Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62007CJ0270

    Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 19. März 2009.
    Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland.
    Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Gemeinsame Agrarpolitik - Gebühren für veterinär- und hygienerechtliche Kontrollen - Richtlinie 85/73/EWG - Verordnung (EG) Nr. 882/2004.
    Rechtssache C-270/07.

    Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-01983

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:168

    Rechtssache C‑270/07

    Kommission der Europäischen Gemeinschaften

    gegen

    Bundesrepublik Deutschland

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Gemeinsame Agrarpolitik – Gebühren für veterinär- und hygienerechtliche Kontrollen – Richtlinie 85/73/EWG – Verordnung (EG) Nr. 882/2004“

    Leitsätze des Urteils

    1.        Landwirtschaft – Angleichung der gesundheitsrechtlichen Vorschriften – Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch – Richtlinie 85/73 – Spezifische Gebühr, die die tatsächlichen Kosten deckt

    (Richtlinie 85/73 des Rates in der Fassung der Richtlinie 97/79, Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b)

    2.        Vertragsverletzungsklage – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens – Anpassung wegen einer Änderung des Gemeinschaftsrechts – Zulässigkeit – Voraussetzungen

    (Art. 226 EG)

    1.        Die in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 über die Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen nach den Richtlinien 89/662, 90/425, 90/675 und 91/496 in der Fassung der Richtlinie 97/79 darf zum einen nicht den Betrag der tatsächlich entstandenen Kosten der Untersuchungen und Kontrollen übersteigen und muss zum anderen sämtliche Kosten umfassen, ohne dass bestimmte Kosten unberücksichtigt bleiben könnten. Sie darf damit nicht die Form einer „pauschalen“ Gebühr annehmen, da es zum Wesen einer pauschal festgesetzten Gebühr gehört, dass sie in bestimmten Fällen die tatsächlichen Kosten für die Maßnahmen, die mit ihr finanziert werden sollen, übersteigt und in anderen Fällen niedriger ist.

    Dagegen kann der Umstand, dass sich die nach der genannten Vorschrift erhobene Gebühr aus mehreren Kostenelementen zusammensetzt, als solcher nicht zur Unvereinbarkeit dieser Gebühr mit dieser Vorschrift führen.

    Das Ziel der Transparenz steht der Erhebung einer solchen Gebühr nicht entgegen, sofern sie die Art der verschiedenen Kostenelemente, aus denen sie sich zusammensetzt, klar und detailliert ausweist und dem Schuldner damit die Kenntnis der genauen Zusammensetzung der Gesamtgebühr ermöglicht.

    Soweit eine solche Gebühr keine anderen Kostenelemente als die in der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen umfasst und die Höhe der tatsächlichen Kosten nicht übersteigt, wird durch sie auch das mit der Richtlinie 85/73 verfolgte Ziel der Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen nicht in Frage gestellt.

    (vgl. Randnrn. 32, 37, 41, 43)

    2.        Auch wenn im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage die in der Klageschrift gestellten Anträge grundsätzlich nicht über die im verfügenden Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme und im Mahnschreiben gerügten Verstöße hinausgehen dürfen, kann die Kommission doch die Feststellung eines Verstoßes gegen diejenigen Verpflichtungen beantragen, die sich aus der ursprünglichen Fassung eines später geänderten oder aufgehobenen Gemeinschaftsrechtsakts ergeben und durch neue Bestimmungen aufrechterhalten wurden. Dagegen kann der Streitgegenstand nicht auf Verpflichtungen erstreckt werden, die sich aus neuen Bestimmungen ergeben und keine Entsprechung in der ursprünglichen Fassung des betreffenden Rechtsakts haben, da dies einen Verstoß gegen Formvorschriften darstellen würde, die für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zur Feststellung der Vertragsverletzung wesentlich sind.

