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Document 62012TJ0445

Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 26. September 2014.
Koscher + Würtz GmbH gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Gemeinschaft - Bildmarke KW SURGICAL INSTRUMENTS - Ältere nationale Wortmarke Ka We - Relatives Eintragungshindernis - Verwechslungsgefahr - Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 - Beschwerdeverfahren - Umfang der von der Beschwerdekammer vorzunehmenden Prüfung - Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke - Widerspruchsschrift - Zurückweisung der Eintragung der angemeldeten Marke ohne vorherige Prüfung der Voraussetzung der ernsthaften Benutzung der älteren Marke - Rechtsfehler - Abänderungsbefugnis.
Rechtssache T-445/12.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2014:829

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

26. September 2014 ( *1 )

„Gemeinschaftsmarke — Widerspruchsverfahren — Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Gemeinschaft — Bildmarke KW SURGICAL INSTRUMENTS — Ältere nationale Wortmarke Ka We — Relatives Eintragungshindernis — Verwechslungsgefahr — Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Beschwerdeverfahren — Umfang der von der Beschwerdekammer vorzunehmenden Prüfung — Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke — Widerspruchsschrift — Zurückweisung der Eintragung der angemeldeten Marke ohne vorherige Prüfung der Voraussetzung der ernsthaften Benutzung der älteren Marke — Rechtsfehler — Abänderungsbefugnis“

In der Rechtssache T‑445/12

Koscher + Würtz GmbH mit Sitz in Spaichingen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Mes, C. Graf von der Groeben, G. Rother, J. Bühling, A. Verhauwen, J. Künzel, D. Jestaedt, M. Bergermann, J. Vogtmeier und A. Kramer,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Schifko als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Kirchner & Wilhelm GmbH + Co. mit Sitz in Asperg (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 6. August 2012 (Sache R 1675/2011‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Kirchner & Wilhelm GmbH + Co. und der Koscher + Würtz GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Gervasoni (Berichterstatter) und L. Madise,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 8. Oktober 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 23. Januar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 2. Mai 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der am 12. Juli 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen Gegenerwiderung,

aufgrund der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts,

auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2014

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Am 25. April 2008 erwirkte die Klägerin, die Koscher + Würtz GmbH, beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization – WIPO) eine internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Gemeinschaft für das folgende Bildzeichen:

Image

2

Am 31. Juli 2008 wurde dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) die internationale Registrierung dieses Zeichens mitgeteilt.

3

Das Zeichen wurde für folgende Waren in Klasse 10 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Chirurgische, ärztliche, zahn‑ und tierärztliche Apparate und Instrumente, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel, chirurgisches Nahtmaterial“.

4

Am 8. Mai 2009 erhob die Kirchner & Wilhelm GmbH + Co. (im Folgenden: Widerspruchsführerin) nach Art. 41 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die in Rn. 3 des vorliegenden Urteils genannten Waren.

5

Der Widerspruch wurde auf die ältere, am 19. April 1930 angemeldete und in Deutschland am 25. November 1930 unter der Nr. 426260 eingetragene nationale Wortmarke Ka We für folgende Waren der Klasse 10 gestützt: „Ärztliche, gesundheitliche Instrumente und Geräte, Hörapparate, Bandagen, künstliche Gliedmaßen (mit Ausnahme von Waren aus oder in Verbindung mit Kautschuk)“.

6

Begründet wurde der Widerspruch mit dem Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, d. h. mit der Gefahr von Verwechslungen zwischen der angemeldeten Marke und der älteren Marke.

7

Am 23. Juni 2011 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass keine Gefahr einer Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken bestehe.

8

Am 16. August 2011 legte die Widerspruchsführerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

9

Mit Entscheidung vom 6. August 2012 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und verweigerte der Klägerin für die Gemeinschaft den Schutz der internationalen Registrierung.

10

Einleitend stellte die Beschwerdekammer fest, dass das angesprochene Publikum ein deutsches Publikum sei und dass es sich um Fachkreise mit Fachwissen im medizinischen Bereich handele (Rn. 13 und 14 der angefochtenen Entscheidung).

11

Die Beschwerdekammer war – wie die Widerspruchsabteilung – der Ansicht, dass die durch die angemeldete Marke erfassten Waren und die durch die ältere Marke erfassten Waren identisch seien (Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung).

