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Document 62013CJ0037
Judgment of the Court (Fifth Chamber), 25 June 2014.#Nexans SA and Nexans France SAS v European Commission.#Appeal — Competition — Regulation (EC) No 1/2003 — Administrative procedure — Inspection — Decision ordering an inspection — Obligation to state reasons — Reasonable grounds — Geographic market.#Case C‑37/13 P.
Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 25. Juni 2014.
Nexans SA und Nexans France SAS gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Wettbewerb – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Verwaltungsverfahren – Nachprüfung – Entscheidung, mit der eine Nachprüfung angeordnet wird – Begründungspflicht – Hinreichend ernsthafte Indizien – Räumlicher Markt.
Rechtssache C‑37/13 P.
Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 25. Juni 2014.
Nexans SA und Nexans France SAS gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Wettbewerb – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Verwaltungsverfahren – Nachprüfung – Entscheidung, mit der eine Nachprüfung angeordnet wird – Begründungspflicht – Hinreichend ernsthafte Indizien – Räumlicher Markt.
Rechtssache C‑37/13 P.
Court reports – general
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2030
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
25. Juni 2014 ( *1 )
„Rechtsmittel — Wettbewerb — Verordnung (EG) Nr. 1/2003 — Verwaltungsverfahren — Nachprüfung — Entscheidung, mit der eine Nachprüfung angeordnet wird — Begründungspflicht — Hinreichend ernsthafte Indizien — Räumlicher Markt“
In der Rechtssache C‑37/13 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Januar 2013,
Nexans SA mit Sitz in Paris (Frankreich),
Nexans France SAS mit Sitz in Paris,
Prozessbevollmächtigte: M. Powell, Solicitor, J.‑P. Tran-Thiet, avocat, G. Forwood, Barrister, und A. Rogers, Solicitor,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch R. Sauer, J. Bourke und N. von Lingen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2014,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. April 2014
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Nexans SA (im Folgenden: Nexans) und die Nexans France SAS (im Folgenden: Nexans France) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Nexans France und Nexans/Kommission (T‑135/09, EU:T:2012:596, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage teilweise abgewiesen hat, mit der die Rechtsmittelführerinnen beantragt hatten, die Entscheidung K(2009) 92/1 der Kommission vom 9. Januar 2009, mit der gegenüber Nexans und ihrer Tochtergesellschaft Nexans France angeordnet worden war, eine Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) zu dulden (im Folgenden: streitige Entscheidung), sowie mehrere im Verlauf dieser Nachprüfung erlassene Entscheidungen für nichtig zu erklären. |
Rechtlicher Rahmen
2 |
Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bestimmt in ihrem Art. 4 („Zuständigkeit der Kommission“): „Zur Anwendung der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] verfügt die Kommission über die in dieser Verordnung vorgesehenen Befugnisse.“ |
3 |
In Art. 20 („Nachprüfungsbefugnisse der Kommission“) dieser Verordnung heißt es: „(1) Die Kommission kann zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben bei Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen. … (4) Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sind verpflichtet, die Nachprüfungen zu dulden, die die Kommission durch Entscheidung angeordnet hat. Die Entscheidung bezeichnet den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung, bestimmt den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung und weist auf die in Artikel 23 und Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof Klage gegen die Entscheidung zu erheben. Die Kommission erlässt diese Entscheidung nach Anhörung der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Ermittlung vorgenommen werden soll. …“ |
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung
4 |
Das Gericht hat die Vorgeschichte des Rechtsstreits in den Rn. 1 bis 5 des angefochtenen Urteils wie folgt zusammengefasst:
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Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
5 |
Mit am 7. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift beantragten Nexans und Nexans France die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung und der von der Kommission während der Nachprüfung vorgenommenen Handlungen. Sie beantragten außerdem, dass Gericht möge, falls die streitige Entscheidung und die von der Kommission während der Nachprüfung vorgenommenen Handlungen für nichtig erklärt würden, Maßnahmen gegen die Kommission erlassen. |
6 |
