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Document 62010CC0162

    Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29. Juni 2011.
    Phonographic Performance (Ireland) Limited gegen Irland und Attorney General.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court (Commercial Division) - Irland.
    Urheberrecht und verwandte Schutzrechte - Richtlinie 2006/115/EG - Art. 8 und 10 - Begriffe ‚Nutzer‘ und ‚öffentliche Wiedergabe‘ - Ausstrahlung von Tonträgern über in Hotelzimmern aufgestellte Fernseh- und/oder Radiogeräte.
    Rechtssache C-162/10.

    Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:432

    SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    VERICA TRSTENJAK

    vom 29. Juni 2011 ( 1 )

    Rechtssache C-162/10

    Phonographic Performance (Ireland) Ltd

    gegen

    Irland u. a.

    (Vorabentscheidungsersuchen des High Court [Commercial Division] [Irland])

    „Urheberrechte und verwandte Schutzrechte — Richtlinien 92/100/EWG und 2006/115/EG — Rechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller — Art. 8 Abs. 2 — Öffentliche Wiedergabe — Öffentliche mittelbare Wiedergabe von Tonträgern im Rahmen von Sendungen, die über Radio- und Fernsehapparate in Hotelzimmern empfangen werden — Öffentliche Wiedergabe durch Zurverfügungstellen von Abspielgeräten und Tonträgern auf Hotelzimmern — Nutzer — Angemessene Vergütung — Art. 10 Abs. 1 Buchst. a — Beschränkung der Rechte — Private Nutzung“

    Inhaltsverzeichnis

     

    I – Einleitung

     

    II – Anwendbares Recht

     

    A – Völkerrecht

     

    1. Das Rom-Abkommen

     

    2. Das WPPT

     

    B – Unionsrecht

     

    1. Die Richtlinie 92/100

     

    2. Die Richtlinie 2006/115

     

    3. Richtlinie 2001/29

     

    C – Nationales Recht

     

    III – Sachverhalt

     

    IV – Verfahren vor dem nationalen Gericht und Vorlagefragen

     

    V – Verfahren vor dem Gerichtshof

     

    VI – Vorbemerkungen

     

    VII – Zur ersten und zweiten Vorlagefrage

     

    A – Wesentliches Vorbringen der Parteien

     

    B – Rechtliche Würdigung

     

    1. Zur Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29

     

    2. Zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115

     

    a) Autonome Begriffe des Unionsrechts

     

    b) Völkerrechtlicher und unionsrechtlicher Kontext

     

    c) Zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe

     

    i) Zum Begriff der Wiedergabe

     

    ii) Zum Begriff der Öffentlichkeit

     

    iii) Ergebnis

     

    d) Zum Begriff des Nutzers

     

    e) Zur Verpflichtung zur Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung

     

    i) Zur Bedeutung der Worte „oder“ und „einzige“

     

    ii) Zur Angemessenheit einer weiteren Zahlung

     

    iii) Zum Ermessen der Mitgliedstaaten

     

    iv) Zu den Auswirkungen einer Rundfunkgebühr

     

    v) Ergebnis

     

    3. Ergebnis

     

    VIII – Zur dritten Vorlagefrage

     

    A – Wesentliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

     

    B – Rechtliche Würdigung

     

    IX – Zur vierten Vorlagefrage

     

    A – Wesentliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

     

    B – Rechtliche Würdigung

     

    1. Zum Begriff der Wiedergabe

     

    2. Zum Begriff der Öffentlichkeit

     

    3. Zum Begriff des Nutzers

     

    4. Ergebnis

     

    X – Zur fünften Vorlagefrage

     

    A – Wesentliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

     

    B – Rechtliche Würdigung

     

    XI – Ergebnis

    I – Einleitung

    1.

    Wie die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg letztendlich zu einem urheberrechtlichen Schutz von schriftlichen Werken geführt hat, hat die Erfindung des Phonographen durch Edison nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechtsschutzes von musikalischen Werken gestärkt, sondern auch der Einführung von verwandten Schutzrechten für die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller den Boden bereitet. Wird ein Tonträger genutzt, so betrifft dies nicht nur das Recht des Urhebers am wiedergegebenen urheberrechtlichen Werk, sondern auch die verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller.

    2.

    Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Ireland (im Folgenden: vorlegendes Gericht) betrifft den Anspruch auf angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums ( 2 ) bzw. der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung) ( 3 ), der für die öffentliche Wiedergabe eines bereits zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers zu zahlen ist.

    3.

    Das vorlegende Gericht möchte erstens wissen, ob ein solcher Anspruch auch dann entsteht, wenn der Betreiber eines Hotels auf den Hotelzimmern oder Gästezimmern Fernseh- und/oder Radioapparate aufstellt und zu diesen ein entsprechendes Sendesignal übermittelt. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob der Betreiber in einem solchen Fall die Tonträger, die in den Radio- und Fernsehsendungen eingesetzt werden, für eine öffentliche Wiedergabe nutzt.

    4.

    Zweitens fragt das vorlegende Gericht, ob ein solcher Betreiber auch in dem Fall, in dem er keine Radio- und Fernsehapparate, sondern Abspielgeräte und die entsprechenden Tonträger auf den Zimmern zur Verfügung stellt, diese Tonträger für eine öffentliche Wiedergabe nutzt.

    5.

    Drittens möchte das vorlegende Gericht in Erfahrung bringen, ob ein Mitgliedstaat, der in solchen Fällen keinen Anspruch auf angemessene Vergütung vorsieht, sich auf die Ausnahme nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/100 bzw. der Richtlinie 2006/115 berufen kann, denen zufolge die Mitgliedstaaten für eine private Benutzung Beschränkungen des Rechts auf angemessene Vergütung vorsehen können.

    6.

    Diese Fragen stehen in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Urteil SGAE/Rafael Hoteles ( 4 ). Dort hat der Gerichtshof zunächst festgestellt, dass eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ( 5 ) vorliegt, wenn ein Hotelbetreiber mittels in den Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate ein Signal verbreitet, und zwar unabhängig davon, mit welcher Technik das Signal übertragen wird. Weiter hat er festgestellt, dass der private Charakter von Hotelzimmern der Öffentlichkeit der Wiedergabe nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall stellt sich insbesondere die Frage, ob diese Rechtsprechung, die in Hinblick auf die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ergangen ist, auf den Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 bzw. der Richtlinie 2006/115 übertragbar ist, der sich auf die verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller bezieht.

    7.

    Darüber hinaus weist die vorliegende Rechtssache einen engen Zusammenhang mit der Rechtssache C-135/10, SCF, auf, in der ich meine Schlussanträge am gleichen Tag wie die in der vorliegenden Rechtssache verlese. In der Rechtssache SCF stellt sich insbesondere die Frage, ob ein Zahnarzt, der über einen in seiner Praxis aufgestellten Radioapparat für seine Patienten in seiner Praxis Radiosendungen hörbar macht, eine angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 bzw. der Richtlinie 2006/115 deswegen zahlen muss, weil er die im Rahmen des Radioprogramms eingesetzten Tonträger mittelbar öffentlich wiedergibt.

    II – Anwendbares Recht

    A – Völkerrecht

    1. Das Rom-Abkommen

    8.

    Art. 12 des Abkommens von Rom vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (im Folgenden: Rom-Abkommen) ( 6 ) sieht vor:

    „Wird ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers für die Funksendung oder für irgendeine öffentliche Wiedergabe unmittelbar benützt, so hat der Benützer den ausübenden Künstlern, den Herstellern von Tonträgern oder beiden eine einzige angemessene Vergütung zu zahlen. Für den Fall, dass die Beteiligten sich nicht einigen, kann die nationale Gesetzgebung die Aufteilung dieser Vergütung regeln.“

    9.

    Art. 15 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens bestimmt:

    „1.   Jeder vertragsschließende Staat kann in seiner nationalen Gesetzgebung Ausnahmen von dem mit diesem Abkommen gewährleisteten Schutz in den folgenden Fällen vorsehen:

    a)

    für eine private Nutzung“

    10.

    Art. 16 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens lautet:

    „1.   Ein Staat, der Mitglied dieses Abkommens wird, übernimmt damit alle Verpflichtungen und genießt alle Vorteile, die darin vorgesehen sind. Jedoch kann ein Staat jederzeit durch eine beim Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen hinterlegte Mitteilung erklären:

    a)

    hinsichtlich des Artikels 12:

    (i)

    dass er keine Bestimmung dieses Artikels anwenden wird;

    (ii)

    dass er die Bestimmungen dieses Artikels für bestimmte Benützungen nicht anwenden wird;

    (iii)

    dass er die Bestimmungen dieses Artikels für Tonträger nicht anwenden wird, deren Hersteller nicht Angehöriger eines vertragschließenden Staates ist;

    (iv)

    dass er für die Tonträger, deren Hersteller Angehöriger eines anderen vertragschließenden Staates ist, den Umfang und die Dauer des in diesem Artikel vorgesehenen Schutzes auf den Umfang und die Dauer des Schutzes beschränken wird, den dieser vertragschließende Staat den Tonträgern gewährt, die erstmals von einem Angehörigen des Staates, der die Erklärung abgegeben hat, festgelegt worden sind; wenn jedoch der vertragschließende Staat, dem der Hersteller angehört, den Schutz nicht dem oder den gleichen Begünstigten gewährt wie der vertragschließende Staat, der die Erklärung abgegeben hat, so gilt dies nicht als Unterschied im Umfang des Schutzes;

    …“

    11.

    Die Republik Irland ist Vertragspartei des Rom-Abkommens, hat allerdings eine Erklärung gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii abgegeben.

    12.

    Die Union ist keine Vertragspartei des Rom-Abkommens. Diesem können nur Staaten beitreten.

    2. Der WPPT

    13.

    Der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (im Folgenden: WPPT) vom 20. September 1996 ( 7 ) enthält völkerrechtliche Regeln zu den verwandten Schutzrechten, die über das Rom-Abkommen hinausgehen.

    14.

    Art. 1 WPPT bestimmt:

    „Verhältnis zu anderen Übereinkünften

    (1)   Die zwischen den Vertragsparteien bestehenden Pflichten aus dem am 26. Oktober 1961 in Rom geschlossenen Internationalen Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (nachstehend ‚Rom-Abkommen‘) werden durch diesen Vertrag nicht beeinträchtigt.

    (2)   Der durch diesen Vertrag vorgesehene Schutz lässt den Schutz der Urheberrechte an Werken der Literatur und Kunst unberührt und beeinträchtigt ihn in keiner Weise. Daher darf keine Bestimmung dieses Vertrags in einer Weise ausgelegt werden, die diesem Schutz Abbruch tut.

    (3)   Dieser Vertrag steht weder in Verbindung mit anderen Verträgen, noch berührt er Rechte oder Pflichten aus anderen Verträgen.“

    15.

    Art. 2 WPPT, der Begriffsbestimmungen regelt, bestimmt in seinen Buchst. f und g:

    „Im Sinne dieses Vertrags

    f)

    bedeutet ‚Sendung‘ die drahtlose Übertragung von Tönen oder von Bildern und Tönen oder deren Darstellungen zum Zwecke des Empfangs durch die Öffentlichkeit;

    g)

    bedeutet ‚öffentliche Wiedergabe‘ einer Darbietung oder eines Tonträgers die öffentliche Übertragung der Töne einer Darbietung oder der auf einem Tonträger festgelegten Töne oder Darstellungen von Tönen auf einem anderen Wege als durch Sendung. Im Sinne von Artikel 15 umfasst ‚öffentliche Wiedergabe‘ das öffentliche Hörbarmachen der auf einem Tonträger festgelegten Töne oder Darstellungen von Tönen.“

    16.

    In Kapitel 2 des WPPT finden sich Rechte der ausübenden Künstler, in Kapitel 3 des WPPT Rechte der Tonträgerhersteller. Kapitel 4 des WPPT enthält gemeinsame Bestimmungen für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller. Art. 15 WPPT, der in diesem Kapitel geregelt ist, betrifft das Vergütungsrecht für Sendung und öffentliche Wiedergabe und bestimmt:

    „(1)   Werden zu gewerblichen Zwecken veröffentlichte Tonträger unmittelbar oder mittelbar für eine Sendung oder öffentliche Wiedergabe benutzt, so haben ausübende Künstler und Tonträgerhersteller Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung.

    (2)   Die Vertragsparteien können in ihren Rechtsvorschriften bestimmen, dass der ausübende Künstler oder der Tonträgerhersteller oder beide von dem Benutzer die Zahlung der einzigen angemessenen Vergütung verlangen. Die Vertragsparteien können Rechtsvorschriften erlassen, die in Ermangelung einer Vereinbarung zwischen dem ausübenden Künstler und dem Tonträgerhersteller die Bedingungen festlegen, nach denen die einzige angemessene Vergütung zwischen ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern aufzuteilen ist.

    (3)   Jede Vertragspartei kann in einer beim Generaldirektor der WIPO hinterlegten Notifikation erklären, dass sie die Bestimmungen in Absatz 1 nur in Bezug auf bestimmte Nutzungsarten anwenden oder die Anwendung in einer anderen Weise einschränken wird oder dass sie diese Bestimmungen überhaupt nicht anwenden wird.

    (4)   Tonträger, die drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, gelten im Sinne dieses Artikels als zu gewerblichen Zwecken veröffentlicht.“

    17.

    Art. 16 WPPT, der den Titel „Beschränkungen und Ausnahmen“ trägt, bestimmt:

    „(1)   Die Vertragsparteien können in ihren Rechtsvorschriften in Bezug auf den Schutz der ausübenden Künstler und der Hersteller von Tonträgern Beschränkungen und Ausnahmen gleicher Art vorsehen, wie sie in ihren Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit dem Schutz des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst vorgesehen sind.

