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Document 62014CJ0280

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 3. Dezember 2015.
Italienische Republik gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Regionalpolitik – Regionales operationelles Programm für die Region Apulien (Italien) 2000 – 2006, Ziel 1 – Kürzung des ursprünglich gewährten Zuschusses des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
Rechtssache C-280/14 P.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:792

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

3. Dezember 2015 ( * )

„Rechtsmittel — Regionalpolitik — Regionales operationelles Programm für die Region Apulien (Italien) 2000–2006, Ziel 1 — Kürzung des ursprünglich gewährten Zuschusses des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“

In der Rechtssache C‑280/14 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 9. Juni 2014,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch D. Recchia und A. Steiblytė als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer T. von Danwitz (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. Šváby, A. Rosas, E. Juhász und C. Vajda,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2015,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Italienische Republik die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 28. März 2014, Italien/Kommission (T‑117/10, EU:T:2014:165, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung C (2009) 10350 final der Europäischen Kommission vom 22. Dezember 2009 betreffend die Kürzung des der Italienischen Republik gemäß der Entscheidung C (2000) 2349 der Kommission vom 8. August 2000 über die Genehmigung des Regionalen operationellen Programms für die Region Apulien für den Zeitraum 2000–2006, Ziel 1, gewährten Zuschusses des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Art. 38 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. L 161, S. 1) bestimmt:

„Unbeschadet der Zuständigkeit der Kommission für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen [Union] übernehmen in erster Linie die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Finanzkontrolle der Interventionen. Zu diesem Zweck treffen sie unter anderem folgende Maßnahmen:

a)

Sie vergewissern sich, dass Verwaltungs- und Kontrollsysteme vorhanden sind und einwandfrei funktionieren, so dass eine effiziente und ordnungsgemäße Verwendung der Gemeinschaftsmittel sichergestellt ist.

b)

Sie übermitteln der Kommission eine Beschreibung dieser Systeme.

c)

Sie stellen sicher, dass die Interventionen in Übereinstimmung mit allen geltenden Gemeinschaftsvorschriften verwaltet und die für sie eingesetzten Fondsmittel nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung verwendet werden.

…“

3

In Art. 39 Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung heißt es:

„(1)   Es obliegt in erster Linie den Mitgliedstaaten, bei Unregelmäßigkeiten Nachforschungen anzustellen, bei nachgewiesenen erheblichen Veränderungen der Art oder der Durchführungs- und Kontrollbedingungen einer Intervention tätig zu werden und die erforderlichen Finanzkorrekturen vorzunehmen.

Der Mitgliedstaat nimmt die in Bezug auf die individuelle oder systematische Unregelmäßigkeit erforderlichen Finanzkorrekturen vor. Die von dem Mitgliedstaat vorgenommenen Korrekturen bestehen in der Streichung oder Kürzung der Gemeinschaftsbeteiligung …

(2)   Wenn die Kommission nach Abschluss der erforderlichen Überprüfungen feststellt, dass

c)

bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen beträchtliche Mängel vorliegen, die zu systematischen Unregelmäßigkeiten führen könnten,

so setzt die Kommission die ausstehenden Zwischenzahlungen aus und fordert den Mitgliedstaat unter Angabe ihrer Gründe auf, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern und gegebenenfalls alle erforderlichen Korrekturen vorzunehmen.

Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die Bemerkungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, bei der beide Seiten in Zusammenarbeit auf der Grundlage der Partnerschaft bemüht sind, zu einer Einigung über die Bemerkungen und die daraus zu ziehenden Schlüsse zu gelangen.

(3)   Kommt nach Ablauf des von der Kommission festgelegten Zeitraums keine Einigung zustande und hat der Mitgliedstaat bis dahin keine Korrekturen vorgenommen, so kann die Kommission unter Berücksichtigung etwaiger Bemerkungen des Mitgliedstaats innerhalb von drei Monaten beschließen,

b)

die erforderlichen Finanzkorrekturen vorzunehmen und die Fondsbeteiligung für die betreffende Intervention ganz oder teilweise zu streichen.

Die Kommission setzt den Betrag einer Korrektur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und unter Berücksichtigung der Art der Unregelmäßigkeit oder der Änderung sowie des Umfangs und der finanziellen Auswirkungen der festgestellten Mängel der Verwaltungs- oder Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten fest.

…“

4

Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 438/2001 der Kommission vom 2. März 2001 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates in Bezug auf die Verwaltungs- und Kontrollsysteme bei Strukturfondsinterventionen (ABl. L 63, S. 21) bestimmt:

„Verwaltungs- und Kontrollsysteme schließen Verfahren ein, um die Erbringung der kofinanzierten Wirtschaftsgüter oder Dienstleistungen und die Richtigkeit der in Rechnung gestellten Ausgaben zu prüfen und die Einhaltung der Bedingungen der einschlägigen Entscheidung der Kommission nach Artikel 28 der Verordnung … Nr. 1260/1999 und der einschlägigen nationalen und Gemeinschaftsvorschriften … sicherzustellen.

