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Document 62009CP0197

Stellungnahme des Generalanwalts Mazák vom 28. Oktober 2009.
M gegen Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA).
Überprüfung des Urteils T-12/08 P - Rechtsstreit, der zur Entscheidung reif ist - Faires Verfahren - Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens - Beeinträchtigung der Einheit oder der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts.
Rechtssache C-197/09 RX-II.

Sammlung der Rechtsprechung – Öffentlicher Dienst 2009 II-B-2-00153
Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-12033;FP-I-B-2-00015

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:662

Schlußanträge des Generalanwalts

Schlußanträge des Generalanwalts

1. Mit Entscheidung vom 24. Juni 2009(2) (im Folgenden: Entscheidung des Gerichtshofs vom 24. Juni 2009) hat der Gerichtshof entschieden, eine Überprüfung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: GeI) vom 6. Mai 2009, M/EMEA(3) (im Folgenden: Urteil des GeI vom 6. Mai 2009), vorzunehmen. Nach dieser Entscheidung wird sich die Überprüfung auf die Frage erstrecken, ob das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 dadurch die Einheit oder die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt, dass das GeI als Rechtsmittelgericht den Begriff „Rechtsstreit, der zur Entscheidung reif ist“ im Sinne von Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 13 Abs. 1 des Anhangs dieser Satzung dahin ausgelegt hat, dass er es ihm ermöglichte, eine Rechtssache an sich zu ziehen und in der Sache zu entscheiden, obwohl das bei ihm anhängige Rechtsmittel die Prüfung der Frage betraf, wie eine Einrede der Unzulässigkeit im ersten Rechtszug behandelt wurde, und obwohl der Aspekt des Rechtsstreits, den es an sich gezogen hat, weder im Rechtsmittelverfahren noch vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (im Folgenden: GöD) als Gericht des ersten Rechtszugs Gegenstand einer streitigen Erörterung war.

2. Da es sich hier um den ersten Fall handelt, in dem von der Möglichkeit der Überprüfung einer Entscheidung, die das GeI als Gericht des zweiten Rechtszugs getroffen hat, durch den Gerichtshof Gebrauch gemacht wird(4), erscheint es mir angebracht, einige grundlegende Aspekte eines solchen Verfahrens kurz zu erläutern.

3. Nach Art. 220 Abs. 1 EG sichert der Gerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags. Meines Erachtens stellt die Möglichkeit, eine Rechtsmittelentscheidung des GeI zu überprüfen, eines der Mittel dar, die es dem Gerichtshof erlauben, diese Rolle zu erfüllen.

4. Hervorzuheben ist jedoch, dass es sich sowohl um ein außerordentliches als auch um das letzte Mittel handelt. Dies folgt erstens aus der allgemeinen Ausgestaltung des Systems der Gemeinschaftsgerichte, zweitens aus den Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Überprüfung, die von der in Art. 123b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen besonderen Kammer vor Eröffnung des Überprüfungsverfahrens geprüft werden, und schließlich aus dem Ergebnis der Überprüfung, das – nach der Entscheidung über ihre Zulässigkeit – in der Feststellung besteht, ob die Entscheidung des GeI die Einheit oder die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt.

5. Gegenstand des Überprüfungsverfahrens ist allein der Schutz der Einheit und der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts, die durch die falsche Rechtsmittelentscheidung des GeI gefährdet sein könnten(5) . Es soll folglich nicht die Interessen der konkreten Parteien des konkreten Verfahrens schützen, sondern gemeinschaftsrechtliche Interessen.

6. Mit dem Überprüfungsverfahren sollen also nicht ganz allgemein falsche Rechtsmittelentscheidungen des GeI korrigiert werden, sondern nur diejenigen falschen Rechtsmittelentscheidungen des GeI, die die Einheit oder die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen. Meines Erachtens könnte die falsche Entscheidung nur dann eine solche Wirkung haben, wenn sie gegen einen der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstößt, die nach der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs Verfassungsrang haben(6) und deren Beachtung die Einheit und die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts sicherstellt.

