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Document 61999CC0172

    Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 12. Oktober 2000.
    Oy Liikenne Ab gegen Pekka Liskojärvi und Pentti Juntunen.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Korkein oikeus - Finnland.
    Richtlinie 77/187/EWG - Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen - Richtlinie 92/50/EWG - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Öffentlicher Verkehr mit Ausnahme des Seeverkehrs.
    Rechtssache C-172/99.

    Sammlung der Rechtsprechung 2001 I-00745

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2000:563

    61999C0172

    Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 12. Oktober 2000. - Oy Liikenne Ab gegen Pekka Liskojärvi und Pentti Juntunen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Korkein oikeus - Finnland. - Richtlinie 77/187/EWG - Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen - Richtlinie 92/50/EWG - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Öffentlicher Verkehr mit Ausnahme des Seeverkehrs. - Rechtssache C-172/99.

    Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-00745


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1. In dem vorliegenden Verfahren legt das Korkein Oikeus (Oberster Gerichtshof) (Finnland) dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Bestimmungen der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen anwendbar sind, wenn eine juristische Person des Privatrechts nach einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 92/50/EWG den Betrieb von sieben regionalen Buslinien übernimmt.

    I - Rechtlicher Rahmen

    2. Die Richtlinie 77/187 ist nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar".

    3. In Artikel 2 werden die wichtigsten Begriffe definiert, die in der Richtlinie verwendet werden. Nach Buchstabe a ist Veräußerer" jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 als Inhaber aus dem Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil ausscheidet". Nach Buchstabe b ist Erwerber" jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 als Inhaber in das Unternehmen, den Betrieb oder Betriebsteil eintritt".

    4. Die Richtlinie 92/50/EWG soll laut ihrer einundzwanzigsten Begründungserwägung den Zugang für Dienstleistungserbringer bei den Vergabeverfahren verbessern, um Praktiken zu unterbinden, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen und die insbesondere der Auftragsvergabe an Angehörige anderer Mitgliedstaaten entgegenstehen.

    5. Nach ihrem Artikel 1 Buchstabe a gelten als öffentliche Dienstleistungsaufträge" die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge. Nach Artikel 1 Buchstabe b sind öffentliche Auftraggeber" der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.

    6. Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 92/50 sieht u. a. vor: Die Auftraggeber wenden bei der Vergabe ihrer öffentlichen Dienstleistungsaufträge und der Durchführung von Wettbewerben Verfahren an, die den Bestimmungen dieser Richtlinie angepasst sind." Nach Absatz 2 dieser Vorschrift sorgen die Auftraggeber ... dafür, dass keine Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfindet".

    7. Nach Anhang I A der Richtlinie 92/50, auf den ihr Artikel 8 verweist, fällt unter diese Richtlinie u. a. der Landverkehr.

    II - Sachverhalt und Verfahren

    8. Der Pääkaupunkiseudun Yhteistyövaltuuskunta (Zweckverband Hauptstadtregion; im Folgenden: YTV) übertrug nach einer Ausschreibung der Oy Liikenne AB (im Folgenden: Liikenne) für drei Jahre den Betrieb von sieben regionalen Buslinien, die bis dahin an die Hakunilan Liikenne Oy (im Folgenden: Hakunilan Liikenne) vergeben waren.

    9. Hakunilan Liikenne, die diese Linien mit sechsundzwanzig Bussen bedient hatte, entließ daraufhin fünfundvierzig Fahrer. Dreiunddreißig von diesen, d. h. alle, die sich um eine entsprechende Stelle beworben hatten, wurden von Liikenne übernommen. Letztere stellte zusätzlich achtzehn weitere Fahrer ein. Die ehemaligen dreiunddreißig Fahrer von Hakunilan Liikenne wurden zu den Bedingungen des landesweit geltenden Tarifvertrags des entsprechenden Wirtschaftszweigs übernommen, die insgesamt weniger günstig waren als die bei Hakunilan Liikenne geltenden Bedingungen.

    10. Bei der Ablösung von Hakunilan Liikenne durch Liikenne wurden keine Fahrzeuge oder andere Aktiva im Zusammenhang mit dem Betrieb der betreffenden Buslinien übertragen. Liikenne mietete bis zur Lieferung der von ihr bestellten zweiundzwanzig neuen Busse für zwei oder drei Monate lediglich zwei Busse von Hakunilan Liikenne und übernahm von letzterer die Dienstkleidung einiger Fahrer, die zu ihr gewechselt hatten.

