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Document 61997CC0384

Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 28. Oktober 1999.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Griechenland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Wasserverschmutzung - Verpflichtung zur Aufstellung von Programmen zur Verringerung der Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe - Nichtumsetzung der Richtlinie 76/464/EWG.
Rechtssache C-384/97.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 I-03823

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1999:529

61997C0384

Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 28. Oktober 1999. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Griechenland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Wasserverschmutzung - Verpflichtung zur Aufstellung von Programmen zur Verringerung der Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe - Nichtumsetzung der Richtlinie 76/464/EWG. - Rechtssache C-384/97.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-03823


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen die Hellenische Republik wegen Nichtumsetzung der Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft(1) erhoben.

2 Sie legt der griechischen Regierung im wesentlichen zur Last, sie habe keine Programme einschließlich Qualitätszielen und Durchführungsfristen zur Verringerung der Gewässerverschmutzung durch bestimmte im Anhang der Richtlinie genannte Stoffe aufgestellt. Sie habe auch Ableitungen in Gewässer, die diese Stoffe enthalten könnten, nicht von einer vorherigen Genehmigung der zuständigen Behörde abhängig gemacht, in der an den Qualitätszielen der Entschmutzungsprogramme ausgerichtete Emissionsnormen festgelegt seien.

I - Die Richtlinie 76/464

3 Laut der ersten Begründungserwägung der Richtlinie "ist [es] notwendig, daß die Mitgliedstaaten schnellstens eine umfassende und gleichzeitige Aktion zum Schutz der Gewässer der Gemeinschaft gegen Verschmutzung, insbesondere durch bestimmte langlebige, toxische, biologische akkumulierbare Stoffe, durchführen".

4 Mit dieser Aktion soll die Gewässerverschmutzung durch bestimmte besonders gefährliche Stoffe, die in einer sogenannten "Liste I" aufgeführt sind, beseitigt und durch andere gefährliche Stoffe, die in einer "Liste II" genannt sind, verringert werden; beide Listen sind im Anhang der Richtlinie enthalten(2). Die Mitgliedstaaten haben geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ziele zu erreichen(3).

5 Die Liste I "umfaßt bestimmte einzelne Stoffe [im Anhang aufgeführter] Stoffamilien oder -gruppen, die hauptsächlich auf Grund ihrer Toxizität, ihrer Langlebigkeit, ihrer Bioakkumulation auszuwählen sind, mit Ausnahme von biologisch unschädlichen Stoffen und Stoffen, die rasch in biologisch unschädliche Stoffe umgewandelt werden"(4).

6 Nach den Artikeln 3 und 5 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten jede Ableitung von Stoffen der Liste I in Gewässer von einer Genehmigung der zuständigen Behörde abhängig zu machen und Emissionsnormen festzusetzen, die bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen. Diese Grenzwerte werden gemäß Artikel 6 vom Rat festgelegt.

7 Die Liste II umfaßt insbesondere die Stoffe der Liste I, für die der Rat noch keine Grenzwerte festgelegt hat(5).

8 Gemäß Artikel 7 Absätze 1 und 3 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten Programme zur Verringerung der Gewässerverschmutzung (im folgenden: Programme) aufzustellen, die Qualitätsziele für die Gewässer umfassen müssen. Nach Artikel 7 Absatz 2 bedarf jede Ableitung in Gewässer, die einen der Stoffe der Liste II enthalten kann, einer vorherigen Genehmigung durch die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats, in der die Emissionsnormen festgesetzt werden. Diese sind an den Qualitätszielen gemäß Absatz 3 auszurichten. Nach Absatz 5 werden "in den Programmen ... die Fristen für ihre Durchführung festgelegt".

9 Nach Artikel 7 Absatz 6 der Richtlinie werden "die Programme und die Ergebnisse ihrer Durchführung ... der Kommission in zusammenfassenden Übersichten mitgeteilt".

10 Die Richtlinie legt keine Umsetzungsfrist fest. Nach ihrem Artikel 12 Absatz 2 übermittelt die Kommission jedoch, "soweit möglich binnen 27 Monaten nach Bekanntgabe [der] Richtlinie, ihre ersten Vorschläge gemäß Artikel 7 Absatz 7"(6). Nach Artikel 7 Absatz 7 der Richtlinie nimmt die Kommission "mit den Mitgliedstaaten regelmäßig eine Gegenüberstellung [der] Programme im Hinblick auf eine ausreichende Harmonisierung ihrer Durchführung vor. Sie unterbreitet dem Rat, wenn sie es für erforderlich hält, einschlägige Vorschläge."

