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Document 62012TJ0165

Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 13. Dezember 2013  .
European Dynamics Luxembourg SA und Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE gegen Europäische Kommission.
Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Erbringung von unterstützenden Diensten mit dem Ziel der Entwicklung von IT‑Infrastruktur‑ Diensten und elektronischen Behördendiensten (‚e‑government services‘) in Albanien – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Transparenz – Begründungspflicht.
Rechtssache T‑165/12.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2013:646

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache T‑165/12

European Dynamics Luxembourg SA mit Sitz in Ettelbrück (Luxemburg),

Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE mit Sitz in Athen (Griechenland),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt V. Christianos,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, Prozessbevollmächtigte: P. van Nuffel und M. Konstantinidis,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses CMS/cms D(2012)/00008 der Kommission vom 8. Februar 2012, mit dem das von den Klägerinnen im nichtoffenen Vergabefahren EuropeAid/131431/C/SER/AL eingereichte Angebot abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters S. Frimodt Nielsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Buttigieg,

Kanzlerin: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2013

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Bei den Klägerinnen, der European Dynamics Luxembourg SA und der Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE, handelt es sich um eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz in Ettelbrück (Luxemburg) und eine Gesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen (Griechenland).

2. Am 11. Mai 2011 wurde in der elektronischen Fassung des Amtsblatts der Europäischen Union (ABl. S 90) eine Vorabinformation zur Ausschreibung EuropeAid/131431/C/SER/AL (im Folgenden: Ausschreibung) veröffentlicht. Am 19. Juli 2011 wurde in der elektronischen Fassung des Amtsblatts der Europäischen Union (ABl. S 136) eine Bekanntmachung der Ausschreibung (im Folgenden: Bekanntmachung) veröffentlicht.

3. Gegenstand der Ausschreibung waren Dienstleistungen zur Unterstützung des albanischen Ministeriums für Innovation und Informations- und Kommunikationstechnologien und der albanischen Nationalen Agentur für die Informationsgesellschaft mit dem Ziel der Entwicklung von IT‑Infrastrukturen und elektronischen Behördendiensten („e-government services“) in Albanien. Für die Ausführung der Aufgaben waren ursprünglich ein Zeitraum von 18 Monaten und ein Höchstbudget von 2 400 000 Euro vorgesehen.

4. Die Ausschreibung ist Teil des Instruments für Heranführungshilfe, das durch die Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates vom 17. Juli 2006 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (IPA) (ABl. L 210, S. 82) geschaffen wurde und geregelt wird.

5. Das IPA soll mehrere Länder, darunter Albanien, bei der schrittweisen Angleichung an die Standards und die Politik der Europäischen Union sowie den Besitzstand der Union mit Blick auf ihre künftige Mitgliedschaft unterstützen. Diese Unterstützung wird u. a. durch die Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge der Europäischen Kommission geleistet, wobei die erfolgreichen Bieter die Dienstleistungen dem begünstigten Land ‐ im vorliegenden Fall Albanien ‐ erbringen.

6. Öffentlicher Auftraggeber war die Union, vertreten durch die Kommission, im Auftrag und für Rechnung des begünstigten Landes Albanien.

7. Der Auftrag war im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens, das sich aus zwei Phasen ‐ Vorauswahl und Zuschlag ‐ zusammensetzte, auf das wirtschaftlich günstigste Angebot zu vergeben.

8. Für die Vorauswahl wurde interessierten Personen eine Frist bis zum 2. September 2011 gesetzt, innerhalb deren ihre Bewerbungen einschließlich bestimmter Angaben zum Nachweis ihrer finanziellen, technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit betreffend die Durchführung des Auftragsgegenstands einzureichen waren. Nach der Bewertung der Bewerbungen hatte der Bewertungsausschuss eine Liste der in Frage kommenden Bewerber anzufertigen, die sich aus vier bis acht Bewerbern zusammensetzte. Nur diese Bewerber waren von der Kommission zur Teilnahme an der zweiten Phase des Verfahrens, dem Zuschlagsverfahren, einzuladen.

9. Am 30. August 2011 reichten die Klägerinnen in Form eines Konsortiums an der Seite der Performance SA ihre Bewerbungsunterlagen ein, um an der Ausschreibung teilzunehmen.

10. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 teilte die Kommission der European Dynamics Luxembourg als Geschäftsführerin des Konsortiums mit, dass das Angebot des Konsortiums die Phase der Vorauswahl erfolgreich durchlaufen habe. Die Vertragsunterlagen, die den Ablauf des Zuschlagsverfahrens erläuterten, waren dem Schreiben beigefügt.

11. Die Vertragsunterlagen beinhalteten die „Hinweise für Bieter“, den „Entwurf einer vertraglichen Vereinbarung und besondere Bedingungen“ sowie sechs Anlagen mit den Bezeichnungen „Allgemeine Bedingungen für Dienstleistungsverträge“, „Technische Spezifikationen“, „Organisation und Methodik“, „Hauptexperten“, „Budget“ und „Formulare und sonstige relevante Unterlagen“. Die Unterlagen umfassten auch weiteres Informationsmaterial wie den „Bewertungsbogen“, der die Bewertungskriterien beinhaltete, und das Formular, mit dem das Angebot einzureichen war.

12. Gemäß Nr. 12 der Hinweise für Bieter fand die Bewertung der Angebote in zwei aufeinanderfolgenden Phasen statt, und zwar wurde zunächst das technische Angebot und anschließend das finanzielle Angebot bewertet.

13. Die Bewertung des technischen Angebots stützte sich auf den Bewertungsbogen unter Verwendung der Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung. Beim ersten Kriterium „Organisation und Methodik“ konnten 70 Punkte erreicht werden. Es setzte sich aus drei Unterkriterien zusammen: „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“, „Strategie“ und „Zeitplan der Aktivitäten“. Das zweite Kriterium „Hauptexperten“ bezog sich auf die Fähigkeiten von drei Experten mit unterschiedlichen Spezialgebieten. Der erste Experte war der „Teamleiter“, der zweite war „Experte für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme“, und der dritte war „Portal-Experte“. Die maximale Punktzahl, die den einzelnen Experten zugeschrieben werden konnte, gliederte sich folgendermaßen: 14 Punkte für den Teamleiter, acht Punkte für den Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme und acht Punkte für den Portal-Experten, d. h., insgesamt konnten 30 Punkte erzielt werden. Jeder Experte war anhand von drei Unterkriterien zu bewerten: „Qualifikationen und Fähigkeiten“, „Allgemeine Berufserfahrung“ und „Besondere Berufserfahrung“.

14. Die Bewertung des finanziellen Angebots erfolgte unter der Voraussetzung, dass bei der Bewertung des technischen Angebots ein Durchschnittswert von mindestens 80 Punkten erzielt worden war. Mit dem finanziellen Angebot konnten weitere 20 Punkte erreicht werden.

15. Aus Nr. 12 Abs. 4 der Hinweise für Bieter geht hervor, dass das gesamte Bewertungsverfahren vorbehaltlich der Rechtsvorschriften, welche die für den Vertragsschluss zuständige Behörde in Bezug auf den Zugang zu Dokumenten erlässt, vertraulich ist. Die Entscheidungen des Bewertungsausschusses sind kollektive Entscheidungen, seine Beratungen finden in geschlossenen Sitzungen statt, und die Mitglieder des Bewertungsausschusses sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Darüber hinaus bestimmt Nr. 12, dass die Bewertungsprotokolle und insbesondere die schriftlichen Berichte dem Dienstgebrauch vorbehalten sind und weder den Bietern noch einem anderen Beteiligten außer der für den Vertragsschluss zuständigen Behörde, der Kommission, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und dem Rechnungshof der Europäischen Union mitgeteilt werden dürfen.

16. Nach Nr. 8 der Hinweise für Bieter waren die Angebote bis zum 30. November 2011 einzureichen.

17. Die Klägerinnen reichten ihr technisches und ihr finanzielles Angebot fristgerecht ein.

18. Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 teilte die Kommission der European Dynamics Luxembourg als Geschäftsführerin des Konsortiums Folgendes mit:

– Das Angebot des Konsortiums sei nicht ausgewählt worden, da es sich nicht um das wirtschaftlich günstigste der formal zulässigen Angebote handle;

– der Bewertungsausschuss habe empfohlen, den Auftrag an das Konsortium aus CSI-Piemonte und Infosoft Systems Sha zu vergeben;

– das Konsortium habe die Möglichkeit, diesen Beschluss gemäß Ziff. 2.4.15 des Handbuchs der Kommission für Vergabeverfahren im Rahmen von EU‑Außenmaßnahmen (im Folgenden: Handbuch) anzufechten.

19. Das Schreiben enthielt auch eine Tabelle mit der von den Klägerinnen bzw. dem Zuschlagsempfänger erzielten Gesamtnote sowie die Benotung des finanziellen und des technischen Angebots. Zum technischen Angebot führte die Tabelle die Noten auf, welche die Klägerinnen und der Zuschlagsempfänger für die Kriterien „Organisation und Methodik“, „Hauptexperte 1“, „Hauptexperte 2“ und „Hauptexperte 3“ erhalten hatten.

20. Mit Schreiben vom 10. Februar 2012 forderten die Klägerinnen die Kommission auf, ihnen u. a. die folgenden Informationen zu übermitteln:

– eine Abschrift des detaillierten Protokolls des Bewertungsausschusses und die Zusammensetzung des Bewertungsausschusses,

– die Stärken und Schwächen ihres Angebots im Hinblick auf Organisation und Methodik verglichen mit dem Angebot des Zuschlagsempfängers,

– die genauen Noten, die ihr Angebot und das Angebot des Zuschlagsempfängers für jedes der zu bewertenden Unterkriterien in Bezug auf das Kriterium „Organisation und Methodik“ und das Kriterium „Hauptexperten“ erzielt hatten, und die Begründung dieser Noten.

21. Mit Schreiben vom 21. Februar 2012 wies die Kommission darauf hin, dass sie nicht in der Lage sei, weitere Informationen zum Zuschlagsempfänger zu übermitteln, da solche Informationen vertraulich und dem beruflichen Gebrauch vorbehalten seien. Darüber hinaus machte die Kommission in diesem Schreiben darauf aufmerksam, dass das Protokoll des Bewertungsausschusses (im Folgenden: Bewertungsprotokoll) weder den Bietern noch sonstigen Beteiligten, die nicht den vom öffentlichen Auftraggeber, der Kommission oder den Aufsichtsbehörden autorisierten Stellen angehörten, offengelegt werden dürfe. Hierzu verwies die Kommission die Klägerinnen auf Ziff. 3.3.10.5 des Handbuchs. Darüber hinaus erklärte die Kommission unter Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43), dass die Namen der Mitglieder des Bewertungsausschusses aufgrund des Schutzes der Privatsphäre und der Wahrung der Integrität der Personen nicht offengelegt werden könnten.

