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Document 62004CJ0495
Judgment of the Court (Fourth Chamber) of 30 March 2006.#A. C. Smits-Koolhoven v Staatssecretaris van Financiën.#Reference for a preliminary ruling: Hoge Raad der Nederlanden - Netherlands.#Directive 95/59 - Tax on the consumption of manufactured tobacco - Herbal cigarettes - Used exclusively for medical purposes.#Case C-495/04.
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 30. März 2006.
A. C. Smits-Koolhoven gegen Staatssecretaris van Financiën.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
Richtlinie 95/59/EG - Steuern auf den Verbrauch von Tabakwaren - Kräuterzigaretten - Ausschließlich medizinischen Zwecken dienend.
Rechtssache C-495/04.
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 30. März 2006.
A. C. Smits-Koolhoven gegen Staatssecretaris van Financiën.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
Richtlinie 95/59/EG - Steuern auf den Verbrauch von Tabakwaren - Kräuterzigaretten - Ausschließlich medizinischen Zwecken dienend.
Rechtssache C-495/04.
Sammlung der Rechtsprechung 2006 I-03129
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:218
*A8* Gerechtshof Leeuwarden, 2e meervoudige belastingkamer, uitspraak van 05/08/2002 (BK 340-01)
- Beslissingen in belastingzaken 2005 nº 58 (*)
- Sio, B.: Beslissingen in belastingzaken 2005 nº 58
*A9* Hoge Raad der Nederlanden, 3e kamer, arrest van 26/11/2004 (38.571)
- Beslissingen in belastingzaken 2005 nº 58 (*)
- Weekblad voor fiscaal recht 2004 p.1845 (résumé)
- JURIFAST
- Sio, B.: Beslissingen in belastingzaken 2005 nº 58
Rechtssache C-495/04
A. C. Smits-Koolhoven
gegen
Staatssecretaris van Financiën
(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden)
„Richtlinie 95/59/EG – Steuern auf den Verbrauch von Tabakwaren – Kräuterzigaretten – Ausschließlich medizinischen Zwecken dienend“
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 30. März 2006
Leitsätze des Urteils
Steuerrecht – Harmonisierung – Andere Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer
(Richtlinie 95/59 des Rates, Artikel 7 Absatz 2)
Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 95/59 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer ist dahin auszulegen, dass Zigaretten ohne Tabak, die keine Stoffe mit medizinischer Wirkung enthalten, aber als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung bezeichnet und vermarktet werden, nicht im Sinne des Unterabsatzes 2 dieser Vorschrift „ausschließlich medizinischen Zwecken dienen“.
Erwägungen, die an die Bezeichnung, die Vermarktung oder die Wahrnehmung eines Erzeugnisses anknüpfen, reichen für sich allein nämlich nicht aus, um dieses Erzeugnis unter die in Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/59 vorgesehene Ausnahme fallen zu lassen.
(vgl. Randnrn. 32, 35 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Vierte Kammer)
30. März 2006(*)
„Richtlinie 95/59/EG – Steuern auf den Verbrauch von Tabakwaren – Kräuterzigaretten – Ausschließlich medizinischen Zwecken dienend“
In der Rechtssache C‑495/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 26. November 2004, beim Gerichtshof eingegangen am gleichen Tag, in dem Verfahren
A. C. Smits-Koolhoven
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer sowie der Richter M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von A. C. Smits-Koolhoven, vertreten durch C. H. Bouwmeester und B. S. Mulier, advocaten,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und D. J. M. de Grave als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Jurgensen‑Mercier als Bevollmächtigte,
– der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigten,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und A. Weimar als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 7 Absatz 2 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40).
2 Dieses Ersuchen ist vom Hoge Raad der Nederlanden im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Smits-Koolhoven und dem Staatssecretaris van Financiën über die Verbrauchsteuererhebung auf Kräuterzigaretten vorgelegt worden.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3 Tabakwaren unterliegen einer auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Verbrauchsteuer. Die Richtlinie 95/59 definiert die verschiedenen verbrauchsteuerpflichtigen Warenkategorien und bestimmt die Berechnungsmodalitäten für diese Steuer.
4 Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie definiert den Begriff „Zigaretten“ wie folgt:
„Als Zigaretten gelten:
a) Tabakstränge, die sich unmittelbar zum Rauchen eignen und nicht Zigarren oder Zigarillos nach Artikel 3 sind;
b) Tabakstränge, die durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben werden;
c) Tabakstränge, die durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang mit einem Zigarettenpapierblättchen umhüllt werden.
…“
5 Der Begriff „Rauchtabak“ wird in Artikel 5 der Richtlinie definiert.
6 Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie bestimmt:
„Zigaretten und Rauchtabak gleichgestellt sind Erzeugnisse, die ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen Kriterien der Artikel 4 oder 5 entsprechen.