    (vgl. Randnr. 50)







    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

    19. März 2009(*)

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Gemeinsame Agrarpolitik – Gebühren für veterinär- und hygienerechtliche Kontrollen – Richtlinie 85/73/EWG – Verordnung (EG) Nr. 882/2004“

    In der Rechtssache C‑270/07

    betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 6. Juni 2007,

    Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Erlbacher und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

    Klägerin,

    gegen

    Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt U. Karpenstein,

    Beklagte,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ilešič, A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),

    Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

    Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2008,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen nach Art. 1 und Art. 5 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen nach den Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG, 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. L 32, S. 14) in der durch die Richtlinie 97/79/EG des Rates vom 18. Dezember 1997 (ABl. L 24, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/73) sowie, ab dem 1. Januar 2007, nach Art. 27 Abs. 2, 4 und 10 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 165, S. 1, berichtigt in ABl. L 191, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 776/2006 der Kommission vom 23. Mai 2006 (ABl. L 136, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 882/2004) verstoßen hat oder weiterhin verstößt, dass § 4 des Ausführungsgesetzes zum Fleischhygienerecht und zum Geflügelfleischrecht für das Land Schleswig-Holstein vom 12. Januar 1998 (GVOBl. Schl.-H. 1998, S. 2, im Folgenden: Ausführungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein) nicht diesen Gemeinschaftsbestimmungen angepasst worden ist.

     Rechtlicher Rahmen

     Gemeinschaftsrecht

    2        Aus Art. 3 Abs. 1 Abschnitt A Buchst. d in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii sowie Anhang I Kapitel VIII Nr. 40 Buchst. e der Richtlinie 64/433/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 über die gesundheitlichen Bedingungen für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von frischem Fleisch (ABl. 1964, Nr. 121, S. 2012) in der durch die Richtlinie 91/497/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 (ABl. L 268, S. 69) geänderten und kodifizierten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 64/433) geht hervor, dass im Rahmen der Untersuchungen von frischem Fleisch erforderlichenfalls Laboruntersuchungen angestellt werden, die gegebenenfalls eine bakteriologische Untersuchung und eine Untersuchung der Rückstände pharmakologisch wirkender Stoffe umfassen.

    3        Die Richtlinie 64/433 wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2006 durch die Richtlinie 2004/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Aufhebung bestimmter Richtlinien über Lebensmittelhygiene und Hygienevorschriften für die Herstellung und das Inverkehrbringen von bestimmten, zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs sowie zur Änderung der Richtlinien 89/662/EWG und 92/118/EWG des Rates und der Entscheidung 95/408/EG des Rates (ABl. L 157, S. 33, berichtigt in ABl. L 195, S. 12) aufgehoben.

    4        Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/41 gelten Bezugnahmen insbesondere auf die Richtlinie 64/433 je nach Kontext als Bezugnahmen auf die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 139, S. 55, berichtigt in ABl. L 226, S. 22) oder auf die Verordnung (EG) Nr. 854/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs (ABl. L 139, S. 206, berichtigt in ABl. L 226, S. 83).

    5        Aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. d und f in Verbindung mit Anhang I Kapitel II Abschnitte D und F der Verordnung Nr. 854/2004 geht hervor, dass die Untersuchungen von Frischfleisch, sofern dies für erforderlich erachtet wird, Labortests zu umfassen haben, um einen endgültigen Befund zu erhalten oder u. a. Tierkrankheiten oder Faktoren nachzuweisen, die es gegebenenfalls erforderlich machen, dass das Fleisch für genussuntauglich erklärt wird oder seine Verwendung Beschränkungen unterliegt. Der amtliche Tierarzt hat dafür Sorge zu tragen, dass alle anderen notwendigen Laboruntersuchungen durchgeführt werden.

    6        Zur Finanzierung der fraglichen Untersuchungen und Kontrollen sieht Art. 1 der Richtlinie 85/73 vor, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass zur Deckung der Kosten, die durch diese Untersuchungen und Kontrollen entstehen, eine Gemeinschaftsgebühr erhoben wird.

    7        Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/73 werden die Gemeinschaftsgebühren in der Weise festgelegt, dass sie die Kosten decken, die die zuständige Behörde in Form von Löhnen und Sozialabgaben der Untersuchungsstelle sowie in Form von durch die Durchführung der Untersuchungen und Kontrollen entstehenden Verwaltungskosten, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals hinzugerechnet werden können, zu tragen hat. Ferner können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 3 einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben, sofern die erhobene Gesamtgebühr die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet. Art. 5 Abs. 4 sieht vor, dass die Gemeinschaftsgebühren an die Stelle jeder anderen Abgabe oder Gebühr treten, die von den staatlichen, regionalen oder kommunalen Behörden der Mitgliedstaaten für die Untersuchungen und Kontrollen gemäß Art. 1 der Richtlinie erhoben wird.