22. Das Schreiben der Kommission vom 21. Februar 2012 enthielt auch eine Tabelle mit den Durchschnittsnoten, die das technische Angebot der Klägerinnen für die Unterkriterien „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“, „Strategie“ und „Zeitplan der Aktivitäten“, aus denen sich das Kriterium „Organisation und Methodik“ zusammensetzte, und die Unterkriterien „Qualifikationen und Fähigkeiten“, „Allgemeine Berufserfahrung“ und „Besondere Berufserfahrung“, die dem Kriterium „Hauptexperten“ zugeordnet waren, erhalten hatte.

23. Zur Begründung der in der Tabelle aufgeführten Noten führte die Kommission in dem Schreiben aus, die drei Unterkriterien, aus denen sich das Kriterium „Organisation und Methodik“ zusammensetzte, seien folgendermaßen bewertet worden:

– Begründete Analyse der Auftragsdurchführung: „schwache allgemeine Stellungnahme zu zentralen Problemen, keine gute Definition der Risikoanalyse und ‑begrenzung“;

– Strategie: „ausführliches Verzeichnis der Aktivitäten und sehr überzeugende Auflistung unterstützender Experten. Sehr wettbewerbsfähige Dienstleistungsvereinbarung“;

– Zeitplan der Aktivitäten: „guter allgemeiner Zeitplan der Aktivitäten“.

24. Zur Begründung der Benotung der Experten führte die Kommission aus: „Erfahrung, Bildungsstand und Sprachkenntnisse Ihres Teamleiters, des Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme und des Portal-Experten wurden folgendermaßen bewertet: ‚gutes allgemeines Profil‘“.

25. Am 21. März 2012 richteten die Klägerinnen einen Zweitantrag im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 an die Kommission, der darauf gerichtet war, dass die Kommission ihnen die Zusammensetzung des Bewertungsausschusses sowie eine Abschrift des detaillierten Protokolls des Bewertungsausschusses einschließlich der vergleichenden Benotung der Klägerinnen und des Zuschlagsempfängers für jedes Bewertungskriterium übermittle.

Verfahren und Anträge der Parteien

26. Mit Klageschrift, die am 11. April 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

27. Mit Schriftsatz, der am 19. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht.

28. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat die Kommission mit Schreiben vom 25. Juli 2012 dem Zweitantrag der Klägerinnen auf Zugang zu den Dokumenten teilweise entsprochen. So hat die Kommission den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll sowie sieben weitere Dokumente, die dem Protokoll beigefügt waren, übermittelt. Bei den sieben Anhängen handelte es sich um die Anwesenheitslisten, das Protokoll der vorbereitenden Sitzung des Bewertungsausschusses, das Protokoll der Angebotseröffnung, den Bewertungsbogen, die Anmerkungen zu jedem Angebot, den Schriftwechsel mit den Bietern und den Prüfbogen für die Einhaltung der formellen Voraussetzungen. Die Kommission hat jedoch darauf hingewiesen, dass sie zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmte Informationen aus sämtlichen in Rede stehenden Dokumenten gelöscht habe. Darüber hinaus hat die Kommission erklärt, sie habe weitere Informationen aus dem Bewertungsprotokoll, dem Protokoll der Angebotseröffnung, dem Bewertungsbogen, den Anmerkungen zu jedem Angebot sowie dem Schriftwechsel mit den Bietern zum Schutz der geschäftlichen Interessen gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 gelöscht.

29. Die Klägerinnen und die Kommission haben am 20. August bzw. am 12. Oktober 2012 die Erwiderung und die Gegenerwiderung eingereicht.

30. Die Klägerinnen beantragen,

– den Beschluss, mit dem die Kommission das Angebot der Klägerinnen im Rahmen der streitigen Ausschreibung abgelehnt hat, für nichtig zu erklären;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

31. Die Kommission beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

32. Zur Begründung ihrer Klage führen die Klägerinnen drei Klagegründe an. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend gemacht, da die Kommission den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll, auf das der angefochtene Beschluss gestützt sei, nicht zugänglich gemacht habe. Der zweite Klagegrund stützt sich auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht in Bezug auf erstens die Benotung des Angebots der Klägerinnen bzw. des Angebots des Zuschlagsempfängers und zweitens die Merkmale und Vorteile des Angebots des Zuschlagsempfängers. Mit dem dritten Klagegrund wird im Wesentlichen geltend gemacht, es sei gegen den allgemeinen Grundsatz, der Änderungen der Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens untersage, verstoßen worden, da aus dem am 25. Juli 2012 von der Kommission übermittelten Bewertungsprotokoll hervorgehe, dass sie das Angebot der Klägerinnen unter Zugrundelegung von Unterkriterien bewertet habe, die in den Vertragsunterlagen nicht vorgesehen seien.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen das Transparenzgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

33. Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen, wobei mit dem ersten ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und mit dem zweiten ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird.

Zum Verstoß gegen das Transparenzgebot

34. Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe das in den Art. 15 AEUV und 298 AEUV sowie in Art. 89 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) genannte Transparenzgebot verletzt, als sie es abgelehnt habe, den Klägerinnen mit Schreiben vom 21. Februar 2012 eine Abschrift des Bewertungsprotokolls zukommen zu lassen. Diese Weigerung sei weder durch die Bestimmungen des Handbuchs noch durch die Vorschriften der Haushaltsordnung und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 357, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung) noch durch die Hinweise für Bieter gerechtfertigt.

35. In diesem Zusammenhang machen die Klägerinnen zunächst geltend, Ziff. 3.3.10.5 des Handbuchs, wonach das Bewertungsprotokoll weder den Bietern noch sonstigen Beteiligten, die nicht den vom öffentlichen Auftraggeber, der Kommission oder den Aufsichtsbehörden autorisierten Stellen angehörten, übermittelt werden dürfe, sei rein informativer Natur.

36. Außerdem enthielten Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 Abs. 3 der Durchführungsverordnung keine abschließende Aufzählung der den Bietern mitzuteilenden Elemente. Daher könne die Kommission ihre Weigerung, den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll zu übermitteln, nicht mit diesen Bestimmungen rechtfertigen. Jedenfalls erlaubten diese Vorschriften der Kommission nicht, von einem Grundsatz primärrechtlichen Rangs ‐ wie dem Transparenzgebot ‐ abzuweichen.

37. Schließlich sei die Weigerung der Kommission, den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll zu übermitteln, nicht durch Nr. 12.4 der Hinweise für Bieter gerechtfertigt. Diese Bestimmung sei nämlich widersprüchlich, da sie die Übermittlung des Bewertungsprotokolls an Bieter untersage und gleichzeitig das Bewertungsverfahren den Rechtsvorschriften über den Zugang zu Dokumenten unterwerfe, worin eine Konkretisierung des Transparenzgebots liege.

38. Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

39. Vorab ist festzustellen, dass der erste Klagegrund sich nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1049/2001 bezieht, deren Art. 8 bestimmt, unter welchen Umständen eine juristische Person mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Klage gegen das Organ erheben kann, das ihm den nach der Verordnung Nr. 1049/2001 beantragten Zugang zu einem Dokument verweigert, sondern nur auf die Frage gerichtet ist, ob im Rahmen des Verfahrens zur Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags die unterbliebene Übermittlung einer Abschrift des Bewertungsprotokolls an die Klägerinnen einen Verstoß gegen die von ihnen geltend gemachten Bestimmungen darstellt, d. h. die Art. 15 AEUV und 298 AEUV sowie Art. 89 Abs. 1 der Haushaltsordnung. Da die von den Klägerinnen erhobenen Rügen bezüglich der unterbliebenen Übermittlung des Bewertungsprotokolls jedoch auch so ausgelegt werden können, dass sie in Wirklichkeit auf eine unzureichende Begründung abzielen, werden sie im Rahmen des zweiten Klagegrundes geprüft.

40. Jedenfalls ist das Argument der Kommission, wonach den Klägerinnen eine Abschrift des Bewertungsprotokolls am 27. Juli 2012 nach ihrem gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellten Zweitantrag übermittelt worden sei, vorab zurückzuweisen.

41. Wie aus dem Schreiben der Klägerinnen vom 10. Februar 2012 nach der Mitteilung des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, ersuchten die Klägerinnen die Kommission, ihnen auf der Grundlage der Bestimmungen über die öffentlichen Aufträge der Union das Bewertungsprotokoll zu übermitteln, was die Kommission, wie aus ihrem Schreiben vom 21. Februar 2012 hervorgeht, ablehnte.

42. Wie darüber hinaus aus dem Schreiben der Kommission vom 25. Juli 2012 hervorgeht, übersandte diese den Klägerinnen eine Fassung des Bewertungsprotokolls, aus der einige von ihr als vertraulich bezeichnete Informationen gelöscht worden waren, in Beantwortung der Zweitanträge auf Zugang zu den Dokumenten, welche die Klägerinnen am 21. März und am 25. April 2012 auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellt hatten.

43. Angesichts des eigenständigen Charakters der Verfahren, die in der Verordnung Nr. 1049/2001 für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten vorgesehen sind, gegenüber den Verfahren, die in der Haushaltsordnung für den Bereich der öffentlichen Aufträge vorgesehen sind, hat jedoch der Umstand, dass die Kommission in der vorliegenden Rechtssache dem Antrag der Klägerinnen auf Zugang zum Bewertungsprotokoll entsprach, keine Auswirkung auf die etwaige Feststellung eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot wegen unterbliebener Übermittlung des Protokolls im Rahmen des fraglichen Ausschreibungsverfahrens.

44. In Bezug auf einen solchen Verstoß sieht Art. 89 Abs. 1 der Haushaltsordnung vor: „Für öffentliche Aufträge, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt [der Union] finanziert werden, gelten die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.“

45. Daher ist der öffentliche Auftraggeber nach ständiger Rechtsprechung in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens zur Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und damit der Chancengleichheit aller Bieter verpflichtet (Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Kommission/CAS Succhi di Frutta, C‑496/99 P, Slg. 2004, I‑3801, Randnr. 108; Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1998, Embassy Limousines & Services/Parlament, T‑203/96, Slg. 1998, II‑4239, Randnr. 85, und vom 17. März 2005, AFCon Management Consultants u. a./Kommission, T‑160/03, Slg. 2005, II‑981, Randnr. 75).

46. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen den sich um einen öffentlichen Auftrag bewerbenden Unternehmen fördern soll, gebietet, dass alle Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2001, SIAC Construction, C‑19/00, Slg. 2001, I‑7725, Randnr. 34, und vom 12. Dezember 2002, Universale‑Bau u. a., C‑470/99, Slg. 2002, I‑11617, Randnr. 93).

47. Ferner ist der Rechtsprechung zu entnehmen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung eine Verpflichtung zur Transparenz einschließt, die es ermöglichen soll, seine Beachtung zu überprüfen (Urteile des Gerichtshofs vom 18. Juni 2002, HI, C‑92/00, Slg. 2002, I‑5553, Randnr. 45, und Universale‑Bau u. a., oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 91).