12

Hinsichtlich des Vergleichs der Zeichen stellte die Beschwerdekammer fest, dass die ältere Marke und die angemeldete Marke einen identischen Bestandteil enthielten, die Buchstaben „k“ und „w“, die den dominierenden und kennzeichnungskräftigsten Teil der angemeldeten Marke ausmachten und die beiden Initialen der älteren Marke Ka We seien. Deshalb sei eine gewisse – allerdings nur geringfügige – bildliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Marken gegeben. Die Beschwerdekammer führte weiter aus, dass der deutschsprachige Adressat den Wortbestandteil „kw“ und die Marke kawe gleich ausspreche und dass die Marken, je nachdem, ob der englischsprachige beschreibende Teil der angemeldeten Marke („surgical instruments“) mit ausgesprochen werde, klanglich identisch oder sehr ähnlich seien. Der begriffliche Vergleich sei nicht relevant (Rn. 16 bis 18 der angefochtenen Entscheidung).

13

Insbesondere aufgrund dessen sowie aufgrund der Tatsache, dass die durch die ältere Marke erfassten Waren auch telefonisch bestellt würden, was die Relevanz des klanglichen Vergleichs der Marken verstärke, gelangte die Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass Verwechslungsgefahr bestehe (Rn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung).

Anträge der Parteien

14

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

dem HABM die Kosten einschließlich der im Beschwerde- und im Widerspruchsverfahren angefallenen Kosten aufzuerlegen.

15

Außerdem führt die Klägerin in Rn. 50 der Klageschrift aus:

„Die Klage ist begründet. Da zwischen den in Rede stehenden Kennzeichnungen keine Verwechslungsgefahr besteht, ist der Widerspruch zurückzuweisen. Demzufolge muss die Entscheidung der Beschwerdekammer aufgehoben werden.“

16

Das HABM beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

17

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Nachfrage zum Gegenstand der Klage und insbesondere zur Tragweite von Rn. 50 der Klageschrift erklärt, dass sie nicht nur die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantrage, sondern auch deren Abänderung, sofern das Gericht über die Informationen verfüge, die ihm eine Zurückweisung des Widerspruchs ermöglichten.

Rechtliche Würdigung

Zur Tragweite der Anträge der Klägerin

18

In Anbetracht der Formulierung der Klageschrift, insbesondere ihrer Rn. 50, und der klarstellenden Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass die Klägerin sowohl einen Aufhebungs- als auch einen Abänderungsantrag stellt.

19

Zur Stützung all ihrer Anträge macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend. Erstens rügt sie einen Rechtsfehler, den die Beschwerdekammer im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 dadurch begangen habe, dass sie dem Widerspruch stattgegeben habe, ohne zu prüfen, ob die ältere Marke ernsthaft benutzt worden sei. Zweitens bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Zum ersten Klagegrund: Keine Prüfung der Frage, ob die ältere Marke ernsthaft benutzt wurde, durch die Beschwerdekammer

20

Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 insbesondere geltend, dass sich die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung nicht zur Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke geäußert habe, obwohl sie diese Frage im Widerspruchsverfahren aufgeworfen habe.

21

Das HABM hält diesen Klagegrund für unzulässig. Die Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Außerdem verweise die Klägerin lediglich pauschal auf Ausführungen im Verwaltungsverfahren, obwohl vor dem HABM eine andere Sprache als die Verfahrenssprache vor dem Gericht verwendet worden sei, und mache in der Klageschrift keinen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Ein solcher Verstoß sei erst – unter Missachtung von Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts – in der Erwiderung gerügt worden.

Zur Zulässigkeit des Klagegrundes

22

Nach Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 130 § 1 und Art. 132 § 1 der Verfahrensordnung für Klagen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums gilt, muss die Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Klageschrift zwar zu bestimmten Punkten durch Bezugnahme auf in der Anlage beigefügte Aktenauszüge untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den genannten Bestimmungen in der Klageschrift selbst enthalten sein müssen (Urteil des Gerichts vom 19. Oktober 2006, Bitburger Brauerei/HABM – Anheuser-Busch [BUD, American Bud und Anheuser Busch Bud], T-350/04 bis T-352/04, Slg. 2006, II-4255, Rn. 33).