Abweichend von Unterabsatz 1 gelten Erzeugnisse, die keinen Tabak enthalten, nicht als Tabakwaren, falls sie ausschließlich medizinischen Zwecken dienen.“
7 Die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369) in der Fassung der Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Änderung der Richtlinien 65/65/EWG, 75/318/EWG und 75/319/EWG betreffend Arzneimittel (ABl. L 214, S. 22) (im Folgenden: Richtlinie 65/65) definiert in Artikel 1 Nummer 2 den Begriff „Arzneimittel“ als „alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet werden“, oder als „alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden“.
Nationale Rechtsvorschriften
8 Gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe f des niederländischen Verbrauchsteuergesetzes vom 31. Oktober 1991 (Wet op de accijns, Stb. 1991, Nr. 561) wird auf Tabakwaren eine Verbrauchsteuer erhoben.
9 Artikel 64 Absatz 1 dieses Gesetzes, der Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/59 in das niederländische Recht umsetzt, bestimmt:
„Unter Voraussetzungen und Beschränkungen, die durch Verordnung festzulegen sind, wird eine Befreiung von der Verbrauchsteuer gewährt beim Verkauf und bei der Einfuhr von:
…
f) Zigaretten und Rauchtabak, die vollständig aus anderen Stoffen als Tabak bestehen und erkennbar zum Gebrauch für medizinische Zwecke bestimmt sind.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
10 Frau Smits-Koolhoven (im Folgenden: Klägerin des Ausgangsverfahrens) verkaufte zur Zeit der maßgebenden Ereignisse im Großhandel ein „Kräuterzigaretten“ genanntes Erzeugnis für den Weiterverkauf. Es handelte sich um Zigaretten ohne Tabak, die vor allem aus Kräutern der Familie der Lippenblütler bestanden.
11 Diese Zigaretten enthielten Stoffe ohne medizinische Wirkung und wurden ohne ärztliche Verschreibung, aber ausschließlich über Apotheken und Drogerien vertrieben. Auf jeder Zigarettenpackung war ein Aufkleber mit der Aufschrift „Medizinische Kräuterzigaretten“ angebracht. Außerdem war dem Erzeugnis ein Beipackzettel beigegeben, auf dem die Zigaretten als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung bezeichnet wurden. Dieser Beipackzettel war vom Keuringsraad Openlijke Aanprijzing Geneesmiddelen/Keuringsraad Aanprijzing Gezondheidsproducten (im Folgenden: KOAG/KAG), einer nichtstaatlichen Stelle für die Aufsicht über die Werbung für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte, gebilligt worden.
12 Für diese Zigaretten wurde keine Verbrauchsteuer gezahlt. In einem Schreiben vom 20. Juli 1995 an die Klägerin des Ausgangsverfahrens vertrat die Verwaltung die Auffassung, dass die Kräuterzigaretten für die Verbrauchsteuererhebung als Zigaretten und folglich als Tabakwaren anzusehen seien und dass diese Zigaretten, da sie nicht zum Gebrauch für medizinische Zwecke bestimmt seien, nicht unter die in Artikel 64 Absatz 1 Buchstabe f des niederländischen Verbrauchsteuergesetzes vorgesehene Befreiung fielen.
13 Infolgedessen erhielt die Klägerin des Ausgangsverfahrens einen Nacherhebungsbescheid, der die Verbrauchsteuer auf Tabakwaren für die Zeit vom 1. August 1995 bis 15. Juni 1999 betraf.
14 Nach Zurückweisung ihres Einspruchs erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens Klage beim Gerechtshof Leeuwarden. Mit Urteil vom 5. August 2002 bestätigte dieses Gericht die Nacherhebung der Verbrauchsteuer auf Tabakwaren.
15 Da die Klägerin des Ausgangsverfahrens der Ansicht war, dass der Gerechtshof Leeuwarden den Begriff „medizinische Zwecke“ in Artikel 64 Absatz 1 Buchstabe f des niederländischen Verbrauchsteuergesetzes zu eng ausgelegt habe, erhob sie Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden, der beschlossen hat, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Fallen Kräuterzigaretten wie die vorliegenden, von denen festgestellt worden ist, dass sie keine Stoffe mit medizinischer Wirkung enthalten, die aber mit Billigung des KOAG/KAG als „medizinische Kräuterzigaretten“ als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung verkauft werden, unter die Ausnahme, die Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 95/59/EG für Erzeugnisse, die ausschließlich medizinischen Zwecken dienen, vorsieht?
Zur Vorlagefrage
16 Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 95/59 dahin auszulegen ist, dass Zigaretten ohne Tabak, die keine Stoffe mit medizinischer Wirkung enthalten, aber als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung bezeichnet und vermarktet werden, im Sinne des Unterabsatzes 2 dieser Vorschrift „ausschließlich medizinischen Zwecken dienen“.
