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Document 62008CJ0333

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 28. Januar 2010.
Europäische Kommission gegen Französische Republik.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freier Warenverkehr -Art. 28 EG und 30 EG - Mengenmäßige Einfuhrbeschränkung - Maßnahme gleicher Wirkung - Zulassungssystem - Verarbeitungshilfsstoffe und Lebensmittel, bei deren Zubereitung Verarbeitungshilfsstoffe aus anderen Mitgliedstaaten verwendet wurden, wo diese rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden - Verfahren, das es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, die Aufnahme solcher Stoffe in eine ‚Positivliste‘ zu erreichen - Klausel der gegenseitigen Anerkennung - Nationaler Regelungsrahmen, der für die Wirtschaftsteilnehmer eine Lage der Rechtsunsicherheit schafft.
Rechtssache C-333/08.

Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-00757

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:44

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache C‑333/08

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 18. Juli 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch B. Stromsky als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2009

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Die Europäische Kommission beantragt in ihrer Klageschrift, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 EG verstoßen hat, dass sie für Verarbeitungshilfsstoffe und für Lebensmittel, bei deren Herstellung Verarbeitungshilfsstoffe aus anderen Mitgliedstaaten verwendet wurden, wo diese rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, ein Zulassungssystem vorsieht, das den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2. Verarbeitungshilfsstoffe sind Stoffe, die im Verarbeitungs- oder Herstellungsprozess eines Lebensmittels verwendet werden und mit denen während dieses Prozesses eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden soll.

3. Das Gemeinschaftsrecht harmonisiert zwar bestimmte Kategorien von Verarbeitungshilfsstoffen, diese Stoffe sind jedoch nicht Gegenstand einer horizontalen Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene, so dass es den Mitgliedstaaten im allgemeinen freisteht, die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffe unter Beachtung der Bestimmungen des EG-Vertrags zu regeln.

Die Richtlinie 89/107

4. Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 89/107/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (ABl. L 40, S. 27), definiert die Verarbeitungshilfsstoffe in einer Fußnote als „Stoffe, die nicht selbst als Lebensmittelzutat verzehrt werden, jedoch bei der Verarbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln oder deren Zutaten aus technologischen Gründen während der Be- oder Verarbeitung verwendet werden und unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände oder Rückstandsderivate im Enderzeugnis hinterlassen können, unter der Bedingung, dass diese Rückstände gesundheitlich unbedenklich sind und sich technisch nicht auf das Enderzeugnis auswirken“.

5. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass Verarbeitungshilfsstoffe nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 89/107 fallen.

Die Richtlinie 98/34

6. Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37) sieht vor:

„(1) Vorbehaltlich des Artikels 10 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.

Zielt der Entwurf einer technischen Vorschrift insbesondere darauf ab, das Inverkehrbringen oder die Verwendung eines Stoffes, einer Zubereitung oder eines chemischen Erzeugnisses aus Gründen des Gesundheits-, Verbraucher- oder Umweltschutzes einzuschränken, so übermitteln die Mitgliedstaaten, sofern verfügbar, ebenfalls eine Zusammenfassung aller zweckdienlichen Angaben über die betroffenen Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse sowie über bekannte und erhältliche Substitutionsprodukte oder die Fundstellen dieser Angaben sowie Angaben über die zu erwartenden Auswirkungen dieser Maßnahme auf Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz, sofern zweckmäßig mit einer Risikoanalyse ….

(2) Die Kommission und die Mitgliedstaaten können bei dem Mitgliedstaat, der einen Entwurf einer technischen Vorschrift unterbreitet hat, Bemerkungen vorbringen, die dieser Mitgliedstaat bei der weiteren Ausarbeitung der technischen Vorschrift soweit wie möglich berücksichtigt.

…“

Die Richtlinie 2000/13

7. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 109, S. 29) sieht vor, dass die Etikettierung der Lebensmittel nach Maßgabe der Art. 4 bis 17 der Richtlinie und vorbehaltlich der dort vorgesehenen Ausnahmen bestimmte zwingende Angaben, u. a. das Verzeichnis der Zutaten, enthält.

8. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2000/13 gelten jedoch Zusatzstoffe, die als technologische Hilfsstoffe verwendet werden, nicht als Zutaten.

9. Art. 18 der Richtlinie 2000/13 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten dürfen den Verkehr mit Lebensmitteln, die den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht durch die Anwendung nichtharmonisierter einzelstaatlicher Vorschriften verbieten, die die Etikettierung und Aufmachung einzelner Lebensmittel oder der Lebensmittel im allgemeinen regeln.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf nichtharmonisierte einzelstaatliche Vorschriften, die gerechtfertigt sind zum Schutz

– der Gesundheit,

…“

Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002

10. Der dritte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) lautet:

„Der freie Verkehr mit Lebensmitteln und Futtermitteln in der Gemeinschaft ist nur dann möglich, wenn die Anforderungen an die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen.“

11. Gemäß Art. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 schafft diese Verordnung die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung der Vielfalt des Nahrungsmittelangebots, einschließlich traditioneller Erzeugnisse, wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet wird. In dieser Verordnung werden einheitliche Grundsätze und Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für die Schaffung eines tragfähigen wissenschaftlichen Fundaments sowie effiziente organisatorische Strukturen und Verfahren zur Untermauerung der Entscheidungsfindung in Fragen der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit festgelegt.

12. Art. 5 („Allgemeine Ziele“) der Verordnung Nr. 178/2002 bestimmt:

„(1) Das Lebensmittelrecht verfolgt eines oder mehrere der allgemeinen Ziele eines hohen Maßes an Schutz für das Leben und die Gesundheit der Menschen, des Schutzes der Verbraucherinteressen, einschließlich lauterer Handelsgepflogenheiten im Lebensmittelhandel, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Schutzes der Tiergesundheit, des Tierschutzes, des Pflanzenschutzes und der Umwelt.

(2) Das Lebensmittelrecht soll in der Gemeinschaft den freien Verkehr mit Lebensmitteln und Futtermitteln, die nach den allgemeinen Grundsätzen und Anforderungen dieses Kapitels hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, herbeiführen.

…“

13. Art. 6 („Risikoanalyse“) der Verordnung Nr. 178/2002 lautet:

„(1) Um das allgemeine Ziel eines hohen Maßes an Schutz für Leben und Gesundheit der Menschen zu erreichen, stützt sich das Lebensmittelrecht auf Risikoanalysen, außer wenn dies nach den Umständen oder der Art der Maßnahme unangebracht wäre.

(2) Die Risikobewertung beruht auf den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen und ist in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und Weise vorzunehmen.

(3) Beim Risikomanagement ist den Ergebnissen der Risikobewertung, insbesondere den Gutachten der [Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit] gemäß Artikel 22, anderen angesichts des betreffenden Sachverhalts berücksichtigenswerten Faktoren sowie – falls die in Artikel 7 Absatz 1 dargelegten Umstände vorliegen – dem Vorsorgeprinzip Rechnung zu tragen, um die allgemeinen Ziele des Lebensmittelrechts gemäß Artikel 5 zu erreichen.“

14. Art. 7 („Vorsorgeprinzip“) der Verordnung Nr. 178/2002 bestimmt:

„(1) In bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht, können vorläufige Risikomanagementmaßnahmen zur Sicherstellung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus getroffen werden, bis weitere wissenschaftliche Informationen für eine umfassendere Risikobewertung vorliegen.

(2) Maßnahmen, die nach Absatz 1 getroffen werden, müssen verhältnismäßig sein und dürfen den Handel nicht stärker beeinträchtigen, als dies zur Erreichung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit und anderer angesichts des betreffenden Sachverhalts für berücksichtigenswert gehaltener Faktoren notwendig ist. Diese Maßnahmen müssen innerhalb einer angemessenen Frist überprüft werden, die von der Art des festgestellten Risikos für Leben oder Gesundheit und der Art der wissenschaftlichen Informationen abhängig ist, die zur Klärung der wissenschaftlichen Unsicherheit und für eine umfassendere Risikobewertung notwendig sind.“

15. Art. 14 („Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit“) der Verordnung Nr. 178/2002 sieht vor:

„(1) Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.

(2) Lebensmittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie

a) gesundheitsschädlich sind,

b) für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.

(7) Lebensmittel, die spezifischen Bestimmungen der Gemeinschaft zur Lebensmittelsicherheit entsprechen, gelten hinsichtlich der durch diese Bestimmungen abgedeckten Aspekte als sicher.