23

Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerin zur Stützung des Klagegrundes, mit dem sie rügt, die Beschwerdekammer habe die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht geprüft, in der Klageschrift ausdrücklich auf Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 Bezug nimmt, wonach der Anmelder der fraglichen Gemeinschaftsmarke verlangen kann, dass der seiner Anmeldung Widersprechende den Nachweis erbringt, dass die ältere Gemeinschaftsmarke ernsthaft benutzt worden ist. Die Klägerin gibt außerdem an, dass sie diese Frage – in einem Schriftsatz vom 14. März 2011 – im Widerspruchsverfahren aufgeworfen habe. Die Widerspruchsabteilung habe die Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke offenlassen können, da sie der Ansicht war, dass keine Gefahr einer Verwechslung der beiden einander gegenüberstehenden Marken bestehe.

24

Demnach sind die wesentlichen Bestandteile der Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift enthalten.

25

Dass die Unterlagen, auf die in der Klageschrift verwiesen wird, in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache vor dem Gericht abgefasst sind, wirkt sich nicht auf den in der vorstehenden Randnummer gezogenen Schluss aus.

26

Daher ist der erste Klagegrund entgegen dem Vorbringen des HABM zulässig.

Zur Begründetheit des Klagegrundes

27

Nach Art. 42 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 wird ein Widerspruch gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke zurückgewiesen, wenn der Inhaber der fraglichen älteren Marke nicht den Nachweis erbringt, dass er sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke ernsthaft benutzt hat. Gelingt ihm dagegen dieser Nachweis, prüft das HABM die vom Widersprechenden geltend gemachten Eintragungshindernisse.

28

Ferner sieht Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vor, dass die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig wird, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an diese Dienststelle zurückverweist. Aus dieser Vorschrift und aus der Systematik dieser Verordnung ergibt sich, dass die Beschwerdekammer bei der Entscheidung über eine Beschwerde über dieselben Befugnisse verfügt wie die Dienststelle, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, und dass ihre Prüfung sich auf den gesamten Rechtsstreit erstreckt, wie er sich am Tag ihrer Entscheidung darstellt. Aus dieser Vorschrift und einer ständigen Rechtsprechung ergibt sich ferner, dass zwischen den verschiedenen Stellen des HABM, d. h. dem Prüfer, der Widerspruchsabteilung, der Markenverwaltungs- und Rechtsabteilung und den Nichtigkeitsabteilungen einerseits und den Beschwerdekammern andererseits eine funktionale Kontinuität besteht. Aus dieser funktionalen Kontinuität zwischen den verschiedenen Stellen des HABM folgt, dass die Beschwerdekammern im Rahmen ihrer Überprüfung der von den zuvor befassten Stellen erlassenen Entscheidungen ihre eigene Entscheidung auf das gesamte tatsächliche und rechtliche Vorbringen zu stützen haben, das die Parteien entweder im Verfahren vor der Dienststelle, die als erste entschieden hat, oder im Beschwerdeverfahren geltend gemacht haben (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. Juli 2006, La Baronia de Turis/HABM – Baron Philippe de Rothschild [LA BARONNIE], T-323/03, Slg. 2006, II-2085, Rn. 56 bis 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

Das Gericht hat bereits entschieden, dass der Umfang, in dem die Beschwerdekammer des HABM die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung – im vorliegenden Fall die Entscheidung der Widerspruchsabteilung – zu prüfen hat, nicht davon abhängt, ob der Beschwerdeführer einen bestimmten Beschwerdegrund gegenüber dieser Entscheidung geltend gemacht hat, mit dem er die Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm durch die Stelle des HABM, die als erste entschieden hat, oder die von ihr vorgenommene Würdigung eines Beweismittels gerügt hat. Daher hat die Beschwerdekammer, auch wenn der Beschwerdeführer einen bestimmten Beschwerdegrund nicht vorgetragen hat, gleichwohl im Licht aller verfügbaren relevanten rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu prüfen, ob in dem Zeitpunkt, in dem über die Beschwerde entschieden wird, eine neue Entscheidung mit demselben Tenor wie die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung rechtmäßig ergehen kann oder nicht. Die Frage, ob der andere am Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligte in Anbetracht der von ihm vorgebrachten Tatsachen und Beweise eine ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen hat, gehört zu der Prüfung, die die Beschwerdekammer des HABM im Hinblick auf die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung vornehmen muss (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T-203/02, Slg. 2004, II-2811, Rn. 21).

