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Document 62006CC0449

    Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 8. November 2007.
    Sophiane Gysen gegen Groupe S-Caisse d’Assurances sociales pour indépendants.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal du travail de Bruxelles - Belgien.
    Beamte - Vergütung - Statut - Familienzulagen - Festsetzung der Höhe der nationalen Familienzulagen - Bestimmung des Rangs der Kinder - Kind, für das ein Anspruch auf Familienzulagen nach dem Statut besteht.
    Rechtssache C-449/06.

    Sammlung der Rechtsprechung 2008 I-00553

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:663

    Schlußanträge des Generalanwalts

    Schlußanträge des Generalanwalts

    I – Einleitung

    1. Das Tribunal du travail de Bruxelles (Belgien) hat dem Gerichtshof mit Entscheidung vom 17. Oktober 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 2006, eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (Statut der Beamten)(2), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

    2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Gysen und einer Sozialversicherungseinrichtung belgischen Rechts für Selbständige wegen Festsetzung der Höhe der Zulagen für unterhaltsberechtigte Kinder, die diese Einrichtung Frau Gysen nach nationalem Recht für zwei ihrer drei Kinder zu zahlen hat.

    II – Rechtlicher Rahmen

    A – Die Gemeinschaftsvorschriften

    3. Die Verordnung Nr. 259/68 ist nach ihrem Art. 11 Abs. 2 „in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“.

    4. Art. 67 Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Beamtenstatut), festgelegt gemäß Art. 2 der Verordnung Nr. 259/68 mit nachfolgenden Änderungen, sieht zugunsten dieser Beamten drei Arten von Familienzulagen vor: die Haushaltszulage, die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder und die Erziehungszulage.

    5. In den Art. 1, 2 und 3 des Anhangs VII des Beamtenstatuts werden u. a. die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Zulagen und deren Höhe festgelegt.

    6. Art. 67 Abs. 2 bestimmt: „Beamte, die Familienzulagen nach diesem Artikel erhalten, haben die anderweitig gezahlten Zulagen gleicher Art anzugeben; diese werden von den nach Anhang VII Artikel 1, 2 und 3 gezahlten Zulagen abgezogen.“

    7. Nach Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften (im Folgenden: Beschäftigungsbedingungen), festgelegt gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 259/68 mit nachfolgenden Änderungen, sind Art. 67 des Beamtenstatuts sowie die Art. 1, 2 und 3 des Anhangs VII dieses Statuts auf die Bediensteten auf Zeit entsprechend anwendbar.

    B – Die nationale Regelung

    8. Nach der belgischen Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 über die Regelung der Familienzulagen für Selbständige(3) (im Folgenden: Königliche Verordnung vom 8. April 1976) hängt die Höhe der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder von dem Platz (im Folgenden: dem Rang) ab, den jedes zulageberechtigte Kind in der Reihe der zulageberechtigten Kinder des betreffenden Selbständigen einnimmt. Genauer gesagt erhöht sich die Zulage mit der Anzahl der zulageberechtigten Kinder und ist somit für das zweite Kind höher als für das erste Kind und noch höher für das dritte und die folgenden Kinder.

    9. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 bestimmt allerdings in der Fassung des Art. 4 der Königlichen Verordnung vom 7. September 2003(4) mit Rückwirkung zum 1. Juli 2001:

    „Für die Anwendung der Art. 17, 19, 20 und 20a wird der Rang entsprechend der zeitlichen Reihenfolge der Geburten der Kinder festgesetzt, die nach der vorliegenden Verordnung, nach den koordinierten Gesetzen über die Familienzulagen für Arbeitnehmer, nach der Königlichen Verordnung vom 26. März 1965 über die Familienzulagen für bestimmte Kategorien vom Staat besoldeter Bediensteter, nach dem Gesetz vom 20. Juli 1971 zur Einführung von garantierten Familienbeihilfen und nach den in Belgien geltenden internationalen Abkommen über die soziale Sicherheit zulageberechtigt sind.“(5)

    III – Sachverhalt und Vorabentscheidungsfragen

    10. Frau Gysen, die die belgische Staatsangehörigkeit besitzt, übt eine selbständige Erwerbstätigkeit in Belgien aus.

    11. Sie ist Mutter dreier Kinder: Adrien, der 1989 aus ihrer ersten, im Jahre 1993 geschiedenen Ehe hervorgegangen ist, sowie Augustin und Elise, die 1994 und 1996 aus einer weiteren, im Jahre 2000 geschiedenen Ehe hervorgegangen sind.

    12. Der erste Ehemann von Frau Gysen, der Vater von Adrien, trat am 1. Dezember 2001 als Bediensteter auf Zeit in den Dienst der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Seit diesem Zeitpunkt bezieht Frau Gysen, der durch gerichtliche Entscheidung die elterliche Gewalt über Adrien übertragen wurde, im Namen und für Rechnung des Vaters von der Kommission den vollständigen Betrag der für Adrien als unterhaltsberechtigtes Kind nach dem Beamtenstatut und den Beschäftigungsbedingungen geschuldeten Zulage.

    13. Frau Gysen, die die elterliche Gewalt über ihre beiden jüngeren Kinder gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann ausübt, bezieht aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung für diese die entsprechenden Familienbeihilfen von der A.s.b.l. Groupe S – Caisse d’Assurances sociales pour indépendants (Sozialversicherungskasse für Selbständige, im Folgenden: Kasse).

    14. Mit Schreiben vom 22. Februar 2002 teilte Frau Gysen der Kasse mit, dass sie seit dem 1. Dezember 2001 von der Kommission eine Zulage für Adrien beziehe.

