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Document 62009CO0332

    Beschluss des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 23. April 2010.
    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) gegen Frosch Touristik GmbH.
    Rechtsmittel - Gemeinschaftsmarke - Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Gemeinschaftswortmarke FLUGBÖRSE - Nichtigkeitsverfahren - Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung eines absoluten Eintragungshindernisses.
    Rechtssache C-332/09 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-00049*

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:225

    BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    23. April 2010(*)

    „Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Gemeinschaftswortmarke FLUGBÖRSE – Nichtigkeitsverfahren – Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung eines absoluten Eintragungshindernisses“

    In der Rechtssache C‑332/09 P

    betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 14. August 2009,

    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch B. Schmidt als Bevollmächtigte,

    Rechtsmittelführer,

    andere Verfahrensbeteiligte:

    Frosch Touristik GmbH mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Lauf,

    Klägerin im ersten Rechtszug,

    DSR touristik GmbH,

    Beteiligte im Verfahren vor dem HABM,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Levits, des Richters A. Borg Barthet (Berichterstatter) und der Richterin M. Berger,

    Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

    Kanzler: R. Grass,

    nach Anhörung des Generalanwalts

    folgenden

    Beschluss

    1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Juni 2009, Frosch Touristik/HABM – DSR touristik (FLUGBÖRSE) (T‑189/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die ein Nichtigkeitsverfahren zwischen der DSR touristik GmbH (im Folgenden: DSR touristik) und der Frosch Touristik GmbH (im Folgenden: Frosch Touristik) betreffende Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 22. März 2007 (Sache R 1084/2004‑4, im Folgenden: streitige Entscheidung) aufgehoben hat.

     Rechtlicher Rahmen

    2        Die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) ist durch die am 13. April 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) aufgehoben worden. Für den vorliegenden Fall gilt jedoch aufgrund des zeitlichen Rahmens des Sachverhalts weiterhin die Verordnung Nr. 40/94.

    3        In Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse“) der Verordnung Nr. 40/94 war bestimmt:

    „(1)      Von der Eintragung ausgeschlossen sind

    b)      Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,

    c)      Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,

    (3)      Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b), c) und d) finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.“

    4        In Art. 9 („Recht aus der Gemeinschaftsmarke“) der Verordnung Nr. 40/94 war in Abs. 3 bestimmt, dass das Recht aus der Gemeinschaftsmarke Dritten erst nach der Veröffentlichung der Eintragung der Marke entgegengehalten werden kann.

    5        In Art. 50 („Verfallsgründe“) der Verordnung Nr. 40/94 war in Abs. 1 bestimmt:

    „Die Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt:

    a)      …

    b)      wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung einer Ware oder einer Dienstleistung, für die sie eingetragen ist, geworden ist;

    …“

    6        Art. 51 („Absolute Nichtigkeitsgründe“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 40/94 lautete:

    (1)      Die Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt,

    a)      wenn sie den Vorschriften des Artikels 5 oder des Artikels 7 zuwider eingetragen worden ist;

    b)      wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war.

    (2)      Ist die Gemeinschaftsmarke entgegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b), c) oder d) eingetragen worden, kann sie nicht für nichtig erklärt werden, wenn sie durch Benutzung im Verkehr Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, erlangt hat.“

     Sachverhalt

    7        Am 1. April 1996 meldete Frosch Touristik beim HABM das Wortzeichen FLUGBÖRSE als Gemeinschaftsmarke an, und zwar für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 39 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung:

    –        Klasse 16: „Druckereierzeugnisse, insbesondere Prospekte, Kataloge, Broschüren und Bücher betreffend Reise und Touristik“;

    –        Klasse 39: „Reisebüro; Veranstaltung und Organisation von Reisen; Personentransport“;

    –        Klasse 42: „Verpflegung; Beherbergung von Gästen; Hotels, Gasthäuser, Restaurants; Vermittlung von Ferienwohnungen (Vermietung)“.

    8        Das Zeichen wurde am 29. Oktober 1998 als Gemeinschaftsmarke für sämtliche in der Anmeldung angegebenen Waren und Dienstleistungen eingetragen.