48. Dieser Grundsatz der Transparenz soll im Wesentlichen die Gefahr der Günstlingswirtschaft oder willkürlicher Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers ausschließen. Er verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind (Urteil Kommission/CAS Succhi di Frutta, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 111).

49. Der Grundsatz der Transparenz bedeutet daher, dass alle für das richtige Verständnis der Ausschreibung oder der Verdingungsunterlagen maßgeblichen technischen Informationen allen an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligten Unternehmen so bald wie möglich zur Verfügung gestellt werden, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber überprüfen kann, ob die Angebote der Bieter tatsächlich die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑50/05, Slg. 2010, II‑1071, Randnr. 59).

50. Wie jedoch aus Art. 147 der Durchführungsverordnung hervorgeht, besteht das Ziel des Bewertungsprotokolls nicht darin, alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens darzulegen, sondern darin, das Ergebnis der vom Bewertungsausschuss vorgenommenen Bewertung zu präsentieren und hierzu vor allem die Namen der ausgeschlossenen Bieter und die Gründe für den Ausschluss ihres Angebots sowie den Namen des ausgewählten Auftragnehmers und die Gründe für die Wahl aufzuführen. Die endgültige Entscheidung über die Vergabe des Auftrags wird anschließend gemäß Art. 147 Abs. 3 der Durchführungsverordnung vom öffentlichen Auftraggeber getroffen und muss den Begründungsanforderungen der Unionsrechtsordnung genügen.

51. Im vorliegenden Fall hat daher die Weigerung der Kommission, das Bewertungsprotokoll während des vorprozessualen Verfahrens zu übermitteln, nicht zu einer Chancenungleichheit ‐ die im Licht der oben in den Randnrn. 45 bis 49 dargelegten Rechtsprechung einen Verstoß gegen das Transparenzgebot darstellen würde ‐ zwischen den Klägerinnen und den anderen Bietern bei der Abfassung der Angebote geführt.

52. Nach dem Vorstehenden ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

53. Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die vollständige und absolute Weigerung der Kommission, auch nur irgendein Element des Bewertungsprotokolls zu übermitteln, stelle auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar.

54. Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

55. Hierzu ist vorab festzustellen, dass die Klägerinnen diesen Teil des ersten Klagegrundes erstmals in ihrer Erwiderung geltend gemacht haben und er daher als neu und somit unzulässig gemäß Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts anzusehen ist, da die Klägerinnen die verspätete Geltendmachung nicht mit rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, gerechtfertigt haben.

56. Somit ist der erste Klagegrund als teilweise unbegründet und teilweise unzulässig zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

57. Die Klägerinnen rügen im Wesentlichen, dass die Kommission ihnen erstens die Benotung des technischen Angebots des Zuschlagsempfängers im Hinblick auf jedes im Bewertungsbogen aufgeführte Unterkriterium (vgl. oben, Randnr. 13) sowie die Begründung dieser Benotung und zweitens die Begründung der Benotung ihres eigenen technischen Angebots im Hinblick auf die mit dem zweiten Bewertungskriterium „Hauptexperten“ verknüpften neun Unterkriterien nicht mitgeteilt habe. Die Kommission habe insofern gegen ihre Verpflichtung, einem abgelehnten Bieter auf dessen schriftlichen Antrag die Merkmale und Vorteile des Angebots, das den Zuschlag erhalten habe, zu übermitteln, und folglich gegen die Verpflichtung, den angefochtenen Beschluss zu begründen, verstoßen.

58. Nach Auffassung der Kommission ist der angefochtene Beschluss im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 Abs. 3 der Durchführungsverordnung ausreichend begründet.

59. Da die Klägerinnen mit den Rügen, die sie im Rahmen des ersten Klagegrundes vortragen, geltend machen, die Kommission sei verpflichtet gewesen, ihnen das Bewertungsprotokoll mitzuteilen, ist vorab festzustellen, dass die einzige Verpflichtung, die der Kommission im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge obliegt, darin besteht, den Bietern, die einen entsprechenden Antrag stellen, in Form des Bewertungsprotokolls oder eines sonstigen Dokuments die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie den Namen des Auftragnehmers mitzuteilen.

60. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission, ebenso wie die anderen Organe, bei der Beurteilung der Umstände, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags im Wege der Ausschreibung zu berücksichtigen sind, über einen weiten Spielraum verfügt. Die gerichtliche Kontrolle hinsichtlich der Ausübung dieses Ermessens ist daher auf die Prüfung beschränkt, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2005, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, T‑148/04, Slg. 2005, II‑2627, Randnr. 47; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 1978, Agence européenne d‘intérims/Kommission, 56/77, Slg. 1978, 2215, Randnr. 20).

61. Zudem kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, in den Fällen, in denen einem Organ ein weites Ermessen eingeräumt ist, eine besonders fundamentale Bedeutung zu. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, seine Entscheidungen hinreichend zu begründen. Nur so ist der Unionsrichter in der Lage, zu überprüfen, ob die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben (Urteil des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 14, und Urteil des Gerichts vom 9. September 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑387/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31).

62. Für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ist die Begründungspflicht in Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 der Durchführungsverordnung konkretisiert, und daraus geht hervor, dass der öffentliche Auftraggeber seiner Begründungspflicht genügt, wenn er zunächst die unterlegenen Bieter unverzüglich über die Ablehnung ihres Angebots unterrichtet und anschließend den Bietern, die dies ausdrücklich beantragen, innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab Eingang des schriftlichen Antrags die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie den Namen des erfolgreichen Bieters mitteilt (Urteil des Gerichts vom 17. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, T‑447/10, Randnr. 71).

63. Ein solches Vorgehen entspricht dem Zweck der in Art. 296 AEUV verankerten Begründungspflicht, wonach die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass zum einen die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können, um ihre Rechte geltend zu machen, und zum anderen das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1995, Koyo Seiko/Rat, T‑166/94, Slg. 1995, II‑2129, Randnr. 103, und vom 19. März 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 134).

64. Außerdem ist hervorzuheben, dass das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen ist, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink‘s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65. Die Frage, ob der Begründungspflicht genügt wurde, ist aufgrund der Informationen zu beurteilen, die die Klägerin bei der Klageerhebung besaß (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. Februar 2003, Strabag Benelux/Rat, T‑183/00, Slg. 2003, II‑135, Randnr. 58).

66. Im Licht der genannten Grundsätze ist zu prüfen, ob die Kommission die Begründungspflicht verletzt hat. Für die Feststellung, ob in der vorliegenden Rechtssache den Anforderungen der in der Haushaltsordnung und der Durchführungsverordnung vorgesehenen Begründungspflicht genügt wurde, sind die Schreiben der Kommission vom 8. Februar 2012 und vom 21. Februar 2012, die sie an die Klägerinnen richtete, nachdem diese ergänzende Informationen über die Ablehnung ihres Angebots beantragt hatten, zu untersuchen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission klar dargelegt, dass erstens das Schreiben vom 21. Februar 2012 eine Begründung enthalten habe, die den in der Haushaltsordnung und der Durchführungsverordnung festgelegten Verpflichtungen genüge, und zweitens das Bewertungsprotokoll, das sie den Klägerinnen zur Verfügung gestellt habe, nicht Teil der Begründung des angefochtenen Beschlusses sei. Außerdem wurde das Bewertungsprotokoll den Klägerinnen erstmals am 25. Juli 2012 übermittelt. Angesichts des oben in Randnr. 65 dargelegten Grundsatzes kann daher dieses Dokument, das erstmals während des Gerichtsverfahrens bereitgestellt wurde, bei der Beurteilung der Frage, ob die Begründung ausreichte, nicht berücksichtigt werden.

Zum Schreiben vom 8. Februar 2012

67. In der vorliegenden Rechtssache setzte die Kommission die Klägerinnen mit Schreiben vom 8. Februar 2012 davon in Kenntnis, dass erstens ihr Angebot nicht ausgewählt worden sei, da es sich nicht um das wirtschaftlich günstigste der formal zulässigen Angebote handle, zweitens der Bewertungsausschuss empfohlen habe, den Auftrag einem aus zwei anderen, von ihr namentlich benannten Bietern bestehenden Konsortium zu erteilen, und drittens die Klägerinnen diesen Beschluss nach Ziff. 2.4.15 des Handbuchs anfechten könnten.

68. Das Schreiben enthielt darüber hinaus die folgende Tabelle:

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69. Das Schreiben wurde gemäß den Bestimmungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung verfasst. Diese Vorschrift sieht jedoch außerdem vor, dass der öffentliche Auftraggeber die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots allen Bietern mitteilt, die ein anforderungsgemäßes Angebot eingereicht und schriftlich um eine entsprechende Mitteilung ersucht haben.

Zum Schreiben vom 21. Februar 2012

70. Nach dem Antrag der Klägerinnen vom 10. Februar 2012, der u. a. darauf gerichtet war, die Stärken und Schwächen ihres Angebots gegenüber dem Angebot des Zuschlagsempfängers im Hinblick auf Organisation und Methodik sowie die genauen Noten, die ihr Angebot und das Angebot des Zuschlagsempfängers für jedes der zu bewertenden Unterkriterien in Bezug auf das Kriterium „Organisation und Methodik“ und das Kriterium „Hauptexperten“ erzielt hatten, und die Begründung dieser Noten mitgeteilt zu bekommen, übersandte die Kommission den Klägerinnen am 21. Februar 2012 ein zweites Schreiben.

71. Zu diesem Schreiben ist erstens festzustellen, dass die Kommission dem schriftlichen Antrag der Klägerinnen vom 10. Februar 2012 innerhalb der in Art. 149 Abs. 2 der Durchführungsverordnung vorgesehenen Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang des Antrags nachkam.

72. Zweitens ist zu untersuchen, ob das Schreiben vom 21. Februar 2012 eine Beschreibung der Merkmale und Vorteile der ausgewählten Angebote beinhaltete, die den Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung genügt.

73. Das Schreiben enthielt die folgende Tabelle:

>lt>2

74. In diesem Schreiben wies die Kommission die Klägerinnen darauf hin, dass die Dienstleistungsverträge im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens auf der Grundlage von Kriterien, die auf dem Grundsatz des wirtschaftlich günstigsten Angebots basierten, vergeben würden und sich die Kriterien sowohl auf die technische Qualität als auch auf den finanziellen Aspekt des Angebots bezögen. Darüber hinaus erläuterte die Kommission, dass die Gesamtnote, die das Angebot der Klägerinnen erzielt habe, sehr hoch sei, ihr Angebot jedoch nicht das wirtschaftlich günstigste der formal zulässigen Angebote darstelle. Des Weiteren wies die Kommission die Klägerinnen darauf hin, dass sie nicht in der Lage sei, ihnen die Informationen zu übermitteln, die sie mit Schreiben vom 10. Februar 2012 in Bezug auf das Angebot des Zuschlagsempfängers erbeten hätten, da diese Informationen vertraulich und dem Dienstgebrauch vorbehalten seien.

