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Document 62013CC0447

    Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar vom 19. Juni 2014.
    Riccardo Nencini gegen Europäisches Parlament.
    Rechtsmittel - Mitglied des Europäischen Parlaments - Vergütungen zur Deckung der bei der Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben entstandenen Kosten - Rückforderung zu viel gezahlter Beträge - Einziehung - Verjährung - Angemessene Frist.
    Rechtssache C-447/13 P.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2022

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MACIEJ SZPUNAR

    vom 19. Juni 2014 ( 1 )

    Rechtssache C‑447/13 P

    Riccardo Nencini

    gegen

    Europäisches Parlament

    „Rechtsmittel — Ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments — Erstattung von in Ausübung des parlamentarischen Amtes entstandenen Kosten — Forderung im Rahmen der Anwendung eines Verfahrens der Rückforderung zu viel gezahlter Beträge — Verjährungsvorschriften — Art. 73a der Haushaltsordnung — Tag des Fristbeginns — Art. 85b der Durchführungsbestimmungen — Grundsatz der Rechtssicherheit — Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer“

    I – Einleitung

    1.

    Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer, Herr Nencini, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments, die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Nencini/Parlament ( 2 ), mit dem dieses seine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments zurückgewiesen hat, bestimmte, dem Rechtsmittelführer während dessen parlamentarischen Mandats zu Unrecht gezahlte Kosten zurückzufordern.

    2.

    Dieses Rechtsmittel wirft einen bisher noch nicht behandelten Aspekt des Unionsrechts auf, betreffend die Verjährungsfristen von Forderungen der Europäischen Union gegenüber Dritten.

    3.

    Die Argumente des Rechtsmittelführers, mit denen dieser sich auf den Grundsatz der Rechtssicherheit beruft, deuten auf eine mögliche Gesetzeslücke hinsichtlich der Verjährung bestimmter Forderungen der Union hin. Die Prüfung der Folgen dieser Lücke wirft unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit die Frage auf, welche Rolle angesichts des Schweigens des Gesetzes dem Richter bei der Gewährleistung der Beachtung dieses Grundsatzes zukommt.

    II – Rechtlicher Rahmen

    4.

    In dem für den Rechtsstreit maßgeblichen Zeitraum waren die Haushaltsordnung der Union in der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 ( 3 ) und deren Durchführungsbestimmungen in der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 ( 4 ) festgelegt.

    5.

    Art. 73a der Haushaltsordnung bestimmt:

    „Unbeschadet der Bestimmungen besonderer Regelungen und der Anwendung des Beschlusses des Rates über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften gilt für die Forderungen der Gemeinschaften gegenüber Dritten sowie für die Forderungen Dritter gegenüber den Gemeinschaften eine Verjährungsfrist von fünf Jahren.

    Der Beginn der Verjährungsfrist und die Bedingungen für ihre Unterbrechung werden in den Durchführungsbestimmungen festgelegt.“

    6.

    Art. 85b („Verjährungsfristen“) der Durchführungsbestimmungen bestimmt in seinem Abs. 1 Unterabs. 1:

    „Die Verjährungsfrist für Forderungen der Gemeinschaften gegenüber Dritten beginnt an dem Tag, an dem die Frist, die gemäß Artikel 78 Absatz 3 Buchstabe b [der Durchführungsbestimmungen] dem Schuldner in der Belastungsanzeige mitgeteilt wurde, abläuft.“

    III – Vorgeschichte des Rechtsstreits

    7.

    Der Rechtsmittelführer war in der von 1994 bis 1999 dauernden Legislaturperiode Mitglied des Parlaments.

    8.

    Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass das Parlament nach einer Untersuchung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Dezember 2006 zunächst ein Nachprüfungsverfahren und dann ein Verfahren zur Einziehung bestimmter Reisekosten und Kosten für parlamentarische Assistenz durchführte, die dem Rechtsmittelführer unter Verstoß gegen die Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments (im Folgenden: KV-Regelung) gezahlt worden waren.

    9.

    Am 16. Juli 2010 erließ der Generalsekretär des Parlaments einen Beschluss zur Rückforderung eines Betrags von 455903,04 Euro, der in englischer Sprache abgefasst war und dem Rechtsmittelführer am 28. Juli 2010 mitgeteilt wurde. Am 16. August 2010 erhielt der Rechtsmittelführer die Belastungsanzeige des Generaldirektors der Generaldirektion Finanzen des Parlaments vom 4. August 2010 über den fraglichen Betrag.

    10.

    Am 7. Oktober 2010 erließ der Generalsekretär des Parlaments einen neuen Beschluss, der in italienischer Sprache abgefasst war und den Beschluss vom 16. Juli 2010 ersetzte. Dieser Beschluss wurde dem Rechtsmittelführer am 13. Oktober 2010 zusammen mit einer neuen Belastungsanzeige mitgeteilt, die sich auf denselben Betrag bezog und die Belastungsanzeige vom 4. August 2010 ersetzte.

    IV – Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

    11.

    Der Rechtsmittelführer erhob mit Klageschriften, die am 24. September und am 10. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, zwei einzelne Klagen, mit deren erster er die Nichtigerklärung der ihm am 28. Juli und am 16. August 2010 mitgeteilten Akte des Parlaments (Rechtssache T‑431/10) und mit deren zweiter er die Nichtigerklärung sowohl dieser als auch der ihm am 13. Oktober 2010 mitgeteilten Akte und die Zurückverweisung der Akte an den Generalsekretär des Parlaments zur Neubestimmung des zurückzufordernden Betrags beantragte (T‑560/10).

    12.

    Die vom Rechtsmittelführer in diesen beiden Rechtssachen eingereichten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz sind vom Präsidenten des Gerichts zurückgewiesen worden ( 5 ). Die Rechtssachen T‑431/10 und T‑560/10 sind vom Gericht zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

    13.

    In der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2012 nahm der Rechtsmittelführer seine Klage in der Rechtssache T‑431/10 zurück.

    14.

    In den Rn. 22 bis 32 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die in der Rechtssache T‑560/10 erhobene Klage für zulässig erklärt, soweit sie auf die Nichtigerklärung des Beschlusses des Generalsekretärs des Parlaments vom 7. Oktober 2010 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) gerichtet war.

    15.

    Zur Stützung dieser Klage machte der Rechtsmittelführer im Wesentlichen vier Klagegründe geltend, die sich erstens auf die Verjährung, zweitens auf Verstöße gegen die Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und des effektiven Rechtsschutzes, drittens auf Verstöße gegen die Vorschriften der KV-Regelung und viertens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bezogen.

    16.

    In den Rn. 34 bis 54 des angefochtenen Urteils hat das Gericht den die Verjährung betreffenden ersten Klagegrund geprüft und zurückgewiesen.

    17.

    Erstens hat das Gericht ausgeführt, dass die in Art. 73a der Haushaltsordnung festgelegte fünfjährige Verjährungsfrist gemäß Art. 85a der Durchführungsbestimmungen an dem dem Schuldner in der Belastungsanzeige mitgeteilten Zahlungstermin beginne. Im vorliegenden Fall sei aufgrund des dem Rechtsmittelführer in der Belastungsanzeige vom 13. Oktober 2010 mitgeteilten Datums, dem 20. Januar 2011, die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen.