    (2)   Die Vertragsparteien begrenzen die Beschränkungen und Ausnahmen in Bezug auf die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte auf bestimmte Sonderfälle, die weder die normale Verwertung der Darbietung oder des Tonträgers beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen der ausübenden Künstler oder Tonträgerhersteller unzumutbar verletzen.“

    18.

    Die Republik Irland und die Union sind Vertragsparteien des WPPT. Weder die Republik Irland noch die Union haben eine Erklärung nach Art. 15 Abs. 3 WPPT abgegeben.

    B – Unionsrecht ( 8 )

    1. Die Richtlinie 92/100

    19.

    Die Erwägungsgründe 5, 7 bis 10, 15 bis 17 und 20 der Richtlinie 92/100 lauten wie folgt:

    „(5)

    Dem angemessenen Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken und Gegenständen der verwandten Schutzrechte durch Vermiet- und Verleihrechte sowie dem Schutz von Gegenständen der verwandten Schutzrechte durch das Aufzeichnungsrecht, Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht, Senderecht und Recht der öffentlichen Wiedergabe kommt daher eine grundlegende Bedeutung für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft zu.

    (7)

    Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, bedürfen Urheber und ausübende Künstler eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten. Die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen sind außerordentlich hoch und risikoreich. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden.

    (8)

    Diese schöpferischen, künstlerischen und unternehmerischen Tätigkeiten sind großenteils selbständige Tätigkeiten, und ihre Ausübung muss durch die Schaffung eines gemeinschaftsweit harmonisierten Rechtsschutzes erleichtert werden.

    (9)

    Soweit diese Tätigkeiten hauptsächlich Dienstleistungen darstellen, muss auch ihre Erbringung erleichtert werden, indem ein gemeinschaftsweit harmonisierter rechtlicher Rahmen geschaffen wird.

    (10)

    Die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollte in der Weise erfolgen, dass die Rechtsvorschriften nicht in Widerspruch zu den internationalen Übereinkommen stehen, auf denen das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte in vielen Mitgliedstaaten beruhen.

    (15)

    Es wird eine Regelung benötigt, durch die ein unverzichtbares Recht auf angemessene Vergütung für die Urheber und ausübenden Künstler gewährleistet wird, denen zugleich die Möglichkeit erhalten bleiben muss, mit der Wahrnehmung dieses Rechts an ihrer Stelle tätig werdende Verwertungsgesellschaften zu beauftragen.

    (16)

    Die angemessene Vergütung kann in Form einer oder mehrerer Zahlungen jederzeit bei Abschluss des Vertrages oder später entrichtet werden.

    (17)

    Diese angemessene Vergütung muss dem Umfang des Beitrages der beteiligten Urheber und ausübenden Künstler zum Tonträger bzw. Film Rechnung tragen.

    (20)

    Die Mitgliedstaaten können einen weiterreichenden Schutz für Inhaber von verwandten Schutzrechten vorsehen, als er in Artikel 8 dieser Richtlinie vorgeschrieben ist.“

    20.

    Art. 8 der Richtlinie 92/100 trägt den Titel „Öffentliche Sendung und Wiedergabe“. Er bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sehen für ausübende Künstler das ausschließliche Recht vor, drahtlos übertragene Rundfunksendungen und die öffentliche Wiedergabe ihrer Darbietungen zu erlauben oder zu verbieten, es sei denn, die Darbietung ist selbst bereits eine gesendete Darbietung oder beruht auf einer Aufzeichnung.

    (2)   Die Mitgliedstaaten sehen ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet. Besteht zwischen den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern kein diesbezügliches Einvernehmen, so können die Bedingungen, nach denen die Vergütung unter ihnen aufzuteilen ist, von den Mitgliedstaaten festgelegt werden.

    (3)   Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vor, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“.

    21.

    Art. 10 der Richtlinie 92/100 bestimmt:

    „Beschränkung der Rechte

    (1)   Die Mitgliedstaaten können Beschränkungen der in Kapitel II genannten Rechte in folgenden Fällen vorsehen:

    a)

    für eine private Benutzung;

    (2)   Unbeschadet des Absatzes 1 kann jeder Mitgliedstaat für den Schutz der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen Beschränkungen der gleichen Art vorsehen, wie sie für den Schutz des Urheberrechts an Werken der Literatur und der Kunst vorgesehen sind. Zwangslizenzen können jedoch nur insoweit vorgesehen werden, als sie mit den Bestimmungen des Rom-Abkommens vereinbar sind.

    (3)   Absatz 1 Buchstabe a) lässt bestehende und künftige Rechtsvorschriften in Bezug auf die Vergütung für die Vervielfältigung zur privaten Benutzung unberührt.“

    2. Die Richtlinie 2006/115

    22.

    In der Richtlinie 2006/115 ist die Richtlinie 92/100 konsolidiert worden. Die Erwägungsgründe 3, 5 bis 7, 12, 13 und 16 der Richtlinie 2006/15 lauten wie folgt:

    „(3)

    Dem angemessenen Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken und Gegenständen der verwandten Schutzrechte durch Vermiet- und Verleihrechte sowie dem Schutz von Gegenständen der verwandten Schutzrechte durch das Aufzeichnungsrecht, Verbreitungsrecht, Senderecht und Recht der öffentlichen Wiedergabe kommt daher eine grundlegende Bedeutung für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft zu.

    (5)

    Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, bedürfen Urheber und ausübende Künstler eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten. Die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen sind außerordentlich hoch und risikoreich. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden.

    (6)

    Diese schöpferischen, künstlerischen und unternehmerischen Tätigkeiten sind großenteils selbständige Tätigkeiten. Die Ausübung dieser Tätigkeiten sollte durch die Schaffung eines gemeinschaftsweit harmonisierten Rechtsschutzes erleichtert werden. Soweit diese Tätigkeiten hauptsächlich Dienstleistungen darstellen, sollte ihre Erbringung durch einen gemeinschaftsweit harmonisierten rechtlichen Rahmen erleichtert werden.

    (7)

    Die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollte in der Weise erfolgen, dass die Rechtsvorschriften nicht in Widerspruch zu den internationalen Übereinkommen stehen, auf denen das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte in vielen Mitgliedstaaten beruhen.

    (12)

    Es wird eine Regelung benötigt, durch die ein unverzichtbares Recht auf angemessene Vergütung für die Urheber und ausübenden Künstler gewährleistet wird, denen zugleich die Möglichkeit erhalten bleiben muss, mit der Wahrnehmung dieses Rechts an ihrer Stelle tätig werdende Verwertungsgesellschaften zu beauftragen.

    (13)

    Die angemessene Vergütung kann in Form einer oder mehrerer Zahlungen jederzeit bei Abschluss des Vertrages oder später entrichtet werden. Sie sollte dem Umfang des Beitrages der beteiligten Urheber und ausübenden Künstler zum Tonträger bzw. Film Rechnung tragen.

    (16)

    Die Mitgliedstaaten sollten einen weiterreichenden Schutz für Inhaber von verwandten Schutzrechten vorsehen können, als er in dieser Richtlinie hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist.“

    23.

    Kapitel 2 der Richtlinie regelt dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte. Art. 8 der Richtlinie, der die öffentliche Sendung und Wiedergabe betrifft, bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sehen für ausübende Künstler das ausschließliche Recht vor, drahtlos übertragene Rundfunksendungen und die öffentliche Wiedergabe ihrer Darbietungen zu erlauben oder zu verbieten, es sei denn, die Darbietung ist selbst bereits eine gesendete Darbietung oder beruht auf einer Aufzeichnung.

    (2)   Die Mitgliedstaaten sehen ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet. Besteht zwischen den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern kein diesbezügliches Einvernehmen, so können die Bedingungen, nach denen die Vergütung unter ihnen aufzuteilen ist, von den Mitgliedstaaten festgelegt werden.

    (3)   Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vor, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

    24.

    Art. 10 der Richtlinie trägt den Titel „Beschränkung der Rechte“ und lautet wie folgt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten können Beschränkungen der in diesem Kapitel genannten Rechte in folgenden Fällen vorsehen:

    a)

    für eine private Benutzung;

    (2)   Unbeschadet des Absatzes 1 kann jeder Mitgliedstaat für den Schutz der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen Beschränkungen der gleichen Art vorsehen, wie sie für den Schutz des Urheberrechts an Werken der Literatur und der Kunst vorgesehen sind.

    Zwangslizenzen können jedoch nur insoweit vorgesehen werden, als sie mit den Bestimmungen des Rom-Abkommens vereinbar sind.

    (3)   Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“

    25.

    Art. 14 der Richtlinie trägt den Titel „Aufhebung“ und bestimmt:

    „Die Richtlinie 92/100/EWG wird unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang I Teil B genannten Fristen für die Umsetzung der dort genannten Richtlinien in innerstaatliches Recht aufgehoben.

    Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweisungen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II zu lesen.“

    3. Die Richtlinie 2001/29

    26.

    Die Erwägungsgründe 9 bis 12, 15, 23, 24 und 27 der Richtlinie 2001/29 lauten wie folgt:

    „(9)

    Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.

    (10)

    Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. Um Produkte wie Tonträger, Filme oder Multimediaprodukte herstellen und Dienstleistungen, z. B. Dienste auf Abruf, anbieten zu können, sind beträchtliche Investitionen erforderlich. Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, kann eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufrieden stellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden.

    (11)

    Eine rigorose und wirksame Regelung zum Schutz der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte ist eines der wichtigsten Instrumente, um die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren und die Unabhängigkeit und Würde der Urheber und ausübenden Künstler zu wahren.

    (12)

    Ein angemessener Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken und sonstigen Schutzgegenständen ist auch kulturell gesehen von großer Bedeutung. Nach Artikel 151 des Vertrags hat die Gemeinschaft bei ihrer Tätigkeit den kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen.

    (15)

    Die Diplomatische Konferenz, die unter der Schirmherrschaft der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) im Dezember 1996 stattfand, führte zur Annahme von zwei neuen Verträgen, dem WIPO-Urheberrechtsvertrag und dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger, die den Schutz der Urheber bzw. der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller zum Gegenstand haben. In diesen Verträgen wird der internationale Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte, nicht zuletzt in Bezug auf die sog. ‚digitale Agenda‘, auf den neuesten Stand gebracht; gleichzeitig werden die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Piraterie weltweit verbessert. Die Gemeinschaft und die meisten Mitgliedstaaten haben die Verträge bereits unterzeichnet, und inzwischen wurde mit den Vorbereitungen zu ihrer Genehmigung bzw. Ratifizierung durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten begonnen. Die vorliegende Richtlinie dient auch dazu, einigen dieser neuen internationalen Verpflichtungen nachzukommen.

    (23)

    Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Dieses Recht sollte jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfassen. Dieses Recht sollte für keine weiteren Handlungen gelten.

    (24)

    Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Schutzgegenständen nach Artikel 3 Absatz 2 sollte dahin gehend verstanden werden, dass es alle Handlungen der Zugänglichmachung derartiger Schutzgegenstände für Mitglieder der Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Zugänglichmachung ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend sind; dieses Recht gilt für keine weiteren Handlungen.

    (27)

    Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar.“

    27.

    Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29 lautet:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

    (2)   Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:

    a)

    für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen;

    b)

    für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger;

    d)

    für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“

    C – Nationales Recht

    28.

    Die maßgeblichen Vorschriften im nationalen Recht sind im Copyright and Related Rights Act 20002007 (im Folgenden: Gesetz von 2000) niedergelegt.

    29.

    Der zweite Teil des Gesetzes von 2000 trägt den Titel „Urheberrecht“.

    30.

    In Bezug auf Tonträger legt das Gesetz von 2000 in Sektion 17 Abs. 2 Buchst. b fest, dass ein Urheberrecht an Tonträgern besteht. Nach der Sektion 21 Buchst. a und der Sektion 23 Buchst. l ist der Hersteller einer Tonaufnahme der Urheber und demgemäß der erste Inhaber des Urheberrechts an einer Tonaufnahme.

    31.

    Das vierte Kapitel des Gesetzes von 2000 trägt den Titel „Rechte der Inhaber von Urheberrechten“.

    32.

    Nach Sektion 37 Abs. 1 Buchst. b in diesem Kapitel hat der Inhaber eines Urheberrechts (einschließlich des Herstellers einer Tonaufnahme) das ausschließliche Recht, „das Werk öffentlich zugänglich zu machen“. Ein Tonträgerhersteller hat nach irischem Recht somit teilweise eine umfassendere Rechtsstellung, als er es nach den Richtlinien 92/100 bzw. 2006/115 hätte.

    33.

    Nach Sektion 37 Abs. 2 des Gesetzes von 2000 verletzt das Urheberrecht, wer ohne eine Lizenz des Rechtsinhabers des Urheberrechts Handlungen, die durch das Urheberrecht beschränkt sind, vornimmt oder es einer anderen Person gestattet, solche Handlungen vorzunehmen.

    34.

    Allerdings begründet Sektion 38 des Gesetzes von 2000 gesetzliche Nutzungsrechte für die Wiedergabe von Tonaufnahmen in der Öffentlichkeit und für ihre Benutzung in Rundfunk- oder Kabelprogrammdiensten. Danach ist jeder zu einer solchen Nutzung berechtigt, sofern er bereit ist, eine angemessene Vergütung für deren Abspielen oder Verwendung in Rundfunk- oder Kabelprogrammdiensten zu leisten und er die weiteren Voraussetzungen der Sektion 38 des Gesetzes von 2000 einhält.

    35.

    Kapitel 6 des Gesetzes von 2000 regelt, welche Handlungen in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Werke erlaubt sind.

    36.