    8        Anhang A Kapitel I Nr. 1 der Richtlinie 85/73 legt Pauschalbeträge für Untersuchungskosten im Zusammenhang mit Schlachttätigkeiten fest. Die Modalitäten der Finanzierung der Kontrollen und Untersuchungen im Zusammenhang mit Zerlegungen werden in Nr. 2 dieses Kapitels geregelt. In Nr. 4 Buchst. a und b dieses Kapitels I heißt es:

    „Die Mitgliedstaaten können zur Deckung höherer Kosten

    a)      die unter Nummer 1 und Nummer 2 Buchstabe a) vorgesehenen Pauschalbeträge für bestimmte Betriebe anheben.

    b)      oder eine Gebühr erheben, die die tatsächlichen Kosten deckt.“

    9        Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 sieht vor:

    „(1)      Die Mitgliedstaaten können Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten erheben, die durch die amtlichen Kontrollen entstehen.

    (2)      Allerdings sorgen die Mitgliedstaaten bezüglich der in Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A genannten Tätigkeiten dafür, dass eine Gebühr erhoben wird.

    (4)      Die gemäß Absatz 1 oder 2 zum Zwecke von amtlichen Kontrollen erhobenen Gebühren:

    a)      dürfen nicht höher sein als die von den zuständigen Behörden getragenen Kosten in Bezug auf die Ausgaben gemäß Anhang VI

    und

    b)      können auf der Grundlage der von den zuständigen Behörden während eines bestimmten Zeitraums getragenen Kosten als Pauschale festgesetzt werden oder gegebenenfalls den in Anhang IV Abschnitt B bzw. Anhang V Abschnitt B festgelegten Beträgen entsprechen.

    (10)      Abgesehen von den Kosten, die im Zuge der in Artikel 28 genannten Ausgaben anfallen, erheben die Mitgliedstaaten neben den in diesem Artikel genannten Gebühren oder Kostenbeiträgen keine sonstigen Gebühren für die Durchführung dieser Verordnung.

    …“

     Nationales Recht

    10      § 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein lautet:

    „(1)      Die Gebührensätze für die Schlachttier‑ und Fleischuntersuchung einschließlich der Rückstandsuntersuchungen, der Untersuchung auf Trichinen sowie der Hygienekontrollen werden bemessen je Tier, unterschieden nach Tierart; in Zerlegungsbetrieben, in denen das Fleisch zerlegt oder entbeint wird, je Tonne Fleisch mit Knochen.

    (2)      In die Berechnung der Gebührensätze sind einzustellen:

    1.      Löhne und Sozialabgaben der Untersuchungsstellen,

    2.      durch die Durchführung der Untersuchungen und Kontrollen entstehende Verwaltungskosten, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals hinzugerechnet werden können.

    (3)      Die Verwaltungsgebühren erhöhen sich um bis zu

    1.      100 %, wenn die Amtshandlung auf Verlangen zwischen 18:00 Uhr und 7:00 Uhr, in Großbetrieben zwischen 18:00 Uhr und 6:00 Uhr, an Sonnabenden nach 15:00 Uhr, an Sonntagen oder an gesetzlichen Feiertagen durchgeführt wird,

    2.      50 %, wenn die Amtshandlung auf Verlangen außerhalb der festgesetzten Untersuchungszeiten oder Schlachttage durchgeführt wird.