    18.

    Zweitens hat das Gericht den ersten Klagegrund des Rechtsmittelführers im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer geprüft.

    19.

    Hierzu hat es ausgeführt, dass das vom Parlament durchgeführte Verfahren früher hätte eingeleitet werden können, insbesondere im Hinblick auf die Zeit, die zwischen dem Ende des parlamentarischen Mandats des Rechtsmittelführers und dem Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vergangen sei, und in Anbetracht dessen, dass einschlägige Buchungsbelege bereits im Besitz des Parlaments gewesen seien und ein Schreiben des Rechtsmittelführers, mit dem dieser um eine Klarstellung in Bezug auf die Modalitäten der Erstattung der in Rede stehenden Kosten gebeten habe, die Aufmerksamkeit des Parlaments hätte wecken müssen.

    20.

    Das Gericht hat daher festgestellt, dass das Parlament gegen seine aus dem Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer folgenden Pflichten verstoßen habe, wobei es jedoch ausgeführt hat, dass ein Verstoß gegen diesen Grundsatz nur dann zur Nichtigerklärung einer Handlung führen könne, wenn der Adressat durch den Verstoß in der Ausübung der Verteidigungsrechte beeinträchtigt worden sei. Der Rechtsmittelführer habe im vorliegenden Fall jedoch keinerlei Argumente vorgebracht, mit denen er eine solche auf einem Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer beruhende Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte geltend gemacht hätte. Der Verstoß des Parlaments gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer habe deshalb nicht zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen können.

    21.

    In den folgenden Randnummern des angefochtenen Urteils hat das Gericht den zweiten Klagegrund als ins Leere gehend (Rn. 55 bis 63) und den dritten und vierten Klagegrund als unbegründet zurückgewiesen (Rn. 64 bis 101 sowie 102 bis 113).

    22.

    Demzufolge hat das Gericht zum einen die Streichung der Rechtssache T‑431/10 im Register angeordnet und die Parteien verurteilt, jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen, und zum anderen die Klage in der Rechtssache T‑560/10 abgewiesen und dem Rechtsmittelführer die Kosten dieses Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes auferlegt.

    V – Anträge der Parteien

    23.

    Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer, das angefochtene Urteil aufzuheben und, falls das Rechtsmittel Erfolg haben sollte, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, sowie, hilfsweise, die Höhe des zurückzufordernden Betrags nach billigem Ermessen zu bestimmen oder die Akte an den Generalsekretär des Parlaments zu einer solchen Bestimmung zurückzuverweisen.

    24.

    Darüber hinaus beantragt der Rechtsmittelführer, dem Parlament die Kosten in den Rechtssachen T‑431/10 und T‑561/10 sowie die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen.

    25.

    Das Parlament beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

    VI – Würdigung

    26.

    Der Rechtsmittelführer macht fünf Rechtsmittelgründe geltend, von denen die ersten vier einen gewissen Bezug zu den in erster Instanz geltend gemachten vier Klagegründen aufweisen.

    27.

    Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird ein Verstoß gegen die Verjährungsvorschriften sowie gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Vernunft und der Effektivität gerügt. Im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes macht der Rechtsmittelführer in Bezug auf Art. 85b der Durchführungsbestimmungen und, hilfsweise, auch in Bezug auf Art. 73a der Haushaltsordnung die Einrede der Rechtswidrigkeit geltend.

    28.

    Der zweite Rechtsmittelgrund ist auf Verstöße gegen die Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, der dritte auf eine fehlerhafte Anwendung der KV-Regelung und der vierte auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Bestimmung des zurückzufordernden Betrags gestützt. Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wendet sich der Rechtsmittelführer schließlich dagegen, dass ihm in der Rechtssache T‑560/10 die gesamten Kosten und in der Rechtssache T‑431/10 ein Teil der Kosten auferlegt worden sind.

    29.

    Das Parlament tritt diesen Rechtsmittelgründen entgegen, indem es deren Unzulässigkeit oder Unbegründetheit geltend macht.

    30.

    Ich werde mich mit meiner Würdigung auf den ersten Rechtsmittelgrund konzentrieren, da die übrigen Rechtsmittelgründe aus Gründen, die ich anschließend kurz darlegen werde, ohne Weiteres wegen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit zurückzuweisen sind.

    A – Erster Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Verjährungsvorschriften und die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Vernunft und der Effektivität

    31.

    Der erste Rechtsmittelgrund, der die in den Rn. 34 bis 54 enthaltene Begründung des angefochtenen Urteils betrifft, lässt sich im Wesentlichen in drei Teile gliedern.

    32.

    Erstens macht der Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe Art. 85b der Durchführungsbestimmungen fehlerhaft ausgelegt, indem es davon ausgegangen sei, dass die Verjährungsfrist an dem dem Schuldner in der Belastungsanzeige mitgeteilten Tag zu laufen beginne. Die Verjährungsfrist könne nicht zu einem Zeitpunkt beginnen, den der Gläubiger frei bestimmen könne, nämlich an dem Tag, an dem der Gläubiger die Forderung geltend mache; anderenfalls würden die Grundsätze der Rechtssicherheit und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verletzt. Die in Art. 85b der Durchführungsbestimmungen vorgesehene Frist, im Licht des Grundsatzes der Rechtssicherheit ausgelegt, sei als „eine andere fünfjährige Frist“ anzusehen, die mit dem Übersenden der Belastungsanzeige zu laufen beginne und zur Verjährungsfrist im eigentlichen Sinne, die in Art. 73a der Haushaltsordnung geregelt sei, hinzutrete. Die letztgenannte Frist beginne zu dem Zeitpunkt, zu dem das Recht ausgeübt werden könne.

    33.

    Zweitens macht der Rechtsmittelführer für den Fall, dass die in der vorstehenden Randnummer dargelegte Auslegung den Gerichtshof nicht überzeugen sollte, die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 85b der Durchführungsbestimmungen geltend, da dieser Art. 73a der Haushaltsordnung widerspreche. Hilfsweise macht er die Rechtswidrigkeit sowohl von Art. 85b der Durchführungsbestimmungen als auch von Art. 73a der Haushaltsordnung geltend, da die „wesentlichen Rechtsgrundlagen“ der Verjährung sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verteidigungsrechte verkannt worden seien.

    34.

    Drittens habe das Gericht seinen sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer stützendes Argument fälschlicherweise als eigenständigen Klagegrund geprüft. Statt auf sein auf einen Verstoß gegen die Verjährungsvorschriften und die Erforderlichkeit einer konformen Auslegung von Art. 85b der Durchführungsbestimmungen gestütztes Argument einzugehen, habe das Gericht sein Vorbringen so geprüft, als habe er einen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer als Ausprägung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung geltend gemacht.

    35.

    Ich werde die drei Teile des Rechtsmittelgrundes in derselben Reihenfolge prüfen.

    1. Erster Teil: fehlerhafte Auslegung der Verjährungsvorschriften

    a) Das Rechtsinstitut der Verjährung

    36.

    Nach Art. 73a der Haushaltsordnung gilt für die Forderungen Dritter gegenüber der Union sowie für die Forderungen der Union gegenüber Dritten eine Verjährungsfrist von fünf Jahren.

