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Document 62013CJ0133

    Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 18. Dezember 2014.
    Staatssecretaris van Economische Zaken und Staatssecretaris van Financiën gegen Q.
    Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State (Niederlande).
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Kapitalverkehr – Steuerrecht – Schenkungsteuer – Befreiung im Fall eines ‚Landguts‘ – Keine Befreiung im Fall eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Landguts.
    Rechtssache C‑133/13.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2460

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

    18. Dezember 2014 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Freier Kapitalverkehr — Steuerrecht — Schenkungsteuer — Befreiung im Fall eines ‚Landguts‘ — Keine Befreiung im Fall eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Landguts“

    In der Rechtssache C‑133/13

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidung vom 13. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 18. März 2013, in dem Verfahren

    Staatssecretaris van Economische Zaken,

    Staatssecretaris van Financiën

    gegen

    Q

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,

    Generalanwältin: J. Kokott,

    Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2014,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von Q, vertreten durch A. Bakker und D. Smit im Beistand von M. Hamer, advocaat,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman, K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,

    der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

    der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

    der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J.‑S. Pilczer als Bevollmächtigte,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

    der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brighouse als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und W. Mölls als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 2. Oktober 2014

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 AEUV.

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Economische Zaken (Staatssekretär für Wirtschaft) und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) einerseits und Q andererseits wegen der Weigerung der niederländischen Behörden, ein in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich der Niederlande belegenes Anwesen der Betroffenen als Landgut („landgoed“) einzustufen, wodurch ihr die Möglichkeit vorenthalten wird, eine Steuerbefreiung bezüglich der von ihr beabsichtigten Schenkung zu erlangen.

    Niederländisches Recht

    3

    Art. 1 des Erbschaftsgesetzes von 1956 (Successiewet 1956, im Folgenden: Erbschaftsgesetz) bestimmt:

    „(1)   Nach diesem Gesetz werden folgende Steuern erhoben:

    2.   Schenkungsteuer auf den Wert all dessen, was durch Schenkung von einer Person erworben wird, die ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt der Schenkung in den Niederlanden hatte;

    …“

    4

    In Art. 5 des Erbschaftsgesetzes heißt es:

    „…

    (2)   Die Schenkungsteuer wird auf das erhoben, was der Schenkungsempfänger, gegebenenfalls nach Abzug mit der Schenkung verbundener Belastungen und Verpflichtungen zugunsten des Schenkers oder eines Dritten, erwirbt.“

    5

    Art. 1 des Gesetzes von 1928 über die Naturschönheit (Natuurschoonwet 1928, im Folgenden: Gesetz über die Naturschönheit) bestimmt:

    „(1)   Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck

    a)

    ‚Landgut‘ ein in den Niederlanden belegenes, ganz oder teilweise mit Naturgebieten, Wäldern oder anderen Baumbeständen versehenes Grundstück – einschließlich der Grundstücke, auf denen sich ein Landhaus oder andere zum Charakter des Landguts passende Gebäude befinden –, sofern der Fortbestand dieses Grundstücks in seiner charakteristischen Erscheinungsform im Hinblick auf die Erhaltung der Naturschönheit wünschenswert ist;

    b)

    ‚Eigentümer‘

    1.

    den Eigentümer eines Grundstücks, das nicht mit dem beschränkten Recht des Nießbrauchs oder, mit Ausnahme der Fälle nach Abs. 3, der Erbpacht belastet ist;

    2.

    den Nießbraucher oder, mit Ausnahme der Fälle nach Abs. 3, den Erbpächter;

    c)

    ‚wirtschaftliches Eigentum‘ ein auf ein Grundstück bezogenes System von Rechten und Pflichten, das eine Beteiligung an diesem Grundstück darstellt. Die Beteiligung umfasst mindestens ein gewisses Wertänderungsrisiko und gehört einer anderen Person als dem zivilrechtlichen Eigentümer. Die bloße Einräumung des Rechts auf Lieferung gilt nicht als Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums;

    d)

    ‚Unser Minister‘ Unseren Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Innovation;

    e)

    ‚Unsere Minister‘ Unsere Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Innovation und Unseren Minister für Finanzen.