    9        Am 8. April 2003 beantragte DSR touristik beim HABM, diese Marke gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 für nichtig zu erklären, da sie unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung eingetragen worden sei. Falls die angegriffene Marke nicht als für die mit ihr bezeichneten Waren und Dienstleistungen beschreibend angesehen werden sollte, sei sie dennoch gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 40/94 für nichtig zu erklären, da sie irreführend sei.

    10      Am 7. April 2004 stellte DSR touristik ferner den Hilfsantrag, die angegriffene Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 50 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 für verfallen zu erklären, da diese im geschäftlichen Verkehr zu einer gebräuchlichen Bezeichnung geworden sei.

    11      Mit Entscheidung vom 9. November 2004 erklärte die Nichtigkeitsabteilung des HABM die angegriffene Marke für alle bezeichneten Waren und Dienstleistungen, ausgenommen die Dienstleistungen „Verpflegung“ und „Restaurants“ der Klasse 42 des Abkommens von Nizza, für nichtig. Zur Begründung führte sie aus, zum Zeitpunkt der Anmeldung sei die Marke beschreibend gewesen und habe keine Unterscheidungskraft gehabt.

    12      Mit der streitigen Entscheidung wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde der Frosch Touristik gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung zurück. Die Beschwerdekammer war der Auffassung, dass die betreffende Gemeinschaftsmarke die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 beschreibe und folglich zum Zeitpunkt der Eintragung auch keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 gehabt habe.

     Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

    13      Mit Klageschrift, die am 4. Juni 2007 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Frosch Touristik Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.

    14      Frosch Touristik stützte ihre Klage auf drei Klagegründe, mit denen sie eine Verletzung erstens von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a, zweitens von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und drittens von Art. 51 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 rügte.

    15      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die streitige Entscheidung mit der Begründung aufgehoben, dass die Beschwerdekammer Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 rechtsfehlerhaft ausgelegt habe, indem sie sich für die Beurteilung, ob die angegriffene Marke einen ihre Nichtigerklärung rechtfertigenden beschreibenden Charakter habe, zu Unrecht auf die Marktgegebenheiten am Tag ihrer Eintragung, dem 29. Oktober 1998, gestützt habe.

    16      In Randnr. 19 des angefochtenen Urteils hat das Gericht unter Berufung auf den Beschluss des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM (C‑192/03 P, Slg. 2004, I‑8993), ausgeführt, dass Frosch Touristik zu Recht geltend mache, dass bei einem auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 gestützten Antrag auf Nichtigerklärung für die Beurteilung der Frage, ob eine angegriffene Gemeinschaftsmarke mit den Bestimmungen von Art. 7 der Verordnung Nr. 40/94 in Einklang stehe, der Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke der allein maßgebliche Zeitpunkt sei. Dass nach der Rechtsprechung nach diesem Zeitpunkt liegende Umstände berücksichtigt werden könnten, bestätige diese Auslegung dieser Bestimmung, da diese Berücksichtigung voraussetze, dass sich diese Umstände auf die Situation zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke bezögen.

    17      In Randnr. 20 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass sich nur mit dieser Auslegung vermeiden lasse, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher werde, je länger das Eintragungsverfahren dauere. Auf den Zeitpunkt der Eintragung abzustellen, liefe darauf hinaus, dass die Eintragung der Marke zum Teil von einem zufälligen Umstand abhinge, nämlich der Dauer des Eintragungsverfahrens. Diese Dauer sei auch einer der Gründe, aus denen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 dahin ausgelegt worden sei, dass eine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft vor dem Tag der Anmeldung der Marke erlangt worden sein müsse.

    18      In Randnr. 23 des angefochtenen Urteils hat das Gericht weiter erläutert, dass der Gesetzgeber der Europäischen Union mit den Wendungen „[v]on der Eintragung ausgeschlossen sind“ in Art. 7 Abs. 1 und „eingetragen worden ist“ in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 festgelegt habe, in welchen Fällen eine Marke von der Eintragung auszuschließen oder für nichtig zu erklären sei, und nicht, welches der erhebliche Zeitpunkt für die Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse oder der absoluten Nichtigkeitsgründe der eingetragenen Marke sei.

    19      In Randnr. 26 des angefochtenen Urteils hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Prüfer bei der Prüfung von schriftlichen Bemerkungen Dritter gemäß Art. 41 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 wie auch bei der ersten Prüfung der Anmeldung einer Marke nach dem Anmeldezeitpunkt liegende Umstände nur dann berücksichtigen dürfe, wenn diese Rückschlüsse auf die Situation zu diesem Zeitpunkt zuließen.

