This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 62003TJ0373
Judgment of the Court of First Instance (First Chamber) of 31 May 2005. # Solo Italia Srl v Office for Harmonisation in the Internal Market (Trade Marks and Designs) (OHIM). # Community trade mark - Word mark PARMITALIA - Time-limit for bringing an appeal against the decision of the Opposition Division - Article 59 of Regulation (EC) No 40/94 - Rule 48 of Regulation (EC) No 2868/95 - Inadmissibility of the appeal. # Case T-373/03.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 31. Mai 2005.
Solo Italia Srl gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
Gemeinschaftsmarke - Wortmarke PARMITALIA - Frist für eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung - Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Regel 48 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 - Unzulässigkeit der Beschwerde.
Rechtssache T-373/03.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 31. Mai 2005.
Solo Italia Srl gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
Gemeinschaftsmarke - Wortmarke PARMITALIA - Frist für eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung - Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Regel 48 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 - Unzulässigkeit der Beschwerde.
Rechtssache T-373/03.
Sammlung der Rechtsprechung 2005 II-01881
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2005:191
Rechtssache T-373/03
Solo Italia Srl
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)
„Gemeinschaftsmarke – Wortmarke PARMITALIA – Frist für eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung – Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Regel 48 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Unzulässigkeit der Beschwerde“
Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 31. Mai 2005
Leitsätze des Urteils
1. Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage beim Gemeinschaftsrichter – Befugnisse des Gerichts – Rechtmäßigkeitskontrolle der Entscheidungen der Beschwerdekammern anhand der Rechtsfragen, mit denen diese befasst wurden – Prüfung der Übereinstimmung der jeweiligen Rechtsbehelfe von Amts wegen
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 63)
2. Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Frist und Form der Beschwerde – Schriftliche Einlegung innerhalb von zwei Monaten – Überweisung des der Beschwerdegebühr entsprechenden Betrages – Handlung für sich allein genommen nicht ausreichend
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 59)
1. Die gemäß Artikel 63 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke beim Gericht erhobene Klage ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) gerichtet. Soweit es nämlich in Artikel 63 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 heißt, dass das Gericht „die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern“ kann, ist dieser Absatz 3 im Licht des Absatzes 2, wonach „[d]ie Klage … wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs [zulässig ist]“, und im Rahmen der Artikel 229 EG und 230 EG zu sehen. Das Gericht hat die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Beschwerdekammer daher anhand der Rechtsfragen zu kontrollieren, mit denen die Beschwerdekammer befasst wurde; insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Übereinstimmung der Beschwerde bei der Beschwerdekammer und der Klage beim Gericht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung handelt, die von Amts wegen zu prüfen ist.
(vgl. Randnrn. 25, 28)
2. Gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) einzulegen.
Zwar gilt nach dieser Vorschrift die Beschwerde erst dann als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist, doch kann allein die Überweisung des entsprechenden Betrages nicht als gleichwertig mit der nach dieser Vorschrift erforderlichen Schriftform angesehen werden. In diesem Zusammenhang ist das Amt, genauer seine Finanzabteilung, nicht verpflichtet, etwaige Beschwerdeführer bei der Beschwerdekammer auf die Folgen einer Nichteinhaltung der Formvorschriften der Verordnung Nr. 40/94 hinzuweisen.