    (4)      …

    Neben den Gebühren sind folgende Auslagen … zu erheben:

    2.      Beförderungskosten für bakteriologische Untersuchungen (BU-Proben, TSE-Proben und andere Verdachtsproben mit Ausnahme von Proben zur Rückstandsuntersuchung …) und

    3.      Untersuchungskosten für Proben nach Nr. 2 …“

     Vorverfahren

    11      Aufgrund einer Beschwerde richtete die Kommission am 21. März 2005 ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland, in dem sie dieser mitteilte, dass § 4 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein ihrer Ansicht nach nicht mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 85/73, wie sie der Gerichtshof im Urteil vom 30. Mai 2002, Stratmann und Fleischversorgung Neuss (C‑284/00 und C‑288/00, Slg. 2002, I‑4611), ausgelegt habe, vereinbar sei.

    12      Am 20. Mai 2005 antworteten die deutschen Behörden auf dieses Mahnschreiben, dass die Zweifel der Kommission hinsichtlich der ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 85/73 in das innerstaatliche Recht unbegründet seien und dass das Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei.

    13      Da die Kommission diese Antwort nicht für zufriedenstellend hielt, gab sie am 4. Juli 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie die im Mahnschreiben genannten Rügen wiederholte und mit der sie die Bundesrepublik Deutschland aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

    14      Da die Bundesrepublik Deutschland die mit Gründen versehene Stellungnahme nicht beantwortete, hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

     Zur Klage

     Vorbringen der Parteien

    15      Die Kommission macht geltend, dass die zuständigen Landesbehörden in Anwendung von § 4 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein neben der pauschalen Gemeinschaftsgebühr Auslagen für die Durchführung bakteriologischer Untersuchungen von frischem Fleisch erheben könnten. Im Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss habe der Gerichtshof jedoch für Recht erkannt, dass sich aus Wortlaut und Zweck der Richtlinien 64/433 und 85/73 ergebe, dass die Kosten dieser Untersuchungen von der Gemeinschaftsgebühr erfasst würden, die die Mitgliedstaaten nach der letztgenannten Richtlinie erhöben.

    16      Das Inkrafttreten der neuen Gemeinschaftsregelung, d. h. der Verordnungen Nrn. 853/2004 und 854/2004 mit Wirkung zum 1. Januar 2006 sowie der Verordnung Nr. 882/2004 mit Wirkung zum 1. Januar 2007, habe an dieser Situation nichts geändert. Zum einen ergebe sich nämlich aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften dieser Verordnungen, dass die bakteriologischen Untersuchungen noch zu den obligatorischen Untersuchungen und Hygienekontrollen gehörten, deren Kosten durch die Gemeinschaftsgebühr gedeckt würden. Für diese Untersuchungen dürfe daher außer dieser Gebühr keine weitere erhoben werden. Zum anderen stehe § 4 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein im Widerspruch zum Zweck der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, mit denen, wie der Gerichtshof bereits im Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss festgestellt habe, das sich entsprechend auf die neue Gemeinschaftsregelung übertragen lasse, Wettbewerbsverzerrungen behoben werden sollten, zu denen Unterschiede im Bereich der Finanzierung der Untersuchungen und Kontrollen führten. Dieser Zweck würde jedoch gefährdet, wenn bestimmte im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Untersuchungen nicht von dem solchermaßen harmonisierten gemeinschaftlichen Finanzierungssystem erfasst würden und für sie spezifische nationale Gebühren erhoben werden könnten.

    17      Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland könne eine Bestimmung wie § 4 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein nicht auf Anhang A Kapitel I Nr. 4 der Richtlinie 85/73 gestützt werden. In seinem Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss habe der Gerichtshof nämlich die Möglichkeit, sich auf diese Nr. 4 Buchst. b zu berufen, um Kosten von bakteriologischen Untersuchungen über den pauschalen Gebührenbetrag hinaus zu berücksichtigen, ausdrücklich ausgeschlossen. Dort habe der Gerichtshof im Übrigen ausgeführt, dass eine in Anwendung dieser Vorschrift erhobene Gebühr die Form einer Pauschale annehmen müsse. Im vorliegenden Fall handele es sich aber nicht um eine allgemeine Erhöhung des Pauschalbetrags der Gemeinschaftsgebühr, in die sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten einflössen. § 4 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig‑Holstein verstoße somit gegen Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 85/73.