    Sektion 97 in diesem Kapitel lautet:

    „(1)   Vorbehaltlich des Abs. 2 ist es keine Verletzung des Urheberrechts an einer Tonaufnahme, einer Rundfunksendung oder einem Kabelprogramm, wenn diese dort zu Gehör oder zur Ansicht gebracht werden, wo sie gehört oder gesehen werden

    a)

    innerhalb von Gebäudeteilen, in denen Übernachtungsmöglichkeiten für Bewohner oder Insassen zur Verfügung gestellt werden;

    b)

    als Teil einer Betreuung, die ausschließlich oder hauptsächlich Bewohnern oder Insassen erbracht wird.

    (2)   Abs. 1 findet auf von ihm erfasste Gebäudeteile keine Anwendung, wo für den Eintritt in die Gebäudeteile, in denen die Tonaufnahme, die Rundfunksendung oder das Kabelprogramm gehört oder gesehen werden können, ein gesondertes Entgelt erhoben wird“.

    37.

    Der dritte Teil des Gesetzes von 2000 betrifft die Rechte der ausübenden Künstler. Sektion 246 des Gesetzes von 2000, die in diesem Teil geregelt ist, enthält eine mit Sektion 97 vergleichbare Ausnahmevorschrift hinsichtlich der ausübenden Künstler.

    38.

    Für Urheber von Werken der Literatur, der Kunst, des Schauspiels oder der Musik im Sinne der Richtlinie 2001/29 gibt es keine der Sektion 97 und der Sektion 246 entsprechende Ausnahmevorschrift.

    III – Sachverhalt

    39.

    Die Klägerin im Ausgangsverfahren ist eine Verwertungsgesellschaft. Ihre Mitglieder sind Tonträgerhersteller, die Inhaber von verwandten Schutzrechten an Tonträgern sind. Im Auftrag ihrer Mitglieder macht die Klägerin deren Rechte geltend, die sich aus der öffentlichen Wiedergabe ihrer Tonträger ergeben.

    40.

    Der Beklagte im Ausgangsverfahren ist der irische Staat.

    41.

    Die Klägerin im Ausgangsverfahren ist der Auffassung, dass der irische Staat die Richtlinien 92/100 und 2006/115 nicht richtig umgesetzt habe. Sektion 97 Abs. 1 des Gesetzes von 2000 sei nicht vereinbar mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinien 92/100 bzw. 2006/115, soweit dieser vorsehe, dass kein Anspruch auf eine angemessene Vergütung geltend gemacht werden könne für die Wiedergabe von Tonträgern, die in den Gastzimmern von irischen Hotels und Fremdenpensionen als Teil ihrer Dienstleistung über Radio-, Fernsehapparate und Tonsysteme erfolge.

    42.

    Die Klägerin im Ausgangsverfahren hat Klage gegen den irischen Staat erhoben, in der sie erstens die Feststellung begehrt, dass der irische Staat durch den Erlass der Sektion 97 Abs. 1 des Gesetzes von 2000 gegen seine Verpflichtung zur Umsetzung des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 bzw. der Richtlinie 2006/115 und Art. 10 EG verstoßen habe. Zweitens begehrt sie Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sei.

    IV – Verfahren vor dem nationalen Gericht und Vorlagefragen

    43.

    Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob die nach den Sektionen 97 Abs. 1 Buchst. a und 246 des Gesetzes von 2000 geltende Ausnahme von der Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 bzw. der Richtlinie 2006/115 vereinbar ist, soweit diese die Wiedergabe von Tonträgern, Rundfunksendungen oder Kabelprogramm in Hotelzimmern oder Gästezimmern von der Verpflichtung einer angemessenen Vergütung freistellt. Vor diesem Hintergrund stellt das vorlegende Gericht dem Gerichtshof in seinem Vorabentscheidungsersuchen folgende Fragen:

    1.

    Ist ein Hotelbetreiber, der in den Gastzimmern Fernsehapparate und/oder Radios aufstellt, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 ein „Nutzer“, der eine „öffentliche Wiedergabe“ eines in einer Rundfunksendung abgespielten Tonträgers vornimmt?

    2.

    Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Sind die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 verpflichtet, einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung durch den Hotelbetreiber für das Abspielen des Tonträgers zusätzlich zu der angemessenen Vergütung hierfür durch den Rundfunksender vorzusehen?

    3.

    Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist es den Mitgliedstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 2006/115 gestattet, Hotelbetreiber von der Verpflichtung zur Zahlung „einer einzigen angemessenen Vergütung“ freizustellen, weil es sich um eine „private Benutzung“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 handelt?

    4.

    Ist ein Hotelbetreiber, der in Gastzimmern Geräte (anderer Art als Fernseh- oder Radiogeräte) und Tonträger in physischer oder digitaler Form zur Verfügung stellt, die mit einem solchen Gerät abgespielt oder gehört werden können, ein „Nutzer“, der eine „öffentliche Wiedergabe“ der Tonträger im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vornimmt?

    5.

    Wenn Frage 4 zu bejahen ist: Ist es den Mitgliedstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 2006/115 gestattet, Hotelbetreiber von der Verpflichtung zur Zahlung „einer einzigen angemessenen Vergütung“ freizustellen, weil es sich um eine „private Benutzung“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 handelt?

    44.

    Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts betrifft das Verfahren nicht die öffentlich zugänglichen Bereiche von Hotels und Gästepensionen, sondern lediglich die Hotel- oder Gästezimmer. Weiter betrifft das Verfahren keine interaktiven Übertragungen oder Übertragungen on demand.

    V – Verfahren vor dem Gerichtshof

    45.

    Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 7. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

    46.

    Im schriftlichen Verfahren haben die Klägerin im Ausgangsverfahren, die irische und die griechische Regierung, sowie die Kommission Erklärungen eingereicht.

    47.

    An der gemeinsamen mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache und in der Rechtssache C-135/10, SCF, die am 7. April 2011 stattgefunden hat, haben Vertreter der Klägerin im Ausgangsverfahren, von SFC, von Marco del Corso, der italienischen, der irischen, der griechischen und der französischen Regierung sowie der Kommission teilgenommen.

    VI – Vorbemerkungen

    48.

    Im Ausgangsverfahren macht die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz geltend, der auf der Haftung des irischen Staates für Verletzung des Unionsrechts beruht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist ein solcher Anspruch unionsrechtlich grundsätzlich vorgegeben, wenn ein hinreichend qualifizierter und schwerwiegender Verstoß gegen eine unionsrechtliche Norm vorliegt, die die Verleihung von Rechten an den Einzelnen bezweckt, und dadurch unmittelbar kausal ein Schaden verursacht worden ist. ( 9 ) Das vorlegende Gericht hat sich in seinen Vorlagefragen bewusst auf die Frage beschränkt, ob der irische Staat gegen seine Verpflichtung zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinien 92/100 bzw. 2006/115 verstoßen hat. Sollte es dies infolge der nachfolgenden Hinweise zur Auslegung dieser Vorschriften bejahen, so wird es, soweit es sich auf den unionsrechtlich vorgegebenen Staatshaftungsanspruch stützen möchte, weiter prüfen müssen, ob auch dessen weitere Voraussetzungen vorliegen.

    49.

    Weiter möchte ich darauf hinweisen, dass ich in der Folge der Einfachheit halber nur noch auf die Richtlinie 2006/115 eingehen werde. Die Frage nach dem Verstoß gegen das Unionsrecht betrifft zwar sowohl Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 als auch Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115. Bei der Richtlinie 2006/115 handelt es sich aber lediglich um eine kodifizierte Fassung der Richtlinie 92/100, so dass Art. 8 Abs. 2 in beiden Richtlinien identisch ist. Daher werde ich im Folgenden lediglich auf Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 eingehen, wobei das Gesagte entsprechend auch für Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 gilt. Auch werde ich im Folgenden der Einfachheit halber nur auf die Betreiber von Hotels Bezug nehmen, wobei diese Ausführungen entsprechend auch für Betreiber von Gästezimmern gelten.

    VII – Zur ersten und zweiten Vorlagefrage

    50.

    Mit seinen ersten beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 so auszulegen ist, dass ein Hotelbetreiber, der in den Hotelzimmern Fernseh- und/oder Radioapparate aufstellt und zu diesen ein Sendesignal übermittelt, eine angemessene Vergütung für die mittelbare Wiedergabe der Tonträger zahlen muss, die in den Sendungen eingesetzt werden.

    51.

    Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 sieht vor, dass eine angemessene Vergütung für den Fall zu zahlen ist, dass ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe genutzt wird. Im Folgenden werde ich der Einfachheit halber nur auf den Fall eingehen, in dem es um einen zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträger geht, wobei die Ausführungen entsprechend auch für ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers gelten.

    52.

    Das vorlegende Gericht möchte zunächst wissen, ob in einem Fall wie dem vorliegenden der Hotelbetreiber eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung vornimmt und ob er ein „Nutzer“ in ihrem Sinne ist. Weiter möchte es wissen, ob eine solche Verpflichtung auch dann bestehen kann, wenn der Fernseh- oder Radiosender bereits eine angemessene Vergütung dafür gezahlt hat, dass er die Tonträger für seine Sendungen nutzt.

    A – Wesentliches Vorbringen der Parteien

    53.

    Nach Auffassung der Klägerin im Ausgangsverfahren und der französischen Regierung ist Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 so auszulegen, dass der Hotelbetreiber in einem Fall wie dem vorliegenden verpflichtet ist, eine angemessene Vergütung zu zahlen.

    54.

    Erstens liege eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vor. Dieser Begriff sei ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der wie der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 auszulegen sei. Dafür spreche, dass in den beiden Bestimmungen derselbe Wortlaut gebraucht werde. Dass Unterschiede zwischen dem Schutzniveau von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten bestünden, spreche nicht gegen eine gleichläufige Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe. Nach den Zielsetzungen sollten nicht nur Urheber, sondern auch ausübende Künstler und Tonträgerhersteller angemessen entschädigt werden, wobei Letzteren eine angemessene Vergütung für die risikoreichen Investitionen im Bereich der Tonträgerherstellung gewährleistet werden sollte. Die französische Regierung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch das Ziel der Richtlinie 2001/29, Verzerrungen durch abweichende Rechtsvorschriften zu vermeiden, für eine gleichläufige Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe spreche. Die dadurch entstehenden Verzerrungen, dass Mitgliedstaaten bereits die Möglichkeit hätten, Ausnahmen und Beschränkungen vorzusehen, würden verstärkt werden, wenn die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt werde. Eine einheitliche Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe sei auch deswegen geboten, weil diese nach der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte ( 10 ) Bedeutung für die Schutzdauer des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte habe. Die Klägerin im Ausgangsverfahren weist darauf hin, dass auch mittelbare Übertragungen erfasst würden. Im Urteil SGAE/Rafael Hoteles habe der Gerichtshof für einen vergleichbaren Fall entschieden, dass eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorliege. Es reiche aus, dass das Rundfunk- oder Fernsehprogramm dadurch zugänglich gemacht werde, dass Radio- oder Fernsehapparate aufgestellt und ein Signal auf diese weitergeleitet werde. Ob die Hotelgäste die Geräte tatsächlich genutzt hätten, sei nicht erheblich. Indem sie den Zugang zum Radio- und Fernsehprogramm ermöglichten, erbrächten Hotelbetreiber nämlich eine zusätzliche Leistung und verfolgten somit ein wirtschaftliches Interesse.

    55.

    Zweitens steht nach Auffassung der Klägerin im Ausgangsverfahren und der französischen Regierung einer Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung nicht entgegen, dass nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nur eine einzige Vergütung zu zahlen sei. Dies bedeute nämlich nicht, dass ein Hotelbetreiber keine Vergütung für eine öffentliche Wiedergabe zahlen müsse, wenn der Radio- oder Fernsehsender bereits eine Vergütung gezahlt habe. Vielmehr sei für jede nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie relevante Nutzung eine angemessene Vergütung zu zahlen, und zwar unabhängig davon, ob es eine unmittelbare oder mittelbare Nutzung sei. Soweit diese Bestimmung auf eine einzige angemessene Vergütung abstelle, bedeute dies lediglich, dass vom Hotelbetreiber nur eine Vergütung zu zahlen sei, die dann zwischen den Herstellern und den ausübenden Künstlern aufgeteilt werden müsse. Einer solchen Auslegung stehe auch nicht das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache SENA ( 11 ) entgegen, da der Gerichtshof sich in diesem Urteil nur mit den unionsrechtlichen Vorgaben zum Ausmaß der Vergütung befasst habe.

    56.

    Die irische und die griechische Regierung sind der Auffassung, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nicht so ausgelegt werden könne, dass der Hotelbetreiber in einem Fall wie dem vorliegenden verpflichtet sei, eine angemessene Vergütung zu zahlen.

    57.

    Erstens ist es nach Auffassung der irischen Regierung nach nationalem Recht zu beantworten, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt.

    58.