(vgl. Randnrn. 56, 58-59)
URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)
31. Mai 2005(*)
„Gemeinschaftsmarke – Wortmarke PARMITALIA – Frist für eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung – Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Regel 48 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Unzulässigkeit der Beschwerde“
In der Rechtssache T‑373/03
Solo Italia Srl mit Sitz in Ossona (Italien), vertreten durch die Rechtsanwälte A. Bensoussan, M.‑E. Haas und L. Tellier‑Loniewski, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch I. de Medrano Caballero und A. Folliard‑Monguiral als Bevollmächtigte,
Beklagter,
andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:
Nuova Sala Srl mit Sitz in Brescia (Italien), vertreten durch die Rechtsanwälte E. Gavuzzi, S. Hassan und C. Pastore,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 10. September 2003 (Sache R 208/2003‑2), mit der die Ablehnung der Eintragung der Wortmarke PARMITALIA bestätigt wurde,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie der Richterinnen I. Labucka und V. Trstenjak,
Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,
aufgrund der am 12. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 18. März 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,
aufgrund des am 8. März 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Streithilfeschriftsatzes,
auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2004
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Die Solo Italia Srl (im Folgenden: Klägerin) reichte mit Schreiben vom 14. Januar 2000 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke ein.
2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen PARMITALIA.
3 Die Eintragung wurde für Waren beantragt, die zur Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung gehören und als „Käse“ beschrieben sind.
4 Am 26. Dezember 2000 wurde die Markenanmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht.
5 Am 16. März 2001 legte die Nuova Sala Srl (im Folgenden: Streithelferin) gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für alle in der Markenanmeldung genannten Waren ein. Der Widerspruch wurde auf eine Gemeinschaftsbildmarke PARMITAL gestützt, die am 1. Dezember 1998 für Waren derselben Klasse eingetragen wurde und der oben in Randnummer 3 genannten Beschreibung entsprechen.
6 Mit Entscheidung vom 26. November 2002, die den Parteien am selben Tag mit Telefax zugestellt wurde, gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch statt. Sie befand im Wesentlichen, dass die fraglichen Marken nach Bild, Klang und Bedeutung ähnlich seien.
7 Am 4. Dezember 2002 ging auf dem Konto des HABM ein Betrag von 800 Euro mit der Angabe PARMITALIA ein, überwiesen am 29. November 2002 von der französischen Gesellschaft OK SA, die das HABM nicht mit der Klägerin in Verbindung brachte. Die Klägerin stellte außerdem ihrem Bevollmächtigten einen Scheck über 1 375 Euro für die Einreichung eines Widerspruchsschriftsatzes beim HABM aus. Dieser Schriftsatz wurde jedoch von diesem Bevollmächtigten nicht eingereicht.
8 Am 17. Januar 2003 richtete die Finanzabteilung des HABM in der Annahme, sich an die Klägerin zu wenden, ein Schreiben an die französische Gesellschaft Solo Italia France, um Informationen über den Zweck der am 4. Dezember 2002 eingegangenen Zahlung zu erhalten. Darin wies sie darauf hin, dass für die Feststellung des Zweckes der Zahlung eine Frist von einem Monat festgesetzt worden sei, die am 17. Februar 2003 ende; könne der Zweck der Zahlung nicht innerhalb dieser Frist festgestellt werden, gelte die Zahlung als nicht erfolgt, und der entsprechende Betrag werde erstattet.
9 Am 17. Februar 2003 erhielt das HABM ein Schreiben der Klägerin, in dem diese ausführte, dass die entrichtete Gebühr die gegen die Entscheidung vom 26. November 2002 gerichtete Beschwerde betreffe. Diesem Schreiben war ein Beschwerdeschriftsatz in französischer Sprache beigefügt. Eine Übersetzung in die Verfahrenssprache (also ins Englische) wurde am 20. Februar 2003 vorgelegt.
10 Am 3. März 2003 schickte der Bevollmächtigte der Klägerin dem HABM eine Kopie der Überweisung vom 29. November 2002. Am 14. März 2003 wurde dem HABM die Bestellung eines neuen Bevollmächtigten mitgeteilt; dieser reichte am 21. März 2003 einen neuen Schriftsatz ein.
11 Am 24. März 2003 bestätigte das HABM der Klägerin den Eingang ihrer Beschwerde und verwies die Sache an die Beschwerdekammer. Am 14. Mai 2003 übermittelte das HABM ihr den Schriftsatz des Widersprechenden vom 9. Mai 2003. Die Klägerin antwortete auf diesen Schriftsatz am 10. Juni 2003, und das HABM bestätigte den Eingang dieser Antwort am 17. Juni 2003. Am 21. August 2003 richtete die Klägerin einen weiteren Schriftsatz an das HABM, das dessen Eingang am 10. September 2003 bestätigte.