30

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Verlangen, dass der Widersprechende den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke erbringt, dazu führt, dass der Widersprechende die Beweislast für die ernsthafte Benutzung seiner Marke trägt, da sein Widerspruch sonst zurückgewiesen wird. Ist die Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke vom Markenanmelder einmal aufgeworfen worden, muss sie somit grundsätzlich vor der Entscheidung über den Widerspruch an sich beantwortet werden. Wird der Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke verlangt, führt dies daher dazu, dass das Widerspruchsverfahren um eine spezifische Vorfrage ergänzt und sein Inhalt entsprechend geändert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 22. März 2007, Saint-Gobain Pam/HABM – Propamsa [PAM PLUVIAL], T-364/05, Slg. 2007, II-757, Rn. 37).

31

Der vorliegende Fall ist im Licht der vorstehend dargestellten Rechtsprechung zu prüfen.

32

Wie sich aus den Akten ergibt, hat die Klägerin im Widerspruchsverfahren den Nachweis im Sinne des Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verlangt, und weder die Widerspruchsabteilung noch die Beschwerdekammer haben sich zur Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke geäußert.

33

Den Akten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer ist nämlich zunächst zu entnehmen, dass die Klägerin in einem Schriftsatz vom 10. September 2010 ausgeführt hat, dass die ältere Marke seit 1930 eingetragen sei, und sie deshalb die Widersprechende gemäß Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgefordert hat, die ernsthafte Benutzung dieser Marke nachzuweisen. Aus diesen Akten geht ebenfalls hervor, dass die Klägerin in einem Schriftsatz vom 14. März 2011 erneut bestritten hat, dass die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen sei. Ferner heißt es in der in diesen Akten enthaltenen Entscheidung der Widerspruchsabteilung: „Da der Widerspruch im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht begründet ist, brauchen die von der Widersprechenden für die Benutzung vorgelegten Beweise nicht geprüft zu werden.“ Schließlich ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass die Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung aufgehoben und der Klägerin für die Gemeinschaft den Schutz der von ihr erlangten internationalen Registrierung verweigert hat, ohne sich zur ernsthaften Benutzung der älteren Marke zu äußern.

34

In Anbetracht dieser tatsächlichen Umstände ist festzustellen, dass der Beschwerdekammer ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Sie hat nämlich der Klägerin für die Gemeinschaft den von ihr erlangten Schutz der internationalen Registrierung verweigert, ohne sich zur ernsthaften Benutzung der älteren Marke zu äußern, obwohl die Klägerin vor der Widerspruchsabteilung den Nachweis der ernsthaften Benutzung dieser Marke verlangt hatte.

35

Dem ist hinzuzufügen, dass sich das Gericht auf Unterlagen in den Akten des Verfahrens der Beschwerdekammer stützen kann, auf die die Parteien hinreichend genau verweisen.

36

Nach alledem greift der erste Klagegrund durch.

37

Daraus folgt, dass dem Antrag der Klägerin auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung stattzugeben ist.

38

Darüber hinaus stellt die Klägerin, wie oben (Rn. 18) ausgeführt, auch einen Antrag auf Abänderung.

39

Der erste Klagegrund kann jedoch nur zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Verweisung der Sache an die Beschwerdekammer führen. Denn im Rahmen der Prüfung dieses Klagegrundes äußert sich das Gericht nicht zur Gefahr der Verwechslung der beiden einander gegenüberstehenden Marken. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die dem Gericht nach Art. 65 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 zustehende Abänderungsbefugnis es nicht ermächtigt, eine Frage zu beurteilen, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat. Die Ausübung der Abänderungsbefugnis ist folglich grundsätzlich auf die Fälle zu beschränken, in denen das Gericht nach einer Überprüfung der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung auf der Grundlage der erwiesenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu bestimmen vermag, welche Entscheidung die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C-263/09 P, Slg. 2011, I-5853, Rn. 72). Daher kann das Gericht im vorliegenden Fall die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht würdigen, da sich die Beschwerdekammer nicht dazu geäußert hat.