    Zweitens liegt nach Ansicht der irischen und der griechischen Regierung keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vor. Damit seien lediglich Wiedergaben in einer Diskothek, bei einem Konzert oder in einer Bar gemeint. Die irische Regierung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nicht so ausgelegt werden könne, wie der Gerichtshof im Urteil SGAE/Rafael Hoteles den Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ausgelegt habe. Zunächst sehe Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 für die Urheber ein absolutes Recht vor. Für die Hersteller von Tonträgern werde dagegen ein absolutes Recht nur für die öffentliche Zugänglichmachung nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 vorgesehen, während für die öffentliche Wiedergabe nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nur ein wirtschaftliches Recht vorgesehen werde. Weiter stünden diese Rechte in einem unterschiedlichen völkerrechtlichen Kontext. Insbesondere sei der in Art. 2 Buchst. g WPPT definierte Begriff der öffentlichen Wiedergabe enger als der in Art. 8 WCT verwendete Begriff. In diesem Zusammenhang weist die irische Regierung darauf hin, dass nach Art. 2 Buchst. g WPPT die Tonträger hörbar gemacht werden müssten, was nur dann der Fall sei, wenn der Radio- oder Fernsehapparat tatsächlich eingeschaltet werde. Außerdem habe der Gerichtshof seine Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darauf gestützt, dass von diesem Begriff auch das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung erfasst sei. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 sehe dagegen kein Recht auf eine angemessene Vergütung für die „öffentliche Zugänglichmachung“ eines Tonträgers vor. Ferner sprächen die Erwägungsgründe der Richtlinie 2001/29 einerseits und der Richtlinie 2006/115 andererseits gegen eine gleichläufige Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe. Darüber hinaus sei im Rahmen der Kodifizierung der Richtlinie 92/100 in der Richtlinie 2006/115 weder ein Verweis auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 erfolgt, noch klargestellt worden, dass auch mittelbare Wiedergaben erfasst würden. Im Übrigen seien die Ausnahmemöglichkeiten des Rom-Abkommens und des WPPT zu berücksichtigen. Schließlich spräche gegen eine gleichläufige Auslegung, dass die Mitgliedstaaten weiter gehende Rechte vorsehen könnten. Die griechische Regierung ergänzt, dass eine zu weite Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe zu unerwünschten Ergebnissen führen würde, weil dann die Einrichtung einer zentralen Antenne in einem Wohnhaus und die Vermietung von Radio- oder Fernsehapparaten als eine öffentliche Wiedergabe angesehen werden könnten. Vorliegend handle es sich nämlich nur um den Empfang einer Sendung, der grundrechtlich geschützt sei. Zudem müssten die Interessen des Tourismussektors berücksichtigt werden.

    59.

    Drittens ist nach Auffassung der griechischen und der irischen Regierung ein Hotelbetreiber in einem Fall wie dem vorliegenden kein Nutzer im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115. Die irische Regierung weist zunächst darauf hin, dass der Hotelbetreiber lediglich die Apparate und technische Unterstützung zum Empfang der entsprechenden Signale zur Verfügung stelle. Soweit der Hotelbetreiber diese Apparate nicht einschalte, sei er kein Nutzer. Weiter sei zu berücksichtigen, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 im Gegensatz zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 auf den Nutzer abstelle. Nach Auffassung der griechischen Regierung ist nur der Radio- oder Fernsehsender ein Nutzer, der Hotelbetreiber ermögliche nur den Empfang der Sendungen. Dieser Empfang sei grundrechtlich geschützt und daher urheberrechtlich nicht relevant.

    60.

    Viertens ist nach Auffassung der griechischen und der irischen Regierung ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung auch deswegen abzulehnen, weil ein Hotelbetreiber nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 keine erneute Vergütung zahlen müsse, wenn bereits der Radio- oder Fernsehsender eine angemessene Vergütung für die Nutzung gezahlt habe. Nach Auffassung der irischen Regierung ergibt sich dies aus dem Gebrauch der Wörter „oder“ und „einzige“, sowie aus dem systematischen Zusammenhang der einzelnen Absätze von Art. 8 der Richtlinie. Eine solche Zahlung sei auch nicht angemessen, weil bereits der Rundfunksender eine Vergütung habe zahlen müssen. Nach Auffassung der griechischen Regierung deckt die Vergütung, welche der Radio- oder Fernsehsender gezahlt hat, auch den Empfang der Sendungen auf den Radio- und Fernsehapparaten in den Hotelzimmern. Weiter sei zu berücksichtigen, dass in bestimmten Mitgliedstaaten wie beispielsweise in Griechenland bereits eine Gebühr dafür gezahlt werden müsse, um Radio- und Fernsehprogramme empfangen zu können. Diese werde auch von Hotels gezahlt und somit mittelbar über den Zimmerpreis auch von den Gästen.

    61.

    Auch die Kommission ist der Auffassung, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nicht so auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat in einem Fall wie dem vorliegenden dazu verpflichtet ist, die Zahlung einer angemessenen Vergütung vorzusehen.

    62.

    Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 könne nicht ohne Weiteres auf Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 übertragen werden. Vielmehr seien die Unterschiede zwischen diesen beiden Bestimmungen zu berücksichtigen. Während einem Urheber das höchste Schutzniveau und daher ein ausschließliches Recht eingeräumt werde, werde dem Tonträgerhersteller nur ein schwächeres Recht auf angemessene Vergütung gewährt. Weiter stünden die beiden Vorschriften in einem unterschiedlichen völkerrechtlichen Kontext.

    63.

    Trotz dieser Unterschiede ist nach Auffassung der Kommission in einem Fall wie dem vorliegenden von einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 auszugehen. Zunächst erfasse diese Bestimmung auch mittelbare Übertragungen. Weiter ergebe sich aus Art. 2 Buchst. g WPPT, dass es für eine Wiedergabe im Sinne des Art. 15 Abs. 1 WPPT ausreiche, dass der Tonträger hörbar gemacht werde. Ferner sei die Wiedergabe öffentlich. Die Öffentlichkeit der Wiedergabe richte sich danach, ob der Ort, an dem der Tonträger abgespielt werde, privater oder öffentlicher Natur sei, ob die Wiedergabe einen wirtschaftlichen Wert habe und wie groß der Kreis der Hörer sei. Nach diesen Kriterien sei im vorliegenden Fall entsprechend dem Urteil SGAE/Rafael Hoteles von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen.

    64.

    Allerdings vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung durch den Hotelbetreiber im vorliegenden Fall nicht angemessen sei. Erstens hätten die Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 Ermessen. Dieses resultiere aus den auf völkerrechtlicher Ebene eingeräumten Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, Beschränkungen und Ausnahmen vorzusehen. Es erlaube ihnen nicht nur, zu entscheiden, wann eine Vergütung angemessen sei, sondern auch, ob eine solche überhaupt angemessen sei. Zweitens sei es unvereinbar mit dem unterschiedlichen Schutzniveau von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 einerseits und von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 andererseits, wenn auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Rundfunksender bereits eine angemessene Vergütung gezahlt habe, eine weitere Vergütung durch den Hotelbetreiber zu zahlen wäre. Dagegen komme es nicht darauf an, ob das Publikum ein Interesse an Wiedergabe habe oder nicht.

    B – Rechtliche Würdigung

    65.

    Hintergrund dieser Vorlagefragen ist das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache SGAE/Rafael Hoteles ( 12 ). Darin hat der Gerichtshof klargestellt, dass ein Hotelbetreiber, der ein Fernsehsignal mittels Fernsehapparaten, die in den Hotelzimmern aufgestellt sind, verbreitet, die in der Fernsehsendung genutzten Werke im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 öffentlich wiedergibt. Diese Bestimmung regelt das ausschließliche Recht eines Urhebers, die öffentliche Wiedergabe seiner Werke zu erlauben oder zu verbieten. Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien insbesondere darüber, ob diese in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgenommene Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe auf denselben Begriff in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 übertragbar ist. Vor diesem Hintergrund möchte ich zunächst auf das Urteil SGAE/Rafael Hoteles eingehen (1), bevor ich auf die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 eingehen werde (2).

    1. Zur Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29

    66.

    Im Urteil SGAE/Rafael Hoteles hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Verbreitung eines Signals mittels in Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate, die ein Hotel für seine Gäste vornimmt, unabhängig von der Übertragungstechnik des Signals eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellt. Dies hat er wie folgt begründet:

    67.

    Erstens hat er auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2001/29 Bezug genommen. Zunächst hat er auf den 23. Erwägungsgrund verwiesen, dem zufolge der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in einem weiten Sinne verstanden werden muss. ( 13 ) Weiter hat er ausgeführt, dass nur so das im neunten und zehnten Erwägungsgrund erwähnte Ziel erreicht werden könne, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und ihnen für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung zu gewähren. ( 14 )

    68.

    Als Zweites hat sich der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung zu anderen unionsrechtlichen Bestimmungen berufen. ( 15 )

    69.

    Drittens hat er auf die kumulativen Wirkungen abgestellt, die sich daraus ergäben, dass die Hotelgäste in Hotelzimmern gewöhnlich rasch aufeinanderfolgten und somit die Zugänglichmachung zu den Werken eine erhebliche Bedeutung erlangen könne. ( 16 )

    70.

    Viertens hat der Gerichtshof festgestellt, dass nach Art. 11bis Abs. 1 Ziff. ii der Revidierten Berner Übereinkunft (im Folgenden: RBÜ) eine eigenständige öffentliche Wiedergabe vorliege, wenn eine Sendung, die von einer ursprünglichen Sendeanstalt übermittelt werde, von einer weiteren Sendeanstalt weiterverbreitet werde. Damit werde das Werk nämlich mittelbar durch die Wiedergabe der Radio- und Fernsehsendung einem neuen Publikum gegenüber wiedergegeben. ( 17 )

    71.

    Fünftens hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang die Öffentlichkeit einer mittelbaren Wiedergabe unter Verweis auf den WIPO-Leitfaden mit Blick auf die bereits erteilte Erlaubnis des Urhebers definiert. Er hat herausgestellt, dass die Erlaubnis des Urhebers zur Übertragung seines Werks durch den Rundfunk nur die unmittelbare Zuhörerschaft erfasse, also die Besitzer von Empfangsgeräten, welche die Sendung allein im privaten bzw. familiären Kreis empfangen. Allerdings werde dann, wenn die Übertragung zu dem Zweck erfolge, einen weiteren Kreis, oft gegen Vergütung, zu unterhalten, ein zusätzlicher Teil der Öffentlichkeit in die Lage versetzt, das Werk anzuhören oder anzusehen. Die Wiedergabe der Sendung über Lautsprecher oder über eine ähnliche Vorrichtung sei dann nicht mehr nur der Empfang der Sendung selbst, sondern eine eigenständige Handlung, durch die das gesendete Werk für ein neues Publikum wiedergegeben werde. ( 18 )

    72.

    Sechstens hat er festgestellt, dass die Gäste eines Hotels ein neues Publikum darstellten. Das Hotel werde als Einrichtung tätig, die in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens den Gästen Zugang zu den geschützten Werken verschaffe. ( 19 )

    73.

    Siebtens hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass es für eine öffentliche Wiedergabe ausreiche, wenn das Werk der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich gemacht werde, dass deren Mitglieder dazu Zugang hätten. ( 20 )

    74.

    Achtens hat der Gerichtshof berücksichtigt, dass die Verschaffung des Zugangs zu den ausgestrahlten Werken eine zusätzliche Dienstleistung darstelle, die erbracht werde, um daraus einen gewissen Nutzen zu ziehen. In einem Hotel diene sie sogar Erwerbszwecken, da sich diese Dienstleistung auf den Standard des Hotels und somit auf den Preis der Zimmer auswirke. ( 21 )

    75.

    Neuntens hat der Gerichtshof allerdings einschränkend klargestellt, dass die bloße Bereitstellung von Empfangsgeräten als solche keine Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstelle. Dagegen stelle die Verbreitung eines Signals mittels in den Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate, die ein Hotel für seine Gäste vornehme, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Vorschrift dar, und zwar unabhängig davon, mit welcher Technik das Signal übertragen werde. ( 22 )

    2. Zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115

    76.

    Bevor ich auf die Auslegung der in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 verwendeten Begriffe der öffentlichen Wiedergabe (c) und des Nutzers (d), sowie auf die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung (e) eingehen werde, möchte ich vorab klarstellen, dass es sich bei diesen Begriffen um autonome Begriffe des Unionsrechts handelt (a), die unter Beachtung ihres völkerrechtlichen Kontexts (b) ausgelegt werden müssen.

    a) Autonome Begriffe des Unionsrechts

    77.

    Einige der Verfahrensbeteiligten weisen darauf hin, dass eine einheitliche Auslegung bestimmter Begriffe des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115, wie etwa des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe, unionsrechtlich nicht vorgegeben sei. Daher obliege es den Mitgliedstaaten, diese Begriffe zu definieren.

    78.

    Hierzu ist anzumerken, dass es sich bei den in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie verwendeten Begriffen mangels Verweises auf das Recht der Mitgliedstaaten um autonome Begriffe des Unionsrechts handelt. Im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und aus Rücksicht auf den Gleichheitssatz in der gesamten Union sind diese einheitlich auszulegen. ( 23 ) Nur so kann das im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 genannte Ziel erreicht werden, die Ausübung der schöpferischen, künstlerischen und unternehmerischen Tätigkeiten durch einen gemeinschaftsweit harmonisierten rechtlichen Rahmen zu erleichtern.

    79.

    Allerdings kann in bestimmten Fällen trotz Vorliegens eines autonomen Begriffs des Unionsrechts nur eine sehr eingeschränkte Harmonisierung vorgenommen worden sein, so dass die Regelungsdichte des Begriffs sehr niedrig ist. In solchen Fällen wird unionsrechtlich nur ein weiter Regelungsrahmen vorgegeben, der von den Mitgliedstaaten auszufüllen ist. ( 24 ) Davon ist der Gerichtshof bei dem Begriff der Angemessenheit der Vergütung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 ausgegangen. ( 25 ) Da die Beurteilung der Regelungsdichte eines Begriffs allerdings für jeden in einer Bestimmung genannten Begriff einzeln erfolgen muss, können daraus keine Rückschlüsse für die weiteren in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 verwendeten Begriffe gezogen werden.

    b) Völkerrechtlicher und unionsrechtlicher Kontext

    80.

    Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmung über das Recht auf angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 mit Blick auf ihren völkerrechtlichen Kontext ausgelegt werden muss.

    81.

    Das Recht auf angemessene Vergütung ist nämlich auf völkerrechtlicher Ebene in Art. 12 des Rom-Abkommens und in Art. 15 WPPT geregelt. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 muss somit mit Blick auf diese völkerrechtlichen Bestimmungen ausgelegt werden.

    82.

    Soweit es um den WPPT geht, ergibt sich dies bereits daraus, dass die Union selbst Vertragspartei ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen des Unionsrechts nämlich insbesondere dann im Lichte eines völkerrechtlichen Vertrags auszulegen, wenn die Union Vertragspartei ist und mit diesen unionsrechtlichen Bestimmungen den Vertrag durchführen möchte. ( 26 )

    83.

