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Document 61993TO0002(01)

Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 17. April 1996.
British Airways gegen Air France.
Wettbewerb - Kostenfestsetzung.
Rechtssache T-2/93 DEPE.

Sammlung der Rechtsprechung 1996 II-00235

ECLI identifier: ECLI:EU:T:1996:48

61993B0002(01)

Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 17. April 1996. - British Airways gegen Air France. - Wettbewerb - Kostenfestsetzung. - Rechtssache T-2/93 DEPE.

Sammlung der Rechtsprechung 1996 Seite II-00235


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Tenor

Schlüsselwörter


++++

Verfahren ° Kosten ° Erstattungsantrag ° Frist für die Antragstellung ° Festsetzung ° Erstattungsfähige Kosten ° Begriff ° Zu berücksichtigende Faktoren

(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 91 Buchstabe b und Artikel 92 § 1)

Leitsätze


Macht der Inhaber eines Kostenerstattungsanspruchs diesen innerhalb von etwa einem Jahr geltend, so überschreitet er damit nicht den angemessenen Zeitraum, nach dessen Ablauf davon ausgegangen werden dürfte, daß er auf seinen Anspruch verzichtet hat.

Da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, hat das Gericht bei der Kostenfestsetzung nach Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Gegebenheiten des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei dem Gegenstand und der Art des Rechtsstreits, seiner Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinem Schwierigkeitsgrad, dem Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und dem wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten am Ausgang des Rechtsstreits Rechnung zu tragen; dagegen braucht es dabei weder eine nationale Gebührenordnung für Rechtsanwälte noch eine eventuelle Gebührenvereinbarung zwischen dem betroffenen Beteiligten und seinen Bevollmächtigten oder Beiständen zu berücksichtigen.

Die einem Streithelfer entstandenen Übersetzungskosten sind im allgemeinen keine für das Verfahren notwendigen Aufwendungen im Sinne von Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung. Anders kann es sich jedoch insoweit verhalten, als die Übersetzungskosten durch eine Verringerung des Zeitaufwands der Anwälte des Streithelfers für den Fall ausgeglichen werden.

Da das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung berücksichtigt, ist über die Kosten der Beteiligten im Kostenfestsetzungsverfahren nicht gesondert zu entscheiden.

Entscheidungsgründe


Verfahren

1 Mit Klageschrift, die am 5. Januar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Société anonyme à participation ouvrière Compagnie nationale Air France (im folgenden: Klägerin oder Air France) gemäß Artikel 173 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 27. November 1992 (IV/M.259 ° British Airways/TAT) betreffend ein Verfahren der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung veröffentlicht im ABl. 1990, L 257, S. 13). Der fragliche Zusammenschluß betraf den Erwerb von 49,9 % des Kapitals der Gesellschaft TAT European Airlines durch British Airways, wobei die restlichen 50,1 % des Kapitals weiterhin von der TAT SA gehalten wurden.

2 Mit Beschluß vom 15. Juli 1993 hat das Gericht das Vereinigte Königreich sowie British Airways und die TAT SA als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

3 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahmen zu eröffnen.

4 Die Beteiligten sind in der Sitzung vom 23. Februar 1994 mit ihren mündlichen Ausführungen und ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts angehört worden.

5 Mit Urteil vom 19. Mai 1994 hat das Gericht die Klage abgewiesen und Air France ihre eigenen Kosten sowie u. a. die Kosten der Streithelferin British Airways auferlegt.

6 Mit Schreiben an den Rechtsbeistand von Air France vom 31. Juli 1995 verlangte die Rechtsanwaltskanzlei, die British Airways vertreten hatte, von Air France die Erstattung eines Gesamtbetrags von 54 674,98 UKL. Dieser Betrag setzt sich aus Auslagen (Kosten des Zustellungsbevollmächtigten, Übersetzungskosten, Reisekosten, Kosten für Telefongespräche, Faxe, Fotokopien usw.) in Höhe von insgesamt 7 820,47 UKL und einem Honorar von insgesamt 46 854,57 UKL zusammen. Air France beantwortete dieses Schreiben vor der Einreichung des vorliegenden Antrags nicht.

7 Vor diesem Hintergrund hat British Airways mit Antragsschrift, die am 20. November 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, mit dem sie beantragt, die erstattungsfähigen Kosten auf 54 674,98 UKL festzusetzen.

8 Am 8. Januar 1996 hat Air France ihre Stellungnahme zu dem Kostenfestsetzungsantrag eingereicht. Die anderen Beteiligten des Rechtsstreits haben keine Stellungnahme abgegeben.

