes

Urteil ( 1 )

[nicht wiedergegeben]

Verfahren und Anträge der Parteien

21

Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 3. Juni 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

22

Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

23

Die Parteien haben in der Sitzung vom 10. Dezember 2015 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

24

Die Italienische Republik beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit damit finanzielle Berichtigungen in Höhe von 5026453,43 sowie 1860259,60 Euro zu ihren Lasten vorgenommen werden;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

25

Die Kommission beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen;

der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

26

Die Italienische Republik stützt ihr Vorgehen gegen den angefochtenen Beschluss auf Klagegründe, mit denen sie im Wesentlichen Folgendes rügt: Verstoß gegen Unionsvorschriften im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch eine unzureichende Begründung sowie Verstoß gegen mehrere allgemeine Grundsätze des Unionsrechts, darunter die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gesetzmäßigkeit und der Rechtssicherheit, indem die Kommission erstens im Rahmen der Gewährung von Ergänzungszahlungen im Sinne von Art. 69 der Verordnung Nr. 1782/2003 und zweitens im Rahmen der Bestimmung der besonderen Zahlungsansprüche im Sinne der Art. 47 und 48 dieser Verordnung finanzielle Berichtigungen vorgenommen habe.

27

In der mündlichen Verhandlung hat die Italienische Republik erklärt, dass sie den Klagegrund zurücknehme, mit dem sie gerügt habe, dass die pauschale Berichtigung in Höhe von 3477225 Euro, die auf die mangelnde Beachtung der Kriterien für die Zulassung einer Zahlstelle gestützt gewesen sei, rechtsfehlerhaft vorgenommen worden sei. Somit beschränkt sich der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits auf die Frage, ob die Kommission die finanziellen Berichtigungen in Höhe von 1860259,60 Euro sowie 5026453,43 Euro zu Recht auf die Art. 47, 48 und 69 der Verordnung Nr. 1782/2003 gestützt hat.

Grundsätzliche Erwägungen

28

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der EAGFL, der EGFL und der ELER (EGFL und ELER im Folgenden zusammen: der Fonds) nur Ausgaben finanzieren, die im Einklang mit dem Unionsrecht im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte getätigt wurden (Urteile vom 8. Mai 2003, Spanien/Kommission, C‑349/97, Slg, EU:C:2003:251, Rn. 45, vom 24. Februar 2005, Griechenland/Kommission, C‑300/02, Slg, EU:C:2005:103, Rn. 32, und vom 12. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑356/08, EU:T:2012:418, Rn. 12).

29

Insoweit geht aus den Vorschriften über den EAGFL und den Fonds hervor, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ein System von Verwaltungskontrollen und Kontrollen vor Ort einzurichten, mit dem sichergestellt werden kann, dass die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen ordnungsgemäß erfüllt sind. Fehlt es an einem solchen System von Kontrollen oder ist das von einem Mitgliedstaat eingerichtete System so mangelhaft, dass es Zweifel an der Beachtung dieser Voraussetzungen fortbestehen lässt, ist die Kommission berechtigt, bestimmte von dem betreffenden Mitgliedstaat getätigte Ausgaben nicht anzuerkennen (Urteile vom 12. Juni 1990, Deutschland/Kommission, C‑8/88, Slg, EU:C:1990:241, Rn. 20 und 21, vom 14. April 2005, Spanien/Kommission, C‑468/02, EU:C:2005:221, Rn. 36, und vom 30. September 2009, Portugal/Kommission, T‑183/06, EU:T:2009:370, Rn. 31).

30

Nach der Rechtsprechung kann sich außerdem selbst dann, wenn die einschlägige Regelung über die Gewährung von Prämien den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich vorschreibt, Überwachungsmaßnahmen und Kontrollmodalitäten wie die von der Kommission im Zusammenhang mit dem Rechnungsabschluss des EAGFL und des Fonds genannten einzuführen, eine derartige Verpflichtung trotzdem – gegebenenfalls implizit – daraus ergeben, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der Vorschriften über den EAGFL und den Fonds verpflichtet sind, ein wirksames Kontroll- und Überwachungssystem einzurichten (Urteile Spanien/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, EU:C:2005:221, Rn. 35, vom 24. April 2008, Belgien/Kommission, C‑418/06 P, Slg, EU:C:2008:247, Rn. 70, und vom 4. September 2009, Österreich/Kommission, T‑368/05, EU:T:2009:305, Rn. 76).