    20      Schließlich hat das Gericht in Randnr. 28 des angefochtenen Urteils betont, dass der Umstand, dass bei der Prüfung einer angemeldeten Marke anhand des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 auf den Anmeldezeitpunkt abzustellen sei, eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung des beschreibenden Charakters der Marke nicht ausschließe, sofern diese Untersuchung auf Umstände gestützt werde, die sich auf die Situation zu diesem Zeitpunkt bezögen.

    21      Im Ergebnis hat das Gericht somit festgestellt, dass der Klagegrund einer Verletzung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 durchgreife, und die streitige Entscheidung aufgehoben, ohne dass seiner Auffassung nach über das weitere Vorbringen der Frosch Touristik entschieden zu werden brauchte.

     Verfahren vor dem Gerichtshof

    22      Mit seinem Rechtsmittel beantragt das HABM,

    –        das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

    –        Frosch Touristik die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens im ersten Rechtszug aufzuerlegen.

    23      Frosch Touristik beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

     Zum Rechtsmittel

    24      Nach Art. 119 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof ein Rechtsmittel, das ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, jederzeit auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise durch mit Gründen versehenen Beschluss zurückweisen.

     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    25      Das HABM macht als einzigen Rechtsmittelgrund geltend, dass das Gericht mit seiner Annahme, wonach für die Prüfung eines auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 gestützten Antrags auf Nichtigerklärung einer Marke der Zeitpunkt ihrer Anmeldung der allein maßgebliche Zeitpunkt sei, gegen diese Bestimmung verstoßen habe.

    26      Das HABM meint, auch wenn eine Marke nur eingetragen werden könne, sofern ihr zum Zeitpunkt der Anmeldung keines der Eintragungshindernisse gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 40/94 entgegenstehe, müsse diese Voraussetzung zum ebenso Zeitpunkt der Eintragung der Marke gegeben sein.

    27      Das Gericht habe den Beschluss Alcon/HABM nicht richtig ausgelegt, denn in dieser Rechtssache sei durch das HABM und das Gericht festgestellt worden, dass der fragliche Ausdruck „BSS“ bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 40/94 üblich geworden sei, womit sich die Frage, um die es in diesem Rechtsstreit gegangen sei, von der unterscheide, die sich im vorliegenden Rechtsstreit stelle, nämlich der, ob es einen Nichtigkeitsgrund darstelle, wenn das Zeichen nach der Anmeldung üblich geworden sei.

    28      Aus den Wendungen „eingetragen worden ist“ in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 und „bei der Anmeldung“ in Buchst. b dieses Absatzes lasse sich schließen, dass bei der Prüfung eines Antrags auf Nichtigerklärung auf den Zeitpunkt der Eintragung der Gemeinschaftsmarke abzustellen sei.

    29      Diese Auslegung stehe am ehesten mit dem der Regelung der Eintragungshindernisse und der Nichtigerklärung einer Gemeinschaftsmarke zugrunde liegenden Schutzgedanken in Einklang, nach dem jede dem Allgemeininteresse zuwiderlaufende Eintragung zu verhindern oder, wenn sie dennoch erfolgt sei, für nichtig zu erklären sei.

    30      Der Standpunkt des Gerichts, dass Entwicklungen, die zwischen dem Tag der Anmeldung des Zeichens und dem seiner Eintragung als Gemeinschaftsmarke einträten, allesamt unberücksichtigt zu lassen seien, liefe nicht nur darauf hinaus, dass Marken eingetragen würden, denen zum letztgenannten Zeitpunkt absolute Eintragungshindernisse entgegengestanden hätten, sondern verhinderte auch, dass diese Marken gemäß Art. 51 der Verordnung Nr. 40/94 für nichtig erklärt werden könnten, weil sie zum Zeitpunkt der Anmeldung die Voraussetzungen für die Eintragung erfüllt hätten. Dies hieße, den Anmelder einer Gemeinschaftsmarke zulasten des Allgemeininteresses zu privilegieren.

