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Document 62013CJ0267

Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 30. April 2014.
Nutricia NV gegen Staatssecretaris van Financiën.
Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden.
Kombinierte Nomenklatur – Tarifpositionen – Arzneiwaren im Sinne der Position 3004 – Begriff – Nahrungsmittelpräparate, die ausschließlich dazu bestimmt sind, unter ärztlicher Aufsicht durch eine Magensonde an Personen in ärztlicher Behandlung verabreicht zu werden – Getränke im Sinne der Unterposition 2202 – Begriff – Flüssige Nahrungsmittel, die dazu bestimmt sind, durch eine Magensonde verabreicht und nicht getrunken zu werden.
Rechtssache C‑267/13.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:277

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

30. April 2014 ( *1 )

„Kombinierte Nomenklatur — Tarifpositionen — Arzneiwaren im Sinne der Position 3004 — Begriff — Nahrungsmittelpräparate, die ausschließlich dazu bestimmt sind, unter ärztlicher Aufsicht durch eine Magensonde an Personen in ärztlicher Behandlung verabreicht zu werden — Getränke im Sinne der Unterposition 2202 — Begriff — Flüssige Nahrungsmittel, die dazu bestimmt sind, durch eine Magensonde verabreicht und nicht getrunken zu werden“

In der Rechtssache C‑267/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 19. April 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 2013, in dem Verfahren

Nutricia NV

gegen

Staatssecretaris van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet sowie der Richter S. Rodin (Berichterstatter) und F. Biltgen,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Nutricia NV, vertreten durch B. Boersma, adviseur,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Kranenborg und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Begriffe „Arzneiwaren“ und „Getränke“ im Sinne der Kombinierten Nomenklatur, die sich in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17. Oktober 2006 (ABl. L 301, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN) findet.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Nutricia NV (im Folgenden: Nutricia) und dem Staatssecretaris van Financiën (Finanzstaatssekretär) wegen verbindlicher Zolltarifauskünfte (im Folgenden: VZTA) für die Einreihung von Erzeugnissen zur enteralen Ernährung von Patienten.

Rechtlicher Rahmen

3

Die KN-Position 2106 umfasst:

„2106 – Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen“.

4

Die Position 2202 und die Unterpositionen 2202 10 00, 2202 90 und 2202 90 10 der KN beinhalten:

„2202 – Wasser, einschließlich Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser, mit Zusatz von Zucker, anderen Süßmitteln oder Aromastoffen, und andere nichtalkoholhaltige Getränke, ausgenommen Frucht- und Gemüsesäfte der Position 2009:

2202 10 00 – Wasser, einschließlich Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser, mit Zusatz von Zucker, anderen Süßmitteln oder Aromastoffen

2202 90 – andere:

2202 90 10 – – keine Erzeugnisse der Positionen 0401 bis 0404 und keine Fette aus Erzeugnissen der Positionen 0401 bis 0404 enthaltend

 

– – andere, mit einem Gehalt an Fetten aus Erzeugnissen der Positionen 0401 bis 0404“.

5

Im zweiten Teil der KN bestimmt Kapitel 22 („Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig“) in seiner Anmerkung 1:

„Zu Kapitel 22 gehören nicht:

e)

Arzneiwaren der Position 3003 oder 3004“.

6

Die Verordnung (EWG) Nr. 184/89 der Kommission vom 25. Januar 1989 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 23, S. 19) beschreibt die in Unterposition 2202 90 10 genannten Waren als Zusammenstellung folgender Erzeugnisse:

„Flüssige Zubereitung, Natrium- und Calciumcaseinate, Sojaproteine, Sojalecithin, Maisöl, Sojaöl, mittelkettige Triglyceride, Maltodextrine, Mineralsalze, Vitamine und Wasser enthaltend. Sie kann auch über eine [Magen- oder] Darmsonde verabreicht werden“.

7

Die Positionen 3004, 3004 50 und 3004 50 10 der KN umfassen:

„3004 Arzneiwaren (ausgenommen Erzeugnisse der Position 3002, 3005 oder 3006), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert (einschließlich solcher, die über die Haut verabreicht werden) oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf:

3004 50 – andere Arzneiwaren, Vitamine oder andere Erzeugnisse der Position 2936 enthaltend

3004 50 10 – in Aufmachungen für den Einzelverkauf“.

8

Im zweiten Teil der KN bestimmt Kapitel 30 („Pharmazeutische Erzeugnisse“) in seiner Anmerkung 1:

„Zu Kapitel 30 gehören nicht:

a)

Nahrungsmittel oder Getränke (wie diätetische, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, tonische Getränke und Mineralwasser), andere nicht intravenös zu verabreichende Nährstoffzubereitungen;

…“.