Zur Stützung ihres Antrags machten die Rechtsmittelführerinnen einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 und eine Verletzung der Grundrechte – nämlich ihrer Verteidigungsrechte, ihres Rechts auf ein faires Verfahren, ihres Rechts, sich nicht selbst belasten zu müssen, der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Vertraulichkeit – rügten. Mit diesem – aus zwei Teilen bestehenden – Klagegrund warfen die Rechtsmittelführerinnen der Kommission vor, erstens das von der streitigen Entscheidung betroffene Warenspektrum zu weit gefasst und zu vage formuliert und zweitens die geografische Reichweite der Nachprüfungsentscheidung zu groß festgelegt zu haben. |
7 |
In Rn. 94 des angefochtenen Urteils hat das Gericht dem ersten Teil des einzigen Klagegrundes insoweit stattgegeben, als er andere Stromkabel als Hochspannungssee- und ‑erdkabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betraf, nachdem es in Rn. 91 dieses Urteils zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass sie über hinreichend ernsthafte Indizien verfügt habe, um eine Nachprüfung über die Gesamtheit der Stromkabel und das dazugehörige Material anzuordnen. Im Übrigen hat das Gericht den ersten Teil des Klagegrundes zurückgewiesen. |
8 |
Zum zweiten Teil des Klagegrundes hat das Gericht in den Rn. 97 bis 99 Folgendes ausgeführt:
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9 |
In Rn. 100 des angefochtenen Urteils hat das Gericht daher den zweiten Teil des einzigen Klagegrundes zurückgewiesen. |
10 |
Darüber hinaus hat das Gericht den Antrag auf Nichtigerklärung der von der Kommission während der Nachprüfung vorgenommenen Handlungen als unzulässig zurückgewiesen und den Antrag der Rechtsmittelführerinnen, das Gericht möge sich zu etwaigen Wirkungen einer Nichtigerklärung der Nachprüfungsentscheidung und der streitigen Handlungen äußern, ebenfalls für unzulässig erklärt. |
11 |
Demzufolge hat das Gericht der Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung insoweit stattgegeben, als sie andere Stromkabel als unterseeische und unterirdische Hochspannungskabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betraf, und die Klage im Übrigen abgewiesen. |
12 |
Hinsichtlich der Kosten hat das Gericht Nexans und Nexans France verurteilt, ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten, die der Europäischen Kommission entstanden sind, zu tragen. Die Kommission ist zur Tragung der Hälfte ihrer eigenen Kosten verurteilt worden. |
Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof
13 |
Nexans und Nexans France beantragen,
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14 |
Die Kommission beantragt,
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Zum Rechtsmittel
15 |
Nexans und Nexans France machen zwei Rechtsmittelgründe geltend. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügen sie, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, als es ihr Vorbringen, die geografische Reichweite der streitigen Entscheidung sei zu weit und zu ungenau, zurückgewiesen habe. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund rügen sie, dass das Gericht einen Fehler begangen habe, als es ihnen neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Kommission auferlegt habe. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund
16 |
Der erste Rechtsmittelgrund von Nexans und Nexans France, der sich gegen die Rn. 95 bis 100 des angefochtenen Urteils richtet, gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird ein Verstoß gegen die Begründungserfordernisse hinsichtlich der geografischen Reichweite der streitigen Entscheidung gerügt. Mit dem zweiten Teil wird beanstandet, das Gericht habe einen Fehler begangen, weil es nicht geprüft habe, ob die Kommission für ihren Verdacht, es liege ein Wettbewerbsverstoß von wahrscheinlich weltweiter Geltung vor, über hinreichend ernsthafte Anhaltspunkte verfügt habe. |
Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Verstoß gegen die Begründungserfordernisse hinsichtlich der geografischen Reichweite der streitigen Entscheidung
– Vorbringen der Parteien
17 |
Nexans und Nexans France werfen dem Gericht zum einen vor, gegen die Pflicht zur Begründung seines Urteils, wie sie sich aus Art. 36 des Statuts des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 dieses Statuts auf das Gericht Anwendung findet, sowie aus Art. 81 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt, verstoßen zu haben, weil es in Rn. 97 des angefochtenen Urteils nicht hinreichend erläutert habe, wie es zu der Schlussfolgerung gelangt sei, dass die Kommission den Aktionsradius des vermuteten Kartells substantiiert beschrieben habe, als sie darauf hingewiesen habe, dass die vermuteten Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen „wahrscheinlich weltweit gelten“. Sie meinen, dass sich das Gericht nicht mit ihrem Argument auseinandergesetzt habe, dass wegen des ausgeprägt örtlichen Charakters der Kabelprojekte außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der speziellen Merkmale von Kabelprojekten nicht angenommen werden könne, dass ein wettbewerbswidriges Verhalten, das mit Projekten außerhalb des Binnenmarkts zusammenhänge, irgendwelche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben könnte. |
