EUR-Lex Πρόσβαση στο δίκαιο της Ευρωπαϊκής Ένωσης

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Έγγραφο 62002CC0189

Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 8. Juli 2004.
Dansk Rørindustri A/S (C-189/02 P), Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH und andere (C-202/02 P), KE KELIT Kunststoffwerk GmbH (C-205/02 P), LR af 1998 A/S (C-206/02 P), Brugg Rohrsysteme GmbH (C-207/02 P), LR af 1998 (Deutschland) GmbH (C-208/02 P) und ABB Asea Brown Boveri Ltd (C-213/02 P) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Rechtsmittel - Wettbewerb - Fernwärmerohre (vorisolierte Rohre) - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Kartell - Boykott - Geldbußen - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung der Höhe von Geldbußen - Rückwirkungsverbot - Berechtigtes Vertrauen - Rechtmäßigkeit - Mitteilung über Zusammenarbeit - Begründungspflicht.
Verbundene Rechtssachen C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P.

Sammlung der Rechtsprechung 2005 I-05425

Αναγνωριστικό ECLI: ECLI:EU:C:2004:415

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANTONIO TIZZANO
vom 8. Juli 2004(1)



Rechtssache C-189/02 P



Dansk Rørindustri A/S
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


Rechtssache C-202/02 P



Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft GmbH u. a .
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


Rechtssache C-205/02 P



KE KELIT Kunststoffwerk GmbH
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


Rechtssache C-206/02 P



LR AF 1998 A/S
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


Rechtssache C-207/02 P



Brugg Rohrsysteme GmbH
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


Rechtssache C-208/02 P



LR AF 1998 (Deutschland) GmbH
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


Rechtssache C-213/02 P



ABB Asea Brown Boveri Ltd
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


„Wettbewerb – Kartellverbot – Fernwärmerohre – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Rechtmäßigkeit – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit – Rückwirkungsverbot – Vertrauensschutz“





Inhaltsverzeichnis

I – Rechtlicher Rahmen
1. Artikel 81 EG und die Verordnung Nr. 17
2. Die allgemeinen Leitlinien für die Bemessung der Geldbuße
3. Die Mitteilung der Kommission über Zusammenarbeit mit den Unternehmen
II – Sachverhalt und Verfahren
1. Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt
2. Die angefochtene Entscheidung
3. Das Verfahren vor dem Gericht und die angefochtenen Urteile
4. Das Verfahren vor dem Gerichtshof
III – Rechtliche Analyse
A – Die Rechtsmittelgründe bezüglich der Berechnungsmethode und der Höhe der Geldbußen
1. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien
a) Zur Zulässigkeit des Rechtsmittelgrundes
b) Zur Begründetheit des Rechtsmittelgrundes
c) Zu einigen speziellen Aspekten des Rechtsmittelgrundes
2. Zu den Rechtsmittelgründen einer Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung
3. Zu den Rechtsmittelgründen einer Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots
a) Zur Nichtbeachtung des Vertrauensschutzes
b) Zur Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots
4. Zum Rechtsmittelgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte
5. Zum Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der Festsetzung des Betrages der Geldbuße
B – Die Rechtsmittelgründe bezüglich der Situation einzelner Rechtsmittelführerinnen
1. Zu den Rechtsmittelgründen bezüglich einer rechtswidrigen Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG im Hinblick auf die Teilnahme eines Unternehmens an einem Kartell
2. Zu den Rechtsmittelgründen bezüglich der Nichtberücksichtigung mildernder und erschwerender Umstände
3. Zu den Rechtsmittelgründen eines Verstoßes gegen Verfahrensregeln
IV – Kosten
V – Ergebnis

1.        Die vorliegenden Rechtssachen betreffen die Rechtsmittel der Dansk Rørindustri A/S, der Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH, u. a. (im Folgenden: Isoplus-Gruppe), der KE KELIT Kunststoffwerk GmbH, der LR AF 1998 A/S, der Brugg Rohrsysteme GmbH, der LR AF 1998 GmbH und der ABB Asea Brown Boveri Ltd gegen die Urteile des Gerichts erster Instanz vom 20. März 2002 in den Rechtssachen T‑9/99, Isoplus/Kommission, T‑15/99, Brugg Rohrsysteme/Kommission, T‑16/99, Lögstör Rör/Kommission, T‑17/99, KE KELIT/Kommission, T‑21/99, Dansk Rørindustri/Kommission, T‑23/99, LR AF 1998/Kommission und T‑31/99, ABB/Kommission (im Folgenden: angefochtene Urteile (2) ), die die Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 „in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag“ (im Folgenden: angefochtene Entscheidung (3) ) im Wesentlichen bestätigt haben.

I – Rechtlicher Rahmen

1. Artikel 81 EG und die Verordnung Nr. 17

2.        Artikel 81 EG verbietet „alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken“.

3.        Die Kommission kann wegen derartiger Verhaltensweisen Geldbußen gegen die betreffenden Unternehmen verhängen.

4.        Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (im Folgenden: Verordnung Nr. 17 (4) ) bestimmt:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

a)
gegen Artikel 85 Absatz (1) oder Artikel 86 des Vertrages verstoßen,

b)
….

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“

2. Die allgemeinen Leitlinien für die Bemessung der Geldbuße

5.        Um die Transparenz und Objektivität ihrer Entscheidungen auf diesem Gebiet zu gewährleisten, erließ die Kommission 1998 Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS‑Vertrag festgesetzt werden (im Folgenden: Leitlinien) (5) .

6.        Nach der Methode der Leitlinien wird der Betrag der Geldbuße im Wesentlichen in mehreren Stufen festgesetzt.

7.        Die Kommission errechnet zunächst den Grundbetrag der Geldbuße „nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes“ (Nr. 1 der Leitlinien). Hinsichtlich des erstgenannten Aspekts werden die Zuwiderhandlungen nach Maßgabe ihrer Art, ihrer konkreten Auswirkungen auf den Markt und des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes in „minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße“ unterteilt (6) . Zeitlich werden die Zuwiderhandlungen in Verstöße von kurzer Dauer (weniger als ein Jahr), Verstöße von mittlerer Dauer (zwischen einem und fünf Jahren) und Verstöße von langer Dauer (mehr als fünf Jahre) unterteilt.

8.        Nach Feststellung des Grundbetrags prüft die Kommission, ob dieser wegen erschwerender Umstände zu erhöhen (7) oder wegen mildernder Umstände zu verringern ist (8) .

9.        Nummer 5 Buchstabe a der Leitlinien bestimmt:

„Gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 darf der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf‑ oder Abschläge) in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen.“

10.      Die Kommission kann unter Wahrung der Obergrenze von 10 % den so berechneten Betrag sodann gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien weiter anpassen, wobei „einige objektive Faktoren zu berücksichtigen [sind], wie z. B. ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile … und die besonderen Merkmale der betreffenden Unternehmen wie z. B. ihre tatsächliche Steuerkraft in einem gegebenen sozialen Umfeld“.

3. Die Mitteilung der Kommission über Zusammenarbeit mit den Unternehmen

11.      Um die Zusammenarbeit der Unternehmen mit der Kommission zu fördern, erließ sie 1996 die „Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen“ (im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) (9) .

12.      Die Mitteilung dient der Definition der „Voraussetzungen, unter denen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit [der Kommission] zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können“ (Nr. 3).

13.      Nach dieser Mitteilung müssen sich Unternehmen, die sich auf die genannten Rechtsvorteile berufen wollen, „mit der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission“ über eine dafür vom Unternehmen beauftragte Person „in Verbindung setzen“.

14.      Die Kommission bewertet sodann das Mitwirkungsverhalten des betreffenden Unternehmens bei der Festsetzung der Geldbuße.

15.      Die Zusammenarbeit des Unternehmens führt praktisch je nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts und ihrem speziellen Nutzen für die Kommission gegebenenfalls a) zu einer Nichtfestsetzung oder wesentlich niedrigeren Festsetzung der Geldbuße (10) , b) zu einer erheblich niedrigeren Festsetzung der Geldbuße (11) oder c) zu einer spürbar niedrigeren Festsetzung der Geldbuße (12) .

16.      Die Kommission bemerkt jedoch, dass „die Zusammenarbeit eines Unternehmens mit der Kommission nur einer von mehreren Gesichtspunkten [ist], denen die Kommission bei der Festsetzung einer Geldbuße Rechnung trägt“, und dass die Anwendung der Bestimmungen der Mitteilung über Zusammenarbeit „die Möglichkeit der Kommission unberührt [lässt], aus anderen Gründen eine Geldbuße niedriger festzusetzen“.

II –  Sachverhalt und Verfahren

1. Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt

17.      Die angefochtenen Urteile (13) legen den Sachverhalt, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, wie folgt dar:

„1
[Die Klägerinnen sind in der Fernwärmebranche tätige Gesellschaften.]

2
Bei den Fernwärmesystemen wird das an einem zentralen Ort erwärmte Heizwasser durch im Erdboden verlegte Rohrleitungen auf die zu heizenden Gebäude verteilt. Da die Temperatur des Heizwassers (bzw. des Wasserdampfes) sehr hoch ist, müssen die Rohrleitungen zur effizienten und sicheren Verteilung gedämmt sein. Die verwendeten vorgedämmten Rohre bestehen in der Regel aus einem Stahlrohr, das von einem Kunststoffrohr umgeben ist, wobei der Zwischenraum zwischen beiden mit einer Schaumstoffdämmung ausgefüllt ist.

3
Fernwärmerohre sind Gegenstand eines umfangreichen Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Die größten Inlandsmärkte der Europäischen Union sind Deutschland mit 40   % des Gesamtverbrauchs in der Gemeinschaft und Dänemark mit 20 %. Mit 50 % der Fertigungskapazität in der Europäischen Union ist Dänemark das Haupterzeugerland, das alle Mitgliedstaaten beliefert, in denen Fernwärmesysteme genutzt werden.

4
Mit einer Beschwerde vom 18. Januar 1995 teilte das schwedische Unternehmen Powerpipe AB der Kommission mit, dass die übrigen Hersteller und Anbieter von Fernwärmerohren ein Kartell gebildet hätten, mit dem sie den europäischen Markt unter sich aufgeteilt hätten, und dass sie aufeinander abgestimmte Maßnahmen ergriffen hätten, um das Geschäft der Beschwerdeführerin zu schädigen, ihre Aktivitäten auf den schwedischen Markt zu beschränken und/oder sie ganz aus dem Geschäft zu drängen.“

2. Die angefochtene Entscheidung

18.      Die Kommission leitete aufgrund der Beschwerde der Powerpipe AB eine amtliche Untersuchung ein, um einem etwaigen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) nachzugehen. Sie erließ nach den Ermittlungen die angefochtene Entscheidung, mit der sie

einen Verstoß der Dansk Rørindustri A/S, der Henss/Isoplus‑Gruppe, der Pan-Isovit GmbH, der KE KELIT Kunststoffwerk GmbH, der LR AF 1998 A/S, der Brugg Rohrsysteme GmbH, der LR AF 1998 GmbH, der ABB Asea Brown Boveri Ltd, der Sigma Tecnologie di Rivestimento Srl und der Tarco Energi A/S gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages feststellte, da diese Unternehmen „an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor der vorisolierten Rohre mitgewirkt haben, die im November/Dezember 1990 von den vier dänischen Herstellern eingeleitet und anschließend auf andere nationale Märkte ausgeweitet wurden und Pan‑Isovit sowie Henss/Isoplus einbezogen haben, und Ende 1994 aus einem umfassenden Kartell bestanden, das sich auf den gesamten Gemeinsamen Markt erstreckte“ (Artikel 1);

die genannten Unternehmen anwies, die beschriebene Zuwiderhandlung einzustellen und „bei ihren Tätigkeiten mit vorgedämmten Rohren von jeglicher Vereinbarung oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen mit der gleichen Zielsetzung oder dem gleichen Zweck wie die Zuwiderhandlung abzusehen, was auch den Austausch geschäftlicher Informationen einschließt, anhand deren sie in der Lage wären, die Befolgung oder Einhaltung stillschweigender oder ausdrücklicher Absprachen zur Marktaufteilung, Preisfestsetzung oder Manipulierung von Angeboten in der Gemeinschaft zu überwachen“ (Artikel 2);

und die folgenden Geldbußen gegen diese Unternehmen festsetzte:

a)
ABB Asea Brown Boveri Ltd eine Geldbuße von 70 000 000 Euro,

b)
Brugg Rohrsysteme GmbH eine Geldbuße von 925 000 Euro,

c)
Dansk Rørindustri A/S eine Geldbuße von 1 475 000 Euro,

d)
Henss/Isoplus‑Gruppe eine Geldbuße von 4 950 000 Euro, wofür die nachstehend aufgeführten Unternehmen gesamtschuldnerisch haften, nämlich

HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG,

HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH Verwaltungsgesellschaft,

Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH (vormals Dipl.-Kfm. Walter Henss GmbH), Rosenheim,

Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Sondershausen,

Isoplus Fernwärmetechnik Ges.mbH – stille Gesellschaft,

Isoplus Fernwärmetechnik Ges.mbH, Hohenberg;

e)
KE KELIT Kunststoffwerk GmbH eine Geldbuße von 360 000 Euro,

f)
Oy KWH Tech AB eine Geldbuße von 700 000 Euro,

g)
Løgstør Rør A/S eine Geldbuße von 8 900 000 Euro,

h)
Pan-Isovit GmbH eine Geldbuße von 1 500 000 Euro,

i)
Sigma Tecnologie di rivestimento Srl eine Geldbuße von 400 000 Euro,

j)
Tarco Energi A/S eine Geldbuße von 3 000 000 Euro.

19.      In der Begründung ihrer Entscheidung stellte die Kommission eine seit 1990 bestehende, im Widerspruch zu Artikel 81 EG stehende Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen der Rechtsmittelführerinnen fest, die sich zunächst auf den dänischen Markt (im Folgenden: dänisches Kartell) beschränkten und sodann auf den gesamten europäischen Markt (im Folgenden: europäisches Kartell) für Fernwärmerohre erstreckten und im Wesentlichen dazu dienten, a) den europäischen Markt mit Hilfe eines Quotensystems unter den verschiedenen Herstellern aufzuteilen, b) den einzigen nicht dem Kartell angehörenden unmittelbaren Konkurrenten (Powerpipe AB) aus dem Markt zu drängen, c) die Preise der Erzeugnisse festzulegen, d) die einzelnen Projekte vorweg bestimmten Herstellern zuzuteilen und e) die Ausschreibungsverfahren zu manipulieren (Randnrn. 28 bis 127 der Entscheidung).

20.      Die Kommission betonte zudem, das dänische und das europäische Kartell seien Ausdruck einer einheitlichen Absprache gewesen, die ihren Ursprung zwar in Dänemark gehabt habe, mit der jedoch von Anfang an das längerfristige Ziel verfolgt worden sei, die Marktkontrolle durch die Teilnehmerinnen auf den gesamten europäischen Markt auszudehnen. Dieses wettbewerbswidrige Verhalten habe den Handel zwischen den Mitgliedstaaten erheblich geschädigt.