    (2)   Durch oder aufgrund einer Rechtsverordnung werden Vorschriften betreffend die Voraussetzungen erlassen, die ein Grundstück erfüllen muss, damit es als Landgut angesehen werden kann. Diese Voraussetzungen betreffen:

    a)

    die Fläche des Grundstücks, bei der auch die Fläche eines angrenzenden Grundstücks berücksichtigt werden kann, die selbst als Landgut gilt oder die zusammen mit dem erstgenannten Grundstück als Landgut gilt, sofern zwischen beiden Grundstücken ein enger historischer Zusammenhang besteht;

    b)

    der prozentuale Anteil der Fläche des Grundstücks, die mindestens mit Naturgebieten, Wäldern oder anderen Baumbeständen versehen sein muss, sowie die Art der Naturgebiete, Wälder und anderen Baumbestände;

    c)

    die Größe und die Beschaffenheit der nicht mit Naturgebieten, Wäldern oder anderen Baumbeständen versehenen Flächen, unabhängig davon, ob sie mit der Beschaffenheit unmittelbar oder mittelbar an das Grundstück angrenzender Flächen in Zusammenhang stehen;

    d)

    die Art und Weise der Bebauung;

    e)

    die Art der Nutzung der Flächen und der errichteten Gebäude.

    …“

    6

    Art. 2 des Gesetzes über die Naturschönheit sieht vor:

    „(1)   Ein Eigentümer, der sein Grundstück als Landgut anerkennen lassen möchte, hat einen entsprechenden an Unsere Minister gerichteten Antrag zu stellen, der bei Unserem Minister einzureichen ist.

    (4)   Unsere Minister entscheiden über den Antrag durch gemeinsamen Beschluss.“

    7

    Art. 7 des Gesetzes über die Naturschönheit bestimmt:

    „(1)   Gehört zu einem Erwerb im Sinne des Erbschaftsgesetzes … ein als Landgut ausgewiesenes Grundstück, wird – sofern die Voraussetzungen des folgenden Absatzes erfüllt sind – die Differenz zwischen der durch Bescheid festgesetzten Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer und der Steuer, die geschuldet würde, wenn dieses Grundstück mit der Hälfte des wirtschaftlichen Wertes bewertet würde, der dem Grundstück zum Zeitpunkt des Erwerbs für den Fall beizumessen wäre, dass dieser Erwerb mit der Auflage versehen würde, das Grundstück 25 Jahre lang als solches zu erhalten und nicht mehr hochstämmiges Holz zu fällen, als nach den Regeln einer normalen Forstwirtschaft erforderlich oder üblich ist, nicht erhoben. Ist das Landgut gemäß den von Unseren Ministern genehmigten Vorschriften der Öffentlichkeit zugänglich, wird der Wert des Landguts abweichend von Satz 1 dieses Absatzes mit Null angesetzt.“

    8

    Art. 1 des gemäß dem Gesetz über die Naturschönheit ergangenen Einstufungserlasses:

    „(1)   Im Sinne dieses Erlasses bezeichnet

    a)

    ‚Landgut‘ ein Landgut im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über Naturschönheit …;

    b)

    ‚Baumbestand‘ anderen Baumbestand als Baumschulbestand, Weihnachtsbaumzucht, Obstbaumbestände und Weidenpflanzungen;

    c)

    ‚Landsitz‘ ein Grundstück, auf dem sich ein von Beginn an befestigtes Haus, ein Schloss, ein Sommerhaus oder ein Landhaus, gegebenenfalls mit Nebengebäuden, befindet, mit einem architektonisch damit verbundenen historischen Garten oder historischen Park mit einer Größe von mindestens einem Hektar, der vor 1850 angelegt wurde und erkennbar vorhanden ist, sofern es sich bei diesem Ensemble oder zumindest bei einem seiner Bestandteile um ein geschütztes Denkmal handelt, das in das Register nach Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes von 1988 über historische Denkmale eingetragen ist;

    d)

    ‚Naturgebiete‘

    1.

    Heiden, Hochmoore, Niedermoorsümpfe, Sandverwehungen, Dünengebiete, Deichvorland, Salzwiesen, Schorre, Schwemmland, Schlammböden, Grünstrände, Röhricht, Buschwerk, Gestrüpp, Sümpfe, Moorland, Tümpel, Bäche, kleine Flüsse, Teiche, geschlossene Wasserläufe, Priele, Quellen und Quellwasserläufe, sofern diese Gebiete nicht als landwirtschaftliche Flächen genutzt werden;

    2.

    kalkreiche Weiden, blumenreiche Weiden im Hügelland, in Sand- und Moorgebieten oder in Fluss- und Kleigebieten, feuchte Magerweiden, Dotterblumenwiesen in Bachniederungen, Moor- oder Kleigebieten, feuchte, mäßig nährstoffreiche Weiden, trockene Magerweiden in höheren Lagen, trockenes, kalkarmes Dünengrasland, trockenes, kalkreiches Dünengrasland und hinter dem Deich liegende Salzweiden, sofern diese Gebiete ausschließlich zur Beweidung oder zur Heugewinnung genutzt werden und die für diese Weiden typische Vegetation aufweisen.