9

Die zusätzliche Anmerkung 1 des Kapitels 30 sieht vor:

„Zu Position 3004 gehören pflanzliche Arzneizubereitungen und Zubereitungen auf der Grundlage folgender Wirkstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, essenzielle Aminosäuren oder Fettsäuren, in Aufmachungen für den Einzelverkauf. Diese Zubereitungen sind in Position 3004 einzureihen, wenn auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel folgende Angaben gemacht werden:

a)

die spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, bei denen diese Erzeugnisse verwendet werden sollen;

b)

die Konzentration des enthaltenen Wirkstoffs oder der enthaltenen Wirkstoffe;

c)

die zu verabreichende Menge und

d)

die Art der Anwendung.

In diese Position gehören homöopathische Arzneizubereitungen, vorausgesetzt, sie erfüllen die unter den Buchstaben a), c) und d) genannten Bedingungen.

Bei Zubereitungen auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essenziellen Aminosäuren oder Fettsäuren muss die Menge eines dieser Stoffe pro auf dem Etikett angegebener empfohlener Tagesdosis deutlich höher sein als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10

Am 10. Mai 2007 beantragte Nutricia beim Inspektor der Steuerverwaltung (im Folgenden: Inspektor) fünf VZTA für fünf verschiedene Arten von für die Sondenernährung von Patienten bestimmten Erzeugnissen (im Folgenden: in Rede stehende Erzeugnisse). In ihrem Antrag regte sie an, diese in die Unterposition 3004 50 10 der KN einzureihen.

11

Am 28. August 2007 erteilte der Inspektor Nutricia die beantragten VZTA, in denen die in Rede stehenden Erzeugnisse in die Unterposition 2202 90 10 der KN eingereiht wurden. In den VZTA wurden die Erzeugnisse wie folgt beschrieben:

„Eine hellbraun gefärbte flüssige Zubereitung, die eine Sondenernährung zur diätetischen Behandlung von mit Krankheit zusammenhängender Unterernährung ist, die – entsprechend den Angaben – nur unter ärztlicher Aufsicht an Patienten verabreicht werden darf.

Die flüssige Zubereitung enthält u. a. Eiweiße, Vitamine, Kohlehydrate, Fette, Ballaststoffe und Mineralien.

Sie enthält kein Milchfett, und der Saccharosegehalt (einschließlich Invertzucker oder Isoglukose als Saccharose berechnet) beträgt weniger als 0,1 Gewichtsprozent.

Die flüssige Zubereitung ist für den Einzelverkauf aufgemacht, mit einer mehrsprachigen Gebrauchsanweisung versehen und in einem Kunststoffsack von 500 ml mit einem besonderen Sondenanschluss verpackt.“

12

Zur Begründung dieser Einreihung hat der Inspektor ausgeführt, dass diese „gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der [KN], Anmerkung 1 Buchst. a zu Kapitel 30 sowie dem Wortlaut der KN-Codes 2202, 2202 90 und 2202 90 10 erfolgt (vgl. Urteil des Gerichtshofs [Krings, C‑130/02, EU:C:2004:122]). Verordnung (EWG) Nr. 184/89 … Laborbericht vom 15. August 2007 …“.

13

Nachdem der Inspektor die VZTA auch nach einer Beschwerde von Nutricia aufrechterhalten hatte, klagte diese vor der Rechtbank te Haarlem (Bezirksgericht Haarlem), die die Klage mit Urteil vom 2. Juni 2009 als unbegründet abwies. Nutricia legte ein Rechtsmittel vor dem Gerechtshof te Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam) ein, der das genannte Urteil mit Urteil vom 28. April 2011 bestätigte. Schließlich legte Nutricia beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde gegen dieses Urteil ein.

14

Das vorlegende Gericht führt aus, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Einreihung eines Erzeugnisses unter die Position 3004 ausschlaggebend sei, dass das Erzeugnis therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweise, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriere oder die zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden könnten. Aus der Tatsache, dass die in Rede stehenden Erzeugnisse zur Behandlung und Vermeidung von krankheitsbedingt aufgetretener Unterernährung dienten, folge, dass sie nicht unter diese Position eingereiht werden dürften. Das vorlegende Gericht äußert allerdings Zweifel an dieser Schlussfolgerung.

15

So stellt es insbesondere fest, dass die in Rede stehenden Erzeugnisse nicht dazu bestimmt seien, getrunken zu werden, was ihrer Einreihung unter die Position 2202 entgegenstehe. Im Übrigen seien die Erzeugnisse ausschließlich dazu bestimmt, an Personen verabreicht zu werden, die wegen Krankheit oder Leiden ärztlich behandelt würden und im Rahmen der Bekämpfung dieser Krankheit oder dieses Leidens die Erzeugnisse durch eine Magensonde verabreicht bekämen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass eine „Verabreichung“ von Erzeugnissen „auf künstlichem Weg“, die aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit für eine medizinische Verwendung bestimmt sind, dazu führe, dass eine Einreihung unter der Position 3004 vorgenommen werden müsste.