21.      Zu dem relevanteren Aspekt, der im vorliegenden Fall zu erörtern ist, nämlich zur Bemessung der Geldbußen der Unternehmen, führte die Kommission aus, dass die Verhaltensweise der betroffenen Unternehmen auf dem europäischen Markt für Fernwärmerohre den Extremfall eines besonders schweren Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG darstelle und eine Geldbuße mit einer Ausgangspauschale von 20 Mio. Euro je Unternehmen rechtfertige (Randnr. 165 der angefochtenen Entscheidung).

22.      Nach Feststellung des Grundbetrags der Geldbuße nur nach Maßgabe der Schwere des begangenen Verstoßes befasste sich die Kommission mit der Beurteilung der spezifischen Belastung und somit der tatsächlichen Auswirkung, die das rechtswidrige Verhalten der einzelnen Unternehmen für den Wettbewerb mit sich brachte, um a) den Betrag der Geldbuße entsprechend der tatsächlichen Fähigkeit der Urheber des Verstoßes, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen, anzupassen, und b) eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu erzielen.

23.      Demgemäß teilte die Kommission die Unternehmen nach ihrer relativen Bedeutung auf dem betreffenden Markt der Gemeinschaft in vier Grundkategorien ein. Den einzelnen Kategorien wurden die folgenden unterschiedlichen Grundbeträge zugeordnet: der ersten Gruppe, bestehend aus ABB, eine Grundpauschale in Höhe von 20 Mio. Euro, der zweiten Gruppe, bestehend aus Lögstör, ein Betrag in Höhe von 10 Mio. Euro, der dritten Gruppe mit Tarco, Starpipe, Henss/Isoplus und Pan‑Isovit ein Betrag in Höhe von 5 Mio. Euro und der vierten Gruppe mit Brugg, KWH, KE KELIT und Sigma ein Betrag in Höhe von 1 Mio. Euro.

24.      Anschließend bestimmte die Kommission für die einzelnen Unternehmen jeweils den Betrag der Geldbuße unter Berücksichtigung a) der Dauer der Teilnahme am Kartell und b) etwaiger mildernder oder erschwerender Umstände. Soweit die so berechnete Geldbuße 10 % des Gesamtumsatzes eines Unternehmens überstieg, setzte die Kommission den betreffenden Betrag herab, um eine Überschreitung dieser Obergrenze zu vermeiden (Randnr. 167 der angefochtenen Entscheidung).

25.      Abschließend nahm die Kommission die etwaigen Abschläge vor, die in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehen sind (Randnr. 166 der angefochtenen Entscheidung).

3. Das Verfahren vor dem Gericht und die angefochtenen Urteile

26.      Mit Klageschriften, die zwischen dem 18. und dem 25. Januar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Unternehmen Brugg Rohrsysteme, Lögstör Rör, KE KELIT Kunststoffwerk, Dansk Rørindustri, LR AF 1998, Sigma Tecnologie di Rivestimento, ABB Asea Brown Boveri, HFB Holding KG, HFB Holding GmbH, Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus GmbH die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung oder hilfsweise eine Herabsetzung des Betrages der durch die Kommission auferlegten Geldbußen beantragt.

27.      Alle Klägerinnen haben Einwände bezüglich ihrer speziellen Situation erhoben. Sie haben zudem unter verschiedenen Gesichtspunkten vorweg im Hinblick auf das Bemessungsverfahren für die Geldbußen eine Reihe von Rügen geltend gemacht, die sich a) auf die Rechtswidrigkeit der Leitlinien, b) die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, c) die Verletzung der Grundsätze des Rückwirkungsverbots und des Vertrauensschutzes, d) die Verteidigungsrechte der Klägerinnen und e) die Begründung der angefochtenen Entscheidung beziehen.

28.      Ich fasse hier die Feststellungen des Gerichts zu diesen Rügen zusammen, wobei zunächst zu bemerken ist, dass die Kommission nach den Ausführungen des Gerichts die Geldbußen der Klägerinnen unstreitig nach der allgemeinen Methode der Leitlinien für die Bemessung der Geldbußen festgesetzt hat.

29.      a) Hiernach ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in erster Linie den Klagegrund der Rechtswidrigkeit der Leitlinien geprüft hat, den einige Klägerinnen nach Artikel 241 EG geltend gemacht hatten.

30.      Nach Ansicht dieser Klägerinnen hat die Kommission in den genannten Leitlinien so hohe Ausgangspunkte für die Berechnung der Geldbußen festgelegt, dass sie die ihr in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verliehene Ermessensbefugnis zur Abwandlung der Geldbußen unter Berücksichtigung aller maßgebenden Faktoren einschließlich mildernder Umstände nicht mehr habe ausüben können.

31.      Das Gericht hat in dieser Hinsicht zwar festgestellt, dass die Kommission für die Berechnung der Geldbußen eine Methode angewandt habe, die nicht gänzlich auf dem Umsatz der betroffenen Unternehmen beruhe, es hat jedoch ausgeschlossen, dass die Kommission von der Auslegung des vorgenannten Artikels 15 abgewichen sei. Das Gericht führt hierzu aus: „… ist die Kommission bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen beruhen, oder für den Fall, dass gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz und ihren Umsatz auf dem relevanten Produktmarkt zum Ausdruck kommen. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten … Nach der Rechtsprechung ist die Kommission berechtigt, eine Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung zu berechnen, ohne die verschiedenen Umsatzzahlen der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen.“ (14)

32.      Sodann hat das Gericht ausgeführt: „Entgegen der Behauptung der Klägerin[nen] gehen die Leitlinien nicht über das in der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Maß hinaus … Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der vorsieht, dass die Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen kann, ist die Geldbuße, die letztlich gegen ein Unternehmen festgesetzt wird, herabzusetzen, falls sie 10 % von dessen Umsatz übersteigt, unabhängig von Zwischenberechnungen, mit denen Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung Rechnung getragen werden soll. Folglich verbietet Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht, bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzuziehen, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigt, sofern die gegen dieses Unternehmen letztlich festgesetzte Geldbuße nicht über dieser Obergrenze liegt. Dahin gehen im Übrigen auch die Leitlinien, denn darin heißt es: ‚Gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 darf der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf‑ oder Abschläge) in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen‘ (Nr. 5 Buchstabe a). In einem Fall, in dem die Kommission bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzieht, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmen übersteigt, kann ihr somit nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sich bestimmte bei ihrer Berechnung berücksichtigte Faktoren nicht auf den Endbetrag der Geldbuße auswirkten, da dies die Folge des in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 aufgestellten Verbots der Überschreitung von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens ist.“ (15)

33.      b) Das Gericht hat ferner festgestellt, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen nicht die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt habe.

34.      Es hat hierzu ausgeführt: „Zur Ermittlung der Ausgangspunkte für jede [Kategorie] hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts erläutert, diese Beträge spiegelten die Bedeutung jedes Unternehmens im Fernwärmesektor unter Berücksichtigung seiner Größe und seines Gewichts im Verhältnis zur ABB und im Kontext des Kartells wider. Dabei habe sie nicht nur den Umsatz der Unternehmen auf dem fraglichen Markt, sondern auch die relative Bedeutung berücksichtigt, die die Mitglieder des Kartells … jede von ihnen beimäße. In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf alle bei der Festlegung der spezifischen Ausgangspunkte berücksichtigten relevanten Faktoren davon auszugehen, dass der Unterschied zwischen den bei de[n] Klägerin[nen] und bei ABB gewählten Ausgangspunkten objektiv gerechtfertigt ist. Da die Kommission nicht dafür zu sorgen braucht, dass die Endbeträge der Geldbußen, zu denen ihre Berechnung bei den betroffenen Unternehmen führt, jeden Unterschied bei ihrem Umsatz zum Ausdruck bringen, [können] die Klägerin[nen] der Kommission nicht vorwerfen, dass bei [ihnen] ein Ausgangspunkt gewählt worden sei, der am Ende zu einer Geldbuße geführt habe, die gemessen an ihrem Gesamtumsatz höher sei als bei ABB.“ (16)

35.      c) Das Gericht hat auch den Klagegrund einer Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots zurückgewiesen, den die Klägerinnen darauf gestützt hatten, dass die Leitlinien auf Handlungen angewandt worden seien, die die betroffenen Unternehmen vor Inkrafttreten dieser Leitlinien vorgenommen hätten.

36.      Es hat festgestellt, dass der genannte Grundsatz zwar zum einen von den allgemeinen Grundsätzen erfasst werde, für deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sorgen habe, und zum anderen voraussetze, dass „die gegen ein Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Sanktionen denen entsprechen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung vorgesehen waren“ (17) .

37.      Die Anwendung der Leitlinien bei der Bemessung der Geldbuße stelle jedoch, so bemerkt das Gericht ferner, keine Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots dar, wenn die Leitlinien nicht über den rechtlichen Rahmen der Sanktionen hinausgingen, den Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 festlege.

38.      Nach diesem Artikel müsse die Kommission bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Schwere der Zuwiderhandlung sowie deren Dauer Rechnung tragen. Der so festgesetzte Betrag dürfe jeweils keinesfalls 10 % des Umsatzes überschreiten, den ein an einer Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielt habe.

39.      Auch die fraglichen Leitlinien gäben der Kommission indessen auf, den Grundbetrag der Sanktion nach Maßgabe der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung zu bestimmen. Zudem schrieben sie vor, dass der in dieser Weise errechnete Betrag in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen überschreiten dürfe. „Folglich wird“, so führt das Gericht aus, „die Berechnung der Geldbußen auch nach der in den Leitlinien beschriebenen Methode anhand der beiden in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Kriterien – Schwere des Verstoßes und Dauer der Zuwiderhandlung – unter Beachtung der dort festgelegten Obergrenze in Bezug auf den Umsatz jedes Unternehmens vorgenommen.“ (18)

40.      Zur behaupteten Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes hat das Gericht ausgeführt: „Bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln übt die Kommission ihre Befugnis im Rahmen des ihr durch die Verordnung Nr. 17 eingeräumten Ermessens aus. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die im Rahmen des Ermessensspielraums der Gemeinschaftsorgane verändert werden kann … Die Kommission ist vielmehr befugt, das allgemeine Niveau der Geldbußen innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen … Folglich können Unternehmen, die in ein Verwaltungsverfahren einbezogen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, nicht darauf vertrauen, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten wird.“ (19)

41.      d) Bezüglich der behaupteten Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission in der „Mitteilung der Beschwerdepunkte die Gründe, aus denen es sich … ihres Erachtens um einen besonders schweren Verstoß handelt, sowie die erschwerenden Umstände dargelegt [hat]: Manipulation der Ausschreibungsverfahren, aggressive Durchsetzung des Kartells, um die Befolgung durch alle an den Vereinbarungen Beteiligten zu gewährleisten und den einzigen nicht daran teilnehmenden Konkurrenten von Bedeutung auszuschalten, sowie Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach den Untersuchungen. Zugleich hat die Kommission dort ausgeführt, dass sie bei der Bemessung der Geldbuße der einzelnen Unternehmen u. a. deren Rolle bei den wettbewerbswidrigen Praktiken, alle wesentlichen Unterschiede bei der Dauer ihrer Beteiligung, ihre Bedeutung in der Fernwärmebranche, ihren Umsatz in diesem Sektor, gegebenenfalls ihren Gesamtumsatz, um Größe und Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens zu erfassen und die nötige Abschreckungswirkung zu gewährleisten, und schließlich alle mildernden Umstände berücksichtigen werde … Damit hat die Kommission … die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben, auf die sie sich bei der Berechnung der Geldbuße der Klägerin[nen] stützen würde, so dass deren Anhörungsrecht insoweit gebührend beachtet wurde. Da die Kommission die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben hatte, auf die sich ihre Berechnung der Geldbußen stützte, brauchte sie nicht zu erläutern, in welcher Weise sie jeden dieser Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße heranziehen würde. Angaben zur Höhe der beabsichtigten Geldbußen wären nämlich, solange den Unternehmen keine Gelegenheit gegeben wurde, zu den gegen sie in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen, eine nicht sachgerechte Vorwegnahme der Entscheidung der Kommission … Folglich war die Kommission auch nicht verpflichtet, den betroffenen Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens mitzuteilen, dass sie eine neue Methode für die Berechnung der Geldbußen anzuwenden beabsichtigte.“ (20)

42.      e) Abschließend hat das Gericht die Rüge einiger Klägerinnen zurückgewiesen, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nicht angemessen die Methode begründet, die bei der Festsetzung der Geldbußen angewandt worden sei.

43.      Nach Ansicht mehrerer Klägerinnen mangelte es nämlich an Erklärungen der Kommission dafür, dass die Geldbußen anhand von in absoluten Werten ausgedrückten Grundbeträgen festgesetzt worden seien, die nicht in Verbindung zum Umsatz der Unternehmen stünden und über das rechtlich zulässige Höchstmaß hinausgingen.

44.      Das Gericht hat unter Zurückweisung dieser Rüge ausgeführt, dass die angefochtene Entscheidung „ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten [enthält], die bei der Beurteilung der Schwere und Dauer der von de[n] Klägerin[nen] begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden“ (21) , und dass unter diesen Umständen „der Kommission nicht vorgeworfen werden [kann], die Höhe des Grund‑ und Endbetrags der Geldbuße der Klägerin[nen] … nicht genauer begründet zu haben“ (22) .

45.      Aufgrund dieser Untersuchung und nach Prüfung der speziellen Lage der einzelnen Klägerinnen hat das Gericht in den angefochtenen Urteilen a) die Beurteilung der Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung der Kommission im Wesentlichen bestätigt, b) diese Entscheidung für nichtig erklärt, soweit sie die HFB Holding KG und HFB Holding GmbH betrifft (23) , c) die Geldbuße der Sigma Tecnologie di Rivestimento herabgesetzt (24) und die Geldbuße der ABB Asea Brown herabgesetzt (25) sowie d) im Übrigen die angefochtene Entscheidung bestätigt .

4. Das Verfahren vor dem Gerichtshof

46.      Mit Rechtsmittelschriften, die zwischen dem 21. Mai und dem 7. Juni 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, beantragen die Unternehmen Dansk Rørindustrie A/S, Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH, KE KELIT Kunststoffwerk GmbH, LR AF 1998 A/S, Brugg Rohrsysteme GmbH, LR AF 1998 GmbH und ABB Asea Brown Boveri Ltd (im Folgenden zusammenfassend: Rechtsmittelführerinnen) im Wesentlichen, die Urteile des Gerichts erster Instanz aufzuheben und das Verfahren zu beenden oder hilfsweise die Urteile aufzuheben und die Sachen an das Gericht zurückzuweisen oder höchst hilfsweise die gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängten Geldbußen herabzusetzen sowie der Kommission die Kosten der Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof aufzuerlegen.

47.      Die Kommission beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten der vorliegenden Verfahren aufzuerlegen.