    …“

    9

    Art. 2 des gemäß dem Gesetz über die Naturschönheit ergangenen Einstufungserlasses sieht vor:

    „(1)   Um als Landgut bezeichnet werden zu können, muss ein Grundstück die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

    a)

    das Grundstück hat eine Fläche von mindestens fünf Hektar;

    b)

    das Land und die Gewässer, die zu dem Grundstück gehören, bilden ein einheitliches Gebiet;

    c)

    eine Fläche von mindestens 30 % des Grundstücks weist einen Baumbestand auf oder besteht aus Naturgebieten;

    d)

    die Art des Gebrauchs des Grundstücks beeinträchtigt die Naturschönheit nicht.

    (2)   Beeinträchtigen die zu dem Grundstück gehörenden Flächen, Bauwerke oder Gewässer oder die Art des Gebrauchs, der davon gemacht wird, die Naturschönheit, so werden diese Flächen, Bauwerke oder Gewässer nicht dem als Landgut anzusehenden Grundstück zugerechnet.

    …“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    10

    Q, die ihren steuerlichen Wohnsitz in den Niederlanden hat, ist Eigentümerin eines im Vereinigten Königreich belegenen Landguts („The Bean House“), das sie ihrem Sohn zu schenken beabsichtigt.

    11

    Nach niederländischem Recht könnte eine solche Schenkung u. a. dann ganz oder teilweise von der Steuer befreit werden, wenn es sich bei „The Bean House“ um ein Landgut im Sinne des Gesetzes über die Naturschönheit handelte, es also in den Niederlanden belegen wäre.

    12

    Q beantragte bei den niederländischen Steuerbehörden vergeblich die entsprechende Anerkennung.

    13

    Das von Q angerufene erstinstanzliche Gericht vertrat die Auffassung, dass der Anspruch auf Befreiung von der Schenkungsteuer nicht auf in den Niederlanden belegene Landgüter beschränkt werden dürfe. Die sich aus einer solchen Beschränkung ergebende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs sei weder durch das Interesse des betroffenen Mitgliedstaats am Schutz seines Natur- und Kulturerbes noch durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen zu gewährleisten, gerechtfertigt.

    14

    Der mit dem vom Staatssecretaris van Economische Zaken und vom Staatssecretaris van Financiën eingelegten Rechtsmittel befasste Raad van State (Staatsrat), der ebenfalls vom Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs ausgeht, hat Zweifel bezüglich der vom erstinstanzlichen Gericht geprüften Rechtfertigungsgründe. Die niederländischen Steuerbehörden machten vor dem Raad van State geltend, dass die Beeinträchtigung durch die praktischen Schwierigkeiten gerechtfertigt sei, die sich hinsichtlich steuerlicher Kontrollen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich der Niederlande ergäben, insbesondere die Notwendigkeit, zu prüfen, ob die Eigentümer ihrer Verpflichtung nachkämen, das Landgut über einen Zeitraum von 25 Jahren zu erhalten. Der Raad van State fragt sich in diesem Zusammenhang, inwieweit die Behörden der anderen Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die niederländischen Behörden bei ihren Kontrollen zu unterstützen.

    15

    Unter diesen Umständen hat der Raad van State beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Stellt das Interesse an der Erhaltung der nationalen Naturschönheit und des kulturhistorischen Erbes, das Gegenstand des Gesetzes über die Naturschönheit ist, einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine Regelung rechtfertigt, wonach die Anwendung einer Befreiung von der Schenkungsteuer (Steuervergünstigung) auf in den Niederlanden belegene Landgüter beschränkt wird?