    11. P. Liskojärvi und P. Juntunen gehören zu den dreiunddreißig Fahrern, die von Hakunilan Liikenne entlassen worden waren und von Liikenne übernommen wurden. Da sie der Meinung waren, dass zwischen den beiden Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit übertragen worden sei und sie daher weiterhin Anspruch auf Anwendung der bei ihrem bisherigen Arbeitgeber geltenden Beschäftigungsbedingungen hätten, erhoben sie beim Vantaan Käräjäoikeus (Gericht erster Instanz in Vantaa) Klage gegen Liikenne. Liikenne war der Ansicht, dass eine solche Übertragung nicht stattgefunden habe.

    12. Das Vantaan Käräjäoikeus gab der Klage von P. Liskojärvi und P. Juntunen mit Urteil vom 17. Juni 1996 statt. Das Helsingin Hovioikeus (Berufungsgericht in Helsinki) wies die hiergegen von Liikenne eingelegte Berufung mit Urteil vom 23. Oktober 1997 zurück. Liikenne legte daraufhin Rechtsmittel beim Korkein Oikeus ein.

    13. Das Korkein Oikeus führt in seinem Vorlagebeschluss aus, der Begriff des Übergangs eines Betriebes sei weiterhin insbesondere in den Fällen unklar, in denen der Betrieb oder ein Teil des Betriebes wie im vorliegenden Fall nicht aufgrund eines Vertrages zwischen den Parteien übergegangen und der Übergang nicht mit der Übertragung nennenswerter Aktiva verbunden gewesen sei. Zudem sei der vorliegende Rechtsstreit im Zusammenhang mit einem nach der Richtlinie 92/50 durchgeführten Vergabeverfahren zu sehen. Die Anwendung der Richtlinie 77/187 in einem solchen Zusammenhang schütze zwar die Rechte der Arbeitnehmer, könne aber den Wettbewerb zwischen Unternehmen und die von der Richtlinie 92/50 angestrebte Wirksamkeit beeinträchtigen. Daher stelle sich die Frage, wie die beiden Richtlinien miteinander in Einklang zu bringen seien.

    14. Das Korkein Oikeus hält für die Entscheidung des Rechtsstreits eine Auslegung des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 für erforderlich. Es hat daher mit Beschluss vom 27. April 1999 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Ist der Übergang des Betriebes von Buslinien von einem Busunternehmen auf ein anderes aufgrund eines Vergabeverfahrens nach der Richtlinie 92/50/EWG über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ein Übergang eines Betriebes im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG?

    III - Zur Vorlagefrage

    Vorbemerkung

    15. Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Vorlagefrage eine Entscheidung des Gerichtshofes darüber, ob die Richtlinie 77/187 im Rahmen der Richtlinie 92/50 anwendbar ist. Der Begründung des Beschlusses ist außerdem zu entnehmen, dass die Bedenken des vorlegenden Gerichts durch zwei zusätzliche, unterschiedliche Probleme verstärkt werden.

    16. Zunächst scheinen dem vorlegenden Gericht die Ziele der Richtlinie 92/50 nicht mit denen der Richtlinie 77/187 vereinbar. Es fragt sich daher, ob ein Vorgang, der im Rahmen der Richtlinie 92/50 stattfindet und zur Folge hat, dass die Tätigkeit, die bisher von einem Unternehmen verrichtet wurde, auf ein anderes Unternehmen übergeht, grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187 fällt.

    17. Sollten Sie diese erste Frage bejahen, ersucht das vorlegende Gericht um eine Antwort auf eine zweite Frage nach den Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 77/187. Diese zweite Frage gliedert sich in zwei Teilfragen.

    18. Erstens möchte das finnische Gericht von Ihnen wissen, ob der Begriff der vertraglichen Übertragung" im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 zwangsläufig eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer voraussetzt.

    19. Zweitens möchte das Gericht Aufschluss darüber erhalten, ob von einem Unternehmensübergang im Sinne der Richtlinie auszugehen ist, auch wenn zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber keine nennenswerten Aktiva übertragen worden sind.