III –  Rechtliche Analyse

48.      Die nachstehende Analyse der Rechtsmittel beginnt mit der Prüfung der von allen oder einigen Rechtsmittelführerinnen geltend gemachten Rechtsmittelgründe allgemeiner Art bezüglich der Methode der Kommission für die Berechnung der Geldbußen (A) und befasst sich anschließend mit den speziellen Rechtsmittelgründen im Hinblick auf die besondere Situation einzelner Rechtsmittelführerinnen (B).

A – Die Rechtsmittelgründe bezüglich der Berechnungsmethode und der Höhe der Geldbußen

49.      Diese Rechtsmittelgründe werden in der bisherigen Reihenfolge geprüft.

1. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien

50.      Wie bereits dargelegt, haben alle Rechtsmittelführerinnen unter verschiedenen Gesichtspunkten die Schlussfolgerungen des Gerichts gerügt, wonach die Methode der Kommission für die Berechnung der Geldbußen nicht die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und/oder der Gleichbehandlung verletzt und nicht gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstößt.

51.      Nach Ansicht einiger Rechtsmittelführerinnen ist das Gericht insbesondere zu Unrecht zu der Auffassung gelangt, dass die Kommission mit den Leitlinien nicht über den rechtlichen Rahmen des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17, wie er nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes ausgelegt werde, hinausgehe und daher nicht ihren Ermessensspielraum überschritten habe.

52.      Ihres Erachtens wird das geltende Recht durch die Leitlinien wesentlich verändert, ohne dass der Rat die Kommission ermächtigt hätte, neue Regeln zu erlassen.

53.      Folglich habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es den Klagegrund der Rechtswidrigkeit der Leitlinien als Grundlage für die Bemessung der Geldbußen zurückgewiesen habe.

a) Zur Zulässigkeit des Rechtsmittelgrundes

54.      Vor einer Prüfung der Begründetheit eines derartigen Rechtsmittelgrundes erhebt sich die Frage, ob ein förmlich unverbindlicher Rechtsakt wie die Leitlinien Gegenstand einer Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit im Sinne von Artikel 241 EG sein kann.

55.      Diese Bestimmung eröffnet bekanntlich nur die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts inzident in „einem Rechtsstreit, bei dem es auf die Geltung einer vom Europäischen Parlament und vom Rat gemeinsam erlassenen Verordnung oder einer Verordnung des Rates, der Kommission oder der EZB ankommt“, geltend zu machen.

56.      Mit dem Urteil Simmenthal/Kommission (26) hat das Gericht den Anfechtungsbereich indessen auf alle „diejenigen Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane [erweitert], die, obwohl nicht in Form einer Verordnung ergangen, gleichartige Wirkungen wie eine Verordnung entfalten“, also auf Rechtsakte allgemeiner Art, die aufgrund dieses Charakters nicht unmittelbar vom Einzelnen nach Artikel 230 EG angegriffen werden können.

57.      Der Gerichtshof hat jedoch erläutert, dass ein enger Zusammenhang zwischen der angefochtenen Handlung und dem Rechtsakt bestehen müsse, dessen Rechtswidrigkeit inzident geltend gemacht werde. Dieser Rechtsakt müsse „mittelbar oder unmittelbar auf den Sachverhalt anwendbar sein, der den Gegenstand der Klage bildet“ (27) , und es müsse ein „unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang“ zwischen der angegriffenen individuellen Maßnahme und dem allgemeinen Rechtsakt bestehen (28) .

58.      Die Leitlinien erfüllen meines Erachtens diese Voraussetzungen.

59.      Sie haben zweifellos allgemeine Tragweite, da sie auf objektiv bestimmte Situationen Anwendung finden und Rechtswirkungen gegenüber einem allgemeinen und abstrakt betrachteten Personenkreis entfalten (29) . Die Leitlinien sind zwar nicht förmlich bindend, andererseits enthalten sie jedoch Grundsätze und Regeln, zu deren Befolgung sich die Kommission für die Bemessung der Geldbußen nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet hat. Der Gerichtshof hat indessen klargestellt, dass die Kommission in solchen Fällen nicht nach Belieben von den Regeln abweichen könne, die sie sich selbst auferlegt habe (30) . Normen dieser Art, die die Kriterien präzisieren sollen, die ein Gemeinschaftsorgan bei der Ausübung seines Ermessens anwenden will, können folglich Rechtswirkungen entfalten.

60.      Es kann auch nicht eingewendet werden, dass die Leitlinien rein interne Bedeutung hätten und daher keine Rechtswirkungen nach außen haben könnten.

61.      Aus den Leitlinien geht nämlich hervor, dass die Kommission bestimmte Verfahrensabschnitte für die Berechnung der Geldbußen durchlaufen und insbesondere bestimmte mildernde und erschwerende Umstände für die Unternehmen heranziehen musste; dieser Verpflichtung muss ein Anspruch der betroffenen Unternehmen darauf entsprechen, dass die Kommission tatsächlich und konkret in einer Weise vorgeht, die den Leitlinien entspricht.

62.      Dieser Schluss liegt gänzlich auf der Linie der Gemeinschaftsrechtsprechung, aus der hervorgeht, dass nur Handlungen rein interner Bedeutung für ein Gemeinschaftsorgan nicht geeignet sind, Rechtswirkungen nach außen zu entfalten. Dies trifft jedoch nicht auf Handlungen der Kommission wie etwa einen „Verhaltenskodex“ (31) oder „interne Dienstanweisungen“ (32) zu, in denen Verpflichtungen der Dienststellen und der Bediensteten der Kommission Rechten der Mitgliedstaaten oder der Wirtschaftsteilnehmer entsprechen.

63.     Überdies ist, wie das Gericht zu Recht festgestellt hat, völlig klar, dass die Kommission die Höhe der Geldbußen unter genauer Beachtung der Berechnungsmethode der Leitlinien festgesetzt hat. Obgleich die Leitlinien nicht förmlich die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidungen darstellen (die Artikel 3 und 15 der Verordnung Nr. 17 sind vielmehr als diese Grundlage anzusehen), besteht somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Entscheidungen und dem allgemeinen Rechtsakt, der inzident angefochten wird.

64.      Der Rechtsmittelgrund der Rechtswidrigkeit ist folglich zulässig.

b) Zur Begründetheit des Rechtsmittelgrundes

65.      Bei der Prüfung der Begründetheit dieses Rechtsmittelgrundes ist erneut darauf hinzuweisen, dass die neue Berechnungsmethode, die durch die Leitlinien geschaffen wurde, nach Ansicht einiger Rechtsmittelführerinnen keine genaue „Individualisierung“ der Sanktion anhand aller maßgebenden Faktoren und Umstände ermöglicht, da sie auf Pauschalbeträgen beruhe, die ohne Berücksichtigung des Umsatzes der betroffenen Unternehmen festgesetzt würden, und überdies der Kommission während der Sanktionsberechnung eine Überschreitung der Obergrenze von 10   % erlaube. Diese Methode ermögliche der Kommission insbesondere nicht mehr eine angemessene Berücksichtigung der Größe der Unternehmen und der Rolle der einzelnen Unternehmen im Rahmen eines Kartells.

66.      Hierzu ist in erster Linie zu bemerken, dass die Kommission weder nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 noch aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofes gehalten ist, eine spezifische Berechnungsmethode beim Verfahren zur Festsetzung der Höhe der Geldbuße anzuwenden. Wie bereits dargelegt, gibt Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 nur einen Höchstwert für die Bemessung der Geldbuße sowie einige Kriterien für die Beurteilung der Zuwiderhandlung vor.

67.      Es geht also darum, ob die Leitlinien bei der mit ihnen bezweckten Erfassung des weiten Sanktionsspielraums der Kommission diese Grenzen wahren.

68.      Ich bin in dieser Frage ebenso wie das Gericht der Auffassung, dass die Bemessung der Geldbußen auch nach dem Erlass der Leitlinien weiterhin ausdrücklich nach Maßgabe der beiden einzigen in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 genannten Kriterien vorgenommen wird, nämlich anhand der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung, und weiterhin in Bezug auf den Endbetrag der in dieser Bestimmung festgelegten Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes unterliegt (Nr. 5 Buchstabe a der Leitlinien).

69.      Hinsichtlich des erstgenannten Aspekts teile ich ebenfalls die Auffassung des Gerichts, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung über einen äußerst weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Faktoren verfügt, die für die Anwendung der vorgenannten Kriterien zu berücksichtigen sind. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, „[ist] die Schwere der Zuwiderhandlung anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten“ (33) . Zu diesen zahlreichen Gesichtspunkten für die Beurteilung der Zuwiderhandlung können folgende Faktoren gehören: die Menge und der Wert der Waren, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und der Einfluss, den das Unternehmen auf dem Markt ausüben konnte, ferner das Verhalten der einzelnen Unternehmen, die Rolle jedes Unternehmens bei der Zuwiderhandlung, der Vorteil, den die Unternehmen aus dem wettbewerbswidrigen Verhalten gezogen haben, der wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhang der Zuwiderhandlung und andere (34) .

70.      In dem wichtigen Urteil Musique diffusion française, das sowohl von den Rechtsmittelführerinnen als auch von der Kommission häufig zitiert wird, hat der Gerichtshof insbesondere zur Berücksichtigung des Umsatzes der Unternehmen ausgeführt, dass „bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens … als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden darf, der mit den Waren erzielt worden ist, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen wurde“, ohne dass „weder dem einen noch dem anderen dieser Umsätze eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf (35) .

71.      Der Umsatz ist zwar ein nützlicher und bedeutsamer Anhaltspunkt für die Wirtschaftskraft des Unternehmens (Gesamtumsatz) sowie für die Auswirkung seines Verhaltens auf den Wettbewerb (Umsatz auf dem relevanten Markt); er ist aber somit angesichts der großen Auswahl von Beurteilungskriterien, über die die Kommission verfügt, „nur“ ein Faktor unter vielen.

72.      Wie das Gericht und die Kommission zu Recht bemerkt haben, schließen es die Leitlinien jedenfalls nicht aus, dass auch der Gesamtumsatz und/oder der auf dem betreffenden Markt erzielte Umsatz im Laufe des Berechnungsvorgangs für die Geldbuße berücksichtigt werden. Die Leitlinien bestimmen insbesondere, dass bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, „in bestimmten Fällen die … Beträge gewichtet werden [sollten], um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren“ (Nr. 1 Teil A Absatz 6).

73.      Obgleich die Leitlinien keine systematische Berücksichtigung des Umsatzes der betroffenen Unternehmen bei der Berechnung des Grundbetrags oder im weiteren Verlauf des Verfahrens für die Festsetzung der Geldbuße vorsehen (36) , wird dieser Gesichtspunkt also keineswegs a priori von der Berechnung ausgeschlossen. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der mit den vorliegenden Klagen angefochtenen Entscheidung der Kommission, die die Rechtsmittelführerinnen je nach Größe in vier Kategorien unterteilt und die Grundbeträge entsprechend erheblich differenziert hat.

74.      Es kann somit nicht, wie von den Rechtsmittelführerinnen vorgetragen, behauptet werden, dass sich die Berechnung der Geldbußen nach der Methode der Leitlinien auf einen vorbestimmten, rein arithmetischen Vorgang beschränkt. Abgesehen von den vorstehenden Ausführungen zum Umsatz der Unternehmen und insbesondere zur Möglichkeit, die Sanktionsbeträge je nach Größe der Beteiligten zu gewichten, ist darauf hinzuweisen, dass die Leitlinien durch Bewertung einer Reihe erschwerender und mildernder Umstände und die etwaige Berücksichtigung „einiger objektiver Faktoren …, wie z. B. ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile … und die besonderen Merkmale der betreffenden Unternehmen“ (Nr. 5 Buchstabe b), ausdrücklich vorsehen, dass die Geldbuße, wie nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, nicht nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch des Kontextes der Zuwiderhandlung festgesetzt wird (37) .

75.      Die Leitlinien enthalten demnach verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 und unter Beachtung der Auslegung dieser Vorschriften durch den Gerichtshof auszuüben.

76.      Was schließlich eine Überschreitung der Obergrenze von 10 % bei der Zwischenberechnung und die angeblich daraus resultierenden rechtswidrigen Folgen anbelangt, so kann ich nicht feststellen, dass diese Möglichkeit ausdrücklich oder stillschweigend aus dem Wortlaut der Leitlinien hervorgeht. Diese beschränken sich vielmehr auf die Erwähnung der in der Verordnung Nr. 17 festgelegten Obergrenze und machen in Nummer 5 Buchstabe a deutlich, dass „der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf- oder Abschläge) in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffnen Unternehmen übersteigen [darf]“ (38) . Somit lässt sich sagen, dass die Leitlinien hinsichtlich der Frage einer Überschreitung der Obergrenze der bereits in der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Regelung nichts hinzufügen und ihr auch nichts wegnehmen.

77.      Unter diesem Gesichtspunkt sehe ich folglich keinen Grund, von der Würdigung des Gerichts bezüglich der Rechtmäßigkeit der Leitlinien abzuweichen, womit allerdings die Erörterung noch nicht als beendet zu betrachten ist, was die nachfolgende Prüfung der Rügen einer Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zeigen wird.

c) Zu einigen speziellen Aspekten des Rechtsmittelgrundes

78.      Zunächst sind jedoch noch zwei weitere Rügen der Isoplus‑Gruppe im Hinblick auf spezifische Bestimmungen der Leitlinien zu behandeln.

79.      i) Die Rechtsmittelführerinnen machen erstens geltend, dass die Leitlinien unter Verletzung des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 neue erschwerende Umstände einführten, indem sie die Möglichkeit vorsähen, „die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen“ (Nr. 2 fünfter Gedankenstrich). Diese Bestimmung könne zugleich dazu führen, dass derselbe Umstand doppelt berücksichtigt werde, da nach dem Schema der Leitlinien den Erträgen aus dem Wettbewerbsverstoß bereits bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung Rechnung getragen werde.

80.      Ich kann mich indessen dem Prüfungsergebnis des Gerichts in dieser Frage in vollem Umfang anschließen (39) . Wie nämlich aus der vom Gericht zitierten Rechtsprechung hervorgeht, gehören die Vorteile, die Unternehmen aus Wettbewerbsverstößen ziehen, zu den Faktoren, die die Kommission nicht nur bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung, sondern auch im Hinblick darauf berücksichtigen kann, dass die Sanktion einen hinreichend abschreckenden Charakter haben muss, vor allem wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um Verhaltensweisen handelt, die als besonders schädlich für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes anzusehen sind. Im Übrigen dürfte es eines der wichtigsten Ziele jedes Sanktionssystems sein, zu verhindern, dass die Verursacher eines Verstoßes daraus Nutzen ziehen.

81.      Somit spricht meines Erachtens weder der Wortlaut der Verordnung Nr. 17 noch die Rechtsprechung der Gemeinschaft dagegen, dass die Kommission bei der Ausübung ihres weiten Ermessens, das ihr auch der Gerichtshof zuerkannt hat, es für zweckmäßig halten kann, den Grundbetrag zu erhöhen, um dem Nutzen besser Rechnung zu tragen, der aus einem wettbewerbswidrigen Verhalten gezogen wird (falls also der Bemessungsgrundbetrag diesem Nutzen nicht genügend gerecht wird), sofern – wie die Leitlinien zu Recht ausführen – der Betrag der unrechtmäßig erzielten Gewinne „objektiv ermittelt werden kann“ (40) .