    18      Die Kommission macht weiter geltend, dass das Urteil vom 9. September 1999, Feyrer (C‑374/97, Slg. 1999, I‑5153), das die Bundesrepublik Deutschland für ihren Standpunkt anführt, im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Der Gerichtshof habe dort ganz andere Fragen als die im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen behandelt.

    19      Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, das Ausführungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein sei auf der Grundlage von Art. 1 in Verbindung mit Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 erlassen worden, wonach die Mitgliedstaaten eine Gebühr erheben könnten, die die tatsächlichen Kosten für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung decke.

    20      Zunächst umfasse die im Ausführungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung vorgesehene Gebühr nicht die Kosten für die Beförderung und die Untersuchung von Proben, die zur Durchführung bakteriologischer Untersuchungen genommen worden seien. Das entspreche im Übrigen dem nationalen Recht, nach dem eine Gebühr keinesfalls solche Kosten umfassen könne. Es sei daher rechtmäßig, zur Deckung solcher Kosten gesondert Auslagen zu erheben.

    21      Sodann erhebe das Land Schleswig-Holstein als Gebühren für die Untersuchungen und Kontrollen von frischem Fleisch weder die in Anhang A Kapitel I Nrn. 2 und 3 der Richtlinie 85/73 vorgesehenen Pauschalbeträge, noch handele es sich bei den Gebühren um eine Anhebung der Pauschalbeträge nach Nr. 4 Buchst. a desselben Kapitels. Daher lasse sich nicht, wie es die Kommission tue, die Ansicht vertreten, dass die entsprechenden Beträge „neben“ der pauschalen Gemeinschaftsgebühr erhoben würden. In diesem Punkt unterscheide sich die Regelung des Landes Schleswig-Holstein ganz deutlich von der im Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss in Rede stehenden. Außerdem könnten die Mitgliedstaaten nach Randnr. 32 des Urteils Feyrer ohne weitere Voraussetzungen von der ihnen in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 zuerkannten Befugnis Gebrauch machen, sofern die Gebühr die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreite. Wenn diese Voraussetzung beachtet werde, könnten demnach für unterschiedliche Leistungen gesonderte Gebühren erhoben werden. Dabei dürfe jedoch – wie im vorliegenden Fall – keine Doppelfinanzierung auftreten.

    22      Schließlich stehe § 4 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein nicht im Widerspruch zum Wortlaut oder dem Zweck des Anhangs A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73. Zum einen ergebe sich nämlich aus einer Gesamtbetrachtung der verschiedenen Sprachfassungen dieser Vorschrift, dass sie weder der Erhebung mehrerer Teilgebühren noch der Erhebung von Gebühren und Auslagen und ihrer Addierung zu einer „Gesamtgebühr“ entgegenstehe. Zum anderen dürfe das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel, die Harmonisierung der Grundlagen für die Gebührenbemessung, nicht zu einer Harmonisierung der anwendbaren Sätze führen, da die Richtlinie selbst Abweichungen vorsehe, die den Mitgliedstaaten die Berücksichtigung der unterschiedlichen Kostenstrukturen ermöglichten.

    23      Die Bundesrepublik Deutschland ergänzt, dass die Höhe der fraglichen Gebühr unausweichlich von Fall zu Fall variiere, da in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Bedingungen in den Schlachtbetrieben und der Art der durchzuführenden Untersuchungen unterschiedliche Kosten zu berücksichtigen seien. Eine Gebühr zur Deckung der tatsächlich entstandenen Kosten unterscheide sich von einer pauschalen Gebühr gerade dadurch, dass im ersten Fall die Kosten verursachungsgerecht dem jeweiligen Schlachtbetrieb zugeordnet würden, wohingegen sie im zweiten Fall auf alle Schlachtbetriebe umgelegt würden. Einer Vorschrift wie § 4 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein stehe das in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73 niedergelegte Verbot der Überschreitung der tatsächlichen Kosten der Untersuchungen in keiner Weise entgegen.

    24      Die Verordnungen Nrn. 853/2004 und 854/2004 sowie 882/2004, die seit dem 1. Januar 2006 bzw. dem 1. Januar 2007 anwendbar seien, änderten nichts an dieser Situation, da sich die in den Randnrn. 19 bis 23 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Argumente der Bundesrepublik Deutschland entsprechend auf diese neuen Verordnungen übertragen ließen.