    20. Ich werde diese beiden Fragen des vorlegenden Gerichts nacheinander behandeln.

    Antwort auf die erste Frage

    21. Wie die meisten an diesem Verfahren Beteiligten bin ich der Ansicht, dass die erste Frage sowohl aufgrund des Wortlauts als auch aufgrund der Zielsetzung der streitigen Richtlinien zu bejahen ist.

    22. Nach Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 92/50 gelten als öffentliche Dienstleistungsaufträge die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge".

    23. Zudem fällt nach dem Anhang I A der Richtlinie 92/50, auf den ihr Artikel 8 verweist, der Landverkehr unter diese Richtlinie.

    24. Wie sich also aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt, ist die Übernahme von Tätigkeiten im Landverkehr nach einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ein Vorgang, der einen entgeltlichen Vertrag zwischen einem Auftraggeber und einem Dienstleistungserbringer voraussetzt.

    25. Nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 muss der Übergang eines Unternehmens durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung erfolgen. Die Richtlinie sieht ausdrücklich keine andere Bedingung vor, die die an dem betreffenden Vorgang Beteiligten zu erfuellen hätten. Wie wir später noch sehen werden, steht das Fehlen einer unmittelbaren Beziehung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber der Anwendbarkeit der Richtlinie 77/187 grundsätzlich nicht entgegen.

    26. Liest man diese Bestimmungen zusammen, so lässt sich also feststellen, dass ein Vorgang, der unter die Richtlinie 92/50 fällt, in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187 fallen kann, sofern die in dieser Richtlinie genannten weiteren Voraussetzungen erfuellt sind.

    27. Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass die Richtlinie 77/187 die Rechte der Arbeitnehmer wahren soll, während die Richtlinie 92/50 den Grundsatz des freien Wettbewerbs in den besonderen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge gewährleisten soll. Es meint, die Anwendung der Richtlinie 77/187 könne den Wettbewerb zwischen Unternehmen und damit die von der Richtlinie 92/50 angestrebte Wirksamkeit beeinträchtigen. Es führt dazu aus: Die Einreichung von Angeboten bei einer öffentlichen Ausschreibung und die Wirksamkeit der Ausschreibung können dadurch beeinträchtigt werden, dass sich die Kosten aufgrund des eventuellen Übergangs von Arbeitnehmern und anderer Ausgaben nicht von vornherein feststellen lassen."

    28. Ich meine nicht, dass diese beiden Richtlinien aufgrund ihrer Ziele miteinander unvereinbar sind.

    29. Die Richtlinie 92/50 soll die Praktiken unterbinden, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs zwischen den Dienstleistungserbringern führen und der Auftragsvergabe an Angehörige anderer Mitgliedstaaten entgegenstehen.

    30. Dazu schreibt sie die Anwendung von Regeln vor, die in der gesamten Gemeinschaft für alle Wirtschaftsteilnehmer einheitlich gelten.

    31. Parallel dazu soll die Richtlinie 77/187 den Schutz der Arbeitnehmer im Falle eines Unternehmensübergangs sicherstellen, indem sie die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleistet.

    32. Die Befürchtungen des vorlegenden Gerichts, dass die Anwendung der Richtlinie 77/187 im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach der Richtlinie 92/50 deren praktische Wirksamkeit beeinträchtigen könnte, scheinen mir nicht begründet.

    33. Ziel der Richtlinie 92/50 ist nämlich nicht, die Übernahme wirtschaftlicher Einheiten auf Kosten der Rechte der Arbeitnehmer zu ermöglichen; die Richtlinie soll vielmehr gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Dienstleistungserbringer schaffen, die sich um den Zuschlag für einen bestimmten Auftrag bemühen.

    34. Wird ein Angebot angenommen, ist der Bieter, der den Auftrag, um den er sich beworben hat, erhält, verpflichtet, die Rechte der Arbeitnehmer, wie in der Richtlinie vorgeschrieben, zu beachten. Die Anwendung ein und derselben Regeln unabhängig vom Status und der Staatsangehörigkeit der sich bewerbenden Dienstleistungserbringer kann diese daher nicht ungleichen Wettbewerbsbedingungen aussetzen, sondern zwingt sie vielmehr zur Einhaltung der gleichen Regeln. Die Richtlinie ermöglicht daher, die Dienstleistungserbringer gleich zu behandeln.