7. Wie bereits ausgeführt, werde ich zunächst kurz die Vorgeschichte des Überprüfungsverfahrens darstellen. Dann werde ich prüfen, ob das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 fehlerhaft ist, und schließlich, wenn dies der Fall sein sollte, werde ich mich mit der Frage befassen, ob das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 die Einheit oder die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt.

Vorgeschichte des Überprüfungsverfahrens

8. Herr M. klagte beim GöD auf Aufhebung der Entscheidung vom 25. Oktober 2006, mit der die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) seinen Antrag auf Einsetzung eines Invaliditätsausschusses abgelehnt hatte, und der Entscheidung vom 31. Januar 2007, mit der die EMEA seinen Schadensersatzantrag abgelehnt hatte, sowie auf Verurteilung der EMEA zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 100 000 Euro wegen Amtsfehlern.

9. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2007(7) (im Folgenden: Beschluss des GöD vom 19. Oktober 2007) wies das GöD diese Klage aufgrund einer Einrede der Unzulässigkeit im Sinne von Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des GeI(8) als unzulässig ab, ohne sich in der Sache mit ihr zu befassen.

10. Herr M legte dagegen Rechtsmittel beim GeI ein und beantragte, den genannten Beschluss sowie die Entscheidung der EMEA vom 25. Oktober 2006, soweit mit ihr der Antrag vom 8. August 2006 auf Einsetzung eines Invaliditätsausschusses abgelehnt wird, und die Entscheidung der EMEA, mit der sein Antrag auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens abgelehnt wird, aufzuheben.

11. Das GeI gab einem mit Gründen versehenen Antrag von Herrn M gemäß Art. 146 der Verfahrensordnung des GeI statt und eröffnete die mündliche Verhandlung.

12. Mit dem Urteil vom 6. Mai 2009 hob das GeI den Beschluss des GöD vom 19. Oktober 2007 auf und entschied zugleich unter Bezugnahme auf Art. 13 Abs. 1 des Anhangs der Satzung des Gerichtshofs selbst über den Rechtsstreit, wobei es die Entscheidung der EMEA vom 25. Oktober 2006, soweit mit ihr der Antrag vom 8. August 2006 auf Einsetzung des Invaliditätsausschusses abgelehnt wurde, aufhob und die EMEA zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3 000 Euro an den Kläger verurteilte.

13. Aufgrund des Vorschlags der Ersten Generalanwältin, das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 zu überprüfen, entschied der Gerichtshof am 24. Juni 2009, dass eine Überprüfung des Urteils vorzunehmen sei, die sich auf die Frage erstrecken werde, ob das Urteil des GeI dadurch die Einheit oder die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts beeinträchtige, dass das GeI als Rechtsmittelgericht den Begriff „Rechtsstreit, der zur Entscheidung reif ist“ im Sinne von Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 13 Abs. 1 des Anhangs dieser Satzung dahin ausgelegt habe, dass er es ihm ermöglicht habe, die Rechtssache an sich zu ziehen und in der Sache zu entscheiden, obwohl das bei ihm anhängige Rechtsmittel die Prüfung der Frage betroffen habe, wie eine Einrede der Unzulässigkeit im ersten Rechtszug behandelt worden sei, und obwohl der Aspekt des Rechtsstreits, den es an sich gezogen habe, weder im Rechtsmittelverfahren noch vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union als Gericht des ersten Rechtszugs Gegenstand einer streitigen Erörterung gewesen sei. Der Gerichtshof forderte die in Art. 23 seiner Satzung genannten Beteiligten und die Parteien des Verfahrens vor dem GeI auf, schriftliche Erklärungen zu dieser Frage abzugeben.

14. Herr M, die EMEA, die italienische und die polnische Regierung, das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben schriftliche Erklärungen abgegeben.