31

Was die Beweislastregeln im Bereich der Rechnungsabschlüsse betrifft, so muss die Kommission, um das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Regeln der GAP nachzuweisen, nicht die Unzulänglichkeit der von den nationalen Verwaltungen durchgeführten Kontrollen oder die Unrichtigkeit der von diesen mitgeteilten Zahlen umfassend darlegen, sondern sie braucht nur glaubhaft zu machen, dass an diesen Kontrollen oder diesen Zahlen bei ihr ernsthafte und berechtigte Zweifel bestehen. Diese Erleichterung der Beweislast für die Kommission beruht darauf, dass der Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluss des Fonds erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen (Urteile vom 11. Januar 2001, Griechenland/Kommission, C‑247/98, Slg, EU:C:2001:4, Rn. 7 bis 9, vom 1. Juli 2009, Spanien/Kommission, T‑259/05, EU:T:2009:232, Rn. 112, und Griechenland/Kommission, oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2012:418, Rn. 13).

32

Die Durchführung der Finanzierung durch den Fonds ist nämlich in erster Linie Sache der nationalen Verwaltungen, die über das strikte Einhalten der Unionsvorschriften zu wachen haben. Dieses auf dem Vertrauen zwischen den nationalen und den Unionsbehörden beruhende System umfasst keine systematischen Kontrollen seitens der Kommission, die diese materiell auch unmöglich durchführen könnte. Nur der Mitgliedstaat kann die für die Aufstellung der Rechnungen des Fonds nötigen Angaben kennen und genau bestimmen, da die Kommission nicht über die erforderliche Nähe zu den Wirtschaftsteilnehmern verfügt, um von ihnen die benötigten Auskünfte zu erlangen (Urteile vom 1. Oktober 1998, Irland/Kommission, C‑238/96, Slg, EU:C:1998:451, Rn. 30, vom 28. September 2011, Griechenland/Kommission, T‑352/05, Slg, EU:T:2011:540, Rn. 97, und vom 17. Oktober 2012, Spanien/Kommission, T‑491/09, EU:T:2012:550, Rn. 25).

33

Folglich obliegt es dem Mitgliedstaat, die Richtigkeit seiner Kontrollen oder seiner Zahlen möglichst eingehend und vollständig nachzuweisen und so gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Feststellungen der Kommission darzutun (Urteil Griechenland/Kommission, oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2012:418, Rn. 13).

34

Der betroffene Mitgliedstaat kann seinerseits die Feststellungen der Kommission nur dadurch erschüttern, dass er seine Behauptungen auf Umstände stützt, mit denen das Vorhandensein eines zuverlässigen und funktionierenden Kontrollsystems nachgewiesen wird. Gelingt dem Mitgliedstaat nicht der Nachweis, dass die Feststellungen der Kommission unzutreffend sind, so können diese Feststellungen ernsthafte Zweifel begründen, ob ein angemessenes und wirksames System von Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle eingeführt worden ist (Urteile vom 28. Oktober 1999, Italien/Kommission, C‑253/97, Slg, EU:C:1999:527, Rn. 7, Spanien/Kommission, oben in Rn. 28 angeführt, EU:C:2003:251, Rn. 48, vom 12. Juli 2011, Slowenien/Kommission, T‑197/09, EU:T:2011:348, Rn. 40, und Griechenland/Kommission, oben in Rn. 28 angeführt, EU:C:2005:103, Rn. 35).

35

Im Licht dieser Erwägungen sind die Klagegründe zu prüfen, die die Italienische Republik zur Stützung ihrer Klage vorbringt, mit der sie sich gegen die beiden in dem angefochtenen Beschluss vorgenommenen Kategorien von finanziellen Berichtigungen wendet.