    15. Die Kasse stellte daraufhin die Zahlung der Familienzulage für Adrien an Frau Gysen ein, zahlte ihr jedoch die Zulagen für Augustin und Elise als Kinder zweiten und dritten Ranges weiter.

    16. Ab März 2003 zog die Kasse jedoch von den Frau Gysen monatlich gezahlten Familienzulagen insgesamt einen Betrag von 2 284,84 Euro ab, der dem ihrer Meinung nach nicht geschuldeten Differenzbetrag zwischen den für Augustin und Elise als Kinder zweiten und dritten Ranges bereits gezahlten Zulagen und den Zulagen, die für diese als Kinder ersten und zweiten Ranges hätten gezahlt werden müssen, entsprach. Von demselben Zeitpunkt an zahlte die Kasse Frau Gysen Familienzulagen für Augustin und Elise als Kinder ersten und zweiten Ranges. Sie war nämlich der Meinung, dass Kinder, die Familienzulagen von den Europäischen Gemeinschaften erhielten, bei der Aufstellung der Gruppe der zulageberechtigten Kinder nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 nicht berücksichtigt werden könnten.

    17. Daraufhin erhob Frau Gysen beim Tribunal du travail de Bruxelles (Arbeitsgericht Brüssel) Klage auf Feststellung, dass die Kinder Augustin und Elise als Kinder zweiten und dritten Ranges im Sinne dieser Bestimmung anzusehen seien, sowie auf Verurteilung der Kasse zur Auszahlung der von den ihr gewährten Zulagen seit März 2003 abgezogenen Beträge und auf Zahlung der rückständigen Zulagen in Höhe des Differenzbetrags zwischen den für diese Kinder gezahlten und den geschuldeten Zulagen.

    18. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Können oder müssen die Verordnung Nr. 259/68 und ihr Anhang VII: Vorschriften über Dienstbezüge … Abschnitt 1: Familienzulagen, Art. 67 Abs. 1, die

    a) die Haushaltszulage,

    b) die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder,

    c) die Erziehungszulage

    umfassen, als „in Belgien geltendes internationales Abkommen über die soziale Sicherheit“ im Sinne der hier streitigen nationalen Regelung angesehen werden?

    IV – Rechtliche Untersuchung

    19. Um den Ausgangsrechtsstreit entscheiden zu können, muss das vorlegende Gericht feststellen, ob nach den Bestimmungen der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 bei der Aufstellung der Gruppe der zulageberechtigten Kinder eines Selbständigen, die zur Bestimmung des Ranges jedes Kindes und somit der Höhe der für jedes Kind zu zahlenden Zulage notwendig ist, Kinder zu berücksichtigen sind, für die die Gemeinschaftsorgane Familienzulagen nach dem Beamtenstatut und den Beschäftigungsbedingungen zahlen.

    20. Die Parteien des Ausgangsverfahrens haben vor dem vorlegenden Gericht die Bedeutung des Begriffs des in Belgien geltenden internationalen Abkommens über die soziale Sicherheit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der genannten Königlichen Verordnung erörtert. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wurde der Begriff der „in Belgien geltenden internationalen Abkommen über die soziale Sicherheit“ aufgrund des Urteils der belgischen Cour d’arbitrage (Schiedsgerichtshof)(6) Nr. 106/2001 vom 13. Juli 2001(7) durch die Königliche Verordnung vom 7. September 2003 in diese Bestimmung eingefügt. Dieses Gericht hatte in dem Urteil entschieden, dass Art. 42 der durch die Königliche Verordnung vom 19. Dezember 1939 koordinierten belgischen Gesetze über die Familienzulagen für Arbeitnehmer(8) gegen die Art. 10 und 11 der belgischen Verfassung betreffend die Grundsätze der Gleichheit und Nichtdiskriminierung verstoße, „da er bei der Ermittlung des Ranges, der für die Höhe der Familienzulagen maßgeblich ist, nur diejenigen zulageberechtigten Kinder berücksichtigt, die eine solche Zulage nach den genannten koordinierten Gesetzen beziehen, aber nicht die Berücksichtigung eines Kindes zulässt, für das Familienzulagen nach den Bestimmungen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union gezahlt werden, die vom Gemeinschaftsrecht für anwendbar erklärt worden sind“(9) .

    21. Frau Gysen hat im Ausgangsverfahren vorgetragen, dass der Begriff „in Belgien geltende internationale Abkommen über die soziale Sicherheit“ im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 die verbindlichen Vorschriften umfasse, die wie die des Beamtenstatuts von einer Einrichtung des internationalen öffentlichen Rechts erlassen worden seien.

    22. Die Kasse hat entgegnet, dass sich die Erweiterung des Anwendungsbereichs der genannten Bestimmung durch die Königliche Verordnung vom 7. September 2003 nur auf Länder beziehe, mit denen Belgien multi‑ oder bilaterale Abkommen über die soziale Sicherheit abgeschlossen habe. Zwischen Belgien und den europäischen oder internationalen Einrichtungen, die den Mitgliedern ihres Personals Familienzulagen zahlten, gebe es aber kein Abkommen.

    23. Die Kasse hat vorgetragen, obwohl die Verträge zur Gründung der Gemeinschaften in Belgien geltende internationale Abkommen seien und einige der von diesen internationalen Organisationen erlassenen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar seien, seien die Vorschriften des Beamtenstatuts, auch wenn sie den Beamten der Gemeinschaft Rechte verliehen, auf die sich diese gegenüber ihrem Arbeitgeber berufen könnten, nicht unmittelbar und direkt im innerstaatlichen belgischen Recht anwendbar.