Zur etwaigen Fehlerhaftigkeit des Urteils des GeI vom 6. Mai 2009

15. Aus der Entscheidung des Gerichtshofs vom 24. Juni 2009 ergibt sich, dass das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 nicht in materiell-rechtlicher Hinsicht zu überprüfen ist, sondern aus dem Blickwinkel der falschen Anwendung von Verfahrensregeln, und zwar von Art. 13 Abs. 1 des Anhangs der Satzung des Gerichtshofs, wonach das GeI als Rechtsmittelgericht verpflichtet ist, die Sache an das GöD zurückzuverweisen, wenn das Rechtsmittel begründet, aber der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist(9) .

16. Meines Erachtens ist der Begriff „Rechtsstreit, der zur Entscheidung reif ist“ im Licht des Systems der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit und anhand der Rollen auszulegen, die einem Gericht des ersten Rechtszugs und einem über ein Rechtsmittel entscheidenden Gericht des zweiten Rechtszugs zukommen.

17. Im vorliegenden Fall lag die materielle Zuständigkeit für die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen Herrn M und der EMEA beim GöD. Diese Zuständigkeit kam durch die Einreichung der Klageschrift zum Tragen, und ihren Inhalt bildete die Verpflichtung, zunächst die Zulässigkeit der Klage und dann, falls sie für zulässig erachtet werden sollte, ihre Begründetheit anhand der in Einklang mit dem Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens festgestellten tatsächlichen und rechtlichen Grundlage zu prüfen.

18. Es bedarf keiner Erwähnung, dass eine gerichtliche Sachentscheidung ohne Feststellung des Sachverhalts undenkbar ist. Im vorliegenden Fall war das GöD das einzige materiell für die Feststellung des Sachverhalts zuständige Gericht.

19. Das GöD hat in seinem Beschluss vom 19. Oktober 2007 nur die Unzulässigkeit der Klage festgestellt, ohne sich in der Sache mit ihr zu befassen. Die Befugnis dazu ergibt sich aus Art. 114 der Verfahrensordnung des GeI(10), der dem Interesse an einem ökonomischen gerichtlichen Verfahren dient. Folglich hat das GöD nicht die tatsächliche und rechtliche Grundlage für die etwaige Entscheidung zur Sache geschaffen.

20. An das GeI gelangte der Rechtsstreit zwischen Herrn M und der EMEA aufgrund des Rechtsmittels, das nach Art. 11 Abs. 1 des Anhangs der Satzung des Gerichtshofs auf Rechtsfragen beschränkt ist und deshalb nur auf die Unzuständigkeit des GöD, auf einen Verfahrensfehler vor dem GöD, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, sowie auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das GöD gestützt werden kann.

21. Aus dieser Definition des Rechtsmittels folgt, dass ein Rechtsmittelgericht an die von einem Gericht des ersten Rechtszugs, d. h. vom GöD, festgestellte tatsächliche Grundlage gebunden ist.

22. Da das GöD die Klage durch Beschluss als unzulässig abgewiesen hatte, konnte meines Erachtens Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens allein die Beantwortung der Frage sein, ob die Klage zulässig war. Weil der Sachverhalt nicht festgestellt worden war und das GöD somit die Tatsachengrundlage nicht ermittelt hatte, konnte das GeI nicht in der Sache über den Rechtsstreit entscheiden.

23. Daraus lässt sich meiner Meinung nach allgemein schließen, dass in einem Fall, in dem das GöD die Klage durch Beschluss als unzulässig abgewiesen hat, ohne sich in der Sache mit ihr zu befassen, ein Rechtsstreit nicht zur Entscheidung durch das GeI als Rechtsmittelgericht reif ist.

24. Ein Vorgehen wie das des GeI im vorliegenden Fall scheint mir auf eine Schwachstelle in der Funktionsweise des Systems der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit hinzudeuten.

25. Im Kern besteht diese Schwachstelle in einer Vermengung der materiellen Zuständigkeit der Gerichte. Das GeI hat als Gericht des zweiten Rechtszugs die materielle Zuständigkeit des GöD in ihren wesentlichen Merkmalen an sich gezogen, insbesondere in Bezug auf die Feststellung der für die Entscheidung in der Sache erforderlichen Tatsachengrundlage.