18 |
Zum anderen werfen Nexans und Nexans France dem Gericht vor, die Begründungsanforderungen an eine Nachprüfungsentscheidung verkannt zu haben, als es ihr Argument verworfen habe, dass es den Ausführungen zur geografischen Reichweite des angeblichen Fehlverhaltens in der streitigen Entscheidung an Genauigkeit mangele. |
19 |
Insoweit vertreten die Rechtsmittelführerinnen erstens die Ansicht, dass das Gericht die Rechtsprechung, wonach die Kommission verpflichtet sei, in einer Nachprüfungsentscheidung den mutmaßlich relevanten Markt zu bezeichnen, nicht beachtet habe, da die Kommission in der streitigen Entscheidung nicht erläutert habe, was sie unter einem „vermuteten wettbewerbswidrigen Verhalten von wahrscheinlich weltweiter Geltung“ verstehe. Zweitens rügen sie, dass das Gericht entgegen einer ständigen Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt habe, die Vermutungen, denen sie nachzugehen beabsichtige, in der streitigen Entscheidung anzugeben und insbesondere darauf hinzuweisen, dass sie eine Untersuchung durchführe, die sich auf eine Absprache in der Gestalt eines „stay at home agreement“ oder ein anderes Verhalten außerhalb des Gemeinsamen Marktes beziehe, von dem sie vermute, dass es sich auf den Gemeinsamen Markt auswirke. Nexans und Nexans France machen außerdem geltend, dass ihr Verteidigungsrecht beeinträchtigt und es ihnen unmöglich gemacht worden sei, den genauen Umfang ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit zu erfassen, weil in der streitigen Entscheidung nicht genau angegeben werde, wie sich das vermutete wettbewerbswidrige Verhalten im Zusammenhang mit Projekten außerhalb des Gemeinsamen Marktes innerhalb der Union oder innerhalb des EWR habe auswirken können. |
20 |
Die Kommission tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen im ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes entgegen. |
– Würdigung durch den Gerichtshof
21 |
Was das im Rahmen des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes von Nexans und Nexans France vorgebrachte erste Argument betrifft, das angefochtene Urteil sei in Bezug auf ihr Vorbringen zur geografischen Reichweite der vermuteten Zuwiderhandlung unzureichend begründet, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass die Begründungspflicht, die dem Gericht nach Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs, die gemäß Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf es anwendbar ist, und nach Art. 81 der Verfahrensordnung des Gerichts obliegt, nicht verlangt, dass es bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Anhaltspunkte liefert, damit er seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. u. a. Urteile Frankreich/Kommission, C‑601/11 P, EU:C:2013:465, Rn. 83, sowie Dow Chemical u. a./Kommission, C‑499/11 P, EU:C:2013:482, Rn. 56). |
22 |
Das erste Argument ist daher im Licht dieser Grundsätze zu prüfen. |
23 |
Die Begründung hinsichtlich der Eingrenzung der geografischen Reichweite der vermuteten Zuwiderhandlung ist zwar im Vergleich zu den Ausführungen, die das Gericht im angefochtenen Urteil zur Eingrenzung der betroffenen Waren gemacht hat, knapp ausgefallen, doch stand die Frage der geografischen Reichweite der vermuteten Zuwiderhandlung – wie die Generalanwältin in Nr. 31 ihrer Schlussanträge festgestellt hat – in der ersten Instanz nicht im Zentrum des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen, die den Schwerpunkt ihrer Ausführungen auf das von der streitigen Entscheidung betroffene Warenspektrum gelegt hatten. Da die Begründung des angefochtenen Urteils in Bezug auf die geografische Reichweite der vermuteten Zuwiderhandlung den Betroffenen ermöglicht hat, die Überlegungen des Gerichts nachzuvollziehen, und dem Gerichtshof ausreichende Anhaltspunkte liefert, damit dieser seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann, kann die Kürze dieser Begründung allein dem Gericht nicht zum Vorwurf gemacht werden. |
24 |
Tatsächlich hat sich das Gericht trotz der Kürze der Begründung mit dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, die Ausführungen zur geografischen Reichweite des vermuteten Kartells seien ungenau, ausdrücklich auseinandergesetzt und das angefochtene Urteil ausreichend begründet, als es zu der Schlussfolgerung gelangte, die Kommission habe den Aktionsradius des vermuteten Kartells substantiiert beschrieben. |