82.      ii) Die genannten Rechtsmittelführerinnen machen zweitens geltend, die Leitlinien seien rechtswidrig, da sie nach Nummer 2 zweiter Gedankenstrich ein Unternehmen zwangsweise zur Zusammenarbeit mit der Kommission verpflichteten, wobei es sich auch selbst beschuldigen müsse, um einer Erhöhung der Geldbuße zu entgehen.

83.      Dies widerspreche den Verteidigungsrechten und insbesondere dem Recht, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen, das der Gerichtshof in Wettbewerbsfragen in seinem bekannten Urteil Orkem anerkannt habe (41) .

84.      Nach Nummer 2 der Richtlinien kann die Kommission eine Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße bei erschwerenden Umständen vornehmen wie z. B. einer „Verweigerung der Zusammenarbeit oder sogar Behinderungsversuche während des Untersuchungsverlaufs“.

85.     Überdies verleiht die Verordnung Nr. 17 der Kommission weitgehende Untersuchungsbefugnisse in Verfahren zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsbestimmungen des Vertrages. Die Kommission kann nach Artikel 11 dieser Verordnung ein Unternehmen verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm bekannte Tatsachen zu erteilen und ihr gegebenenfalls die in seinem Besitz befindlichen Schriftstücke zu übermitteln, die der Feststellung dienen, dass sich das betreffende oder ein anderes Unternehmen wettbewerbswidrig verhalten hat.

86.      Aus dem Urteil Orkem geht zwar hervor, dass diese Untersuchungs‑ und Ermittlungsbefugnisse nicht in einem Sinne auszulegen sind, der zu einer Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Unternehmens führt. Insbesondere „darf die Kommission dem Unternehmen nicht die Verpflichtung auferlegen, Antworten zu erteilen, durch die es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Beweis zu erbringen hat“ (42) .

87.      Dies ist jedoch bei Nummer 2 der Leitlinien nicht der Fall. Ihre wirkliche Bedeutung ist meines Erachtens vielmehr sowohl mit den Bestimmungen der Verordnung Nr. 17 als auch mit Sinn und Tragweite der Rechtsprechung Orkem völlig vereinbar.

88.      Die Leitlinien verpflichten nämlich das betroffene Unternehmen keineswegs, gegen sich selbst auszusagen oder Eigenschuldbeweise zu liefern; sie bestimmen lediglich, dass die Geldbuße im Fall einer „Verweigerung der Zusammenarbeit“ mit der Kommission oder bei Behinderungsversuchen des Unternehmens erhöht wird.

89.      Diesen Standpunkt vertritt der Gerichtshof auch in dem vom Gericht zu Recht genannten Urteil Metsä‑Serla Sales oy/Kommission (43) , wonach „[e]in Unternehmen, das sich gegen den Standpunkt der Kommission wendet und nur in dem nach der Verordnung Nr. 17 vorgeschriebenen Umfang kooperiert, aus diesem Grund nicht mit einer erhöhten Geldbuße rechnen [muss]“ (44) .

90.      Diese Rügen sind folglich ebenfalls zurückzuweisen.

2. Zu den Rechtsmittelgründen einer Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung

91.      In ihrer oben dargelegten allgemeinen Rüge bezüglich der Leitlinien bemängeln die meisten Rechtsmittelführerinnen ferner, das Gericht habe in seinem Urteil nicht das Vorliegen einer Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung festgestellt.

92.      Unter diesem Gesichtspunkt rügen sie den Automatismus der Berechnungsmethode der Kommission im vorliegenden Fall, wodurch die individuellen Faktoren und Umstände der Situation der einzelnen Unternehmen im Rahmen des Kartells nicht effektiv hätten berücksichtigt werden können.

93.      Diese Methode, die auf Pauschalbeträgen beruhe, habe insbesondere eine angemessene Berücksichtigung des Umsatzes der Unternehmen, vor allem aber auch des Umsatzes auf dem betreffenden Markt, verhindert, obgleich der Bewertung dieses Faktors in der Rechtsprechung des Gerichthofes ebenso wie in der Entscheidungspraxis der Kommission stets eine besondere Bedeutung beigemessen worden sei, um die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten.

94.      Nach dieser Rechtsprechung müsse der Grundbetrag der Geldbuße anhand des Umsatzes des einzelnen Unternehmens festgesetzt werden, um dessen Größe und Wirtschaftskraft und somit den Einfluss widerzuspiegeln, den das Unternehmen auf den Markt habe ausüben können. Es handele sich somit um eine Bemessung im Hinblick auf die „Individualisierung“ der Geldbuße gegenüber den einzelnen Unternehmen und um deren „Proportionalisierung“ gegenüber den anderen Beteiligten.

95.      Die Methode der Kommission habe hingegen keine korrekte „Individualisierung“ der Geldbuße ermöglicht. Sobald die Kommission bei ihrem Berechnungsvorgang jeweils den Höchstbetrag von 10 % des Umsatzes erreicht oder überschritten habe, sei insbesondere jede Bemessungsabstufung (nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung, aufgrund mildernder Umstände usw.) oberhalb dieses Schwellenwerts eine rein theoretische Angelegenheit geblieben, und die Abstufung habe keinerlei Einfluss auf den Endbetrag der Geldbuße gehabt, die letztlich auf den Schwellenwert habe zurückgeführt werden müssen. All dies stehe im Gegensatz zur Rechtsprechung des Gerichtshofes (insbesondere zum Urteil Musique diffusion française (45) ), wonach der Betrag der Geldbuße unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren festzusetzen sei.

96.      Einige der Rechtsmittelführerinnen machen zudem geltend, die Kommission habe unabhängig vom Umsatz der betroffenen Unternehmen als Ausgangspunkt einen bestimmten Pauschalbetrag herangezogen, der in einigen Fällen bereits zu Beginn der Berechnung oberhalb von 10 % des Umsatzes gelegen habe, wodurch sie sich einer Ungleichbehandlung zu Lasten der kleinen und mittleren Unternehmen schuldig gemacht habe, indem sie ihnen Geldbußen auferlege, die im Verhältnis zu ihrem wirtschaftlichen Gewicht übermäßig hoch seien. Die Geldbußen dieser Unternehmen seien tatsächlich verhältnismäßig belastender als die Geldbuße der ABB, die größer und Anführer des Kartells sei, so dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliege.

97.      Hierzu ist sogleich zu bemerken, dass die Beurteilung der Angemessenheit einer Geldbuße im Hinblick auf die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt; diese Nachprüfungsbefugnis wird dem Gericht auch in Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 zuerkannt. Allein das Gericht ist also zuständig, die Art und Weise, wie die Kommission im Einzelfall die Schwere und Dauer der rechtswidrigen Verhaltensweisen beurteilt hat, zu überprüfen (46) .

98.      Im Rechtsmittelverfahren kann sich die Kontrolle durch den Gerichtshof nur darauf richten, ob das Gericht rechtlich korrekt alle Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Zuwiderhandlung von Bedeutung sind, und ob es Rechtsfehler bei der Prüfung von Fragen begangen hat, die die Kläger aufgeworfen haben (47) .

99.      Was insbesondere den behaupteten unverhältnismäßigen und diskriminierenden Charakter der Geldbußen anbelangt, so ist es nicht Sache des Gerichtshofes, die vom Gericht in Ausübung seiner auch hier bestehenden Zuständigkeit vorgenommene Beurteilung in Bezug auf die Höhe der Geldbußen für Unternehmen, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen haben, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (48) .

100.    Die Prüfung des Gerichtshofes muss sich folglich im vorliegenden Fall darauf beschränken, ob das Gericht mit der Bestätigung der von der Kommission herangezogenen Kriterien für die Festsetzung der Geldbußen und mit der Nachprüfung oder Korrektur der Anwendung dieser Kriterien einen offensichtlichen Fehler begangen hat und ob es die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung bei der Verhängung der Geldbußen beachtet hat (49) .

101.    Die betreffenden Rügen werde ich nun unter Zugrundelegung der dargelegten Grenzen der gerichtlichen Nachprüfung des Gerichtshofes behandeln.

102.    Zu Beginn ist festzustellen, dass die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, die sie wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht zu verhängen gedenkt, unbestreitbar den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten muss.

103.    Im vorliegenden Fall kommt dieser Grundsatz in erster Linie sozusagen im „absoluten“ Sinne zur Geltung und findet seinen Ausdruck in der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes, die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegt ist. Durch diesen Plafond soll gerade ein unverhältnismäßiger Charakter der Geldbußen im Vergleich zur Größe des sanktionierten Unternehmens vermieden werden (50) .

104.    Unter diesem Gesichtspunkt erscheint mir die Rüge einiger Rechtsmittelführerinnen bezüglich der Nichtberücksichtigung ihres Umsatzes auf dem relevanten Markt durch die Kommission bei der Anwendung der 10 %‑Grenze unbegründet. Ich schließe mich dem Prüfungsergebnis des Gerichts an, wonach aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass sich diese Grenze auf den Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens bezieht – nur dieser Umsatz kann annähernd Aufschluss über die Bedeutung und den Einfluss der in Betracht kommenden Unternehmen geben – und dass die Kommission somit unter Beachtung der vorgenannten Deckelung über ein weites Ermessen bei der Entscheidung verfügt, inwieweit dem Gesamtumsatz und/oder dem Umsatz auf dem relevanten Markt Rechnung zu tragen ist.

105.    Wenn also der Betrag der endgültigen Geldbuße nicht über 10 % des Gesamtumsatzes der Rechtsmittelführerinnen im letzten Geschäftsjahr vor der Zuwiderhandlung hinausgeht, kann die Geldbuße nicht nur deshalb als unverhältnismäßig angesehen werden, weil sie den Umsatz übersteigt, der auf dem relevanten Markt erzielt wurde.

106.    Andererseits kann auch nicht, wie es einige Rechtsmittelführerinnen getan haben, eingewendet werden, dass die Geldbußen schon deshalb diskriminierend seien, weil ihr Betrag für bestimmte beteiligte Unternehmen habe herabgesetzt werden müssen, um die 10 %‑Grenze einzuhalten, während dies nicht für diejenigen Unternehmen geschehen sei, bei denen im Laufe der Berechnung der betreffenden Geldbußen der genannte Grenzwert zu keiner Zeit überschritten worden sei. Wie das Gericht ausgeführt hat (51) , ist diese Herabsetzung die unmittelbare und unvermeidliche Folge der in der Verordnung Nr. 17 festgelegten Obergrenze für Geldbußen. Unter diesen Umständen kann eine allein aus diesem Grund unterbliebene Herabsetzung der Geldbuße nicht dazu führen, dass die Höhe einer im Übrigen rechtmäßig festgesetzten Geldbuße als diskriminierend anzusehen ist (52) .

107.    Dies ändert jedoch nichts daran, dass der genannte Automatismus auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berühren kann, sofern man diesen Grundsatz nicht in absolutem, sondern in „relativem“ Sinne betrachtet, um zu erreichen, dass die Sanktion „individualisiert“ wird und damit im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung und zu den sonstigen subjektiven und objektiven Umständen des Einzelfalls steht. Unter diesem Blickwinkel ergibt sich der verhältnisgetreue und nicht diskriminierende Charakter des Sanktionsbetrags nicht einfach aus einem arithmetischen Bezug auf den Gesamtumsatz des letzten Geschäftsjahres, sondern aus der Gesamtheit der Faktoren, die oben (Nr. 69) dargelegt wurden.

108.    Dieser „relative“ Aspekt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gewinnt besondere Bedeutung, wenn es um kollektive Zuwiderhandlungen geht, da das Verhältnismäßigkeitserfordernis bei einem Verstoß mehrerer Unternehmen voraussetzt, dass für die Festsetzung der Geldbuße die „relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens“ geprüft wird (53) .

109.    Dies verlangt auch der Grundsatz der Gleichbehandlung, der nach ständiger Rechtsprechung verletzt wird, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (54) . Im vorliegenden Fall muss demnach die Geldbuße für alle Unternehmen gleich sein, die sich in derselben Lage befinden, und es können unterschiedliche Verhaltensweisen nicht in gleicher Weise geahndet werden.

110.    Ich trete nun in die Einzelprüfung ein und befasse mich dabei mit der Analyse, die das Gericht vorgenommen hat.

111.    In den angefochtenen Urteilen ist festgestellt worden, dass die von der Kommission herangezogenen Kriterien für die Festsetzung der Geldbußen auf einer sorgfältigen und eingehenden Prüfung der besonderen Schwere der Zuwiderhandlung und deren Dauer (55) sowie der Situation, der Rolle und der Verhaltensweise der betroffenen Unternehmen beruhen, dass die Kommission für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen in korrekter Art und Weise das unterschiedliche wirtschaftliche Gewicht der am Kartell Beteiligten berücksichtigt, indem sie die Unternehmen „nach ihrer relativen Bedeutung auf dem betreffenden Markt der Gemeinschaft in vier Kategorien unterteilt“ (Randnr. 166 der Entscheidung) und je Kategorie unterschiedliche Grundbeträge vorgesehen hat, und dass die Kommission für die Einordnung in diese Kategorien „nicht nur den Umsatz der Unternehmen auf dem fraglichen Markt, sondern auch die relative Bedeutung berücksichtigt [hat], die die Mitglieder des Kartells ausweislich der … innerhalb des Kartells vereinbarten Quoten und der … für 1995 geplanten und erzielten Ergebnisse jedem von ihnen beim[e]ssen“ (56) , mit dem Ergebnis, dass die Unterteilung der Unternehmen in vier Kategorien und die Festsetzung der jeweiligen Grundbeträge objektiv gerechtfertigt waren und in einem inneren Zusammenhang miteinander standen (57) .

112.    Somit hat die Kommission nach Ansicht des Gerichts die Leitlinien insoweit korrekt angewandt, als diese vorsehen, dass bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt sind, die Grundbeträge gewichtet werden können, „um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächlichen Auswirkungen des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen“ (Nr. 1 Teil A Absätze 6 und 7 der Leitlinien).

113.    Die von der Kommission verhängten und vom Gericht bestätigten Geldbußen waren somit Ergebnis einer sorgfältigen und eingehenden Prüfung der besonderen Schwere der Zuwiderhandlung und deren Dauer sowie der Situation, der Rolle und der Verhaltensweise der einzelnen betroffenen Unternehmen.

114.    Auch wenn demnach die Kriterien für die Festsetzung der Geldbußen eingehalten wurden, lässt dies doch noch nicht den Schluss zu, dass alle mit der Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verbundenen Fragen als gelöst angesehen werden können.