    37.

    Diese Vorschrift legt für das Unionsrecht eine rechtsvernichtende Verjährung von Forderungen fest, die allgemein und unbeschadet spezieller Regelungen anwendbar ist und deshalb mit einer allgemeinen Verjährungsregelung in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vergleichbar ist ( 6 ).

    38.

    Die rechtsvernichtende Verjährung von Forderungen ist ein Rechtsinstitut, das dem überwiegenden Teil der Rechtssysteme der Gegenwart bekannt ist. Sie existiert nach meiner Kenntnis ohne Ausnahme in den Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten.

    39.

    In diesem Zusammenhang soll auf die dogmatischen Grundlagen der Verjährung als Institut des modernen Rechts hingewiesen werden ( 7 ).

    40.

    Erstens muss das Rechtssystem im Interesse der öffentlichen Ordnung so ausgestaltet sein, dass seit Langem bestehende Sachverhalte nicht mehr in Frage gestellt werden. Solche Situationen entsprechen im Übrigen häufiger dem Recht, als dass das Gegenteil der Fall ist. Ihre Beanstandung birgt wegen der mit Beweisen verbundenen Unsicherheit daher die Gefahr ungerechter Ergebnisse. Des Weiteren muss der Zeitablauf zu einer Legalisierung selbst dem Recht widersprechender Verhältnisse führen. Nach langer Zeit der Untätigkeit kann von demjenigen, der einer Verpflichtung unterliegt, nämlich nicht mehr verlangt werden, damit zu rechnen, dass er sie werde erfüllen müssen. Der Zeitablauf führt zu Beweisschwierigkeiten, da die Betroffenen nicht verpflichtet werden können, Beweismittel zeitlich unbegrenzt aufzubewahren. Schließlich stellt die Verjährung einen Anreiz für den Gläubiger dar, seine Rechte ohne Verzögerung geltend zu machen.

    41.

    Das Ziel der Verjährung liegt, neben ihrer stabilisierenden Funktion, also in der Stigmatisierung der Trägheit des Gläubigers, der es bei der Durchsetzung seiner Rechte an Eifer fehlen lässt. Außerdem soll die Verjährung das Streitpotential beschränken, das mit weit zurückreichenden Rechtsstreitigkeiten verbunden ist, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass sie aufgrund von Beweisschwierigkeiten zu willkürlichen Entscheidungen führen.

    42.

    Hiervon ausgehend bleibt festzustellen, dass dieses Rechtsinstitut in den verschiedenen Rechtssystemen und selbst innerhalb ein und desselben Rechtssystems für unterschiedliche Kategorien unterschiedlich geregelt ist ( 8 ).

    43.

    Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Institut der Verjährung nicht nur aus einer Frist besteht, sondern sämtliche Voraussetzungen für seine Anwendung umfasst, insbesondere den Tag des Fristbeginns, die Modalitäten der Fristberechnung, die Gründe für eine Hemmung oder Unterbrechung, die Möglichkeit der Parteien zur Friständerung, die Wirkungen des Fristablaufs usw.

    44.

    Die Gesamtheit dieser Modalitäten, die in verschiedenen Vorschriften geregelt sein können, bildet ein unteilbares Ganzes. Nur unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Regelungen lässt sich die wirkliche Bedeutung der Verjährung beurteilen ( 9 ).

    b) Auslegung der Art. 73a der Haushaltsordnung und 85b der Durchführungsbestimmungen

    45.

    Im vorliegenden Fall kann die Auslegung der fünfjährigen Verjährung nur aus der Zusammenschau der Vorschriften der Haushaltsordnung und der Durchführungsbestimmungen erfolgen.

    46.

    Diese sich auf die Zusammenschau stützende Auslegung ergibt sich daraus, dass Art. 73a der Haushaltsordnung die von der Verjährung umfassten Forderungen festlegt und eine fünfjährige Frist festsetzt, es jedoch der Europäischen Kommission zur Aufgabe macht, die Modalitäten ihrer Anwendung zu regeln, wie etwa den Beginn der Frist und die Voraussetzungen für deren Unterbrechung. Diese Modalitäten sind in Art. 85b der Durchführungsbestimmungen festgelegt worden.

    47.

    In Bezug auf den Tag des Fristbeginns bestimmt Art. 85b Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsbestimmungen, dass die Verjährungsfrist für Forderungen der Union gegenüber Dritten „an dem Tag [beginnt], an dem die Frist, die … dem Schuldner in der Belastungsanzeige mitgeteilt wurde, abläuft.“

    48.

    Ich möchte darauf hinweisen, dass sich aus der Zusammenschau der oben angeführten Vorschriften eindeutig ergibt, dass in Bezug auf Forderungen der Union gegenüber Dritten die in Art. 73a der Haushaltsordnung vorgesehene Verjährungsfrist von fünf Jahren an dem Tag beginnt, an dem die in der Belastungsanzeige angegebene Frist abläuft.

    49.

    Diese Auslegung wird durch den mit Art. 73a der Haushaltsordnung verfolgten Zweck sowie durch dessen Regelungszusammenhang bestätigt.

    50.

    Ich möchte darauf hinweisen, dass Art. 73a der Haushaltsordnung in den mit „Einziehung“ überschriebenen Abschnitt von Teil 1 Titel IV Kapitel 5 dieser Verordnung eingefügt wurde, in dem die Befugnisse des Rechnungsführers der Union im Rahmen des Einziehungsverfahrens geregelt sind. Aus den Erwägungsgründen des Änderungsrechtsakts, mit dem Art. 73a in die Haushaltsordnung eingefügt wurde, ergibt sich, dass mit der neuen Vorschrift u. a. die Möglichkeit, Forderungen der Union gegenüber Dritten einzuziehen, zeitlich begrenzt werden sollte, um dem Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung Rechnung zu tragen ( 10 ). Die Festlegung einer Frist, die an einem zu Beginn des Einziehungsverfahrens festgelegten Tag beginnt und dieses Verfahren begrenzt, entspricht also diesem Ziel der Durchsetzung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Haushaltsführung.

    51.

    Diese Auslegung, wonach die fragliche Frist von dem in der Belastungsanzeige angegebenen Tag an läuft, wird auch im angefochtenen Urteil vertreten.

    52.

    Das Gericht hat nämlich in den Rn. 39 und 40 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Verjährungsfrist nach den einschlägigen Vorschriften der Haushaltsordnung und der Durchführungsbestimmungen im vorliegenden Fall am 20. Januar 2011 begonnen habe, also am Tag des Ablaufs der Frist, die dem Rechtsmittelführer in der ihm vom Parlament am 13. Oktober 2010 übersandten Belastungsanzeige mitgeteilt worden sei. Am Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, dem 7. Oktober 2010, habe diese Frist noch nicht zu laufen begonnen gehabt, und die Verjährung sei demzufolge im vorliegenden Fall nicht eingetreten gewesen.

    53.