    Soweit es um das Rom-Abkommen geht, ist zwar darauf hinzuweisen, dass die EU selbst keine Vertragspartei des Rom-Abkommens ist. Allerdings ergibt sich aus dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115, dem zufolge keine Harmonisierung in einer Weise erfolgen soll, dass die Rechtsvorschriften in Widerspruch zum Rom-Abkommen stehen, dass die Bestimmungen des Rom-Abkommens berücksichtigt werden müssen.

    c) Zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe

    84.

    Von seinem Wortlaut her lässt sich der Begriff der öffentlichen Wiedergabe unterscheiden in zwei Elemente. Erstens muss eine Wiedergabe vorliegen. Zweitens muss diese Wiedergabe öffentlich sein.

    i) Zum Begriff der Wiedergabe

    85.

    Was unter einer Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 zu verstehen ist, wird zwar in dieser Richtlinie nicht ausdrücklich definiert. Dem Wortlaut und dem Kontext dieser Bestimmung können allerdings Hinweise darauf entnommen werden, wie dieser Begriff auszulegen ist.

    86.

    Wie oben dargelegt, ( 27 ) sind für die Auslegung des Begriffs der Wiedergabe in dieser Bestimmung die Vorgaben des Art. 12 des Rom-Abkommens und des Art. 15 WPPT zu berücksichtigen. Für den Begriff der Wiedergabe sind insbesondere Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. g WPPT von Bedeutung. Art. 15 Abs. 1 sieht vor, dass ausübende Künstler und Tonträgerhersteller bei einer unmittelbaren oder mittelbaren Benutzung für eine Sendung oder eine öffentliche Wiedergabe einen Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung haben. In Art. 2 Buchst. g WPPT ist der Begriff der öffentlichen Wiedergabe eines Tonträgers definiert als die öffentliche Wiedergabe eines der auf einem Tonträger festgelegten Töne oder Darstellung von Tönen auf einem anderen Weg als durch Sendung. Weiter wird dort präzisiert, dass es für eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 15 WPPT ausreicht, wenn die auf einem Tonträger festgelegten Töne hörbar gemacht oder dargestellt werden.

    87.

    Daraus lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Begriff der Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 ziehen:

    88.

    Erstens erfasst Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 sowohl unmittelbare als auch mittelbare Wiedergaben. Dafür sprechen zunächst der offene Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Aus der Entstehungsgeschichte der Richtlinie 92/100 ergibt sich nämlich, dass eine weitere Konkretisierung des Begriffs der Wiedergabe durch den Zusatz der Wörter „unmittelbar oder mittelbar“ nicht für notwendig erachtet wurde, da bei der Verwendung des Begriffs der Wiedergabe offensichtlich sei, dass auch mittelbare Wiedergaben erfasst würden. ( 28 ) Für eine solche Auslegung spricht seit seinem Inkrafttreten nunmehr auch Art. 15 WPPT, nach dessen Vorgaben ein Anspruch auch für mittelbare Übertragungen bestehen muss. ( 29 )

    89.

    Zweitens genügt es für eine Wiedergabe, dass Töne, die auf dem Tonträger festgelegt sind, hörbar gemacht werden. Darauf, ob ein Gast die Töne tatsächlich gehört hat, kommt es nicht an. Dafür spricht zunächst Art. 2 Buchst. g WPPT, der auf das Hörbarmachen abstellt. Weiter dürfte es nach dem Sinn und Zweck der Richtlinie 2006/115 ausreichen, wenn der Gast die rechtliche und praktische Möglichkeit zum Genuss der Tonträger hat. ( 30 ) Eine solche Auslegung hat auch den Vorzug, dass sie sich in dieser Hinsicht mit der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 deckt.

    90.

    Unter Anwendung dieser Vorgaben ist festzustellen, dass der Begriff der Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 so auszulegen ist, dass eine solche dann gegeben ist, wenn ein Hotelbetreiber in den Gastzimmern Fernsehapparate und/oder Radios aufstellt und zu diesen ein Sendesignal übermittelt. In diesem Fall liegt nämlich eine mittelbare Wiedergabe vor, ohne dass es darauf ankommt, ob die Gäste das Fernseh- oder Radioprogramm tatsächlich empfangen haben.

    91.

    Die Kommission trägt in diesem Zusammenhang vor, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 grundsätzlich nicht weiter ausgelegt werden dürfe als der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. Es sei zu berücksichtigen, dass der Unionsgesetzgeber ein höheres Schutzniveau für Urheberrechte als für die verwandten Schutzrechte der Tonträgerhersteller und der ausübenden Künstler habe vorsehen wollen und es somit systemwidrig sei, Tonträgerherstellern und ausübenden Künstlern nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 weiter gehende Rechte zu gewähren als Urhebern nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. Aus diesem Grund seien der 23. und der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 zu berücksichtigen.

    92.

    Der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 steht der Annahme einer Wiedergabe in einem Fall wie dem vorliegenden allerdings nicht entgegen. Er ist nämlich so zu verstehen, dass Personen, die Abspielgeräte zur Verfügung stellen, ohne zugleich Kontrolle über den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu haben, damit noch keine öffentliche Wiedergabe vornehmen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Fernseh- oder Radioapparate verkauft oder vermietet werden oder wenn ein Internet Service Provider lediglich den Internetzugang zur Verfügung stellt. In einem Fall wie dem vorliegenden beschränkt sich der Hotelbetreiber allerdings nicht darauf, lediglich die Abspielgeräte zur Verfügung zu stellen. Vielmehr vermittelt er dem Hotelgast zwar nur mittelbar, aber doch gezielt Zugang zu den Tonträgern. ( 31 )

    93.

    Soweit die Kommission mit Verweis auf den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 die Auffassung vertritt, dass der bloße Empfang eines Sendesignals durch selbstempfangende Geräte keine Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 darstellen kann, kann dies für die Zwecke der vorliegenden Frage dahinstehen. Das vorlegende Gericht hat nämlich klargestellt, dass der Hotelbetreiber sich im vorliegenden Fall nicht darauf beschränkt hat, das Sendesignal zu empfangen, sondern es selbst erneut übermittelt hat. ( 32 )

    ii) Zum Begriff der Öffentlichkeit

    94.

    Was unter der Öffentlichkeit der Wiedergabe zu verstehen ist, ist in der Richtlinie 2006/115 ebenfalls nicht definiert.

    95.

    Anders als bei der Definition des Begriffs der Wiedergabe hilft in diesem Zusammenhang die Legaldefinition der öffentlichen Wiedergabe in Art. 2 Buchst. g WPPT nicht weiter. Dort wird nämlich das zu definierende Element der Öffentlichkeit der Wiedergabe im definierenden Teil nicht weiter konkretisiert. Vielmehr wird dort lediglich ausgeführt, dass das Hörbarmachen öffentlich sein muss, so dass sich die Legaldefinition insofern als substanzlos erweist.

    96.

    Allerdings stellt sich die Frage, ob in diesem Zusammenhang auf die oben dargelegte Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 33 ) zur Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zurückgegriffen werden kann, nach dem eine Wiedergabe in einem Hotelzimmer öffentlich sein kann, wenn das rasche Aufeinanderfolgen der Hotelgäste in den Zimmern zu einer Nutzung des geschützten Werks von erheblicher Bedeutung führt.

    97.

    Meines Erachtens ist diese Frage zu bejahen. ( 34 )

    98.

    Erstens spricht dafür, dass in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 derselbe Begriff verwendet wird. Hiergegen wendet die irische Regierung zwar ein, dass nach dem Erlass des Urteils SGAE/Rafael Hoteles im Rahmen der Konsolidierung der Richtlinie 92/100 in der Richtlinie 2006/115 kein klarstellender Hinweis dergestalt erfolgt sei, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in ihrem Art. 8 Abs. 2 gleichlaufend mit dem Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 verstanden werden muss. Dieser Einwand überzeugt mich aber nicht. Vielmehr scheint mir der Umstand, dass nach Erlass des Urteils SGAE/Rafael Hoteles der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 ohne weitere Hinweise beibehalten wurde, gerade für eine gleichlaufende Auslegung dieses Begriffs in den beiden Vorschriften zu sprechen.

    99.

    Zweitens scheint mir der enge inhaltliche und rechtliche Zusammenhang zwischen dem Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller dafür zu sprechen, dass beide Begriffe gleichlaufend auszulegen sind.

    100.

    Zunächst ist nämlich zu beachten, dass die Richtlinie 2006/115 und die Richtlinie 2001/29 insofern in einem Zusammenhang stehen, als die Rechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller nicht nur in der Richtlinie 2006/115, sondern auch in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 geregelt sind. Letztere Vorschrift sieht nämlich für den Sonderfall der öffentlichen Zugänglichmachung bei freier Wahl des Orts und der Zeit ein ausschließliches Recht der Künstler und Tonträgerhersteller vor, während Erstere für den Fall der öffentlichen Wiedergabe lediglich ein Recht auf eine angemessene Vergütung vorsieht. Vor diesem Hintergrund scheint es mir wenig naheliegend zu sein, dieselben Begriffe in diesen Richtlinien unterschiedlich auszulegen.

    101.

    Weiter muss der inhaltliche Zusammenhang zwischen dem Urheberrecht einerseits und den verwandten Schutzrechten der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller andererseits berücksichtigt werden. Urheberrechtlich geschützte musikalische Werke werden in vielen Fällen erst im Wege der Interpretation durch eine auf einem Tonträger gespeicherte Aufführung eines ausübenden Künstlers der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wird berücksichtigt, dass dieser Beitrag der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller durch das Recht auf angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie gerade honoriert werden soll, so spricht viel dafür, den Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 gleichläufig auszulegen.

    102.

    Drittens spricht hierfür auch der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115, nach dem den ausübenden Künstlern ein angemessenes Einkommen und den Tonträgerherstellern eine ausreichende Absicherung der getätigten Investitionen gewährt werden soll. Wird der vorgenannte enge Zusammenhang zwischen dem Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten berücksichtigt, so ist nicht nachvollziehbar, weshalb in einem Fall der öffentlichen Wiedergabe eines Tonträgers der Urheber ein ausschließliches Recht nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie haben soll, die ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller dagegen keine angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 erhalten, sondern leer ausgehen sollen.

    103.

    Dagegen vermögen die Einwände, die gegen eine solche gleichläufige Auslegung erhoben werden, nicht zu überzeugen.

    104.

    Erstens leuchtet mir nicht ein, weshalb der Umstand, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ein ausschließliches Recht der Urheber vorsieht, während Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 lediglich ein wirtschaftliches Recht der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller auf eine angemessene Vergütung gewährt, eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Öffentlichkeit rechtfertigen soll.

    105.

    Die Besonderheit an der Einräumung eines ausschließlichen Rechts nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 liegt darin, dass dieses dem Urheber ermöglicht, die Nutzung seiner Musik durch Nichtberechtigte zu verbieten. So weit hat der Unionsgesetzgeber bei Tonträgern, die bereits zu Handelszwecken veröffentlicht worden sind, in Hinblick auf die in ihnen verkörperten verwandten Schutzrechte der Tonträgerhersteller und der ausübenden Künstler nicht gehen wollen. Allerdings hat er diesen als Ausgleich ein Recht auf angemessene Vergütung eingeräumt. Die Regelung in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie kann somit als eine Art Zwangslizenz verstanden werden. ( 35 ) Werden diese Gedanken des Ausgleichs und der Zwangslizenz berücksichtigt, so liegt es nahe, im Falle einer öffentlichen Wiedergabe eines Tonträgers den Tonträgerherstellern und ausübenden Künstlern ein Recht auf angemessene Vergütung in all den Fällen zu gewähren, in denen ein Urheber ein ausschließliches Recht hätte.

    106.

    Zweitens kann auch daraus, dass nach dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 für den Urheber ein hohes Schutzniveau, während für die ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller nach dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 lediglich ein angemessenes Schutzniveau gelten soll, nicht zwingend geschlossen werden, dass das Element der Öffentlichkeit der Wiedergabe für die verwandten Schutzrechte enger ausgelegt werden soll. Es scheint mir viel näherliegend zu sein, dies als Hinweis darauf zu verstehen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 für Urheber ein ausschließliches Recht vorsieht, während Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller kein ausschließliches Recht, sondern lediglich ein Recht auf angemessene Vergütung vorsieht.

    107.

    Drittens wird geltend gemacht, dass der Gerichtshof die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 auf den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 gestützt habe, dem zufolge das Recht auf öffentliche Wiedergabe im weiten Sinne verstanden werden soll. Da die Richtlinie 2006/115 über keinen vergleichbaren Erwägungsgrund verfüge, müsse der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in dieser Richtlinie eng ausgelegt werden.

    108.

    Auch dieser Einwand ist im Ergebnis zurückzuweisen.

    109.

    Zwar ist einzuräumen, dass sich der Gerichtshof im Urteil SGAE/Rafael Hoteles bei der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe in der Tat auf diesen Erwägungsgrund gestützt hat und dass sich in der Richtlinie 2006/115 kein gleichlautender Erwägungsgrund findet.

    110.

    Dies rechtfertigt aber nicht, den Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 restriktiver auszulegen. Denn die vorgenannten Erwägungen und die im dritten vierten und fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 erwähnten Ziele einer angemessenen Vergütung der Rechteinhaber stützen für sich bereits den Ansatz, nach dem der Begriff der Öffentlichkeit in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 gleichlaufend auszulegen ist. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die Notwendigkeit einer weiten Auslegung auch darauf zurückgeführt hat, dass nach dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 eine angemessene Vergütung der Urheber gewährleistet werden soll. Insofern findet sich allerdings im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 ein entsprechender Erwägungsgrund, dem zufolge den Inhabern von verwandten Schutzrechten ebenfalls ein angemessenes Einkommen bzw. eine angemessene Absicherung der Investitionen gewährleistet werden soll.