17 Vorab ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 95/59 im Rahmen einer Politik der Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren ergangen ist, die das Ziel hat, eine Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren zu verhindern (Urteil vom 19. Oktober 2000 in der Rechtssache C‑216/98, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, I‑8921, Randnr. 18). Um eine einheitliche Anwendung dieser Richtlinie zu gewährleisten, sind deren Begriffe unter Berücksichtigung des Wortlauts der fraglichen Bestimmungen und der mit der Richtlinie verfolgten Ziele autonom auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. April 2004 in der Rechtssache C‑389/02, Deutsche See-Bestattungs-Genossenschaft, Slg. 2004, I‑3537, Randnr. 19).
18 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 95/59 eine allgemeine Regel aufstellt, wonach Erzeugnisse, die zwar ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen in Artikel 4 und 5 der Richtlinie festgelegten Kriterien entsprechen, Zigaretten und Rauchtabak gleichgestellt sind. Gemäß Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie sind nur die Erzeugnisse von dieser Regel ausgenommen, die zum einen keinen Tabak enthalten und zum anderen „ausschließlich medizinischen Zwecken dienen“. Dieser Unterabsatz unterscheidet demnach zwischen zwei Arten von Erzeugnissen, die keinen Tabak enthalten, je nachdem, ob sie ausschließlich solchen Zwecken dienen oder nicht, wobei nur die Erstgenannten unter die Ausnahme fallen.
19 Somit sind die Kriterien zu bestimmen, anhand deren die Erzeugnisse, die ausschließlich medizinischen Zwecken dienen, von den Erzeugnissen unterschieden werden können, die nicht oder nicht ausschließlich solchen Zwecken dienen.
20 Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht zwischen zwei Kriterien, nämlich der Zusammensetzung der Zigaretten und ihrer Bezeichnung, zu schwanken scheint. Während das Fehlen von Stoffen mit medizinischer Wirkung in den Zigaretten zu der Annahme führe, dass sie nicht ausschließlich medizinischen Zwecken dienten, spreche ihre Bezeichnung dafür, eine solche Funktion anzuerkennen.
21 Das Kriterium der Zusammensetzung eines Erzeugnisses kann als relevant und damit als geeignet angesehen werden, eine medizinische Funktion nachzuweisen. Ein Erzeugnis, das Stoffe enthält, deren Verbrennung und Einatmung medizinische Wirkungen auf den menschlichen Organismus haben, kann nämlich durch diese Wirkungen objektiv von einem Erzeugnis unterschieden werden, das keine solchen Stoffe enthält.
22 Demnach ist für die Feststellung, ob ein Erzeugnis eine medizinische Funktion haben kann, zu prüfen, ob dieses Erzeugnis Stoffe enthält, deren Verbrennung und Einatmung heilende oder vorbeugende medizinische Wirkungen hat, die wissenschaftlich anerkannt sind.
23 Es steht fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zigaretten keine solchen Stoffe enthalten.
24 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens trägt jedoch vor, dass die fraglichen Kräuterzigaretten, auch wenn sie keine Stoffe enthielten, die medizinische Wirkung hätten, ausschließlich medizinischen Zwecken dienten, da das Rauchen dieser Zigaretten die Tabakentwöhnung fördere.
25 Würde man diese These bejahen, so liefe dies indessen darauf hinaus, dass jeder Zigarette, die keinen Tabak enthält und deshalb als Substitutionserzeugnis konsumiert werden kann, eine ausschließlich medizinische Funktion zuerkannt würde, was offensichtlich gegen das Ziel und die Systematik des Artikels 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/59, wie sie in Randnummer 18 des vorliegenden Urteils näher angegeben sind, verstieße. Diesem Argument kann daher nicht gefolgt werden.
26 Demnach ist zu prüfen, ob unter diesen Umständen die Bezeichnung der Zigaretten als relevant angesehen werden kann, um eine ausschließlich medizinische Funktion der Zigaretten nachzuweisen, und damit ist festzustellen, ob die Art der Bezeichnung ein Kriterium sein kann, anhand dessen die Zigaretten, die ausschließlich medizinischen Zwecken dienen, von den Erzeugnissen unterschieden werden können, die nicht oder nicht ausschließlich solchen Zwecken dienen.
27 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens trägt insoweit vor, dass den fraglichen Zigaretten eine ausschließlich medizinische Funktion zuzuerkennen sei, da sie mit Billigung des KOAG/KAG als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten bezeichnet, als medizinisches Erzeugnis vermarktet und von einem durchschnittlich informierten Verbraucher als Arzneimittel angesehen würden.