    Der Rechtsmittelführer ist der Ansicht, diese Feststellung des Gerichts beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 85b Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsbestimmungen. Diese Vorschrift sei, da sie sich auf das in der Belastungsanzeige mitgeteilte Datum beziehe, so zu verstehen, dass sie „eine andere fünfjährige Verjährungsfrist“ als die Verjährungsfrist im eigentlichen Sinne betreffe, die seiner Ansicht nach an dem Tag zu laufen beginne, an dem die Forderung geltend gemacht werden könne.

    54.

    Hierzu stelle ich fest, dass die vom Rechtsmittelführer vorgebrachte Auslegung in keiner Weise im Wortlaut von Art. 73a der Haushaltsordnung eine Grundlage findet, der für Forderungen der Union gegenüber Dritten eindeutig auf eine einzige Frist von fünf Jahren verweist.

    55.

    Darüber hinaus scheint mir der vom Rechtsmittelführer vorgeschlagene Lösungsansatz die Rechtmäßigkeit von Art. 85b Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsbestimmungen in Frage zu stellen und möglicherweise zu einer Auslegung contra legem zu führen.

    56.

    Die Annahme, die Kommission habe mit der Einführung von Art. 85b der Durchführungsbestimmungen Modalitäten in Bezug auf „eine andere fünfjährige Verjährungsfrist“ als die in Art. 73a der Haushaltsordnung vorgesehene festgesetzt, wie sie der Rechtsmittelführer vorschlägt, liefe nämlich auf die Behauptung hinaus, diese Modalitäten seien rechtswidrig, weil sie von der in Art. 73b Abs. 2 festgelegten Ermächtigung nicht gedeckt seien.

    57.

    Ich bin deshalb der Ansicht, dass die fraglichen Vorschriften der vom Rechtsmittelführer vorgeschlagenen Auslegung nicht zugänglich sind und das Gericht zu Recht entschieden hat, dass die in Rede stehende Frist an dem in der Belastungsanzeige mitgeteilten Termin zu laufen beginne.

    c) Zu den Folgen der Auslegung unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit

    58.

    Welche Folgen ergeben sich aus der von mir vertretenen Auslegung im Hinblick auf den vom Rechtsmittelführer geltend gemachten Grundsatz der Rechtssicherheit?

    59.

    Ich möchte betonen, dass dieser Grundsatz meiner Ansicht nach dem entgegensteht, dass eine Forderung ohne zeitliche Begrenzung durchgesetzt werden kann. Dies würde sowohl die stabilisierende Funktion des Rechtssystems beeinträchtigen, als auch das Gleichgewicht zwischen den berechtigten Interessen von Schuldner und Gläubiger stören. So verstanden darf von der rechtsvernichtenden Verjährung gesagt werden, dass sie ein „Grundsatz“ ist, der allen modernen Rechtssystemen gemein ist.

    60.

    Die Antwort auf die Frage, ob die Verjährungsfrist, die sich aus der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Auslegung ergibt, die Interessen des Schuldners in Bezug auf die Rechtssicherheit zu gewährleisten vermag, hängt davon ab, in welchem Verhältnis der Zeitpunkt, zu dem die Forderung der Union fällig wird, und der Zeitpunkt, zu dem sie durch Erlass eines Verwaltungsakts festgestellt wird, zueinander stehen.

    61.

    Hierzu möchte ich darauf hinweisen, dass nach dem systematischen Zusammenhang von Art. 60 der Haushaltsordnung die Ausführung der Einnahmen der Union insbesondere auch die Feststellung der Forderung und ihre Einziehung umfasst.

    62.

    Gemäß Art. 71 Abs. 2 der Haushaltsordnung ist jede einredefreie, auf Geld gehende und fällige Forderung durch eine Einziehungsanordnung festzustellen, der eine dem Schuldner zu übersendende Belastungsanzeige folgt.

    63.

    In Art. 78 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen ist die Feststellung einer Forderung durch den Anweisungsbefugten der Union definiert als die „Anerkennung des Anspruchs der [Union] gegenüber einem Schuldner und die Ausstellung des Titels, mit dem von diesem Schuldner die Begleichung seiner Schuld gefordert wird“. Nach Abs. 3 dieses Artikels ist die Belastungsanzeige ein Akt, mit dem dem Schuldner diese Feststellung mitgeteilt wird. Die Belastungsanzeige gibt den Tag des Ablaufs der Zahlungsfrist an, nach dem das Organ die Einziehung der Forderung einleitet und die Verzugszinsen fällig werden.

    64.

    Dazu möchte ich anmerken, dass nicht auszuschließen ist, dass bestimmte Forderungen der Union erst aufgrund des Aktes fällig werden, mit dem gemäß Art. 71 Abs. 2 der Haushaltsordnung die Forderung festgestellt wird.

    65.

    Insoweit könnte der Akt, mit dem die Forderung festgestellt und der dem Schuldner mittels der Belastungsanzeige mitgeteilt wird, für bestimmte Forderungen als rechtsbegründender Akt anzusehen sein, der das Recht der Union entstehen lässt, die Forderung gegenüber dem betroffenen Dritten geltend zu machen ( 11 ).

    66.

    Für diese Forderungen stellt die in den Art. 73a der Haushaltsordnung und 85b der Durchführungsbestimmungen vorgesehene Frist, die zu dem in der Belastungsanzeige mitgeteilten Zeitpunkt zu laufen beginnt, ein geeignetes Mittel dar, die Interessen des Schuldners zu schützen. Bei solchen Forderungen ist nämlich der Zeitpunkt der Mitteilung der Belastungsanzeige dem Zeitpunkt sehr nahe, zu dem diese fällig werden.

    67.

    Zweifellos sind jedoch andere Forderungen der Union zu dem Zeitpunkt, zu dem der die Forderung feststellende Akt erlassen wird, bereits fällig, der in dieser Hinsicht ein deklarativer Akt ist.

    68.

    Für solche Forderungen ist die in den Art. 73a der Haushaltsordnung und 85b der Durchführungsbestimmungen vorgesehene Frist als Instrument für den aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgenden Schutz der Schuldnerinteressen ungeeignet, da sie an dem Tag zu laufen beginnt, den der Gläubiger bestimmt und der in keinem Zusammenhang mit dem Zeitpunkt steht, zu dem die Schuld entsteht oder fällig wird.

    69.

    Es besteht also eine Regelungslücke im Unionsrecht, die die Gefahr heraufbeschwören könnte, dass bestimmte Forderungen der Union zeitlich unbeschränkt bestehen bleiben, weil die Verjährungsfrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sie festgestellt und nach dem in der Haushaltsordnung vorgesehenen Verfahren eingezogen werden.

    70.

    Die Bedeutung dieser Lücke scheint aufgrund des speziellen Charakters der Rechtsbeziehungen der Union als Gläubiger relativ gering zu sein.

    71.

    Was zunächst die Forderungen betrifft, die erst mit ihrer Feststellung durch den Anweisungsbefugten der Union fällig werden, so scheint, wie ich bereits ausgeführt habe, die Verjährungsfrist, die zu dem in der Belastungsanzeige angegebenen Zeitpunkt beginnt, angemessen zu sein.

    72.

    Was darüber hinaus die Forderungen aufgrund von Zwangs- und Strafmaßnahmen betrifft, wird die Rechtssicherheit des Einzelnen durch spezielle Fristen gewährleistet, die die Ausübung von Sanktionsbefugnissen begrenzen ( 12 ).