Die Verfahren schreiben vor, dass über die Prüfung einzelner Operationen vor Ort Aufzeichnungen zu erstellen sind. In den Aufzeichnungen sind die dabei verrichteten Prüfvorgänge, die Ergebnisse der Prüfung sowie die Maßnahmen aufzuführen, die bei vorgefundenen Abweichungen getroffen wurden. Sofern physische oder Akten-Prüfungen nicht erschöpfend sind, sondern aufgrund von Stichproben von Operationen durchgeführt werden, so sind in den Aufzeichnungen die ausgewählten Operationen anzugeben und die Stichprobenmethode darzulegen.“

5

Art. 8 dieser Verordnung hat folgenden Wortlaut:

„Die Verwaltungsbehörde oder die Zahlstelle führt Buch über alle Beträge, die von bereits getätigten Zahlungen aus Gemeinschaftszuschüssen wiedereinzuziehen sind und stellt sicher, dass die Beträge ohne unberechtigte Verzögerungen eingezogen werden. Nach Wiedereinziehung erstattet die Zahlstelle die zu Unrecht geleisteten, wiedereingezogenen Zahlungen samt erhaltenen Verzugszinsen, indem sie ihre nächste Ausgabenerklärung und den entsprechenden Zahlungsantrag an die Kommission um die betreffenden Beträge verringert oder, wenn dies nicht ausreicht, indem sie den fehlenden Betrag an die Gemeinschaft zurückzahlt …“

6

Art. 9 („Ausgabenbescheinigungen“) dieser Verordnung sieht vor, dass die Bescheinigungen der Ausgaben zu Zwischen- und Abschlusszahlungen von einer Person oder Abteilung der Zahlstelle erstellt werden, die in ihrer Funktion von allen Dienststellen, die Zahlungsanträge bewilligen, unabhängig ist. Darüber hinaus stellt dieser Artikel insbesondere klar, welche Prüfungen diese Behörde vornehmen muss, bevor sie die Ausgaben bescheinigt.

7

Art. 10 („Stichprobenkontrollen bei Operationen“) der Verordnung bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen für die Durchführung von Kontrollen der Operationen anhand angemessener Stichproben, um insbesondere

a)

die Wirksamkeit der vorhandenen Verwaltungs- und Kontrollsysteme nachzuprüfen;

b)

die auf den verschiedenen Ebenen ausgestellten Ausgabenerklärungen selektiv auf der Grundlage einer Risikoanalyse nachzuprüfen.

(2)   Die Kontrollen, die vor Abschluss jeder Intervention durchgeführt werden, betreffen mindestens 5 % der gesamten zuschussfähigen Ausgaben aufgrund einer repräsentativen Stichprobe der genehmigten Operationen, wobei die Anforderungen von Absatz 3 zu beachten sind. Die Mitgliedstaaten bemühen sich, die Durchführung der Kontrollen gleichmäßig über den betreffenden Zeitraum zu verteilen. Sie gewährleisten eine angemessene Trennung der Aufgaben zwischen solchen Kontrollen einerseits und den Durchführungs- oder Auszahlungsverfahren in Bezug auf Operationen andererseits.

(3)   Bei der Auswahl der Stichprobe von Operationen, die kontrolliert werden sollen, wird Folgendes berücksichtigt:

a)

die Notwendigkeit, in angemessenem Verhältnis Vorhaben unterschiedlicher Art und Größe zu prüfen;

b)

etwaige Risikofaktoren, die bei nationalen oder Gemeinschaftskontrollen festgestellt wurden;

c)

die Konzentration von Operationen bei bestimmten zwischengeschalteten Stellen oder Endbegünstigten, damit die wichtigsten zwischengeschalteten Stellen und Endbegünstigten vor Abschluss jeder Intervention mindestens einmal kontrolliert werden.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

8

Mit der Entscheidung C (2000) 2349 vom 8. August 2000 genehmigte die Kommission das Regionale operationelle Programm für die Region Apulien für den Zeitraum 2000–2006, Ziel 1, (im Folgenden: Programm ROP Apulien) und stellte den italienischen Behörden einen Betrag von 1721827000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung.

9

Im Laufe des Jahres 2007 führte die Kommission Prüfungen der Verwaltungs- und Kontrollsysteme durch, die die für dieses Programm verantwortlichen Behörden eingeführt hatten, und gelangte zu dem Schluss, dass diese Behörden keine Verwaltungs- und Kontrollsysteme eingeführt hätten, die eine ordnungsgemäße finanzielle Verwaltung der Intervention des EFRE sicherstellten, und dass die vorhandenen Systeme die Genauigkeit, Rechtmäßigkeit und Zuschussfähigkeit der Zahlungsanträge nicht ausreichend gewährleisteten.

10

Die Kommission war der Ansicht, dass die Italienische Republik ihren Verpflichtungen aus den Art. 4 und 8 bis 10 der Verordnung Nr. 438/2001 nicht nachgekommen sei und dass die bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen festgestellten Mängel zu systematischen Unregelmäßigkeiten führen könnten. Daher setzte sie mit der Entscheidung C (2008) 3340 vom 1. Juli 2008 die Zwischenzahlungen des EFRE für das Programm ROP Apulien aus. Sie setzte der Italienischen Republik eine Frist von drei Monaten, um Kontrollen durchzuführen und die Korrekturen vorzunehmen, die erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass allein zuschussfähige Ausgaben von der Beteiligung des EFRE gedeckt seien.