25 |
Aus den Rn. 95 bis 100 des angefochtenen Urteils geht nämlich hervor, dass das Gericht das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zur übermäßigen geografischen Reichweite der streitigen Entscheidung geprüft hat. Es ist insoweit in Rn. 97 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission den Aktionsradius des vermuteten Kartells substantiiert beschrieben habe, als sie darauf hingewiesen habe, dass die vermuteten Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen „wahrscheinlich weltweit gelten“. Das Gericht hat demzufolge die Genauigkeit der geografischen Reichweite in der streitigen Entscheidung als ausreichend angesehen. |
26 |
Außerdem hat sich das Gericht in den Rn. 98 und 99 des angefochtenen Urteils mit dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen insoweit auseinandergesetzt, als es so zu verstehen sein sollte, dass sie beanstanden, dass die Kommission Dokumente in Bezug auf geografische Märkte lokaler Natur, die sich außerhalb des Gemeinsamen Marktes befänden, in den Geltungsbereich der streitigen Entscheidung einbezogen habe, ohne zu begründen, wie sich ein vermutetes wettbewerbswidriges Verhalten auf diesen Märkten auf den Gemeinsamen Markt habe auswirken können. |
27 |
In diesem Zusammenhang hat das Gericht in Rn. 99 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Befugnisse, die der Kommission durch die Verordnung Nr. 1/2003 übertragen würden, die Durchführung der in den Art. 81 EG und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln zum Gegenstand hätten, die bestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen untersagten, soweit sie geeignet seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und sofern sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten oder bewirkten. Das Gericht hat daraus abgeleitet, dass die Kommission zwar keine Nachprüfung in den Geschäftsräumen eines Unternehmens durchführen könne, wenn sie das Vorliegen einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise vermute, die sich ausschließlich auf einen oder mehrere Märkte außerhalb des Gemeinsamen Marktes auswirke, dass aber nichts dagegen spreche, dass sie Dokumente zu diesen Märkten prüfe, um Verhaltensweisen aufzudecken, die geeignet seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten oder bewirkten. |
28 |
Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Gericht rechtlich hinreichend die Gründe für seine Annahme dargelegt hat, dass die Kommission den Aktionsradius des vermuteten Kartells substantiiert beschrieben habe, als sie darauf hingewiesen habe, dass dieses „wahrscheinlich weltweit [gilt]“, auch wenn es mit dem Hinweis auf die Grenzen der Befugnisse, die der Kommission bei Nachprüfungen eingeräumt sind, das Vorbringen der Kläger zum ausgeprägt örtlichen Charakter der Kabelprojekte außerhalb des Gemeinsamen Marktes und die speziellen Merkmale von Kabelprojekten nur implizit verworfen hat. |
29 |
Mit ihrem zweiten Argument im Rahmen des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes rügen die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe die Begründungsanforderungen an eine Nachprüfungsentscheidung der Kommission verkannt, als es zum einen das Argument der Rechtsmittelführerinnen verworfen habe, dass es den Ausführungen in der streitigen Entscheidung zur wahrscheinlich weltweiten Geltung der vermuteten Zuwiderhandlung an Genauigkeit mangele, und zum anderen die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht beachtet habe, wonach die Kommission in einer Nachprüfungsentscheidung die Vermutungen angeben müsse, denen sie nachzugehen beabsichtige. |
30 |
Die Rechtsmittelführerinnen werfen dem Gericht außerdem vor, von der Kommission nicht verlangt zu haben, in der streitigen Entscheidung genauere Angaben dazu zu machen, wie sich das vermutete wettbewerbswidrige Verhalten im Zusammenhang mit Projekten außerhalb des Gemeinsamen Marktes innerhalb der Union oder des EWR habe auswirken können, und dabei auch Angaben zu dem mutmaßlich relevanten Markt zu machen. Dadurch sei ihr Verteidigungsrecht beeinträchtigt worden, weil es ihnen unmöglich gemacht werde, den genauen Umfang ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit zu erfassen. |
31 |
Diese Argumentation ist insgesamt zu verwerfen. Zunächst ist daran zu erinnern, dass die in Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung von Rechtsakten der Unionsorgane der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Rechtmäßigkeitskontrolle durchführen kann (Urteil Solvay/Kommission, C‑455/11 P, EU:C:2013:796, Rn. 90). |
32 |
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, nach der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil Solvay/Kommission, EU:C:2013:796, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