11 Da die Liste I im wesentlichen nur Stoffamilien und -gruppen aufführt, erachtete es die Kommission für erforderlich, vor der Festlegung der Emissionsgrenzwerte oder Qualitätsziele die einzelnen Stoffe zu benennen, die unter diese Kategorien fallen.

12 Sie erstellte in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Liste von 129 einzelnen Stoffen, die sie ihrer Mitteilung an den Rat vom 22. Juni 1982 über die gefährlichen Stoffe im Sinne der Liste I der Richtlinie 76/464(7) als Anlage beifügte.

13 Der Rat stellte in einer Entschließung vom 7. Februar 1983 zur Bekämpfung der Gewässerverschmutzung(8) klar, daß die Gemeinschaft diese Liste von 129 Stoffen der weiteren Arbeit zur Durchführung der Richtlinie zugrunde legen werde.

14 Später wurden in diese Liste noch drei weitere Stoffe aufgenommen. Für 18 dieser insgesamt 132 Stoffe legte der Rat Emissionsgrenzwerte und Qualitätsziele fest, 15 weitere sind Gegenstand eines Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/464(9), den die Kommission am 14. Februar 1990 vorlegte.

15 Die übrigen 99 Stoffe sollen zwar zur Liste I gehören, aber solange der Rat für sie noch keine Emissionsgrenzwerte festgesetzt hat, gilt für sie, wie sich aus Liste II erster Gedankenstrich ergibt, die Regelung für Stoffe der Liste II.

II - Das Vertragsverletzungsverfahren

16 Mit Mahnschreiben vom 27. Dezember 1990 warf die Kommission gegenüber der griechischen Regierung die Frage nach der Durchführung von Artikel 7 der Richtlinie in Griechenland auf. Sie erinnerte daran, daß die Gemeinschaft eine Liste von 132 Stoffen erstellt habe, die der Liste I des Anhangs der Richtlinie zuzuordnen seien. 33 dieser Stoffe seien bereits Gegenstand spezieller Richtlinien oder Richtlinienvorschläge. Damit verbleibe eine Liste von 99 Stoffen, für die eine Regelung weder bestehe noch bald zu erwarten sei und für die deshalb die Verpflichtungen aus Artikel 7 gälten.

17 Die Kommission bat - wie schon in früheren Schreiben - darum, ihr eine auf dem neuesten Stand befindliche Liste derjenigen dieser 99 Stoffe, die in griechische Gewässer abgeleitet würden, die bei Genehmigung dieser Ableitungen in den verschiedenen betroffenen Regionen geltenden Qualitätsziele und gegebenenfalls die Gründe für die versäumte Aufstellung dieser Ziele sowie einen Zeitplan für ihre künftige Aufstellung mitzuteilen.

18 Schließlich äußerte die Kommission in dem Mahnschreiben die Auffassung, daß Artikel 7 der Richtlinie nicht eingehalten worden sei und daß die griechische Regierung ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie und dem Vertrag nicht erfuellt habe. Sie räumte der Hellenischen Republik gemäß Artikel 169 des Vertrages eine zweimonatige Frist zur Stellungnahme ein.

19 Die Kommission hatte diesem Schreiben die Liste der 99 Stoffe nicht beigefügt. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, wies sie in einem ergänzenden Schreiben vom 5. Oktober 1993 darauf hin, daß die Liste der 132 Stoffe in ihrer oben bereits erwähnten Mitteilung an den Rat vom 22. Juni 1982 wiedergegeben sei(10), daß der Rat diese Mitteilung mit seiner Entschließung vom 7. Februar 1983 bestätigt habe und daß zusätzlich drei weitere Stoffe in die Liste aufgenommen worden seien. Die vollständige Liste der 99 Stoffe fügte die Kommission bei.

20 In dem Schreiben ersuchte die Kommission die griechische Regierung ein weiteres Mal, innerhalb von zwei Monaten zur Ausarbeitung und Durchführung der Programme Stellung zu nehmen.