11

Bei einem im Januar 2009 durchgeführten Prüfungsauftrag stellte die Kommission fest, dass die in dieser Entscheidung formulierten Anforderungen innerhalb der gesetzten Fristen nicht eingehalten worden seien. Die Prüfer der Union entdeckten mehrere Unregelmäßigkeiten bei den Kontrollen der Verwaltungsbehörde gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 438/2001 (im Folgenden: Kontrollen der ersten Ebene), beim Funktionieren der Zahlstelle und bei den Kontrollen der Kontrollstelle gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 438/2001 (im Folgenden: Kontrollen der zweiten Ebene). Die Kommission folgerte daraus, dass eine angemessene Gewähr dafür fehle, dass die Verwaltungs- und Kontrollsysteme für das Programm ROP Apulien so effizient funktionierten, dass die Rechtmäßigkeit, die Ordnungsgemäßheit und die Genauigkeit der erklärten Ausgaben für den Zeitraum vom Beginn des Programmplanungszeitraums bis zum Zeitpunkt der Aussetzung der Zwischenzahlungen sichergestellt seien.

12

Mit Schreiben vom 3. April 2009 teilte die Kommission den italienischen Behörden ihre Schlussfolgerungen mit und informierte sie darüber, dass sie eine Korrektur des Zuschusses des EFRE in Höhe von 10 % unter Berücksichtigung der für das fragliche Programm erklärten Ausgaben bis zum Zeitpunkt der Aussetzung der Zwischenzahlungen vorzuschlagen beabsichtige. Die Italienische Republik widersprach der Anwendung dieser pauschalen Korrektur und beantragte die Aufhebung der Aussetzung der Zwischenzahlungen. Gemäß Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1260/1999 fand am 30. September 2009 eine Anhörung statt.

13

Mit der streitigen Entscheidung kürzte die Kommission den aus dem EFRE für das Programm ROP Apulien für den Zeitraum 2000–2006 gewährten Zuschuss und wandte dabei eine pauschale Korrektur von 10 % auf die bis zum Zeitpunkt der Aussetzung der Zwischenzahlungen bescheinigten Ausgaben an. Nach Art. 1 dieser Entscheidung wurde der aus dem EFRE zugewiesene Zuschuss um den Betrag von 79335741,11 Euro gekürzt.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

14

Mit Klageschrift, die am 5. März 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Italienische Republik Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung.

15

Sie stützte ihre Klage auf vier Gründe. Mit dem ersten und dem zweiten Klagegrund wurde eine Verfälschung der Tatsachen und ein Verstoß gegen Art. 39 Abs. 2 Buchst. c und Abs. 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 in Bezug auf die Kontrollen der ersten Ebene, das Funktionieren der Zahlstelle und die Kontrollen der zweiten Ebene geltend gemacht. Mit dem dritten Klagegrund machte der Mitgliedstaat einen Begründungsmangel und einen Verstoß gegen Art. 39 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 geltend. Der vierte Klagegrund betraf einen Verstoß gegen Art. 12 der Verordnung Nr. 1260/1999 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 438/2001 und die Unzuständigkeit der Kommission.

16

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage abgewiesen und der Italienischen Republik die Kosten auferlegt.

Anträge der Parteien

17

Die Italienische Republik beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

die streitige Entscheidung nach Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18

Die Kommission beantragt, die Klage abzuweisen und der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

19

Die Italienische Republik stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

20

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Italienische Republik geltend, dass das Gericht in den Rn. 37 und 50 ff. des angefochtenen Urteils gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und die Begründungspflicht verstoßen habe, da es den ersten und den zweiten Klagegrund zur Effizienz und Zuverlässigkeit zum einen der von der Verwaltungsbehörde und der Zahlstelle vorgenommenen Kontrollen der ersten Ebene und zum anderen der von der Kontrollstelle durchgeführten Kontrollen der zweiten Ebene zusammen geprüft habe.

21

Der Mitgliedstaat macht geltend, dass das Gericht nach dem Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verpflichtet gewesen sei, diese beiden Klagegründe, die verschiedene Tatsachenfragen in Bezug auf die Arbeit unterschiedlicher Stellen und in der streitigen Entscheidung aufgeführte sehr unterschiedliche Unregelmäßigkeiten aufgeworfen hätten, getrennt zu prüfen. Darüber hinaus habe das Gericht mit einer gemeinsamen Prüfung dieser beiden Klagegründe die Begründung für den einen Klagegrund automatisch auf den jeweils anderen übertragen.

22

Indem es den ersten und den zweiten Klagegrund zusammen geprüft habe, habe das Gericht auch gegen die ihm obliegende Pflicht zur Begründung seiner Entscheidungen verstoßen. Es habe nämlich unterlassen, ebenso ausführlich, wie dies in der Klageschrift geschehen sei, die Gründe darzulegen, aus denen es das Vorbringen der Italienischen Republik zur Anfechtung jeder einzelnen der Unregelmäßigkeiten, die in ihrer Gesamtheit die Grundlage der streitigen Entscheidung darstellten, für unbegründet befunden habe.

23

Die Kommission hält die Argumente der Italienischen Republik für nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

24

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs umfasst der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens im Allgemeinen das Recht der Verfahrensbeteiligten, zu den Tatsachen und Schriftstücken Stellung nehmen zu können, auf die eine gerichtliche Entscheidung gestützt wird, und die dem Gericht vorgelegten Beweise und Erklärungen sowie die rechtlichen Gesichtspunkte zu erörtern, die das Gericht von Amts wegen berücksichtigt hat und auf die es seine Entscheidung gründen möchte (Urteile Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 52 und 55, sowie Überprüfung M/EMEA, C‑197/09 RX‑II, EU:C:2009:804, Rn. 41).