    31      Dem Argument der Dauer des Eintragungsverfahrens, auf das das Gericht seine Auslegung stütze, könne nicht gefolgt werden, da diese Dauer von zahlreichen zufälligen Faktoren abhänge. Im Rahmen der Interessenabwägung sei somit vorrangig dem Allgemeininteresse Rechnung zu tragen, zumal der Anmelder in der Zeit vor der Eintragung nicht davon ausgehen könne, dass er das beantragte Schutzrecht tatsächlich erlangen werde. Die Berücksichtigung neuer Entwicklungen bis zum Zeitpunkt der Eintragung sei mithin gerechtfertigt, zumal Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 auch ein mögliches künftiges Bedürfnis berücksichtige, frei über beschreibende Bezeichnungen zu verfügen.

    32      Wenn das Gericht schließlich eine Parallele zwischen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 und deren Art. 7 Abs. 3 ziehe, verkenne es, dass den beiden Bestimmungen verschiedene Ausgangssituationen zugrunde lägen. Denn nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung könne durch das Erlangen von Unterscheidungskraft durch Benutzung ein Eintragungshindernis gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung überwunden werden. In diesem Fall genieße der Inhaber der Marke nach der Eintragung ab dem Zeitpunkt der Anmeldung den vollen Schutz und das Recht, seine Marke jeder jüngeren Marke entgegenzuhalten. Wenn hingegen im Rahmen der Prüfung gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anmeldung abgestellt würde, ergäbe sich zwischen diesem Zeitpunkt und dem der Eintragung ein Zeitabschnitt, der bei der Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse nicht berücksichtigt würde. Damit würde der Inhaber einer Marke ungerechtfertigt zulasten des Allgemeininteresses privilegiert.

    33      Frosch Touristik vertritt die Auffassung, das Gericht habe unter Berufung auf den Beschluss Alcon/HABM zu Recht festgestellt, dass im Rahmen eines Antrags auf Nichtigerklärung gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem die Schutzvoraussetzungen hätten vorliegen müssen, der Anmeldetag sei.

    34      Die unterschiedlichen Formulierungen („eingetragen worden ist“ und „bei der Anmeldung“) in Art. 51 der Verordnung Nr. 40/94 seien durch die Systematik dieser Bestimmung bedingt und dadurch zu erklären, dass sie völlig verschiedene Sachverhalte beträfen.

    35      Anders als das HABM meine, sei in der Verordnung Nr. 40/94 durchaus ein Mechanismus vorgesehen, der zur Löschung von Marken führe, die nach dem Zeitpunkt der Anmeldung die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr erfüllten, nämlich die Erklärung des Verfalls gemäß Art. 50 der Verordnung. Nach Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 wirke die Erklärung des Verfalls der Rechte erst von dem Zeitpunkt der Antragstellung oder der Erhebung der Widerklage an, wohingegen die Nichtigerklärung einer Marke nach Art. 54 Abs. 2 der Verordnung ex tunc wirke. Mit dieser unterschiedlichen Behandlung werde möglicherweise nach der Anmeldung einer Marke eintretenden neuen Entwicklungen Rechnung getragen.

    36      Die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Prüfung der absoluten Nichtigkeitsgründe abzustellen sei, lasse sich nicht anhand der verschiedenen einschlägigen Interessen beantworten.

    37      Die Dauer des Verfahrens hänge zwar von mehreren Faktoren ab, sei aber durch die Systematik der Verordnung Nr. 40/94 bedingt, so dass es objektiv nicht gerechtfertigt wäre, wenn der Anmelder für systembedingte Besonderheiten einzustehen hätte.

    38      Die vom Gericht zwischen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 gezogene Parallele stütze in tragfähiger Weise die Auffassung, dass auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen sei, denn könnten später, im Laufe des Verfahrens der Eintragung der Marke eintretende Änderungen nicht zugunsten des Anmelders berücksichtigt werden, so müsse dies auch für Änderungen zu seinen Lasten gelten.

     Würdigung durch den Gerichtshof

    39      Wie aus den Randnrn. 17 bis 20 des angefochtenen Urteils hervorgeht, liegen der vom Gericht vorgenommenen Auslegung des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94, wonach bei einem auf diese Bestimmung gestützten Antrag auf Nichtigerklärung für die Prüfung, ob die Gemeinschaftsmarke mit Art. 7 der Verordnung im Einklang stand, ausschließlich der Anmeldezeitpunkt ausschlaggebend ist, zwei Erwägungen zugrunde. Das Gericht stützte sich zum einen auf den Beschluss Alcon/HABM und zum anderen auf eine Überlegung zur Dauer des Eintragungsverfahrens, in deren Rahmen es eine Parallele zwischen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 gezogen hat.