    111.

    Als Zwischenergebnis ist festzustellen, dass der Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 grundsätzlich ( 36 ) wie der Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 auszulegen ist. Somit ist in einem Fall wie dem vorliegenden die Öffentlichkeit der Wiedergabe darauf zurückzuführen, dass in Hotelzimmern das rasche Aufeinanderfolgen der Hotelgäste in den Zimmern zu einer Nutzung des geschützten Werks von erheblicher Bedeutung führen kann.

    iii) Ergebnis

    112.

    Aus den vorgenannten Gründen ist der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 so auszulegen, dass ein Hotelbetreiber, der Radio- und Fernsehapparate in den Hotelzimmern aufstellt und ein Sendesignal an diese übermittelt, die in Radio- und Fernsehsendungen genutzten Tonträger mittelbar öffentlich wiedergibt.

    113.

    In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Frage, ob eine öffentliche Wiedergabe auch dann vorliegen kann, wenn mit der Wiedergabe kein Erwerbszweck verfolgt wird, in der mündlichen Verhandlung kontrovers diskutiert wurde. Da es sich im vorliegenden Fall allerdings um eine Situation handelt, in welcher das Hörbarmachen der Tonträger eine zusätzliche Dienstleistung darstellt, die sich auf den Standard des Hotels und auf den Preis der Zimmer auswirkt, liegt ein Erwerbszweck vor, so dass dieser Punkt für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens nicht weiter vertieft werden soll. ( 37 )

    d) Zum Begriff des Nutzers

    114.

    Weiter möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich bei dem Hotelbetreiber um einen „Nutzer“ im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 handelt. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie sieht nämlich vor, dass Gegner des Anspruchs auf angemessene Vergütung, der bei der Nutzung eines Tonträgers für die öffentliche Wiedergabe entsteht, der Nutzer ist.

    115.

    Nutzer im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie ist jeder, der die Tonträger drahtlos im Rundfunk überträgt oder öffentlich wiedergibt.

    116.

    Entgegen der Auffassung der irischen Regierung kann aus dem Umstand, dass in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 der Begriff des Nutzers verwendet wird, in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dagegen nicht, nicht der Schluss gezogen werden, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 restriktiv auszulegen ist. Grund für diesen Unterschied im Wortlaut der beiden Vorschriften ist nämlich folgender: Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie gewährt ein ausschließliches Recht, auf das sich ein Urheber gegenüber jedermann berufen kann. Aus diesem Grund muss der Anspruchsgegner in dieser Bestimmung nicht genannt werden. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 gewährt dagegen kein ausschließliches Recht, sondern lediglich einen Anspruch auf angemessene Vergütung. Daher muss in dieser Vorschrift auch der Anspruchsgegner festgelegt werden.

    117.

    Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass ein Hotelbetreiber, der Tonträger mittelbar öffentlich wiedergibt, ein Nutzer im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 und somit Gegner des Anspruchs auf angemessene Vergütung nach dieser Vorschrift ist.

    e) Zur Verpflichtung zur Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung

    118.

    Ferner möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 so auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Radio- oder Fernsehsender bereits eine angemessene Vergütung für die Nutzung der Tonträger in der Sendung gezahlt hat, auch ein Hotelbetreiber, der seinen Gästen Zugang zu Radio- und Fernsehsendungen auf den Hotelzimmern verschafft und somit die in den Sendungen genutzten Tonträger mittelbar öffentlich wiedergibt, ebenfalls eine angemessene Vergütung für die Nutzung der Tonträger zahlen muss.

    119.

    Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 sieht vor, dass bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe der Nutzer eine einzige angemessene Vergütung zahlt und diese Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller aufgeteilt wird. Soweit kein Einvernehmen der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller besteht, können die Mitgliedstaaten die Bedingungen festlegen, nach denen die Vergütung unter ihnen aufzuteilen ist.

    120.

    Aus dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift ergibt sich, dass der Hotelbetreiber in einem solchen Fall ebenfalls eine angemessene Vergütung zahlen muss.

    121.

    Entgegen der Auffassung der irischen Regierung lässt sich aus den Wörtern „oder“ und „einzige“ nämlich nicht entnehmen, dass ein Hotelbetreiber in einem solchen Fall keine Vergütung zahlen muss (i). Weiter vermag weder die Auffassung der irischen Regierung und der Kommission, der zufolge die Zahlung einer weiteren Vergütung nicht angemessen wäre (ii), noch der Verweis der Kommission auf das Ermessen der Mitgliedstaaten (iii) zu überzeugen. Schließlich kann der Verweis der griechischen Regierung darauf, dass in bestimmten Mitgliedstaaten Rundfunkgebühren gezahlt werden müssen, für sich allein kein Abweichen von der Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung rechtfertigen (iv).

    i) Zur Bedeutung der Wörter „oder“ und „einzige“

    122.

    Nach Auffassung der irischen Regierung ergibt sich aus den Wörtern „oder“ und „einzige“ in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115, dass ein Hotelbetreiber keine Vergütung für die mittelbare öffentliche Wiedergabe der Tonträger zahlen müsse, wenn bereits ein Radio- oder Fernsehsender eine angemessene Vergütung für die Nutzung der Tonträger in seinen Sendungen gezahlt habe.

    123.

    Dies vermag nicht zu überzeugen.

    124.

    Mit dem Gebrauch des Wortes „einzig“ in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115 hat der Unionsgesetzgeber lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass nicht eine Vergütung an die ausübenden Künstler und eine weitere an die Tonträgerhersteller zu zahlen ist, sondern nur eine einzige Vergütung, die dann zwischen den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern aufzuteilen ist.

    125.

    Hierfür sprechen erstens der Wortlaut und die Systematik der Vorschrift, und zwar insbesondere der Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2006/115, in dem geregelt wird, wie die einzige angemessenen Vergütung im Innenverhältnis zwischen den Tonträgerherstellern und den ausübenden Künstlern aufzuteilen ist.

    126.

    Zweitens scheint mir nur diese Auslegung mit dem oben dargestellten Verständnis vereinbar zu sein, dass der Anspruch auf angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115 als eine Art Zwangslizenz zu verstehen ist. Wird dieses Verständnis zugrunde gelegt, so muss immer dann, wenn ein Tonträger im Sinne dieser Bestimmung genutzt wird, also sowohl im Fall der Sendung als auch im Fall einer anschließenden öffentlichen Wiedergabe, der Eingriff in die verwandten Schutzrechte kompensiert werden, so dass jedes Mal ein Anspruch auf angemessene Vergütung entsteht.

    127.

    Drittens scheint mir gegen die Auffassung der irischen Regierung auch die völkerrechtliche Vorgabe in Art. 15 WPPT zu sprechen, aus der sich ergibt, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 auch mittelbare Wiedergaben erfassen muss. Im Falle einer mittelbaren Wiedergabe wird regelmäßig gegen denjenigen, der die Tonträger gesendet oder unmittelbar wiedergegeben hat, bereits ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung bestehen. Würde in diesem Fall eine Verpflichtung desjenigen, der die Tonträger mittelbar wiedergibt, deswegen versagt werden, weil bereits für die Sendung oder die unmittelbare Wiedergabe eine angemessene Vergütung gezahlt worden ist, so würde im Falle der mittelbaren öffentlichen Wiedergabe regelmäßig kein Vergütungsanspruch entstehen. Dies scheint mir nicht mit der völkerrechtlichen Vorgabe in Art. 15 WPPT vereinbar zu sein.

    128.

    Die Wörter „oder“ und „einzig“ in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 stehen somit in einem Fall wie dem vorliegenden der Verpflichtung eines Hotelbetreibers zur Zahlung einer angemessenen Vergütung nicht entgegen.

    ii) Zur Angemessenheit einer weiteren Zahlung

    129.

    Die irische Regierung und die Kommission berufen sich darauf, dass es nicht angemessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 sei, in einem Fall wie dem vorliegenden eine zusätzliche Vergütung gegen den Hotelbetreiber vorzusehen. Schließlich hätten die Tonträgerhersteller und die ausübenden Künstler bereits einen Anspruch gegen das Sendeunternehmen.

    130.

    Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen.

    131.

    Erstens ist sie nämlich nicht mit dem Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 zugrunde liegenden Gedanken vereinbar, nach dem eine Vergütung immer dann anfallen soll, wenn ein zusätzlicher Teil der Öffentlichkeit in die Lage versetzt wird, die Tonträger zu hören. Die angemessene Vergütung, die für die Nutzung des Tonträgers in einer Radio- oder Fernsehsendung gezahlt wird, deckt nämlich nur den Empfang der Sendung im privaten oder familiären Kreis. Die Eröffnung eines neuen Hörerkreises wie der Hotelgäste geht über diese Nutzung hinaus und stellt somit eine weitere Nutzung in Form einer mittelbaren öffentlichen Wiedergabe dar. Für diese weitere Nutzung fällt entsprechend dem Verständnis von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 als eine Art kompensatorische Zwangslizenz eine weitere angemessene Vergütung an.

    132.

    Zweitens scheint mir eine solche Auffassung nicht mit den völkerrechtlichen Vorgaben in Art. 15 WPPT vereinbar zu sein. Wie bereits dargelegt, ( 38 ) sieht diese Bestimmung vor, dass auch im Fall einer mittelbaren öffentlichen Wiedergabe eines Tonträgers eine angemessene Vergütung gezahlt werden muss. Ein Ansatz, nach dem die Zahlung einer angemessenen Vergütung für eine mittelbare Wiedergabe aus dem Grund nicht angemessen ist, weil bereits für die unmittelbare Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu zahlen ist, scheint mir diese völkerrechtliche Vorgabe zu unterlaufen.

    133.

    Drittens scheint mir der Ansatz der irischen Regierung und der Kommission geeignet zu sein, zu Wertungswidersprüchen zu führen. So müsste der Betreiber einer Bar, eines Restaurants oder einer Diskothek, der selbst Tonträger abspielt, eine angemessene Vergütung hierfür zahlen. Derselbe Betreiber müsste aber keinerlei Vergütung dafür zahlen, dass er einen Radiosender wiedergibt, der sich darauf beschränkt, Tonträger abzuspielen.

    iii) Zum Ermessen der Mitgliedstaaten

    134.

    Die Kommission vertritt zudem die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten Ermessen hätten, ob sie in einem Fall wie dem vorliegenden neben dem Anspruch auf angemessene Vergütung gegen das Sendeunternehmen auch einen Anspruch gegen den Hotelbetreiber vorsehen.

    135.

    Dem ist nicht zu folgen.

    136.

    Erstens ist festzustellen, dass die Annahme eines solchen Ermessens nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nicht naheliegt. Zwar verfügen die Mitgliedstaaten aufgrund der geringen Regelungsdichte des Begriffs der Angemessenheit ( 39 ) über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Frage, welche Vergütung sie als angemessen betrachten. Die Bestimmung räumt ihnen aber kein Ermessen darüber ein, ob sie eine Vergütung vorsehen müssen. Vielmehr sieht Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vor, dass die Mitgliedstaaten eine angemessene Vergütung sowohl im Falle einer Nutzung eines Tonträgers für Rundfunksendungen als auch im Falle einer Nutzung für eine öffentliche Wiedergabe vorsehen müssen.

    137.

    Zweitens dürfte sich eine Auslegung, nach der die Mitgliedstaaten zwar eine Vergütung vorsehen müssen, diese aber nominal auf null begrenzen können, am äußersten Rande des Wortlauts dieser Vorschrift bewegen. Gegen eine solche Auslegung dürfte zudem das Ziel des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 sprechen, den Tonträgerherstellern und den ausübenden Künstlern einen angemessenen Ausgleich dafür zu gewährleisten, dass durch die mittelbare Wiedergabe der Tonträger ein weiterer Eingriff in ihre Schutzrechte erfolgt.

    138.

    Drittens vermag auch das Argument der Kommission, dem zufolge beim Ausmaß des Ermessens der Mitgliedstaaten auf unionsrechtlicher Ebene auch der Ermessensspielraum berücksichtigt werden müsse, über den diese auf völkerrechtlicher Ebene verfügten, nicht zu überzeugen.

    139.

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf einen auf völkerrechtlicher Ebene bestehenden Ermessensspielraum berufen kann, wenn er auf unionsrechtlicher Ebene strengeren Vorgaben unterliegt. Der Ansatz der Kommission scheint mir daher bereits im Ansatz unzutreffend zu sein.

    140.

    Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Union selbst Vertragspartei des WPPT ist und somit den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus diesem Vertrag unterliegt. Nach dem Loyalitätsgrundsatz muss ein Mitgliedstaat alle Maßnahmen unterlassen, die dazu führen könnten, dass die Union ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt.

    141.

    Die Union ist an Art. 15 WPPT gebunden, der ein Recht auf angemessene Vergütung auch für mittelbare Wiedergaben vorsieht. Sie kann sich nicht auf eine Ausnahme oder Beschränkung in Hinblick auf diese Bestimmung berufen. Art. 15 Abs. 3 WPPT ist nicht einschlägig. Diese Bestimmung sieht vor, dass jede Vertragspartei in einer beim Generaldirektor der WIPO hinterlegten Notifikation erklären kann, dass sie die Bestimmungen über den Anspruch auf angemessene Vergütung in Art. 15 Abs. 1 WPPT nur in Bezug auf bestimmte Nutzungsarten anwenden oder die Anwendung in einer anderen Weise einschränken wird oder dass sie diese Bestimmung überhaupt nicht anwenden wird. Die Union hat allerdings keine solche Notifikation hinterlegt. Auch auf Art. 16 WPPT kann in diesem Zusammenhang nicht verwiesen werden. Der erste Abschnitt dieser Bestimmung ermöglicht den Vertragsparteien nämlich nur, Beschränkungen und Ausnahmen, die sie für Urheberrechte vorgesehen haben, auch für verwandte Schutzrechte vorzusehen. Es handelt sich somit nicht um eine Norm, die eine eigenständige Beschränkung und Ausnahmen nur für verwandte Schutzrechte ermöglicht. Auch der zweite Abschnitt dieser Bestimmung kann für sich allein keine Grundlage für eine Beschränkung oder Ausnahme darstellen. Er sieht nämlich selbst keine Möglichkeit einer Beschränkung oder Ausnahme vor, sondern begrenzt vielmehr das Ermessen der Vertragsparteien in Bezug auf Ausnahmen und Beschränkungen, die nach dem WPPT vorgesehen sind.