21 Mit Schreiben vom 12. August 1994 antwortete die Hellenische Republik, gegenüber einem ihrer vorangegangenen Schreiben habe sich als einziger neuer Gesichtspunkt ergeben, daß zwischenzeitlich ein Vertrag mit der Ägäis-Universität über die Durchführung einer speziellen Studie unterzeichnet worden sei. Sie gab außerdem verschiedene Erläuterungen zum Vorkommen der von der Richtlinie erfaßten Stoffe in Griechenland.

22 In diesem Zusammenhang führte sie aus, 32 unter die eine oder die andere Liste fallende Stoffe würden photochemisch oder durch Mikroben abgebaut und nicht unmittelbar in Gewässer abgeleitet. Was Pestizide angehe, so werde ihre Ableitung in Gewässer, mit Ausnahme eines auf Reisfeldern eingesetzten Präparats, vom Landwirtschaftsministerium nicht genehmigt; die Industriebetriebe, die diese Präparate herstellten, leiteten keine Abwässer ab.

23 Neun Stoffe würden in Griechenland nicht vertrieben. 17 Stoffe kämen in Abwässern möglicherweise vor, einer davon werde nicht in oberirdische Gewässer abgeleitet. Hinsichtlich zehn weiterer und der Stoffe, zu denen sie keine Informationen vorlegte, teilte die griechische Regierung mit, zu ihnen werde eine Studie in Auftrag gegeben, um Daten über ihren Konzentrationsgrad in Industrieabfällen und über das etwaige Vorkommen der anderen Stoffe der Liste II in Gewässern zu erheben.

24 Was die Genehmigung von Abwässereinleitungen, die bestimmte der 99 Stoffe der Liste II enthalten könnten, in aufnehmende Gewässer angehe, so würde sie von den für die Gewässerreinhaltung zuständigen Behörden erteilt, sofern die Qualitätsziele für jedes aufnehmende Gewässer, dessen Nutzung durch Präfekturerlaß festgelegt sei, eingehalten würden.

25 Die Kommission hat hieraus den Schluß gezogen, daß die griechische Regierung für 72 der 99 Stoffe der Liste II nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Verringerung der Gewässerverschmutzung durch diese Stoffe ergriffen habe, da sie insoweit entweder keine Angaben gemacht oder das mögliche Vorkommen bestimmter Stoffe in Gewässern eingeräumt oder aber nicht hinreichend genaue Angaben übermittelt habe.

26 Da die Kommission somit die Verpflichtungen aus der Richtlinie für nicht erfuellt erachtete, stellte sie der Hellenischen Republik am 23. Dezember 1996 eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu, in der die Griechenland zur Last gelegten Versäumnisse im einzelnen aufgeführt waren.

27 Mit Schreiben vom 20. März 1997 übermittelte die griechische Regierung der Kommission weitere Informationen, die sich auf das nach ihren Angaben 1996 in Betrieb genommene ständige Überwachungsnetz für Stoffe der Liste I der Richtlinie, auf Maßnahmen der zuständigen Behörden zu Stoffen der Liste II und insbesondere auf eine von der Ägäis-Universität angeforderte Studie über das Vorkommen von Stoffen der Liste II in Griechenland bezogen. Je nach dem Ergebnis dieser Studie sei vorgesehen, für diese Stoffe ebenfalls ein ständiges Überwachungsnetz einzurichten und Programme zu ihrer Verringerung einzuleiten.

III - Zur Vertragsverletzungsklage

Vorbringen der Parteien

28 Die Kommission rügt, die Hellenische Republik habe zum einen keine Programme zur Verringerung der Gewässerverschmutzung durch die Ableitung bestimmter Stoffe aufgestellt und zum anderen solche Ableitungen nicht von einer vorherigen Genehmigung der zuständigen Behörde, in der an den Qualitätszielen der Programme ausgerichtete Emissionsnormen festgesetzt seien, abhängig gemacht.

29 Zur Begründung ihrer Klage führt sie aus, auch wenn es für die Richtlinie keine Umsetzungsfrist gebe, hätten die Mitgliedstaaten ihr die Programme zur Verringerung der Gewässerverschmutzung durch Stoffe der Liste II gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie spätestens bis zum 5. August 1978 mitteilen müssen. Da sie eine solche Mitteilung nicht erhalten habe, habe sie den Mitgliedstaaten mit Schreiben vom 3. November 1976 vorgeschlagen, ihr die Programme bis zum 15. September 1981 zu übermitteln; dem hätten die Mitgliedstaaten nicht widersprochen.