115.    In der angefochtenen Entscheidung wurden nämlich, wie die Kommission selbst einräumt, zahlreiche Berechnungsvorgänge oberhalb des in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegten Höchstwerts von 10 % vorgenommen. Die Kommission hat diese Obergrenze im Laufe der Berechnung der Geldbußen aller Rechtsmittelführerinnen mit Ausnahme von KE KELIT Kunststoffwerk, Brugg Rohrsysteme und ABB Asea Brown Boveri überschritten. Sie ist bei der Berechnung der Geldbußen in drei Fällen (Isoplus‑Gruppe, LR AF 1998 [Deutschland] und Dansk Rørindustri) geradewegs von einem Grundbetrag ausgegangen, der bereits über der Obergrenze von 10 % lag. Sie hat erst am Ende des Berechnungsvorgangs vor Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit eine Herabsetzung des so ermittelten Zwischenbetrags vorgenommen, um der 10 %‑Plafonierung des Gesamtumsatzes zu entsprechen.

116.    Die in Artikel 15 vorgesehene Obergrenze von 10 % wurde also nicht bereits zu Beginn der Berechnungsvorgänge als unüberwindbare Barriere eingesetzt, sondern nur als Endlimit im Hinblick auf den „Abschlag“ für den Teil der Geldbuße betrachtet, der über die genannte Obergrenze hinausgeht.

117.    Diese Berechnungsmethode verstoße, wie einige Rechtsmittelführerinnen erklären, gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und habe in den betreffenden Fällen zu einer Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung geführt, da die Höhe der Geldbußen nur sehr lückenhaft und unvollkommen der Eigenart des Einzelfalls und der jeweiligen kartellverbotenen Stellung der einzelnen Unternehmen gerecht werde.

118.    Soweit nämlich die Kommission im Laufe der Berechnungsvorgänge über den Grenzwert von 10 % hinausgegangen sei, habe eine Bemessungsabstufung (nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung, aufgrund mildernder Umstände usw.) oberhalb dieses Grenzwerts keinen konkreten Niederschlag in den Endbeträgen der Geldbuße finden können, was auch klar aus der zusammenfassenden Tabelle der Rechtsmittelführerinnen mit den Zahlen für die Festsetzung der betreffenden Beträge hervorgehe.

119.    Dieses Argument entbehrt zwar nicht einer gewissen Berechtigung, es erscheint mir jedoch nicht ausreichend, um dem Rechtsmittel unter diesem Gesichtspunkt stattzugeben.

120.    Weder der Wortlaut noch der Geist des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 steht nämlich der Berechnungsmethode der Kommission entgegen. Wie das Gericht ausgeführt hat, verbietet es insbesondere der Kommission nicht, bei ihrer Berechnung einen Betrag heranzuziehen, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigt, sofern die letztlich festgesetzte Geldbuße nicht über dieser Obergrenze liegt (58) .

121.    Hierbei erscheint es mir wichtig, zu betonen, dass Artikel 15 Absatz 2 die Höhe der Geldbußen in zwei getrennten aufeinander folgenden Stufen wie folgt bemisst:

Erstens kann die Kommission nach dieser Bestimmung eine Geldbuße „in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten“ verhängen, wodurch also ein Mindest‑ und ein Höchstsanktionsbetrag festgesetzt wird;

zweitens kann die Kommission nach dieser Bestimmung über den genannten „Höchstsanktionsbetrag“ hinausgehen, sofern der Endbetrag der Geldbuße nicht „zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes“ übersteigt.

122.    Daraus ergeben sich meines Erachtens zwei wichtige Aufschlüsse.

123.    Wie aus dem ersten Teil der Bestimmung ersichtlich ist, liegt also ein auf einem Pauschalbetrag beruhendes System für die Bemessung der Geldbußen nicht gänzlich außerhalb der Logik der Verordnung Nr. 17.

124.    Außerdem beschränkt sich der zweite Teil in Fällen, in denen die Kommission die im ersten Teil vorgesehene Spanne verlassen will, auf eine „Plafonierung“, so dass der Kommission jede andere Berechnungsmodalität freisteht.

125.    Bei einem derartigen System lassen sich indessen Kappungen und Nivellierungen, wie sie von den Rechtsmittelführerinnen bemängelt werden, nicht vermeiden, da ein Plafond per definitionem einen absoluten Grenzwert darstellt, der automatisch gilt, sobald eine bestimmte Schwelle erreicht ist, und unabhängig von anderen Bewertungsfaktoren Anwendung findet. Tatsächlich wurde auch, wie die Kommission ausführt, gegen die Rechtsmittelführerinnen, bei denen dieser Grenzwert zum Zuge kam, eine geringere Geldbuße verhängt als die, die ohne Plafonierung anhand aller Umstände der Zuwiderhandlung, insbesondere der Schwere und der Dauer des Verstoßes, angefallen wäre.

126.    All dies – darauf möchte ich erneut hinweisen – ist jedoch in dem System begründet, das in der Verordnung Nr. 17 festgelegt ist. Was die Rechtsmittelführerinnen als unverhältnismäßige und/oder diskriminierende Bemessungsergebnisse der Kommission darstellen, ist letztlich nichts anderes als eine unvermeidbare Folge der Anwendung der Obergrenze von 10 %.

127.    Unter diesem Blickwinkel kann der Kommission somit kein Vorwurf gemacht werden, wenn feststeht, dass sie in Situationen wie den vorliegenden a) die Schwere, die Dauer und die sonstigen Umstände der Zuwiderhandlung richtig bewertet hat und b) für den Endbetrag der Geldbußen je Unternehmen die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes eingehalten hat.

128.    Daher muss ich zu dem Schluss gelangen, dass die vorliegenden Anfechtungsgründe nicht durch die geltenden Rechtsnormen gestützt werden.

129.    Ich gebe jedoch zu bedenken, dass die Berechnungsmethode der Kommission, wie die vorstehende Prüfung gezeigt hat, einige Gefahren unter dem Aspekt der Billigkeit des Systems in sich birgt.

130.    Es dürfte nämlich nicht völlig mit den Erfordernissen einer Individualisierung und Abstufung von „Bußen“ – es sind dies zwei Kernstücke jedes Sanktionssystems sowohl straf‑ als auch verwaltungsrechtlicher Art – in Einklang stehen, wenn, wie in den vorliegenden Fällen, ein Teil der Berechnungsvorgänge im Wesentlichen formaler und abstrakter Art ist und daher keinen konkreten Niederschlag im Endbetrag der Geldbuße findet. Ferner ist zu bedenken, dass aus demselben Grund das mit den Leitlinien verfolgte Ziel einer größeren Transparenz gegebenenfalls nicht in vollem Umfang erreicht werden kann.

131.    Zudem stellen die dargelegten Situationen keineswegs Ausnahmen dar; sie können vielmehr immer häufiger auftreten. Die Politik der Kommission auf dem Gebiet der Geldbußen wegen Wettbewerbsverstößen ist nämlich mit dem Erlass der Leitlinien im Jahr 1998 in eine neue Phase eingetreten, die aus Gründen, deren Beurteilung mir nicht zusteht, zweifellos härter ist und, insbesondere bei schweren Zuwiderhandlungen, zu einer Anhebung des Geldbußenniveaus geführt hat. Überdies kann diese Verschärfung eher kleine und mittlere Unternehmen treffen, da sie auf einer Berechnungsmethode anhand von Pauschalbeträgen beruht (59) .

132.    Daraus ergibt sich insgesamt eine neue und problematischere Situation gegenüber der Phase, in der die Methode der Kommission im Verlauf der Berechnung grundsätzlich nicht zu einer Überschreitung der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes geführt hat, wodurch die Einbeziehung aller Gegebenheiten des betreffenden Falles in den Betrag der Geldbuße erleichtert und unmittelbarer gemacht wurde.

133.    Es erhebt sich somit die Frage, ob die aufgezeigten Folgen der neuen Richtung in der Sanktionspolitik nicht einige Kurskorrekturen angebracht erscheinen lassen, die dann jeweils Ergebnisse im Einklang mit allgemeinen Angemessenheits‑ und Billigkeitserfordernissen gewährleisten.

3. Zu den Rechtsmittelgründen einer Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots

a) Zur Nichtbeachtung des Vertrauensschutzes

134.    Die meisten Rechtsmittelführerinnen bemängeln, dass die angefochtene Entscheidung auf sie die Leitlinien anwende, obwohl die Zuwiderhandlung bereits vor Einführung dieser Leitlinien begonnen habe. Daraus ergebe sich eine Verletzung ihres berechtigten Vertrauens in die Anwendung der Methode der früheren Praxis für die Bemessung der Geldbußen, die auf dem Kriterium des Unternehmensumsatzes auf dem relevanten Markt beruht habe.

135.    Die Kommission hätte, falls sie von dieser Praxis habe abweichen können, den Unternehmen zumindest ihre Absicht mitteilen und eine angemessene Begründung liefern müssen, weshalb sie diese Änderung vornehmen wolle.

136.    Die Nichtbeachtung des Vertrauensschutzes sei im vorliegenden Fall umso schwerwiegender, als sich die Rechtsmittelführerinnen zur Zusammenarbeit mit der Kommission entschlossen hätten und dieser Entschluss von den Vorteilen beeinflusst worden sei, die sich die betreffenden Unternehmen davon versprochen hätten, dass die vorgenannte Mitteilung über Zusammenarbeit auch auf die frühere Praxis für die Bemessung der Geldbußen Anwendung finde.

137.    Ich möchte vorausschicken, dass ich große Zweifel hinsichtlich der Verbindung habe, die die Rechtsmittelführerinnen zwischen der Mitteilung über Zusammenarbeit und der Höhe der im vorliegenden Fall von der Kommission verhängten Geldbußen herstellen.

138.    Die Kommission ist sich zwar nach Abschnitt E Nummer 3 dieser Mitteilung „der Tatsache bewusst, dass die … Mitteilung berechtigte Erwartungen weckt, auf die sich die Unternehmen, die der Kommission ein Kartell melden wollen, berufen werden“. Meines Erachtens ist jedoch klar, dass die etwaigen berechtigten Erwartungen der Rechtsmittelführerinnen aufgrund der Mitteilung nur die Modalitäten der wegen Zusammenarbeit vorzunehmenden Herabsetzung und nicht die Höhe der Geldbuße, die ohne Mitarbeit festgesetzt worden wäre (60) , oder die Berechnungsmethode für die Geldbuße betreffen konnten.

139.    Wie die Kommission auch in der mündlichen Verhandlung zu Recht ausgeführt hat, enthält die Mitteilung über Zusammenarbeit keinen Bezug auf die Höhe der Geldbußen, die ohne Zusammenarbeit verhängt worden wären. Die Mitteilung enthält auch keinen Bezug darauf, in welcher Weise die Kommission im Einzelnen bei der Festsetzung der Geldbußen für die Unternehmen vorgehen muss, die gegen Artikel 81 EG verstoßen haben.

140.    Genauer gesagt stellt Abschnitt A Nummer 5 der Mitteilung klar, dass die Zusammenarbeit eines Unternehmens mit der Kommission nur einer von mehreren Gesichtspunkten ist, denen die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße Rechnung tragen kann.

141.    Entscheidend für die hier vertretene Auffassung ist wohl Abschnitt A Nummer 3 der Mitteilung, wonach deren Zweck darin liegt, „die Voraussetzungen“ zu definieren, „unter denen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit [der Kommission] zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können“.

142.    Es erhebt sich nunmehr die Frage, ob die Kommission das berechtigte Vertrauen der Rechtsmittelführerinnen außer Acht gelassen hat, als sie die in den Leitlinien vorgesehene neue Methode für die Berechnung der Geldbußen angewandt hat.

143.    Die Rechtsmittelführerinnen betonen zu Recht, dass eine von einem Gemeinschaftsorgan über einen längeren Zeitraum hinweg beibehaltene Praxis grundsätzlich fundierte und berechtigte Erwartungen wecken könne, die durch das Gemeinschaftsrecht zu schützen seien.

144.    Sie beziehen sich in dieser Hinsicht auf die Rechtssache Ferriere San Carlo von 1987 (61) , in der der Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission zu befinden hatte, mit der diese der Ferriere San Carlo eine Überschreitung der Lieferquote für Betonstahl im Gemeinsamen Markt im Sinne einer früheren Entscheidung der Kommission zur Last gelegt hatte, wobei der Gerichtshof der Klage mit der Begründung stattgegeben hat, dass das Vorgehen der Kommission im Gegensatz zu ihrer Praxis der beiden Vorjahre stehe, in denen sie die Lieferungen in größerem Umfang als von ihr vorgesehen gestattet habe.

145.    Aufgrund dieses Präzedenzfalls machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass auch in ihrem Fall das berechtigte Vertrauen, das sie in die Beibehaltung der Praxis der Kommission bei der Bemessung der Geldbußen gesetzt hätten, habe geschützt werden müssen. Die Kommission habe den betroffenen Unternehmen überdies zu keiner Zeit mitgeteilt, dass sie die in den Leitlinien enthaltene neue Methode für die Bemessung der Geldbußen anwenden und somit die vorherige Praxis nicht beachten wolle.

146.    Hierbei übersehen die Rechtsmittelführerinnen indessen, dass der Gerichtshof auch klargestellt hat, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur herangezogen werden kann, wenn die Änderung der Verwaltungspraxis von einem „umsichtigen und besonnenen Wirtschaftsteilnehmer“ nicht vorhergesehen werden konnte (62) .

147.    Folglich ist festzustellen, ob eine Änderung der Berechnungsmethode für die Geldbußen, wie sie die Kommission mit den Leitlinien vorgenommen hat, von „umsichtigen und besonnenen“ Wirtschaftsteilnehmern vorhergesehen werden konnte.

148.    Die Beantwortung dieser Frage steht meines Erachtens mit den vorstehenden Ausführungen bezüglich der Rechtmäßigkeit der Leitlinien in Verbindung.

149.    Demnach kann der Kommission nicht etwa eine Nichtbeachtung des Vertrauensschutzes der Rechtsmittelführerinnen nur deshalb vorgeworfen werden, weil sie eine härtere Gangart für die Festsetzung der Geldbußen gewählt oder eine neue Berechnungsmethode hierfür eingeführt hat, wobei sie andererseits aber trotzdem nicht über den Rahmen der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen ist.

150.    Ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer hätte vernünftigerweise vorhersehen können, dass das allgemeine Niveau der Geldbußen angehoben wird oder dass die Kommission im Rahmen ihres nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 zuerkannten Ermessens ein Berechnungsmodell für die Geldbußen wählen kann, das dem abgeleiteten Gemeinschaftsrecht entspricht.

151.    Wenn nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes „der Grundsatz des Vertrauensschutzes auch zu den Grundprinzipien der Gemeinschaft gehört, so dürfen die Marktbürger doch … nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können“ (63) .

152.    Zudem hat der Gerichtshof in dem Bereich, der hier von Interesse ist, der Kommission das Recht zuerkannt, das allgemeine Niveau der Geldbußen für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft im Rahmen ihres Ermessens anzuheben, wobei er ausgeführt hat, die Kommission werde „dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die Kommission muss vielmehr im Interesse der praktischen Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln jederzeit das Niveau der Geldbußen den Erfordernissen dieser Politik anpassen können.“ (64)

153.    Der Gerichtshof hat in demselben Urteil ferner ausgeschlossen, dass die Kommission in der Mitteilung über die Beschwerdepunkte ihre Absicht bekannt geben muss, ihre Politik bezüglich der allgemeinen Höhe der Geldbußen zu ändern, wenn hierfür „allgemeine wettbewerbspolitische Erwägungen maßgeblich waren, welche mit den Besonderheiten der vorliegenden Fälle nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen“ (65) .