    142.

    Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass auch das auf das Ermessen der Mitgliedstaaten gestützte Argument der Kommission zurückzuweisen ist.

    iv) Zu den Auswirkungen einer Rundfunkgebühr

    143.

    Soweit die griechische Regierung schließlich darauf hinweist, dass in bestimmten Mitgliedstaaten eine Rundfunkgebühr gezahlt werden müsse, die auch von Hotels zu zahlen sei, vermag dieser Hinweis für sich allein noch nicht zu überzeugen. Soweit eine solche Gebühr nämlich nicht der angemessenen Vergütung der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller dient, sondern anderen Zwecken, wie beispielsweise der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehangebots, vermag sich die Geltendmachung einer solchen Gebühr nicht zulasten der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller auszuwirken.

    v) Ergebnis

    144.

    Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 ist somit so auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Radio- oder Fernsehsender bereits eine angemessene Vergütung für die Nutzung der Tonträger in der Sendung gezahlt hat, ein Hotelbetreiber, der seinen Gästen Zugang zu Radio- und Fernsehsendungen auf den Hotelzimmern verschafft und somit die in den Sendungen genutzten Tonträger mittelbar öffentlich wiedergibt, ebenfalls eine angemessene Vergütung für die Nutzung der Tonträger zahlen muss.

    3. Ergebnis

    145.

    Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 so auszulegen ist, dass ein Hotelbetreiber, der in den Hotelzimmern Fernseh- und/oder Radioapparate aufstellt und zu diesen ein Sendesignal übermittelt, verpflichtet ist, eine angemessene Vergütung dafür zu zahlen, dass er die in den Sendungen genutzten Tonträger mittelbar öffentlich wiedergibt, auch wenn die Radio- und Fernsehsender ihrerseits bereits eine angemessene Vergütung dafür gezahlt haben, dass sie diese Tonträger in ihrer Sendung genutzt haben.

    VIII – Zur dritten Vorlagefrage

    146.

    Mit seiner dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es den Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 gestattet ist, Hotelbetreiber von der Verpflichtung zur Zahlung „einer einzigen angemessenen Vergütung“ freizustellen. Diese würde voraussetzen, dass es sich bei der mittelbaren öffentlichen Wiedergabe von Tonträgern über Radio- und Fernsehapparate um eine „private Benutzung“ im Sinne dieser Bestimmung handelt.

    A – Wesentliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    147.

    Nach Auffassung der Klägerin im Ausgangsverfahren findet Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 in einem Fall wie dem vorliegenden keine Anwendung. Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Urteil SGAE/Rafael Hoteles ergebe, liege in einem solchen Fall keine private Nutzung im Sinne dieser Vorschrift vor. Das Hotel nutze die Tonträger geschäftlich, indem es sie zu seinem wirtschaftlichen Interesse öffentlich wiedergebe. Auf die private Natur der Nutzung durch den Hotelgast oder des Ortes der Nutzung komme es nicht an. Ohnehin erlaube Art. 10 der Richtlinie 2006/115, der als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei, nur Beschränkungen des Anspruchs auf eine angemessene Vergütung und daher nicht eine so weitgehende Ausnahme wie die irische Regelung. Ferner erfülle diese Regelung nicht die Voraussetzungen des in Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie enthaltenen Drei-Stufen-Tests.

    148.

    Nach Auffassung der irischen und der griechischen Regierung, sowie der Kommission erlaubt Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 einem Mitgliedstaat, eine Ausnahme wie die irische Regelung vorzusehen. Die irische und die griechische Regierung weisen zunächst darauf hin, dass die Nutzung der Radio- und Fernsehapparate durch den Hotelgast auf dem Hotelzimmer privat sei, da ein Hotelzimmer zur grundrechtlich geschützten Privatsphäre gehöre. Nach Auffassung der irischen Regierung ist auf die einzelnen Zuschauer in den einzelnen Zimmern abzustellen. Das Urteil SGAE/Rafael Hoteles sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Ohnehin habe der Gerichtshof es in diesem Urteil nicht für unvereinbar gehalten, dass die Hotelzimmer privater Natur seien und doch eine öffentliche Wiedergabe stattfinde. Die Kommission trägt in diesem Zusammenhang vor, dass die Richtlinie 2006/115 keine Definition des Begriffs der privaten Benutzung vorsehe und es aus diesem Grund einem Mitgliedstaat freistehe, bestimmte Orte als private Orte im Sinne des Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115 zu definieren. Weiter steht nach Auffassung der irischen Regierung und der Kommission auch der Drei-Stufen-Test nach Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115 einer Anwendung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a nicht entgegen.

    B – Rechtliche Würdigung

    149.

    Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die in Kapitel 2 der Richtlinie enthaltenen Rechte, zu denen auch das Recht auf angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 gehört, im Falle einer privaten Benutzung beschränken können.

    150.

    Diese Bestimmung ist so auszulegen, dass nach ihr in einem Fall wie dem vorliegenden die Verpflichtung eines Hotelbetreibers, nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 eine angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe von Tonträgern zu zahlen, nicht beschränkt werden kann.

    151.

    Im Rahmen von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 kommt es nämlich auf die Beurteilung der jeweiligen Nutzung an. Weiter ist die öffentliche oder private Natur der jeweiligen Nutzung entscheidend, nicht aber die öffentliche oder private Natur des Ortes, an dem diese Nutzung stattfindet. ( 40 )

    152.

    Die Nutzung der Tonträger, die im vorliegenden Fall zur Entstehung des Anspruchs auf angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 geführt hat, ist die Nutzung durch den Hotelbetreiber in Form einer öffentlichen Wiedergabe. Diese Nutzung scheint mir deswegen nicht unter die Ausnahme nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 fallen zu können, weil eine Nutzung durch den Hotelbetreiber in Form einer öffentlichen Wiedergabe schwerlich gleichzeitig als private Nutzung durch den Hotelbetreiber angesehen werden kann. Bei den Begriffen „privat“ und „öffentlich“ handelt es sich nämlich offensichtlich um Antonyme. ( 41 )

    153.

    Ob dagegen das Verhalten eines Hotelgasts auf seinem Hotelzimmer als eine private Nutzung zu beurteilen ist, ist für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens irrelevant. Vorliegend geht es nicht um die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie auf eine Nutzung durch einen Hotelgast, sondern auf die Nutzung durch den Hotelbetreiber. In einem Fall wie dem vorliegenden kann nämlich die Nutzung der Tonträger durch den Hotelbetreiber eine öffentliche Wiedergabe darstellen, für den Hotelgast dagegen eine private Nutzung sein. In diesem Sinne scheinen mir auch die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil SAGE/Rafael Hoteles zu verstehen zu sein, in dem er trotz des Hinweises auf den privaten Charakter von Hotelzimmern das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe bejaht hat. ( 42 )

    154.

    Einer solchen Auslegung von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Vorschrift damit jegliche praktische Wirksamkeit verliert. Vielmehr behält diese Vorschrift einen eigenständigen Anwendungsbereich, und zwar insbesondere auf Nutzungen, die nicht in einer öffentlichen Wiedergabe bestehen, sondern in einer anderen Nutzung, wie beispielsweise die Aufzeichnung im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2006/115.

    155.

    Schließlich ist auch der Ansatz der Kommission zurückzuweisen, dem zufolge es mangels einer Legaldefinition des Begriffs der privaten Benutzung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 den Mitgliedstaaten grundsätzlich freistehe, bestimmte Orte als private Orte im Sinne dieser Bestimmung zu definieren. Erstens handelt es sich bei dem Begriff der privaten Benutzung im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen ist. ( 43 ) Das Fehlen einer Legaldefinition in der Richtlinie hat somit nicht ohne Weiteres zur Folge, dass die Mitgliedstaaten Ermessen hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der privaten Benutzung haben. Wie vorab dargelegt, liegt hier auch kein Fall vor, in dem die Regelungsdichte der Bestimmung derart niedrig ist, dass den Mitgliedstaaten bei der Ausfüllung des unionsrechtlichen Rahmens ein weiter Ermessensspielraum zukommt. Vielmehr verfügt der Begriff der privaten Nutzung über eine ebenso scharfe Kontur wie der Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe, da sich die Begriffe des Privaten und des Öffentlichen gegenseitig ausschließen.

    156.

    Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 so auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Hotelbetreiber Tonträger öffentlich wiedergibt, seine Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung somit nicht nach dieser Vorschrift ausgeschlossen werden kann, weil in einem solchen Fall keine private Benutzung durch den Hotelbetreiber vorliegt.

    IX – Zur vierten Vorlagefrage

    157.

    Mit seiner vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Hotelbetreiber, der in Gastzimmern Geräte (anderer Art als Fernseh- oder Radiogeräte) und Tonträger in physischer oder digitaler Form zur Verfügung stellt, die mit einem solchen Gerät abgespielt oder gehört werden können, ein „Nutzer“ ist, der eine „öffentliche Wiedergabe“ der Tonträger im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vornimmt.

    A – Wesentliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    158.

    Nach Auffassung der Klägerin im Ausgangsverfahren ist diese Frage zu bejahen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass ein Hotelbetreiber in einem solchen Fall eine öffentliche Wiedergabe gegenüber den Hotelgästen vornehme, die ansonsten keinen Zugang zu diesen Tonträgern gehabt hätten. Es handle sich in diesem Fall nicht um die bloße Bereitstellung von eine Wiedergabe ermöglichenden Einrichtungen, die nach dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 keine Wiedergabe darstelle.

    159.

    Nach Auffassung der irischen und der griechischen Regierung sowie der Kommission ist diese Frage zu verneinen. Die griechische Regierung verweist auf ihre Ausführungen hinsichtlich der ersten Vorlagefrage. Die irische Regierung und die Kommission vertreten die Auffassung, dass es keine öffentliche Wiedergabe darstelle, wenn der Hotelbetreiber dem Hotelgast Abspielgeräte und Tonträger zur Verfügung stelle und der Hotelbetreiber somit auch kein Nutzer sei, der eine Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/155 zahlen müsse.

    B – Rechtliche Würdigung

    160.

    Mit seiner vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Hotelbetreiber, der Gästen auf ihren Hotelzimmern Abspielgeräte für Tonträger und die entsprechenden Tonträger in physischer oder digitaler Form zur Verfügung stellt, eine angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 zahlen muss. In seinem Vorabentscheidungsersuchen hat es klargestellt, dass es nicht um Fälle der interaktiven Übertragung oder der Übertragung on demand geht. Auch in diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob der Hotelbetreiber in diesem Fall Tonträger für eine öffentliche Wiedergabe nutzt. Ich werde im Folgenden zunächst auf den Begriff der Wiedergabe eingehen (1), bevor ich mich mit dem Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe beschäftigen werde (2).

    1. Zum Begriff der Wiedergabe

    161.

    Wie ich oben dargelegt habe, ( 44 ) liegt eine Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vor, wenn eine unmittelbare oder mittelbare Übertragung der auf einem Tonträger festgelegten Töne oder die Darstellung von Tönen auf einem anderen Weg als durch Sendung erfolgt, wobei dies auch das Hörbarmachen der auf einem Tonträger festgelegten Töne oder Darstellungen von Tönen umfasst. Es kommt somit nicht darauf an, dass die auf dem Tonträger festgelegten Töne hörbar gemacht werden. ( 45 )

    162.

    Diese Voraussetzungen für eine Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 scheinen mir somit in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Hotelbetreiber den Hotelgästen sowohl die Abspielgeräte als auch die dazugehörigen Tonträger zur Verfügung stellt, vorzuliegen.

    163.

    Die Kommission trägt in diesem Zusammenhang vor, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 grundsätzlich nicht weiter ausgelegt werden dürfe als der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. Es sei zu berücksichtigen, dass der Unionsgesetzgeber ein höheres Schutzniveau für Urheberrechte als für die verwandten Schutzrechte der Tonträgerhersteller und der ausübenden Künstler habe vorsehen wollen und es somit systemwidrig sei, Tonträgerherstellern und ausübenden Künstlern nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 weiter gehende Rechte zu gewähren als Urhebern nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. Aus diesem Grund seien der 23. und der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 zu berücksichtigen.

    164.

    Der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 steht der Annahme einer Wiedergabe im vorliegenden Fall allerdings nicht entgegen. Er ist nämlich so zu verstehen, dass Personen, die Abspielgeräte zur Verfügung stellen, ohne zugleich Kontrolle über den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu haben, damit noch keine öffentliche Wiedergabe vornehmen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Fernseh- oder Radioapparate verkauft oder vermietet werden oder wenn ein Internet Service Provider lediglich den Internetzugang zur Verfügung stellt. In einem Fall wie dem vorliegenden beschränkt sich der Hotelbetreiber allerdings nicht darauf, lediglich die Abspielgeräte zur Verfügung zu stellen. Vielmehr stellt er dem Hotelgast gezielt auch Tonträger zur Verfügung und vermittelt den Hotelgästen somit einen unmittelbaren Zugang zu den auf den Tonträgern gespeicherten Tönen.

    165.

    Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass ein Hotelbetreiber, der seinen Gästen nicht nur die Abspielgeräte, sondern auch die entsprechenden Tonträger zur Verfügung stellt, die in Tonträgern verkörperten urheberrechtlich geschützten Werke zugänglich und die Tonträger hörbar macht, so dass eine öffentliche Wiedergabe sowohl im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 als auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vorliegt.