(9) Fehlen spezifische Bestimmungen der Gemeinschaft, so gelten Lebensmittel als sicher, wenn sie mit den entsprechenden Bestimmungen des nationalen Lebensmittelrechts des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie vermarktet werden, in Einklang stehen, sofern diese Bestimmungen unbeschadet des Vertrags, insbesondere der Artikel 28 und 30, erlassen und angewandt werden.“

Nationales Recht

Dekret von 1912

16. Art. 1 des Dekrets vom 15. April 1912 über die Verwaltungsverordnung zur Durchführung des Gesetzes vom 1. August 1905 über die Bekämpfung von Betrügereien beim Verkauf von Waren und von Fälschungen betreffend Lebensmittel in mehrmals geänderter Fassung (im Folgenden: Dekret von 1912) bestimmt:

„Es ist verboten, Waren und Nahrungsmittel, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, feilzuhalten, anzubieten oder zu verkaufen, wenn ihnen andere chemische Stoffe als diejenigen zugesetzt sind, deren Verwendung durch gemeinsame, aufgrund der Stellungnahme des Conseil supérieurs d´hygiène publique de France (Oberster Hygienerat Frankreichs; CSHPF) und der Nationalen Akademie der Medizin verabschiedete Arrêtés (Verordnungen oder Erlasse) der Minister für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, für Wirtschaft und Finanzen, für die industrielle und wissenschaftliche Entwicklung und für die Gesundheit erlaubt ist.“

17. Der CSHPF ist eine dem Gesundheitsministerium zugeordnete Stelle für wissenschaftliche und technische Gutachten.

18. Art. 2 des Dekrets von 1912 bestimmt:

„Ebenfalls ist verboten, in die Zubereitung von Waren und Nahrungsmitteln, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, auch nur zeitweilig andere chemische Stoffe einzubeziehen als diejenigen, deren Verwendung durch gemäß Art. 1 erlassene Verordnungen erlaubt ist.“

19. In Anwendung des Dekrets von 1912 wurde eine Reihe von Verordnungen erlassen, in denen die Bedingungen festgelegt sind, unter denen Verarbeitungshilfsstoffe im Herstellungsprozess verwendet werden dürfen.

20. In diesen Verordnungen sind im Allgemeinen der zugelassene Stoff sowie der Verwendungszweck und das Lebensmittel, für die dieser zugelassen ist, geregelt. Sie bezeichnen Kriterien für die Reinheit und andere Eigenschaften, die der verwendete Verarbeitungshilfsstoff erfüllen muss, und legen neben den Bedingungen der Verwendung des betreffenden Verarbeitungshilfsstoffs im Herstellungsverfahren die Höchstrückstände des verwendeten Verarbeitungshilfsstoffe im fertigen Lebensmittel fest.

21. Nur vier dieser Verordnungen enthalten eine Klausel der gegenseitigen Anerkennung, nämlich die Verordnungen vom 6. Februar 1989 zur Festlegung der Liste der in der Zuckergewinnung verwendbaren Verarbeitungshilfsstoffe, vom 24. März 1993 über die Verwendung von ß-Cyclodextrin als Verarbeitungshilfsstoff, vom 23. Februar 1995 über die Verwendung verschiedener Verarbeitungshilfsstoffe in der menschlichen Ernährung und vom 9. März 1995 über die Verwendung von Entschäumern für die Kartoffel- und Pilzwäsche.

Das Dekret von 2001

22. Nach der Definition in Art. 1 des Dekrets Nr. 2001‑725 vom 31. Juli 2001 über die Verarbeitungshilfsstoffe, die bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden dürfen (JORF vom 5. August 2001, im Folgenden: Dekret von 2001), sind Verarbeitungshilfsstoffe „Stoffe, die nicht selbst als Lebensmittelzutat verzehrt werden, jedoch bei der Verarbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln oder deren Zutaten aus technologischen Gründen während der Be- oder Vera rbeitung verwendet werden und unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände oder Rückstandsderivate im Enderzeugnis hinterlassen können, vorausgesetzt, diese Rückstände sind gesundheitlich unbedenklich und wirken sich technisch nicht auf das Enderzeugnis aus“.

23. Art. 1 Abs. 2 des Dekrets bestimmt:

„Die Bestimmungen dieses Dekrets betreffen Verarbeitungshilfsstoffe, die in die im Anhang zu diesem Dekret aufgeführten Kategorien fallen, und die bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden oder verwendet werden sollen.

Sie betreffen nicht

1. Verarbeitungshilfsstoffe, die der Herstellung von Lebensmittelzusatzstoffen, Aromen, Vitaminen und sonstigen Nährzusatzstoffen verwendet werden;

2. Stoffe, die bei der Verarbeitung natürlicher Mineralwässer oder Quellwässer verwendet werden, wenn diese Verarbeitungsvorgänge dem Inverkehrbringen dieser Wässer unter einer der im Dekret vom 9. Juni 1989 festgelegten Verkehrsbezeichnungen vorausgehen …;

3. Stoffe, die bei der Anwendung von Methoden zur Verbesserung von für die menschliche Ernährung bestimmten Wässern verwendet werden, wenn diese Methoden gemäß Verordnungsbestimmungen festgelegt werden, die auf Art. L. 1321‑4 des Code de la santé publique [Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen] gestützt sind.“

24. Art. 2 des Dekrets von 2001 lautet:

„Mit von den für Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Gesundheit und Industrie zuständigen Ministern nach Stellungnahme der Agence française de sécurité sanitaire des aliments [Französische Agentur für die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, im Folgenden: AFSSA] erlassener Verordnung werden für die im Anhang zu diesem Dekret genannten Kategorien

1. die Liste der Verarbeitungshilfsstoffe, deren Verwendung zugelassen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen ihrer Verwendung und die höchstzulässige Menge an Rückständen;

2. die charakteristischen Merkmale und Reinheitskriterien, die sie erfüllen müssen; und

3. die Regeln über die als Träger oder Lösungsmittel verwendeten Stoffe

festgelegt.

Die Verarbeitungshilfsstoffe sind unter Beachtung einer guten Hygienepraxis zu verwenden, insbesondere wenn in der in dieser Vorschrift vorgesehenen Verordnung keinerlei Verwendungsbedingungen aufgestellt werden.

Die verwendete Dosis des Verarbeitungshilfsstoffs darf die zur Erreichung der gewünschten Wirkung unbedingt erforderliche Menge nicht überschreiten und nicht zu einer Täuschung des Verbrauchers führen.

Die Hersteller müssen Unterlagen, mit denen belegt werden kann, dass diese Stoffe unter Beachtung einer guten Hygienepraxis verwendet wurden, den mit der Überwachung beauftragten Personen zur Verfügung halten.“

25. Aus Art. L. 1323‑1 des Code de la santé publique geht hervor, dass es sich bei der AFSSA um eine der Aufsicht der Minister für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Gesundheit unterstehende öffentlich-rechtliche Anstalt des Staates handelt.

26. Art. 3 des Dekrets von 2001 bestimmt:

„Ein Antrag auf Änderung oder Ergänzung der Bestimmungen der Verordnung nach Art. 2 kann von jeder natürlichen oder juristischen Person gestellt werden. Er ist zusammen mit den für seine Prüfung erforderlichen Unterlagen bei der Direction générale de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes [Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherfragen und Betrugsbekämpfung] zur Weiterleitung an die [AFSSA] einzureichen.

Die Regeln über die mit dem Antrag vorzulegenden Unterlagen werden durch eine Verordnung der für Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Gesundheit und Industrie zuständigen Minister bestimmt.

Sobald der Antrag vollständig ist, bestätigt die Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherfragen und Betrugsbekämpfung dessen Eingang und leitet ihn an die [AFSSA] weiter. Die Agentur nimmt innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags Stellung.

Die Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherfragen und Betrugsbekämpfung stellt dem Antragsteller die Stellungnahme dieser Einrichtung und die auf der Grundlage dieser Stellungnahme von dem Minister erlassene, mit einer Begründung versehene Entscheidung zu. Diese Zustellung erfolgt innerhalb eines Monats nach der Abgabe der Stellungnahme.“

27. Art. 4 des Dekrets sieht vor:

„Die in Art. 2 vorgesehene Verordnung wird, u. a. um gemeinschaftlichen Pflichten Frankreichs sowie Vorschlägen der [AFSSA] nachzukommen, nach neuen Informationen zur möglichen Toxizität der Verarbeitungshilfsstoffe aktualisiert.“

28. Art. 6 des Dekrets von 2001 bestimmt:

„Es ist verboten,

1° unter Verwendung von nicht den Anforderungen von Art. 2 oder des Dekrets Nr. 2004-187 vom 26. Februar 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten entsprechenden Verarbeitungshilfsstoffen hergestellte Lebensmittel, und

2° Verarbeitungshilfsstoffe, die nicht den Anforderungen der Art. 2 und 5 oder des Dekrets Nr. 2004-187 vom 26. Februar 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 98/8 … entsprechen,

zu besitzen, zum Verkauf auszustellen, zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder kostenlos auszugeben.