    2.

    a)

    Können sich die Behörden eines Mitgliedstaats im Rahmen der Prüfung, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes Grundstück als Landgut im Sinne des Gesetzes über die Naturschönheit ausgewiesen werden kann, um Amtshilfe von Behörden des Mitgliedstaats, in dem dieses Grundstück belegen ist, zu erhalten, auf die Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84, S. 1) berufen, wenn die Ausweisung als Landgut aufgrund dieses Gesetzes zur Folge hat, dass eine Befreiung von der Erhebung der zum Zeitpunkt der Schenkung des genannten Grundstücks geschuldeten Schenkungsteuer gewährt wird?

    b)

    Sofern Frage 2a zu bejahen ist: Ist der Begriff „behördliche Ermittlungen“ in Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64, S. 1) dahin auszulegen, dass er auch eine Überprüfung vor Ort erfasst?

    c)

    Sofern Frage 2b zu bejahen ist: Kann zur Präzisierung des Begriffs „behördliche Ermittlungen“ in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2010/24 an die Definition des Begriffs „behördliche Ermittlungen“ in Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie 2011/16 angeknüpft werden?

    3.

    Sofern Frage 2a, Frage 2b oder Frage 2c zu verneinen ist: Ist der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, der in Art. 4 Abs. 3 EUV verankert ist, in Verbindung mit Art. 167 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen, dass er es mit sich bringt, dass, wenn ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat um Zusammenarbeit bei der Prüfung ersucht, ob ein in diesem anderen Mitgliedstaat belegenes Grundstück als Landgut im Sinne eines Gesetzes, das die Erhaltung und den Schutz der nationalen Naturschönheit und des kulturhistorischen Erbes bezweckt, ausgewiesen werden kann, der ersuchte Mitgliedstaat zu dieser Zusammenarbeit verpflichtet ist?

    4.

    Kann eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs durch eine Berufung auf die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten, gerechtfertigt werden, wenn die Wirksamkeit dieser Überwachung allein durch den Umstand gefährdet werden zu können scheint, dass nationale Behörden während des Zeitraums von 25 Jahren im Sinne von Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Naturschönheit in einen anderen Mitgliedstaat reisen müssen, um dort die erforderlichen Kontrollen durchzuführen?

    Zu den Vorlagefragen

    16

    Das vorlegende Gericht möchte mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen, ob Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach denen eine Befreiung von der Schenkungsteuer bezüglich bestimmter geschützter Stätten auf im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats belegene Stätten beschränkt ist.

    17

    Nach Art. 63 Abs. 1 AEUV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

    18

    Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die steuerliche Behandlung von Schenkungen unabhängig davon, ob es sich um Geldbeträge, um bewegliche oder um unbewegliche Sachen handelt, unter die Bestimmungen über den Kapitalverkehr des AEU-Vertrags fällt; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem der wesentlichen Elemente der betreffenden Transaktionen über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (vgl. Urteil Mattner, C‑510/08, EU:C:2010:216, Rn. 20).

    19

    Daraus ergibt sich, dass eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in der eine in einem Mitgliedstaat ansässige Person ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes Grundstück schenkungsweise überträgt, in den Anwendungsbereich von Art. 63 Abs. 1 AEUV fällt.

    20

    Zum Bereich der Erbschaftsteuer hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es eine durch Art. 63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt, wenn die Gewährung von Steuervergünstigungen davon abhängig gemacht wird, dass der übertragene Vermögensgegenstand im Inland belegen ist (vgl. Urteil Jäger, C‑256/06, EU:C:2008:20, Rn. 28 bis 35). Desgleichen stellen bei Schenkungen auch Maßnahmen, die eine Wertminderung der Schenkung desjenigen bewirken, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dem sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden und der die Schenkung besteuert, eine solche Beschränkung dar (vgl. Urteil Mattner, EU:C:2010:216, Rn. 26).

    21

    Da nationale Vorschriften wie die im Ausgangsverfahren fraglichen die Anwendung einer Befreiung von der Schenkungsteuer von der Bedingung abhängig machen, dass das betreffende Grundstück im Inland belegen ist, stellt der Umstand, dass die Besteuerung der Schenkung einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Person höher ist, wenn diese Schenkung sich auf ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes Grundstück bezieht, somit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

    22

    Damit eine solche Beschränkung als mit den Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden kann, ist es u. a. erforderlich, dass die ungleiche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, wobei die Vergleichbarkeit anhand des Zwecks und des Inhalts der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Bestimmungen zu beurteilen ist (vgl. Urteil X Holding, C‑337/08, EU:C:2010:89, Rn. 20 und 22).

    23

    Dies ist aber im Ausgangsverfahren der Fall.