    73.

    Im Übrigen können Forderungen, die sich aus Vertragsbeziehungen der Union ergeben, Verjährungsvorschriften unterworfen sein, die das von den Vertragsparteien als anwendbar bezeichnete Recht oder Kollisionsnormen vorsehen. Schließlich können auch die der Union gegenüber Dritten infolge eines Delikts zustehenden Forderungen dem durch die Kollisionsnormen bestimmten nationalen Recht unterliegen ( 13 ).

    74.

    Gleichwohl werden bestimmte Forderungen der Union, wie die des vorliegenden Falles, von keinem dieser Fälle erfasst und könnten somit ohne zeitliche Begrenzung erhalten bleiben, bis das Unionsorgan deklarativ ihr Bestehen feststellt und ihre Einziehung einleitet.

    d) Zum Vorliegen der Gesetzeslücke

    75.

    Meiner Ansicht nach handelt es sich um eine Regelungslücke, die nicht im Wege der Auslegung der Haushaltsordnung und der Durchführungsbestimmungen geschlossen werden kann.

    76.

    In dieser Hinsicht schlägt der Rechtsmittelführer vor, die fraglichen Vorschriften dahin auszulegen, dass sie eine „doppelte“ Verjährung festlegten, die sich aus zwei Fristen zusammensetze, von denen jede einen anderen Beginn habe: Für die eine komme es auf den Tag an, von dem an die Forderung geltend gemacht werden könne, und für die andere auf den Tag, der in der Belastungsanzeige angegeben sei.

    77.

    Meiner Ansicht nach bedeutet dieser Lösungsansatz in Wirklichkeit, dass der Richter sich vom Wortlaut des Gesetzes lösen und eine neue Verjährungsfrist festsetzen müsste, die zu der in der Haushaltsordnung und in den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen hinzuträte.

    78.

    Es bleibt meine Überzeugung, dass der Unionsrichter seine Rolle in vollem Umfang wahrzunehmen hat, um in Einzelfällen, mit denen er befasst wird, Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu ahnden.

    79.

    Ich glaube jedoch nicht, dass diese Rolle in rechtmäßiger Weise so weit reichen kann, dass sie die Einführung einer neuen Verjährungsfrist umfasst.

    80.

    Meiner Meinung nach fällt die Einführung einer neuen Verjährungsfrist in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers.

    81.

    Diese Erwägung wird durch mehrere Gründe gestützt. Wenn der Gesetzgeber die Verjährungsfrist festlegt, hat er die Rechtssicherheit des Schuldners gegen das berechtigte Interesse des Gläubigers an der Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Zustands abzuwägen. Um eine bestimmte Frist festzulegen, ist diese Abwägung abstrakt, nicht aber in Bezug auf einen konkreten Rechtsstreit vorzunehmen. Sollen die berechtigten Erwartungen des Gläubigers nicht beeinträchtigt werden, müssen die Verjährungsfrist sowie sämtliche Modalitäten ihrer Anwendung im Voraus feststehen und bekannt sein. Im Übrigen verlangt die Einführung einer Verjährungsfrist, dass die Gesamtheit der Anwendungsvoraussetzungen bestimmt wurde.

    82.

    Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Befugnis, den Beginn der Verjährungsfrist festzulegen.

    83.

    Die Festsetzung des Fristbeginns stellt nämlich ein Mittel der Feinabstimmung dar, das ebenso wichtig ist wie die Verjährungsfrist selbst, mit dem zwischen den Interessen des Gläubigers und denen des Schuldners ein Gleichgewicht gewährleistet werden kann.

    84.

    Dieses Gleichgewicht kann im Rahmen der vertraglichen und der außervertraglichen Haftung unterschiedlich festgelegt sein.

    85.

    Zum einen beginnt die Verjährungsfrist bei Forderungen, die auf einem Verstoß gegen eine vertragliche Vereinbarung beruhen, im Allgemeinen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Forderung fällig wird, was normalerweise mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, zu dem sich der Verstoß ereignete.

    86.

    Zum anderen ist bei auf einem Delikt beruhenden Forderungen zu berücksichtigen, dass dem Gläubiger möglicherweise nicht sofort bewusst ist, dass ein Delikt begangen wurde, oder ihm überhaupt nicht bewusst wird, einen Schaden erlitten zu haben. Darüber hinaus ist er möglicherweise nicht im Besitz aller erforderlichen Informationen, um seinen Anspruch durchzusetzen.

    87.

    Bei den letztgenannten Forderungen ist die Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist eine schwierigere Frage, die der Gesetzgeber in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortet hat.

    88.

    In den verschiedenen Rechtssystemen kann dieser Fristbeginn anhand der für den objektiven Tatbestand maßgeblichen Zeit festgelegt sein, nämlich dem Zeitpunkt, zu dem das Delikt begangen wurde oder der Schaden eingetreten ist, er kann aber auch auf den für den subjektiven Tatbestand maßgeblichen Zeitpunkt verlagert sein. Dieser kann seinerseits auf unterschiedliche Weise festgestellt werden: Es kann der Tag sein, an dem die Handlung oder der Schaden vom Gläubiger entdeckt wurde, der Tag, an dem die Handlung oder der Schaden bei angemessener Sorgfalt hätte entdeckt werden müssen, der Tag, an dem der Gläubiger Gewissheit über den Kausalzusammenhang zwischen der Handlung und dem Schaden erlangte, oder auch der Tag, an dem ihm die Identität der verantwortlichen Person bekannt wurde oder er diese hätte kennen müssen ( 14 ). Das Kriterium der Kenntnis umfasst darüber hinaus die Bestimmung, welche Qualität die Information besitzen muss, um die Frist in Gang zu setzen ( 15 ). Im Übrigen legen manche Rechtssysteme für Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung bzw. Handlungen, die strafrechtlich verfolgt werden können, einen unterschiedlichen Fristbeginn fest ( 16 ).

    89.

    Die Wahl zwischen den verschiedenen Möglichkeiten stellt eine Interessenabwägung dar, die meiner Meinung nach eindeutig zu den Aufgaben des Gesetzgebers gehört.

    90.

    Aus all diesen Gründen ist es meiner Ansicht nach nicht vorstellbar, eine Verjährungsfrist oder auch nur deren Beginn auf gerichtlichem Weg festzulegen. Abgesehen von der Vielzahl der möglichen Lösungen muss die Verjährungsfrist und ihr Beginn dem Gläubiger im Voraus bekannt sein.

    91.

    In bestimmten außergewöhnlichen Fällen kann der Richter die Verjährungsfrist oder die Modalitäten ihrer Anwendung abändern ( 17 ). Wie ich jedoch bereits ausgeführt habe, scheint mir die Möglichkeit, eine solche Frist oder solche Modalitäten einzuführen, nicht zu den Aufgaben eines Gerichts zu gehören.

    92.

    Ich bin der Ansicht, dass das Fehlen einer Frist, die es ermöglicht, bestimmte Forderungen der Union zum Erlöschen zu bringen, bevor sie vom Gläubiger festgestellt werden, unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Rechtssicherheit bedauerlich ist.

    93.