    35. Mich überzeugt auch nicht das Argument, dass der Anwendung der Richtlinie 77/187 im Rahmen der Richtlinie 92/50 der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegensteht. Der Bewerber weiß nämlich vor der Abgabe eines Angebots, ob er für die Erbringung der Dienstleistung, um die er sich bewirbt, die - materiellen oder immateriellen - Aktiva des Unternehmens, das den Auftrag bisher ausführte, übernehmen muss oder ob er verpflichtet ist, die Belegschaft dieses Unternehmens ganz oder teilweise zu übernehmen. Er weiß auch, dass im Falle der Übernahme wesentlicher Teile der übertragenen Einheit, die für deren Funktionsfähigkeit erforderlich sind, der Tatbestand eines Unternehmensübergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie erfuellt ist. In diesem Fall wird er diese Fakten als Kosten bei der Festsetzung des Angebotspreises berücksichtigen.

    36. Eine Auslegung, die somit die Anwendung der Richtlinie 77/187 im Rahmen der Richtlinie 92/50 ermöglicht, stellt infolgedessen nicht nur sicher, dass für alle Bieter gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten, sondern wahrt auch die Rechte der Arbeitnehmer, die im Falle eines durch den Unternehmensübergang bedingten Arbeitgeberwechsels nicht beeinträchtigt werden dürfen. Diese Auslegung bringt somit das Ziel der Richtlinie 77/187 mit dem der Richtlinie 92/50 in Einklang.

    37. Dagegen würde eine Auslegung, die die Anwendung der Richtlinie 77/187 allein deshalb ausschließt, weil die Richtlinie 92/50 Anwendung findet, das Ziel des Arbeitnehmerschutzes in den in der Richtlinie 77/187 festgelegten Fällen eines Unternehmensübergangs beeinträchtigen und das Ziel der Richtlinie 92/50 nicht hinreichend gewährleisten. Diese Richtlinie soll nämlich, wie wir gesehen haben, im Wesentlichen die Anwendung gleicher Wettbewerbsregeln auf die Wirtschaftsteilnehmer sicherstellen, zwingt die Mitgliedstaaten aber in keiner Weise zu einem Verstoß gegen die Rechte der Arbeitnehmer.

    38. Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass diese Auslegung von Ihnen zurückgewiesen werden sollte.

    39. Aus dem vom vorlegenden Gericht beschriebenen Sachverhalt ergibt sich, dass die Tätigkeit nach Abschluss eines entgeltlichen Vertrages zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Bieter übertragen worden ist und Tätigkeiten im Landverkehr betrifft. Eine solche Situation fällt daher grundsätzlich in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187.

    40. Nach alledem können die Bestimmungen der Richtlinie 77/187 im Rahmen der Richtlinie 92/50 Anwendung finden, sofern die in der Richtlinie 77/187 genannten weiteren Voraussetzungen - die ich im Folgenden prüfen werde - erfuellt sind.

    Antwort auf die zweite Frage

    41. Das vorlegende Gericht ersucht Sie um ergänzende Hinweise zu den Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 77/187. Es fragt sich zunächst, ob ein Unternehmensübergang" im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 vorliegt, obwohl der Dienstleistungserbringer mit seinem Vorgänger keine Vereinbarung im Zusammenhang mit der Übernahme der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Rahmen der Richtlinie 92/50 getroffen hat. Sodann möchte das Gericht wissen, ob von einem Unternehmensübergang" im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie auszugehen ist, obwohl zwischen dem Dienstleistungserbringer und seinem Vorgänger keine nennenswerten Aktiva übergegangen sind.

    a) Zum Begriff der vertraglichen Übertragung

    42. Ich hatte kürzlich Veranlassung, auf Ihre einschlägige Rechtsprechung hinzuweisen. Entsprechend der Zielsetzung der Richtlinie ist dieser Begriff, wie ich dort ausgeführt habe, so weit auszulegen, dass er dem Zweck der Richtlinie gerecht wird.

    43. Ich hatte darauf hingewiesen, dass nach Ihrer ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob eine vertragliche Übertragung" im Sinne der Richtlinie vorliegt, entscheidend ist, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, gewechselt hat. Für mich konnte daher das Fehlen einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen den beiden Unternehmen, die einander als Arbeitgeber ablösten, kein Grund sein, den Arbeitnehmern ihre Rechte aus der Richtlinie zu versagen.