    24

    Der Zweck der nach der im Ausgangsverfahren fraglichen niederländischen Regelung vorgesehenen Befreiung von der Schenkungsteuer besteht nämlich darin, die Integrität der für das traditionelle niederländische Landschaftsbild typischen Landgüter („landgoed“) vor einer Zerstückelung oder Verfälschung zu schützen, die sich aus dem für die Schenker möglicherweise bestehenden Zwang ergeben kann, ein Landgut zum Zweck der Veräußerung eines Teils desselben aufzuteilen oder es in einer Weise zu bewirtschaften, die dessen besonderem Charakter schaden könnte, um so die Steuer auf diese Übertragung entrichten zu können.

    25

    Der mit der Übertragung eines „landgoed“ verbundene steuerliche Vorteil bezweckt – worauf das vorlegende Gericht selbst hingewiesen hat – die Bewahrung der nationalen Naturschönheit, was den Zweck der Bewahrung des kulturhistorischen Erbes mitumfasst. Dieser Zweck lässt sich insbesondere aus der Definition des Landguts in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über die Naturschönheit ableiten, wonach die Grundstücke, auf denen sich ein Haus oder andere zum Charakter des Landguts passende Gebäude befinden, als integraler Bestandteil des Landguts angesehen werden können, und der Definition eines zu einem „landgoed“ gehörenden „Landsitzes“ in Art. 1 des Einstufungserlasses, wonach das Ensemble mit einem historischen Garten oder einem historischen Park verbunden sein muss, der vor 1850 angelegt wurde, und mindestens einen Bestandteil aufweisen muss, bei dem es sich um ein geschütztes Denkmal im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes von 1988 über historische Denkmale handelt.

    26

    Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Schenkung ein im Vereinigten Königreich belegenes Landgut mit ungefähr 18 Hektar betrifft, das nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats geschützte Denkmale umfasst.

    27

    Im Hinblick auf den mit der fraglichen nationalen Regelung verfolgten Zweck kann jedoch ein Steuerpflichtiger, der beabsichtigt, ein „landgoed“, das einen „Landsitz“ umfasst, schenkungsweise zu übertragen, nicht so angesehen werden, als befände er sich in einer Situation, die objektiv mit der Situation eines Steuerpflichtigen vergleichbar wäre, der wie im Ausgangsverfahren beabsichtigt, ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes Landgut schenkungsweise zu übertragen, selbst wenn dieses nach den Rechtsvorschriften dieses anderen Mitgliedstaats geschützte Denkmale umfasst. Da der im Ausgangsverfahren fragliche steuerliche Vorteil die Bewahrung der Integrität bestimmter Landgüter bezweckt, die Teil des nationalen kulturhistorischen Erbes sind, ist nämlich der Nachteil, der sich daraus für einen Steuerpflichtigen ergibt, der sich in der zweiten der geschilderten Situationen befindet, somit dem vom niederländischen Gesetzgeber verfolgten Zweck inhärent.

    28

    Etwas anderes könnte – wie in Rn. 33 des heute in der Rechtssache X (C‑87/13) ergangenen Urteils ausgeführt – nur in dem Fall gelten, dass dieser Steuerpflichtige nachweist, dass ein Anwesen zwar in einem anderen Staat als dem Königreich der Niederlande belegen ist, es aber gleichwohl zum kulturhistorischen Erbe der Niederlande gehört, und dass dieser Umstand geeignet ist, die Annahme zu begründen, dass dieses Anwesen – unabhängig davon, dass es im Ausland belegen ist – dem Schutz nach dem Gesetz über die Naturschönheit unterliegt.

    29

    Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen – nach denen eine Befreiung von der Schenkungsteuer bezüglich bestimmter Anwesen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum kulturhistorischen nationalen Erbe geschützt sind, auf im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats belegene Anwesen beschränkt ist – nicht entgegensteht, sofern diese Befreiung dann nicht ausgeschlossen ist, wenn es sich bei diesen Anwesen trotz des Umstands, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat belegen sind, um Anwesen handelt, die zum kulturhistorischen Erbe dieses Mitgliedstaats gehören.

    Kosten

    30

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen – nach denen eine Befreiung von der Schenkungsteuer bezüglich bestimmter Anwesen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum kulturhistorischen nationalen Erbe geschützt sind, auf im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats belegene Anwesen beschränkt ist – nicht entgegensteht, sofern diese Befreiung dann nicht ausgeschlossen ist, wenn es sich bei diesen Anwesen trotz des Umstands, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat belegen sind, um Anwesen handelt, die zum kulturhistorischen Erbe dieses Mitgliedstaats gehören.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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