12 Mit Entscheidung vom 10. September 2003, der Klägerin zugestellt am 17. September 2003, entschied die Zweite Beschwerdekammer über die Beschwerde und wies sie wegen Nichtbeachtung der Beschwerdefrist nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 als unzulässig ab. Die Beschwerdekammer befand, dass diese Frist am 26. Januar 2003 abgelaufen sei und dass die Verspätung der Beschwerde nicht durch die späteren Schriftsätze geheilt werden könne.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
13 Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 16. November 2004 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
14 Die Klägerin beantragt,
– die Klage für zulässig zu erklären und die Entscheidung vom 10. September 2003 aufzuheben;
– dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
15 Das HABM beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
16 Die Streithelferin beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
17 Da die Streithelferin nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte, hat sie ihre Erklärungen per Telefax eingereicht; diese sind mit Zustimmung der Klägerin und des HABM zu den Akten genommen worden.
Rechtliche Würdigung
18 Die Klägerin macht drei Klagegründe geltend, und zwar eine Verletzung von Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), eine Verletzung der Regeln 55, 61 und 65 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) und eine Verletzung von Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94.
Zur Zulässigkeit der ersten beiden Klagegründe
Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Artikel 6 EMRK
– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
19 Nach Ansicht der Klägerin verlangt Artikel 6 EMRK, dass jede Person, der etwas vorgeworfen werde, umgehend über die gegen sie eingeleiteten Schritte informiert werde. Die Zustellung der Entscheidung vom 26. November 2002 durch Telefax verstoße gegen diese Vorschrift, weil sie nicht die Voraussetzung der Sicherheit der Zustellungen erfülle. Da die Zustellung nicht wirksam sei, habe sie auch keine Frist in Gang setzen können; folglich sei die Beschwerde für zulässig zu erklären. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erneut ausgeführt, dass der erste Klagegrund sich auf die fehlende Rechtssicherheit beziehe und dass diese nicht durch ein Telefax gewährleistet werden könne, das nicht unterzeichnet gewesen sei und dessen Eingang überdies nicht vom HABM bestätigt worden sei.
20 Das HABM ist der Auffassung, dass der erste Klagegrund mangels ausreichender Begründung unzulässig sei und daher gegen Artikel 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung verstoße.
21 In der mündlichen Verhandlung hat es ergänzt, dass der Klagegrund einer Verletzung von Artikel 6 EMRK jedenfalls unzulässig sei, weil er nicht vor der Beschwerdekammer vorgebracht worden sei.
– Würdigung durch das Gericht
22 Vor der Beschwerdekammer hat sich die Klägerin nur darauf berufen, dass ihr die Verfahrensregeln des HABM unbekannt seien, dass zwischen Parmital und Parmitalia keine Verwechslungsgefahr bestehe und – so ihr Vorbringen im Rahmen des dritten Klagegrundes – dass die Zahlung der Beschwerdegebühr ausreiche, um den Formmangel der Beschwerde zu heilen.
23 Demnach steht fest, dass der Klagegrund einer Verletzung von Artikel 6 EMRK von der Klägerin nie vor dem HABM geltend gemacht und von diesem daher auch nicht geprüft worden ist.
24 Ferner ist erstens darauf hinzuweisen, dass das HABM gemäß Artikel 74 der Verordnung Nr. 40/94 in „Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse … bei [der] Ermittlung [des Sachverhalts] auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt“ ist (Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 2003 in der Rechtssache T‑311/01, Éditions Albert René/HABM – Trucco [Starix], Slg. 2003, II‑4625, Randnr. 69).