    Gleichwohl obliegt es dem Gesetzgeber, hier Abhilfe zu schaffen, indem er die Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung abändert.

    e) Zum Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer

    94.

    Angesichts dieser mit Rechtsunsicherheit verbundenen Situation muss der Unionsrichter meiner Ansicht nach auf alle Mittel im Rahmen seiner Befugnisse zurückgreifen, um die vollständige Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit in dem ihm vorliegenden Rechtsstreit zu gewährleisten.

    95.

    Ich denke dabei an die verschiedenen rechtlichen Instrumente, die mit dem Zeitablauf in Zusammenhang stehen und die sich je nach Rechtsordnung voneinander unterscheiden können, die jedoch wie das Institut der Verjährung Ausprägungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit sind.

    96.

    Im Unionsrecht wird nach meiner Meinung, soweit es sich um Rechtsbeziehungen zwischen den Organen der Union und einzelnen Schuldnern handelt, diese Funktion einer „Notlösung“ durch den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer am besten erfüllt.

    97.

    Nach diesem Grundsatz, dessen übergreifende Rolle wiederholt bestätigt wurde ( 18 ), sind in dem Fall, in dem eine gesetzliche Frist nicht vorgesehen ist, die Organe der Union verpflichtet, bei allen ihren Handlungen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer zu beachten.

    98.

    Die angemessene Dauer des Verfahrens ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls und kann nicht unter Heranziehung einer präzisen, abstrakt festgelegten Obergrenze bestimmt werden. Die Beachtung des Grundsatzes soll dazu dienen, von Fall zu Fall die Rechtssicherheit der Einzelnen in ihren Beziehungen zur Union zu wahren, wenn es an einer gesetzlich vorgesehenen Frist fehlt ( 19 ).

    99.

    Ich möchte betonen, dass die Anwendung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer nicht geeignet ist, Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit von rechtlichen Sachverhalten in demselben Umfang zu gewährleisten wie die gesetzliche Verjährungsfrist, deren Dauer ebenso wie die Folgen ihres Ablaufs im Voraus bestimmt sind.

    100.

    Bei Fehlen einer angemessenen gesetzlichen Frist scheint mir der Rückgriff auf den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer jedoch das geeignete Instrument zu sein, im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits zu verhindern, dass eine Gesetzeslücke im Bereich der Verjährung die berechtigten Interessen des Schuldners der Union beeinträchtigt.

    101.

    Im vorliegenden Fall hat das Gericht seine Prüfung unter dem Blickwinkel dieses Grundsatzes vorgenommen und sich mit seiner Antwort auf das Vorbringen des Rechtsmittelführers so in einem Bereich bewegt, der der Rolle des Richters angemessen war und zugleich den Schutz der berechtigten Interessen, die der Argumentation des Rechtsmittelführers zugrunde liegen, gewährleisten konnte.

    102.

    Im Übrigen greift der Rechtsmittelführer mit seinem Rechtsmittel nicht die im Rahmen dieser Prüfung angestellten Erwägungen des Gerichts an.

    103.

    Insbesondere erhebt der Rechtsmittelführer keine Einwände gegen die Begründung in Rn. 51 des angefochtenen Urteils, mit der an eine in der Rechtsprechung des Gerichtshofs gefestigte Erwägung erinnert wird, wonach die Feststellung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer nur dann zur Nichtigerklärung eines Aktes führen könne, wenn die Dauer der Tätigkeit des Organs sich möglicherweise auf den Ausgang des Verfahrens ausgewirkt habe, das zum Erlass dieses Aktes geführt habe. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Verteidigungsrechte des Adressaten möglicherweise beeinträchtigt worden seien ( 20 ). Der Rechtsmittelführer beanstandet jedoch nicht die Feststellung des Gerichts, dass er im vorliegenden Fall eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte nicht nachgewiesen habe.

    104.

    Im Licht dieser Erwägungen komme ich zu dem Ergebnis, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittels des Rechtsmittelführers, der sich auf einen Auslegungsfehler stützt, nicht begründet ist.

    2. Zweiter Teil des Rechtsmittelgrundes: Einrede der Rechtswidrigkeit

    105.

    Der Rechtsmittelführer macht geltend, Art. 85b der Durchführungsbestimmungen und, hilfsweise, Art. 73a der Haushaltsordnung seien rechtswidrig.

    106.

    Ich möchte daran erinnern, dass ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das erstmals im Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof geltend gemacht wird, als unzulässig zurückzuweisen ist, es sei denn, es handelt sich um ein Vorbringen, das vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wäre.

    107.

    Nach ständiger Rechtsprechung könnte eine Partei, wäre ihr erlaubt, vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel und Argumente vorzubringen, die sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte ( 21 ).

    108.

    Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass der Rechtsmittelführer vor dem Gericht weder die Rechtswidrigkeit von Art. 73a der Haushaltsordnung noch die von Art. 85b der Durchführungsbestimmungen geltend gemacht hat.

    109.

    Außerdem beruft sich der Rechtsmittelführer mit seinem Rechtsmittel auf keinerlei Argumente, die sich darauf stützten, dass das Gericht gegen seine Pflicht verstoßen hätte, einen Klagegrund von Amts wegen zu prüfen.

    110.

    Ich bin deshalb der Ansicht, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit, auf die sich der Rechtsmittelführer im vorliegenden Fall beruft, gegen das Verbot verstößt, im Stadium des Rechtsmittels neue Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen, und deswegen unzulässig ist.

    3. Dritter Teil des Rechtsmittelgrundes: Umfang der Prüfung durch das Gericht

    111.

    Der Rechtsmittelführer macht im Wesentlichen geltend, das Gericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer geprüft; stattdessen hätte es auf sein sich auf einen Verstoß gegen die Verjährungsvorschriften stützendes Hauptargument eingehen müssen.

    112.

    Dieses Vorbringen wirft in Wirklichkeit zwei gesonderte Fragen auf. Erstens betrifft es die Frage, ob das Gericht auf das vom Rechtsmittelführer im ersten Rechtszug vorgebrachte Argument geantwortet hat. Zweitens stellt sich die Frage, ob das Gericht dieses Argument zu Recht unter dem Blickwinkel der Beachtung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer geprüft hat.

    113.

    Was erstens das geltend gemachte Fehlen einer Antwort angeht, möchte ich daran erinnern, dass das Gericht nicht ausdrücklich auf alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgebrachten Argumente eingehen muss. Vielmehr kann die Urteilsbegründung auch implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgaben wahrnehmen kann ( 22 ).

    114.

    Aus den Akten ergibt sich, dass der Rechtsmittelführer im vorliegenden Fall vor dem Gericht geltend gemacht hat, es existiere ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach die Verjährung zu dem Zeitpunkt beginne, zu dem der Rechtsmittelführer seine Forderung geltend machen könne. Dieser Grundsatz, der allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemein sei, zwinge das Gericht, von jeder anderen Auslegung der fraglichen Verjährungsvorschriften abzusehen.

    115.

    Das Gericht hat implizit, jedoch zwangsläufig diese Argumentation in den Rn. 38 bis 42 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen.

    116.