28 Diese These kann nicht bejaht werden, denn die medizinische Funktion solcher Zigaretten kann nicht nur aus ihrer Bezeichnung, der Art ihrer Vermarktung oder daraus, wie die Allgemeinheit sie wahrnimmt, hergeleitet werden, ohne der in Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 95/59 aufgestellten Regel ihren Sinn zu nehmen. Denn es würde genügen, die Bezeichnung oder die Art der Vermarktung eines Erzeugnisses zu ändern, damit es unter die in Unterabsatz 2 dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme fällt, mit der Folge, dass sonst identische Erzeugnisse hinsichtlich der Verbrauchsteuer unterschiedlich behandelt würden.
29 Außerdem unterscheidet sich die Richtlinie 95/59 in dieser Hinsicht nach ihrem Ziel und dem Wortlaut ihres Artikels 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 von der Richtlinie 65/65, deren Artikel 1 Nummer 2 zwei alternative, einander ergänzende Definitionen eines Arzneimittels enthält, die sich einmal auf das Arzneimittel „nach der Bezeichnung“ und zum anderen auf das Arzneimittel „nach der Funktion“ beziehen (vgl. Urteile vom 30. November 1983 in der Rechtssache 227/82, Van Bennekom, Slg. 1983, 3883, Randnr. 22, und vom 28. Oktober 1992 in der Rechtssache C‑219/91, Ter Voort, Slg. 1992, I‑5485, Randnr. 11).
30 Erstens rechtfertigt die Zielsetzung der Richtlinie 65/65, die im Wesentlichen auf den Verbraucherschutz gerichtet ist, indem sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleistet, eine derartige weite Definition, die der Richtlinie einen umfangreichen Anwendungsbereich beimisst. Wie der Gerichtshof in Randnummer 17 des Urteils Van Bennekom ausgeführt hat, soll das Kriterium der „Bezeichnung“, das sich aus Artikel 1 Nummer 2 Absatz 1 dieser Richtlinie ergibt, nicht nur die Arzneimittel erfassen, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind oder die nicht die Wirkung haben, die der Verbraucher nach ihrer Bezeichnung von ihnen erwarten darf, um den Verbraucher nicht nur vor schädlichen oder giftigen Arzneimitteln zu schützen, sondern auch vor verschiedenen Erzeugnissen, die an Stelle geeigneter Heilmittel verwendet werden. Das Ziel der Richtlinie 95/59, an das in Randnummer 17 des vorliegenden Urteils erinnert wird, ist aber ein ganz anderes und rechtfertigt nicht eine derartige weite Definition.
31 Zweitens ist Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/59, da er eine Ausnahme von der allgemeinen Regel enthält, eng auszulegen und kann nicht auf Erzeugnisse angewandt werden, bei denen nur die Bezeichnung die medizinische Funktion nahelegt, ohne dass diese durch objektive Merkmale, die mit den Eigenschaften des Erzeugnisses zusammenhängen, bestätigt würde.
32 Daraus ergibt sich, dass Erwägungen, die an die Bezeichnung, die Vermarktung oder die Wahrnehmung eines Erzeugnisses anknüpfen, für sich allein nicht ausreichen, um dieses Erzeugnis unter die in Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/59 vorgesehene Ausnahme fallen zu lassen.
33 Die Tatsache, dass die Bezeichnung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zigaretten vom KOAG/KAG gebilligt wurde, ändert nichts an dieser Beurteilung. Denn wenn diese Stelle, die in einem Kontext der Selbstregulierung für die Einhaltung der Verhaltensregeln auf dem Gebiet der Werbung für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte sorgt, eine spezifische Form der Werbung billigt, bedeutet diese Billigung nicht, dass festgestellt wurde, ob das betreffende Erzeugnis ausschließlich medizinischen Zwecken dient, und kann für die Beurteilung der heilenden oder vorbeugenden Merkmale eines Erzeugnisses nicht ausschlaggebend sein.
34 Aus dem Vorstehenden folgt, dass Zigaretten, die keine Stoffe mit medizinischer Wirkung enthalten, keine medizinische Funktion zuerkannt werden kann.
35 Aufgrund all dieser Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 95/59 dahin auszulegen ist, dass Zigaretten ohne Tabak, die keine Stoffe mit medizinischer Wirkung enthalten, aber als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung bezeichnet und vermarktet werden, nicht im Sinne des Unterabsatzes 2 dieser Vorschrift „ausschließlich medizinischen Zwecken dienen“.
Kosten
36 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer ist dahin auszulegen, dass Zigaretten ohne Tabak, die keine Stoffe mit medizinischer Wirkung enthalten, aber als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung bezeichnet und vermarktet werden, nicht im Sinne des Unterabsatzes 2 dieser Vorschrift „ausschließlich medizinischen Zwecken dienen“.
Unterschriften.
* Verfahrenssprache: Niederländisch.