[nicht wiedergegeben]

2. Zum Klagegrund, der sich auf die punktuelle Berichtigung betreffend die Bestimmung besonderer Zahlungsansprüche nach den Art. 47 und 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 und die entsprechenden Zahlungen bezieht

80

Die Italienische Republik trägt vor, sie habe die Art. 43 und 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 in allen von dem angefochtenen Beschluss erfassten Fällen, in denen Zahlungsansprüche durch Übertragung oder Vererbung von einem Betriebsinhaber auf einen anderen übergegangen seien, zutreffend angewandt. Diese besonderen Zahlungsansprüche seien richtig berechnet worden, indem der Referenzbetrag für Viehzucht und die flächenbezogenen Zahlungsansprüche getrennt behandelt worden seien. Das System der Umverteilung dieser Ansprüche sei mit den Unionsvorschriften vereinbar, da es dem Erfordernis des Nachweises der Zahlungsansprüche Rechnung trage.

81

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

82

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Italienische Republik im Abschnitt 4.16 der Klageschrift den angefochtenen Beschluss „wegen Verletzung der allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gesetzmäßigkeit, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie der Begründungspflicht“ als rechtswidrig bezeichnet. Es ist festzustellen, dass die Italienische Republik zur Stützung dieses Vorwurfs keinerlei noch so knappe Argumentation vorbringt. Soweit sie sich insbesondere auf das Fehlen einer vollständigen und angemessenen Begründung des angefochtenen Beschlusses beruft, ohne anzugeben, in welchen Punkten die Begründung ihrer Ansicht nach fehlt, und ohne deutlich zu machen, welche rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte ihrer Ansicht nach zusätzliche Ausführungen erfordert hätten, genügt die Klageschrift nicht den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung, so dass diese verschiedenen Rügen für unzulässig zu erklären sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T‑345/05, Slg, EU:T:2008:440, Rn. 75 bis 77).

83

Demnach ist davon auszugehen, dass die Italienische Republik mit dem vorliegenden Klagegrund im Wesentlichen einen Verstoß gegen die Art. 47 und 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 geltend macht.

84

Ferner ist davon auszugehen, dass der vorliegende Klagegrund nur die Frage betrifft, ob die Kommission in dem angefochtenen Beschluss – im Zusammenhang mit den Schriftsätzen aus dem Verwaltungsverfahren gelesen – Art. 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 richtig ausgelegt hat. Wie sich nämlich in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, streiten die Parteien über die Auslegung dieser Vorschrift.

85

Die punktuelle Berichtigung in Höhe von 1860259,60 Euro, die von der Kommission in dem angefochtenen Beschluss wegen unrichtiger Bestimmung und Zuweisung von besonderen Zahlungsansprüchen vorgenommen wurde, war nicht Gegenstand eines vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens, so dass in dem zusammenfassenden Bericht hierzu keine Erklärung erfolgte. Das der Italienischen Republik vorgeworfene Versäumnis wurde in den Schreiben der Kommission vom 22. Dezember 2010 und vom 13. Dezember 2012 erläutert [nicht wiedergegeben]. Es geht dabei zum einen um die Umlage von besonderen Zahlungsansprüchen bei bestehenden Ansprüchen für Schaf- und Rinderzucht sowie für Flächen, zum anderen um die Aufteilung von sich aus dem Olivenölsektor ergebenden besonderen Zahlungsansprüchen für die Antragsjahre 2006 bis 2009. In den besagten Schreiben wirft die Kommission den italienischen Behörden vor, mit diesen Fällen des Zusammentreffens von Beihilfeansprüchen falsch umgegangen zu sein. Die Fallgestaltungen, auf die sich der vorliegende Klagegrund bezieht, werden darin wie folgt beschrieben:

Wenn ein Betriebsinhaber mit besonderen Zahlungsansprüchen, die ihm auf der Grundlage des Bezugszeitraums gewährt worden seien, von einem anderen Betriebsinhaber vor dem ersten Jahr der Anwendung des Systems der einheitlichen Betriebsprämie Flächen und die entsprechenden Beträge erworben habe (durch Übertragung oder Erbschaft), hätten die italienischen Behörden den Wert dieser besonderen Zahlungsansprüche nicht auf die normalen Zahlungsansprüche aufgeteilt (bis zur Höhe von 5000 Euro);

wenn ein Betriebsinhaber mit normalen Zahlungsansprüchen, die ihm auf der Grundlage des Bezugszeitraums gewährt worden seien, Prämien für die Rinderzucht ohne die entsprechenden Flächen von einem anderen Betriebsinhaber vor dem ersten Jahr der Anwendung des Systems der einheitlichen Betriebsprämie erworben habe (durch Übertragung oder Erbschaft), hätten die italienischen Behörden den Wert der erworbenen besonderen Zahlungsansprüche nicht auf seine normalen Zahlungsansprüche umgelegt (bis zur Höhe von 5000 Euro).

86

Nach Auffassung der Kommission hätte es die richtige Anwendung von Art. 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 erfordert, die besonderen Zahlungsansprüche bis zur Obergrenze von 5000 Euro pro Hektar auf die normalen Zahlungsansprüche umzulegen und dann den Überschussbetrag den besonderen Zahlungsansprüchen zuzurechnen. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens hat die Kommission stets betont, dass zusätzliche (besondere) Zahlungsansprüche in Höhe von weniger als 5000 Euro im Verhältnis zur einheitlichen Betriebsprämie nicht als selbständig behandelt werden dürften, sondern auf die normalen Zahlungsansprüche zur Bestimmung des Zahlungsanspruchs pro Hektar umzulegen seien. Die Rechnung bestehe darin, die während des Bezugszeitraums erhaltenen Zahlungen durch die für deren Erwirtschaftung genutzte Hektaranzahl zu teilen, wie wenn diese Flächen auch zur Erwirtschaftung der zusätzlichen Zahlungen genutzt worden wären (bis zur Obergrenze von 5000 Euro). Die italienischen Behörden hätten hingegen, indem sie die normalen und die besonderen Zahlungsansprüche getrennt behandelt hätten (ohne jegliche Umverteilung), mehr besondere Zahlungsansprüche geschaffen und somit die als Referenz dienenden normalen Zahlungsansprüche zu niedrig berechnet.

87

Die Italienische Republik räumt in ihren Schriftsätzen ein, dass sie die in Rede stehenden Vorschriften anders angewandt habe, als es die Kommission für richtig halte. Sie trägt vor, sie habe „[d]ie Art. 43 und 48 … auf den Bruchteil der Referenzbeträge jedes Betriebsinhabers, der Ansprüche abgetreten hat, und auf jeden Betriebsinhaber, der Ansprüche empfangen hat, in Bezug auf den Bruchteil der aus dessen landwirtschaftlicher Tätigkeit herrührenden Beträge angewandt, in der Annahme, dass jeder von ihnen im Laufe des Bezugszeitraums direkte Zahlungsansprüche hatte“. Außerdem hätten „die italienischen Behörden entschieden, [eine Umverteilung der besonderen Zahlungsansprüche] nur in den Fällen nicht vorzunehmen, in denen die Summe aller Referenzbeträge … einen Einheitsbetrag von mehr als 5000 Euro pro Hektar ergeben hat“. Diese Handhabung sei ebenfalls mit Art. 48 der Verordnung Nr.1782/2003 vereinbar.

88

Es ist festzuhalten, dass Art. 48 der Verordnung Nr. 1782/2003, der regelt, nach welchen Modalitäten die in Art. 47 vorgesehene Ausnahme von der in Art. 43 dieser Verordnung genannten Regel umzusetzen ist, notwendigerweise eng ausgelegt werden muss (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Dezember 2001, Heininger, C‑481/99, Slg, EU:C:2001:684, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89