Diese Bestimmungen stehen jedoch dem Grundsatz des freien Verkehrs

a) von Lebensmitteln im Sinne von Nr. 1 dieses Artikels aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder aus anderen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, soweit diese Staaten ein System der Bewertung der Risiken, die die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen darstellt, eingerichtet haben, mit dem ein Sicherheitsniveau gewährleistet wird, das demjenigen entspricht, das durch das vorliegende Dekret gewährleistet wird;

b) von Verarbeitungshilfsstoffen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder aus anderen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die im Hinblick auf ihre Reinheit andere Merkmale aufweisen als die in der Verordnung nach Art. 2 festgelegten, wenn diese Anforderungen von einem dieser Staaten festgelegt worden sind oder Gegenstand einer befürwortenden Stellungnahme einer in einem dieser Staaten zuständigen Einrichtung gewesen sind, die öffentlich bekannt gemacht worden ist,

nicht entgegen.“

29. Art. 7 des Dekrets von 2001 sieht vor:

„Die Bestimmungen dieses Dekrets treten am Tag der Bekanntmachung der Verordnung nach Art. 2 in Kraft. Den für das Inverkehrbringen von Verarbeitungshilfsstoffen verantwortlichen Personen steht eine Frist von sechs Monaten ab dem Tag der Bekanntmachung der Verordnung zur Verfügung, um den Bestimmungen nach Art. 5 nachzukommen.“

30. Im Anhang zum Dekret von 2001 werden die von diesem Dekret umfassten Kategorien von Verbrauchshilfsstoffen aufgezählt. Es handelt sich um Entschäumer, Katalysatoren, Klärhilfsmittel/Filterhilfsstoffe, Entfärbemittel, Wasch- und Enthaarungsmittel/Schalenentferner, Mittel zur Feder- und Borstenentfernung, Ionenaustauscherharze, Kontaktgefriermittel und Kühlmittel, Trockenmittel/Antibackmittel, Enzyme, Säuerungs-, Alkalisierungs- und Neutralisierungsmittel, Form- und Trennmittel, Flockungsmittel und Koagulantien, Biozide, Mittel gegen Kalkablagerungen; Extraktionslösungsmittel und eine Kategorie „Diverse“.

Der Arrêté ministériel [Ministerialverordnung] vom 19. Oktober 2006

31. Am 5. Oktober 2005 wurde der Kommission und den Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 der Richtlinie 98/34 der Entwurf einer Ministerialverordnung übermittelt.

32. Aus der Akte geht hervor, dass die Kommission zu dieser Verordnung keine Erklärungen abgab, dass die Verordnung aber zu ausführlichen Stellungnahmen des Vereinigten Königreichs und Dänemarks Anlass gab.

33. Mit der Verordnung vom 19. Oktober 2006 über die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen bei der Herstellung bestimmter Lebensmittel (JORF vom 2. Dezember 2006) wurden die Bestimmungen der in Anwendung des Dekrets von 1912 erlassenen Verordnungen aufgehoben.

34. Diese Verordnung enthält im Anhang eine Liste der Verarbeitungshilfsstoffe, deren Verwendung in Frankreich zugelassen ist. Sie legt die Bedingungen für die Verwendung dieser Verarbeitungshilfsstoffe, die zulässigen Rückstandshöchstwerte und die anzuwendenden Reinheitskriterien fest.

Die Mitteilung an die Unternehmen

35. Am 19. Januar 2002 veröffentlichten die französischen Behörden eine Mitteilung an die Unternehmen des Nahrungsmittelsektors (JORF vom 19. Januar 2002, S. 1234, im Folgenden: Mitteilung an die Unternehmen).

36. Diese Mitteilung an die Unternehmen sieht vor:

„Art. 7 des [Dekrets von 2001] bestimmt, dass ‚[d]ie Bestimmungen dieses Dekrets … am Tag der Bekanntmachung der Verordnung nach Art. 2 in Kraft [treten]‘ …

Der Anwendung der Bestimmungen über die Einreichung der Unterlagen (Art. 3) und in Bezug auf den Grundsatz des freien Verkehrs (Art. 6) des [Dekrets von 2001] ab dem Datum der Veröffentlichung dieser Mitteilung steht jedoch nichts entgegen.“

Vorverfahren

37. Nach einem ersten Mahnschreiben vom 3. Juli 1996 und einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 27. März 1998 richtete die Kommission am 12. Oktober 2005 ein ergänzendes Mahnschreiben an die Französische Republik, mit dem das vorherige Mahnschreiben und die mit Gründen versehene Stellungnahme aufgehoben wurden.

38. In diesem Schreiben vertrat die Kommission die Auffassung, dass die französische Regelung, und zwar sowohl das Dekret von 1912 als auch das Dekret von 2001, gegen Art. 28 EG verstoße, soweit sie für Verarbeitungshilfsstoffe und für Lebensmittel, wenn in deren Herstellungsverfahren Verarbeitungshilfsstoffe aus anderen Mitgliedstaaten verwendet wurden, wo diese rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, ein Zulassungssystem vorsehe, und, hilfsweise, soweit es unterblieben sei, ein ausreichend klares, leicht zugängliches, transparentes und den Anforderungen der Rechtssicherheit genügendes Verfahren für den Erhalt von Zulassungen für die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen einzurichten.

39. Zum Dekret von 2001 stellte die Kommission fest, dass dieses mangels Erlasses einer Ministerialverordnung noch immer nicht in Kraft getreten sei. Die Mitteilung an die Unternehmen biete, da sie keinen zwingenden Charakter habe, den Wirtschaftsteilnehmern nicht die notwendige Rechtssicherheit.

40. Aus der Klageschrift und dem ergänzenden Mahnschreiben geht hervor, dass Letzteres wegen des umfangreichen Schriftwechsels zwischen der Französischen Republik und der Kommission, der Zeit, die seit dem ersten Mahnschreiben vergangen war, der damals noch nicht abgeschlossenen Reform der französischen Regelung und neuer Überlegungen der Kommission abgeschickt worden war.

41. Nach einer Verlängerung der Antwortfrist antwortete die Französische Republik mit Schreiben vom 16. Februar 2006 auf das ergänzende Mahnschreiben. Sie übermittelte der Kommission sämtliche in Anwendung des Dekrets von 1912 erlassenen Verordnungen und wies darauf hin, dass die Reform dieses Dekrets, die mit dem Erlass des Dekrets von 2001 abgeschlossen worden sei, im Wesentlichen wegen des Fehlens einer Regelung zur Sicherstellung der gegenseitigen Anerkennung unternommen worden sei. Eine Mitteilung an die Unternehmen ermögliche in der Praxis bereits die Verwirklichung des Grundsatzes der Verkehrsfreiheit, auch wenn die vom Dekret von 2001 vorgesehene Ministerialverordnung noch nicht erlassen worden sei.

42. In Bezug auf die neue nationale Regelung, die in Zukunft die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen regeln soll, gab die Französische Republik an, innerhalb kürzester Frist diese Durchführungsverordnung zum Dekret von 2001 erlassen zu wollen. Sie versuchte, die Zulassungsregelung für Verarbeitungshilfsstoffe zu rechtfertigen und schlug vor, den Wortlaut der in dem Dekret 2001 enthaltenen Klausel der gegenseitigen Anerkennung zu ändern.

43. Mit Schreiben vom 4. Juli 2006 übersandte die Kommission diesem Mitgliedstaat eine weitere mit Gründen versehene Stellungnahme.

44. Mit Schreiben vom 8. September 2006 antwortete die Französische Republik auf die weitere mit Gründen versehene Stellungnahme und gab an, sie habe das Verfahren zur Unterzeichnung der Durchführungsverordnung zum Dekret von 2001 eingeleitet. Unter Hinweis darauf, dass für bestimmte Kategorien von Verarbeitungshilfsstoffen Regelungen auf Gemeinschaftsebene bestünden oder eine Harmonisierung anstehe, führte sie aus, dass das Bestehen eines Zulassungssystems für Verarbeitungshilfsstoffe gerechtfertigt sei. Insbesondere lenkte sie die Aufmerksamkeit der Kommission auf die Risiken, die als Biozide oder Dekontaminationsmittel in Erzeugnissen pflanzlicher Herkunft verwendete Verarbeitungshilfsstoffe und die Verwendung von Entschäumern unter bestimmten Umständen darstellten. Zur Klausel der gegenseitigen Anerkennung gab die Französische Republik an, sie habe mit Überlegungen zur Änderung der geltenden Bestimmung des Dekrets von 2001 begonnen, um auf die Argumente der Kommission einzugehen.