     Würdigung durch den Gerichtshof

    25      Einleitend ist festzustellen, dass die Kommission für ihre Klage zwei Rügen anführt, die sich auf einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen erstens aus Art. 1 und Art. 5 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 85/73 und zweitens aus der Verordnung Nr. 882/2004 beziehen.

     Zur ersten Rüge

    26      Im Hinblick auf die Entscheidung über die Begründetheit der ersten Rüge ist vorab zu klären, ob das von der Kommission angeführte Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss im vorliegenden Fall einschlägig ist, und die Frage zu beantworten, ob Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 im von ihr vertretenen Sinn dahin auszulegen ist, dass eine in Anwendung dieser Vorschrift erhobene Gebühr die Form eines Pauschalbetrags annehmen muss.

    27      Was erstens die entsprechende Anwendung des Urteils Stratmann und Fleischversorgung Neuss auf die im vorliegenden Fall in Rede stehende Rechtslage betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dem die Kommission insoweit nicht widersprochen hat, das Land Schleswig-Holstein als Gebühren für die Untersuchungen und Kontrollen von frischem Fleisch nicht die in Anhang A Kapitel I Nrn. 2 und 3 der Richtlinie 85/73 vorgesehenen Pauschalbeträge erhebt und dass es sich bei den Gebühren auch nicht um eine Anhebung der Pauschalbeträge nach Nr. 4 Buchst. a desselben Kapitels handelt.

    28      Da feststeht, dass die zuständigen nationalen Behörden im vorliegenden Fall nur eine spezifische Gebühr erheben, auch wenn sich diese aus verschiedenen Beträgen zusammensetzt, ist der Schluss zu ziehen, dass sich die Regelung des Landes Schleswig-Holstein in einem wesentlichen Punkt von der im Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss in Rede stehenden unterscheidet.

    29      Daraus folgt, dass sich das vom Gerichtshof im Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss erzielte Ergebnis nicht entsprechend auf eine Situation wie die hier vorliegende übertragen lässt.

    30      Was zweitens die Auslegung von Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 betrifft, ist zunächst festzustellen, dass der Gerichtshof in Randnr. 56 des Urteils Stratmann und Fleischversorgung Neuss entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht ausgeführt hat, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Gebühr die Form eines Pauschalbetrags annehmen muss.

    31      Der Gerichtshof hat sich nämlich in der genannten Randnr. 56 auf die in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 vorgesehenen Anhebungen bezogen, da nur in dieser Vorschrift die Begriffe „anheben“ und „Pauschalbeträge“ verwendet werden. Im zweiten Teil der genannten Randnr. 56, der sich auf die Befugnis der Mitgliedstaaten bezieht, eine spezifische, über die Gemeinschaftsgebühren hinausgehende Gebühr zu erheben, ist in keiner Weise von einem Pauschalbetrag die Rede, sondern dort wird nur das Gebrauchmachen von dieser Befugnis von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass die entsprechende Gebühr sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten abdeckt.

    32      Daraus folgt, dass die entsprechende Gebühr zum einen nicht den Betrag der tatsächlich entstandenen Kosten übersteigen darf und dass sie zum anderen sämtliche Kosten umfassen muss, ohne dass bestimmte Kosten unberücksichtigt bleiben könnten. Sie darf damit nicht die Form einer „pauschalen“ Gebühr in dem Sinne annehmen, in dem die Kommission diesen Begriff versteht, da es, wie der Gerichtshof in Randnr. 52 des Urteils Stratmann und Fleischversorgung Neuss festgestellt hat, zum Wesen einer pauschal festgesetzten Gebühr gehört, dass sie in bestimmten Fällen die tatsächlichen Kosten für die Maßnahmen, die mit ihr finanziert werden sollen, übersteigt und in anderen Fällen niedriger ist.