40

Dagegen könnte der zweite Klagegrund der fehlenden Verwechslungsgefahr, wenn er durchgreifen würde, es der Klägerin ermöglichen, eine umfassende Entscheidung des Rechtsstreits, d. h. eine Zurückweisung des Widerspruchs, herbeizuführen. Außerdem hat sich die Beschwerdekammer zur Frage der Gefahr einer Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken geäußert.

41

Das Gericht hat daher den zweiten Klagegrund zu prüfen.

Zum zweiten Klagegrund: fehlende Verwechslungsgefahr

42

Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Die Gefahr von Verwechslungen schließt die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Zu den älteren Marken gehören nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009 die in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

43

Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen sowie Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T-162/01, Slg. 2003, II-2821, Rn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

44

Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren oder Dienstleistungen abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T-256/04, Slg. 2007, II-449, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in – der vor dem Gericht nicht angegriffenen – Rn. 13 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Verwechslungsgefahr im Hinblick auf das deutsche Publikum zu beurteilen sei, da die ältere Marke in Deutschland eingetragen und geschützt sei. Sie hat ferner in – der vor dem Gericht ebenfalls nicht angegriffenen – Rn. 14 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich die durch die einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren an Fachkreise mit Fachwissen im medizinischen Bereich richteten und dass deren Grad an Aufmerksamkeit besonders hoch sei.

Zum Warenvergleich

46

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind nach ständiger Rechtsprechung alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen ihnen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere ihre Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T-443/05, Slg. 2007, II-2579, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

In Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass die durch die ältere Marke erfassten Waren für medizinische Zwecke benutzt würden und ihre Bestimmung, Art und Verwendung derjenigen der durch die angemeldete Marken erfassten Waren entsprächen. Sie schloss daraus, dass die fraglichen Waren identisch seien.

48

Die Klägerin wendet sich gegen diese Schlussfolgerung. Sie beschränkt sich jedoch darauf, ohne weitere Erläuterung festzustellen, dass die Waren nicht identisch oder einander ähnlich seien, und auf einen im Widerspruchsverfahren eingereichten Schriftsatz zu verweisen. Dieses Vorbringen genügt in Anbetracht der Aktenlage nicht, um den Schluss ziehen zu können, dass die fraglichen Waren nicht identisch oder zumindest ähnlich sind.

Zum Zeichenvergleich

49

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirken. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1997, SABEL, C-251/95, Slg. 1997, I-6191, Rn. 23, und vom 17. Oktober 2013, Isdin/HABM und Bial-Portela, C‑597/12 P, Rn. 19).

50

Die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken darf sich nicht darauf beschränken, dass nur ein Bestandteil einer komplexen Marke berücksichtigt und mit einer anderen Marke verglichen wird. Vielmehr sind die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C-334/05 P, Slg. 2007, I-4529, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteile des Gerichtshofs HABM/Shaker, Rn. 42, und vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 42). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn schon dieser Bestandteil allein geeignet ist, das Bild der Marke, das die maßgeblichen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle ihre übrigen Bestandteile in dem durch sie hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil Nestlé/HABM, Rn. 43).

– Zum bildlichen Vergleich

51

Was den bildlichen Vergleich zweier Marken betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gegen eine Prüfung, ob zwischen einer Wortmarke und einer Bildmarke bildliche Ähnlichkeit besteht, nichts einzuwenden ist, da beide Markenarten Gegenstand einer grafischen Gestaltung sind, die einen optischen Eindruck vermitteln kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 4. Mai 2005, Chum/HABM – Star TV [STAR TV], T-359/02, Slg. 2005, II-1515, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52

Sodann hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die einander gegenüberstehenden Marken in bildlicher Hinsicht eine schwache Ähnlichkeit aufwiesen. Zwar umfasse nur die angemeldete Marke die Wörter „surgical“ und „instruments“ sowie Bildelemente, die Zeichen wiesen aber beide die Buchstaben „k“ und „w“ auf, die den dominierenden und kennzeichnungskräftigsten Bestandteil der angemeldeten Marke bildeten und die beiden Initialen der älteren Marke seien.