25 Zweitens ist daran zu erinnern, dass die Klage beim Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM im Sinne von Artikel 63 der Verordnung Nr. 40/94 gerichtet ist (Urteile des Gerichts vom 5. März 2003 in der Rechtssache T‑237/01, Alcon/HABM – Dr. Robert Winzer Pharma [BSS], Slg. 2003, II‑411, Randnr. 61, vom 6. März 2003 in der Rechtssache T‑128/01, DaimlerChrysler/HABM [Kühlergrill], Slg. 2003, II‑701, Randnr. 18, vom 3. Juli 2003 in der Rechtssache T‑129/01, Alejandro/HABM – Anheuser Busch [BUDMEN], Slg. 2003, II‑2251, Randnr. 67, und Starix, Randnr. 70). Soweit es nämlich in Artikel 63 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 heißt, dass das Gericht „die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern“ kann, ist dieser Absatz 3 im Licht des Absatzes 2, wonach „[d]ie Klage … wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs [zulässig ist]“, und im Rahmen der Artikel 229 EG und 230 EG zu sehen. Das Gericht hat die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Beschwerdekammer daher anhand der Rechtsfragen zu kontrollieren, mit denen die Beschwerdekammer befasst wurde (Urteil Starix, Randnr. 70).
26 Im Übrigen bestimmt Artikel 135 § 4 der Verfahrensordnung ausdrücklich, dass die „Schriftsätze der Parteien … den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern [können]“.
27 Die Klägerin kann daher vom Gericht keine Entscheidung über den vorliegenden Klagegrund einer Verletzung von Artikel 6 EMRK erwirken, da dieser im Verwaltungsverfahren vor dem HABM nicht angeführt worden ist.
28 Der Umstand, dass das HABM in seinem Schriftsatz nicht vorgebracht hat, dass es sich bei diesem Klagegrund um neues Vorbringen handele, sondern dies nur während der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, wirkt sich nicht auf die Entscheidung des Rechtsstreits aus, weil es sich bei der Übereinstimmung der Beschwerde bei der Beschwerdekammer und der Klage beim Gericht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung handelt, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
29 Der vorliegende Klagegrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Regeln 55, 61 und 65 der Verordnung Nr. 2868/95
– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
30 Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass die Zustellung der Entscheidung über den Widerspruch vom 26. November 2002 auch dann, wenn sie als mit den Grundsätzen des Artikels 6 EMRK vereinbar anzusehen sei, nicht ordnungsgemäß sei, weil sie nicht die Voraussetzungen der Regeln 55, 61 und 65 der Verordnung Nr. 2868/95 erfülle.
31 Bei der Prüfung dieser Zustellung sei festzustellen, dass sowohl das Anschreiben als auch die Entscheidung nicht unterzeichnet seien und dass die Entscheidung nicht gemäß Artikel 55 der Verordnung Nr. 2868/95 mit dem Dienstsiegel versehen sei. Allein das Logo auf der ersten Seite könne nicht das nach den geltenden Vorschriften erforderliche Dienstsiegel ersetzen.
32 Nach Ansicht des HABM erhebt die Klägerin auch bezüglich der – unterzeichneten – Entscheidung der Beschwerdekammer den Vorwurf, dass sie nicht mit einem Dienstsiegel versehen sei.
33 Das HABM ist der Auffassung, dass der zweite Klagegrund unzulässig sei.
34 In Bezug auf die Entscheidung der Widerspruchsabteilung sei dieser Klagegrund zum ersten Mal vor dem Gericht geltend gemacht worden und müsse für unzulässig erklärt werden, weil die Schriftsätze der Parteien den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nach Artikel 135 § 4 der Verfahrensordnung nicht ändern könnten.