33 |
Außerdem ist der rechtliche Rahmen zu berücksichtigen, in dem die Nachprüfungen der Kommission stattfinden. Die Art. 4 und 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 verleihen der Kommission nämlich Nachprüfungsbefugnisse, damit sie ihren Auftrag erfüllen kann, den Gemeinsamen Markt vor Wettbewerbsverzerrungen zu schützen und etwaige Verstöße gegen die auf diesem Markt bestehenden Wettbewerbsregeln zu ahnden (vgl. in diesem Sinne Urteil Roquette Frères, EU:C:2002:603, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
34 |
Was speziell die Nachprüfungsentscheidungen der Kommission betrifft, geht aus Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 hervor, dass diese u. a. den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung bezeichnen müssen. Diese spezielle Begründungspflicht stellt, wie der Gerichtshof klargestellt hat, insofern ein grundlegendes Erfordernis dar, als dadurch nicht nur die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den betroffenen Unternehmen aufgezeigt werden soll, sondern auch diese Unternehmen in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 29). |
35 |
Was das Vorbringen von Nexans und Nexans France betrifft, wonach das Gericht die Verpflichtung der Kommission verkannt habe, in ihrer streitigen Entscheidung den mutmaßlich relevanten Markt zu bezeichnen, der den Rechtsmittelführerinnen zufolge sowohl eine materielle als auch eine geografische Komponente beinhalten muss, ist daran zu erinnern, dass die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs weder dem Adressaten einer Nachprüfungsentscheidung alle ihr vorliegenden Informationen über vermutete Zuwiderhandlungen zu übermitteln braucht noch eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen muss, sofern sie klar angibt, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt (Urteil Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, 97/87 bis 99/87, EU:C:1989:380, Rn. 45). |
36 |
Die Kommission hat zwar möglichst genau anzugeben, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll (Urteil Roquette Frères, EU:C:2002:603, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung); doch braucht aus einer Nachprüfungsentscheidung nicht notwendigerweise eine genaue Abgrenzung des relevanten Marktes, die exakte rechtliche Qualifizierung der vermuteten Zuwiderhandlungen oder der Zeitraum hervorzugehen, in dem diese Zuwiderhandlungen begangen sein sollen, sofern sie nur die vorstehend genannten wesentlichen Angaben enthält (vgl. in diesem Sinne Urteile Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, EU:C:1989:380, Rn. 46, sowie Roquette Frères, EU:C:2002:603, Rn. 82). |
37 |
Da die Nachprüfungen zu Beginn einer Untersuchung stattfinden, verfügt die Kommission nämlich, wie die Generalanwältin in Nr. 48 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, noch nicht über die zur Abgabe einer spezifischen rechtlichen Würdigung erforderlichen genauen Informationen und muss erst noch die Richtigkeit ihres Verdachts sowie die Tragweite der Geschehnisse prüfen, da Zweck der Nachprüfung gerade ist, Beweise für die mutmaßliche Zuwiderhandlung zu sammeln (vgl. in diesem Sinne Urteil Roquette Frères, EU:C:2002:603, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
38 |
Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen der streitigen Entscheidung hervor, dass sich die Nachprüfung auf „Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen“ bezog, die „wahrscheinlich weltweit [gelten]“ und „mit der Lieferung von Stromkabeln und dazugehörigem Material einschließlich u. a. unterseeischer Hochspannungskabel und in bestimmten Fällen unterirdischer Hochspannungskabel zusammenhängen“. Die Kommission hat in den betreffenden Erwägungsgründen auch ihren Verdacht hinsichtlich der „Zuteilung von Abnehmern“ erwähnt. Zudem hat sie ausgeführt, dass, wenn sich ihr Verdacht bestätigen sollte, „die … Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen besonders schwere Verstöße gegen Art. 81 [EG] [wären]“. |
39 |
In Anbetracht der Angaben in der streitigen Entscheidung zur geografischen Reichweite der vermuteten Zuwiderhandlungen und der Rechtsvorschriften zur Regelung der Nachprüfungsbefugnisse der Kommission konnte das Gericht, ohne gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verstoßen, die Begründung der streitigen Entscheidung in Bezug auf die geografische Reichweite der vermuteten Zuwiderhandlung als ausreichend ansehen, ohne zur Art des vermuteten Verhaltens außerhalb des Gemeinsamen Marktes, zur möglichen Auswirkung eines solchen Verhaltens auf diesen Markt oder zur Art der Dokumente, die die Kommission prüfen durfte, nähere Angaben zu verlangen. |
40 |