75. Ferner teilte die Kommission die Anmerkungen mit, die der Beurteilung des technischen Angebots der Klägerinnen durch den Bewertungsausschuss entsprachen.

76. Was erstens das Kriterium „Organisation und Methodik“ betrifft, stellte die Kommission den Klägerinnen die Beurteilung ihres Angebots in Bezug auf jedes Unterkriterium zur Verfügung. So gab die Kommission zum Unterkriterium „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“ die folgende Beurteilung an: „schwache allgemeine Stellungnahme zu zentralen Problemen, keine gute Definition der Risikoanalyse und ‑begrenzung“. Als Beurteilung des Unterkriteriums „Strategie“ führte die Kommission aus: „ausführliches Verzeichnis der Aktivitäten und sehr überzeugende Auflistung unterstützender Experten. Sehr wettbewerbsfähige Dienstleistungsvereinbarung“. Für das Unterkriterium „Zeitplan der Aktivitäten“ gab die Kommission lediglich an: „guter allgemeiner Zeitplan der Aktivitäten“.

77. Was zweitens das Kriterium „Hauptexperten“ betrifft, führte die Kommission als Beurteilung des Angebots der Klägerinnen an: „Die Erfahrung, der Bildungsstand und die Sprachkenntnisse Ihres Teamleiters, des Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme und des Portal-Experten wurden folgendermaßen bewertet: ‚gutes allgemeines Profil‘“.

78. Die Begründung, die im Schreiben vom 21. Februar 2012 gegeben wird, hält den Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung nicht stand.

79. Zunächst einmal sind ‐ entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung ‐ die Noten, die in der oben in Randnr. 73 angeführten Tabelle genannt werden, für sich genommen keine ausreichende Begründung.

80. Diese Tabelle enthielt zwar die Benotung der Kriterien und Unterkriterien in Bezug auf das technische Angebot der Klägerinnen. Da sie jedoch nicht die Benotung des Angebots des Zuschlagsempfängers in Bezug auf diese Kriterien und Unterkriterien enthielt, konnten die Klägerinnen die von der Kommission vorgenommene Benotung ihres Angebots und desjenigen des Zuschlagsempfängers nicht unmittelbar miteinander vergleichen.

81. Darüber hinaus konnten die Klägerinnen den bloßen Benotungen nicht die Gründe entnehmen, aus denen sie vergeben worden waren.

82. Entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung war es den Klägerinnen auch nicht möglich, den im Bewertungsbogen enthaltenen Zuschlagskriterien die Begründung der vergebenen Noten zu entnehmen. Zwar ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und daher ist zu prüfen, ob die Klägerinnen unter Zugrundelegung der Angaben in den Vertragsunterlagen, wie z. B. dem Bewertungsbogen, die Begründung der Noten nachvollziehen konnten. Die Kriterien räumten der Kommission jedoch einen nicht zu vernachlässigenden Wertungsspielraum ein.

83. Wie indessen bereits dargelegt wurde, ist eine Begründung, der die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die der Beurteilung der Kommission zugrunde liegen, zu entnehmen sind, die logische Folge des Wertungsspielraums, der der Kommission bei öffentlichen Ausschreibungen eingeräumt wird. Nur im Licht dieser Umstände sind die Klägerinnen tatsächlich in der Lage, die Gründe zu verstehen, aus denen die Benotungen vergeben wurden. Nur eine solche Begründung erlaubt es den Klägerinnen, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen, sowie dem Gericht, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 92).

84. Angesichts des nicht zu vernachlässigenden Wertungsspielraums, den die im Bewertungsbogen enthaltenen Zuschlagskriterien der Kommission einräumten, konnten die in der Tabelle angeführten Noten für sich genommen als Begründung nicht ausreichen.

85. Sodann ist festzustellen, dass die Anmerkungen der Kommission zum Angebot der Klägerinnen ihre Überlegungen nicht so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Klägerinnen ihnen die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots entnehmen können.

86. Zwar verpflichtet Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung den öffentlichen Auftraggeber nicht zwangsläufig dazu, dem ausgeschlossenen Bieter ein Bewertungsprotokoll zur Verfügung zu stellen oder eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des ausgeschlossenen Bieters anzufertigen. Grundsätzlich ist es nämlich mit Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung vereinbar, dass ein öffentlicher Auftraggeber durch knappe Anmerkungen zum ausgewählten und zum abgelehnten Angebot seiner Begründungspflicht nachkommt (Urteil Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 95). Daher können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, dass sie ihnen auf ihren nach der Haushaltsordnung gestellten Antrag hin nicht das gesamte Bewertungsprotokoll übermittelte (vgl. zur Würdigung des ersten Klagegrundes oben, Randnrn. 39 bis 52).

87. Um den Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung zu genügen, müssen die Anmerkungen des öffentlichen Auftraggebers jedoch so präzise sein, dass die Klägerinnen ihnen die tatsächlichen und rechtlichen Umstände entnehmen können, auf deren Grundlage der öffentliche Auftraggeber ihr Angebot ablehnte und das Angebot eines anderen Bieters auswählte (Urteil Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 96).

88. In der vorliegenden Rechtssache konnten die Klägerinnen den Anmerkungen der Kommission diese Umstände jedoch nicht entnehmen.

89. Erstens bezogen sich die Anmerkungen nämlich nur auf das Angebot der Klägerinnen und nicht auf das Angebot des Zuschlagsempfängers. Zweitens war es den Klägerinnen noch nicht einmal möglich, anhand der Anmerkungen die Benotung ihres Angebots zu verstehen.

90. So ist, was das Kriterium „Hauptexperten“ betrifft, die einzige Anmerkung, welche die Kommission hinsichtlich der Beurteilung des Angebots der Klägerinnen in Bezug auf die drei Hauptexperten verfügbar gemacht hat, nämlich die Anmerkung „gutes allgemeines Profil“, vage und ohne Hinweis auf die unterschiedliche Benotung der einzelnen Experten der Klägerinnen. Hierzu ist festzustellen, dass das Angebot der Klägerinnen zwar in Bezug auf den „Teamleiter“ mit 10,5 von 14 möglichen Punkten benotet wurde, jedoch für den „Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme“ 7,58 von 8 möglichen Punkten und für den „Portal-Experten“ 6,92 von 8 möglichen Punkten erzielt wurden. Anhand der Anmerkung konnten die Klägerinnen daher nicht die Benotung ihres Angebots im Hinblick auf das Kriterium „Hauptexperten“ verstehen.

91. Auch was das Kriterium „Organisation und Methodik“ betrifft, erscheint die Anmerkung „ausführliches Verzeichnis der Aktivitäten und sehr überzeugende Auflistung unterstützender Experten. Sehr wettbewerbsfähige Dienstleistungsvereinbarung“, die sich auf das Unterkriterium „Strategie“ bezieht, sehr positiv. Dagegen enthält die Anmerkung „guter allgemeiner Zeitplan der Aktivitäten“ zum Unterkriterium „Zeitplan der Aktivitäten“ nur eine vage positive Beurteilung. Solchen Anmerkungen können die Klägerinnen nicht entnehmen, warum ihr Angebot beim Unterkriterium „Strategie“ nur 32,33 von 40 möglichen Punkten erreichte, während es beim Unterkriterium „Zeitplan der Aktivitäten“ 19,33 von 20 möglichen Punkten erzielte.

92. Im Übrigen ist die Anmerkung „schwache allgemeine Stellungnahme zu zentralen Problemen, keine gute Definition der Risikoanalyse und ‑begrenzung“ zum Unterkriterium „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“ vage. Insbesondere können die Klägerinnen ihr nicht entnehmen, warum die Kommission die Beschreibung der „zentralen Probleme“ in ihrem Angebot als schwach eingestuft hat. Außerdem konnten die Klägerinnen anhand dieser Anmerkung auch nicht verstehen, inwiefern die „Risikoanalyse und ‑begrenzung“ in ihrem Angebot nicht gut definiert ist.

93. Folglich ist festzustellen, dass die Anmerkungen der Kommission auch in Verbindung mit den in der Tabelle aufgeführten Benotungen keine ausreichende Begründung darstellten.

94. Somit enthielt das Schreiben vom 21. Februar 2012 nicht die Umstände, die für eine ausreichende Begründung des Beschlusses über die Ablehnung des Angebots der Klägerinnen erforderlich waren.

95. Aus alledem folgt, dass die Kommission den angefochtenen Beschluss nicht ausreichend begründet hat.

96. Somit hat die Kommission gegen ihre Begründungspflicht nach Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung verstoßen, und der angefochtene Beschluss ist für nichtig zu erklären

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz des Verbots von Änderungen der Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens

97. Im Rahmen des dritten Klagegrundes, der erstmals in der Erwiderung geltend gemacht worden ist, werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe gegen den allgemeinen Grundsatz, der die Änderung von Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens verbiete, verstoßen, als sie nach der Einreichung der Angebote eine Gewichtung der Unterkriterien zur Auftragsvergabe eingeführt habe und das Angebot der Klägerinnen auf der Grundlage dieser Gewichtung bewertet habe. Die Prüfung dieses neuen Klagegrundes ist ‐ ohne der Beurteilung seiner Zulässigkeit vorzugreifen ‐ verfrüht. Aufgrund der unzureichenden Begründung des angefochtenen Beschlusses konnten die Klägerinnen nämlich ihre Rechte nicht wirksam geltend machen, und das Gericht ist daher nicht in der Lage, endgültig zu entscheiden, ob die Verwendung der fraglichen Gewichtung durch den Bewertungsausschuss eine Auswirkung auf die streitige Ausschreibung haben konnte. Ein etwaiger Nichtigkeitsantrag, der sich auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz des Verbots von Änderungen der Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens stützt, kann daher gegebenenfalls nur im Licht der Begründung des Beschlusses, der den angefochtenen Beschluss ersetzt, geprüft werden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. Oktober 2011, Alfastar Benelux/Rat, T‑57/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 38 bis 41 und 51, und Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 116).

Kosten

98. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

99. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Beschluss CMS/cms D(2012)/00008 der Kommission vom 8. Februar 2012, mit dem das von der European Dynamics Luxembourg SA und der Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE im nichtoffenen Vergabeverfahren EuropeAid/131431/C/SER/AL eingereichte Angebot abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Top

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

13. Dezember 2013 ( *1 )

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge — Ausschreibungsverfahren — Erbringung von unterstützenden Diensten mit dem Ziel der Entwicklung von IT‑Infrastruktur-Diensten und elektronischen Behördendiensten (‚e‑government services‘) in Albanien — Ablehnung des Angebots eines Bieters — Transparenz — Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑165/12

European Dynamics Luxembourg SA mit Sitz in Ettelbrück (Luxemburg),

Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE mit Sitz in Athen (Griechenland),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt V. Christianos,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, Prozessbevollmächtigte: P. van Nuffel und M. Konstantinidis,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses CMS/cms D(2012)/00008 der Kommission vom 8. Februar 2012, mit dem das von den Klägerinnen im nichtoffenen Vergabefahren EuropeAid/131431/C/SER/AL eingereichte Angebot abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters S. Frimodt Nielsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Buttigieg,

Kanzlerin: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2013

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Bei den Klägerinnen, der European Dynamics Luxembourg SA und der Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE, handelt es sich um eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz in Ettelbrück (Luxemburg) und eine Gesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen (Griechenland).