35 In Bezug auf die Zustellung der Entscheidung der Beschwerdekammer reiche die Feststellung einer etwaigen Verletzung einer Formvorschrift nicht für eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung aus. Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung einer Entscheidung erfassten nicht diese selbst und könnten daher deren Rechtmäßigkeit nicht beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 39; Urteil des Gerichts vom 28. Mai 1998 in den Rechtssachen T‑78/96 und T‑170/96, W/Kommission, Slg. ÖD 1998, I-A-239 und II‑745, Randnr. 183). Jedenfalls liege kein Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift vor, da der Klägerin die angefochtene Entscheidung zugestellt worden sei und sie nicht an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert gewesen sei (Urteil des Gerichts vom 2. Juli 2002 in der Rechtssache T‑323/00, SAT.1/HABM [SAT.2], Slg. 2002, II‑2839).
36 Schließlich habe ein Kläger kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung einer Entscheidung wegen eines Formfehlers, wenn nach der Aufhebung der Entscheidung nur erneut eine Entscheidung mit dem gleichen Inhalt wie die aufgehobene Entscheidung ergehen könnte (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 6. Juli 1983 in der Rechtssache 117/81, Geist/Kommission, Slg. 1983, 2191, Randnr. 7; Urteile des Gerichts vom 18. Dezember 1992 in der Rechtssache T‑43/90, Díaz García/Parlament, Slg. 1992, II‑2619, Randnr. 54, vom 20. September 2000 in der Rechtssache T‑261/97, Orthmann/Kommission, Slg. ÖD 2000, I‑A‑181 und II‑829, Randnrn. 33 und 35, und vom 3. Dezember 2003 in der Rechtssache T‑16/02, Audi/HABM [TDI], Slg. 2003, II-0000)
– Würdigung durch das Gericht
37 Zunächst ist festzustellen, dass sich dem zweiten Klagegrund nicht entnehmen lässt, dass die Klägerin den Umstand rügen will, dass die Entscheidung der Beschwerdekammer nicht mit einem Dienstsiegel versehen ist. Ihre Klageschrift lässt vielmehr erkennen, dass es um die Zustellung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 26. November 2002 geht. Die Klägerin führt im Gegenteil die Entscheidung der Beschwerdekammer als beispielhaft an, wenn sie darauf hinweist, dass „der Vergleich mit der Entscheidung der Beschwerdekammer vom 10. September 2003 … interessant [ist], weil in diesem Fall die zugestellten Unterlagen auf der ersten Seite zur einfacheren Identifizierung mit demselben Logo versehen seien, aber in Bezug auf diese Entscheidung sowohl das Anschreiben als auch die Entscheidung unterzeichnet sind“.
38 Betreffend die Zustellung der Entscheidung vom 26. November 2002 ist unstreitig, dass der Klagegrund einer Verletzung der Regeln 55, 61 und 65 der Verordnung Nr. 2868/95 von der Klägerin nie vor dem HABM geltend gemacht und von diesem daher auch nicht geprüft worden ist.
39 Aus den oben in den Randnummern 24 bis 26 genannten Gründen kann die Klägerin – wie das HABM zu Recht ausführt – keine Entscheidung des Gerichts über den vorliegenden Klagegrund einer Verletzung dieser Regeln erwirken, da dieser im Verwaltungsverfahren vor dem HABM nicht geltend gemacht wurde.
40 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin im Übrigen auf dieses Vorbringen des HABM nicht geantwortet.
41 Der zweite Klagegrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zur Begründetheit des dritten Klagegrundes: Verletzung von Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94
Vorbringen der Parteien
42 Ebenfalls hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass dem HABM durch ihren Überweisungsauftrag vom 29. November 2002 klar mitgeteilt worden sei, dass sie Beschwerde einlegen wolle. Erst am 17. Januar 2003 habe das HABM sie um Erläuterungen zum Zweck dieser Überweisung gebeten. Sie habe dem HABM darauf am 17. Februar 2003 geantwortet und auf den Fehler ihres Bevollmächtigten hingewiesen, der nicht entsprechend ihrem Auftrag gehandelt habe.