25

Hierzu ist festzustellen, dass die Italienische Republik vor dem Gericht zu den in der streitigen Entscheidung hinsichtlich der Kontrollen der ersten Ebene, des Funktionierens der Zahlstelle und der Kontrollen der zweiten Ebene festgestellten Unregelmäßigkeiten wirksam Stellung nehmen konnte. Des Weiteren ergibt sich insbesondere aus den Rn. 40, 48 und 60 bis 66 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht auch das Vorbringen berücksichtigt hat, mit dem dieser Mitgliedstaat das tatsächliche Vorliegen dieser Unregelmäßigkeiten bestritten hat.

26

Was die Begründungspflicht angeht, kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, es sei nicht auf alle Einzelheiten des Vorbringens eingegangen, mit dem die Italienische Republik den in der streitigen Entscheidung festgestellten Unregelmäßigkeiten entgegengetreten sei. Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet die dem Gericht gemäß Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegende Pflicht zur Begründung der Urteile nämlich nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandeln müsste. Die Begründung kann daher auch implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben an die Hand gibt, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen eines Rechtsmittels wahrnehmen kann (Urteile Coop de France bétail et viande u. a./Kommission, C‑101/07 P und C‑110/07 P, EU:C:2008:741, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung, A2A/Kommission, C‑318/09 P, EU:C:2011:856, Rn. 97, und Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 86).

27

Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die in den Rn. 69 bis 77 und 79 bis 92 des angefochtenen Urteils enthaltene Begründung es der Italienischen Republik ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht das gesamte Vorbringen zurückgewiesen hat, mit dem sie die Verzögerungen bei der Durchführung der Kontrollen der ersten und der zweiten Ebene, die fehlende Zuverlässigkeit der vorgeschlagenen Korrekturen und das schlechte Funktionieren der Zahlstelle bestritten hat, und dem Gerichtshof auch ausreichende Angaben an die Hand gibt, um seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Darüber hinaus hat das Gericht in den Rn. 60 bis 63 des angefochtenen Urteils die Gründe erläutert, die es dazu veranlasst haben, nicht über das behauptete Fehlen jeder einzelnen der spezifischen Unregelmäßigkeiten zu entscheiden, die die Prüfer der Union im Januar 2009 hinsichtlich der Kontrollen der ersten und der zweiten Ebene festgestellt hatten. Damit ist auch das Argument eines Verstoßes des Gerichts gegen die ihm obliegende Pflicht, seine Entscheidungen zu begründen, als unbegründet zurückzuweisen.

28

Zu dem Vorwurf, das Gericht habe die gleichen Erwägungen auf verschiedene Sach- und Rechtsfragen angewandt, ist festzustellen, dass dieser Vorwurf auf einem offensichtlich fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils beruht. Denn entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik hat das Gericht detailliert und jeweils getrennt voneinander zunächst die Sach- und Rechtsfragen hinsichtlich der Kontrollen der ersten Ebene in den Rn. 69 bis 71 und 79 bis 81 des angefochtenen Urteils, dann jene hinsichtlich der Kontrollen der zweiten Ebene in den Rn. 72 bis 77 und 82 bis 87 und schließlich die Fragen im Zusammenhang mit der Zahlstelle in den Rn. 88 bis 92 dieses Urteils geprüft.

29

Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten und zum dritten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

30

Der zweite Rechtsmittelgrund kann ungeachtet des wenig strukturierten Charakters der Erwägungen dahin verstanden werden, dass er in vier Teile unterteilt ist.

31

Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Italienische Republik geltend, dass das Gericht in den Rn. 40, 63 und 88 bis 93 des angefochtenen Urteils die vor ihm vorgelegten Tatsachen und Beweismittel verfälscht habe. Die diesen Randnummern des angefochtenen Urteils anhaftende Verfälschung bedeute, dass das Gericht auch gegen Art. 39 der Verordnung Nr. 1260/1999, Art. 9 der Verordnung Nr. 438/2001 sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Partnerschaft verstoßen habe.

32

Im Rahmen des zweiten Teils dieses Rechtsmittelgrundes macht die Italienische Republik geltend, dass das Gericht in den Rn. 60 bis 63 des angefochtenen Urteils zu Unrecht davon ausgegangen sei, es sei nicht erforderlich, die Beweismittel zu prüfen, die vorgelegt worden seien, um das Bestreiten des Vorliegens der Unregelmäßigkeiten zu stützen, die von den Prüfern der Union in einer im Januar 2009 geprüften Stichprobe von Kontrollen der ersten Ebene festgestellt worden seien. Aus Rn. 40 der Gründe der streitigen Entscheidung, in der hervorgehoben werde, dass die italienischen Behörden diese Unregelmäßigkeiten nicht beseitigt hätten, ergebe sich nämlich, dass die Kommission diese Unregelmäßigkeiten im Rahmen der streitigen Entscheidung tatsächlich berücksichtigt habe. Darüber hinaus habe das Gericht selbst in den Rn. 78 bis 81 des angefochtenen Urteils diese angeblichen Unregelmäßigkeiten für die Feststellung herangezogen, dass die Kontrollen der ersten und der zweiten Ebene nicht zuverlässig seien.