53

Die Klägerin trägt dagegen vor, dass die beiden Zeichen bei einer Prüfung, die umfassend sein müsse, in bildlicher Hinsicht nicht ähnlich seien, und zwar wegen der Bedeutung der zusätzlichen Wörter „surgical“ und „instruments“ und der Bildelemente, die nur die angemeldete Marke aufweise.

54

Hierzu ist festzustellen, dass die Buchstaben „k“ und „w“, die die Initialen der beiden die ältere Marke bildenden Wörter sind, aufgrund ihrer Größe und ihrer sehr viel dickeren Linienführung die dominierenden Bestandteile der angemeldeten Marke sind. Außerdem ist das durch die Kombination dieser beiden Buchstaben entstandene Element unterscheidungskräftiger als die übrigen Elemente dieser Marke, d. h. die zusätzlichen Wörter „surgical“ und „instruments“ und die Bildelemente in Form eines Halbkreises und der Darstellung eines chirurgischen Instruments.

55

Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer aufgrund des durch die beiden einander gegenüberstehenden Zeichen hervorgerufenen Gesamteindrucks zu Recht zu dem Schluss gelangen konnte, dass bildlich zwischen ihnen eine schwache Ähnlichkeit besteht.

56

Der Umstand, dass die Buchstaben „k“ und „w“ in der angemeldeten Marke in einer anderen Schriftart als in der älteren Marke wiedergegeben sind, kann die in der vorstehenden Randnummer getroffene Feststellung nicht in Frage stellen, zumal die ältere Marke eine Wortmarke ist und sie sich damit nicht durch die Verwendung einer bestimmten Schriftart unterscheidet (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 2. Dezember 2009, Volvo Trademark/HABM – Grebenshikova [SOLVO], T-434/07, Slg. 2009, II-4415, Rn. 37).

– Zur klanglichen Ähnlichkeit

57

In Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass die beiden einander gegenüberstehenden Zeichen je nachdem, ob die zusätzlichen Wörter „surgical“ und „instruments“ mit ausgesprochen würden, klanglich identisch oder sehr ähnlich seien.

58

Die Klägerin macht geltend, dass die Wörter „surgical“ und „instruments“ in klanglicher Hinsicht nicht so stark in den Hintergrund träten, dass sie völlig außer Acht gelassen werden könnten, und dass sie daher einen deutlichen Unterschied zwischen der angemeldeten und der älteren Marke begründeten.

59

Hierzu ist festzustellen, dass ein Unterschied wie der in der vorstehenden Randnummer angesprochene nichts daran ändert, dass der Beginn des durch die angemeldete Marke gebildeten Gesamtklangs dem Gesamtklang der älteren Marke entspricht.

60

Nach der Rechtsprechung widmet aber der Verbraucher dem Anfang einer Marke im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit als ihrem Ende (Urteil des Gerichts vom 7. September 2006, Meric/HABM – Arbora & Ausonia [PAM-PIM’S BABY-PROP], T-133/05, Slg. 2006, II-2737, Rn. 51).

61

Die einander gegenüberstehenden Marken weisen demnach in klanglicher Hinsicht eine starke Ähnlichkeit auf oder sind sogar identisch, wenn das fragliche Publikum nur die abgekürzte Form der angemeldeten Marke unter Weglassung der Wörter „surgical“ und „instruments“ ausspricht.

62

Das Argument der Klägerin, die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus Fachleuten bestünden, wüssten, dass es sich bei dem Wortelement „kw“ der angemeldeten Marke um eine Abkürzung der Namen Koscher und Würtz handele, und sprächen es dementsprechend aus, beruht auf einer bloßen Behauptung. Ferner würde eine solche Aussprache die Gefahr einer Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken nicht mindern, da sie sich sowohl auf die Namen Kirchner und Wilhelm als auch auf die Namen Koscher und Würtz beziehen kann.

63

Die Beschwerdekammer konnte daher zu Recht aufgrund des von den einander gegenüberstehenden Marken hervorgerufenen Gesamteindrucks zu dem Schluss gelangen, dass sie klanglich identisch oder sehr ähnlich sind.

– Zur begrifflichen Ähnlichkeit

64

Die Klägerin trägt zutreffend vor, dass die Wörter „surgical“ und „instruments“, die sich nur bei der angemeldeten Marke finden, für einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Bedeutung aufweisen. Die Beschwerdekammer hat daher in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht ausgeführt, dass die beiden einander gegenüberstehenden Zeichen keine Bedeutung aufwiesen.