    44. In Ihrem Urteil Mayeur bestätigten Sie Ihre frühere Rechtsprechung. Sie stellten nämlich fest: Das Fehlen einer vertraglichen Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber kann zwar ein Indiz dafür darstellen, dass kein Übergang im Sinne der Richtlinie [77/187] erfolgt ist; ihm kommt in diesem Zusammenhang aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu." Weiter heißt es dort: Die Richtlinie 77/187 ist vielmehr in allen Fällen anwendbar, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die als solche die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt."

    45. Im vorliegenden Fall steht fest, dass zwischen Hakunilan Liikenne und Liikenne keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestanden, dass Liikenne aber sämtliche Tätigkeiten übernahm, die bis dahin von Hakunilan Liikenne verrichtet worden waren. Ebenso steht fest, dass diese Übernahme nur aufgrund des Abschlusses eines entgeltlichen Vertrages - hier der Übertragung einer Konzession - zwischen Liikenne, einer juristischen Person des Privatrechts, und YTV, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, möglich war.

    46. Diese tatsächliche Situation ist mit der in der Rechtssache Hidalgo u. a. vergleichbar. Dort stellten Sie ebenso wie in der Rechtssache Mayeur fest: Das Fehlen einer vertraglichen Beziehung ... zwischen zwei Unternehmen, die nacheinander mit dem Haushilfedienst oder der Überwachung eines Sanitätsdepots [durch eine Gemeinde, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts] beauftragt worden sind, kann zwar ein Indiz dafür darstellen, dass kein Übergang im Sinne der Richtlinie 77/187 erfolgt ist; ihm kommt in diesem Zusammenhang aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu."

    47. Daraus folgt, dass das Fehlen einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen zwei Unternehmen, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nach einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge gemäß der Richtlinie 92/50 nacheinander mit dem Betrieb eines Landverkehrs - im vorliegenden Fall dem Betrieb regionaler Buslinien - beauftragt worden sind, der Anwendung der Richtlinie 77/187 nicht entgegensteht, sofern die in dieser Richtlinie genannten weiteren Voraussetzungen erfuellt sind.

    b) Zum Begriff des Unternehmensübergangs

    48. Nach Ihrer ständigen Rechtsprechung ist für einen Übergang im Sinne der Richtlinie 77/187 [entscheidend], ob die fragliche Einheit [nach dem Übergang] ihre Identität bewahrt".

    49. Zu der Frage, ob dieses Erfordernis erfuellt ist, haben Sie festgestellt, dass der Umstand allein, dass die von dem alten und dem neuen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeiten ähnlich sind, ... nicht den Schluss [erlaubt], dass der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit vorliegt. Eine Einheit darf nämlich nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren betrieblichen Methoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln." Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich nach Ihrer Rechtsprechung auf eine auf Dauer angelegte organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung.

    50. Somit müssen zwei Voraussetzungen erfuellt sein, damit festgestellt werden kann, dass das Unternehmen über seinen Übergang hinaus seine Identität bewahrt hat.

    51. Erstens muss der Erwerber die gleiche - oder vergleichbare - Tätigkeit wie der Veräußerer ausüben. Diese Voraussetzung kann als Identität der Tätigkeit" bezeichnet werden.

    52. Zweitens ist erforderlich, dass sämtliche Mittel, die unter Berücksichtigung der besonderen Art der übertragenen Einheit zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit erforderlich - oder hierfür unerlässlich - sind, übertragen worden sind. Diese zweite Voraussetzung lässt sich als Identität der Einheit" bezeichnen.

    53. Die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfuellt sind, verlangt zwangsläufig die Berücksichtigung rein tatsächlicher Umstände. Eine solche Würdigung fällt unstreitig in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts und nicht in die des Gerichtshofes. Darauf haben Sie wiederholt, u. a. in dem kürzlich ergangenen Urteil Mayeur, hingewiesen.

    54. Um dem nationalen Gericht bei der Erfuellung seiner Aufgabe zu helfen, haben Sie jedoch eine Reihe von tatsächlichen Umständen genannt, die von dem Gericht für die Charakterisierung des Vorgangs als Unternehmensübergang" berücksichtigt werden können.

    55. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit".

    56. Ebenfalls zu dem Zweck, das nationale Gericht bei der Erfuellung seiner Aufgabe zu unterstützen, haben Sie ihm empfohlen, eine bestimmte Methode zu befolgen.