    24. In der Vorlageentscheidung wird sodann auf die Stellungnahme des Ministère public im Ausgangsverfahren hingewiesen. Nach dessen Auffassung fällt die Verordnung Nr. 259/68, deren Rechtsgrundlage zwei von Belgien ratifizierte völkerrechtliche Verträge – der EG-Vertrag und das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965(10) – seien und die nach ihrem Art. 11 in allen ihren Teilen verbindlich sei und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelte, unter den Begriff der in Belgien geltenden internationalen Abkommen über die soziale Sicherheit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976.

    25. Nach der oben beschriebenen Darlegung der Standpunkte der Parteien und des Ministère public und dem Hinweis, dass die genannte Bestimmung, die auf die „in Belgien geltenden internationalen Abkommen über die soziale Sicherheit“ Bezug nehme, in anderen belgischen Rechtsvorschriften anders formuliert sei, die nämlich für den besonderen Bereich der Renten ausdrücklich auf das „Statut des Personals einer Einrichtung des internationalen öffentlichen Rechts“ verwiesen, hat das vorlegende Gericht ohne weitere Ausführungen die hier zu prüfende Vorabentscheidungsfrage gestellt.

    26. Natürlich fällt die Vorabentscheidungsfrage so, wie sie in der Vorlageentscheidung formuliert ist, nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs, denn mit der Frage, ob das Beamtenstatut und sein Anhang VII ein „in Belgien geltendes internationales Abkommen über die soziale Sicherheit“ im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 darstellen, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung einer belgischen Rechtsvorschrift(11) . Nach dem in Art. 234 EG geregelten System der gerichtlichen Zusammenarbeit ist die Auslegung der nationalen Vorschriften jedoch Sache der nationalen Gerichte und nicht des Gerichtshofs(12) .

    27. Somit muss das vorlegende Gericht selbst ermitteln, was unter „in Belgien geltenden internationalen Abkommen über die soziale Sicherheit“ im Sinne der genannten nationalen Bestimmung zu verstehen ist, denn es allein ist dafür zuständig, diese Bestimmung anzuwenden und somit zu beurteilen, ob das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen unter diesen Rechtsbegriff fallen. Der Gerichtshof kann lediglich die Rechtsnatur dieser Rechtsakte erläutern, um dem vorlegenden Gericht eine solche Beurteilung zu ermöglichen.

    28. Auch wenn diese Erläuterungen weder zweifelhaft noch kompliziert sind, sind sie angesichts einer Reihe von Behauptungen, die vor dem vorlegenden Gericht aufgestellt wurden, durchaus angebracht. Ich weise insbesondere darauf hin, dass die Kasse im Ausgangsverfahren vortrug, dass die Vorschriften des Beamtenstatuts zwar den Gemeinschaftsbeamten Rechte verliehen, auf die sie sich gegenüber ihrem Arbeitgeber berufen könnten, jedoch im belgischen Recht nicht unmittelbar und direkt anwendbar seien.

    29. Deshalb bin ich der Meinung, dass die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage so umformuliert werden kann, dass sie auf eine Klarstellung der Rechtsnatur des Beamtenstatuts und der Beschäftigungsbedingungen und ihrer eventuellen direkten Anwendbarkeit im belgischen Recht gerichtet ist.

    30. Dazu ist vorab daran zu erinnern, dass der Erlass des Beamtenstatuts und der Beschäftigungsbedingungen eine Durchführung der Vorschrift des EWG-Vertrags (jetzt Art. 283 EG) durch den Rat darstellt, durch die dieser aufgefordert wird, auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der anderen beteiligten Organe das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften zu erlassen(13) . Bestimmte Vorschriften des Beamtenstatuts und der Beschäftigungsbedingungen regeln somit die Modalitäten zur Durchführung einiger Vorschriften des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, namentlich der Art. 7 und 12 bis 16 dieses Protokolls, das als Anhang der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft dieselbe Natur und denselben Rang hat wie diese Verträge.

    31. Zudem wurden das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen, worauf der Gerichtshof bereits hingewiesen hat, durch die Verordnung Nr. 259/68 erlassen, die gemäß Art. 189 Abs. 2 EWG‑Vertrag (jetzt Art. 249 Abs. 2 EG) allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt(14), wie im Übrigen in Art. 11 der Verordnung selbst klargestellt wird. Daraus folgt nach Auffassung des Gerichtshofs, dass das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen, abgesehen von ihren Wirkungen innerhalb der Gemeinschaftsverwaltung, auch die Mitgliedstaaten verpflichten, soweit deren Mitwirkung zu ihrer Durchführung notwendig ist(15) .

    32. So hat der Gerichtshof z. B. festgestellt, dass Art. 67 Abs. 2 des Beamtenstatuts einen Ausgleich zwischen der gemeinschaftsrechtlichen Regelung und den verschiedenen nationalen Regelungen in der Weise ermöglicht, dass die Familienzulagen nach dem Statut den Berechtigten nur insoweit gezahlt werden, als sie vergleichbare Zulagen, die aufgrund einer Regelung eines Mitgliedstaats gewährt werden, übersteigen, und hinzugefügt: „Da der ergänzende Charakter der Zulagen nach dem Statut auf Artikel 67 Absatz 2 des Statuts beruht, d. h. auf einer Vorschrift, die in einer Verordnung im Sinne von Artikel 189 Absatz 2 EWG-Vertrag enthalten ist, ist er für die Mitgliedstaaten verbindlich und darf durch nationale Rechtsvorschriften nicht verkannt werden.“(16)

    33. Das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen sind somit für alle Mitgliedstaaten und damit auch für Belgien verbindlich. Deshalb kann nicht geltend gemacht werden, dass hier keine bindende Wirkung gegenüber den belgischen Behörden bestehe, denn der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass sich aus Art. 67 Abs. 2 des Beamtenstatuts „in Fällen, in denen der Ehegatte eines Beamten, eines Ruhestandsbeamten oder eines sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtungen bezüglich der Familienbeihilfen“ ergeben(17) .