    33      Zu ergänzen ist, dass dieses Verständnis der Randnr. 56 des Urteils Stratmann und Fleischversorgung Neuss in vollem Einklang mit der Systematik dieses Urteils steht, da die Randnr. 56 Teil umfangreicherer Erwägungen zur Beantwortung der Frage ist, ob die Kosten bakteriologischer Untersuchungen und von Untersuchungen auf Trichinen, die gemäß dem Gemeinschaftsrecht durchgeführt wurden, von der Gemeinschaftsgebühr erfasst werden, die die Mitgliedstaaten nach dem Gemeinschaftsrecht für Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch erheben, oder ob das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten ermächtigt, zur Bestreitung der entsprechenden Kosten eine spezifische Gebühr zu erheben, die zur Gemeinschaftsgebühr hinzutritt.

    34      Da der Gerichtshof im Rahmen der Behandlung des Vorabentscheidungsersuchens in der Rechtssache, in der das Urteil Stratmann und Fleischversorgung Neuss ergangen ist, nicht auf die Frage zu antworten hatte, ob eine in Anwendung von Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 erhobene Gebühr die Form eines Pauschalbetrags annehmen muss, lässt sich aus diesem Urteil kein wie auch immer gearteter Schluss hinsichtlich der Beantwortung dieser Frage ableiten.

    35      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass eine Auslegung von Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 dahin gehend, dass eine in Anwendung dieser Vorschrift erhobene Gebühr sich nicht aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen darf, durch das Urteil Feyrer widerlegt wird.

    36      In Randnr. 26 des Urteils Feyrer, in dem auf Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 Bezug genommen wird, hat der Gerichtshof nämlich darauf hingewiesen, dass nach Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie, nunmehr Art. 5 Abs. 3, die „erhobene Gesamtgebühr“ im Sinne dieser Vorschrift die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreiten darf. Eine „Gesamtgebühr“ ergibt sich aber notwendigerweise aus der Addition mehrerer ihr zugrunde liegender Elemente.

    37      Der Umstand, dass sich die im vorliegenden Fall in Rede stehende Gebühr aus mehreren Kostenelementen zusammensetzt, kann somit als solcher nicht zur Unvereinbarkeit dieser Gebühr mit Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 führen.

    38      Dazu ist zu ergänzen, dass im vorliegenden Fall nicht bestritten wird, dass die fragliche Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet. Daraus folgt, dass diese Gebühr auch insoweit nicht im Widerspruch zu Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 steht (vgl. in diesem Sinne Urteil Feyrer, Randnrn. 27 und 29).

    39      Aus demselben Grund verstößt die genannte Gebühr auch nicht gegen Art. 1 und Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 85/73.

    40      Schließlich ist festzustellen, dass die Ziele der Transparenz und der Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen entgegen dem Vorbringen der Kommission der Erhebung einer Gebühr wie der mit der ersten Rüge der Kommission angegriffenen nicht entgegenstehen.

    41      Was erstens das Ziel der Transparenz betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Gebühr, da sie die Art der verschiedenen Kostenelemente, aus denen sie sich zusammensetzt, klar und detailliert ausweist, dem Schuldner die Kenntnis der genauen Zusammensetzung der Gesamtgebühr ermöglicht und ihn so in die Lage versetzt, zum einen die Organisation seiner Tätigkeit zu ändern, um sie insbesondere durch die Einsparung bestimmter Kosten zu optimieren, und zum anderen seine Kosten gegebenenfalls mit denen anderer Wirtschaftsteilnehmer zu vergleichen.

    42      Was zweitens das Ziel der Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht durch die Einführung einer Gebühr in für die gesamte Europäische Gemeinschaft einheitlicher Höhe, sondern durch den Erlass harmonisierter Normen im Bereich der Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch geschieht (vgl. in diesem Sinne Urteil Feyrer, Randnr. 40). So wurden die Untersuchungs- und Kontrollmaßnahmen sowie, wie sich aus Art. 5 Abs. 1 und Anhang A Kapitel I Nrn. 4 und 5 der Richtlinie 85/73 ergibt, die verschiedenen Kostenelemente, die bei der Festsetzung der Gemeinschaftsgebühr berücksichtigt werden können, harmonisiert.