30 Gemäß Artikel 7 der Richtlinie hätte die Hellenische Republik Programme für die fraglichen 99 Stoffe und die in Liste II zweiter Gedankenstrich genannten Stoffamilien und -gruppen(11) aufstellen müssen. Ihre Klage sei jedoch auf die 99 Stoffe gemäß Liste II erster Gedankenstrich beschränkt, da nur sie in ihren Mahnschreiben und ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme genannt worden seien.

31 Die Kommission beantragt daher, festzustellen, daß die Hellenische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag und aus Artikel 7 der Richtlinie verstoßen habe, indem sie keine Programme einschließlich Qualitätszielen und Durchführungsfristen zur Verringerung der Gewässerverschmutzung durch die 99 gefährlichen Stoffe der Liste II erster Gedankenstrich des Anhangs der Richtlinie aufgestellt und demgemäß Ableitungen in Gewässer, die einen der Stoffe aus Liste II enthalten könnten, nicht von einer vorherigen Genehmigung der zuständigen Behörde, in der an den Qualitätszielen der Programme ausgerichtete Emissionsnormen festgelegt seien, abhängig gemacht habe.

32 Die Hellenische Republik tritt der Klage entgegen. Sie macht geltend, seit ihrem Antwortschreiben vom 20. März 1997 sei eine neue Sachlage eingetreten, denn inzwischen sei die genannte Studie an die Ägäis-Universität tatsächlich vergeben worden. Aus einem Bericht der Universität gehe hervor, daß die griechischen Stellen zum Schutz der aufnehmenden Gewässer Rechtsvorschriften erlassen, konkrete Verwaltungsmaßnahmen ergriffen und Qualitätsziele zum Schutz dieser Gewässer gegen jede mögliche Ableitung infolge der Verwendung der streitigen gefährlichen Stoffe festgesetzt hätten.

33 In ihrer Klagebeantwortung verweist die Hellenische Republik auf verschiedene nationale Rechtsakte - interministerielle, departementsübergreifende, Departements- und Präfekturerlasse, einen interministeriellen Beschluß und die Entscheidung eines Direktors einer Region -, die für Abfälle, die in Gewässer abgeleitet werden könnten, bestimmte Verbote und Beschränkungen vorsähen.

34 Sie verweist weiter auf die verfügbaren Angaben zur Einfuhr von 17 der 25 unter Liste II fallenden Pflanzenschutzmittel nach Griechenland zwischen 1983 und 1989. Zwar würden manche Pflanzenschutzmittel in großem Umfang eingeführt, jedoch hätten sich Pflanzenschutzmittel bei Analysen oberirdischer Gewässer im Auftrag des Umweltministeriums nicht in Mengen nachweisen lassen, die ein Verschmutzungsrisiko verursachen könnten.

35 Nach der derzeit erstellten Studie seien 24 der 52 autonomen Departementsverwaltungen keine Tätigkeiten in ihrem Gebiet bekannt, bei denen Abfälle entstuenden, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission genannte Stoffe enthielten. Für die übrigen autonomen Departementsverwaltungen sei die Studie noch nicht abgeschlossen, weshalb insoweit noch keine vollständigen Daten vorgelegt werden könnten.

36 Sie habe ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie erfuellt. So seien für die aufnehmenden Gewässer, für die dies erforderlich sei, Qualitätsziele festgelegt und außerdem für Abfälle in fluessiger Form, die in oberirdische Gewässer abgeleitet würden, Hoechstwerte vorgeschrieben worden. Im übrigen falle jeder Teil des Staatsgebiets mindestens in eine der drei folgenden Kategorien: Departements, in denen Qualitätsziele festgelegt worden seien, Departements, in denen Hoechstwerte für Ableitungen in aufnehmende Gewässer festgelegt worden seien, oder Departements ohne Industrietätigkeit, bei denen Abfälle entstuenden, die einen der 99 Stoffe der Liste II enthalten könnten.

37 Die Kommission weist in ihrer Erwiderung darauf hin, daß die an die Ägäis-Universität vergebene Studie zu den Präventivmaßnahmen gehöre, die getroffen werden müßten, um die in Artikel 7 der Richtlinie genannten Programme entwickeln zu können. Dies belege, daß diese Programme noch nicht existierten.