33

Mangels eines Beweises für das Vorliegen der in der von der Kommission im Januar 2009 durchgeführten Prüfung festgestellten spezifischen Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Kontrollen der ersten Ebene hätte das Gericht feststellen müssen, dass die streitige Entscheidung gegen Art. 39 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 verstoße, und insbesondere, dass die pauschale Korrektur von 10 % offensichtlich unverhältnismäßig sei.

34

Mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Italienische Republik geltend, dass die streitige Entscheidung gegen die in Art. 39 der Verordnung Nr. 1260/1999 niedergelegten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Partnerschaft verstoße, da sie eine pauschale Korrektur von 10 % auch für die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Vergabe zusätzlicher Arbeiten oder durchgeführter Ingenieurdienstleistungen vorsehe, obschon die italienischen Behörden für diese Unregelmäßigkeiten pauschale Korrekturen in Höhe von 25 % vorgeschlagen hätten. Daher hätte sich das Gericht in Rn. 60 des angefochtenen Urteils nicht auf die Feststellung darauf beschränken dürfen, dass diese Korrekturen von der Kommission im Rahmen der Berechnung des Endbetrags der Kürzung des Zuschusses des EFRE berücksichtigt worden seien.

35

Schließlich beruft sich die Italienische Republik mit dem vierten Teil dieses Rechtsmittelgrundes auf einen Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 438/2001 und die Grundsätze der Beweislast.

36

Der dritte Rechtsmittelgrund kann so verstanden werden, dass er in vier Teile unterteilt ist.

37

Der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes wird auf eine den Rn. 72 bis 74 des angefochtenen Urteils anhaftende Verfälschung der Tatsachen und Beweismittel gestützt. Diese Verfälschung bedeute, so die Italienische Republik, dass das Gericht auch gegen Art. 39 der Verordnung Nr. 1260/1999, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Partnerschaft sowie gegen Art. 10 der Verordnung Nr. 438/2001 verstoßen habe.

38

Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Italienische Republik geltend, das Gericht habe gegen Art. 10 verstoßen, indem es davon ausgegangen sei, dass die Kontrollen der zweiten Ebene den in diesem Artikel vorgesehenen Prozentsatz erreicht haben müssten. Aus dem Wortlaut dieses Artikels, wonach die Kontrollen der zweiten Ebene für mindestens 5 % der bescheinigten Ausgaben „vor Abschluss jeder Intervention“ durchzuführen seien, ergebe sich nämlich, dass das System der Kontrollen der zweiten Ebene vor allem zum Zeitpunkt dieses Abschlusses zu bewerten sei.

39

Ferner wirft die Italienische Republik dem Gericht im Rahmen des dritten Teils dieses Rechtsmittelgrundes vor, in den Rn. 84 bis 86 des angefochtenen Urteils befunden zu haben, dass das Vorbringen, wonach sich die auf die Kontrollen der zweiten Ebene folgenden Korrekturen nicht auf 30950978,33 Euro, sondern auf 59186909 Euro belaufen hätten, ins Leere gehe, weil die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung des aus den zusammen betrachteten Kontrollen der ersten und der zweiten Ebene folgenden Gesamtbetrags von 95672043,08 Euro alle Korrekturen berücksichtigt habe.

40

Der vierte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes wird auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Beweislast gestützt.

41

Die Kommission wendet die Unzulässigkeit des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes ein, die lediglich eine Wiederholung der im ersten Rechtszug geltend gemachten Argumente seien und daher tatsächlich darauf abzielten, eine zweite Prüfung des Sachverhalts dieser Rechtssache durch den Gerichtshof zu erwirken. Jedenfalls entbehrten diese Rechtsmittelgründe jeder Grundlage.

Würdigung durch den Gerichtshof

– Zur Zulässigkeit des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes

42

Nach ständiger Rechtsprechung geht aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. u. a. Urteile Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 43, sowie Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insoweit wird in Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung klargestellt, dass die geltend gemachten Rechtsgründe und ‑argumente die beanstandeten Punkte der Begründung der Entscheidung des Gerichts genau bezeichnen müssen.

43

Ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe oder Argumente wiederholt oder wörtlich wiedergibt, genügt somit nicht den Begründungserfordernissen, die sich aus diesen Vorschriften ergeben. Jedoch können die im ersten Rechtszug geprüften Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, so würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 46 und 47, sowie Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 44 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Was die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit angeht, ist festzustellen, dass die Italienische Republik mit ihrem zweiten und ihrem dritten Rechtsmittelgrund nicht nur auf eine bloße Überprüfung der beim Gericht eingereichten Klage abzielt, sondern auch dessen Feststellungen in bestimmten Randnummern des angefochtenen Urteils rügt, denen ihrer Ansicht nach eine Verfälschung der Tatsachen und Beweismittel sowie andere Rechtsfehler anhaften. Entgegen dem Vorbringen der Kommission stellen der erste und der dritte Rechtsmittelgrund somit nicht schlicht eine Wiederholung der bereits im ersten Rechtszug geltend gemachten Argumente dar, sondern sie richten sich in Wirklichkeit gegen einen wesentlichen Teil der Begründung des angefochtenen Urteils und ermöglichen es dem Gerichtshof folglich, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen.