    57. Sie haben nämlich daran erinnert, dass diese Umstände ... nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung [sind] und ... deshalb nicht isoliert betrachtet werden [dürfen]".

    58. Zudem haben Sie darauf hingewiesen, dass das nationale Gericht im Rahmen der ihm übertragenen Zuständigkeiten festzustellen hat, welches Gewicht diesen verschiedenen Umständen je nach Lage des Falles und der besonderen Art der übertragenen wirtschaftlichen Einheit zuzuerkennen ist, d. h. insbesondere unter Berücksichtigung des Wirtschaftszweigs, in dem die Einheit tätig ist. Das nationale Gericht hat daher die Teile, die für die Funktionsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheit wesentlich und unerlässlich sind, zu bestimmen und zu prüfen, ob diese Teile vom Erwerber übernommen wurden.

    59. Sie haben zwar grundsätzlich festgestellt, dass eine wirtschaftliche Einheit, die strukturiert ist, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern und nennenswerten Aktiva - materielle oder immaterielle Betriebsmittel - voraussetzt, doch haben Sie auch anerkannt, dass eine solche Einheit funktionsfähig ist, selbst wenn das frühere Unternehmen keine Vermögenswerte besessen hat. Dies haben Sie namentlich für die Bereiche des Reinigungs- und Überwachungsgewerbes für möglich gehalten.

    60. Da nach Ihrer Auffassung in diesen besonderen Wirtschaftszweigen eine wirtschaftliche Einheit auch ohne nennenswerte - materielle oder immaterielle - Aktivposten bestehen kann, kann die Wahrung der Identität einer solchen Einheit über den sie betreffenden Vorgang hinaus nicht vom Übergang solcher Aktivposten abhängen, die in solchen Fällen fehlen. Dies haben Sie ausdrücklich in Ihrem Urteil Süzen festgestellt.

    61. Es steht fest und wird auch von allen Verfahrensbeteiligten anerkannt, dass die Unternehmen im vorliegenden Fall nacheinander die gleiche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeführt haben. Es handelt sich um den Betrieb sieben regionaler Buslinien. Die erste Voraussetzung nach Ihrer Rechtsprechung - die Identität der wirtschaftlichen Tätigkeit - ist somit erfuellt.

    62. Die Verfahrensbeteiligten streiten jedoch darüber, ob die zweite Voraussetzung - die der Identität der Einheit - erfuellt ist.

    63. Es steht fest, dass der größte Teil der Belegschaft des Unternehmens von Liikenne übernommen wurde. Auch steht fest, dass keine Aktiva im Zusammenhang mit dem Betrieb der betreffenden Buslinien auf Liikenne übergingen, als dieses Unternehmen die Tätigkeit von Hakunilan Liikenne fortführte.

    64. Um diese Frage entscheiden zu können, muss das nationale Gericht daher der von Ihnen festgelegten Methode folgen.

    65. Zunächst wird es sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen prüfen müssen. Dazu hat es den Umstand zu berücksichtigen, dass bei der Übernahme dieser Tätigkeit keine materiellen Bestandteile übergegangen sind, dass aber andererseits der größte Teil der Belegschaft des bis dahin mit dieser Tätigkeit betrauten Unternehmens von dem neuen Auftragnehmer übernommen wurde. Es wird weiter sein Augenmerk auf die besondere Art des vom Übergang betroffenen Unternehmens richten müssen, d. h. auf die Tatsache, dass es sich um ein Unternehmen handelt, das regionale Buslinien betreibt. Es wird auch andere Tatsachen berücksichtigen können. Zum Beispiel wird es zu prüfen haben, ob die Kunden von Liikenne vollständig übernommen worden sind, und es muss den wirtschaftlichen Wert dieses immateriellen Aktivpostens im Vermögen der übertragenen Einheit bestimmen.

    66. Sodann wird das nationale Gericht festzustellen haben, welches Gewicht diesen verschiedenen Tatsachen zuzuerkennen ist. Zu diesem Zweck wird es sich dazu äußern müssen, was die wirtschaftliche Einheit, die Gegenstand des streitigen Vorgangs gewesen ist, d. h. im vorliegenden Fall den von Hakunilan Liikenne, später von Liikenne geleiteten Busbetrieb, charakterisiert - oder auszeichnet.