45. Da die Kommission die Antwort dieses Mitgliedstaats nicht für zufrieden stellend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

46. Die Kommission erhebt in ihrer Klageschrift im Wesentlichen drei Rügen gegen die in Rede stehende Regelung: Erstens fehle es an einer Rechtfertigung durch das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung für die Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die durch die von dieser Regelung vorgesehenen Zulassungssysteme geschaffen worden seien, zweitens, hilfsweise, verletze das Dekret von 2001 Art. 28 EG wegen der damit geschaffenen Rechtsunsicherheit, und drittens fehlten vereinfachte Verfahren zur Aufnahme von Verarbeitungshilfsstoffen in die nationale Liste der zugelassenen Verarbeitungshilfsstoffe.

Vorbemerkungen zur Reichweite der Klage

47. Zum einen ist klarzustellen, dass die Klage der Kommission in Bezug auf den Verstoß gegen Art. 28 EG alle Verarbeitungshilfsstoffe mit Ausnahme derjenigen betrifft, für die Harmonisierungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene getroffen wurden.

48. Zum anderen wird als Gegenstand der Klage der Kommission zwar die französische Regelung im Allgemeinen bezeichnet, doch ergibt sich aus dem Vorverfahren und aus der Klagebegründung, dass die Klage auf die beiden von den Dekreten von 1912 und 2001 vorgesehenen Zulassungssysteme abzielt.

49. Im Hinblick auf das Dekret von 2001 gehen, wie sich aus der Akte ergibt, die Auffassungen der Kommission und der Französischen Republik zu der Frage auseinander, ob bereits die Mitteilung an die Unternehmen, insbesondere bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, die Verwirklichung des im Dekret von 2001 verankerten Grundsatzes der Verkehrsfreiheit ermöglichte, obwohl die in Art. 2 des Dekrets vorgesehene Ministerialverordnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen worden war. Nach Auffassung des Mitgliedstaats erlaubte die Mitteilung an die Unternehmen bei Ablauf der genannten Frist die Verwirklichung dieses Grundsatzes sowie der Art. 3 und 6 des Dekrets von 2001.

50. Hierzu ist festzustellen, dass auf der Grundlage der Informationen, die dem Gerichtshof zur Frage des rechtlichen Stellenwerts und der Tragweite der Mitteilung an die Unternehmen übermittelt worden sind, und unter Berücksichtigung des Wortlauts des Dekrets von 2001 selbst diese Mitteilung den fehlenden Erlass der von Art. 2 des Dekrets vorgesehenen Ministerialverordnung nicht ersetzen kann, die Voraussetzung für das Inkrafttreten insbesondere der Art. 3 und 6 des Dekrets von 2001 sowie dafür ist, dass das Dekret von 2001 endgültig an die Stelle des Dekrets von 1912 tritt.

51. Erstens hat die Französische Republik in Beantwortung des Vorbringens der Kommission in Bezug auf die Mitteilung an die Unternehmen nicht dargetan, dass es sich bei dieser Mitteilung nicht um ein einfaches Verwaltungsrundschreiben ohne verpflichtenden und rechtlich zwingenden Charakter handelt. In seiner Antwort auf das Mahnschreiben der Kommission hat dieser Mitgliedstaat nämlich anerkannt, dass für die vollständige Umsetzung des Dekrets von 2001 die Bekanntmachung einer Ministerialverordnung erforderlich sei, mit der die Liste aller zugelassenen Stoffe sowie die Bedingungen für ihre Verwendung festgelegt würden, und festgestellt, dass das Dekret von 2001 das Dekret von 1912 erst dann endgültig ersetze, wenn eine solche Verordnung bekannt gemacht worden sei.

52. Zweitens findet sich im klaren und ausdrücklichen Wortlaut der Art. 2 und 7 des Dekrets von 2001 nichts, das für die Wirkungen spräche, die dieser Mitteilung von der Französischen Regierung zugesprochen werden. So müsste gemäß Art. 2 dieses Dekrets eine Ministerialverordnung erlassen werden, die die Liste der Verarbeitungshilfsstoffe, deren Verwendung zugelassen ist, festlegt. Aus dem Wortlaut des Art. 7 des Dekrets geht hervor, dass „[dessen] Bestimmungen … am Tag der Bekanntmachung der Verordnung nach Art. 2 in Kraft [treten]“. Die Bekanntmachung einer solchen Ministerialverordnung ist folglich offenbar eine notwendige Bedingung für das Inkrafttreten des Dekrets von 2001, worauf in der Mitteilung an die Unternehmen selbst ausdrücklich hingewiesen wurde.

53. Drittens heißt es zwar in dieser Mitteilung, dass der Anwendung der Bestimmungen des Dekrets von 2001 in Bezug auf beispielsweise die Einreichung von Unterlagen durch die Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 3 dieses Dekrets ab dem 19. Januar 2002, dem Tag der Veröffentlichung der Mitteilung, nichts entgegenstehe, doch ist es schwer vorstellbar, wie ein Wirtschaftsteilnehmer Unterlagen vorlegen können soll, mit denen er die Änderung der durch eine Ministerialverordnung erstellten Liste der zugelassenen Verarbeitungshilfsstoffe beantragt, wenn diese Liste mangels Erlasses der fraglichen Verordnung noch nicht erstellt wurde.

54. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass mit der Mitteilung an die Unternehmen das Fehlen des Erlasses der in Art. 2 des Dekrets von 2001 vorgesehenen Ministerialverordnung nicht behoben werden konnte und dass das Dekret von 1912 bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch nicht außer Kraft getreten war.

55. Im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage bei Ablauf der Frist zu beurteilen, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde. Später eingetretene Änderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteil vom 25. November 1998, Kommission/Spanien, C‑214/96, Slg. 1998, I‑7661, Randnr. 25).

56. Im Rahmen der vorliegenden Klage hat die Kommission wiederholt ausgeführt, dass das Inkrafttreten des Dekrets von 2001 von der Bedingung der Bekanntmachung einer Ministerialverordnung abhänge und dass diese Verordnung mangels einer solchen Bekanntmachung nicht in Kraft getreten sei. So hat sie etwa in ihrer Klageschrift festgestellt, dass „in Frankreich nacheinander zwei Systeme auf Verarbeitungshilfsstoffe anwendbar waren. Das erste dieser Systeme blieb während des Vorverfahrens in Kraft, und seine Geltung endete erst am 2. Dezember 2006. Das zweite System wurde am 31. Juli 2001 endgültig erlassen, doch sein Inkrafttreten wurde bis zur Beendigung des ersten Systems aufgeschoben.“

57. Die Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, endete am 4. September 2006. Die Ministerialverordnung gemäß Art. 2 des Dekrets von 2001 wurde am 19. Oktober 2006 erlassen und am 2. Dezember 2006 im Journal officiel de la République française veröffentlicht.

58. Hieraus folgt, dass die Klage der Kommission in Bezug auf das Dekret von 2001 mangels Erlasses der in Art. 2 dieses Dekrets vorgesehenen Ministerialverordnung vom Gerichtshof nur im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung von Art. 28 EG aufgrund der durch dieses Dekret geschaffenen Rechtsunsicherheit geprüft werden kann.

Zur ersten Rüge: Fehlende Rechtfertigung durch das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

59. Die Kommission macht geltend, es obliege der Französischen Republik, das Bestehen eines Zulassungssystems für die verschiedenen Kategorien von Verarbeitungshilfsstoffen zu rechtfertigen. Der Rückgriff auf ein Zulassungssystem, der nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei, müsse zielgerichtet und auf wissenschaftlicher Grundlage im Einzelnen gerechtfertigt sein. Das französische Zulassungssystem beruhe auf einer verallgemeinernden, im Grundsatz nicht mit Art. 28 EG zu vereinbarenden Risikovermutung.

60. Das allgemeine Zulassungssystem, wie es das Dekret von 1912 vorsehe, sei in Bezug auf die möglichen Risiken, die Verarbeitungshilfsstoffe für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, unverhältnismäßig. Die Beachtung bestimmter Bedingungen für die Verwendung eines zugelassenen Verarbeitungshilfsstoffs oder die Beachtung bestimmter Reinheitskriterien könnten aus einem mit der Gesundheit der Bevölkerung zusammenhängenden Grund gerechtfertigt sein, wenn die Endprodukte keine Rückstände von Verarbeitungshilfsstoffen enthielten oder wenn die Rückstände keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellten, wenn sie von den Verbrauchern aufgenommen würden.

61. Die Risikovermutung, auf der das französische System beruhe, sei erst recht im Hinblick auf die Verordnung Nr. 178/2002 schwer zu rechtfertigen. Gemäß dieser Verordnung führten die Mitgliedstaaten normalerweise eine Bewertung der von Lebensmitteln ausgehenden Risiken und Kontrollen der Einhaltung ihres Lebensmittelrechts durch.