26. Infolgedessen ist das GeI de facto zum Gericht des ersten Rechtszugs geworden. Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens, das auf Rechtsfragen beschränkt ist, konnte der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, der nur für das Verfahren vor dem Gericht des ersten Rechtszugs kennzeichnend ist, nicht zum Tragen kommen. Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens kann nur geprüft werden, ob im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht des ersten Rechtszugs gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verstoßen wurde.

27. Folglich hat das GeI mit seiner Vorgehensweise im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoßen, wonach niemand dem im Voraus gesetzlich festgelegten Richter entzogen werden darf(11) . Soweit es sich um die Feststellung der Tatsachengrundlage und ihre Subsumtion unter eine Rechtsnorm handelt, ist dieser Richter das GöD. Diese Schlussfolgerung ist eng mit der Frage der Zusammensetzung eines Gerichts verbunden, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs den Grundpfeiler des Rechts auf ein faires Verfahren darstellt(12) .

28. Im Übrigen hat infolge des vom GeI als Rechtsmittelgericht gefällten Urteils in der Sache die unterliegende Partei die Möglichkeit verloren, vom Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz durch Einlegung eines Rechtsmittels Gebrauch zu machen(13) . Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs(14) der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, in den Art. 6 und 13 der EMRK verankert wurde und im Übrigen in Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union(15) bekräftigt worden ist.

29. Abschließend ist festzustellen, dass das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 infolge der falschen Auslegung von Art. 13 Abs. 1 des Anhangs der Satzung des Gerichtshofs fehlerhaft ist.

Zur Beeinträchtigung der Einheit oder der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts durch das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009

30. Meines Erachtens haben die Folgen der falschen Auslegung von Art. 13 Abs. 1 des Anhangs der Satzung des Gerichtshofs eine über den Rechtsstreit zwischen Herrn M und der EMEA hinausgehende Bedeutung, so dass das aufgrund dieser falschen Auslegung ergangene Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 die Einheit und die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt.

31. Wie bereits in Nr. 6 erwähnt, könnte eine falsche Entscheidung nur dann eine Gefährdung der Einheit oder der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts darstellen, wenn sie gegen einen der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstößt. Diese Voraussetzung scheint mir hier erfüllt zu sein.

32. Die falsche Auslegung von Art. 13 Abs. 1 des Anhangs der Satzung des Gerichtshofs hat meiner Meinung nach das Recht verletzt, vor dem GöD gehört zu werden, bei dem es sich im vorliegenden Fall um das einzige Gericht handelt, das über die materielle Zuständigkeit verfügt, den Sachverhalt in Einklang mit dem Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens festzustellen, damit der Rechtsstreit in der Sache entschieden werden kann. Das Recht auf ein faires Verfahren, das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(16) ein Grundrecht ist, das die Europäische Union als allgemeinen Grundsatz nach Art. 6 Abs. 2 EU achtet, ist ebenfalls verletzt worden, da das Recht, gehört zu werden, zu seinen Bestandteilen zählt.

33. Überdies hat das GeI, wie bereits in Nr. 27 ausgeführt, mit seinem Urteil zur Sache auch gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters und das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz durch Einlegung eines Rechtsmittels verstoßen, bei denen es sich ebenfalls um Ausprägungen des Rechts auf ein faires Verfahren handelt.

34. Angesichts dessen beeinträchtigt das Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 die Einheit und die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts.