Zur Zulässigkeit

9 Air France macht geltend, der Kostenfestsetzungsantrag sei nicht zulässig.

10 Air France macht hierfür zunächst geltend, ein Kostenfestsetzungsantrag müsse innerhalb eines angemessenen Zeitraums gestellt werden, der keinerlei Anlaß zu der Annahme biete, daß der erstattungsberechtigte Beteiligte auf seine Rechte verzichtet habe (Beschluß des Gerichtshofes vom 21. Juni 1979 in der Rechtssache 126/76, Dietz/Kommission, Slg. 1979, 2131). Wegen des Zeitraums von vierzehn Monaten, der zwischen dem Erlaß des Urteils des Gerichts und dem Erstattungsverlangen vom 31. Juli 1995 verstrichen sei, ohne daß hierfür eine Erklärung gegeben worden sei, dürfe sie davon ausgehen, daß British Airways auf seinen Kostenerstattungsanspruch verzichtet habe. Zudem handele es sich um ein Honorar und um Auslagen, deren Höhe British Airways bereits vor dem Erlaß des Urteils des Gerichts gekannt habe.

11 Ferner sei der Kostenfestsetzungsantrag als verfrüht anzusehen, da das Gericht gemäß Artikel 92 der Verfahrensordnung nur bei "Streitigkeiten über die erstattungsfähigen Kosten" über diese entscheide. Aus dem Verstreichen von drei Monaten nach dem Erstattungsverlangen vom 31. Juli 1995 allein könne nicht geschlossen werden, daß Air France die Höhe des von British Airways verlangten Betrages bestreite.

12 Das Urteil im Hauptverfahren ist am 19. Mai 1994 erlassen worden und die um die Entfernungsfrist verlängerte Rechtsmittelfrist ist daher am 25. Juli 1994 abgelaufen. Obwohl die Einlegung eines Rechtsmittels keine aufschiebende Wirkung hat, hält es das Gericht für normal, daß eine Partei, die einen Kostenerstattungsanspruch hat, den Ablauf der Rechtsmittelfrist abwartet, bevor sie diesen Anspruch gegenüber der vor dem Gericht unterlegenen Partei geltend macht. Auch daß British Airways danach noch ein Jahr wartete, ehe sie Air France mit Schreiben vom 31. Juli 1995 zur Erstattung der Kosten aufforderte, überschreitet nicht den angemessenen Zeitraum, nach dessen Ablauf davon ausgegangen werden dürfte, daß sie auf ihren Kostenerstattungsanspruch verzichtet hat. Da der vorliegende Antrag kurze Zeit, nachdem Air France mit Schreiben vom 31. Juli 1995 zur Erstattung aufgefordert worden war, gestellt wurde, ist die erste Unzulässigkeitsrüge von Air France zurückzuweisen.

13 Im Hinblick auf die Frage, ob der vorliegende Antrag verfrüht ist, ergibt sich aus den Erklärungen von Air France, daß sie den von British Airways geltend gemachten Erstattungsanspruch der Höhe nach bestreitet. Unter diesen Umständen hat Air France auch dann, wenn man unterstellt, daß der Zeitraum zwischen der Übermittlung des Schreibens vom 31. Juli 1995 und der Stellung des vorliegenden Antrags es ihr nicht ermöglichte, zur Höhe des verlangten Betrages Stellung zu nehmen, kein Interesse daran, geltend zu machen, daß der vorliegende Antrag verfrüht sein könnte.

14 Der vorliegende Antrag ist daher zulässig.

Zur Begründetheit

15 British Airways beantragt, den Betrag, dessen Erstattung sie mit ihrem Schreiben vom 31. Juli 1995 an den Rechtsbeistand von Air France verlange, in voller Höhe zu bestätigen.

16 Zur Begründung dieses Antrags weist British Airways zunächst darauf hin, daß angesichts des erheblichen wirtschaftlichen Interesses, das das Hauptverfahren für sie gehabt habe, eine eingehende Prüfung der aufgeworfenen Fragen und eine detaillierte Ausarbeitung ihres Streithilfeschriftsatzes gerechtfertigt gewesen seien. Zudem habe das Hauptverfahren schwierige und neue Fragen des Gemeinschaftsrechts in bezug auf die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage aufgeworfen.

17 Unter Bezugnahme auf den Beschluß des Gerichts vom 8. März 1995 in der Rechtssache T-2/93 (92) (Air France/Kommission, Slg. 1995, II-533), mit dem über die der Streithelferin TAT SA zu erstattenden Kosten entschieden worden ist, macht British Airways geltend, ein hohes Honorar sei auch durch die Kompliziertheit des Falles gerechtfertigt gewesen.

18 Ihre Auslagen bestuenden im wesentlichen aus Übersetzungskosten. Sie sei eine englische Gesellschaft, auch ihre Anwälte bedienten sich gewöhnlich des Englischen und das Vorverfahren habe auf Englisch stattgefunden. Da das Gericht durch Beschluß vom 15. Juli 1993 ihren Antrag, ausnahmsweise eine andere Sprache als die Verfahrenssprache anwenden zu dürfen, für das schriftliche Verfahren abgelehnt habe, seien ihr Übersetzungskosten entstanden.