Einleitend ist darauf hinzuweisen, welches grundsätzliche Ziel durch die Verordnung Nr. 1782/2003 verfolgt wird, nämlich die Umsetzung des Systems der einheitlichen Betriebsprämie. Nach einer wörtlichen Auslegung von Art. 48 der Verordnung Nr. 1782/2003, unter Berücksichtigung der im Kontext stehenden Bestimmungen, gilt diese Vorschrift für einen Betriebsinhaber, der „Zahlungen, die Zahlungsansprüche begründen, die besonderen Bedingungen unterliegen“, im Sinne von Art. 47 dieser Verordnung erhalten hat, und der im Bezugszeitraum keine „Flächen im Sinne des Artikels 43 [derselben Verordnung]“ besessen hat, die zur Bestimmung der Ansprüche auf eine einheitliche Betriebsprämie dienen könnten, oder dessen Zahlungsanspruch pro Hektar einen Betrag von über 5000 Euro ergibt. Dieser Betriebsinhaber, der entweder keine Flächen hat oder Flächen, für die der Zahlungsanspruch pro Hektar 5000 Euro übersteigt, hat ein Recht auf a) Zahlungsansprüche, die gleich dem „Referenzbetrag“ (Basisbetrag) sind, der den ihm im dreijährigen Durchschnittszeitraum gewährten Direktzahlungen entspricht, bzw. b) Zahlungsansprüche „für jeden Betrag von 5000 Euro oder jeden Bruchteil des Referenzbetrags“ (d. h. für besondere Zahlungen), die ihm in dem dreijährigen Durchschnittszeitraum gewährt wurden.

90

Daraus folgt, dass die besonderen Zahlungen dem Referenzbetrag pro Hektar bis zur Höhe von 5000 Euro zugeschlagen werden und oberhalb dieser Schwelle einen zusätzlichen (besonderen) Zahlungsanspruch begründen. Insoweit sieht Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 vor, dass die dort bezeichneten Zahlungen nach Maßgabe von Art. 48 dieser Verordnung in die Berechnung des Referenzbetrags „aufgenommen“ werden. Außerdem geht aus Art. 47 Abs. 2 der Verordnung hervor, dass abweichend von den Art. 33, 43 und 44 die Milchprämien und Ergänzungszahlungen (nach den Art. 95 und 96 der Verordnung Nr. 1782/2003) ab 2007 nach den Modalitäten der Art. 48 bis 50 in die Betriebsprämienregelung „einbezogen“ werden. Somit stellen die einschlägigen Rechtsvorschriften den Grundsatz auf, dass auf verschiedenen Ansprüchen beruhende Zahlungen in einer einheitlichen Betriebsprämie zusammengefasst werden.

91

Die Italienische Republik vertritt demnach zu Unrecht die Ansicht, dass sich aus Art. 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 die Pflicht ergebe, alle aus verschiedenen Ansprüchen herrührenden Zahlungen getrennt zu behandeln. Überdies vermag auch der in der Klageschrift enthaltene Verweis auf Art. 49 der Verordnung die Auffassung der Italienischen Republik nicht zu stützen. Diese mit „Bedingungen“ überschriebene Vorschrift, die die besonderen Zahlungsansprüche betrifft, sieht eine Abweichung von Art. 36 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 der Verordnung dahin gehend vor, dass ein Betriebsinhaber, der Zahlungsansprüche hat, für die er während des Bezugszeitraums keine entsprechenden Flächen hatte, ermächtigt ist, von der Verpflichtung abzuweichen, eine Hektaranzahl beihilfefähiger Flächen, die der Anzahl der Ansprüche entspricht, nachzuweisen. Diese Ausnahmeregelung steht unter der Bedingung, dass mindestens 50 % der während des Bezugszeitraums ausgeübten landwirtschaftlichen Tätigkeit, ausgedrückt in Großvieheinheiten, beibehalten werden. Es ist festzustellen, dass diese Vorschrift weder eine alternative Methode für die Bestimmung der besonderen Zahlungsansprüche vorsieht noch irgendeine Pflicht, die aus verschiedenen Ansprüchen herrührenden Zahlungen getrennt zu behandeln. Art. 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1782/2003 bestimmt nämlich, dass „[d]ie gemäß Artikel 48 festgelegten Zahlungsansprüche … nicht geändert [werden]“.