2

Am 11. Mai 2011 wurde in der elektronischen Fassung des Amtsblatts der Europäischen Union (ABl. S 90) eine Vorabinformation zur Ausschreibung EuropeAid/131431/C/SER/AL (im Folgenden: Ausschreibung) veröffentlicht. Am 19. Juli 2011 wurde in der elektronischen Fassung des Amtsblatts der Europäischen Union (ABl. S 136) eine Bekanntmachung der Ausschreibung (im Folgenden: Bekanntmachung) veröffentlicht.

3

Gegenstand der Ausschreibung waren Dienstleistungen zur Unterstützung des albanischen Ministeriums für Innovation und Informations- und Kommunikationstechnologien und der albanischen Nationalen Agentur für die Informationsgesellschaft mit dem Ziel der Entwicklung von IT‑Infrastrukturen und elektronischen Behördendiensten („e-government services“) in Albanien. Für die Ausführung der Aufgaben waren ursprünglich ein Zeitraum von 18 Monaten und ein Höchstbudget von 2400000 Euro vorgesehen.

4

Die Ausschreibung ist Teil des Instruments für Heranführungshilfe, das durch die Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates vom 17. Juli 2006 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (IPA) (ABl. L 210, S. 82) geschaffen wurde und geregelt wird.

5

Das IPA soll mehrere Länder, darunter Albanien, bei der schrittweisen Angleichung an die Standards und die Politik der Europäischen Union sowie den Besitzstand der Union mit Blick auf ihre künftige Mitgliedschaft unterstützen. Diese Unterstützung wird u. a. durch die Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge der Europäischen Kommission geleistet, wobei die erfolgreichen Bieter die Dienstleistungen dem begünstigten Land ‐ im vorliegenden Fall Albanien ‐ erbringen.

6

Öffentlicher Auftraggeber war die Union, vertreten durch die Kommission, im Auftrag und für Rechnung des begünstigten Landes Albanien.

7

Der Auftrag war im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens, das sich aus zwei Phasen ‐ Vorauswahl und Zuschlag ‐ zusammensetzte, auf das wirtschaftlich günstigste Angebot zu vergeben.

8

Für die Vorauswahl wurde interessierten Personen eine Frist bis zum 2. September 2011 gesetzt, innerhalb deren ihre Bewerbungen einschließlich bestimmter Angaben zum Nachweis ihrer finanziellen, technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit betreffend die Durchführung des Auftragsgegenstands einzureichen waren. Nach der Bewertung der Bewerbungen hatte der Bewertungsausschuss eine Liste der in Frage kommenden Bewerber anzufertigen, die sich aus vier bis acht Bewerbern zusammensetzte. Nur diese Bewerber waren von der Kommission zur Teilnahme an der zweiten Phase des Verfahrens, dem Zuschlagsverfahren, einzuladen.

9

Am 30. August 2011 reichten die Klägerinnen in Form eines Konsortiums an der Seite der Performance SA ihre Bewerbungsunterlagen ein, um an der Ausschreibung teilzunehmen.

10

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 teilte die Kommission der European Dynamics Luxembourg als Geschäftsführerin des Konsortiums mit, dass das Angebot des Konsortiums die Phase der Vorauswahl erfolgreich durchlaufen habe. Die Vertragsunterlagen, die den Ablauf des Zuschlagsverfahrens erläuterten, waren dem Schreiben beigefügt.

11

Die Vertragsunterlagen beinhalteten die „Hinweise für Bieter“, den „Entwurf einer vertraglichen Vereinbarung und besondere Bedingungen“ sowie sechs Anlagen mit den Bezeichnungen „Allgemeine Bedingungen für Dienstleistungsverträge“, „Technische Spezifikationen“, „Organisation und Methodik“, „Hauptexperten“, „Budget“ und „Formulare und sonstige relevante Unterlagen“. Die Unterlagen umfassten auch weiteres Informationsmaterial wie den „Bewertungsbogen“, der die Bewertungskriterien beinhaltete, und das Formular, mit dem das Angebot einzureichen war.

12

Gemäß Nr. 12 der Hinweise für Bieter fand die Bewertung der Angebote in zwei aufeinanderfolgenden Phasen statt, und zwar wurde zunächst das technische Angebot und anschließend das finanzielle Angebot bewertet.

13

Die Bewertung des technischen Angebots stützte sich auf den Bewertungsbogen unter Verwendung der Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung. Beim ersten Kriterium „Organisation und Methodik“ konnten 70 Punkte erreicht werden. Es setzte sich aus drei Unterkriterien zusammen: „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“, „Strategie“ und „Zeitplan der Aktivitäten“. Das zweite Kriterium „Hauptexperten“ bezog sich auf die Fähigkeiten von drei Experten mit unterschiedlichen Spezialgebieten. Der erste Experte war der „Teamleiter“, der zweite war „Experte für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme“, und der dritte war „Portal-Experte“. Die maximale Punktzahl, die den einzelnen Experten zugeschrieben werden konnte, gliederte sich folgendermaßen: 14 Punkte für den Teamleiter, acht Punkte für den Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme und acht Punkte für den Portal-Experten, d. h., insgesamt konnten 30 Punkte erzielt werden. Jeder Experte war anhand von drei Unterkriterien zu bewerten: „Qualifikationen und Fähigkeiten“, „Allgemeine Berufserfahrung“ und „Besondere Berufserfahrung“.

14

Die Bewertung des finanziellen Angebots erfolgte unter der Voraussetzung, dass bei der Bewertung des technischen Angebots ein Durchschnittswert von mindestens 80 Punkten erzielt worden war. Mit dem finanziellen Angebot konnten weitere 20 Punkte erreicht werden.

15

Aus Nr. 12 Abs. 4 der Hinweise für Bieter geht hervor, dass das gesamte Bewertungsverfahren vorbehaltlich der Rechtsvorschriften, welche die für den Vertragsschluss zuständige Behörde in Bezug auf den Zugang zu Dokumenten erlässt, vertraulich ist. Die Entscheidungen des Bewertungsausschusses sind kollektive Entscheidungen, seine Beratungen finden in geschlossenen Sitzungen statt, und die Mitglieder des Bewertungsausschusses sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Darüber hinaus bestimmt Nr. 12, dass die Bewertungsprotokolle und insbesondere die schriftlichen Berichte dem Dienstgebrauch vorbehalten sind und weder den Bietern noch einem anderen Beteiligten außer der für den Vertragsschluss zuständigen Behörde, der Kommission, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und dem Rechnungshof der Europäischen Union mitgeteilt werden dürfen.

16

Nach Nr. 8 der Hinweise für Bieter waren die Angebote bis zum 30. November 2011 einzureichen.

17

Die Klägerinnen reichten ihr technisches und ihr finanzielles Angebot fristgerecht ein.

18

Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 teilte die Kommission der European Dynamics Luxembourg als Geschäftsführerin des Konsortiums Folgendes mit:

Das Angebot des Konsortiums sei nicht ausgewählt worden, da es sich nicht um das wirtschaftlich günstigste der formal zulässigen Angebote handle;

der Bewertungsausschuss habe empfohlen, den Auftrag an das Konsortium aus CSI-Piemonte und Infosoft Systems Sha zu vergeben;

das Konsortium habe die Möglichkeit, diesen Beschluss gemäß Ziff. 2.4.15 des Handbuchs der Kommission für Vergabeverfahren im Rahmen von EU‑Außenmaßnahmen (im Folgenden: Handbuch) anzufechten.

19

Das Schreiben enthielt auch eine Tabelle mit der von den Klägerinnen bzw. dem Zuschlagsempfänger erzielten Gesamtnote sowie die Benotung des finanziellen und des technischen Angebots. Zum technischen Angebot führte die Tabelle die Noten auf, welche die Klägerinnen und der Zuschlagsempfänger für die Kriterien „Organisation und Methodik“, „Hauptexperte 1“, „Hauptexperte 2“ und „Hauptexperte 3“ erhalten hatten.

20

Mit Schreiben vom 10. Februar 2012 forderten die Klägerinnen die Kommission auf, ihnen u. a. die folgenden Informationen zu übermitteln:

eine Abschrift des detaillierten Protokolls des Bewertungsausschusses und die Zusammensetzung des Bewertungsausschusses,

die Stärken und Schwächen ihres Angebots im Hinblick auf Organisation und Methodik verglichen mit dem Angebot des Zuschlagsempfängers,

die genauen Noten, die ihr Angebot und das Angebot des Zuschlagsempfängers für jedes der zu bewertenden Unterkriterien in Bezug auf das Kriterium „Organisation und Methodik“ und das Kriterium „Hauptexperten“ erzielt hatten, und die Begründung dieser Noten.

21

Mit Schreiben vom 21. Februar 2012 wies die Kommission darauf hin, dass sie nicht in der Lage sei, weitere Informationen zum Zuschlagsempfänger zu übermitteln, da solche Informationen vertraulich und dem beruflichen Gebrauch vorbehalten seien. Darüber hinaus machte die Kommission in diesem Schreiben darauf aufmerksam, dass das Protokoll des Bewertungsausschusses (im Folgenden: Bewertungsprotokoll) weder den Bietern noch sonstigen Beteiligten, die nicht den vom öffentlichen Auftraggeber, der Kommission oder den Aufsichtsbehörden autorisierten Stellen angehörten, offengelegt werden dürfe. Hierzu verwies die Kommission die Klägerinnen auf Ziff. 3.3.10.5 des Handbuchs. Darüber hinaus erklärte die Kommission unter Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43), dass die Namen der Mitglieder des Bewertungsausschusses aufgrund des Schutzes der Privatsphäre und der Wahrung der Integrität der Personen nicht offengelegt werden könnten.

22

Das Schreiben der Kommission vom 21. Februar 2012 enthielt auch eine Tabelle mit den Durchschnittsnoten, die das technische Angebot der Klägerinnen für die Unterkriterien „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“, „Strategie“ und „Zeitplan der Aktivitäten“, aus denen sich das Kriterium „Organisation und Methodik“ zusammensetzte, und die Unterkriterien „Qualifikationen und Fähigkeiten“, „Allgemeine Berufserfahrung“ und „Besondere Berufserfahrung“, die dem Kriterium „Hauptexperten“ zugeordnet waren, erhalten hatte.

23

Zur Begründung der in der Tabelle aufgeführten Noten führte die Kommission in dem Schreiben aus, die drei Unterkriterien, aus denen sich das Kriterium „Organisation und Methodik“ zusammensetzte, seien folgendermaßen bewertet worden:

Begründete Analyse der Auftragsdurchführung: „schwache allgemeine Stellungnahme zu zentralen Problemen, keine gute Definition der Risikoanalyse und ‑begrenzung“;

Strategie: „ausführliches Verzeichnis der Aktivitäten und sehr überzeugende Auflistung unterstützender Experten. Sehr wettbewerbsfähige Dienstleistungsvereinbarung“;

Zeitplan der Aktivitäten: „guter allgemeiner Zeitplan der Aktivitäten“.