65

Es ist jedoch festzustellen, dass die Wörter „surgical“ und „instruments“, wenn sie im Rahmen der Untersuchung der begrifflichen Ähnlichkeit berücksichtigt würden, lediglich, wie die Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, dahin verstanden würden, dass sie für das englischsprachige Publikum in Deutschland auf in der Chirurgie verwendete medizinische Geräte Bezug nehmen. Die Berücksichtigung dieser zusätzlichen Wörter würde die Verwechslungsgefahr daher nicht ausräumen.

66

Im Rahmen der umfassenden Prüfung der Verwechslungsgefahr ist zu prüfen, ob das Vorhandensein des begrifflichen Bestandteils „surgical instruments“ den von der Beschwerdekammer gezogenen Schluss, dass die Gefahr einer Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken bestehe, in Frage stellen kann.

Zur Verwechslungsgefahr

67

Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung der berücksichtigten Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der durch die Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C-39/97, Slg. 1998, I-5507, Rn. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T-81/03, T-82/03 und T-103/03, Slg. 2006, II-5409, Rn. 74).

68

Vorab ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass die ältere Marke mittlere Unterscheidungskraft aufweise.

69

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Anerkennung einer schwachen Unterscheidungskraft der älteren Marke als solche nicht der Feststellung entgegensteht, dass Verwechslungsgefahr besteht (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 27. April 2006, L’Oréal/HABM, C‑235/05 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 42 bis 45). Denn die Unterscheidungskraft der älteren Marke ist zwar bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen, doch stellt sie nur einen der bei dieser Beurteilung zu berücksichtigenden Faktoren dar. Selbst wenn es also um eine ältere Marke mit schwacher Unterscheidungskraft geht, kann die Gefahr einer Verwechslung, insbesondere wegen Ähnlichkeit der Zeichen und der betroffenen Waren oder Dienstleistungen, gegeben sein (vgl. Urteile des Gerichts vom 16. März 2005, L’Oréal/HABM – Revlon [FLEXI AIR], T-112/03, Slg. 2005, II-949, Rn. 61, und vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes [PAGESJAUNES.COM], T-134/06, Slg. 2007, II-5213, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Sodann sieht Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 vor, dass eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn die „Gefahr“ von Verwechslungen besteht.

71

Im vorliegenden Fall trifft es zu, dass sich die Wörter „surgical“ und „instruments“ sowie die Bildelemente eines Halbkreises und der Darstellung eines chirurgischen Instruments nur bei der angemeldeten Marke finden.

72

Jedoch reichen diese Unterschiede in Anbetracht dessen, dass erstens beide einander gegenüberstehenden Marken die Buchstaben „k“ und „w“ enthalten, zweitens diese Buchstaben, die die Initialen der beiden die ältere Marke bildenden Wörter sind, bildlich den dominierenden und kennzeichnungskräftigsten Bestandteil der angemeldeten Marke darstellen und drittens die Marke Ka We und das Wortelement „kw“ im Deutschen gleich ausgesprochen werden, nicht aus, um bei dem relevanten Verbraucher den Eindruck auszuräumen, dass diese Marken, in ihrer Gesamtheit betrachtet, bildlich eine schwache Ähnlichkeit aufweisen und klanglich identisch oder sehr ähnlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. Januar 2010, Nokia/HABM – Medion [LIFE BLOG], T-460/07, Slg. 2010, II-89, Rn. 54 und 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73

Hinzu kommt, dass der Umstand, dass nur die angemeldete Marke den Wortbestandteil „surgical instruments“ aufweist, jedenfalls nicht geeignet ist, die in der vorstehenden Randnummer festgestellten bildlichen und klanglichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden fraglichen Marken zu neutralisieren (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 23. März 2006, Mülhens/HABM, C-206/04 P, Slg. 2006, I-2717, Rn. 36).

74

Selbst unterstellt, dass eine Identität der durch die beiden einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren nicht erwiesen wäre, genügt schließlich der Grad der Ähnlichkeit, der zwischen ihnen zumindest dann besteht, wenn sämtliche durch die ältere Marke erfassten Waren berücksichtigt werden, für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr.