45

Die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

46

Hinsichtlich des im Rahmen des vierten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes geltend gemachten Verstoßes gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 438/2001 und des Verstoßes gegen die Grundsätze der Beweislast, der sowohl im Rahmen des vierten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes als auch im vierten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Italienische Republik diese Rechtsfehler zwar in der Überschrift vor ihren Darlegungen zum zweiten und zum dritten Rechtsmittelgrund erwähnt, diese Darlegungen aber keinerlei Angabe der Randnummern des angefochtenen Urteils enthalten, denen diese Rechtsfehler anhaften sollen, und auch keine Argumentation, mit der dargetan würde, wodurch das Gericht diese Rechtsfehler begangen haben soll. Diese Teile des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes sind folglich unzulässig.

47

Was den dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes angeht, so beanstandet die Italienische Republik zwar die in den Rn. 84 bis 86 des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellungen aus einem anderen Grund als dem der Verfälschung der Angaben, gleichwohl bezeichnet sie nicht den Rechtsgrundsatz oder die Rechtsvorschrift, die das Gericht dadurch verletzt haben soll, dass es davon ausgegangen ist, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung von einem etwaigen Fehler der Kommission bei der Identifizierung bestimmter Korrekturen, die die italienischen Behörden als aus den Kontrollen der zweiten Ebene folgende Korrekturen vorgeschlagen hatten, nicht beeinträchtigt sei, da die Kommission die Gesamtheit dieser Korrekturen in der streitigen Entscheidung berücksichtigt habe.

48

Mithin sind der vierte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und der dritte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes, soweit mit dem Letzteren keine Verfälschung der Angaben geltend gemacht wird, und der vierte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unzulässig zurückzuweisen.

49

Was im Übrigen die Argumente betrifft, mit denen die Italienische Republik Kritik am Gericht übt, weil es den Inhalt des Schreibens vom 15. Juni 2009 verfälscht habe, ist darauf hinzuweisen, dass sie die Randnummern des angefochtenen Urteils, auf die sich diese Beanstandungen beziehen, nicht genau angibt. Diese Argumente sind demnach ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

– Zur Begründetheit des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes und des ersten und des dritten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes

50

Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und dem ersten und dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes, die zusammen zu prüfen sind, macht die Italienische Republik geltend, dass die in den Rn. 40, 63, 72 bis 74, 84 bis 86 und 88 bis 93 des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellungen von einem falschen Verständnis ihrer Klage zeugten und ihnen eine Verfälschung der Tatsachen und Beweismittel anhafte. Diese Verfälschung führe dazu, dass das Gericht auch gegen Art. 39 der Verordnung Nr. 1260/1999, die Art. 9 und 10 der Verordnung Nr. 438/2001 sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Partnerschaft verstoßen habe.

51

Gemäß Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist allein das Gericht dafür zuständig, die Tatsachen festzustellen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und sie zu würdigen (vgl. Urteil Kommission/Aalberts Industries u. a., C‑287/11 P, EU:C:2013:445, Rn. 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. Urteile Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 15, und Activision Blizzard Germany/Kommission, C‑260/09 P, EU:C:2011:62, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

52

Eine solche Verfälschung liegt vor, wenn ohne Erhebung neuer Beweise die Würdigung der vorliegenden Beweismittel offensichtlich unzutreffend ist (Urteil Comitato Venezia vuole vivere u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 153 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Verfälschung muss sich jedoch in offensichtlicher Weise aus den Prozessakten ergeben, ohne dass es einer erneuten Würdigung der Tatsachen und Beweise bedarf (Urteil General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 54). Außerdem muss ein Rechtsmittelführer, der eine Verfälschung von Beweismitteln durch das Gericht behauptet, genau angeben, welche Beweismittel das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben (vgl. in diesem Sinne Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 50, und PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic, C‑281/10 P, EU:C:2011:679, Rn. 78).

53

Es ist festzustellen, dass den Argumenten, die sich gegen die Rn. 40, 63 und 72 des angefochtenen Urteils richten, ein offensichtliches Fehlverständnis dieses Urteils zugrunde liegt. Hinsichtlich der Rn. 40 und 72 kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, es habe den Inhalt der Klage der Italienischen Republik verkannt, indem es davon ausgegangen sei, dass sie keine der Unregelmäßigkeiten, die in einer im Januar 2009 geprüften Stichprobe von Kontrollen der ersten und der zweiten Ebene festgestellt worden seien, bestreite oder dass sie nur einige davon bestreite. Im Gegenteil ergibt sich insbesondere aus den Rn. 60 bis 64 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht den Umstand, dass die Italienische Republik alle diese Unregelmäßigkeiten bestritten hat, durchaus berücksichtigt hat.

54

Entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik kann aus Rn. 63 des angefochtenen Urteils nicht abgeleitet werden, das Gericht sei der Ansicht, dass die streitige Entscheidung nicht auf diesen Unregelmäßigkeiten beruhe. Das Gericht hat nämlich in der genannten Rn. 63 ausdrücklich festgestellt, dass die von den Prüfern der Union im Januar 2009 festgestellten spezifischen Unregelmäßigkeiten „eine der Rügen“ darstellten, die in Bezug auf das Funktionieren des für das Programm ROP Apulien vorhandenen Verwaltungs- und Kontrollsystems erhoben worden seien.