    34. Damit wollte der Gerichtshof ganz einfach sagen, dass es einem Mitgliedstaat nicht verboten ist, die in seinem Recht vorgesehenen Familienzulagen in Fällen, in denen der Ehegatte des Beamten oder Bediensteten der Gemeinschaft eine selbständige Erwerbstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausübt, unter Berufung auf die Möglichkeit der Zulageberechtigten zu verweigern, dass für dasselbe Kind Familienzulagen nach dem Beamtenstatut und den Beschäftigungsbedingungen gewährt werden(18) . Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, sind nämlich „unter Zulagen gleicher Art, die nach dieser Vorschrift von den im [Beamten]statut vorgesehenen Zulagen abgezogen werden müssen und folglich die Gemeinschaftsorgane insoweit von ihrer Zahlungspflicht entbinden, … nur solche Zulagen zu verstehen, die im Zusammenhang mit einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gezahlt werden“(19) . Dass Art. 67 Abs. 2 des Beamtenstatuts in diesen Fällen nicht anwendbar ist, ändert somit nichts an der Verbindlichkeit und der direkten Anwendbarkeit des Beamtenstatuts und der Beschäftigungsbedingungen in allen Mitgliedstaaten einschließlich Belgien.

    35. Aufgrund dieser Feststellungen könnte die dem Gerichtshof vorgelegte Vorabentscheidungsfrage einfach dahin beantwortet werden, dass das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen, die durch eine Gemeinschaftsverordnung erlassen wurden, allgemeine Geltung haben, in allen ihren Teilen verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten.

    36. Die Kommission, die als einzige außer Frau Gysen im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren schriftliche Erklärungen eingereicht hat, schlägt jedoch vor, die Vorabentscheidungsfrage in einem viel weiteren Sinne umzuformulieren, als ich dies oben in Nr. 29 getan habe. Ihrer Meinung nach will das vorlegende Gericht nämlich im Grunde wissen, „ob das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der, wenn die Familienzulagen, auf die ein Selbständiger Anspruch hat, vollständig von dem durch das [Beamtenstatut] geschaffenen Gemeinschaftssystem gezahlt werden, das zulageberechtigte Kind nicht mehr für die Bestimmung des Rangs der Kinder dieses Selbständigen, der Auswirkungen auf die Höhe der [seinen anderen Kindern zu zahlenden] Familienzulagen hat, berücksichtigt werden darf“.

    37. So formuliert würde mit der Vorlagefrage nicht nur um Erläuterungen über die Rechtsnatur des Beamtenstatuts und der Beschäftigungsbedingungen ersucht, die es dem vorlegenden Gericht ermöglichen sollen, festzustellen, ob diese Rechtsakte unter den Rechtsbegriff der „in Belgien geltenden internationalen Abkommen über die soziale Sicherheit“ fallen, dessen Bedeutung im innerstaatlichen Recht das Gericht ermitteln muss.

    38. Die Frage würde vielmehr, oder jedenfalls auch, das Bestehen von Grenzen betreffen, die das Gemeinschaftsrecht als höherrangige Rechtsquelle der Auslegung und Anwendung der in Rede stehenden innerstaatlichen Bestimmung setzt. Dann aber wären – unter Berücksichtigung der Verpflichtung des vorlegenden Gerichts, die innerstaatliche Bestimmung möglichst so auszulegen, dass sie mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, und, wenn eine solche konforme Auslegung unmöglich ist, unter Umständen unangewendet zu lassen – die eventuellen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu ermitteln, von denen sich das vorlegende Gericht bei der Feststellung der Bedeutung dieses nationalen Rechtsbegriffs und gegebenenfalls auch bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der diesen Begriff enthaltenden Bestimmung mit dem Gemeinschaftsrecht leiten lassen muss, sofern dieser Begriff nicht so verstanden werden kann, dass er auch das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen umfasst.

    39. Es ist zu prüfen, ob die von der Kommission vorgeschlagene Umformulierung der Vorabentscheidungsfrage, die den Gegenstand der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage erheblich erweitert, nicht den Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten sprengt, wie er in der Regelung des Art. 234 EG festgelegt ist.

    40. Insoweit möchte ich daran erinnern, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung im Falle ungenau formulierter oder den Rahmen seiner Befugnisse nach Art. 234 EG überschreitender Fragen aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Gemeinschaftsrechts herauszuarbeiten hat, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen(20) .

    41. Um dem Gericht, das ihm eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, eine sachdienliche Antwort zu geben, kann sich der Gerichtshof jedoch veranlasst sehen, gemeinschaftsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das vorlegende Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat(21) . Dies hat er sowohl in Fällen getan, in denen in der ihm vorgelegten Vorabentscheidungsfrage auf Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Bezug genommen wurde, die auf den Ausgangssachverhalt nicht anwendbar waren(22), als auch in Fällen, in denen in dieser Frage keine besondere Vorschrift des Gemeinschaftsrechts genannt, sondern auf den EG-Vertrag oder auf das Gemeinschaftsrecht insgesamt verwiesen wurde(23) .

    42. In der Rechtsprechung fehlt es auch nicht an Beispielen, in denen der Gerichtshof den Gegenstand der ihm vorgelegten Vorabentscheidungsfrage erweitert hat, indem er zur Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts Stellung genommen hat, auch wenn sich aus der Formulierung der Vorabentscheidungsfrage ergab, dass das vorlegende Gericht ihn nur um eine Auslegung ersuchte(24) .