38 Die von der Hellenischen Republik angeführten nationalen Vorschriften könnten nicht als Programme im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie gelten, da sie der Umsetzung anderer gemeinschaftlicher Richtlinien dienten. Die Programme seien ihr noch nicht mitgeteilt worden.

39 Die Hellenische Republik könne keine Qualitätsziele ohne Emissionsnormen für Abfälle festlegen. Umgekehrt könne die Festsetzung von Emissionshöchstwerten für die verschiedenen Stoffe auch nicht an die Stelle der Verpflichtung treten, zur Verringerung der Verschmutzung im Einklang mit der Richtlinie Qualitätsziele festzulegen. Das Fehlen von Industrieanlagen entbinde die Hellenische Republik nicht von der Verpflichtung, für solche Regionen Programme aufzustellen.

40 Die beklagte Regierung habe die Qualitätsziele nur für eine begrenzte Zahl von Regionen und nur für bestimmte Stoffe der Liste II festgelegt. Diesen Qualitätszielen liege keine konkrete Studie zugrunde, aus der hervorgehe, welche Verschmutzung bestehe und mit welcher Methode sie verringert werden könne. Sie ließen sich deshalb nicht im Lichte der Richtlinie beurteilen. Sie seien auch nicht, wie es die Richtlinie vorschreibe, an die Verringerung einer bestehenden Verschmutzung gebunden, sondern an spezielle, in anderen Richtlinien vorgesehene Ziele.

41 Die griechische Regierung entgegnet hierauf, die erste Phase der bei der Ägäis-Universität in Auftrag gegebenen Studie - Bestandsaufnahme der Verschmutzungsquellen und der toxischen Stoffe der Liste II, Bewertung der erhobenen Daten, Auflistung der Stoffe, die in griechischen Gewässern vorkommen könnten, und Entwicklung eines Überwachungsnetzes für oberirdische Gewässer - sei bereits abgeschlossen. Die zweite Phase der Studie - Probeentnahmen und Analysen von aufnehmenden oberirdischen Gewässern, vorläufige technische Berichte über die Ergebnisse der Entnahmen und ein vollständiger Bericht mit Programmen zur Verringerung von Ableitungen der fraglichen Stoffe - solle im Juli 1998 beginnen und sechzehn Monate dauern.

42 Für das gesamte Staatsgebiet sei eine Bestandsaufnahme der Verschmutzungsquellen durchgeführt worden, und das Überwachungsnetz erstrecke sich auf fast alle oberirdischen Gewässer auf griechischem Gebiet und die Industriebetriebe, die Abwässer mit Stoffen der Liste II ableiteten. Für bestimmte oberirdische Gewässer und bestimmte Stoffe aus Liste II seien Maßnahmen zur Festsetzung von Qualitätszielen getroffen worden. Die griechische Regierung beruft sich in diesem Zusammenhang auf den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten Grundsatz, daß die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendig eine förmliche und wörtliche Übernahme ihres Inhalts in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift erfordere und je nach dem Inhalt der Richtlinie ein allgemeiner rechtlicher Kontext genügen könne(12).

Würdigung der Klagegründe

43 Im Zusammenhang mit dem ersten Klagegrund, wonach die Hellenische Republik die Aufstellung von Programmen versäumt habe, macht die Kommission geltend, Griechenland sei als Mitgliedstaat dazu verpflichtet gewesen, eine Bestandsaufnahme der Verschmutzung der Binnen- und Küstengewässer durch die 99 Stoffe der Liste II vorzunehmen und auf dieser Grundlage das Programm zur Verringerung der Verschmutzung aufzustellen, das die Qualitätsziele und Fristen zu ihrer Durchführung enthalten müsse(13).

44 Nicht ohne eine gewisse Widersprüchlichkeit erklärt die beklagte Regierung, sie habe ihre Verpflichtungen erfuellt, räumt aber gleichzeitig ein, daß die an die Ägäis-Universität vergebene Studie, mit der eine Art Bestandsaufnahme der Gewässerverschmutzung in Griechenland durch Stoffe der Liste II erfolgen sollte, um auf dieser Grundlage in einem Abschlußbericht den Inhalt der Programme beschreiben zu können, im Juli 1998 noch nicht fertiggestellt war. Nach ihren Angaben soll die Studie erst 16 Monate später, also im Dezember 1999, abgeschlossen werden(14).

45 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, die bei Ablauf der Frist besteht, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und können später eingetretene Veränderungen nicht mehr berücksichtigt werden(15).