    40      Nach Auffassung des HABM hat das Gericht diese beiden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft beurteilt.

    41      Hinsichtlich zunächst des Beschlusses Alcon/HABM ist jedoch festzustellen, dass das Gericht entgegen dem Vorbringen des HABM zu Recht davon ausgegangen ist, dass nach diesem Beschluss für die Prüfung eines auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 gestützten Antrags auf Nichtigerklärung allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich ist.

    42      In der Rechtssache, in der der Beschluss Alcon/HABM erging, war der Gerichtshof nämlich mit einem Aufhebungsgrund befasst, mit dem geltend gemacht wurde, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es aus der Zeit nach der Anmeldung der fraglichen Gemeinschaftswortmarke stammende Beweismittel berücksichtigt habe und damit für die Prüfung, ob diese Marke üblich geworden sei und folglich nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 für nichtig erklärt werden könne, nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung abgestellt habe. In Randnr. 40 dieses Beschlusses stellte der Gerichtshof jedoch fest, dass das HABM zutreffend ausgeführt habe, dass der Zeitpunkt der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke der ausschlaggebende Zeitpunkt für diese Prüfung sei.

    43      Zudem entschied der Gerichtshof, dass das Gericht ohne widersprüchliche Begründung oder Rechtsfehler Umstände berücksichtigen konnte, die zwar nach dem Zeitpunkt der Anmeldung lagen, aber Rückschlüsse auf die Situation zu diesem Zeitpunkt zuließen (Beschluss Alcon/HABM, Randnr. 41).

    44      Dass der Gerichtshof dies in Randnr. 41 des Beschlusses Alcon/HABM klarstellte, bestätigt, dass für die Prüfung gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 der Zeitpunkt der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke maßgeblich ist. Denn wenn bei der Prüfung der absoluten Nichtigkeitsgründe nach diesem Zeitpunkt liegende Umstände berücksichtigt werden könnten, wäre diese Klarstellung überflüssig gewesen.

    45      Der Gerichtshof hat diese Auslegung in seinem Beschluss vom 24. September 2009, Compagnie des bateaux mouches/HABM (C‑78/09 P, Randnr. 18), bekräftigt.

    46      Dem vom HABM vorgebrachten Argument, der Beschluss Alcon/HABM sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, kann somit nicht gefolgt werden.

    47      Was zweitens die Stichhaltigkeit der auf die Dauer des Eintragungsverfahrens bezogenen Erwägung und der vom Gericht gezogenen Parallele zwischen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 angeht, so hat das Gericht in Randnr. 20 des angefochtenen Urteils zutreffend darauf abgehoben, dass sich nur mit einer solchen Auslegung des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung vermeiden lässt, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher wird, je länger das Eintragungsverfahren dauert.

    48      Wenn nämlich auch richtig ist, dass die Dauer des Eintragungsverfahrens von zahlreichen Faktoren bestimmt wird, ist sie doch vor allem abhängig von den verschiedenen in der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehenen Rechtsbehelfen wie denen des Widerspruchsverfahrens, der Beschwerde vor der Beschwerdekammer, der Klage vor dem Gericht der Europäischen Union und des Rechtsmittels vor dem Gerichtshof der Europäischen Union. Das Eintragungsverfahren kann darum, bis diese Rechtsbehelfe vollständig ausgeschöpft sind und die Eintragung der Gemeinschaftsmarke endgültigen Charakter erlangt, mehrere Jahre dauern.

    49      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 das Recht aus der Gemeinschaftsmarke Dritten erst nach der Veröffentlichung der Eintragung der Marke entgegengehalten werden kann, so dass der Anmelder der Marke bis zu diesem Zeitpunkt kein Recht besitzt, das geeignet wäre, es zu untersagen oder zu verhindern, dass die Marke eine gebräuchliche Gattungsbezeichnung wird.