    2. Zum Begriff der Öffentlichkeit

    166.

    Wie oben dargelegt, ( 46 ) sind die Begriffe der Öffentlichkeit in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 grundsätzlich gleichlaufend auszulegen, so dass die vom Gerichtshof im Urteil SGAE/Rafael Hoteles herausgearbeiteten Kriterien angewendet werden können.

    167.

    Auch bei einer Überlassung von Abspielgeräten und Tonträgern in physischer oder digitaler Form werden die Tonträger einem neuen Publikum gegenüber veröffentlicht, was bei rascher Aufeinanderfolge der Hotelgäste zu einer kumulativen Wirkung und somit zu einer Zugänglichmachung von erheblicher Bedeutung führt.

    168.

    Der Sachverhalt ist auch im Übrigen mit dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar, weil ein Hotelbetreiber, der in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens den Gästen Zugang zu den geschützten Werken verschafft, den Zweck verfolgt, einen weiteren Kreis zu unterhalten. Weiter stellt auch im vorliegenden Fall die Verschaffung des Zugangs zu den Werken eine zusätzliche Dienstleistung dar, die erbracht wird, um daraus einen gewissen Nutzen zu ziehen, und die sich somit auf den Preis der Zimmer auswirken kann.

    169.

    Als Argument gegen die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 kann auch nicht auf den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 verwiesen werden.

    170.

    Erstens sollte mit diesem Erwägungsgrund nur klargestellt werden, dass direkte Aufführungen und Darbietungen des Werks nicht vom Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 erfasst sein sollen. ( 47 ) Eine direkte Aufführung oder Darbietung eines Werks liegt hier nicht vor.

    171.

    Zweitens kann dieser Gedanke ohnehin nicht auf die Wiedergabe eines Tonträgers im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 übertragen werden. Der Begriff der Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 muss nämlich mit Rücksicht auf den spezifischen Kontext dieser Bestimmung und somit mit Rücksicht auf Art. 15 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. g WPPT ausgelegt werden. Danach liegt eine Wiedergabe von Tonträgern vor, wenn die auf einem Tonträger festgelegten Töne öffentlich hörbar gemacht werden. Mit dieser Definition haben die Vertragsparteien des WPPT klarstellen wollen, dass eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 15 WPPT auch dann vorliegt, wenn die Wiedergabe des Tonträgers vor einem Publikum erfolgt, das an dem Ort der Wiedergabe des Tonträgers anwesend ist. ( 48 )

    172.

    Für eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Bedeutung des 23. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2001/29 für den Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 verweise ich auf die Nrn. 90 bis 109 sowie 114 bis 125 meiner Schlussanträge in der Rechtssache C-135/10, SCF.

    173.

    In einem Fall wie dem vorliegenden ist die Wiedergabe somit auch öffentlich.

    3. Zum Begriff des Nutzers

    174.

    Wie oben dargelegt, ( 49 ) ist jeder, der die Tonträger öffentlich im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 wiedergibt, als Nutzer im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.

    4. Ergebnis

    175.

    Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass ein Hotelbetreiber, der den Gästen auf ihren Hotelzimmern Abspielgeräte für Tonträger und die entsprechenden Tonträger in physischer oder digitaler Form zur Verfügung stellt, diese Tonträger für eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nutzt und somit eine angemessene Vergütung hierfür nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 zahlen muss.

    X – Zur fünften Vorlagefrage

    176.

    Mit seiner fünften Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für den Fall, in dem die vierte Vorlagefrage positiv zu beantworten ist, es den Mitgliedstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 2006/115 gestattet ist, Hotelbetreiber von der Verpflichtung zur Zahlung „einer einzigen angemessenen Vergütung“ freizustellen, weil es sich um eine „private Benutzung“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 handelt.

    A – Wesentliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    177.

    Die Klägerin im Ausgangsverfahren ist der Auffassung, dass diese Frage aus denselben Gründen wie den zur dritten Vorlagefrage genannten zu verneinen ist. Nach Auffassung der irischen und der griechischen Regierung ist diese Frage zu bejahen. Die irische Regierung führt aus, dass es sich in einem Fall wie dem vorliegenden um eine private Nutzung handle. Die griechische Regierung verweist auf die im Rahmen der dritten Frage genannten Argumente. Nach Auffassung der Kommission ist es aufgrund der Antwort auf die vierte Vorlagefrage nicht erforderlich, auf die letzte Frage einzugehen.

    B – Rechtliche Würdigung

    178.

    Die fünfte Vorlagefrage ist zu verneinen. Wie sich bereits aus den Ausführungen zur dritten Frage ergibt, kann in dem Fall, in dem eine Nutzung in Form einer öffentlichen Wiedergabe vorliegt, die Beschränkung für eine private Benutzung nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 nicht zur Anwendung kommen.

    XI – Ergebnis

    179.

    Aus den vorgenannten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefragen zu antworten:

    1.

    Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung) bzw. der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums ist so auszulegen, dass ein Betreiber eines Hotels oder von Gästezimmern, der in den Zimmern Fernsehapparate und/oder Radios aufstellt, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, die in den Sendungen abgespielten Tonträger für eine mittelbare öffentliche Wiedergabe nutzt.

    2.

    In einem solchen Fall sind die Mitgliedstaaten im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2006/115 bzw. der Richtlinie 92/100 verpflichtet, einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen den Betreiber des Hotels oder der Gästezimmer auch dann vorzusehen, wenn bereits die Radio- und Fernsehsender für die Nutzung der Tonträger in ihren Sendungen eine angemessene Vergütung gezahlt haben.

    3.

    Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 bzw. der Richtlinie 92/100 ist so auszulegen, dass ein Hotelbetreiber, der den Gästen auf ihren Zimmern Abspielgeräte für Tonträger anderer Art als Fernseh- oder Radiogeräte und dazugehörige Tonträger in physischer oder digitaler Form zur Verfügung stellt, die mit einem solchen Gerät abgespielt oder gehört werden können, diese Tonträger für eine öffentliche Wiedergabe nutzt.

    4.

    Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115 bzw. der Richtlinie 92/100 ist so auszulegen, dass ein Betreiber eines Hotels oder von Gästezimmern, der einen Tonträger für die öffentliche Wiedergabe nutzt, diese nicht privat nutzt und eine Ausnahme von dem Anspruch auf angemessene Vergütung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 auch dann nicht möglich ist, wenn die Nutzung durch den Gast auf seinem Zimmer privaten Charakter hat.


    ( 1 ) Originalsprache: Deutsch.

    ( 2 ) ABl. L 346, S. 61.

    ( 3 ) ABl. L 376, S. 28.

    ( 4 ) Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE/Rafael Hoteles (C-306/05, Slg. 2006, I-11519).

    ( 5 ) ABl. L 167, S. 10.

    ( 6 ) Wiedergabe nach dem deutschen Bundesgesetzblatt 1965 II S. 1245.

    ( 7 ) Siehe Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 über die Zustimmung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – zum WIPO-Urheberrechtsvertrag und zum WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger – WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) – WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT), ABl. L 89, S. 6.

    ( 8 ) In Anlehnung an die im EUV und im AEUV verwendeten Bezeichnungen wird der Begriff „Unionsrecht“ als Gesamtbegriff für Gemeinschaftsrecht und Unionsrecht verwendet. Soweit es im Folgenden auf einzelne primärrechtliche Bestimmungen ankommt, werden die ratione temporis geltenden Vorschriften angeführt.

    ( 9 ) Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357, Randnr. 35), vom 5. März 1996 (Brasserie du pêcheur und Factortame, C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 31), und vom 9. Dezember 2010, Combinatie Spijker Infrabouw/De Jonge Konstruktie u. a. (C-568/08, Slg. 2010, I-12655, Randnr. 87).

    ( 10 ) ABl. L 372, S. 12.

    ( 11 ) Urteil vom 6. Februar 2003, SENA (C-245/00, Slg. 2003, I-1251).

    ( 12 ) Bereits in Fn. 4 angeführt.

    ( 13 ) Ebd., Randnr. 36.

    ( 14 ) Ebd., Randnr. 36.

    ( 15 ) Ebd., Randnr. 37. In diesem Zusammenhang hat er sich zunächst auf das Urteil vom 2. Juni 2005, Mediakabel (C-89/04, Slg. 2005, I-4891, Randnr. 30), berufen, in dem er im Zusammenhang mit Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23) den Begriff des Empfangs einer Fernsehsendung durch die Allgemeinheit so ausgelegt hat, dass es auf eine unbestimmte Zahl möglicher Fernsehzuschauer ankommt. Weiter hat er sich auf das Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 2005, Lagardère Active Broadcast (C-192/04, Slg. 2005, I-7199, Randnr. 31), berufen, in dem er im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. L 248, S. 15) den Begriff der öffentlichen Wiedergabe über Satellit so ausgelegt hat, dass es auf eine unbestimmte Zahl möglicher Hörer ankommt.

    ( 16 ) Ebd., Randnrn. 38 f.

    ( 17 ) Ebd., Randnr. 40.

    ( 18 ) Ebd., Randnr. 41.

    ( 19 ) Ebd., Randnr. 42.

    ( 20 ) Ebd., Randnr. 43.

    ( 21 ) Ebd., Randnr. 44.

    ( 22 ) Ebd., Randnrn. 45 f.

    ( 23 ) Ebd., Randnr. 31.

    ( 24 ) Urteil SENA (bereits in Fn. 11 angeführt, Randnr. 34).

    ( 25 ) Ebd., Randnrn. 34 bis 38.

    ( 26 ) Urteile vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland (C-61/94, Slg. 1996, I-3989, Randnr. 52), und SGAE/Rafael Hoteles (bereits in Fn. 4 angeführt, Randnr. 35). Siehe hierzu Rosenkranz, F., „Die völkerrechtliche Auslegung des EG-Sekundärrechts dargestellt am Beispiel der Urheberrechts“, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2007, S. 238 ff., 239 f.

    ( 27 ) Siehe Nr. 81 dieser Schlussanträge.

    ( 28 ) Reinbothe, J., Lewinski, S., The E.C. Directive on Rental and Lending Rights and on Piracy, Sweet & Maxwell 1993, S. 97.

    ( 29 ) Art. 12 des Rom-Abkommens sieht einen solchen Anspruch nur für unmittelbare Übertragungen vor. Die Vertragsparteien des WPPT sind in dieser Hinsicht bewusst über das Rom-Abkommen hinausgegangen.

    ( 30 ) Siehe in diesem Zusammenhang Nr. 67 der Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston vom 13. Juli 2006 in der Rechtssache SGAE/Rafael Hoteles (bereits in Fn. 4 angeführt), sowie Nr. 22 der Schlussanträge von Generalanwalt La Pergola vom 9. September 1999 in der Rechtssache Egeda (C-293/98, Slg. 2000, I-629).

    ( 31 ) Urteil SGAE/Rafael Hoteles (bereits in Fn. 4 angeführt, Randnrn. 45 f.).

    ( 32 ) An dieser Stelle verweise ich auf die Nrn. 90 bis 109 sowie 114 bis 125 meiner Schlussanträge in der Rechtssache C-135/10, SCF, in denen ich mich mit dieser Rechtsfrage auseinandersetze.

    ( 33 ) Siehe Nrn. 66 bis 75 dieser Schlussanträge.

    ( 34 ) In diesem Sinne auch Walter, M., Lewinsky, S., European Copyright Law, Oxford University Press 2010, S. 989.

    ( 35 ) WIPO, WIPO Intellectual Property Handbook, 2004, S. 318.

    ( 36 ) Für eine Auseinandersetzung mit den Fragen, wie der Begriff der Öffentlichkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 bei einem selbstempfangenden Gerät auszulegen ist und ob diese Auslegung auf den Begriff der Öffentlichkeit im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 übertragbar ist, siehe die Nrn. 114 bis 125 meiner Schlussanträge in der Rechtssache C-135/10, SCF.

    ( 37 ) Weitergehend möchte ich auf die Nrn. 128 bis 135 meiner Schlussanträge in der Rechtssache C-135/10, SCF, verweisen, in denen eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage erfolgt.

    ( 38 ) Siehe Nr. 127 dieser Schlussanträge.

    ( 39 ) Siehe Nr. 78 dieser Schlussanträge.

    ( 40 ) Siehe Mahr, F. E., „Die öffentliche Wiedergabe von Rundfunksendungen im Hotelzimmer“, Medien und Recht 2006, S. 372 ff., S. 376, der darauf hinweist, dass entscheidend nicht der Ort der Wiedergabe ist, sondern die Verwertungshandlung. Der private Charakter des Ortes hänge nämlich von technischen Zufälligkeiten im Einzelfall ab.

    ( 41 ) Dies wird auch in Hinblick auf die einschlägigen Begriffspaare auf völkerrechtlicher Ebene so vertreten, vgl. Ricketson, S., Ginsburg, J., International Copyright and Neighbouring Rights, Volume I, Oxford, 2. Aufl. 2006, Randnr. 12.02, allerdings zur RBÜ.

    ( 42 ) Bereits in Fn. 4 angeführt, Randnrn. 50 bis 54.

    ( 43 ) Siehe Nrn. 78 ff. dieser Schlussanträge.

    ( 44 ) Siehe Nrn. 85 bis 89 dieser Schlussanträge.

    ( 45 ) Siehe Nr. 89 der Schlussanträge.

    ( 46 ) Siehe Nrn. 94 bis 110 dieser Schlussanträge.

    ( 47 ) Siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG-Vertrag betreffend den vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, SEK(2000) 1734 endg.

    ( 48 ) Lewinsky, S., International Copyright and Policy, Oxford University Press 2008, S. 481.

    ( 49 ) Siehe Nrn. 114 bis 117 dieser Schlussanträge.

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