55

Hinsichtlich der in den Rn. 73 und 74, 84 bis 86 und 88 bis 93 des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellungen ist darauf hinzuweisen, dass die Italienische Republik nicht nachgewiesen hat, inwiefern die Feststellungen des Gerichts eine Verfälschung der Unterlagen, auf die sie sich bezieht, darstellen sollen.

56

Folglich sind sämtliche Argumente wegen einer Verfälschung der Tatsachen und Beweismittel als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

57

Unter diesen Umständen können die Argumente, mit denen ein Verstoß gegen Art. 39 der Verordnung Nr. 1260/1999, die Art. 9 und 10 der Verordnung Nr. 438/2001 und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Partnerschaft geltend gemacht wird, Argumente, die die Italienische Republik auf die angebliche, in Bezug auf die Rn. 40, 63, 72 bis 74 und 88 bis 93 des angefochtenen Urteils geltend gemachte Verfälschung stützt, ebenfalls nicht durchgreifen.

58

Mithin sind der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und der erste und der dritte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

– Zur Begründetheit des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes

59

Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes wirft die Italienische Republik dem Gericht vor, in Rn. 76 des angefochtenen Urteils Art. 10 der Verordnung Nr. 438/2001 falsch ausgelegt zu haben, indem es davon ausgegangen sei, es sei nicht ausreichend, nachzuweisen, dass der in diesem Artikel vorgesehene Prozentsatz der Kontrollen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Intervention des EFRE im Programm ROP Apulien nicht erreicht sei, um die Zweifel an der Zuverlässigkeit des in Rede stehenden Verwaltungs- und Kontrollsystems zu entkräften.

60

Hierzu genügt der Hinweis darauf, dass aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 438/2001, wonach sich die Mitgliedstaaten bemühen, die Kontrollen, die vor Abschluss der Intervention des EFRE durchzuführen sind, gleichmäßig über den betreffenden Zeitraum zu verteilen, hervorgeht, dass die Kontrollen der zweiten Ebene während der gesamten Dauer dieser Intervention und nicht nur zum Zeitpunkt ihres Abschlusses funktionieren müssen.

61

Folglich ist der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

– Zur Begründetheit des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes

62

Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes beanstandet die Italienische Republik die in den Rn. 60 bis 63 des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellungen. Sie macht geltend, da die streitige Entscheidung auch auf den Unregelmäßigkeiten beruhe, die von den Prüfern der Union in einer im Januar 2009 geprüften Stichprobe von Kontrollen der ersten Ebene festgestellt worden seien, habe das Gericht nicht über die Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung im Hinblick auf Art. 39 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheiden können, ohne das Vorbringen geprüft zu haben, mit dem sie das Vorliegen dieser Unregelmäßigkeiten bestritten habe. Darüber hinaus habe das Gericht selbst in den Rn. 78 bis 81 des angefochtenen Urteils diese Unregelmäßigkeiten für die Feststellung herangezogen, dass die Kontrollen der ersten Ebene nicht zuverlässig seien.

63

Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) hinzuweisen. Danach hat die Kommission zum Nachweis des Vorliegens einer Verletzung der Regeln der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nicht die Unzulänglichkeit der von den nationalen Verwaltungen durchgeführten Kontrollen oder die Unrichtigkeit der von ihnen übermittelten Zahlen umfassend darzulegen, sondern darzutun, dass in Bezug auf diese Kontrollen oder diese Zahlen ernsthafte und berechtigte Zweifel bestehen, da der betroffene Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluss des EAGFL erforderlichen Angaben zu sammeln und nachzuprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile Griechenland/Kommission, C‑300/02, EU:C:2005:103, Rn. 34 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und Dänemark/Kommission, C‑417/12 P, EU:C:2014:2288, Rn. 80 und 81).

64

Der betroffene Mitgliedstaat kann seinerseits die Feststellungen, die den ernsthaften und berechtigten Zweifeln der Kommission zugrunde liegen, nur dadurch erschüttern, dass er seine Behauptungen auf Umstände stützt, mit denen das Vorhandensein eines zuverlässigen und funktionierenden Kontrollsystems nachgewiesen wird. Gelingt ihm nicht der Nachweis, dass die Feststellungen der Kommission unzutreffend sind, so können diese Feststellungen ernsthafte Zweifel begründen, ob ein angemessenes und wirksames System von Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle eingeführt worden ist (vgl. Urteil Dänemark/Kommission, C‑417/12 P, EU:C:2014:2288, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65

Folglich obliegt es dem Mitgliedstaat, die Richtigkeit seiner Kontrollen oder seiner Zahlen möglichst eingehend und vollständig nachzuweisen und so gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Feststellungen der Kommission darzutun (Urteile Griechenland/Kommission, C‑300/02, EU:C:2005:103, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Dänemark/Kommission, C‑417/12 P, EU:C:2014:2288, Rn. 83).

66

Die aus dieser Rechtsprechung abzuleitenden Grundsätze sind auf den EFRE entsprechend anwendbar, was die Italienische Republik in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof nicht bestritten hat. Angesichts der Struktur des gemäß Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 eingeführten Verwaltungs- und Kontrollsystems, wonach in erster Linie die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Finanzkontrolle der Interventionen übernehmen, sind diese in der Tat am besten in der Lage, die Angaben zu diesen Interventionen zu sammeln und nachzuprüfen.