    43. Der Gerichtshof geht also offensichtlich davon aus, dass er bei der Ermittlung derjenigen Elemente des Gemeinschaftsrechts, deren Auslegung zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlich ist, gemäß dem Erfordernis, dem vorlegenden Gericht eine „zweckdienliche Antwort“ zu geben, und im Geiste einer umfassenden Zusammenarbeit mit diesem Gericht einen weiten Spielraum besitzt. Bei dem richterlichen Zusammenwirken nach Art. 234 EG, das dadurch gekennzeichnet ist, dass das staatliche Gericht und der Gerichtshof – in den Grenzen ihrer jeweiligen Zuständigkeit und mit dem Ziel, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten – gemeinsam und unmittelbar zur Rechtsfindung beizutragen haben, ist jeder Formalismus, der das Verfahren nur verzögern würde, auszuschließen(25) . Die vom Gerichtshof beanspruchte weit gefasste Befugnis, Vorabentscheidungsfragen umzuformulieren und dabei auch ihren Gegenstand zu erweitern, stützt sich somit auch auf Erwägungen der Prozessökonomie, da sich auf diese Weise ein andernfalls wahrscheinliches erneutes Vorabentscheidungsersuchen vermeiden lässt.

    44. Auch wenn die von der Kommission vorgeschlagene Umformulierung der Vorabentscheidungsfrage des Tribunal du travail de Bruxelles offensichtlich nicht über die von der Rechtsprechung weit gezogenen Grenzen der Zuständigkeit des Gerichtshofs in Vorabentscheidungsverfahren hinausgeht, bedeutet dies natürlich nicht, dass der Gerichtshof sie sich zu eigen machen muss.

    45. Zwar muss der Gerichtshof gemäß den Art. 10 EG und 234 EG die von den vorlegenden Gerichten gestellten Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts beantworten, wenn die von der Rechtsprechung aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, doch kann er nicht als verpflichtet angesehen werden, auf Fragen zu antworten, die nicht von diesen Gerichten, sondern von am Vorabentscheidungsverfahren Beteiligten gestellt worden sind, so z. B. nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs von den Parteien des Ausgangsverfahrens, den Mitgliedstaaten, der Kommission und gegebenenfalls dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Zentralbank oder auch, wenn es sich um einen Anwendungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum handelt, von Vertragsparteien, die keine Mitgliedstaaten sind, und von der in diesem Abkommen genannten Überwachungsbehörde.

    46. Die Befugnis des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand zu geben, die über das hinausgeht, worum dieses Gericht ihn ersucht hat, ist mit Umsicht und unter Berücksichtigung von Zweckmäßigkeitserwägungen auszuüben.

    47. Hier nun geht die von der Kommission aufgeworfene Frage meines Erachtens weit über die Bedenken des vorlegenden Gerichts hinaus. Der Vorlageentscheidung lässt sich an keiner Stelle entnehmen, dass das Tribunal du travail de Bruxelles Zweifel an der Vereinbarkeit des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 mit Vorschriften oder Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts hat, einer Bestimmung, deren Auslegung es im Übrigen nicht einmal andeutungsweise vorgenommen hat. Es handelt sich also um eine ganz andere Situation als die, in der sich ein vorlegendes Gericht Fragen nach der Vereinbarkeit einer bestimmten von ihm auszulegenden nationalen Regelung mit einer bestimmten Vorschrift des Gemeinschaftsrechts stellt und der Gerichtshof angesichts der von diesem Gericht eigentlich angesprochenen Problematik in der Weise antwortet, dass er auf die Unanwendbarkeit dieser Vorschrift im gegebenen Fall hinweist und eine andere Vorschrift des Gemeinschaftsrechts auslegt, die auf den gegebenen Fall anwendbar ist und zu der die betreffende Regelung in Widerspruch steht(26) .

    48. Die von der Kommission angeregte Umformulierung der Vorabentscheidungsfrage erscheint im Übrigen nicht notwendig, um die praktische Wirksamkeit des Vorabentscheidungsersuchens sicherzustellen. Wie wir gesehen haben, lässt sich die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage, obwohl ungenau formuliert, auf die oben in Nr. 29 angegebene Weise umformulieren, damit der Gerichtshof dennoch eine zweckdienliche Antwort geben kann.

    49. Ich halte es jedenfalls für unzweckmäßig, dass der Gerichtshof in allen Ecken des Gemeinschaftsrechts nach einer Vorschrift sucht, die möglicherweise einer nationalen Regelung wie derjenigen entgegensteht, die in der von der Kommission formulierten Frage beschrieben wird. Der Gerichtshof sollte allenfalls die Bedeutung der einzigen Gemeinschaftsvorschrift prüfen, die die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen konkret bezeichnet hat, nämlich Art. 10 EG. Ich vertrete diese Auffassung entsprechend der neueren Tendenz der Rechtsprechung, die für die Zulässigkeit von Vorabentscheidungsfragen vom vorlegenden Gericht insbesondere die Erläuterung der genauen Gründe verlangt, weshalb ihm die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint, oder doch ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung das Gericht ersucht, und zu dem Zusammenhang, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt(27) .

    50. Schließlich möchte ich auf die Verpflichtung des Gerichtshofs hinweisen, für die Betroffenen nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs sicherzustellen, dass sie schriftliche Erklärungen abgeben können, wobei zu berücksichtigen ist, dass ihnen vor Abgabe dieser Erklärungen nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden(28) .