24

Zur Begründung der Benotung der Experten führte die Kommission aus: „Erfahrung, Bildungsstand und Sprachkenntnisse Ihres Teamleiters, des Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme und des Portal-Experten wurden folgendermaßen bewertet: ‚gutes allgemeines Profil‘“.

25

Am 21. März 2012 richteten die Klägerinnen einen Zweitantrag im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 an die Kommission, der darauf gerichtet war, dass die Kommission ihnen die Zusammensetzung des Bewertungsausschusses sowie eine Abschrift des detaillierten Protokolls des Bewertungsausschusses einschließlich der vergleichenden Benotung der Klägerinnen und des Zuschlagsempfängers für jedes Bewertungskriterium übermittle.

Verfahren und Anträge der Parteien

26

Mit Klageschrift, die am 11. April 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

27

Mit Schriftsatz, der am 19. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht.

28

Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat die Kommission mit Schreiben vom 25. Juli 2012 dem Zweitantrag der Klägerinnen auf Zugang zu den Dokumenten teilweise entsprochen. So hat die Kommission den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll sowie sieben weitere Dokumente, die dem Protokoll beigefügt waren, übermittelt. Bei den sieben Anhängen handelte es sich um die Anwesenheitslisten, das Protokoll der vorbereitenden Sitzung des Bewertungsausschusses, das Protokoll der Angebotseröffnung, den Bewertungsbogen, die Anmerkungen zu jedem Angebot, den Schriftwechsel mit den Bietern und den Prüfbogen für die Einhaltung der formellen Voraussetzungen. Die Kommission hat jedoch darauf hingewiesen, dass sie zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmte Informationen aus sämtlichen in Rede stehenden Dokumenten gelöscht habe. Darüber hinaus hat die Kommission erklärt, sie habe weitere Informationen aus dem Bewertungsprotokoll, dem Protokoll der Angebotseröffnung, dem Bewertungsbogen, den Anmerkungen zu jedem Angebot sowie dem Schriftwechsel mit den Bietern zum Schutz der geschäftlichen Interessen gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 gelöscht.

29

Die Klägerinnen und die Kommission haben am 20. August bzw. am 12. Oktober 2012 die Erwiderung und die Gegenerwiderung eingereicht.

30

Die Klägerinnen beantragen,

den Beschluss, mit dem die Kommission das Angebot der Klägerinnen im Rahmen der streitigen Ausschreibung abgelehnt hat, für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

31

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

32

Zur Begründung ihrer Klage führen die Klägerinnen drei Klagegründe an. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend gemacht, da die Kommission den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll, auf das der angefochtene Beschluss gestützt sei, nicht zugänglich gemacht habe. Der zweite Klagegrund stützt sich auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht in Bezug auf erstens die Benotung des Angebots der Klägerinnen bzw. des Angebots des Zuschlagsempfängers und zweitens die Merkmale und Vorteile des Angebots des Zuschlagsempfängers. Mit dem dritten Klagegrund wird im Wesentlichen geltend gemacht, es sei gegen den allgemeinen Grundsatz, der Änderungen der Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens untersage, verstoßen worden, da aus dem am 25. Juli 2012 von der Kommission übermittelten Bewertungsprotokoll hervorgehe, dass sie das Angebot der Klägerinnen unter Zugrundelegung von Unterkriterien bewertet habe, die in den Vertragsunterlagen nicht vorgesehen seien.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen das Transparenzgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

33

Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen, wobei mit dem ersten ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und mit dem zweiten ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird.

Zum Verstoß gegen das Transparenzgebot

34

Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe das in den Art. 15 AEUV und 298 AEUV sowie in Art. 89 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) genannte Transparenzgebot verletzt, als sie es abgelehnt habe, den Klägerinnen mit Schreiben vom 21. Februar 2012 eine Abschrift des Bewertungsprotokolls zukommen zu lassen. Diese Weigerung sei weder durch die Bestimmungen des Handbuchs noch durch die Vorschriften der Haushaltsordnung und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 357, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung) noch durch die Hinweise für Bieter gerechtfertigt.

35

In diesem Zusammenhang machen die Klägerinnen zunächst geltend, Ziff. 3.3.10.5 des Handbuchs, wonach das Bewertungsprotokoll weder den Bietern noch sonstigen Beteiligten, die nicht den vom öffentlichen Auftraggeber, der Kommission oder den Aufsichtsbehörden autorisierten Stellen angehörten, übermittelt werden dürfe, sei rein informativer Natur.

36

Außerdem enthielten Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 Abs. 3 der Durchführungsverordnung keine abschließende Aufzählung der den Bietern mitzuteilenden Elemente. Daher könne die Kommission ihre Weigerung, den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll zu übermitteln, nicht mit diesen Bestimmungen rechtfertigen. Jedenfalls erlaubten diese Vorschriften der Kommission nicht, von einem Grundsatz primärrechtlichen Rangs ‐ wie dem Transparenzgebot ‐ abzuweichen.

37

Schließlich sei die Weigerung der Kommission, den Klägerinnen das Bewertungsprotokoll zu übermitteln, nicht durch Nr. 12.4 der Hinweise für Bieter gerechtfertigt. Diese Bestimmung sei nämlich widersprüchlich, da sie die Übermittlung des Bewertungsprotokolls an Bieter untersage und gleichzeitig das Bewertungsverfahren den Rechtsvorschriften über den Zugang zu Dokumenten unterwerfe, worin eine Konkretisierung des Transparenzgebots liege.

38

Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

39

Vorab ist festzustellen, dass der erste Klagegrund sich nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1049/2001 bezieht, deren Art. 8 bestimmt, unter welchen Umständen eine juristische Person mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Klage gegen das Organ erheben kann, das ihm den nach der Verordnung Nr. 1049/2001 beantragten Zugang zu einem Dokument verweigert, sondern nur auf die Frage gerichtet ist, ob im Rahmen des Verfahrens zur Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags die unterbliebene Übermittlung einer Abschrift des Bewertungsprotokolls an die Klägerinnen einen Verstoß gegen die von ihnen geltend gemachten Bestimmungen darstellt, d. h. die Art. 15 AEUV und 298 AEUV sowie Art. 89 Abs. 1 der Haushaltsordnung. Da die von den Klägerinnen erhobenen Rügen bezüglich der unterbliebenen Übermittlung des Bewertungsprotokolls jedoch auch so ausgelegt werden können, dass sie in Wirklichkeit auf eine unzureichende Begründung abzielen, werden sie im Rahmen des zweiten Klagegrundes geprüft.

40

Jedenfalls ist das Argument der Kommission, wonach den Klägerinnen eine Abschrift des Bewertungsprotokolls am 27. Juli 2012 nach ihrem gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellten Zweitantrag übermittelt worden sei, vorab zurückzuweisen.

41

Wie aus dem Schreiben der Klägerinnen vom 10. Februar 2012 nach der Mitteilung des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, ersuchten die Klägerinnen die Kommission, ihnen auf der Grundlage der Bestimmungen über die öffentlichen Aufträge der Union das Bewertungsprotokoll zu übermitteln, was die Kommission, wie aus ihrem Schreiben vom 21. Februar 2012 hervorgeht, ablehnte.

42

Wie darüber hinaus aus dem Schreiben der Kommission vom 25. Juli 2012 hervorgeht, übersandte diese den Klägerinnen eine Fassung des Bewertungsprotokolls, aus der einige von ihr als vertraulich bezeichnete Informationen gelöscht worden waren, in Beantwortung der Zweitanträge auf Zugang zu den Dokumenten, welche die Klägerinnen am 21. März und am 25. April 2012 auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellt hatten.

43

Angesichts des eigenständigen Charakters der Verfahren, die in der Verordnung Nr. 1049/2001 für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten vorgesehen sind, gegenüber den Verfahren, die in der Haushaltsordnung für den Bereich der öffentlichen Aufträge vorgesehen sind, hat jedoch der Umstand, dass die Kommission in der vorliegenden Rechtssache dem Antrag der Klägerinnen auf Zugang zum Bewertungsprotokoll entsprach, keine Auswirkung auf die etwaige Feststellung eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot wegen unterbliebener Übermittlung des Protokolls im Rahmen des fraglichen Ausschreibungsverfahrens.

44

In Bezug auf einen solchen Verstoß sieht Art. 89 Abs. 1 der Haushaltsordnung vor: „Für öffentliche Aufträge, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt [der Union] finanziert werden, gelten die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.“

45

Daher ist der öffentliche Auftraggeber nach ständiger Rechtsprechung in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens zur Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und damit der Chancengleichheit aller Bieter verpflichtet (Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Kommission/CAS Succhi di Frutta, C-496/99 P, Slg. 2004, I-3801, Randnr. 108; Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1998, Embassy Limousines & Services/Parlament, T-203/96, Slg. 1998, II-4239, Randnr. 85, und vom 17. März 2005, AFCon Management Consultants u. a./Kommission, T-160/03, Slg. 2005, II-981, Randnr. 75).

46

Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen den sich um einen öffentlichen Auftrag bewerbenden Unternehmen fördern soll, gebietet, dass alle Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2001, SIAC Construction, C-19/00, Slg. 2001, I-7725, Randnr. 34, und vom 12. Dezember 2002, Universale‑Bau u. a., C-470/99, Slg. 2002, I-11617, Randnr. 93).

47

Ferner ist der Rechtsprechung zu entnehmen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung eine Verpflichtung zur Transparenz einschließt, die es ermöglichen soll, seine Beachtung zu überprüfen (Urteile des Gerichtshofs vom 18. Juni 2002, HI, C-92/00, Slg. 2002, I-5553, Randnr. 45, und Universale‑Bau u. a., oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 91).

48

Dieser Grundsatz der Transparenz soll im Wesentlichen die Gefahr der Günstlingswirtschaft oder willkürlicher Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers ausschließen. Er verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind (Urteil Kommission/CAS Succhi di Frutta, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 111).

49

Der Grundsatz der Transparenz bedeutet daher, dass alle für das richtige Verständnis der Ausschreibung oder der Verdingungsunterlagen maßgeblichen technischen Informationen allen an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligten Unternehmen so bald wie möglich zur Verfügung gestellt werden, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber überprüfen kann, ob die Angebote der Bieter tatsächlich die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T-50/05, Slg. 2010, II-1071, Randnr. 59).