16

Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden aufgrund der Zweifel an der korrekten Auslegung der KN beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist der Begriff „Arzneiware“ im Sinne der Position 3004 KN so auszulegen, dass darunter auch Nahrungsmittelpräparate wie die in Rede stehenden Erzeugnisse fallen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, unter ärztlicher Aufsicht enteral (durch eine Magensonde) an Personen verabreicht zu werden, die wegen Krankheit oder Leiden ärztlich behandelt werden und im Rahmen der Bekämpfung dieser Krankheit oder dieses Leidens die Erzeugnisse zur Beseitigung oder Vermeidung von Unterernährung verabreicht bekommen?

2.

Ist der Begriff „Getränke“ im Sinne der Position 2202 KN so auszulegen, dass flüssige Nahrungsmittel wie die vorliegenden Erzeugnisse darunter fallen, die nicht dazu bestimmt sind, getrunken zu werden, sondern enteral (durch eine Magensonde) verabreicht zu werden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

17

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Tarifposition 3004 der KN dahin ausgelegt werden muss, dass der Begriff der „Arzneiwaren“ im Sinne dieser Position auch Nahrungsmittelpräparate umfasst, die ausschließlich dazu bestimmt sind, unter ärztlicher Aufsicht enteral an Personen verabreicht zu werden, die ärztlich behandelt werden, sofern eine solche Verabreichung im Rahmen der Bekämpfung einer Krankheit oder eines Leidens, von dem Letztere betroffen sind, mit dem Ziel erfolgt, eine Unterernährung dieser Personen zu vermeiden oder zu beseitigen.

18

Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Position 3004 der KN „Arzneiwaren …, die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert … oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf“ umfasst.

19

Des Weiteren ist anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. u. a. Urteile Thyssen Haniel Logistic, C‑459/93, EU:C:1995:160, Rn. 8 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie TNT Freight Management [Amsterdam], C‑291/11, EU:C:2012:459, Rn. 30).

20

In diesem Zusammenhang war der Gerichtshof bereits mehrmals veranlasst, Fragen zur Auslegung des Begriffs „Arzneiwaren“ in Bezug auf die Wareneinreihung in die KN zu beantworten. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Einreihung der Erzeugnisse in Kapitel 30 der KN zu prüfen, ob diese eindeutig bestimmbare therapeutische und prophylaktische Eigenschaften aufweisen, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert, und ob sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können. Auch wenn das betroffene Erzeugnis keine eigene therapeutische Wirkung hat, aber bei der Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens Anwendung findet, ist es als zu therapeutischen Zwecken zubereitet anzusehen, sofern es eigens für diese Verwendung bestimmt ist (vgl. u. a. Urteil TNT Freight Management [Amsterdam], EU:C:2012:459, Rn. 40 und 42).

21

Aus der in den beiden vorangegangenen Randnummern genannten Rechtsprechung folgt, dass der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein kann, sofern er der Ware innewohnt, was anhand der Eigenschaften und objektiven Merkmale der Ware zu beurteilen ist (vgl. u. a. Urteil Krings, EU:C:2004:122; Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein Erzeugnis, das aufgrund seiner objektiven Merkmale und Eigenschaften naturgemäß zur medizinischen Verwendung bestimmt ist, in Kapitel 30 der KN eingereiht werden (vgl. Urteile Thyssen Haniel Logistic, EU:C:1995:160, Rn. 14, und TNT Freight Management [Amsterdam], EU:C:2012:459, Rn. 41).

22

Der Gerichtshof hat auch bereits unter Zugrundelegung des Wortlauts der Position 3004 entschieden, dass die Darbietung solcher Erzeugnisse in dosierter Form oder ihre Aufmachung für den Einzelverkauf eine Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist (vgl. Beschluss Juers Pharma, C‑40/06, EU:C:2007:2, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23

Ebenso ist festzustellen, dass es für die Einreihung eines Erzeugnisses in die Position 3004 der KN nicht von entscheidender Bedeutung ist, ob eine Krankheit in einem anderen Gemeinschaftstext als dem anerkannt wird, der sich auf die Einreihung in die KN bezieht (vgl. in diesem Sinne Beschluss SmithKline Beecham, C‑206/03, EU:C:2005:31, Rn. 44).

24

Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse als Sondenernährung für die Behandlung von krankheits- oder leidensbedingter Unterernährung verwendet werden und dass sie den Patienten nur unter ärztlicher Aufsicht und auf enteralem Weg verabreicht werden dürfen. Daraus folgt, dass diese Erzeugnisse für die Verwendung im Rahmen der Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens und damit naturgemäß für eine medizinische Verwendung bestimmt sind.