    51. Genau aus den oben in Nr. 47 angegebenen Gründen war die Möglichkeit der Betroffenen nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs zur Abgabe schriftlicher Erklärungen zu dem Bestehen von Gemeinschaftsvorschriften, die einer nationalen Bestimmung wie der des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 in der von der Kasse vorgeschlagenen Auslegung eventuell entgegenstehen, wohl zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber doch sehr theoretisch. Diese Betroffenen – denen die schriftlichen Erklärungen der Kommission gemäß Art. 104 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zugestellt worden sind – hätten zwar hierzu Stellung nehmen können, wenn sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt und dort mündliche Erklärungen abgegeben hätten. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass den Betroffenen nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs, namentlich den Mitgliedstaaten, lediglich die Vorlageentscheidung mit einer Übersetzung in der Amtssprache des jeweiligen Staates zugestellt wird(29), während ihnen die schriftlichen Erklärungen, die die Kommission im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren eingereicht hat, nur in der Originalfassung in der Verfahrenssprache (Französisch) zugestellt worden sind. Im Übrigen muss auch die Möglichkeit der Abgabe schriftlicher Erklärungen gewährleistet sein.

    52. Eine Erweiterung des Gegenstands der Vorabentscheidungsfrage, wie von der Kommission vorgeschlagen, würde es jedoch erforderlich machen, den Mitgliedstaaten und den Parteien des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit zu geben, schriftlich zu der von der Kommission aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen. Es wäre insbesondere wichtig, die belgische Regierung um die Abgabe von Erklärungen zu ersuchen, da diese Frage indirekt die Vereinbarkeit einer Bestimmung des belgischen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht zur Diskussion stellt. Natürlich ist es noch möglich, mündliche Erklärungen einzuholen; dies würde jedoch den Abschluss des vorliegenden Verfahrens verzögern.

    53. Diese Erwägungen sprechen meines Erachtens dagegen, dass der Gerichtshof seine Prüfung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf die von der Kommission vorgeschlagene Frage ausweitet. Der Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage sollte deshalb in den Grenzen bleiben, die ich oben in Nr. 29 gezogen habe. Auch möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommission immer noch die Möglichkeit hat, dem Gerichtshof in einem Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG die Frage nach der Vereinbarkeit des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 mit dem Gemeinschaftsrecht vorzulegen.

    54. Deshalb möchte ich im Folgenden nur hilfsweise und in großen Zügen der Frage nachgehen, ob Art. 10 EG einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der bei der Gewährung von Familienzulagen für die unterhaltsberechtigten Kinder eines Selbständigen durch die zuständige innerstaatliche Stelle ein Kind dieses Selbständigen, für das Familienzulagen aufgrund des Beamtenstatuts oder der Beschäftigungsbedingungen gezahlt werden, bei der Bestimmung des Rangs der anderen Kinder dieses Selbständigen, der nach dieser Vorschrift die Höhe der für diese Letzteren zu zahlenden Familienzulagen beeinflusst, nicht berücksichtigt wird.

    55. Die Kommission hat sich für eine Bejahung dieser Frage ausgesprochen, indem sie sich auf den Präzedenzfall des Urteils My(30) berufen hat, in dem es um eine nationale Regelung ging, die es der zuständigen Sozialversicherungseinrichtung nicht erlaubte, für die Begründung eines Anspruchs auf eine vorgezogene Altersrente nach dem nationalen System d ie im Dienst eines Gemeinschaftsorgans zurückgelegten Beschäftigungsjahre zu berücksichtigen.

    56. In der Tat hat der Gerichtshof in diesem Urteil unter Hinweis darauf, dass Art. 10 EG die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Gemeinschaft die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern, entschieden, dass diese Vorschrift in Verbindung mit dem Beamtenstatut einer solchen nationalen Regelung entgegensteht(31) .

    57. Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass der Gerichtshof zu diesem Ergebnis gelangt ist, nachdem er festgestellt hatte, dass diese nationale Regelung „eine Berufstätigkeit bei einem Organ der Europäischen Union behindern und somit davon abschrecken [kann], weil ein Arbeitnehmer, der zuvor einem nationalen Versorgungssystem angehört hat, durch die Annahme einer Stelle bei einem solchen Organ Gefahr läuft, eine Altersleistung nach diesem System nicht mehr in Anspruch nehmen zu können, auf die er Anspruch gehabt hätte, wenn er diese Stelle nicht angenommen hätte“(32) .

    58. Der Gerichtshof hat seine Feststellung, dass diese nationale Regelung, sei es auch nur in Verbindung mit dem Beamtenstatut, zu Art. 10 EG im Widerspruch steht, also darauf gestützt, dass diese Regelung der Gemeinschaft die Einstellung von in den Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmern eines gewissen Alters erschweren und dadurch die Arbeit der Gemeinschaftsorgane beeinträchtigen könnte.