62. Die Französische Republik sei einer von wenigen Mitgliedstaaten, die die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen einem Zulassungsverfahren unterwürfen. Auch wenn dieser Umstand für sich genommen nicht bedeute, dass das von der Französischen Republik eingerichtete Zulassungssystem nicht mit Art. 28 EG vereinbar sei, zeige er doch, dass das von diesem Mitgliedstaat behauptete Risiko keineswegs allgemein anerkannt sei und dass ein System, das systematisch alle Verarbeitungshilfsstoffe einer Zulassung unterwerfe, über das mit ihm verfolgte rechtmäßige Ziel hinausgehe.

63. Die Klauseln der gegenseitigen Anerkennung, die in einigen der gemäß dem Dekret von 1912 erlassenen Verordnungen enthalten seien, könnten keine praktische Wirksamkeit haben, da Frankreich einer der wenigen Mitgliedstaaten sei, der ein Zulassungsverfahren für die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen vorsehe. Unter diesen Umständen komme einer Bezugnahme auf einen in anderen Mitgliedstaaten anerkannten „höheren Restgehalt“ nur theoretische Bedeutung zu. Die französische Regelung sei in allen Fällen anwendbar.

64. Da die anderen Mitgliedstaaten die Voraussetzungen u. a. des Art. 14 der Verordnung Nr. 178/2002 über die Anforderungen in Bezug auf in den Verkehr gebrachte Lebensmittel beachten müssten und ein von ihnen begangener Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht vermutet werden könne, müsse sich eine Klausel der gegenseitigen Anerkennung darauf beschränken, vorzusehen, dass die Bestimmungen der relevanten nationalen Regelung dem Grundsatz der Verkehrsfreiheit von Lebensmitteln, bei deren Zubereitung Verarbeitungshilfsstoffe verwendet würden, die den Bestimmungen dieser Regelung nicht entsprächen, die aber aus anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft stammten, wo diese rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht würden, nicht entgegenstünden.

65. Die Französische Republik räumt ein, dass Verarbeitungshilfsstoffe auf den ersten Blick weniger Gesundheitsrisiken bergen könnten als Nährstoffe wie etwa Vitamine und Lebensmittelzusatzstoffe, die einem Lebensmittel zugefügt würden und darin bis zum Verzehr desselben durch den Verbraucher verblieben. Dies ändere nichts daran, dass Verarbeitungshilfsstoffe Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen könnten. Diese ergäben sich aus dem Vorhandensein von Rückständen der Verarbeitungshilfsstoffe selbst und/oder der Bildung sogenannter „Abbau-“ oder „Reaktionsprodukte“. Zu diesem letzten Gesichtspunkt hat die Französische Republik ausgeführt, dass Verarbeitungshilfsstoffe durch bestimmte Umwandlungsprozesse Veränderungen der Struktur der Moleküle des Lebensmittels hervorrufen könnten und diese neuen Moleküle toxische Wirkungen für die Gesundheit des Verbrauchers haben könnten.

66. Die Französische Republik bezieht sich auf den Bericht der AFSSA vom 13. August 2008 an den Generaldirektor der Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherfragen und Betrugsbekämpfung, in dem diese ihre Ergebnisse von acht Jahren der Beurteilung von Anträgen auf Zulassung der Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen zusammengefasst habe. Darin habe die AFSSA festgestellt, dass in den meisten Fällen die Rückstandsmengen der Verarbeitungshilfsstoffe im Endprodukt nicht bekannt seien und dass, wenn der Verbraucher den Verarbeitungshilfsstoffen ausgesetzt werde, in bestimmten Fällen die Gefahr der Überschreitung der toxikologischen Referenzwerte bestehe, wenn diese festgestellt worden seien. Sie hat ferner auf die Bildung von Abbau- oder Reaktionsprodukten durch die Verwendung bestimmter Verarbeitungshilfsstoffe in den Herstellungsprozessen hingewiesen.

67. Um festzustellen, ob ein Produkt Rückstände von Verarbeitungshilfsstoffen enthalte, müsse dieser Verarbeitungshilfsstoff bekannt und durch eine Zulassungs- oder Melderegelung identifiziert sein. Darüber hinaus müsse, um zu beurteilen, ob die Rückstände Risiken für die menschliche Gesundheit darstellten, der Verarbeitungshilfsstoff selbst Gegenstand einer Sicherheitsprüfung der in den Lebensmitteln vorhandenen Rückstände unter Berücksichtigung der normalen Bedingungen des Verzehrs dieser Lebensmittel gewesen sein. Diese Art der Beurteilung des endgültigen Gesundheitsrisikos, das das Lebensmittel, das den Verarbeitungshilfsstoff enthalte, darstelle, sei nur wirksam, wenn sie im Rahmen entweder eines Verfahrens für das Inverkehrbringen oder einer relevanten wissenschaftlichen Beurteilung durch internationale, gemeinschaftliche oder nationale Stellen vorgenommen werde. Angesichts der möglichen Risiken, die bestimmte Arten von Verarbeitungshilfsstoffen für die Gesundheit der Bevölkerung darstellten, sei ein Mitgliedstaat durchaus berechtigt, für das Inverkehrbringen von Stoffen der Kategorien, die nicht Gegenstand gemeinschaftlicher Harmonisierungsbestimmungen seien, ein Zulassungsverfahren vorzusehen. Angesichts der ständigen Änderung der Herstellungsverfahren sei es im Übrigen nicht möglich, Kategorien von unschädlichen Verarbeitungshilfsstoffen im Voraus zu bestimmen.

68. Zu dem Vorbringen der Kommission, die nationalen Behörden müssten für jede Kategorie von Verarbeitungshilfsstoffen ein bestimmtes Risiko nachweisen, weist die Französische Republik auf die Geltung des Vorsorgegrundsatzes im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens hin. Nach diesem Grundsatz sei es Sache der Mitgliedstaaten, das Risiko darzulegen, das die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen möglicherweise darstelle, sie müssten jedoch nicht im Einzelnen und wissenschaftlich genau das Bestehen des Risikos nachweisen, das sie darstellten.

69. Angesichts des Fehlens einer Regelung zur Beurteilung von Verarbeitungshilfsstoffen in der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten könne der Umstand, dass ein Stoff in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden sei, diesen Stoff nicht von einer Prüfung durch die AFSSA und die französische Verwaltung befreien. Die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlasse als ein anderer, bedeute nicht, dass die Vorschriften des Letzteren unverhältnismäßig seien.

70. Zu den Klauseln der gegenseitigen Anerkennung weist die Französische Republik nur darauf hin, dass das Dekret von 2001 gerade als Antwort auf den Vorwurf der Kommission erlassen worden sei, dass das Dekret von 1912 keine solchen Gegenseitigkeitsklauseln enthalte.

71. Zu der Möglichkeit, die Verbraucher im Wege der Etikettierung zu informieren und zu schützen, macht die Französische Republik zum einen geltend, dass die Etikettierung ein System der Analyse der Risiken für die Gesundheit des Verbrauchers nicht ersetzen könne. Zum anderen stellte es, da die Richtlinie 2000/13 Verarbeitungshilfsstoffe von der Etikettierungspflicht ausnehme, einen Verstoß gegen diese Richtlinie dar, die Angabe dieser Stoffe auf Etiketten vorzuschreiben.

72. Was die erstmals im Anhang zu ihrer Gegenerwiderung beigefügte Studie der AFSSA vom April 2007 betrifft, führt die Französische Republik aus, dass diese zwar, wie die Kommission bemerkt habe, auf bestimmte Produkte und bestimmte Verfahren gerichtet gewesen sei, eine solche Ausrichtung jedoch unter Berücksichtigung des besonderen Problems der Bildung von Abbau- oder Reaktionsprodukten sinnvoll sei. Eine erschöpfende Prüfung der Verarbeitungshilfsstoffe komme aufgrund der großen Zahl verwendbarer Verarbeitungshilfsstoffe nicht in Betracht. Jedenfalls sei die französische Regelung entgegen den Behauptungen der Kommission nicht ohne eine vorherige umfassende und eingehende Studie der Auswirkungen von Verarbeitungshilfsstoffen auf die Gesundheit erlassen worden, die zwischen 2001 und 2003 begonnen worden und deren zweite Phase für den Zeitraum 2009–2011 geplant sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

73. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ein elementarer Grundsatz des Vertrags ist, der in dem in Art. 28 EG niedergelegten Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung seinen Ausdruck gefunden hat.