46 Die beklagte Regierung räumt selbst ein, daß der die "Bestandsaufnahme" enthaltende Teil der Studie, mit dem zur Vorbereitung der Ausarbeitung der Programme im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 die Verschmutzungsquellen der griechischen Gewässer ermittelt werden sollten, noch nicht in allen autonomen Departementsverwaltungen abgeschlossen war, "weshalb noch keine vollständigen Daten über den Grad der Verschmutzung der oberirdischen Gewässer durch die Stoffe, auf die sich die Studie bezieht, vorgelegt werden können"(16).

47 Selbst wenn der von den griechischen Behörden angeforderte Abschlußbericht zum vorgesehenen Zeitpunkt abgeschlossen wird, steht fest, daß die von der Richtlinie vorgeschriebenen Programme bei Erhebung der vorliegenden Klage(17) noch nicht aufgestellt waren. Insoweit genügt der Hinweis, daß die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission, der die griechische Regierung binnen zwei Monaten nachkommen sollte, am 23. Dezember 1996 zugestellt wurde. Wie sich aus Anlage II der Klagebeantwortung der Hellenischen Republik ergibt und zu Recht auch von der Kommission hervorgehoben wurde, wurde hingegen der Untersuchungsauftrag mit Beschluß vom 4. Juni 1997 erteilt(18).

48 Daß die von der Ägäis-Universität zu fertigende Studie bei Ablauf der von der Kommission gesetzten Frist noch nicht abgeschlossen war, läßt den ersten Klagegrund der Kommission meines Erachtens bereits für sich allein durchgreifen, denn es ergibt sich aus der Natur der Sache, daß die Programme damit noch nicht aufgestellt waren.

49 Der Vollständigkeit halber ist jedoch auch das weitere Vorbringen der griechischen Regierung zu prüfen, wonach die Umsetzung der Richtlinie in das innerstaatliche Recht jedenfalls durch verschiedene Rechtsakte gesichert war.

50 Die gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie aufzustellenden Programme sind in früheren Rechtssachen, denen Klagen gegen andere Mitgliedstaaten zugrunde lagen, vom Gerichtshof klar definiert worden.

51 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen sie spezifischer Art sein. So hat der Gerichtshof ausgeführt: "Der spezifische Charakter der fraglichen Programme besteht darin, daß diese ein kohärentes Gesamtkonzept darstellen müssen, das den Charakter einer konkreten, gegliederten Planung für das gesamte nationale Hoheitsgebiet hat und sich auf die Verringerung der Verschmutzung bezieht, die durch alle Stoffe der Liste II verursacht worden ist, die in Verbindung mit den Qualitätszielen für die aufnehmenden Gewässer im nationalen Rahmen jedes einzelnen Mitgliedstaats von Bedeutung sind. Sie unterscheiden sich daher ... von einem Komplex punktueller Maßnahmen zur Verringerung der Gewässerverschmutzung"(19).

52 Die von der beklagten Regierung angeführten griechischen Rechtsvorschriften sind aber ihrer Art nach disparat.

53 Da die griechische Regierung einräumt, daß bestimmte Teile des Staatsgebiets weder von Maßnahmen, mit denen Qualitätsziele festgesetzt wurden, noch von rechtlich bindenden Emissionsnormen erfaßt sind(20), erkennt sie an, daß die behauptete Umsetzung der Richtlinie nicht dem nach dieser erforderlichen Gesamtkonzept entspricht.

54 Die Hellenische Republik rechtfertigt diese und die darauf beruhenen Versäumnisse, daß die erlassenen Emissionsnormen ortsabhängig nur einen Teil der Stoffe aus Liste II erfassen, damit(21), daß es in dem betroffenen Gebietsteil keine industriellen Tätigkeiten gebe, bei denen die fraglichen Stoffe enthaltende Abfälle entstehen könnten.

55 Wie die Kommission zu Recht einwendet, ist dieses Argument jedoch nicht stichhaltig, da in den Regionen, für die bindende Emissionsnormen nicht festgesetzt wurden, verschmutzende Tätigkeiten jederzeit entstehen und sich entwickeln können. Ein Mitgliedstaat würde daher den Zweck der Richtlinie verkennen, wenn er bestimmte Teile seines Gebietes von vornherein und endgültig vom Geltungsbereich der nationalen Umsetzungsvorschriften ausnähme.