43 Wie sie bereits in ihrem Schreiben an das HABM vom 21. August 2003 ausgeführt habe, schreibe keine Bestimmung eine bestimmte Form für die Einlegung einer Beschwerde beim HABM vor, und die am 4. Dezember 2002 in Auftrag gegebene Überweisung von 800 Euro, in der auf die Marke PARMITALIA Bezug genommen werde, sei vom HABM klar der Klägerin zugeordnet worden, weil sie Gegenstand des Schreibens vom 17. Januar 2003 gewesen sei.
44 Durch die Zahlung der Gebühr werde der Formmangel der Beschwerde geheilt. Das HABM räume ein, dass dieser Betrag bei ihm eingegangen und dem Aussteller der Überweisung zugeordnet worden sei.
45 Die Beschwerde sei folglich fristgerecht eingelegt worden und müsse für zulässig erklärt werden, da sie zudem binnen einer Frist von vier Monaten, am 17. und 20. Februar 2003 sowie am 21. März 2003, begründet worden und der Formmangel fristgerecht geheilt worden sei.
46 Schließlich könne das HABM, wenn es beschlossen habe, seine Entscheidungen ohne allzu belastende Förmlichkeiten, nämlich per Telefax, zuzustellen, und damit die Nutzung dieses flexiblen Zustellungsmittels im Rahmen des Beschwerdeverfahrens einführe, nicht die Voraussetzungen für die Einlegung der Beschwerden und die Durchführung des Verfahrens der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 enger fassen. Die enge Auslegung der Voraussetzungen des Artikels 59 dieser Verordnung und des Verfahrens zur Durchführung ihres Artikels 78 durch das HABM führe dazu, dass einem Verfahrensbeteiligten, der Opfer eines Fehlers seines Bevollmächtigten geworden sei, jeder Rechtsbehelf genommen werde; damit sei der Klägerin verwehrt worden, sich angemessen zu verteidigen.
47 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, dass das HABM in seiner an die Solo Italia France – der Klägerin zufolge ein „guter Ansprechpartner“ – gerichteten Bitte um Erläuterungen nochmals auf die Frist von zwei Monaten hätte hinweisen und diese ab dem Zeitpunkt dieser Bitte erneut hätte in Gang setzen müssen. Die Tatsache, dass das HABM die 800 Euro nicht erstattet habe, beweise außerdem, dass es von einer ordnungsgemäß eingelegten Beschwerde ausgegangen sei.
48 Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch geltend gemacht, dass sie nicht beantrage, Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 anzuwenden, sondern darauf habe hinweisen wollen, dass das Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Fall des Fehlers eines Bevollmächtigten nicht anwendbar sei.
49 Nach Ansicht des HABM muss eine Beschwerde im Hinblick auf die Regeln 48 Absatz 1 Buchstabe c und 49 der Verordnung Nr. 2868/95 sowie auf Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 kumulativ die folgenden drei Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen: Erstens müsse die Beschwerde binnen einer Frist von zwei Monaten ab der Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt werden, und sie müsse angeben, welche Entscheidung angefochten werde und inwiefern diese Entscheidung geändert oder aufgehoben werden solle, zweitens müsse die Beschwerdegebühr innerhalb dieser Frist von zwei Monaten entrichtet werden, und drittens müsse binnen einer Frist von vier Monaten ab der Zustellung der angefochtenen Entscheidung eine Beschwerdebegründungsschrift eingereicht werden.
50 Außerdem weist das HABM ungeachtet dessen, dass die Klägerin zu diesem Punkt keine Ausführungen gemacht habe, darauf hin, dass die Frist für die Entrichtung der Beschwerdegebühr keine Verlängerung der Frist für die Einreichung des Beschwerdeschriftsatzes zur Folge haben könne.