74. Das in Art. 28 EG aufgestellte Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung erfasst jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 837, Nr. 5, vom 23. September 2003, Kommission/Dänemark, C‑192/01, Slg. 2003, I‑9693, Randnr. 39, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, C‑24/00, Slg. 2004, I‑1277, Randnr. 22).

75. Es ist unstreitig, dass das durch das Dekret von 1912 vorgesehene Zulassungssystem eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 28 EG darstellt.

76. Das in diesem Dekret vorgesehene Zulassungssystem macht nämlich das Inverkehrbringen von Verarbeitungshilfsstoffen und von Lebensmitteln, bei deren Zubereitung in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellte und/oder in den Verkehr gebrachte Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, teurer und schwieriger und in bestimmten Fällen sogar unmöglich.

77. Erstens hemmt dieses System den freien Verkehr der für die Verwendung in der Lebensmittelherstellung bestimmten Verarbeitungshilfsstoffe aus anderen Mitgliedstaaten, wo sie rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, da sie den in der französischen Regelung festgelegten Reinheitskriterien oder anderen Merkmalen unterworfen werden.

78. Zweitens hemmt es den freien Verkehr der fertigen Lebensmittel aus anderen Mitgliedstaaten, in denen auch nur geringste Rückstände eines in Frankreich nicht zugelassenen Verarbeitungshilfsstoffs oder Rückstände von in Frankreich zugelassenen Verarbeitungshilfsstoffen, die die in den französischen Zulassungsverordnungen festgelegten Höchstrückstände überschreiten, nachweisbar sind.

79. Drittens hemmt dieses Zulassungssystem den freien Verkehr fertiger Lebensmittel aus anderen Mitgliedstaaten, bei deren Herstellung ein in Frankreich nicht zugelassener Verarbeitungshilfsstoff oder ein zugelassener, aber den in der französischen Regelung festgelegten Reinheitskriterien oder anderen Merkmalen nicht entsprechender Verarbeitungshilfsstoff oder ein Verarbeitungshilfsstoff verwendet wurde, der in Frankreich zugelassen ist, aber in einer anderen als der in der französische Regelung zugelassenen Weise verwendet wurde, und zwar selbst dann, wenn Rückstände im fertigen Lebensmittel nicht oder in zulässigen Mengen vorhanden sind.

80. Nach ständiger Rechtsprechung verstößt eine nationale Regelung, wonach der Zusatz eines Nährstoffs zu einem Lebensmittel, das in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht worden ist, von einer vorherigen Zulassung abhängig ist, grundsätzlich nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 1992, Kommission/Frankreich, C‑344/90, Slg. 1992, I‑4719, Randnr. 8, und Kommission/Dänemark, Randnr. 44).

81. Eine solche Regelung muss ein Verfahren vorsehen, das es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, die Aufnahme dieses Nährstoffs in die nationale Liste der zugelassenen Stoffe zu erreichen. Dieses Verfahren muss leicht zugänglich sein und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden können; wenn es zu einer Ablehnung führt, muss die Ablehnungsentscheidung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens angefochten werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 1992, Kommission/Frankreich, Randnr. 9, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 26).

82. Außerdem kann ein Antrag auf Aufnahme eines Nährstoffs in die nationale Liste der zugelassenen Stoffe von den zuständigen innerstaatlichen Behörden nur dann abgelehnt werden, wenn dieser Stoff tatsächlich ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung birgt (vgl. Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 46, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 27).

83. Im vorliegenden Fall macht die Kommission geltend, im Unterschied zu Zusatzstoffen und Nährstoffen, wie beispielsweise Vitaminen, die Gegenstand der oben angeführten Urteile Kommission/Dänemark und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, gewesen seien, handele es sich bei Verarbeitungshilfsstoffen nicht um Stoffe, die den Lebensmitteln hinzugefügt würden, sondern nur um Stoffe, die im Verarbeitungs- oder Herstellungsprozess eines Lebensmittels verwendet würden und deren Spuren in bestimmten Fällen nachweisbar seien. Im Gegensatz zu Vitaminen und Zusatzstoffen sei ihr Vorhandensein im fertigen Lebensmittel selten und nicht beabsichtigt. Im Hinblick auf diese Unterschiede ist die Kommission der Auffassung, dass ein Zulassungssystem für Verarbeitungshilfsstoffe nicht gerechtfertigt sei, da diese nicht dieselbe potenzielle Schädlichkeit für die Gesundheit der Bevölkerung aufwiesen wie Zusatzstoffe oder Vitamine.

84. Hierzu ist festzustellen, dass die Unterschiede, die zwischen den Nährstoffen, die Lebensmitteln bewusst und absichtlich hinzugefügt werden, und den Verarbeitungshilfsstoffen bestehen, nicht die Möglichkeit für einen Mitgliedstaat ausschließen können, sich grundsätzlich auf Art. 30 EG und das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu berufen, um Zulassungssysteme wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden zu rechtfertigen. Wenn solche Unterschiede in Bezug auf Stoffe bestünden, die Gegenstand eines Zulassungssystems sind, wären sie nicht für die Feststellung relevant, ob die Wahl eines solchen Systems für die Mitgliedstaaten grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern im Hinblick auf die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das für sie geltende System.

85. Was das Ziel des Gesundheitsschutzes betrifft, ist es mangels Harmonisierung und soweit beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung noch Unsicherheiten bestehen, Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen und ob sie für das Inverkehrbringen der Verarbeitungshilfsstoffe oder Lebensmittel, bei deren Zubereitung Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, eine vorherige Genehmigung verlangen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 1983, Sandoz, 174/82, Slg. 1983, 2445, Randnr. 16, vom 13. Dezember 1990, Bellon, C‑42/90, Slg. 1990, I‑4863, Randnr. 11, Kommission/Dänemark, Randnr. 42, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 49).

86. Dieses den Gesundheitsschutz betreffende Ermessen ist von besonderer Bedeutung, wenn nachgewiesen wird, dass beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung Unsicherheiten hinsichtlich bestimmter in der Lebensmittelherstellung verwendeter Stoffe bestehen, (vgl. Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 43, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 50).

87. Da Art. 30 EG eine – eng auszulegende – Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft darstellt, haben die nationalen Behörden, die sich hierauf berufen, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung darzutun, dass ihre Regelung zum wirksamen Schutz der in dieser Bestimmung erfassten Interessen erforderlich ist, und insbesondere, dass das Inverkehrbringen der in Frage stehenden Erzeugnisse eine tatsächliche Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 46, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88. Ein Verbot des Inverkehrbringens von Verarbeitungshilfsstoffen oder unter Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen hergestellten Lebensmitteln aus anderen Mitgliedstaaten, wo diese rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, muss daher auf eine eingehende Prüfung des Risikos gestützt werden, das der sich auf Art. 30 EG berufende Mitgliedstaat geltend macht (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 47, vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 54, und vom 2. Dezember 2004, Kommission/Niederlande, C‑41/02, Slg. 2004, I‑11375, Randnr. 48).

89. Ein solches Verbot, das im Übrigen das restriktivste Hemmnis für den Handel mit in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und in den Verkehr gebrachten Produkten darstellt, kann nur erlassen werden, wenn die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit auf der Grundlage der letzten wissenschaftlichen Informationen, die bei Erlass eines solchen Verbotes zur Verfügung stehen, als hinreichend nachgewiesen anzusehen ist. In einem solchen Zusammenhang ist Gegenstand der Risikobewertung, die der Mitgliedstaat vorzunehmen hat, die Beurteilung des Wahrscheinlichkeitsgrads der schädlichen Auswirkungen der Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen bei der Herstellung von Lebensmitteln auf die menschliche Gesundheit sowie der Schwere dieser potenziellen Auswirkungen (Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 48, vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 55, und Kommission/Niederlande, Randnr. 49).

90. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Ausübung ihres Ermessens im Bereich des Gesundheitsschutzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die von ihnen gewählten Maßnahmen sind daher auf das Maß dessen zu beschränken, was zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung tatsächlich erforderlich ist, und sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, das nicht durch Maßnahmen zu erreichen sein darf, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken (vgl. Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 45, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 52).

91. Gewiss könnte sich bei der von dem Mitgliedstaat vorzunehmenden Bewertung herausstellen, dass insoweit erhebliche wissenschaftliche und praktische Unsicherheit besteht. Eine solche Unsicherheit, die vom Begriff der Vorsorge nicht zu trennen ist, wirkt sich auf den Umfang des Ermessens des Mitgliedstaats und damit auch auf die Art und Weise der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Unter solchen Umständen ist einem Mitgliedstaat zuzugestehen, dass er nach dem Vorsorgeprinzip Schutzmaßnahmen trifft, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargelegt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Mai 1998, National Farmers’ Union u. a., C‑157/96, Slg. 1998, I‑2211, Randnr. 63, sowie Kommission/Niederlande, Randnrn. 51 und 52). Allerdings darf die Risikobewertung nicht auf rein hypothetische Erwägungen gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a., C‑236/01, Slg. 2003, I‑8105, Randnr. 106, Kommission/Dänemark, Randnr. 49, und Kommission/Niederlande, Randnr. 52).

92. Eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips erfordert erstens die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen auf die Gesundheit und zweitens eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung (vgl. Urteile Monsanto Agricoltura Italia u. a., Randnr. 113, Kommission/Dänemark, Randnr. 51, und Kommission/Niederlande, Randnr. 53).

93. Wenn es sich als unmöglich erweist, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintritt, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen, wenn sie objektiv und nicht diskriminierend sind (vgl. Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 52, und Kommission/Niederlande, Randnr. 54).

94. Im vorliegenden Fall rechtfertigt die Französische Republik das in ihrer Regelung vorgesehene Zulassungssystem, indem sie sich auf die möglichen Risiken beruft, die bestimmte Kategorien von Verarbeitungshilfsstoffen für die Gesundheit darstellen.

95. Bestehen Risiken in Bezug auf bestimmte Kategorien von Verarbeitungshilfsstoffen, muss jedoch die innerstaatliche Regelung zielgerichtet und eindeutig im Hinblick auf diese Kategorien gerechtfertigt werden und darf nicht auf alle Verarbeitungshilfsstoffe oder alle Lebensmittel abstellen, bei deren Herstellung Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, die nicht in diese gefährlichen oder verdächtigen Kategorien fallen. Es genügt nicht, sich auf mögliche Risiken zu stützen, die diese Stoffe oder die zulassungspflichtigen Produkte bergen.

96. Zwar kann sich ein Mitgliedstaat auf das Vorsorgeprinzip stützen, wenn er das Bestehen oder die Tragweite der behaupteten Gefahr nicht mit Sicherheit bestimmen kann. Die richtige Anwendung dieses Prinzips setzt allerdings voraus, dass der Mitgliedstaat das Vorliegen der in Randnr. 92 dieses Urteils angeführten Voraussetzungen für dessen Anwendung nachweist.

97. In Bezug auf das im Dekret von 1912 vorgesehene Zulassungssystem fehlt es am Nachweis dieser Voraussetzungen. Selbst wenn es der Französischen Republik, wie sie geltend macht, nach dem Vorsorgeprinzip nur obliegen sollte, die Gefahr darzulegen, die die Verwendung der Verarbeitungshilfsstoffe darstellen kann, ändert dies nichts daran, dass die von diesem Mitgliedstaat im vorliegenden Fall vorgebrachte allgemeine Vermutung eines Gesundheitsrisikos nicht durch Beweise gestützt wird, die belegen, aus welchem Grund das Inverkehrbringen dieses Lebensmittels, bei dessen Herstellung Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, von der Aufnahme des fraglichen Verarbeitungshilfsstoffs in eine mit der französischen Regelung aufgestellte Positivliste abhängig sein soll, die wiederum von der Übereinstimmung des in Rede stehenden Lebensmittels mit durch diese Regelung aufgestellten Reinheitskriterien, Anforderungen in Bezug auf zulässige Höchstrückstände oder Bedingungen für die Verwendung der Verarbeitungshilfsstoffe abhängt.

98. Darüber hinaus ist zu den von der Französischen Republik zum Nachweis dafür vorgelegten Unterlagen, dass die Wahl der in Rede stehenden Systeme sich auf eine umfassende Risikoanalyse im Einklang mit den Art. 28 EG und 30 EG stützt, festzustellen, dass der Bericht der AFSSA von 2008 und die Studie vom April 2007, mit denen dargetan werden sollte, dass die fragliche Regelung mit den Art. 28 EG und 30 EG vereinbar ist, lange nach dem Dekret von 1912 verfasst worden sind. Nach der Bekanntmachung der in Art. 2 des Dekrets von 2001 vorgesehenen Ministerialverordnung am 2. Dezember 2006 war das Dekret von 1912 im Übrigen bei der Erstellung dieser Dokumente nicht mehr in Kraft.

99. Wie aus Randnr. 90 dieses Urteils hervorgeht, sind zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die von den Mitgliedstaaten gewählten Maßnahmen auf das Maß dessen zu beschränken, was zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung tatsächlich erforderlich ist.

100. In Bezug auf das vom Dekret von 1912 vorgesehene Zulassungssystem zeigt die Prüfung der Akte, dass es unverhältnismäßig ist, weil es, außer bei vorheriger Zulassung, das Inverkehrbringen aller Verarbeitungshilfsstoffe und aller Lebensmittel, bei deren Herstellung Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, systematisch verbietet, ohne hinsichtlich der verschiedenen Verarbeitungshilfsstoffe oder nach der Höhe des Risikos für die Gesundheit, das ihre Verwendung möglicherweise darstellt, zu unterscheiden.

101. Das Dekret von 1912 kann aufgrund seines systematischen Charakters das Gemeinschaftsrecht nicht beachten, was die im Voraus erfolgende Ermittlung der schädlichen Wirkungen von Verarbeitungshilfsstoffen und die Beurteilung des von ihnen ausgehenden tatsächlichen Risikos für die Gesundheit betrifft, wofür in jedem Einzelfall eine eingehende Prüfung der mit der Verwendung der fraglichen Verarbeitungshilfsstoffe möglicherweise verbundenen Folgen erforderlich wäre.

102. Außerdem hemmt dieses System systematisch das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, bei deren Herstellung Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, wenn deren Gebrauchsanweisung nicht derjenigen entspricht, die die französische Regelung vorschreibt, selbst wenn keine Rückstände dieser Verarbeitungshilfsstoffe in den fertigen Lebensmitteln nachweisbar sind.

103. Ein Mitgliedstaat kann ein systematisches und nicht zielgerichtetes Zulassungssystem wie das vom Dekret von 1912 vorgesehene nicht damit rechtfertigen, dass erschöpfende vorherige Prüfungen aufgrund der großen Zahl verwendbarer Verarbeitungshilfsstoffe oder wegen des Umstands, dass sich die Herstellungsverfahren ständig änderten, nicht möglich seien. Wie aus den Art. 6 und 7 der Verordnung Nr. 178/2002 zur Risikoanalyse und zur Anwendung des Vorsorgeprinzips hervorgeht, entspricht eine solche Vorgehensweise nicht den vom Gemeinschaftsgesetzgeber aufgestellten Anforderungen in Bezug auf das gemeinschaftliche wie auch das nationale Lebensmittelrecht, mit dem das allgemeine Ziel eines hohen Maßes an Gesundheitsschutz verfolgt wird.

104. Zwar kann, wie die Französische Republik geltend macht, mit einer der von der Kommission vorgeschlagenen, den freien Verkehr weniger einschränkenden Alternativen, nämlich der Angabe der im Herstellungsverfahren eines Lebensmittels verwendeten Verarbeitungshilfsstoffe, das mit der französischen Regelung verfolgte Ziel des Schutzes nicht erreicht werden, was Verarbeitungshilfsstoffe betrifft, in Bezug auf die ein tatsächliches Gesundheitsrisiko nachgewiesen ist. Jedoch ist das Vorbringen dieses Mitgliedstaats zurückzuweisen, wonach eine solche Angabe auf jeden Fall einen Verstoß gegen die Richtlinie 2000/13 darstellte. Auch wenn sich nämlich aus Art. 6 Abs. 4 Buchst. c Ziff. ii dieser Richtlinie ergibt, dass die Verarbeitungshilfsstoffe keine Zutaten sind, die in der Etikettierung gemäß Art. 3 Abs. 1 zwingend anzugeben sind, können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie Maßnahmen in Bezug auf die Etikettierung erlassen, die aus Gründen des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt sind.

105. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass, wie die Französische Republik ausgeführt hat, die bloße Tatsache, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer, nicht bedeutet, dass die Vorschriften des Letzteren mit den Art. 28 EG und 30 EG unvereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, C‑514/03, Slg. 2006, I‑963, Randnr. 49). Das Fehlen eines Zulassungssystems in Bezug auf die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen bei der Herstellung von Lebensmitteln in allen oder nahezu allen anderen Mitgliedstaaten kann jedoch bei der Beurteilung der im Hinblick auf die französische Regelung vorgebrachten objektiven Rechtfertigung und insbesondere für die Beurteilung von deren Verhältnismäßigkeit relevant sein.

106. Zum Vorbringen der Kommission in Bezug auf die Art der Klauseln der gegenseitigen Anerkennung, die ein Mitgliedstaat in seine nationale Regelung über ein Zulassungssystem wie das im vorliegenden Fall in Rede stehende einbeziehen muss, ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus Randnr. 80 dieses Urteils hervorgeht, eine nationale Regelung, wonach Lebensmittel, bei deren Herstellung in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und/oder in den Verkehr gebrachte Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, von einer vorherigen Zulassung abhängig ist, grundsätzlich nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, sofern die in den Randnrn. 81 und 82 dieses Urteils aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sind.