Im Übrigen war die Kommission entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht gehalten, im Rahmen ihrer Nachprüfung ihre Ermittlungen auf Dokumente zu solchen Projekten zu beschränken, die sich auf den Gemeinsamen Markt auswirkten. Da die Kommission den Verdacht einer Zuwiderhandlung von wahrscheinlich weltweiter Geltung hegte, die eine Zuteilung der Abnehmer einschloss, konnten sich auch aus Dokumenten, die mit Projekten außerhalb des Gemeinsamen Marktes zusammenhingen, sachdienliche Informationen zu der vermuteten Zuwiderhandlung ergeben. |
41 |
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen. |
Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Die Kommission habe nicht über hinreichend ernsthafte Anhaltspunkte für ihren Verdacht einer Zuwiderhandlung von wahrscheinlich weltweiter Geltung verfügt
– Vorbringen der Parteien
42 |
Nexans und Nexans France vertreten die Ansicht, das Gericht habe nicht geprüft, ob die Kommission im vorliegenden Fall über hinreichend ernsthafte Anhaltspunkte für ihren Verdacht verfügt habe, dass sich das in Rede stehende wettbewerbswidrige Verhalten im Zusammenhang mit Projekten außerhalb des Gemeinsamen Marktes innerhalb der Union oder innerhalb des EWR habe auswirken können. |
43 |
Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. |
– Würdigung durch den Gerichtshof
44 |
Hinsichtlich des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes geht aus den Akten hervor, dass die Rechtsmittelführerinnen das Fehlen hinreichend ernsthafter Anhaltspunkte für den Verdacht eines Wettbewerbsverstoßes von weltweiter Geltung vor dem Gericht nicht gerügt hatten. Die Vertreter der Rechtsmittelführerinnen haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass eine solche Rüge in der ersten Instanz nicht ausdrücklich erhoben worden sei. |
45 |
Nach ständiger Rechtsprechung würde aber einer Partei, wenn sie vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel vorbringen könnte, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, letztlich gestattet, den Gerichtshof, dessen Zuständigkeit bei Rechtsmitteln begrenzt ist, mit einem weiter reichenden Rechtsstreit zu befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte (Urteile Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission und Kommission/Alliance One International u. a., C‑628/10 P und C‑14/11 P, EU:C:2012:479, Rn. 111, sowie Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 35). |
46 |
Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, dass diese Rüge implizit Bestandteil ihres Vortrags in der ersten Instanz gewesen sei, ist zurückzuweisen. Denn aus den Akten, die dem Gericht vorgelegen haben, geht hervor, dass die Rechtsmittelführerinnen in einem anderen Zusammenhang, was die materielle Reichweite der streitigen Entscheidung angeht, die Rüge, dass es für den Verdacht einer Zuwiderhandlung in anderen Bereichen als dem für unterseeische Hochspannungskabel an hinreichend ernsthaften Anhaltspunkten fehle, getrennt von ihrer Rüge, dass die streitige Entscheidung hinsichtlich der Eingrenzung der betroffenen Waren ungenau sei, erhoben hatten. |
47 |
Folglich ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen. |
48 |
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist der erste Rechtsmittelgrund als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
49 |
Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, der sich gegen Rn. 139 des angefochtenen Urteils richtet, machen Nexans und Nexans France geltend, dass die Entscheidung des Gerichts, ihnen neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Kommission aufzuerlegen, offensichtlich unangemessen sei. |
50 |
Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig und jedenfalls für unbegründet. |
Würdigung durch den Gerichtshof
51 |
Nach Art. 58 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs ist ein Rechtsmittel nur gegen die Kostenentscheidung oder gegen die Kostenfestsetzung unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung sind zudem Anträge, mit denen die Fehlerhaftigkeit der Kostenentscheidung des Gerichts geltend gemacht wird, gemäß dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen, wenn alle anderen Rechtsmittelgründe zurückgewiesen worden sind (Urteil Gualtieri/Kommission, C‑485/08 P, EU:C:2010:188, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
52 |
Folglich ist, da der erste Rechtsmittelgrund zurückgewiesen worden ist, der zweite Rechtsmittelgrund, der die Kostentragung betrifft, für unzulässig zu erklären. |
Kosten
53 |
Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. |
54 |
Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerinnen beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen außer ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.