50

Wie jedoch aus Art. 147 der Durchführungsverordnung hervorgeht, besteht das Ziel des Bewertungsprotokolls nicht darin, alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens darzulegen, sondern darin, das Ergebnis der vom Bewertungsausschuss vorgenommenen Bewertung zu präsentieren und hierzu vor allem die Namen der ausgeschlossenen Bieter und die Gründe für den Ausschluss ihres Angebots sowie den Namen des ausgewählten Auftragnehmers und die Gründe für die Wahl aufzuführen. Die endgültige Entscheidung über die Vergabe des Auftrags wird anschließend gemäß Art. 147 Abs. 3 der Durchführungsverordnung vom öffentlichen Auftraggeber getroffen und muss den Begründungsanforderungen der Unionsrechtsordnung genügen.

51

Im vorliegenden Fall hat daher die Weigerung der Kommission, das Bewertungsprotokoll während des vorprozessualen Verfahrens zu übermitteln, nicht zu einer Chancenungleichheit ‐ die im Licht der oben in den Randnrn. 45 bis 49 dargelegten Rechtsprechung einen Verstoß gegen das Transparenzgebot darstellen würde ‐ zwischen den Klägerinnen und den anderen Bietern bei der Abfassung der Angebote geführt.

52

Nach dem Vorstehenden ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

53

Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die vollständige und absolute Weigerung der Kommission, auch nur irgendein Element des Bewertungsprotokolls zu übermitteln, stelle auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar.

54

Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

55

Hierzu ist vorab festzustellen, dass die Klägerinnen diesen Teil des ersten Klagegrundes erstmals in ihrer Erwiderung geltend gemacht haben und er daher als neu und somit unzulässig gemäß Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts anzusehen ist, da die Klägerinnen die verspätete Geltendmachung nicht mit rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, gerechtfertigt haben.

56

Somit ist der erste Klagegrund als teilweise unbegründet und teilweise unzulässig zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

57

Die Klägerinnen rügen im Wesentlichen, dass die Kommission ihnen erstens die Benotung des technischen Angebots des Zuschlagsempfängers im Hinblick auf jedes im Bewertungsbogen aufgeführte Unterkriterium (vgl. oben, Randnr. 13) sowie die Begründung dieser Benotung und zweitens die Begründung der Benotung ihres eigenen technischen Angebots im Hinblick auf die mit dem zweiten Bewertungskriterium „Hauptexperten“ verknüpften neun Unterkriterien nicht mitgeteilt habe. Die Kommission habe insofern gegen ihre Verpflichtung, einem abgelehnten Bieter auf dessen schriftlichen Antrag die Merkmale und Vorteile des Angebots, das den Zuschlag erhalten habe, zu übermitteln, und folglich gegen die Verpflichtung, den angefochtenen Beschluss zu begründen, verstoßen.

58

Nach Auffassung der Kommission ist der angefochtene Beschluss im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 Abs. 3 der Durchführungsverordnung ausreichend begründet.

59

Da die Klägerinnen mit den Rügen, die sie im Rahmen des ersten Klagegrundes vortragen, geltend machen, die Kommission sei verpflichtet gewesen, ihnen das Bewertungsprotokoll mitzuteilen, ist vorab festzustellen, dass die einzige Verpflichtung, die der Kommission im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge obliegt, darin besteht, den Bietern, die einen entsprechenden Antrag stellen, in Form des Bewertungsprotokolls oder eines sonstigen Dokuments die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie den Namen des Auftragnehmers mitzuteilen.

60

Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission, ebenso wie die anderen Organe, bei der Beurteilung der Umstände, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags im Wege der Ausschreibung zu berücksichtigen sind, über einen weiten Spielraum verfügt. Die gerichtliche Kontrolle hinsichtlich der Ausübung dieses Ermessens ist daher auf die Prüfung beschränkt, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2005, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, T-148/04, Slg. 2005, II-2627, Randnr. 47; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 1978, Agence européenne d‘intérims/Kommission, 56/77, Slg. 1978, 2215, Randnr. 20).

61

Zudem kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, in den Fällen, in denen einem Organ ein weites Ermessen eingeräumt ist, eine besonders fundamentale Bedeutung zu. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, seine Entscheidungen hinreichend zu begründen. Nur so ist der Unionsrichter in der Lage, zu überprüfen, ob die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben (Urteil des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C-269/90, Slg. 1991, I-5469, Randnr. 14, und Urteil des Gerichts vom 9. September 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑387/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31).

62

Für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ist die Begründungspflicht in Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 der Durchführungsverordnung konkretisiert, und daraus geht hervor, dass der öffentliche Auftraggeber seiner Begründungspflicht genügt, wenn er zunächst die unterlegenen Bieter unverzüglich über die Ablehnung ihres Angebots unterrichtet und anschließend den Bietern, die dies ausdrücklich beantragen, innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab Eingang des schriftlichen Antrags die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie den Namen des erfolgreichen Bieters mitteilt (Urteil des Gerichts vom 17. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, T‑447/10, Randnr. 71).

63

Ein solches Vorgehen entspricht dem Zweck der in Art. 296 AEUV verankerten Begründungspflicht, wonach die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass zum einen die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können, um ihre Rechte geltend zu machen, und zum anderen das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1995, Koyo Seiko/Rat, T-166/94, Slg. 1995, II-2129, Randnr. 103, und vom 19. März 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 134).

64

Außerdem ist hervorzuheben, dass das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen ist, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink‘s France, C-367/95 P, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65

Die Frage, ob der Begründungspflicht genügt wurde, ist aufgrund der Informationen zu beurteilen, die die Klägerin bei der Klageerhebung besaß (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. Februar 2003, Strabag Benelux/Rat, T-183/00, Slg. 2003, II-135, Randnr. 58).

66

Im Licht der genannten Grundsätze ist zu prüfen, ob die Kommission die Begründungspflicht verletzt hat. Für die Feststellung, ob in der vorliegenden Rechtssache den Anforderungen der in der Haushaltsordnung und der Durchführungsverordnung vorgesehenen Begründungspflicht genügt wurde, sind die Schreiben der Kommission vom 8. Februar 2012 und vom 21. Februar 2012, die sie an die Klägerinnen richtete, nachdem diese ergänzende Informationen über die Ablehnung ihres Angebots beantragt hatten, zu untersuchen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission klar dargelegt, dass erstens das Schreiben vom 21. Februar 2012 eine Begründung enthalten habe, die den in der Haushaltsordnung und der Durchführungsverordnung festgelegten Verpflichtungen genüge, und zweitens das Bewertungsprotokoll, das sie den Klägerinnen zur Verfügung gestellt habe, nicht Teil der Begründung des angefochtenen Beschlusses sei. Außerdem wurde das Bewertungsprotokoll den Klägerinnen erstmals am 25. Juli 2012 übermittelt. Angesichts des oben in Randnr. 65 dargelegten Grundsatzes kann daher dieses Dokument, das erstmals während des Gerichtsverfahrens bereitgestellt wurde, bei der Beurteilung der Frage, ob die Begründung ausreichte, nicht berücksichtigt werden.

Zum Schreiben vom 8. Februar 2012

67

In der vorliegenden Rechtssache setzte die Kommission die Klägerinnen mit Schreiben vom 8. Februar 2012 davon in Kenntnis, dass erstens ihr Angebot nicht ausgewählt worden sei, da es sich nicht um das wirtschaftlich günstigste der formal zulässigen Angebote handle, zweitens der Bewertungsausschuss empfohlen habe, den Auftrag einem aus zwei anderen, von ihr namentlich benannten Bietern bestehenden Konsortium zu erteilen, und drittens die Klägerinnen diesen Beschluss nach Ziff. 2.4.15 des Handbuchs anfechten könnten.

68

Das Schreiben enthielt darüber hinaus die folgende Tabelle:

Organisation und MethodikHaupt-experte 1Haupt-experte 2Haupt-experte 3Punktzahl technisches Angebot x 0.80Punktzahl finanzielles Angebot x 0.20Gesamt-punkt-zahlIhr Angebot58,3310,507,586,9273,6618,7692,43Ausgewählter Bieter65,8312,836,675,1780,0019,7199,71

69

Das Schreiben wurde gemäß den Bestimmungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung verfasst. Diese Vorschrift sieht jedoch außerdem vor, dass der öffentliche Auftraggeber die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots allen Bietern mitteilt, die ein anforderungsgemäßes Angebot eingereicht und schriftlich um eine entsprechende Mitteilung ersucht haben.

Zum Schreiben vom 21. Februar 2012

70

Nach dem Antrag der Klägerinnen vom 10. Februar 2012, der u. a. darauf gerichtet war, die Stärken und Schwächen ihres Angebots gegenüber dem Angebot des Zuschlagsempfängers im Hinblick auf Organisation und Methodik sowie die genauen Noten, die ihr Angebot und das Angebot des Zuschlagsempfängers für jedes der zu bewertenden Unterkriterien in Bezug auf das Kriterium „Organisation und Methodik“ und das Kriterium „Hauptexperten“ erzielt hatten, und die Begründung dieser Noten mitgeteilt zu bekommen, übersandte die Kommission den Klägerinnen am 21. Februar 2012 ein zweites Schreiben.

71

Zu diesem Schreiben ist erstens festzustellen, dass die Kommission dem schriftlichen Antrag der Klägerinnen vom 10. Februar 2012 innerhalb der in Art. 149 Abs. 2 der Durchführungsverordnung vorgesehenen Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang des Antrags nachkam.

72

Zweitens ist zu untersuchen, ob das Schreiben vom 21. Februar 2012 eine Beschreibung der Merkmale und Vorteile der ausgewählten Angebote beinhaltete, die den Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung genügt.

73

Das Schreiben enthielt die folgende Tabelle:

 

Höchstwert

Mittelwert

Organisation und

Methodik

 

 

Begründete Analyse der Auftragsdurchführung

10

6,67

Strategie

40

32,33

Zeitplan der Aktivitäten

20

19,33

Gesamtpunktzahl für Organisation und Methodik

70

58,33

Hauptexperten

 

 

Teamleiter

bis zu 14 Punkten (max. 14 Punkte)

 

Qualifikationen und Fähigkeiten

2

1,67

Allgemeine Berufserfahrung

6

5,00

Besondere Berufserfahrung

6

3,83

 

 

10,50

Experte für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme

(max. 8 Punkte)

 

Qualifikationen und Fähigkeiten

2

1,83

Allgemeine Berufserfahrung

2

1,92

Besondere Berufserfahrung

4

3,83

 

 

7,58

Portal-Experte

(max. 8 Punkte)

 

Qualifikationen und Fähigkeiten

2

1,67

Allgemeine Berufserfahrung

2

1,75

Besondere Berufserfahrung

4

3,50

 

 

6,92

Gesamtpunktzahl

100

83,33

74

In diesem Schreiben wies die Kommission die Klägerinnen darauf hin, dass die Dienstleistungsverträge im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens auf der Grundlage von Kriterien, die auf dem Grundsatz des wirtschaftlich günstigsten Angebots basierten, vergeben würden und sich die Kriterien sowohl auf die technische Qualität als auch auf den finanziellen Aspekt des Angebots bezögen. Darüber hinaus erläuterte die Kommission, dass die Gesamtnote, die das Angebot der Klägerinnen erzielt habe, sehr hoch sei, ihr Angebot jedoch nicht das wirtschaftlich günstigste der formal zulässigen Angebote darstelle. Des Weiteren wies die Kommission die Klägerinnen darauf hin, dass sie nicht in der Lage sei, ihnen die Informationen zu übermitteln, die sie mit Schreiben vom 10. Februar 2012 in Bezug auf das Angebot des Zuschlagsempfängers erbeten hätten, da diese Informationen vertraulich und dem Dienstgebrauch vorbehalten seien.