67

Im vorliegenden Fall beanstandet die Italienische Republik, dass das Gericht die Gesichtspunkte nicht berücksichtigt habe, mit denen sie das Vorliegen der Unregelmäßigkeiten bestritten habe, die von den Prüfern der Union in einer im Januar 2009 geprüften Stichprobe von Kontrollen der ersten und der zweiten Ebene festgestellt worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese spezifischen Unregelmäßigkeiten nach den Feststellungen des Gerichts in Rn. 63 des angefochtenen Urteils nur eine der Rügen darstellten, die in Bezug auf das für das Programm ROP Apulien eingeführte Verwaltungs- und Kontrollsystem erhoben wurden und dass die streitige Entscheidung auch auf andere diesem System immanente Lücken gestützt war, die ernsthafte und berechtigte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Angemessenheit aufkommen lassen konnten.

68

Aus der Prüfung des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes und des ersten und des dritten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes, deren Ergebnisse in den Rn. 58 und 61 des vorliegenden Urteils enthalten sind, ergibt sich, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Italienischen Republik, mit dem sie den Feststellungen entgegengetreten ist, die diesen weiteren – sich aus den Verzögerungen bei der Durchführung der Kontrollen der ersten Ebene, der fehlenden Zuverlässigkeit der vorgeschlagenen Korrekturen und dem schlechten Funktionieren der Zahlstelle ergebenden – Mängeln des für das Programm ROP Apulien eingeführten Verwaltungs- und Kontrollsystems zugrunde lagen, rechtsfehlerfrei zurückgewiesen hat.

69

Daher ist das Gericht im Einklang mit der in den Rn. 63 bis 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung in Rn. 63 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, dass es nicht erforderlich sei, über das – von der Italienischen Republik bestrittene – Vorliegen der in der im Januar 2009 durchgeführten Prüfung festgestellten spezifischen Unregelmäßigkeiten zu entscheiden.

70

Hinzuzufügen ist, dass die Italienische Republik in ihrem Rechtsmittel die Rn. 109 bis 118 des angefochtenen Urteils nicht beanstandet hat. In diesen hat das Gericht die Verhältnismäßigkeit der angewandten pauschalen Korrektur bejaht und sich hierfür auf die Mängel dieses Verwaltungs- und Kontrollsystems im Zusammenhang mit den Verzögerungen bei der Durchführung der Kontrollen der ersten Ebene, der fehlenden Zuverlässigkeit der vorgeschlagenen Korrekturen und dem schlechten Funktionieren der Zahlstelle gestützt, die ernsthafte und berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit und Angemessenheit dieses Systems aufkommen lassen konnten.

71

Was den Vorwurf angeht, das Gericht selbst habe in den Rn. 78 bis 81 des angefochtenen Urteils die spezifischen Unregelmäßigkeiten, die in einer im Januar 2009 geprüften Stichprobe von Kontrollen der ersten Ebene festgestellt worden seien, berücksichtigt, ist zu bemerken, dass Gegenstand dieser Randnummern nicht diese spezifischen Unregelmäßigkeiten sind, sondern die Zweifel in Bezug auf die Praxis der italienischen Behörden bei finanziellen Korrekturen.

72

Demnach kann dem Gericht vorgeworfen werden, in den Rn. 78 bis 81 des angefochtenen Urteils die Feststellungen der Kommission zur Zuverlässigkeit der von den italienischen Behörden vorgeschlagenen finanziellen Korrekturen berücksichtigt zu haben, nachdem es in den Rn. 60 bis 63 dieses Urteils davon ausgegangen ist, dass es nicht erforderlich sei, über das Vorliegen der von den Prüfern der Union in einer im Januar 2009 geprüften Stichprobe festgestellten Unregelmäßigkeiten zu entscheiden.

73

Daher ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

– Zur Begründetheit des dritten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes

74

Mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes beanstandet die Italienische Republik die in Rn. 60 des angefochtenen Urteils enthaltene Feststellung, da es gegen die in Art. 39 der Verordnung Nr. 1260/1999 niedergelegten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Partnerschaft verstoße, eine pauschale Korrektur von 10 % vorzuschreiben, obschon die italienischen Behörden für die Unregelmäßigkeiten, die von den Prüfern der Union im Januar 2009 im Zusammenhang mit der Vergabe zusätzlicher Arbeiten oder Ingenieurdienstleistungen festgestellt worden seien, pauschale Korrekturen von 25 % vorgeschlagen hätten.

75

Hierzu ist festzustellen, dass diese von den italienischen Behörden vorgeschlagenen Korrekturen nur bestimmte der spezifischen Unregelmäßigkeiten betreffen, die von den Prüfern der Union im Januar 2009 festgestellt worden waren. Wie indes aus Rn. 69 des vorliegenden Urteils hervorgeht, konnte das Gericht rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass das behauptete Nichtvorliegen dieser spezifischen Unregelmäßigkeiten die Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung nicht beeinträchtigte. Unter diesen Umständen hat das Gericht ohne Verstoß gegen die in der vorstehenden Randnummer erwähnten Grundsätze in den Rn. 60 und 62 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das auf diese Korrekturen, die die Kommission bei der Berechnung des Endbetrags der Kürzung des Zuschusses des EFRE berücksichtigt hatte, gestützte Vorbringen ins Leere gehe, soweit mit ihm eine Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung angestrebt werde.

76

Daher ist der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

77

Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

Kosten

78

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Italienische Republik trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( * )   Verfahrenssprache: Italienisch.

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