    50      Im Übrigen ist entgegen dem Vorbringen des HABM in Art. 50 der Verordnung Nr. 40/94 ein Mechanismus vorgesehen, der den nach der Anmeldung einer Marke eingetretenen Verlust ihrer Eintragungsfähigkeit mit einer Sanktion versieht und dadurch das Allgemeininteresse wahrt, nämlich die Erklärung des Verfalls einer Gemeinschaftsmarke. Es ist insbesondere hervorzuheben, dass nach Art. 50 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 eine Gemeinschaftsmarke für verfallen erklärt wird, wenn sie infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung einer Ware oder einer Dienstleistung, für die sie eingetragen ist, geworden ist.

    51      Diese vom Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffene Regelung ermöglicht es, Entwicklungen Rechnung zu tragen, die während des Eintragungsverfahrens eintreten können. Das Argument des HABM, das Gericht stelle die Interessen des Einzelnen über das Allgemeininteresse und lasse nach dem Zeitpunkt der Anmeldung eintretende Entwicklungen unberücksichtigt, vermag mithin nicht durchzugreifen.

    52      Hinsichtlich des gerügten Rechtsfehlers, der dem Gericht im Hinblick auf die Parallele zwischen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 unterlaufen sein soll, ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die letztgenannte Bestimmung dahin auszulegen ist, dass die Unterscheidungskraft einer Marke durch ihre Benutzung vor dem Anmeldetag erworben worden sein muss (Urteil vom 11. Juni 2009, Imagination Technologies/HABM, C‑542/07 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42). Der Anmelder kann sich somit nicht während des Eintragungsverfahrens auf eine durch Benutzung nach dem Anmeldetag erworbene Unterscheidungskraft berufen. Eine solche Auslegung entspricht, wie das HABM zu Recht betont hat, den Erfordernissen des Schutzes sowohl des Allgemeininteresses als auch der Interessen etwaiger Inhaber später angemeldeter Marken, da mit ihr verhindert wird, dass der Anmelder, wenn die Marke am Anmeldetag noch keine Unterscheidungskraft erlangt hat, ungerechtfertigt privilegiert wird.

    53      Wenn es die Systematik der Verordnung Nr. 40/94 und insbesondere der mit ihr bezweckte Interessenschutz mit sich bringen, dass sich der Anmelder einer Marke nicht zu seinen Gunsten auf eine nach dem Anmeldetag eingetretene vorteilhafte Veränderung dieser Marke, wie den Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung, berufen kann, implizieren sie hingegen nicht, dass er umgekehrt eine nach diesem Zeitpunkt eingetretene nachteilige Veränderung der Marke, wie den Verlust ihrer Unterscheidungskraft oder ihre Umwandlung in eine gebräuchliche Bezeichnung, gegen sich gelten lassen müsste.

    54      Das Gericht hat seine Auslegung des Art. 51 der Verordnung Nr. 40/94 daher zu Recht auf eine Parallele zwischen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung gestützt.

    55      Mithin sind die Rügen, die das HABM gegen die beiden Gesichtspunkte richtet, auf denen die Auslegung des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 durch das Gericht beruht, zurückzuweisen.

    56      Im Übrigen ist zu dem Argument des HABM, der Wendung „eingetragen worden ist“ in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 lasse sich entnehmen, dass bei der Prüfung der absoluten Nichtigkeitsgründe auf den Zeitpunkt der Eintragung abzustellen sei, zu bemerken, dass das HABM insoweit lediglich Vorbringen wiederholt, das es bereits vor dem Gericht geltend gemacht hat. Folglich ist dieses Vorbringen unzulässig.

    57      Überdies ist dieses Argument jedenfalls offensichtlich unbegründet. Wie das Gericht in Randnr. 23 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, normiert Art. 51 der Verordnung Nr. 40/94 nämlich nur die verschiedenen Fälle, in denen eine Marke für nichtig erklärt werden kann, enthält aber keinen Hinweis darauf, welches der für die Prüfung der absoluten Nichtigkeitsgründe maßgebliche Zeitpunkt ist.

    58      Nach alledem kann der einzige Rechtsmittelgrund, den das HABM geltend macht, keinen Erfolg haben, und das Rechtsmittel ist demgemäß als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

     Kosten

    59      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm, wie von Frosch Touristik beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) beschlossen:

    1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

    2.      Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) trägt die Kosten.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Deutsch.

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