75

Ferner teilte die Kommission die Anmerkungen mit, die der Beurteilung des technischen Angebots der Klägerinnen durch den Bewertungsausschuss entsprachen.

76

Was erstens das Kriterium „Organisation und Methodik“ betrifft, stellte die Kommission den Klägerinnen die Beurteilung ihres Angebots in Bezug auf jedes Unterkriterium zur Verfügung. So gab die Kommission zum Unterkriterium „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“ die folgende Beurteilung an: „schwache allgemeine Stellungnahme zu zentralen Problemen, keine gute Definition der Risikoanalyse und ‑begrenzung“. Als Beurteilung des Unterkriteriums „Strategie“ führte die Kommission aus: „ausführliches Verzeichnis der Aktivitäten und sehr überzeugende Auflistung unterstützender Experten. Sehr wettbewerbsfähige Dienstleistungsvereinbarung“. Für das Unterkriterium „Zeitplan der Aktivitäten“ gab die Kommission lediglich an: „guter allgemeiner Zeitplan der Aktivitäten“.

77

Was zweitens das Kriterium „Hauptexperten“ betrifft, führte die Kommission als Beurteilung des Angebots der Klägerinnen an: „Die Erfahrung, der Bildungsstand und die Sprachkenntnisse Ihres Teamleiters, des Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme und des Portal-Experten wurden folgendermaßen bewertet: ‚gutes allgemeines Profil‘“.

78

Die Begründung, die im Schreiben vom 21. Februar 2012 gegeben wird, hält den Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung nicht stand.

79

Zunächst einmal sind ‐ entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung ‐ die Noten, die in der oben in Randnr. 73 angeführten Tabelle genannt werden, für sich genommen keine ausreichende Begründung.

80

Diese Tabelle enthielt zwar die Benotung der Kriterien und Unterkriterien in Bezug auf das technische Angebot der Klägerinnen. Da sie jedoch nicht die Benotung des Angebots des Zuschlagsempfängers in Bezug auf diese Kriterien und Unterkriterien enthielt, konnten die Klägerinnen die von der Kommission vorgenommene Benotung ihres Angebots und desjenigen des Zuschlagsempfängers nicht unmittelbar miteinander vergleichen.

81

Darüber hinaus konnten die Klägerinnen den bloßen Benotungen nicht die Gründe entnehmen, aus denen sie vergeben worden waren.

82

Entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung war es den Klägerinnen auch nicht möglich, den im Bewertungsbogen enthaltenen Zuschlagskriterien die Begründung der vergebenen Noten zu entnehmen. Zwar ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und daher ist zu prüfen, ob die Klägerinnen unter Zugrundelegung der Angaben in den Vertragsunterlagen, wie z. B. dem Bewertungsbogen, die Begründung der Noten nachvollziehen konnten. Die Kriterien räumten der Kommission jedoch einen nicht zu vernachlässigenden Wertungsspielraum ein.

83

Wie indessen bereits dargelegt wurde, ist eine Begründung, der die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die der Beurteilung der Kommission zugrunde liegen, zu entnehmen sind, die logische Folge des Wertungsspielraums, der der Kommission bei öffentlichen Ausschreibungen eingeräumt wird. Nur im Licht dieser Umstände sind die Klägerinnen tatsächlich in der Lage, die Gründe zu verstehen, aus denen die Benotungen vergeben wurden. Nur eine solche Begründung erlaubt es den Klägerinnen, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen, sowie dem Gericht, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 92).

84

Angesichts des nicht zu vernachlässigenden Wertungsspielraums, den die im Bewertungsbogen enthaltenen Zuschlagskriterien der Kommission einräumten, konnten die in der Tabelle angeführten Noten für sich genommen als Begründung nicht ausreichen.

85

Sodann ist festzustellen, dass die Anmerkungen der Kommission zum Angebot der Klägerinnen ihre Überlegungen nicht so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Klägerinnen ihnen die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots entnehmen können.

86

Zwar verpflichtet Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung den öffentlichen Auftraggeber nicht zwangsläufig dazu, dem ausgeschlossenen Bieter ein Bewertungsprotokoll zur Verfügung zu stellen oder eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des ausgeschlossenen Bieters anzufertigen. Grundsätzlich ist es nämlich mit Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung vereinbar, dass ein öffentlicher Auftraggeber durch knappe Anmerkungen zum ausgewählten und zum abgelehnten Angebot seiner Begründungspflicht nachkommt (Urteil Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 95). Daher können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, dass sie ihnen auf ihren nach der Haushaltsordnung gestellten Antrag hin nicht das gesamte Bewertungsprotokoll übermittelte (vgl. zur Würdigung des ersten Klagegrundes oben, Randnrn. 39 bis 52).

87

Um den Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung zu genügen, müssen die Anmerkungen des öffentlichen Auftraggebers jedoch so präzise sein, dass die Klägerinnen ihnen die tatsächlichen und rechtlichen Umstände entnehmen können, auf deren Grundlage der öffentliche Auftraggeber ihr Angebot ablehnte und das Angebot eines anderen Bieters auswählte (Urteil Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 96).

88

In der vorliegenden Rechtssache konnten die Klägerinnen den Anmerkungen der Kommission diese Umstände jedoch nicht entnehmen.

89

Erstens bezogen sich die Anmerkungen nämlich nur auf das Angebot der Klägerinnen und nicht auf das Angebot des Zuschlagsempfängers. Zweitens war es den Klägerinnen noch nicht einmal möglich, anhand der Anmerkungen die Benotung ihres Angebots zu verstehen.

90

So ist, was das Kriterium „Hauptexperten“ betrifft, die einzige Anmerkung, welche die Kommission hinsichtlich der Beurteilung des Angebots der Klägerinnen in Bezug auf die drei Hauptexperten verfügbar gemacht hat, nämlich die Anmerkung „gutes allgemeines Profil“, vage und ohne Hinweis auf die unterschiedliche Benotung der einzelnen Experten der Klägerinnen. Hierzu ist festzustellen, dass das Angebot der Klägerinnen zwar in Bezug auf den „Teamleiter“ mit 10,5 von 14 möglichen Punkten benotet wurde, jedoch für den „Experten für elektronische Dokumente und elektronische Archivierungssysteme“ 7,58 von 8 möglichen Punkten und für den „Portal-Experten“ 6,92 von 8 möglichen Punkten erzielt wurden. Anhand der Anmerkung konnten die Klägerinnen daher nicht die Benotung ihres Angebots im Hinblick auf das Kriterium „Hauptexperten“ verstehen.

91

Auch was das Kriterium „Organisation und Methodik“ betrifft, erscheint die Anmerkung „ausführliches Verzeichnis der Aktivitäten und sehr überzeugende Auflistung unterstützender Experten. Sehr wettbewerbsfähige Dienstleistungsvereinbarung“, die sich auf das Unterkriterium „Strategie“ bezieht, sehr positiv. Dagegen enthält die Anmerkung „guter allgemeiner Zeitplan der Aktivitäten“ zum Unterkriterium „Zeitplan der Aktivitäten“ nur eine vage positive Beurteilung. Solchen Anmerkungen können die Klägerinnen nicht entnehmen, warum ihr Angebot beim Unterkriterium „Strategie“ nur 32,33 von 40 möglichen Punkten erreichte, während es beim Unterkriterium „Zeitplan der Aktivitäten“ 19,33 von 20 möglichen Punkten erzielte.

92

Im Übrigen ist die Anmerkung „schwache allgemeine Stellungnahme zu zentralen Problemen, keine gute Definition der Risikoanalyse und ‑begrenzung“ zum Unterkriterium „Begründete Analyse der Auftragsdurchführung“ vage. Insbesondere können die Klägerinnen ihr nicht entnehmen, warum die Kommission die Beschreibung der „zentralen Probleme“ in ihrem Angebot als schwach eingestuft hat. Außerdem konnten die Klägerinnen anhand dieser Anmerkung auch nicht verstehen, inwiefern die „Risikoanalyse und ‑begrenzung“ in ihrem Angebot nicht gut definiert ist.

93

Folglich ist festzustellen, dass die Anmerkungen der Kommission auch in Verbindung mit den in der Tabelle aufgeführten Benotungen keine ausreichende Begründung darstellten.

94

Somit enthielt das Schreiben vom 21. Februar 2012 nicht die Umstände, die für eine ausreichende Begründung des Beschlusses über die Ablehnung des Angebots der Klägerinnen erforderlich waren.

95

Aus alledem folgt, dass die Kommission den angefochtenen Beschluss nicht ausreichend begründet hat.

96

Somit hat die Kommission gegen ihre Begründungspflicht nach Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung verstoßen, und der angefochtene Beschluss ist für nichtig zu erklären

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz des Verbots von Änderungen der Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens

97

Im Rahmen des dritten Klagegrundes, der erstmals in der Erwiderung geltend gemacht worden ist, werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe gegen den allgemeinen Grundsatz, der die Änderung von Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens verbiete, verstoßen, als sie nach der Einreichung der Angebote eine Gewichtung der Unterkriterien zur Auftragsvergabe eingeführt habe und das Angebot der Klägerinnen auf der Grundlage dieser Gewichtung bewertet habe. Die Prüfung dieses neuen Klagegrundes ist ‐ ohne der Beurteilung seiner Zulässigkeit vorzugreifen ‐ verfrüht. Aufgrund der unzureichenden Begründung des angefochtenen Beschlusses konnten die Klägerinnen nämlich ihre Rechte nicht wirksam geltend machen, und das Gericht ist daher nicht in der Lage, endgültig zu entscheiden, ob die Verwendung der fraglichen Gewichtung durch den Bewertungsausschuss eine Auswirkung auf die streitige Ausschreibung haben konnte. Ein etwaiger Nichtigkeitsantrag, der sich auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz des Verbots von Änderungen der Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens stützt, kann daher gegebenenfalls nur im Licht der Begründung des Beschlusses, der den angefochtenen Beschluss ersetzt, geprüft werden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. Oktober 2011, Alfastar Benelux/Rat, T‑57/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 38 bis 41 und 51, und Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 116).

Kosten

98

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

99

Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss CMS/cms D(2012)/00008 der Kommission vom 8. Februar 2012, mit dem das von der European Dynamics Luxembourg SA und der Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE im nichtoffenen Vergabeverfahren EuropeAid/131431/C/SER/AL eingereichte Angebot abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Frimodt Nielsen

Kancheva

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2013.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Griechisch.

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