    59. Einen ähnlichen Ansatz hat der Gerichtshof übrigens schon im Urteil Tither(33) verfolgt, in dem es um eine nationale Regelung zur Förderung des Erwerbs und der Verbesserung von Eigenheimen ging, die diejenigen Personen, die eine Beschäftigung ausübten, für die sie Einkünfte bezogen, die aufgrund einer besonderen Steuerbefreiung nicht zu versteuern waren, und damit die Beamten der Gemeinschaften von der vorgesehenen Vergünstigung (Subvention der Hypothekenzinsen) ausschloss. Der Gerichtshof wurde vom vorlegenden Gericht insbesondere ersucht, zu entscheiden, ob Art. 5 EWG-Vertrag (jetzt Art. 10 EG) den betroffenen Mitgliedstaat verpflichtete, die Vergünstigung auch diesen Personen zu gewähren, wenn sie die übrigen in der fraglichen Regelung aufgestellten Voraussetzungen erfüllten. Der Gerichtshof hat daran erinnert, dass diese Bestimmung „es den Mitgliedstaaten insbesondere verbietet, Maßnahmen zu ergreifen, die die Arbeit der Gemeinschaftsorgane beeinträchtigen können“, und weiter ausgeführt: „Obwohl eine [Norm wie die fragliche Regelung] dazu führen kann, dass Beamte und sonstige Bedienstete der Gemeinschaften eine Steuervergünstigung nicht erhalten, die sie erhalten würden, wenn sie diesen Status nicht hätten, erscheint diese Maßnahme nicht dazu angetan, bestimmte Personen vom Eintritt in den Dienst der Gemeinschaften abzuhalten oder sie zur Aufgabe ihrer dortigen Tätigkeit zu veranlassen, und kann somit die Arbeit der Gemeinschaftsorgane nicht beeinträchtigen.“ Der Gerichtshof ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Art. 5 EWG-Vertrag es den Mitgliedstaaten nicht untersagt, eine Vergünstigung wie diejenige, die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehen war, den Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften zu verweigern.

    60. Kehren wir nun zu dem uns hier beschäftigenden Vorabentscheidungsverfahren zurück. Meines Erachtens lässt sich schwerlich behaupten, dass eine Regelung wie die des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Königlichen Verordnung vom 8. April 1976 – wenn sie so ausgelegt würde, dass sie unter den dort festgelegten Umständen die Berücksichtigung derjenigen Kinder eines Selbständigen ausschließt, für die Familienzulagen nach dem Beamtenstatut oder den Beschäftigungsbedingungen gezahlt werden – dazu angetan ist, diese Personen vom Eintritt in den Dienst der Gemeinschaften abzuhalten oder sie zur Aufgabe ihrer dortigen Tätigkeit zu veranlassen. Die Kommission trägt selbst vor, dass die belgische Regelung im vorliegenden Fall nicht dazu führt, dass der fragliche Bedienstete der Gemeinschaft (der erste Ehemann von Frau Gysen und Vater von Adrien) irgendetwas verliere, da sie nur zur Verringerung der Höhe der Familienzulagen führe, die die Kasse andernfalls seiner früheren Ehefrau für die Kinder Augustin und Elise zahlen würde, die sie von ihrem zweiten Ehemann habe, der nicht Beamter oder Bediensteter der Gemeinschaften sei(34) . Auch wenn man annehmen wollte, dass diese Verringerung letztlich einen Einfluss auf das Gesamteinkommen hat, das Frau Gysen für den Unterhalt ihres ersten Kindes zur Verfügung steht, und sich damit letzten Endes auf die Höhe des von dessen Vater, der Bediensteter der Gemeinschaften ist, geschuldeten Beitrags zu diesem Unterhalt auswirkt, wäre ein solcher Einfluss doch zu indirekt und unbedeutend, um jemanden vom Eintritt in den Dienst der Gemeinschaften abzuhalten oder zur Aufgabe seiner dortigen Tätigkeit zu veranlassen.

    61. Zwar weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass die Anwendung der belgischen Regelung in der in Nr. 60 dargelegten Auslegung für Frau Gysen und ihre Kinder Augustin und Elise letztlich allein deshalb, weil der Vater von Adrien eine Tätigkeit bei einem Gemeinschaftsorgan ausübt, zu einer ungünstigeren Behandlung führt, als sie es wäre, wenn dieser diese Tätigkeit nicht ausüben würde(35) . Unter Berücksichtigung des sich aus den Urteilen Tither und My ergebenden Auslegungskriteriums lässt sich jedoch nicht sagen, dass der belgische Staat durch diese Ungleichbehandlung die in Art. 10 EG verankerte Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit den Gemeinschaftsorganen verletzt.

    62. Es braucht kaum hinzugefügt werden – da dies über die Grenzen der Prüfung, die ich mir gesetzt habe und die oben in den Nrn. 29 und 53 dargelegt sind, hinausgeht –, dass diese Ungleichbehandlung wohl kaum aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handelt, oder aufgrund seiner besonderen Ausprägungen beanstandet werden kann, die sich u. a. in Art. 12 EG (Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit) und in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft(36) finden (wonach ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, „dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen [genießt] wie die inländischen Arbeitnehmer“). Die Verfahrensakten enthalten nämlich keinen Hinweis darauf, dass hier ein dem Gemeinschaftsrecht unterliegender Sachverhalt und kein rein innerbelgischer Fall vorliegt.

    V – Ergebnis

    63. Aufgrund der dargelegten Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Tribunal du travail de Bruxelles vorgelegte Vorabentscheidungsfrage wie folgt zu beantworten:

    Das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften, die durch die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 festgelegt wurden, haben allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist, anhand der genannten Merkmale festzustellen, ob es sich bei diesen Rechtsakten um ein „in Belgien geltendes internationales Abkommen über die soziale Sicherheit“ im Sinne der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Regelung handelt.

    (1) .

    (2)  – ABl. 1968, Nr. 56, S. 1.

    (3)  – Moniteur belge/Belgisch Staatsblad vom 6. Mai 1976, S. 5952. Diese Verordnung wurde im Lauf der Zeit mehrfach geändert.

    (4)  – Moniteur belge/Belgisch Staatsblad vom 1. Oktober 2003, S. 48215.

    (5)  – Nichtamtliche Übersetzung des französischen Originaltexts.

    (6)  – Der Name der Cour d’arbitrage wurde am 7. Mai 2007 durch eine Änderung der belgischen Verfassung in Cour constitutionnelle/Grondwettelijk Hof/Verfassungsgerichtshof geändert ( Moniteur belge/Belgisch Staatsblad vom 8. Mai 2007, S. 25101 und 25102).