75

Daher ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht bewiesen, dass der Beschwerdekammer ein Fehler unterlaufen wäre, als sie die Gefahr einer Verwechslung der beiden einander gegenüberstehenden Marken bejaht hat.

76

Diese Schlussfolgerung wird durch die Argumente der Klägerin nicht entkräftet.

77

Erstens lässt sich aus dem Umstand – unterstellt, er wäre erwiesen –, dass die ältere Marke als Kombination aus zwei Wörtern „ka“ und „we“ eingetragen wurde, nicht herleiten, dass keine Verwechslungsgefahr besteht.

78

Zweitens weist die Klägerin nicht nach, dass der Umstand, dass sich die durch die einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren an Fachkreise mit Fachkenntnissen auf medizinischem Gebiet richten, dieses Publikum besonders aufmerksam ist und die Zahl der Lieferanten der fraglichen Waren gering ist, jede Verwechslungsgefahr ausschließt.

79

Drittens ist die Behauptung der Klägerin, die fraglichen Waren würden allenfalls ausnahmsweise telefonisch angeboten, vertrieben oder beworben, durch keinerlei Beleg gestützt und damit nicht bewiesen.

80

Überdies würde diese Behauptung, selbst wenn sie nicht nur für die angemeldete Marke, sondern auch für die ältere Marke bewiesen wäre, eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen, da sich die Benutzung des Zeichens in klanglicher Hinsicht nicht auf Situationen beschränkt, in denen die Waren vertrieben werden, sondern auch andere Situationen betreffen kann, in denen die fraglichen Fachleute mündlich auf diese Waren Bezug nehmen, z. B. wenn sie sie verwenden oder über diese Verwendung, insbesondere über die Vor- und Nachteile dieser Waren, sprechen.

81

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zuständigen Stelle nicht abverlangt werden kann, dass sie für jede Warenart einen Durchschnittswert der jeweiligen Aufmerksamkeit ermittelt, die der Verbraucher in verschiedenen Situationen aufbringt, und dass sie auf den geringsten Aufmerksamkeitsgrad abstellt, den das Publikum bei der Konfrontation mit einer Ware oder einer Marke an den Tag legt (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Januar 2006, Ruiz-Picasso u. a./HABM, C-361/04 P, Slg. 2006, I-643, Rn. 42 und 43); er hat jedoch nicht ausgeschlossen, dass bei der Prüfung, ob Verwechslungsgefahr besteht, auf andere Situationen als den Kauf abgestellt werden kann.

82

Nach alledem sind der zweite Klagegrund und damit der Abänderungsantrag der Klägerin zurückzuweisen.

83

Das HABM muss, nachdem es in Durchführung des vorliegenden Urteils die Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke geprüft hat, gegebenenfalls erneut über die Gefahr einer Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken befinden. Sollte die ältere Marke für bestimmte der durch sie erfassten Waren nicht ernsthaft benutzt worden sein, hat das HABM daraus die Konsequenzen für den Vergleich zwischen den beiden Marken zu ziehen.

Kosten

84

Nach Art. 136 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gelten nur die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten. Der Antrag der Klägerin ist daher unzulässig, soweit er die Kosten des Verwaltungsverfahrens vor der Widerspruchsabteilung betrifft, die nicht erstattungsfähig sind.

85

Zu den Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer und des Verfahrens vor dem Gericht ist festzustellen, dass das Gericht nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung die Kosten teilen oder beschließen kann, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

86

Im vorliegenden Fall ist zu beschließen, dass das HABM seine eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten trägt, die der Klägerin in den Verfahren vor der Beschwerdekammer und vor dem Gericht entstanden sind.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 6. August 2012 (Sache R 1675/2011-4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Kirchner & Wilhelm GmbH + Co. und der Koscher + Würtz GmbH wird aufgehoben.

 

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.

Das HABM trägt seine eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten, die Koscher + Würtz in den Verfahren vor der Beschwerdekammer und dem Gericht entstanden sind.

 

4.

Koscher + Würtz trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten, die ihr in den Verfahren vor der Beschwerdekammer und dem Gericht entstanden sind.

 

Martins Ribeiro

Gervasoni

Madise

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. September 2014.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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