154.    Ich möchte hinzufügen, dass die Kommission die Wirtschaftsteilnehmer gleichwohl auf eine eventuelle Anhebung des Niveaus der Geldbußen und Verschärfung des Abschreckungseffekts der Sanktionen aufmerksam gemacht hat (66) . Die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer waren somit auch über die entsprechenden Absichten der Kommission unterrichtet.

155.    Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass keine Nichtbeachtung des Vertrauensschutzes der Rechtsmittelführerinnen vorliegt.

b) Zur Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots

156.    Wie bereits ausgeführt, machen die Rechtsmittelführerinnen ferner eine Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots für die Sanktionen geltend.

157.    Sie teilen in dieser Hinsicht die Auffassung des Gerichts in den angefochtenen Urteilen, wonach die einem Unternehmen wegen eines Wettbewerbsverstoßes auferlegten Sanktionen denen entsprechen müssen, die zum Zeitpunkt des Verstoßes festgelegt waren.

158.    Die Kommission hat diesen Grundsatz jedoch nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen verletzt, indem sie von der Praxis abgewichen sei, die bis zu diesem Zeitpunkt für die Bemessung der Geldbußen gegolten habe, so dass deren Endbetrag letztlich wesentlich höher ausgefallen sei.

159.    Ich bemerke dazu, dass das Sanktionssystem, das in Kraft war, als die Wettbewerbsverstöße begangen wurden, nicht – wie die Rechtsmittelführerinnen behaupten – aus der Entscheidungspraxis der Kommission bestand, sondern aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17. Nur diese Bestimmung enthält nämlich die Kriterien und Parameter, denen die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen Rechnung zu tragen hat.

160.    Mir scheint daher auf der Hand zu liegen, dass, wenn von einer Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots gesprochen werden könnte, festgestellt werden müsste, dass bei der Verhängung der Geldbußen für die Rechtsmittelführerinnen vom System des genannten Artikels 15 abgewichen wurde (und die Geldbußen diesem System nicht entsprechen).

161.    Dies trifft jedoch nicht zu.

162.    Wie nämlich bereits dargelegt, beachten die Leitlinien der Kommission das in Artikel 15 niedergelegte System, ohne davon abzuweichen.

163.    Die Bemessung der Geldbußen wird somit auch nach der Methode der Leitlinien weiterhin anhand der beiden Kriterien des Artikels 15 Absatz 2, nämlich der Schwere des Verstoßes und dessen Dauer, unter Wahrung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes der einzelnen Beteiligten vorgenommen.

164.    Eine Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots kann auch nicht allein darin gesehen werden, dass das Bußgeldniveau angehoben wurde. Hierbei ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen, wonach die Kommission auf diesem Gebiet über einen Ermessensspielraum verfügt, der es ihr erlaubt, eine Erhöhung und Verschärfung des Sanktionsniveaus aus wettbewerbspolitischen Gründen vorzunehmen, sofern sie nicht über den allgemeinen rechtlichen Rahmen hinausgeht, der in Kraft war, als die mit der Geldbuße belegten Zuwiderhandlungen begangen wurden.

165.    Somit kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie den Grundsatz des Rückwirkungsverbots verletzt habe, da sie, wenngleich sie die Berechnungsmethode der Leitlinien angewandt hat, nicht über den Rahmen des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen ist.

4. Zum Rechtsmittelgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte

166.    Alle Rechtsmittelführerinnen außer ABB bemängeln einen Fehler des Gerichts, da dieses festgestellt habe, das Anhörungsrecht der Rechtsmittelführerinnen verpflichte die Kommission nicht, ihnen im Laufe des Verwaltungsverfahrens mitzuteilen, dass sie die neuen Leitlinien für die Bemessung der Geldbußen anwenden wolle. Dieses Versäumnis sei umso schwerwiegender, als die Leitlinien das damals geltende Recht wesentlich verändert und eine erhebliche Anhebung des Geldbußenbetrags mit sich gebracht hätten. Zudem habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Angaben gemacht, die es ermöglicht hätten, die Einführung einer neuen Politik bei der Bemessung der Geldbußen vorherzusehen. Die Rechtsmittelführerinnen hätten sich daher im Verwaltungsverfahren nicht zur Anwendung der neuen Leitlinien äußern können.

167.    Die Kommission erklärt hierzu im Wesentlichen, sie sei keineswegs verpflichtet, die Unternehmen, bei denen Ermittlungen wegen Wettbewerbsverstößen stattfänden, über die Methode aufzuklären, die sie für die Bemessung der Geldbußen anwenden wolle, oder Angaben über die mögliche Höhe dieser Geldbußen zu machen.

168.    Auch meines Erachtens hat die Kommission nicht die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen und insbesondere nicht deren Recht verletzt, hinsichtlich der Festsetzung der Geldbußen angehört zu werden.

169.    Hierbei genügt der Hinweis auf die vom Gericht zu Recht zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach die Kommission ihre Verpflichtung zur Wahrung des Anhörungsrechts der Unternehmen erfüllt, wenn sie in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen festzusetzen seien, und die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte wie Schwere und Dauer der vermuteten Zuwiderhandlung sowie den Umstand anführt, ob diese vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde (67) .

170.    Wie das Gericht indessen in den angefochtenen Urteilen ausführt (68) , hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die tatsächlichen und rechtlichen Faktoren genannt, auf die sie sich bei der Festsetzung der Geldbuße zu stützen habe, nämlich auf den Umstand, dass die Zuwiderhandlung einen sehr schweren Verstoß darstelle, die Dauer der Zuwiderhandlung, die sie den einzelnen Unternehmen zumessen wolle, die Faktoren, die erschwerende Umstände darstellten, und die übrigen Gesichtspunkte für die Festsetzung der Geldbuße, wie etwa die Rolle der einzelnen Unternehmen im Rahmen des Kartells, deren wirtschaftliches Gewicht auf dem relevanten Markt usw.

171.    Damit hat die Kommission das Recht der Unternehmen auf Anhörung zur Verhängung der Geldbuße und zu den einzelnen Gesichtspunkten für deren Bemessung gebührend beachtet. Nach der Rechtsprechung ist mit der Beachtung dieses Rechts keine weitere Verpflichtung der Kommission verbunden: Sie muss insbesondere nicht ausführen, in welcher Weise sie die einzelnen Gesichtspunkte für die Berechnung der Geldbuße heranziehen will oder wie hoch die Geldbuße festgesetzt werden soll (69) .

172.    Ferner brauchte die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht auf die Absicht hinzuweisen, ihre Politik bezüglich des allgemeinen Niveaus der Geldbußen zu ändern (70) .

173.    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof somit vor, diesen Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

5. Zum Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der Festsetzung des Betrages der Geldbuße

174.    Einige Rechtsmittelführerinnen (insbesondere KE KELIT, LR AF 1998 und LR AF GmbH) rügen einen Rechtsfehler des Gerichts, da es festgestellt habe, dass die Entscheidung der Kommission bezüglich der Bemessung der Geldbuße hinreichend begründet sei und die Kommission daher nicht gegen Artikel 253 EG verstoßen habe. Nach Ansicht dieser Rechtsmittelführerinnen hätte die Kommission indessen ihre Entscheidung, von der früheren Praxis – danach sei die Geldbuße anhand des Umsatzes auf dem relevanten Markt festzusetzen – abzuweichen, und die angebliche rückwirkende Anwendung der Leitlinien begründen müssen.

175.    Ich möchte vorausschicken, dass ich diesen Rechtsmittelgrund – auch abgesehen von meinen bereits dargelegten Erwägungen zu den Rügen bezüglich des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots – für unbegründet halte.

176.    Es genügt insoweit der Hinweis, dass die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung ihrer Verpflichtung zur Begründung der Modalitäten für die Berechnung der Geldbuße nachkommt, wenn sie die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (71) . Dies ergibt sich aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, wonach „neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen“ ist. Die Entscheidung verstößt demnach nur dann gegen die Begründungspflicht, wenn diese Faktoren fehlen.

177.    Was ferner die Entscheidungen anbelangt, mit denen Geldbußen für mehrere Unternehmen verhängt werden, so hat das Gericht in den angefochtenen Urteilen (72) zu Recht darauf hingewiesen, das in solchen Fällen bei der Ermittlung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen sei, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln sei, zu denen insbesondere – also nicht ausschließlich – die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehörten (73) .

178.    Das Gericht hat meines Erachtens zu Recht festgestellt, dass die Kommission diesen Erfordernissen nachgekommen sei. Es hat insbesondere für jede der Rechtsmittelführerinnen ausgeführt, dass die Entscheidung der Kommission ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten enthalte, die bei der Beurteilung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung herangezogen worden seien (74) .

179.    Ferner hat das Gericht zu Recht ausgeführt: „Selbst wenn man unterstellt, dass in der Entscheidung eine erhebliche Erhöhung des Niveaus der Geldbuße im Vergleich zu früheren Entscheidungen vorgenommen wird, hat die Kommission die Erwägungen, die sie veranlassten, die Geldbuße … in dieser Höhe festzusetzen, ganz deutlich zum Ausdruck gebracht (75) , indem sie auch auf die besondere Schwere der Zuwiderhandlung, auf deren Dauer, auf das Vorliegen erschwerender und/oder mildernder Umstände, auf die Größe der Unternehmen und die Rolle jedes einzelnen Unternehmens im Rahmen des Kartells sowie auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit hingewiesen habe.

180.    Die Entscheidung der Kommission enthält demnach alle Beurteilungsfaktoren, die sie herangezogen hat, um den Betrag der Geldbußen festzusetzen.

181.    Somit ist der Rechtsmittelgrund einer unzureichenden Begründung der Entscheidung der Kommission zurückzuweisen.

B – Die Rechtsmittelgründe bezüglich der Situation einzelner Rechtsmittelführerinnen

182.    Die Rechtsmittelführerinnen haben darüber hinaus zahlreiche Rügen vorgetragen, die die spezielle Lage einzelner Beteiligter betreffen. Ich werde nun auf diese Rügen eingehen, ohne jedoch diejenigen zu untersuchen, die meines Erachtens nur von untergeordneter Bedeutung sind und bei denen mir das Urteil des Gerichts völlig überzeugend erscheint.

1. Zu den Rechtsmittelgründen bezüglich einer rechtswidrigen Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG im Hinblick auf die Teilnahme eines Unternehmens an einem Kartell

183.    i) Die Isoplus‑Gruppe macht geltend, das Gericht habe die Rechtsprechung fehlerhaft angewandt, nach der einem Unternehmen auch dann eine Zuwiderhandlung zur Last gelegt werden könne, wenn es die Ergebnisse von Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand zwar nicht in die Praxis umgesetzt, sich jedoch auch nicht offen vom Inhalt dieser Treffen distanziert habe.

184.    Diese Rechtsmittelführerinnen bemängeln insbesondere die Ausführungen des Gerichts, wonach es für die Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 81 EG „keine Rolle [spielt], ob sich das fragliche Unternehmen mit anderen Unternehmen zusammenschließt, die eine marktbeherrschende oder zumindest eine starke wirtschaftliche Stellung auf dem Markt haben“ (Randnr. 224 des betreffenden Urteils). Gerade unter solchen Umständen, so legen die Rechtsmittelführerinnen dar, müsse indessen das geringere wirtschaftliche Gewicht einiger Beteiligter berücksichtigt werden, da es für sie schwierig sei, sich öffentlich von den Entscheidungen aus Treffen zu distanzieren, an denen auch Unternehmen mit größerer Wirtschaftskraft teilnähmen, die starken Druck auf ihre Wettbewerber ausüben könnten. In derartigen Situationen dürften wirtschaftlich „schwächere“ Unternehmen nicht für Verstöße gegen Artikel 81 EG zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie Entscheidungen, die anlässlich von Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand getroffen würden, nicht in die Tat umsetzten, ohne sie jedoch offen anzuzeigen.

185.    Ich sage gleich, dass ich die Analyse des Gerichts teile, das entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in vollem Umfang den Einwänden gerecht wird, die die Rechtsmittelführerinnen bereits im ersten Rechtszug erhoben haben.

186.    Würde der von den Rechtsmittelführerinnen vorgetragenen Auslegung gefolgt, so würde dies zu einer unterschiedlichen Anwendung von Artikel 81 EG je nach Größe und/oder wirtschaftlicher Stellung der Unternehmen führen. Eine derartige „mehrgleisige“ Betrachtungsweise stünde indessen im Widerspruch zu den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, wie sie vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgelegt werden, wonach es im Hinblick auf Artikel 81 EG unerheblich ist, ob die an einem Kartell Beteiligten „nach ihrer wirtschaftlichen Stellung und Funktion auf gleicher Ebene stehen“ (76) oder ob ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an einem Kartell „eine weniger bedeutende Rolle gespielt hat“ (77) .

187.    Dies bedeutet natürlich nicht, dass die Kommission den Unterschieden zwischen den an einem Kartell Beteiligten in Bezug auf ihr wirtschaftliches Gewicht nicht Rechnung tragen müsste und dass aus diesen Unterschieden keine Konsequenzen zu ziehen wären. Es bedeutet lediglich, dass solche Gesichtspunkte nicht bereits bei der Feststellung der individuellen Verantwortlichkeit der einzelnen Beteiligten, sondern erst bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und somit bei der Festsetzung der Geldbuße von Bedeutung sind (78) .

188.    Wie die Kommission zu Recht bemerkt, können diese Gesichtspunkte darüber hinaus eine Rolle bei der von einem nationalen Gericht vorzunehmenden Beurteilung der Haftung der einzelnen Unternehmen für die zivilrechtlichen Folgen der Zuwiderhandlung spielen (79) .

189.    ii) Brugg Rohrsysteme GmbH (im Folgenden: Brugg) beanstandet dagegen, das Gericht habe den Beweis für eine aktive Teilnahme dieser Rechtsmittelführerin am Boykott gegen Powerpipe irrtümlich aus ihrer Präsenz bei dem Treffen vom 24. März 1995 abgeleitet, bei dem dieser Boykott beschlossen worden sei.

190.    Hierbei weist sie darauf hin, dass sie lediglich Verkäuferin von vorgedämmten Rohren sei. Daher sei sie gar nicht zu einem Boykott gegen Powerpipe in der Lage gewesen, den nur die unmittelbar mit Powerpipe konkurrierenden Hersteller solcher Rohre hätten durchführen können.

191.    Die Kommission sei folglich zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Teilnahme der Rechtsmittelführerin an dem genannten Treffen als erschwerender Umstand angesehen werden könne, der bereits als solcher zu einer 20%igen Erhöhung der Geldbuße führe.