56 Was speziell die Programme und die darin festzulegenden Qualitätsziele angeht, so ist der Kommission darin zu folgen, daß auch eine Region ohne industrielle Tätigkeiten erheblichen Verschmutzungsrisiken durch andere - etwa landwirtschaftliche - Tätigkeitsarten oder durch verschmutzende Tätigkeiten in anderen Regionen ausgesetzt sein kann und daß daher eine vollständig flächendeckende, richtlinienkonforme Regelung konkret gerechtfertigt ist.

57 Dem Erfordernis einer das gesamte Staatsgebiet abdeckenden Planung zur Verringerung der Verschmutzung durch sämtliche Stoffe der Liste II ist auch deshalb nicht genügt, weil einige der angeführten nationalen Bestimmungen für die Ableitung bestimmter Stoffe Hoechstwerte vorsehen, ohne daß zuvor Qualitätsziele festgelegt wurden(22). Nur durch diese Ziele aber, deren Festlegung die Richtlinie vorschreibt, kann gewährleistet werden, daß der Gewässerzustand regelmäßig überprüft und das Niveau zuvor erlassener Emissionsnormen, die sich als unzureichend erweisen, entsprechend angepaßt wird. Ihre Festlegung bildet deshalb eine echte Erfolgsverpflichtung der Mitgliedstaaten, die einen wirksamen Umweltschutz gewährleistet.

58 Auch soweit die angeführten Vorschriften Qualitätsziele vorsehen, hat die griechische Regierung keine Fristen für die Durchführung dieser Ziele festgelegt.

59 Wenn die Hellenische Republik ferner in ihrer Gegenerwiderung ausführt, "sämtliche oberirdischen Gewässer [würden] durch ein dichtes Netz zur Überwachung ihrer Qualität im Hinblick auf das Vorkommen von Stoffen der Liste II der Richtlinie kontrolliert"(23), so ist darauf hinzuweisen, daß sie noch in ihrer Klagebeantwortung, also geraume Zeit nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, eindeutig zum Ausdruck gebracht hatte, daß dieses Netz nicht existiere. Sie hatte dort nämlich ausgeführt, daß die Ägäis-Universität "mit der Schaffung eines Netzes zur Überwachung der aufnehmenden oberirdischen Gewässer im ganzen Land beauftragt worden" sei(24).

60 Schließlich verfolgen die von den griechischen Stellen erlassenen Regelungen zwar unbestreitbar Ziele des Umwelt- und insbesondere des Gewässerschutzes, aber sie scheinen dennoch weder im Geiste der Richtlinie konzipiert zu sein noch ihre Umsetzung zu gewährleisten. Wie der Gerichtshof bereits zu anderen nationalen Vorschriften, die angeblich ebenfalls der Umsetzung der Richtlinie dienen sollten, ausführte, stellt auch die Regelung der Hellenischen Republik "nur eine Reihe von punktuellen Normierungen dar, die kein organisiertes oder gegliedertes System von Qualitätszielen für den jeweiligen Wasserlauf oder die jeweilige Wasserfläche bildet"(25). Sie kann deshalb nicht als ein Programm im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie angesehen werden.

61 Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den ersten Klagegrund der Kommission für durchgreifend zu erachten.

62 Der zweite Klagegrund ist mit dem ersten eng verknüpft, denn da die griechische Regierung nicht die Programme gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie aufgestellt hatte, konnten die Genehmigungen nach Artikel 7 Absatz 2 nicht erteilt werden.

63 Nach der Rechtsprechung "ergibt sich nämlich [aus Artikel 7 Absatz 2], daß die fraglichen Genehmigungen Emissionsnormen für die einzelnen genehmigten Ableitungen enthalten müssen, die gemäß den Qualitätszielen berechnet worden sind, die zuvor in einem Programm nach Artikel 7 Absatz 1 zum Schutz der betreffenden stehenden und fließenden Gewässer festgelegt worden sind. Wenn der erste Klagegrund durchgreift, geht der zweite somit in ihm auf und verliert seine eigenständige Bedeutung, so daß er nicht mehr geprüft zu werden braucht"(26).

64 Da die Programme gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie nicht existierten, konnte ein System vorheriger Genehmigungen gemäß Artikel 7 Absatz 2 nicht geschaffen werden. Der zweite Klagegrund braucht deshalb nicht mehr geprüft zu werden.