Zum Umfang der Aufhebung des Urteils des GeI vom 6. Mai 2009

35. Ungeachtet des in der Entscheidung des Gerichtshofs vom 24. Juni 2009 festgelegten Umfangs der Überprüfung des Urteils des GeI vom 6. Mai 2009 ist festzustellen, dass das Ergebnis der Überprüfung dieses Urteils zeigt, dass in dem ihm vorausgegangenen Verfahren vor dem GeI in mehrfacher Hinsicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen wurde. Der Verstoß gegen dieses Grundrecht wirkt sich auf das gesamte Urteil des GeI vom 6. Mai 2009 aus(17) . Aus diesem Grund schlage ich dem Gerichtshof vor, das genannte Urteil in vollem Umfang aufzuheben und die Sache an das GeI zurückzuverweisen.

36. Ich denke nicht, dass es möglich ist, die Wirkungen der Entscheidung des GeI zu bezeichnen, die im Sinne von Art. 62b Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs für die Parteien des Rechtsstreits als endgültig zu betrachten sind. Da die Tatsachengrundlage in einer gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßenden Weise festgestellt wurde, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit auch nicht gemäß Art. 62b Abs. 1 seiner Satzung endgültig entscheiden.

Ergebnis

37. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Rechtsmittelkammer) vom 6. Mai 2009, M/EMEA (T‑12/08 P), beeinträchtigt dadurch die Einheit und die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts, dass das Gericht erster Instanz als Rechtsmittelgericht den Begriff „Rechtsstreit, der zur Entscheidung reif ist“ im Sinne von Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 13 Abs. 1 des Anhangs dieser Satzung dahin ausgelegt hat, dass er es ihm ermöglichte, eine Rechtssache an sich zu ziehen und in der Sache zu entscheiden, obwohl das bei ihm anhängige Rechtsmittel die Prüfung der Frage betraf, wie eine Einrede der Unzulässigkeit im ersten Rechtszug behandelt wurde.

2. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Mai 2009, M/EMEA (T‑12/08 P), wird aufgehoben.

3. Die Sache wird an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften zurückverwiesen.

(1) .

(2)  – C‑197/09 RX, Slg. 2009, I‑0000.

(3)  – T‑12/08 P, Slg. 2009, I‑0000.

(4)  – Diese Möglichkeit ist in Art. 225 Abs. 2 Unterabs. 2 EG und in den Art. 62, 62a und 62b der Satzung des Gerichtshofs vorgesehen.

(5)  – Unter „falscher Entscheidung“ ist eine Entscheidung zu verstehen, die aus materiell-rechtlicher Sicht falsch ist, oder eine Entscheidung, die aus materiell-rechtlicher Sicht richtig ist, aber aus der falschen Anwendung von Verfahrensregeln resultiert.

(6)  – Vgl Urteil vom 15. Oktober 2009, Audiolux u. a. (C‑101/08, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 63).

(7)  – F‑23/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht.

(8)  – Die Verfahrensordnung des GöD ist erst am 1. November 2007 in Kraft getreten – bis dahin galt die Verfahrensordnung des GeI nach Art. 3 Abs. 4 des Beschlusses 2004/752/EG, Euratom des Rates vom 2. November 2004 zur Errichtung des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union für das GöD entsprechend.

(9)  – Die gleiche Verpflichtung ergibt sich für den Gerichtshof als Rechtsmittelgericht aus Art. 61 seiner Satzung, auch wenn dessen Wortlaut leicht abweicht.

(10)  – Art. 114 der Verfahrensordnung des GeI galt zum fraglichen Zeitpunkt nach Art. 3 Abs. 4 des Beschlusses 2004/752/EG, Euratom des Rates vom 2. November 2004 zur Errichtung des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union für das GöD entsprechend.

(11)  – Im vorliegenden Fall treten der EG-Vertrag und die Satzung des Gerichtshofs an die Stelle des Gesetzes.

(12)  – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Februar 2009, Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament (C‑308/07 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).

(13)  – Sofern das Verfahrensrecht ein solches Rechtsmittel ausdrücklich zulässt.

(14)  – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2009, Mono Car Styling (C‑12/08, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(15)  – ABl. C 364, S. 1.

(16)  – Vgl. in diesem Sinne Urteil Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(17)  – Dies gilt auch für den die Kostenentscheidung betreffenden Punkt des Tenors.

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