192.    Diese Auffassung geht meines Erachtens zu weit.

193.    Folgte man ihr nämlich in letzter Konsequenz, so würde dies dazu führen, dass von einer Verantwortung für einen Verstoß gegen Artikel 81 EG alle Unternehmen befreit sind, die zwar ihr Einverständnis mit der Umsetzung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens zum Ausdruck gebracht haben, danach jedoch nicht in der Lage waren, dieses Verhalten in die Praxis umzusetzen.

194.    Die Verantwortlichkeit eines Unternehmens bemäße sich also nicht bereits nach seinem zum Ausdruck gebrachten Willen, gegen die Wettbewerbsregeln zu verstoßen, sondern nach der materiellen Möglichkeit, dies zu tun.

195.    Ein derartiger Standpunkt findet indessen keine Grundlage in der Rechtsprechung.

196.    Ich beschränke mich auf den Hinweis, dass der Gerichtshof im Urteil Kommission/Anic Partecipazioni festgestellt hat, ein Unternehmen verstoße nicht nur dann gegen Artikel 81 EG, wenn es „durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele hat beitragen wollen“, sondern auch dann, wenn es „von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen“ (80) .

197.    Diese Rechtsprechung wurde unlängst im Urteil Aalborg Portland u. a. vertieft, in dem der Gerichtshof u. a. ausgeführt hat: „Weist die Kommission nach, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung ein ausreichender Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell … Insoweit führt die stillschweigende Billigung einer rechtswidrigen Initiative, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren oder sie bei den Verwaltungsbehörden anzuzeigen, dazu, dass die Fortsetzung der Zuwiderhandlung begünstigt und ihre Entdeckung verhindert wird. Diese Komplizenschaft stellt eine passive Form der Beteiligung an der Zuwiderhandlung dar und ist daher geeignet, die Verantwortlichkeit eines Unternehmens im Rahmen einer einheitlichen Vereinbarung auszulösen.“ (81)

198.    Wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, hätte Brugg offen zum Ausdruck bringen müssen, dass dieses Unternehmen das bei dem Treffen am 24. März 1995 beschlossene wettbewerbswidrige Verhalten nicht teilt, so dass die anderen Teilnehmer hätten wissen können, dass es nicht ihrer Verhaltenslinie folgt, sich davon distanziert und keinesfalls die damit verbundenen Risiken eingehen möchte.

199.    Dies ist offensichtlich nicht geschehen.

200.    Aufgrund dieser Erwägungen sind die Rügen der Isoplus‑Gruppe und von Brugg bezüglich einer rechtswidrigen Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG zurückzuweisen.

2. Zu den Rechtsmittelgründen bezüglich der Nichtberücksichtigung mildernder und erschwerender Umstände

201.    i) Die Unternehmen der Isoplus‑Gruppe machen ferner geltend, das Gericht habe zu Unrecht ihren Anspruch auf eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit verneint.

202.    Sie weisen darauf hin, dass die Kommission nach dieser Bestimmung bei einer Mitarbeit des Unternehmens – selbst wenn sie, wie im vorliegenden Fall, nur zum Teil oder begrenzt erfolgt sei – stets eine Herabsetzung des Betrages der Geldbuße gewähren müsse, wenn die Mitarbeit zur Feststellung des Vorliegens des Verstoßes beigetragen habe. Diese Rechtsmittelführerinnen rügen zudem, dass die Kommission bei ihren Berechnungen Behinderungsversuche des Untersuchungsverlaufs doppelt berücksichtigt habe, nämlich einmal als erschwerenden Umstand, der zu einer Erhöhung der Geldbuße geführt habe, und zum anderen als Grund, um eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu verweigern. Hierdurch habe die Kommission insbesondere die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen und den Grundsatz der Billigkeit verletzt.

203.    Auch in dieser Frage halte ich die Auffassung des Gerichts für überzeugender. Ich füge nur einige Überlegungen zur behaupteten „doppelten“ Berücksichtigung der Behinderungsversuche der Rechtsmittelführerinnen hinzu.

204.    Vor allem ist zu bemerken, dass die Kommission die grundlegenden Rechte der Rechtsmittelführerinnen nur dann verletzt hätte, wenn sie ihnen einen erschwerenden Umstand zweimal zugerechnet hätte.

205.    Die Lage ist hingegen völlig anders, wenn, wie im gegebenen Fall, das Vorliegen eines erschwerenden Umstands als unvereinbar mit den Voraussetzungen für die Heranziehung mildernder Umstände anzusehen ist. In einem derartigen Fall muss die Bereitschaft eines Unternehmens zur Zusammenarbeit im Ganzen beurteilt werden.

206.    Aus der Entscheidung der Kommission geht indessen hervor, dass der Ermittlungsbeitrag der Rechtsmittelführerinnen eher partiell und begrenzt wie auch recht gegensätzlich war. Sie haben zwar in bestimmtem Umfang mit der Kommission zusammengearbeitet, indem sie einige Nachweise ergänzend zu den der Kommission bereits bekannten Tatsachen geliefert und ihre Beteiligung am Kartell zum Teil eingeräumt haben, andererseits haben sie jedoch auch die Untersuchungen vorsätzlich behindert, indem sie unvollständige und teilweise unrichtige Auskünfte gegeben haben, wodurch die Ermittlungen der Kommission erschwert wurden. Dies lässt sich モ wie nicht nur aus dem Geist der Mitteilung über Zusammenarbeit, sondern auch aus der vom Gericht genannten ständigen Rechtsprechung hervorgeht – nur schwerlich mit dem Erfordernis eines „kooperativen Verhaltens“ vereinbaren, so dass eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt erschiene.

207.    ii) LR AF 1998 rügt ihrerseits, dass die Kommission ihr gegenüber fälschlicherweise das Vorliegen mildernder Umstände ausgeschlossen und das Gericht diese Entscheidung zu Unrecht mitgetragen habe.

208.    Diese Rechtsmittelführerin beansprucht insbesondere eine Herabsetzung ihrer Geldbuße aus folgenden Gründen: a) Sie habe in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ABB, also zur Hauptakteurin und einzigen multilateralen Unternehmensgruppe in der Fernwärmebranche sowie Anführerin des Kartells, gestanden; b) sie sei dem wirtschaftlichen Druck erlegen, den ABB ausgeübt habe, um sie zur Teilnahme am Kartell und zur Durchführung der von den Unternehmen einvernehmlich beschlossenen Maßnahmen zu zwingen; c) die ABB zur Last gelegten Wettbewerbsverstöße seien viel schwerwiegender als ihre eigenen.

209.    LR AF 1998 bemängelt unter einem weiteren Gesichtspunkt, dass die Kommission den von ABB auf andere Unternehmen ausgeübten Druck außer Acht gelassen habe und das Gericht das Verhalten der Kommission damit rechtfertige, dass „bei der Ermittlung der gegen ABB zu verhängenden Geldbuße der Druck, den diese auf andere Unternehmen ausübte, … als Gesichtspunkt herangezogen [wurde], der zur Erhöhung ihrer Geldbuße führte“ (82) .

210.    Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin kann die Verpflichtung, die Höhe einer Geldbuße anhand der einschlägigen individuellen Faktoren festzusetzen, nicht dadurch erfüllt werden, dass die Geldbuße für ein anderes Unternehmen angepasst werde.

211.    Die Rechtsmittelführerin beanstandet schließlich, das Gericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Einführung ihres internen Programms zur Befolgung des Gemeinschaftsrechts keinen mildernden Umstand darstelle, der eine Herabsetzung ihrer Geldbuße rechtfertige.

212.    Das Gericht hat meines Erachtens zu Recht verneint, dass LR AF 1998 gegenüber der Kommission Anspruch auf mildernde Umstände hatte.

213.    Der wirtschaftliche Druck, den ABB auf die Rechtsmittelführerin ausgeübt haben soll, begründet nämlich keine derartigen Umstände.

214.    Hierbei ist vor allem darauf hinzuweisen, dass die Leitlinien unter Nummer 3 einen derartigen Fall nicht ausdrücklich als mildernden Umstand aufzählen (83) .

215.    Zudem hat die Kommission den fraglichen mildernden Umstand bisher zu Recht eng ausgelegt und dabei die Auffassung vertreten, dass er nur für den Fall Anwendung finden könne, dass die Teilnahme eines Unternehmens an einem Kartell nur unerheblich sei, wenn das Unternehmen z. B. an keinen Treffen des wettbewerbswidrigen Kartells teilgenommen habe (84) . Andernfalls würde der Anwendungsbereich dieses mildernden Umstands zu weit ausgedehnt, wenn er allen Unternehmen zugebilligt würde, die keine Rolle als Anstifter oder Initiator des Kartells gespielt hätten.

216.    Das Gericht konnte völlig zweifelsfrei nicht nur die Anwesenheit, sondern auch die aktive Teilnahme der Rechtsmittelführerin bei zahlreichen Treffen des europäischen Kartells feststellen. Hierbei kann auch nicht berücksichtigt werden, dass die Rechtsmittelführerin etwa durch ABB zu dieser Teilnahme gezwungen worden sein könnte, da sie nichts daran hinderte, einen derartigen Druck den nationalen Wettbewerbsbehörden oder der Kommission im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 anzuzeigen.

217.    Weniger überzeugend erscheinen hingegen die Überlegungen des Gerichts, wonach der „Kommission jedenfalls nicht vorgeworfen werden [kann], diesen Druck außer Acht gelassen zu haben, denn bei der Ermittlung der gegen ABB zu verhängenden Geldbuße wurde der Druck, den diese auf andere Unternehmen ausübte, um sie zum Kartellbeitritt zu veranlassen, als Gesichtspunkt herangezogen, der zur Erhöhung der Geldbuße führte“.

218.    In Anbetracht des rein individuellen Charakters der Geldbuße lässt sich nämlich die Verweigerung ihrer Reduzierung zu Lasten eines Wirtschaftsteilnehmers nicht durch eine entsprechende Erhöhung der Geldbuße eines anderen Beteiligten rechtfertigen.

219.    Dieser Beurteilungsfehler des Gerichts berührt jedoch nicht das Ergebnis, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gelangt ist, wonach nämlich LR AF 1998 keinen Anspruch auf eine Herabsetzung der Geldbuße hatte. Denn die Kommission hat zu Recht die Auffassung vertreten, dass der Rechtsmittelführerin zu ihrem Schutz wirksamere rechtmäßige Mittel zur Verfügung gestanden hätten als eine Teilnahme am wettbewerbswidrigen Kartell.

220.    Unerheblich ist schließlich, dass die Rechtsmittelführerin ein internes Programm zur Befolgung des Gemeinschaftsrechts erstellt hatte. Hierbei gehe ich völlig einig mit der Darlegung des Gerichts in Randnummer 345 des angefochtenen Urteils, und ich halte es daher für überflüssig, auf diesen Punkt näher einzugehen.

221.    Ich gelange daher zu der Schlussfolgerung, dass auch die soeben geprüften Anfechtungsgründe zurückzuweisen sind.

3. Zu den Rechtsmittelgründen eines Verstoßes gegen Verfahrensregeln

222.    ABB Asea Brown Boveri Ltd (im Folgenden: ABB) rügt mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, das Gericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass das Gutachten von Professor J. Schwarze in der Anlage zur Erwiderung der Rechtsmittelführerin nicht berücksichtigt werden könne, da es entgegen Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts neues Vorbringen enthalte, das in der Klageschrift nicht aufgeführt sei.

223.    Nach dieser Bestimmung „können neue Angriffs‑ und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind“.

224.    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (85) sind als „neue Angriffs‑ und Verteidigungsmittel“ diejenigen im Laufe des Verfahrens vorgebrachten Argumente anzusehen, die in keinem Zusammenhang mit dem rechtlichen Vorbringen stehen, das im Verfahren bereits vorgetragen wurde.

225.    Folglich sind diejenigen Argumente hingegen zulässig, die zwar im Laufe des Verfahrens vorgebracht werden, jedoch auf ein Vorbringen zurückzuführen sind, das bereits vorgetragen worden war und das sie unmittelbar oder implizit weiterentwickeln.

226.    Demnach ist festzustellen, ob die Ausführungen von Professor Schwarze als natürliche Weiterentwicklung der Argumente angesehen werden können, die ABB dem Gericht in ihrer Klageschrift vorgetragen hatte.

227.    Professor Schwarze untersucht im Wesentlichen, ob die angefochtene Entscheidung im Einklang mit bestimmten allgemeinen Rechtsprinzipien steht, insbesondere mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes, der Selbstbeschränkung der öffentlichen Verwaltung, des Estoppels, der ordnungsgemäßen Verwaltung und des Rechts auf Verteidigung.

228.    ABB ist in ihrer Klageschrift nur auf einige dieser Grundsätze eingegangen. Die Rechtsmittelführerin hat insbesondere in den Nummern 44 ff. der Klageschrift gerügt, die Kommission habe durch eine rückwirkende Anwendung der Leitlinien ihr berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung einer Praxis für die Bemessung der Geldbußen und bestimmte Verfahrensgarantien der Rechtsmittelführerin missachtet.

229.    Sie hat außerdem im ersten Teil der Klageschrift gerügt, dass die Kommission im Laufe des Vorverfahrens ihr Verteidigungs‑ und Anhörungsrecht nicht beachtet habe.

230.    Die Rechtsmittelführerin hat hingegen keine Verletzung der übrigen Grundsätze geltend gemacht, mit denen sich Professor Schwarze in seinem Gutachten befasst, was insbesondere auf die Grundsätze der Selbstbeschränkung der öffentlichen Verwaltung, des Estoppels und der ordnungsgemäßen Verwaltung zutrifft.

231.    Somit können die im Gutachten entwickelten Argumente großenteils nicht als „neu“ angesehen werden.

232.    Zudem kann die Zulässigkeit der Argumente von Professor Schwarze nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil sie in einem Rechtsgutachten in der Anlage zur Erwiderung enthalten sind. Artikel 48 der Verfahrensordnung verwehrt es nämlich einer Partei, die (soweit zugelassen) neue Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel vorbringen oder bereits vorgetragene Argumente weiterentwickeln will, nicht, sich auf das Gutachten eines Juristen zu stützen, der nicht dem Kreis der Prozessbevollmächtigten angehört.

233.    Das Gutachten von Professor Schwarze ist daher entgegen der Feststellung des Gerichts als zulässig anzusehen, soweit es sich mit einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und der Nichtbeachtung der Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin befasst.

234.    Selbst wenn jedoch die letztgenannten Teile des Gutachtens vom Gericht zugelassen worden wären, hätten die darin enthaltenen Argumente nicht die Auffassung widerlegt, zu der das Gericht im Hinblick auf die betreffenden Grundsätze gelangt ist. Die Beurteilungen von Professor Schwarze ändern nämlich nicht die Argumentation in ihrer Substanz, mit der sowohl ABB als auch die anderen Rechtsmittelführerinnen bereits im ersten Rechtszug die Verletzung der genannten Grundsätze gerügt haben.

235.    Da dem Gericht, wie bereits dargelegt, kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es die Klagegründe bezüglich der behaupteten Verletzung der fraglichen Grundsätze zurückgewiesen hat, kann somit der fraglichen Rüge nicht stattgegeben werden.