92

Zurückzuweisen ist auch das in Rn. 32 der Erwiderung vorgebrachte Argument, dass die in Art. 48 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 bezeichneten Beträge zum Referenzbetrag „hinzugefügt“ würden. Ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen von Art. 47 Abs. 1 der Verordnung, insbesondere der italienischen, der englischen und der französischen Fassung, bestätigt nämlich die Bedeutung der Formulierung „in die Berechnung des Referenzbetrags aufgenommen“ („sono inclusi“; „included in“; „intégrés au“). In der mündlichen Verhandlung hat die Italienische Republik dieses Argument ohnehin zurückgezogen.

93

Fehl geht auch das Vorbringen, dass zum einen die von den italienischen Behörden zur Bestimmung der Zahlungsansprüche angewandte Methode für den Gesamtwert der den Betriebsinhabern gewährten Zahlungsansprüche keinen Unterschied ausgemacht habe und zum anderen hinsichtlich der besonderen Zahlungsansprüche die Pflicht zur Beibehaltung der Großvieheinheiten gemäß Art. 49 der Verordnung Nr. 1782/2003 beachtet worden sei. Da diese Verordnung für die Berechnung der Zahlungsansprüche eine bestimmte Methode vorsieht und sichergestellt werden muss, dass die Gewährung von Zahlungsansprüchen in allen Mitgliedstaaten ordnungsmäßig erfolgt, ist die Italienische Republik verpflichtet, sich an diese Methode zu halten. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Art. 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 zwingenden Charakter hat und dem Mitgliedstaat keinerlei Ermessensspielraum lässt. Folglich kann sich die Italienische Republik nicht darauf berufen, dass ihre alternative Methode ebenso wirksam sei, Betrug verhindern könne oder für den Betriebsinhaber vorteilhafter sei (vgl. in diesem Sinne Urteile Spanien/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, EU:C:2002:192, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 28. März 2007, Spanien/Kommission, T‑220/04, EU:T:2007:97, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94

Dasselbe gilt für das Argument, dass die Vorgehensweise der italienischen Behörden für den Fonds keinerlei Risiko hervorgerufen habe. Die Italienische Republik hat keinen Beleg erbracht, der die von den Dienststellen der Kommission errechneten genauen Beträge, die ein Risiko für den Fonds bedeuteten, in Frage stellen könnte. Sowohl aus dem Protokoll des bilateralen Treffens vom 8. Februar 2011 als auch aus dem Schreiben vom 13. Dezember 2012 geht nämlich hervor, dass die italienischen Behörden mittels einer von der Kommission anerkannten Methodik „die Rechnung erstellt haben, die das sich aus der unrichtigen Anwendung der Art. 43 und 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 ergebende tatsächliche Risiko für den Fonds anzeigt; dieses entspricht dem Betrag von 1813699,96 Euro für vier Jahre“.

95

Zurückzuweisen ist auch das Argument, dass die Kommission nicht aufgezeigt habe, welche konkreten Auswirkungen sich aus der unrichtigen Anwendung der Art. 43 und 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 durch die italienischen Behörden ergeben hätten. Nach Maßgabe der oben in Rn. 31 dargelegten Erwägungen braucht die Kommission nur ernsthafte Zweifel glaubhaft zu machen und muss nicht nachweisen, dass die Risiken sich verwirklicht haben.

96

Angesichts dieser Erwägungen, insbesondere der oben in den Rn. 89 und 90 angeführten, ist festzustellen, dass die von der Italienischen Republik vertretene Auslegung von Art. 48 der Verordnung Nr. 1782/2003 sowohl dessen Wortlaut als auch dessen Systematik widerspricht. Da das Vorbringen der Italienischen Republik in vollem Umfang zurückgewiesen wurde, ist der von ihr vorgebrachte Klagegrund, der sich auf die punktuelle Berichtigung betreffend die Bestimmung besonderer Zahlungsansprüche und die entsprechenden Zahlungen bezieht, als unbegründet zurückzuweisen.

97

Mithin ist die Klage insgesamt abzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Italienische Republik trägt die Kosten.

 

Frimodt Nielsen

Dehousse

Collins

Verkündet in Luxemburg in öffentlicher Sitzung am 12. Mai 2016.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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