    67. Für die Kommission bildet die Arbeitskraft" den Hauptbestandteil der im vorliegenden Fall angebotenen Dienstleistung, d. h. des Busverkehrs. Die Busse, die letztlich von Liikenne nicht übernommen worden seien, seien nur von untergeordneter Bedeutung. Die Kommission meint abschließend, dass der Busverkehr eine Tätigkeit sei, bei der es im Wesentlichen auf die Arbeitskraft ankomme.

    68. Es kommt mir nicht zu, mich an die Stelle des nationalen Gerichts zu setzen, das allein für die Beantwortung der Frage zuständig ist, ob im vorliegenden Fall die betreffende wirtschaftliche Einheit über den Übergang hinaus ihre Identität bewahrt hat. Diese Beantwortung setzt die Würdigung einer besonderen Situation in rein tatsächlicher Hinsicht voraus. Dennoch meine ich, dass das vorlegende Gericht auf folgende Punkte hingewiesen werden sollte.

    69. Im Gegensatz zu der Kommission meine ich nicht, dass Hauptbestandteil einer wirtschaftlichen Einheit wie eines Verkehrsunternehmens, das regionale Buslinien betreibt, die menschliche Arbeitskraft ist. Der entscheidende Bestandteil, ohne den eine solche wirtschaftliche Einheit normalerweise nicht funktionsfähig ist, ist grundsätzlich ihr Fuhrpark - Lastwagen, Kraftfahrzeuge, Busse usw. - und nicht ihre Belegschaft.

    70. Im Übrigen ist das nationale Gericht darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes eine wirtschaftliche Einheit grundsätzlich nicht nur Personal, sondern auch materielle und immaterielle Betriebsmittel voraussetzt. Ebenso ist ständige Rechtsprechung, dass nur dann, wenn eine wirtschaftliche Einheit über keine Betriebsmittel verfügt und im Wesentlichen durch ihr Personal gekennzeichnet ist, also nur in Sonderfällen, das Fehlen eines Übergangs von Aktiva der Anwendung der Richtlinie nicht entgegenstehen kann. Infolgedessen ist es, wenn nennenswerte Mittel eines Unternehmens, die für dessen Funktionsfähigkeit unerlässlich sind, nicht übertragen werden, grundsätzlich nicht möglich, eine dieses Unternehmen betreffende Transaktion unter Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie zu subsumieren.

    71. Infolgedessen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Richtlinie 77/187 grundsätzlich nicht anwendbar, wenn eine wirtschaftliche Einheit, die ihre Tätigkeit überträgt, über nennenswerte Betriebsmittel verfügt, diese aber nicht vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen.

    72. Würde man der Argumentation der Kommission folgen, würde man diesem Grundsatz jede praktische Wirksamkeit nehmen.

    73. Deswegen meine ich, dass es nicht der Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof sowie der wirtschaftlichen Wirklichkeit der betreffenden Einheit entspräche, wenn man der Auffassung der Kommission folgte.

    74. Nach alledem steht der Umstand, dass nennenswerte Betriebsmittel eines Busunternehmens für den regionalen Verkehr nicht auf ein anderes gleiches Unternehmen übergegangen sind, der Anwendung der Richtlinie 77/187 entgegen.

    Ergebnis

    75. Somit möchte ich dem Gerichtshof vorschlagen, auf die Fragen des Korkein Oikeus wie folgt zu antworten:

    1. Übernimmt ein Unternehmen, das eine juristische Person des Privatrechts ist, nach einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge gemäß der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge Tätigkeiten im Landverkehr - im vorliegenden Fall den Betrieb regionaler Buslinien -, die bisher von einem anderen Unternehmen, das eine juristische Person des Privatrechts ist, verrichtet wurden, so kann dies in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen fallen, wie er in deren Artikel 1 Absatz 1 beschrieben ist.

    2. Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 ist dahin auszulegen, dass

    a) diese Vorschrift anwendbar sein kann, wenn zwischen zwei Unternehmen, die von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts nach einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge gemäß der Richtlinie 92/50 nacheinander mit dem Betrieb eines Landverkehrs - wie dem Betrieb regionaler Buslinien - beauftragt worden sind, eine unmittelbare vertragliche Beziehung fehlt;

    b) diese Vorschrift nicht anwendbar ist, wenn keine nennenswerten Betriebsmittel zwischen den beiden genannten Unternehmen übertragen worden sind.

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