107. Das in Randnr. 64 dieses Urteils wiedergegebene Vorbringen der Kommission dazu, wie die Klausel der gegenseitigen Anerkennung beschaffen sein müsse, um mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar zu sein, ist zurückzuweisen.

108. Zwar obliegt es dem Mitgliedstaat, der ein Zulassungssystem errichtet, ein vereinfachtes Eintragungsverfahren vorzusehen und das System zu rechtfertigen, indem er das Bestehen einer tatsächlichen Gefahr für die Gesundheit nachweist. Er muss dartun, dass das von ihm zur Erreichung des legitimen Ziels des Schutzes der Gesundheit gewählte System nicht über das Maß des zur Erreichung dieses Ziels Erforderlichen hinausgeht, was der Französischen Republik im vorliegenden Fall, was das vom Dekret von 1912 vorgesehene System betrifft, nicht gelungen ist.

109. Die Aufnahme einer Klausel der gegenseitigen Anerkennung entsprechend den Ausführungen der Kommission in Randnr. 64 dieses Urteils in eine nationale Regelung, die ein Zulassungssystem vorsieht, zu verlangen, liefe jedoch Sinn und Zweck eines solchen Systems zuwider, da der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet wäre, das Inverkehrbringen von Verarbeitungshilfsstoffen und Lebensmitteln, die von dieser Klausel begünstigt werden, in seinem Hoheitsgebiet zuzulassen, ohne prüfen zu können, ob tatsächliche Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung vorliegen.

110. Nach alledem ist festzustellen, dass die erste Rüge der Kommission, soweit sie das Dekret von 1912 betrifft, begründet ist.

Zur zweiten Rüge: Verletzung von Art. 28 EG aufgrund der durch das Dekret von 2001 geschaffenen Rechtsunsicherheit

111. Im Vorverfahren und im Verfahren vor dem Gerichtshof hat die Kommission geltend gemacht, dass der Erlass des Dekrets von 2001, das erst am 2. Dezember 2006 infolge der Bekanntmachung der in Art. 2 des Dekrets vorgesehenen Ministerialverordnung in Kraft getreten ist, die Veröffentlichung der Mitteilung an die Unternehmen im Jahr 2002 und die Veröffentlichung der Leitlinien für die Zusammenstellung der Unterlagen für den Antrag auf Verwendung eines Verarbeitungshilfsstoffs für die im Anhang zum Dekret von 2001 aufgezählten Kategorien von Verarbeitungshilfsstoffen (im Folgenden: Leitlinien) im Jahr 2003 eine Lage der Rechtsunsicherheit geschaffen hätten, die für sich genommen einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen Art. 28 EG darstelle.

112. Hierzu ist festzustellen, dass durch den Zeitablauf zwischen dem Erlass des Dekrets von 2001 und der Bekanntmachung der Ministerialverordnung am 2. Dezember 2006, durch die es in Kraft treten konnte, sowie das Nebeneinander dieses Dekrets und des Dekrets von 1912 während dieses Zeitraums eine unklare tatsächliche Lage bestand, weil die Wirtschaftsteilnehmer bezüglich der ihnen eröffneten Möglichkeiten, Verarbeitungshilfsstoffe oder Lebensmittel, bei deren Herstellung in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellte und/oder in den Verkehr gebrachte Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wurden, in Frankreich in den Verkehr zu bringen, in einem Zustand der Ungewissheit gelassen wurden.

113. Diese Rechtsunsicherheit wurde zum einen durch die Mitteilung an die Unternehmen verstärkt, mit der die Wirtschaftsteilnehmer davon informiert wurden, dass der Anwendung verschiedener Bestimmungen des Dekrets von 2001 ab dem Datum der Veröffentlichung dieser Mitteilung nichts entgegenstehe, und zum anderen durch die von der AFSSA am 2. Juli 2003 veröffentlichten Leitlinien, die ihrem Wortlaut nach auf die im Anhang zum Dekret von 2001 aufgezählten Kategorien von Verarbeitungshilfsstoffen anwendbar waren.

114. Selbst wenn diese Leitlinien mit den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen in Bezug auf das vereinfachte Eintragungsverfahren in Einklang stehen sollten, hätte ein Wirtschaftsteilnehmer keine Unterlagen für einen Antrag auf Verwendung eines Verarbeitungshilfsstoffs zusammenstellen können, der auf die Aufnahme dieses Stoffes in eine Positivliste gemäß Art. 2 des Dekrets von 2001 gerichtet gewesen wäre, da diese Liste noch nicht bestand, weil die Ministerialverordnung, mit der diese Liste erstellt werden sollte, noch nicht erlassen oder bekannt gemacht worden war.

115. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die zweite, das Dekret von 2001 betreffende Rüge der Kommission begründet ist.

Zur dritten Rüge: Fehlen eines vereinfachen Verfahrens zur Aufnahme von Verarbeitungshilfsstoffen in die Liste

116. Die Kommission ist der Auffassung, dass das im Dekret von 1912 vorgesehene Eintragungsverfahren nicht den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden, in Randnr. 81 dieses Urteils genannten Anforderungen entspreche. Das Dekret von 1912 enthalte keine Angaben zur Dauer des Verfahrens, zu dem Recht der Wirtschaftsteilnehmer, es in Gang zu setzen, oder zu ihren Möglichkeiten, im Fall einer Ablehnung Rechtsmittel einzulegen. Außerdem sei nicht angegeben, an welche Stelle Wirtschaftsteilnehmern ihre Anträge oder die beizufügenden Unterlagen richten müssten.

117. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus Randnr. 81 dieses Urteils hervorgeht, eine nationale Regelung, wonach der Zusatz eines Stoffes wie eines Verarbeitungshilfsstoffs zu einem Lebensmittel von einer vorherigen Zulassung abhängig ist, ein Verfahren vorsehen muss, das es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, die Aufnahme dieses Stoffes in die nationale Liste der zugelassenen Stoffe zu erreichen. Dieses Verfahren muss leicht zugänglich sein und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden können; wenn es zu einer Ablehnung führt, muss die Ablehnungsentscheidung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens angefochten werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 1992, Kommission/Frankreich, Randnr. 9, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, Randnr. 26).

118. In Randnr. 40 des Urteils vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass in Anbetracht der ihm von der Kommission vorgelegten Beispiele in Bezug auf das im Dekret von 1912 vorgesehene Eintragungsverfahren die von den Wirtschaftsteilnehmern eingereichten Anträge auf Eintragung oder Zulassung weder innerhalb eines angemessenen Zeitraums noch nach einem Verfahren behandelt worden sind, das in Bezug auf die Möglichkeiten gerichtlichen Rechtsschutzes im Fall der Ablehnung der Zulassung hinreichend transparent war.

119. Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass das für Nährstoffe wie Vitamine geltende Eintragungsverfahren, das in der Rechtssache in Rede stand, in der das Urteil vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, ergangen ist, dem im Dekret von 1912 für die Aufnahme von Verarbeitungshilfsstoffen in die Liste der in Frankreich zugelassenen Stoffe vorgesehenen Verfahren ähnlich ist oder sogar mit ihm übereinstimmt. Die Französische Republik hat keine Beweise für das Gegenteil vorgelegt.

120. Unter diesen Umständen können die Schlussfolgerungen in Bezug auf das im Dekret von 1912 vorgesehene Eintragungsverfahren, zu denen der Gerichtshof im Urteil vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, gelangt ist, auf das gemäß diesem Dekret für Verarbeitungshilfsstoffe geltende Eintragungsverfahren übertragen werden.

121. Es ist festzustellen, dass in Bezug auf das Dekret von 1912 die dritte Rüge der Kommission betreffend das Fehlen eines vereinfachten Eintragungsverfahrens begründet ist.

122. Nach alledem ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 EG verstoßen hat, dass sie für Verarbeitungshilfsstoffe und für Lebensmittel, bei deren Herstellung Verarbeitungshilfsstoffe aus anderen Mitgliedstaaten verwendet wurden, wo diese rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, eine Zulassungsregelung vorsieht, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Kosten

123. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 EG verstoßen, dass sie für Verarbeitungshilfsstoffe und für Lebensmittel, bei deren Herstellung Verarbeitungshilfsstoffe aus anderen Mitgliedstaaten verwendet wurden, wo diese rechtmäßig hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht werden, eine Zulassungsregelung vorsieht, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

2. Die Französische Republik trägt die Kosten.

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