    (7)  – Moniteur belge/Belgisch Staatsblad vom 13. November 2001, S. 38689.

    (8)  – Moniteur belge/Belgisch Staatsblad vom 22. Dezember 1939, S. 8702.

    (9)  – Nichtamtliche Übersetzung des Urteils.

    (10)  – ABl. 1967, Nr. 152, S. 13.

    (11)  – Obgleich diese nationale Bestimmung in der Vorlageentscheidung nicht wörtlich wiedergegeben wird, sondern in den Akten des Ausgangsverfahrens, die mit dem Vorabentscheidungsersuchen übermittelt wurden, enthalten ist, erlaubt es die Vorlageentscheidung, den Inhalt dieser Bestimmung mit einzubeziehen.

    (12)  – Urteile vom 12. Oktober 1993, Vanacker und Lesage (C‑37/92, Slg. 1993, I‑4947, Randnr. 7), und vom 20. Oktober 2005, Ten Kate Holding Musselkanaal u. a. (C‑511/03, Slg. 2005, I‑8979, Randnr. 25 und die dort zitierte Rechtsprechung).

    (13)  – Die Verordnung Nr. 259/68 wurde genauer gesagt auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 1 des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1967, Nr. 152, S. 2) erlassen, der den vorher geltenden Art. 212 EWG-Vertrag aufhob und dessen Regelung als Art. 283 EG übernommen wurde.

    (14)  – Urteile vom 20. Oktober 1981, Kommission/Belgien (137/80, Slg. 1981, 2393, Randnr. 7), und vom 7. Mai 1987, Kommission/ Belgien (186/85, Slg. 1987, 2029, Randnr. 21).

    (15)  – Urteile vom 20. Oktober 1981, Kommission/Belgien (Randnr. 8), und vom 7. Mai 1987, Kommission/Belgien (Randnr. 21).

    (16)  – Urteil vom 7. Mai 1987, Kommission/Belgien (Randnr. 23).

    (17)  – Ebd., Randnr. 34.

    (18)  – Ebd., Randnr. 33.

    (19)  – Ebd.

    (20)  – Siehe unter vielen anderen die Urteile vom 20. März 1986, Tissier (35/85, Slg. 1986, 1207, Randnr. 9), und vom 18. November 1999, Teckal (C‑107/98, Slg. 1999, I‑8121, Randnr. 34).

    (21)  – Urteil Tissier (Randnr. 9); Urteile vom 2. Februar 1994, Verband Sozialer Wettbewerb (C‑315/92, Slg. 1994, I‑317, Randnr. 7), und vom 7. November 2002, Bourrasse und Perchicot (C‑228/01 und C‑289/01, Slg. 2002, I‑10213, Randnr. 33).

    (22)  – Beispiele dafür finden sich in den Urteilen vom 27. März 1990, Bagli Pennacchiotti (C‑315/88, Slg. 1990, I‑1323); vom 6. April 1995, Flip und O. Verdegem (C‑315/93, Slg. 1995, I‑913); Teckal sowie Bourrasse und Perchicot.

    (23)  – Beispiele dafür finden sich in den Urteilen vom 14. Juli 1971, Muller u. a. (10/71, Slg. 1971, 723); vom 13. Dezember 1984, Haug-Adrion (251/83, Slg. 1984, 4277); Tissier sowie in den Urteilen vom 19. November 1991, Aliments Morvan (C‑235/90, Slg. 1991, I‑5419), und vom 26. September 1996, Arcaro (C‑168/95, Slg. 1996, I‑4705).

    (24)  – Beispiele dafür finden sich in den Urteilen vom 3. Februar 1977, Strehl (62/76, Slg. 1977, 211); vom 15. Oktober 1980, Roquette Frères (145/79, Slg. 1980, 2917), und vom 14. Juni 1990, Weiser (C‑37/89, Slg. 1990, I‑2395).

    (25)  – Urteil vom 1. Dezember 1965, Schwarze (16/65, Slg. 1965, 1152, 1165).

    (26)  – Siehe z. B. Urteil vom 16. Dezember 2004, My (C‑293/03, Slg. 2004, I‑12013).

    (27)  – Beschlüsse vom 28. Juni 2000, Laguillaumie (C‑116/00, Slg. 2000, I‑4979, Randnr. 16); vom 19. Oktober 2004, Provvidenza Regio (C‑425/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 9); vom 1. Dezember 2005, Dhumeaux u. a. (C‑116/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 21), und vom 13. Juli 2006, Eurodomus (C‑166/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 7 und 8). In dem zweiten dieser Unzulässigkeitsbeschlüsse wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das vorlegende Gericht die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, um deren Auslegung es ersuchte, nicht genannt hat (Randnr. 12).

    (28)  – Urteile vom 1. April 1982, Holdijk u. a. (141/81 bis 143/81, Slg. 1982, 1299, Randnr. 6), und vom 11. September 2003, Altair Chimica (C‑207/01, Slg. 2003, I‑8875, Randnr. 25); Beschlüsse vom 23. März 1995, Saddik (C‑458/93, Slg. 1995, I‑511, Randnr. 13), und Laguillaumie (Randnr. 14).

    (29)  – Siehe Beschluss Laguillaumie (Randnr. 24).

    (30)  – A. a. O.

    (31)  – Ebd., Randnrn. 48 und 49.

    (32)  – Ebd., Randnr. 47.

    (33)  – Urteil vom 22. März 1990 (C‑333/88, Slg. 1990, I‑1133).

    (34)  – Schriftliche Erklärungen der Kommission, Nrn. 37 und 38.

    (35)  – Ebd., Nr. 40.

    (36)  – ABl. L 257, S. 2.

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