51 Schließlich habe die Klägerin keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.
52 In der mündlichen Verhandlung hat das HABM ausgeführt, dass es keine Verbindung zwischen der OK SA und der Solo Italia habe erkennen können, dass der Betrag von 800 Euro die Entrichtung unterschiedlicher Gebühren oder verschiedene Anmeldungen habe betreffen können, dass die Frist von zwei Monaten zwingend sei und von seiner Finanzabteilung nicht habe verlängert werden können und dass seine Finanzabteilung die Klägerin nicht auf den Lauf einer Zweimonatsfrist habe hinweisen können, da sie nicht habe wissen können, dass es sich um eine Beschwerdefrist gehandelt habe. Allgemein sei es nicht Sache seiner Finanzabteilung, die im Übrigen über ein eigenes Datenverarbeitungssystem verfüge, solche Nachforschungen anzustellen. Selbst wenn ihr aber klar gewesen sein sollte, dass es sich bei dem Betrag um eine Beschwerdegebühr handelte, wäre es nicht ihre Sache gewesen, die Klägerin auf die Beschwerdefrist hinzuweisen.
53 Schließlich hat das HABM in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erklärt, dass das Eingreifen dieses Grundsatzes keinesfalls ausgeschlossen sei, wenn ein Bevollmächtigter den Fehler begangen habe; zudem ließen zwei Urteile des Gemeinschaftsrichters diese Möglichkeit offen.
54 Die Streithelferin führt ergänzend zum HABM aus, dass auf dem Überweisungsauftrag vom 29. November 2002 der Name „OK SA“ gestanden habe, wodurch keine Verbindung zur Solo Italia Srl habe hergestellt werden können. Das HABM habe seine Bitte um Erläuterungen vom 17. Januar 2003 zudem an eine ganz andere Gesellschaft, nämlich die „Solo Italia France“ gerichtet, die ihren Sitz in Frankreich und nicht in Italien habe.
55 Schließlich könne – abgesehen davon, dass nach Artikel 78 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur möglich sei, wenn sie schriftlich beantragt und gleichzeitig die entsprechende Gebühr entrichtet werde – ein Wiedereinsetzungsantrag gegenwärtig nicht mehr gestellt werden, da die Frist von einem Jahr abgelaufen sei.
Würdigung durch das Gericht
56 Gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim HABM einzulegen.
57 In der vorliegenden Rechtssache ist festzustellen, dass innerhalb dieser Frist kein entsprechender Schriftsatz an das HABM gerichtet wurde.
58 Zwar gilt nach dieser Vorschrift die Beschwerde erst dann als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist, doch kann allein die Überweisung des entsprechenden Betrages nicht als gleichwertig mit der nach dieser Vorschrift erforderlichen Schriftform angesehen werden.
59 Außerdem geht weder aus den Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung hervor, dass das HABM, genauer seine Finanzabteilung, verpflichtet wäre, etwaige Beschwerdeführer bei der Beschwerdekammer auf die Folgen einer Nichteinhaltung der Formvorschriften der Verordnung Nr. 40/94 hinzuweisen.
60 Nach dem Wortlaut des Artikels 78 der Verordnung Nr. 40/94 ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einem Verschulden des Bevollmächtigten nicht ausgeschlossen. Jedoch müssen die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung erfüllt sein, insbesondere die der Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt (vgl. zum Verschulden des Erfüllungsgehilfen des Bevollmächtigten des Anmelders Urteil des Gerichts vom 20. Juni 2001 in der Rechtssache T‑146/00, Ruf und Stier/HABM [Bildmarke „DAKOTA“], Slg. 2001, II‑1797, Randnrn. 55 bis 61).
61 Da die Voraussetzungen des Artikels 59 der Verordnung Nr. 40/94 hier nicht erfüllt sind, ist auch der dritte Klagegrund zurückzuweisen und damit die gesamte Klage abzuweisen.
Kosten
62 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen des HABM und der Streithelferin deren Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Cooke |
Labucka |
Trstenjak |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 31. Mai 2005.
Der Kanzler |
Der Präsident |
H. Jung |
J. D. Cooke |
* Verfahrenssprache: Französisch.