Ergebnis

65 Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

- festzustellen, daß die Hellenische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag und aus Artikel 7 der Richtlinie verstoßen hat, indem sie keine Programme einschließlich Qualitätszielen und Durchführungsfristen zur Verringerung der Gewässerverschmutzung durch die 99 Stoffe, die unter Liste II erster Gedankenstrich des Anhangs der Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft fallen, aufgestellt und demgemäß die Ableitungen in Gewässer, die einen dieser Stoffe enthalten können, nicht von einer vorherigen Genehmigung der zuständigen Behörde, in der an den Qualitätszielen der Programme ausgerichtete Emissionsnormen festgesetzt sind, abhängig gemacht hat;

- der Hellenischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

(1) - ABl. L 129, S. 23; im folgenden: Richtlinie.

(2) - Artikel 2.

(3) - Ebenda.

(4) - Anhang der Richtlinie.

(5) - Liste II erster Gedankenstrich des Anhangs der Richtlinie.

(6) - Die Richtlinie wurde am 5. Mai 1976 bekanntgegeben.

(7) - ABl. C 176, S. 3.

(8) - ABl. C 46, S. 17.

(9) - ABl. C 55, S. 7. Artikel 2.

(10) - Diese im Schreiben der Kommission genannte Zahl ist nicht genau, da diese Liste nur die ersten 129 Stoffe enthält. Man erreicht diese Zahl aber, indem man die drei ergänzend aufgenommenen Stoffe hinzuzählt.

(11) - Diese Bestimmung bezieht sich auf "bestimmte einzelne Stoffe und bestimmte Stoffkategorien aus den ... Stoffamilien und Stoffgruppen [des zweiten Gedankenstrichs], die für die Gewässer schädlich sind, wobei die schädlichen Auswirkungen jedoch auf eine bestimmte Zone beschränkt sein können und von den Merkmalen des aufnehmenden Gewässsers und der Lokalisierung abhängen".

(12) - Urteile vom 1. Oktober 1991 in den Rechtssachen C-13/90 (Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-4327), C-14/90 (Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-4331) und C-64/90 (Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-4335).

(13) - Klageschrift, Nr. 20.

(14) - Gegenerwiderung, Nr. 2.

(15) - Urteil vom 25. November 1998 in der Rechtssache C-214/96 (Kommission/Spanien, Slg. 1998, I-7661, Randnr. 25).

(16) - Französische Übersetzung der Klagebeantwortung, S. 31.

(17) - Vertragsverletzungsklage vom 6. November 1997, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 10. November 1997.

(18) - Auftrag zur Untersuchung des Themas "Ermittlung des Stands der Verschmutzung der oberirdischen Gewässer durch toxische Stoffe aus Liste II, die unter Liste I der Richtlinie 76/464/EWG fallen können, und Organisation/Betrieb eines Netzes zur Qualitätsüberwachung der oberirdischen Gewässer im Hinblick auf die ermittelten verschmutzenden Stoffe".

(19) - Urteil vom 21. Januar 1999 in der Rechtssache C-207/97 (Kommission/Belgien, Slg. 1999, I-275, Randnr. 40).

(20) - Französische Übersetzung der Klagebeantwortung, S. 33, zweiter Absatz.

(21) - Ebenda, S. 11, 14 und 30.

(22) - Vgl. z. B. die auf S. 18 der französischen Übersetzung der Klagebeantwortung genannten Präfekturerlasse. Die griechische Regierung hat weiter ausgeführt, daß "Qualitätsziele bereits festgesetzt wurden für die aufnehmenden Gewässer, die durch Ableitungen gefährlicher Stoffe der Liste II besonders belastet sind, ... für andere aufnehmende Milieus, für die Probleme der Ableitung von Stoffen der Liste II nicht bestehen ... das Verfahren für die Festlegung von Qualitätszielen ist eingeleitet worden, denn diese Frage soll mittels einer Studie ... der Ägäis-Universität umfassend angegangen werden" (Gegenerwiderung, Nr. 5, Hervorhebung von mir).

(23) - Nr. 5 Buchstabe d.

(24) - Französische Übersetzung, S. 33, vierter Absatz.

(25) - Urteil Kommission/Spanien (Randnr. 30).

(26) - Urteil vom 11. Juni 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-232/95 und C-233/95 (Kommission/Griechenland, Slg. 1998, I-3343, Randnrn. 28 f., Hervorhebung von mir).

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