    43      Da nicht nachgewiesen und nicht einmal vorgetragen ist, dass die in § 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein vorgesehene Gebühr andere Kostenelemente als die in der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen umfasst oder die Höhe der tatsächlichen Kosten übersteigt, wird durch sie das mit der Richtlinie 85/73 verfolgte Ziel der Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen nicht in Frage gestellt.

    44      Angesichts dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die von der Kommission für ihre erste Rüge angeführte Argumentation nicht durchgreift.

    45      Daraus folgt, dass die erste Rüge der Kommission als unbegründet zurückzuweisen ist.

     Zur zweiten Rüge

    46      Mit ihrer zweiten Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, ab dem 1. Januar 2007 dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 27 Abs. 2, 4 und 10 der Verordnung Nr. 882/2004 verstoßen zu haben, dass § 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein nicht an diese Bestimmungen angepasst worden sei.

    47      Zu dieser Rüge ist eingangs festzustellen, dass der verfügende Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 6. Juli 2006 keinen Hinweis auf einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 enthält, der im Übrigen erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Bekanntgabe dieser Stellungnahme an den genannten Mitgliedstaat anwendbar wurde.

    48      Daher ist zu prüfen, ob die zweite von der Kommission für ihre Klage angeführte Rüge zulässig ist.

    49      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist im Rahmen einer Klage nach Art. 226 EG das Vorliegen einer Vertragsverletzung nach dem Stand des Gemeinschaftsrechts am Ende der Frist zu beurteilen, die die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat für ein Handeln gemäß ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt hat (vgl. u. a. Urteile vom 9. November 1999, Kommission/Italien, C‑365/97, Slg. 1999, I‑7773, Randnr. 32, und vom 5. Oktober 2006, Kommission/Belgien, C‑275/04, Slg. 2006, I‑9883, Randnr. 34).

    50      Auch wenn die in der Klageschrift gestellten Anträge grundsätzlich nicht über die im verfügenden Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme und im Mahnschreiben gerügten Verstöße hinausgehen dürfen, kann die Kommission doch die Feststellung eines Verstoßes gegen diejenigen Verpflichtungen beantragen, die sich aus der ursprünglichen Fassung eines später geänderten oder aufgehobenen Gemeinschaftsrechtsakts ergeben und durch neue Bestimmungen aufrechterhalten wurden. Dagegen kann der Streitgegenstand nicht auf Verpflichtungen erstreckt werden, die sich aus neuen Bestimmungen ergeben und keine Entsprechung in der ursprünglichen Fassung des betreffenden Rechtsakts haben, da dies einen Verstoß gegen Formvorschriften darstellen würde, die für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zur Feststellung der Vertragsverletzung wesentlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juni 2003, Kommission/Italien, C‑363/00, Slg. 2003, I‑5767, Randnr. 22, und Kommission/Belgien, Randnr. 35).

    51      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Gebühren oder Kostenbeiträge nach Art. 27 Abs. 2, 4 und 10 der Verordnung Nr. 882/2004, wie sich insbesondere aus Art. 27 Abs. 4 Buchst. b ergibt, als Pauschale festgesetzt werden können.

    52      Daher ist festzustellen, dass sich diese Gebühren und Kostenbeiträge grundlegend von den Gebühren unterscheiden, die die Mitgliedstaaten nach Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 erheben konnten und die, wie sich aus Randnr. 32 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht die Form einer pauschalen Gebühr annehmen durften, sondern den tatsächlichen Kosten entsprechen mussten.

    53      Daraus folgt, dass die Kommission mit ihrer zweiten Rüge den Gegenstand des Rechtsstreits, wie er sich aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme ergibt, auf eine sich aus der Verordnung Nr. 882/2004 ergebende Verpflichtung, die in der Richtlinie 85/73 keine Entsprechung findet, erstreckt und daher gegen Formvorschriften verstoßen hat, die für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zur Feststellung einer Vertragsverletzung wesentlich sind.

    54      Somit ist die zweite Rüge der Kommission als unzulässig zurückzuweisen.

    55      Nach alledem ist die Klage der Kommission in vollem Umfang abzuweisen.

     Kosten

    56      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem dahin gehenden Antrag der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

    1.      Die Klage wird abgewiesen.

    2.      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Deutsch.

    Top