236.    Abschließend ist festzustellen, dass keine der von den Rechtsmittelführerinnen vorgebrachten Rügen begründet ist, so dass ihren Rechtsmitteln nicht stattgegeben werden kann.

IV – Kosten

237.    Die Kosten sind aufgrund der im Hinblick auf die Zurückweisung der Rechtsmittel gezogenen Schlussfolgerungen nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung den Rechtsmittelführerinnen aufzuerlegen.

V – Ergebnis

238.    Aufgrund all dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

die Rechtsmittel zurückzuweisen;

den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.


1
Originalsprache: Italienisch.


2
Slg. 2002, II-1487, II‑1613, II‑1633, II‑1647, II‑1681, II‑1705 und II‑1881.


3
ABl. L 24, S. 1.


4
ABl. 1962, Nr. 13, S. 204.


5
ABl. 1998, C 9, S. 3.


6
Die Leitlinien legen je nach Schwere des Verstoßes Pauschalbeträge fest, die in Verbindung mit der Bewertung der Dauer des Verstoßes den Ausgangspunkt für die Bemessung der Geldbuße ergeben. Für „minder schwere“ Verstöße ist eine Spanne von 1 000 Euro bis 1 Mio. Euro, für „schwere“ Verstöße eine Spanne von 1 Mio. bis 20 Mio. Euro und für „besonders schwere“ Verstöße ein Betrag oberhalb von 20 Mio. Euro vorgesehen (Nr. 1 Teil A der Leitlinien).


7
Nr. 2 der Leitlinien nennt eine „Erhöhung des Grundbetrags bei gewissen erschwerenden Umständen wie z. B. [a] erneuter, gleichartiger Verstoß des/derselben Unternehmen(s), [b] Verweigerung der Zusammenarbeit oder sogar Behinderungsversuche während des Untersuchungsverlaufs, [c] Rolle als Anführer oder Anstifter des Verstoßes, [d] Vergeltungsmaßnahmen gegenüber anderen Unternehmen, um die ‚Einhaltung‘ der beschlossenen Verstöße durchzusetzen, [e] Erfordernis, die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, sofern dieser Betrag objektiv ermittelt werden kann, [f] sonstige“.


8
Nr. 3 der Leitlinien nennt eine „Verringerung des Grundbetrags bei mildernden Umständen wie z. B. [a] ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum, [b] tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen über Verstöße, [c] Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen), [d] Nachweis berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines wettbewerbswidrigen Verhaltens, [e] fahrlässige, unvorsätzlich begangene Verstöße, [f] aktive Mitwirkung des Unternehmens an den Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung vom 18. Juli 1996 betreffend die Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung von Geldbußen, [g] sonstige“.


9
ABl. C 207, S. 4.


10
Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit bestimmt: „Gegenüber einem Unternehmen, das a)  der Kommission die geheime Absprache anzeigt, bevor diese aufgrund einer Entscheidung bei den am Kartell beteiligten Unternehmen eine Nachprüfung vorgenommen hat und bereits über ausreichende Informationen verfügt, um das Bestehen des angezeigten Kartells zu beweisen, b) als erstes Angaben macht, die für den Beweis des Bestehens des Kartells von entscheidender Bedeutung sind, c) seine Teilnahme an der rechtswidrigen Handlung spätestens zu dem Zeitpunkt eingestellt hat, zu dem es das Kartell anzeigt, d) der Kommission alle sachdienlichen Informationen sowie verfügbaren Unterlagen und Beweismittel über das Kartell bereitstellt und während der gesamten Dauer der Untersuchung zu einer ununterbrochenen und uneingeschränkten Zusammenarbeit bereit ist, e) kein anderes Unternehmen zur Teilnahme am Kartell gezwungen noch zu der rechtswidrigen Handlung angestiftet oder bei ihrer Durchführung eine entscheidende Rolle gespielt hat, wird die Höhe der ohne diese Mitarbeit festzusetzenden Geldbuße um mindestens 75 % niedriger festgesetzt und kann auf die Festsetzung der Geldbuße ganz verzichtet werden.“


11
Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit sieht vor: „Gegenüber einem Unternehmen, das die unter Abschnitt B Buchstaben b) bis e) genannten Voraussetzungen erfüllt und die geheime Absprache anzeigt, nachdem die Kommission aufgrund einer Entscheidung bei den am Kartell beteiligten Unternehmen eine Nachprüfung vorgenommen hat, die keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hat, wird die Geldbuße um 50 % bis 75 % niedriger festgesetzt.“


12
Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit bestimmt: „1. Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle Voraussetzungen erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 % bis 50 % niedriger festgesetzt. 2. Dies gilt insbesondere, wenn ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen; ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“


13
Bei der Darlegung des Sachverhalts und bei der sonstigen Erwähnung der angefochtenen Urteile wird wegen der vorwiegend gleichen Begründung der angefochtenen Urteile in erster Linie auf eines dieser Urteile Bezug genommen, und zwar insbesondere auf das Urteil in der Rechtssache T‑23/99, LR AF 1998/Kommission.


14
Randnrn. 278 bis 281 des angefochtenen Urteils.


15
Randnrn. 286 bis 290 des angefochtenen Urteils.


16
Randnrn. 295 bis 298 des angefochtenen Urteils.


17
Randnr. 221 des angefochtenen Urteils.


18
Randnr. 231 des angefochtenen Urteils.


19
Randnrn. 241 bis 243 des angefochtenen Urteils.


20
Randnrn. 202 bis 207 des angefochtenen Urteils.


21
Randnr. 383 des angefochtenen Urteils.


22
Randnr. 384 des angefochtenen Urteils.


23
Das Gericht hat festgestellt, dass die HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG und die HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH Verwaltungsgesellschaft noch nicht bestanden hätten, als die fragliche Zuwiderhandlung begangen worden sei.


24
Das Gericht hat die Geldbuße der Sigma auf 300 000 Euro herabgesetzt, da dieses Unternehmen nur auf dem italienischen Markt und nicht auf dem gesamten Gemeinschaftsmarkt tätig gewesen sei.


25
Das Gericht hat die Geldbuße der ABB Asea Brown Boveri auf 65 Mio. Euro herabgesetzt, da dieses Unternehmen nicht mehr seine Teilnahme am Kartell bestritten und mit der Kommission zusammengearbeitet habe, indem es ihr Beweise für die Absprache geliefert habe, nachdem es die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten habe.


26
Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78 (Slg. 1979, 777, Randnr. 40).


27
Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in der Rechtssache 32/65 (Italien/Rat und Kommission, Slg. 1966, 458, 459).


28
Urteile des Gerichtshofes vom 31. März 1965 in der Rechtssache 21/64 (Macchiorlati Dalmas und Figli/Hohe Behörde, Slg. 1965, 242) und vom 10. Juni 1986 in den Rechtssachen 81/85 und 119/85 (Usinor/Kommission, Slg. 1986, 1777, Randnr. 13).


29
Urteile des Gerichtshofes vom 18. März 1975 in den Rechtssachen 44/74, 46/74 und 49/74 (Acton u. a./Kommission, Slg. 1975, 383, Randnr. 7) und vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache C-206/87 (Lefebvre Frère et Sœur/Kommission, Slg. 1989, 275, Randnr. 13).


30
Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 148/73 (Louwage/Kommission, Slg. 1974, 81, Randnr. 12).


31
Urteil vom 13. November 1991 in der Rechtssache C-303/90 (Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I‑5315).


32
Urteil vom 9. Oktober 1990 in der Rechtssache C-366/88 (Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I‑3571).


33
Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtsache C-219/95 P (Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I‑4411, Randnr. 33). Hervorhebung von mir.


34
Vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80 (Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825) und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81 (Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461).


35
Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 121.


36
Etwa bei der Berücksichtigung der Tatsache, dass „Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maße ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind“ (Nr. 1 Teil A Absatz 5), oder bei der Berücksichtigung der „von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile“ sowie der „besonderen Merkmale der betreffenden Unternehmen“ (Nr. 5 Buchstabe b).


37
Vgl. z. B. Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 106.


38
Hervorhebung von mir.


39
Vgl. Randnrn. 454 bis 458 des angefochtenen Urteils.


40
Nr. 2 fünfter Gedankenstrich der Leitlinien.


41
Urteil vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87 (Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283).


42
Urteil Orkem/Kommission, Randnr. 35.


43
Urteil vom 16. November 2000 in der Rechtssache C‑298/98 P (Finnboard/Kommission, Slg. 2000, I‑10157).


44
Ebenda, Randnr. 58.


45
Zitiert in Fußnote 34.


46
Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-185/95 P (Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 128) und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑359/01 P (British Sugar/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 47).


47
Urteile Ferriere Nord, Randnr. 31, und Baustahlgewebe, Randnr. 128.


48
Urteile Baustahlgewebe und British Sugar, Randnr. 48.


49
Urteil des Gerichtshofes vom 7. Januar 2004 in den Rechtssachen C-204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P und C-219/00 P (Aalborg Portland u. a./Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 365).


50
Vgl. z. B. Urteil Musique diffusion française, Randnr. 119.


51
Urteil Brugg Rohrsysteme GmbH, Randnr. 155.


52
Eine andere Frage, mit der ich mich noch befassen werde (siehe nachstehende Nrn. 113 ff.), betrifft die Folgen, die sich aus einer Überschreitung der Obergrenze von 10 % für die Rechtmäßigkeit der Geldbußen ergeben können, für die die Kommission eine Herabsetzung vornehmen musste, um diesen Grenzwert einzuhalten.


53
Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-51/92 P (Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I‑4235, Randnr. 110). Vgl. auch Urteile vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 623) und Aalborg Portland, Randnr. 92.


54
Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83 (Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28) und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89 (Hoche, Slg. 1990, I‑2681, Randnr. 25).


55
Abgesehen vom Fall Dansk Rørindustri, in dem das Gericht entschieden hat, dass die Kommission insoweit einen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie der Klägerin eine Beteiligung am Kartell in der Zeit von April bis August 1994 vorwarf. Gleichwohl hat das Gericht die Höhe der von der Kommission verhängten Geldbuße bestätigt.


56
Urteil LR AF 1998, Randnr. 296.


57
Vgl. z. B. Urteil LR AF 1998, Randnr. 304, in dem das Gericht festgestellt hat, dass die Kommission hinsichtlich der Festsetzung des Grundbetrags für die Unternehmen der „zweiten Kategorie“ „nach den … bei der Beurteilung der Bedeutung jedes Unternehmens auf dem relevanten Markt herangezogenen Kriterien … berechtigt [war], bei ihr einen mindestens doppelt so hohen Ausgangspunkt zu wählen wie bei den Unternehmen der dritten Kategorie“.


58
Vgl. Urteil LR AF 1998, Randnr. 288.


59
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leitlinien der Nederlandse Mededingingautoriteit (niederländische Wettbewerbsbehörde) für die Festsetzung von Geldbußen gerade aus diesen Gründen ausdrücklich von der Linie der Kommission wie folgt Abstand genommen haben:

„With regard to fines for infringements of the Competition Act, the Director General of NMa of the opinion that the Guidelines drawn up by the European Commission cannot be taken as the point of departure without adaptation. The European Commission uses categories of infringements, in accordance with the aforementioned Guidelines, to which fixed fines apply. A disadvantage of a system of fixed fines is that small undertakings are affected relatively more harshly than larger undertakings (which often operate internationally). The policy of the Director-General of NMa with regard to fines must be applicable both to (very) large undertakings and to small and medium-sized undertakings, without losing the intended preventive effect, on the one hand, and generating disproportionate results, on the other.” (Richtsnoeren boetetoemeting – met betrekking tot het opleggen van boetes ingevolge artikel 57 van de Mededingingswet, 19. Dezember 2001, Nr. 5).


60
Mitteilung über Zusammenarbeit, Abschnitt A Nrn. 1 bis 3.


61
Urteil vom 12. November 1987 in der Rechtssache 344/85 (Ferriere San Carlo/Kommission, Slg. 1987, 4435).


62
Urteil vom 15. April 1997 in der Rechtssache C-22/04 (Irish Farmers Association u. a., Slg. 1997, I‑1809, Randnr. 25). Vgl. auch Urteil vom 11. März 1987 in der Rechtssache 265/85 (Van den Bergh en Jurgens/Kommission, Slg. 1987, 1155, Randnr. 44).


63
Vgl. Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C‑350/88 (Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I‑395, Randnr. 33).


64
Urteil Musique diffusion française u. a., Randnr. 109.


65
Urteil Musique diffusion française u. a., Randnr. 22.


66
Siehe XXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik , S. 120.


67
Urteil Musique diffusion française u. a., Randnr. 21. Vgl. auch Urteil Michelin/Kommission, Randnrn. 19 und 20.


68
Vgl. z. B. Urteil LR AF 1998, Randnrn. 201 bis 203.


69
Urteile Musique diffusion française u. a., Randnr. 21, und Michelin, Randnr. 19


70
Urteil Musique diffusion française u. a., Randnr. 22.


71
Urteile vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-291/98 P (Sarrió/Kommission, Slg. 2000, I-9991, Randnr.  73), vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P (Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnr. 43), und vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P (Limburgse Vinyl Maatschappij u. a., Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 463).


72
Siehe z. B. Urteil LR AF 1998, Randnr. 378.


73
Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C‑137/95 P (SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I‑1611, Randnr. 54).


74
Vgl. Urteile des Gerichts Lögstör Rör, Randnr. 372, KE KELIT, Randnr. 203, und LR AF 1998, Randnr. 383.


75
Urteil LR AF 1998, Randnr. 385. Hervorhebung von mir.


76
Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64 (Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, insbesondere 387).


77
Urteile vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P (Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 90) und Aalborg Portland u. a., Randnr. 86.


78
Vgl. z. B. Urteil Anic Partecipazioni, Randnr. 90.


79
Urteil vom 20. September 2001 in der Rechtssache C-453/99 (Courage und Crehan, Slg. 2001, I‑6297, Randnr. 35).


80
Urteil Anic Partecipazioni, Randnr. 87.


81
Urteil Aalborg Portland u. a., Randnrn. 81 ff.


82
Urteil LR AF 1998, Randnr. 339.


83
Nach Nummer 3 der Leitlinien sind mildernde Umstände, die zu einer Herabsetzung der Geldbuße führen: „ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum, tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen über Verstöße, Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen), Nachweis berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines wettbewerbswidrigen Verhaltens, fahrlässige, unvorsätzlich begangene Verstöße, aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung vom 18. Juli 1996 betreffend die Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung von Geldbußen, sonstige“.


84
Siehe Entscheidungen der Kommission vom 7. Juni 2000, Aminosäure (ABl. L 152, S. 24), und vom 21. November 2001, Vitamine (ABl. L 6, S. 1).


85
Urteile vom 21. Dezember 1954 in der Rechtssache 2/54 (Italien/Hohe Behörde, Slg. 1954, 81, Randnr. 6), vom 30. September 1982 in der Rechtssache 108/81 (Amylum/Rat, Slg. 1982, 3107, Randnr. 25) und vom 4. Februar 1997 in den Rechtssachen C‑71/95, C‑155/95 und C‑271/95 (Belgien/Kommission, Slg. 1997, I‑687).

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