19 Air France macht geltend, British Airways habe nur insoweit einen Anspruch auf Erstattung des Honorars, als dieses Aspekte des Rechtsstreits betreffe, in denen Air France unterlegen sei. Air France habe jedoch in der Frage der Zulässigkeit der Klage obsiegt, und der Festsetzungsantrag von British Airways sei daher bezueglich des Honorars als zur Hälfte unbegründet anzusehen.

20 Die Auslagen bestuenden überdies im wesentlichen aus Übersetzungskosten. Das Gericht würde sich jedoch, wenn es British Airways Übersetzungskosten zuerkennen würde, in Widerspruch zu seinem eigenen, schon erwähnten Beschluß vom 15. Juli 1993, setzen, mit dem es abgelehnt habe, British Airways die Einreichung von Schriftstücken in englischer Sprache zu gestatten. British Airways habe daher nur Anspruch auf die Erstattung seiner Kosten für Reisen nach Luxemburg und möglicherweise für Telefongespräche.

21 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung das Gericht, da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, die Gegebenheiten des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei dem Gegenstand und der Art des Rechtsstreits, seiner Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinem Schwierigkeitsgrad, dem Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und dem wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten am Ausgang des Rechtsstreits Rechnung zu tragen hat und daß es zu diesem Zweck weder eine nationale Gebührenordnung für Rechtsanwälte noch eine eventuelle Gebührenvereinbarung zwischen dem betroffenen Beteiligten und seinen Bevollmächtigten oder Beiständen zu berücksichtigen braucht (Beschluß des Gerichtshofes vom 26. November 1985 in der Rechtssache 318/82, Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 3727, und Beschluß des Gerichts vom 8. März 1995, Air France/Kommission, a. a. O.).

22 Wie British Airways selbst in ihrer Antragsschrift ausgeführt hat, besassen ihre Anwälte eine umfassende Kenntnis des Rechtsstreits, da sie British Airways bei ihren Investitionen bei TAT European Airlines beraten und vor der Kommission das Verfahren wegen dieser Investitionen betrieben hatten.

23 Trotz dieser Vorkenntnis der Sache, durch die die Arbeit der Anwälte von British Airways erleichtert wurde, ist festzustellen, daß der Rechtsstreit aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht gewiß von Bedeutung war und sowohl in wirtschaftlicher als auch in rechtlicher Hinsicht die Prüfung neuer und komplizierter Fragen erforderte. Ausserdem hat British Airways sowohl in ihrem Streithilfeschriftsatz als auch in der mündlichen Verhandlung sachdienliche und gegenüber dem Vorbringen der anderen Beteiligten des Rechtsstreits eigenständige Ausführungen gemacht.

24 Ferner ist das Gericht der Ansicht, daß die Natur des Rechtsstreits wie auch das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten an dessen Ausgang ein hohes Honorar rechtfertigen (in diesem Sinn Beschluß des Gerichts vom 8. März 1995, Air France/Kommission, a. a. O., Randnr. 23).

25 Ferner ist der Umstand, daß das Gericht den Anträgen von British Airways in der Frage der Zulässigkeit der Klage T-2/93 nicht gefolgt ist, für die Kostenfestsetzung ohne Bedeutung, da das Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-2/93 Rechtskraft erlangt hat und Air France zur Tragung der gesamten Kosten von British Airways verurteilt worden ist. Der Umstand allein, daß die Anträge von British Airways in diesem Punkt keinen Erfolg hatten, kann daher nicht ausschließen, daß die Kosten für die im Zusammenhang mit dieser Frage stehende Arbeit erstattet werden.

26 Im Hinblick auf die British Airways als Streithelferin entstandenen Übersetzungskosten ist das Gericht der Ansicht, daß solche Kosten im allgemeinen keine für das Verfahren notwendigen Aufwendungen im Sinne von Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung sind. Wie bereits in den Randnummern 22 und 23 festgestellt worden ist, wurde jedoch die Arbeit der Anwälte von British Airways durch den Umstand, daß sie vor dem Gericht von denselben Anwälten wie in dem Verfahren bei der Kommission vertreten worden ist, erleichtert und die Zeit, die diese Anwälte für den Fall aufwenden mussten, verringert. Das Gericht ist daher der Auffassung, daß British Airways gemäß Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung die Erstattung ihrer Übersetzungskosten verlangen kann.

27 Nach alledem ist der Gesamtbetrag der von Air France British Airways zu erstattenden Kosten einschließlich der Auslagen der Rechtsanwälte auf 29 000 UKL festzusetzen.

28 Da das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung berücksichtigt hat, ist über die Kosten der Beteiligten in diesem Nachverfahren nicht gesondert zu entscheiden.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

beschlossen:

Der Gesamtbetrag der von der Klägerin der Streithelferin British Airways plc zu erstattenden Kosten wird auf 29 000 UKL festgesetzt.

Luxemburg, den 17. April 1996

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