    In Bezug auf den Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die fünfjährige Verjährung hat es nämlich festgestellt, dass Art. 73a der Haushaltsordnung, auf den sich der Rechtsmittelführer beruft, auf den in den Durchführungsbestimmungen festgelegten Zeitpunkt verweise und deshalb im Zusammenhang mit diesen Vorschriften zu verstehen sei. Das Gericht hat dann eine Auslegung der fünfjährigen Verjährung im Licht von Art. 85b der Durchführungsbestimmungen vorgenommen und festgestellt, dass die Verjährungsfrist, wie sich aus diesem Artikel ausdrücklich ergebe, an den in der Belastungsanzeige angegebenen Termin zu laufen beginne.

    117.

    Ich bin deshalb der Ansicht, dass der vorliegende Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, soweit das Fehlen einer Antwort auf ein im ersten Rechtszug vorgebrachtes Argument geltend gemacht wird, nicht begründet ist.

    118.

    Zweitens betrifft die vom Rechtsmittelführer vorgebrachte Rüge die Erheblichkeit der auf den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer gestützten Prüfung.

    119.

    Selbst wenn zum einen das Gericht von der Prüfung der Beachtung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer als eigenständigen zur Nichtigkeit führenden Klagegrund hätte absehen können, hieße das nur, dass das angefochtene Urteil eine zusätzliche, nicht notwendige Begründung enthielte, was nicht zu seiner Aufhebung führen kann. Zum anderen hat das Gericht, wie ich bereits im Rahmen meiner Untersuchung des ersten Teils dieses Rechtsmittelgrundes ausgeführt habe ( 23 ), das Argument des Rechtsmittelführers zu Recht auf dem Gebiet des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer geprüft.

    120.

    Ich bin der Ansicht, dass sowohl das Vorbringen des Rechtsmittelführers, das sich auf die Unangemessenheit der Prüfung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer bezieht, als auch der gesamte dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen sind.

    121.

    Aufgrund dieser Prüfung komme ich zu dem Ergebnis, dass der erste Rechtsmittelgrund keinen Erfolg haben kann.

    B – Zu den Rechtsmittelgründen 2 bis 5

    122.

    Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund rügt der Rechtsmittelführer, das Gericht habe den zweiten Klagegrund verfälscht, mit dem er geltend gemacht habe, dass er nicht zu allen Punkten, die Grundlage des angefochtenen Beschlusses gewesen seien, habe Stellung nehmen können.

    123.

    Hierzu möchte ich feststellen, dass der Rechtsmittelführer es unterlässt, in eindeutiger Weise zu präzisieren, worin die angebliche Verfälschung bestehen soll, und stattdessen pauschal auf die Darstellung des Sachverhalts des Rechtsstreits verweist. Sein gesamtes Vorbringen im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes ist daher unzureichend substantiiert.

    124.

    Mit seinem dritten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, das Gericht hätte im Rahmen der Zurückweisung seiner Argumentation zur Bestimmung des Wohnorts für die Zwecke der Reisekostenerstattung den Begriff des Wohnorts im Sinne des Unionsrechts inhaltlich präzisieren müssen. Darüber hinaus habe es nicht jede Möglichkeit zur Korrektur von Unregelmäßigkeiten, die bei der Bezeichnung der Empfänger der Vergütungen vorgekommen seien, ausschließen dürfen, zumal sich aus dem Tatsachenvortrag der rein formale Charakter dieser Unregelmäßigkeiten ergeben habe.

    125.

    Nach meiner Ansicht will der Rechtsmittelführer mit dieser Argumentation, obwohl unter dem Blickwinkel einer fehlerhaften Auslegung der KV-Regelung formuliert, in Wirklichkeit eine neue Tatsachenwürdigung erreichen, die nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels fällt ( 24 ). Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher unzulässig.

    126.

    Der hilfsweise geltend gemachte vierte Rechtsmittelgrund stützt sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Rechtsmittelführer macht geltend, dass die Forderungen des Parlaments, sollten sie grundsätzlich gerechtfertigt sein, der Höhe nach abzuändern seien, um dem guten Glauben des Rechtsmittelführers sowie den konkreten Umständen des vorliegenden Falles Rechnung zu tragen.

    127.

    Der Rechtsmittelführer wiederholt also im Wesentlichen die Argumente, die das Gericht in den Rn. 102 bis 113 des angefochtenen Urteils geprüft und zurückgewiesen hat, und macht in Bezug auf die Begründung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler geltend. Meiner Ansicht nach ist der vierte Rechtsmittelgrund deshalb unzulässig ( 25 ).

    128.

    Schließlich betrifft der fünfte Rechtsmittelgrund ausschließlich die Kostenentscheidung in den beiden verbundenen Rechtssachen vor dem Gericht.

    129.

    Ich möchte daran erinnern, dass sich nach Art. 58 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs ein Rechtsmittel nicht ausschließlich gegen die Kostenentscheidung oder gegen die Kostenfestsetzung richten darf. Nach gefestigter Rechtsprechung findet diese Regelung auf Anträge Anwendung, die die Rechtswidrigkeit der Kostenentscheidung des Gerichts betreffen, wenn alle anderen Rechtsmittelgründe zurückgewiesen worden sind ( 26 ).

    130.

    Wenn der Gerichtshof meinem Vorschlag folgt, die ersten vier Rechtsmittelgründe zurückzuweisen, besteht somit kein Grund, den fünften Rechtsmittelgrund zu prüfen, der sich auf die angeblich fehlerhafte Entscheidung des Gerichts über die Kosten des Verfahrens bezieht.

    131.

    Infolgedessen schlage ich vor, die Rechtsmittelgründe 2 bis 5 und somit das gesamte Rechtsmittel zurückzuweisen.

    132.

    Da der Rechtsmittelführer mit seinen Rechtsmittelgründen unterlegen ist, schlage ich vor, ihm den Anträgen des Parlaments entsprechend nach Art. 184 Abs. 1 und Art. 138 Abs.1 der Verfahrensordnung die Kosten aufzuerlegen.

    VII – Ergebnis

    133.

    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Herrn Riccardo Nencini die Kosten aufzuerlegen.


    ( 1 )   Originalsprache: Französisch.

    ( 2 )   T‑431/10 und T‑560/10, EU:T:2013:290 (im Folgenden: angefochtenes Urteil).

    ( 3 )   Verordnung des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1) in der durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1995/2006 des Rates vom 13. Dezember 2006 (ABl. L 390, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Haushaltsordnung).

    ( 4 )   Verordnung der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1605/2002 (ABl. L 357, S. 1) in der durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 478/2007 der Kommission vom 23. April 2007 (ABl. L 111, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsbestimmungen).

    ( 5 )   Beschlüsse Nencini/Parlament vom 19. Oktober 2010 (T‑431/10 R, EU:T:2010:441) und vom 16. Februar 2011 (T‑560/10 R, EU:T:2011:40).

    ( 6 )   Art. 73a ist ferner von anderen auf der Grundlage von Rechtsakten der Union erlassenen Regelungen zu unterscheiden, mit denen Verjährungen in Bezug auf die Befugnis festgelegt werden, Zwangs- oder Strafmaßnahmen zu verhängen. Vgl. im Bereich der Sanktionen, die wegen Verstößen gegen die Art. 101 AEUV und 102 AEUV verhängt werden, Art. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sowie im Bereich des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union Art. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).