25

Es ist ferner daran zu erinnern, dass die zusätzliche Anmerkung zu Position 3004 eindeutig klarstellt, dass sie pflanzliche Zubereitungen und Zubereitungen auf Grundlage von Wirkstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, essenzielle Aminosäuren und Fettsäuren) in Aufmachungen für den Einzelverkauf beinhaltet, die unter diese Position eingereiht werden müssen, wenn das Etikett oder die Verpackung bestimmte Angaben zum betreffenden Erzeugnis ausweisen.

26

Es ist zwar richtig, dass Anmerkung 1 Buchst. a zu Kapitel 30 der KN, die Zubereitungen, Nahrungsergänzungsmittel sowie Getränke mit Ausnahme von intravenös zu verabreichenden Nährstoffzubereitungen aus diesem Kapitel ausschließt, ein wertvolles Erkenntnismittel für die Auslegung der KN darstellt. Hierzu hat der Gerichtshof bereits mehrfach geurteilt, dass sowohl die Anmerkungen, die den Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs vorangestellt sind, als auch die vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollunion, ausgearbeiteten Erläuterungen zum Harmonisierten System zur Bezeichnung und Kodierung der Waren als wertvolle Erkenntnismittel für die Auslegung dieses Tarifs angesehen werden können (vgl. Urteile Neckermann Versand, C‑395/93, EU:C:1994:318, Rn. 5, Pardo & Fils und Camicas, C‑59/94 und C‑64/94, EU:C:1995:326, Rn. 10, sowie Wiener SI, C‑338/95, EU:C:1997:552, Rn. 11).

27

Es muss aber unterstrichen werden, dass die Erläuterungen, die von der Weltzollunion für das genannte Harmonisierte System und von der Europäischen Kommission für die KN ausgearbeitet wurden, Auslegungscharakter aufweisen und nicht zwingendes Recht sind (vgl. u. a. Urteile DFDS, C‑396/02, EU:C:2004:536, Rn. 28, Kawasaki Motors Europe, C‑15/05, EU:C:2006:259, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie JVC France, C‑312/07, EU:C:2008:324, Rn. 37).

28

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass aus dem Wortlaut der unter Kapitel 30 der KN aufgeführten Anmerkung 1 Buchst. a folgt, dass diätetische Nahrungsmittel oder Getränke, die, ohne zur täglichen Ernährung zu gehören, dennoch ausschließlich zu ernährungsbedingten Zwecken verwendet werden, mit Ausnahme von intravenös zu verabreichenden Nährstoffzubereitungen aus diesem Kapitel ausgeschlossen sind.

29

Im vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass die in Rede stehenden Erzeugnisse nach der Beschreibung des vorlegenden Gerichts Wirkstoffe enthalten, für den Einzelverkauf vorgesehen sind, mit einer mehrsprachigen Gebrauchsanweisung versehen und in einem Kunststoffsack von 500 ml Produktinhalt mit einem besonderen Sondenanschluss verpackt sind.

30

Weiterhin muss aus den objektiven Eigenschaften der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse, insbesondere ihrem Einzelverkauf, ihrer Verwendung in einem therapeutischen Umfeld sowie der Tatsache, dass ihr Zweck die unter ärztlicher Aufsicht stehende Verabreichung mittels Magensonde an Patienten zur Verhütung oder Behandlung einer krankheits- oder leidensbedingten Unterernährung ist, geschlossen werden, dass diese Erzeugnisse zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken im Sinne der Tarifposition 3004 hergestellt wurden.

31

Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Tarifposition 3004 der KN dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Arzneiware“ im Sinne dieser Position Nahrungsmittelpräparate umfasst, die ausschließlich dazu bestimmt sind, unter ärztlicher Aufsicht enteral (durch eine Magensonde) an Personen verabreicht zu werden, die ärztlich behandelt werden, sofern eine solche Verabreichung im Rahmen der Bekämpfung einer Krankheit oder eines Leidens, von dem Letztere betroffen sind, mit dem Ziel erfolgt, eine Unterernährung dieser Personen zu vermeiden oder zu beseitigen.

Zur zweiten Frage

32

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage des vorlegenden Gerichts nicht zu beantworten.

Kosten

33

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Tarifposition 3004 der Kombinierten Nomenklatur, die sich in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17. Oktober 2006 geänderten Fassung findet, ist dahin auszulegen, dass der Begriff der „Arzneiware“ im Sinne dieser Position Nahrungsmittelpräparate umfasst, die ausschließlich dazu bestimmt sind, unter ärztlicher Aufsicht enteral (durch eine Magensonde) an Personen verabreicht zu werden, die ärztlich behandelt werden, sofern eine solche Verabreichung im Rahmen der Bekämpfung einer Krankheit oder eines Leidens, von dem Letztere betroffen sind, mit dem Ziel erfolgt, eine Unterernährung dieser Personen zu vermeiden oder zu beseitigen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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