    ( 7 )   Diese Grundlagen wurden gelegt von F. C. Savigny in seinem Werk System des heutigen römischen Rechts (Band 5, Berlin 1841, S. 267). Zitiert nach Kordasiewicz, B., Problematyka dawności, in: System prawa prywatnego, Tom 2, Prawo cywilne – Część ogólna, Warschau, CH Beck, Instytut Nauk Prawnych PAN 2012, S. 576.

    ( 8 )   Vgl. die rechtsvergleichende Analyse bei Hondius, E. W. (Hrsg.), Extinctive prescription: on the limitation of actions: reports to the XIVth Congress, International Academy of Comparative Law, Athen 1994, sowie Zrałek, J., Przedawnienie w międzynarodowym obrocie handlowym, Zakamycze – Krakau, 2005.

    ( 9 )   So führt Hondius (oben angeführt, S. 8) mehrere unterschiedliche Faktoren an, die sich auf die Bedeutung der Verjährung auswirken, und kommt zu dem Ergebnis, dass eine auf einen einzelnen Aspekt, wie die Frist, beschränkte Diskussion nicht sinnvoll sei. Im Internationalen Privatrecht ist der Rückgriff auf die Ausnahmeregelung des ordre public aufgrund der sich aus der lex causae ergebenden Unangemessenheit der Verjährungsfrist auf außergewöhnliche Fälle beschränkt und bedarf einer Berücksichtigung sämtlicher Vorschriften, die für die Dauer der Frist von Bedeutung sind (vgl. Zralek, oben angeführt, S. 150).

    ( 10 )   Vgl. den 26. Erwägungsgrund der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1995/2006 des Rates vom 13. Dezember 2006 zur Änderung der Verordnung Nr. 1605/2002 (ABl. L 390, S. 1).

    ( 11 )   Vgl. z. B. Urteil Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission (T‑552/11, EU:T:2013:349, Rn. 46 und 72). Das Gericht hat festgestellt, dass die Fälligkeit der Forderung aus dem in Rede stehenden, zwischen der Kommission und Dritten geschlossenen Vertrag erfordere, dass die Kommission insbesondere die Voraussetzungen der Rückzahlung des zu Unrecht gezahlten Betrags im Einzelnen angebe, was sie in einer Belastungsanzeige getan habe. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Forderung erst mit der Übersendung der Belastungsanzeige fällig wurde.

    ( 12 )   Siehe oben, Fn. 6.

    ( 13 )   Mangels Harmonisierung des Rechts der außervertraglichen Haftung könnte das nationale Recht auf Forderungen anwendbar sein, die auf einem der Union Schaden verursachenden Delikt beruhen. Vgl. auch die Schadensersatzklage, die von der Kommission vor einem belgischen Gericht wegen des Schadens erhoben wurde, der aufgrund einer Vereinbarung zwischen mehreren Herstellern von Fahrstühlen entstanden war. Im Rahmen dieser Klage erging ein Vorabentscheidungsersuchen, das zum Urteil Otis u. a. (C‑199/11, EU:C:2012:684) geführt hat.

    ( 14 )   Vgl. Hondius in Hondius (Hrsg.) (S. 21), der auf die in seinem Werk enthaltenen Länderberichte verweist, sowie Zrałek (S. 59).

    ( 15 )   Zum Beispiel ist sich die polnische Lehre darüber einig, dass eine beliebige Information über die verantwortliche Person nicht ausreicht, und der Gläubiger über eine Information verfügen muss, die von einer zuständigen Stelle stammt und so umfassend ist, dass sie es erlaubt, die begangene Handlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer bekannten Person zuzuordnen. Vgl. Kordasiewicz (S. 612).

    ( 16 )   Als Beispiel lässt sich Art. 442 Abs. 2 des polnischen Zivilgesetzbuchs anführen, der für Forderungen, die einen aufgrund eines strafrechtlichen Verstoßes entstandenen Schaden betreffen, eine außergewöhnlich lange Verjährungsfrist vorsieht, nämlich 20 Jahre vom Tag an, an dem die Tat begangen wurde.

    ( 17 )   Im polnischen Recht darf der Richter im Fall eines Rechtsmissbrauchs in die Rechtsfolgen der Verjährung eingreifen, was eine Art „Sicherheitsventil“ darstellt (vgl. Kordasiewicz, S. 606). Im deutschen Recht hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass er über eine „Notkompetenz“ verfügt, die ihm erlaube, die im ehemaligen § 195 BGB vorgesehene Verjährungsfrist zu verkürzen (BFH, 7. Juli 2009, Az. VII R 24/06). Nach Unionsrecht kann das nationale Gericht verpflichtet sein, die sich aus dem nationalen Recht ergebende Verjährungsfrist abzuändern, wenn bei deren Anwendung der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz nicht beachtet würden (vgl. in diesem Sinne Urteil Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 77 bis 82).

    ( 18 )   Ich beschränke mich darauf, einige Anwendungsbeispiele aus unterschiedlichen Bereichen anzuführen, insbesondere: die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beihilfen (Urteil Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, EU:C:2002:524), Rechnungsabschluss des EAGFL (Urteil Griechenland/Kommission, C‑321/09 P, EU:C:2011:218), Erstattung vor dem Unionsgericht entstandener Kosten (Beschluss Dietz/Kommission, 126/76 DEP, EU:C:1979:158), Erhebung einer Schadensersatzklage durch einen Beamten (Beschluss Marcuccio/Kommission, T‑157/09 P, EU:T:2010:403) sowie Klagen auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge im Bereich des öffentlichen Dienstes (Urteil Ronsse/Kommission, T‑205/01, EU:T:2002:269).

    ( 19 )   Vgl. die zusammenfassende Darstellung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff der „angemessenen Frist“ im Urteil Arango Jaramillo u. a./EIB (C‑334/12 RX‑II, EU:C:2013:134, Rn. 27 bis 34).

    ( 20 )   Vgl. Urteile Technische Unie/Kommission (C‑113/04 P, EU:C:2006:593, Rn. 48) und, entsprechend, Groupe Gascogne/Kommission (C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 73 und 74).

    ( 21 )   Urteile Sison/Rat (C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 95) und Schweden u. a./API und Kommission (C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 126) sowie Beschluss EMC Development/Kommission (C‑367/10 P, EU:C:2011:203, Rn. 93).

    ( 22 )   Vgl. Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission (C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 23 )   Siehe oben, Rn. 94 bis 104.

    ( 24 )   Vgl. Urteil E.ON Energie/Kommission (C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 25 )   Vgl. insbesondere Urteil Eurocoton u. a./Rat (C‑76/01 P, EU:C:2003:511, Rn. 47).

    ( 26 )   Urteile Henrichs/Kommission (C‑396/93 P, EU:C:1995:280, Rn. 65 und 66) und Edwin/HABM (C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 78). Auch wenn nach der angeführten Rechtsprechung ein solcher die Kosten betreffender Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären ist, wäre es meines Erachtens eher angebracht, davon auszugehen, dass er im Fall der Zurückweisung aller anderen Rechtsmittelgründe nicht mehr geprüft zu werden braucht.

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