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Document 61993CC0039

    Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 10. Februar 1994.
    Syndicat français de l'Express international, DHL International SA, Service Crie-LFAL SA und May Courier International SARL gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Rechtsmittel - Wettbewerb - Für Unternehmen geltende Vorschriften - Schreiben der Kommission an einen Beschwerdeführer - Anfechtbare Handlung.
    Rechtssache C-39/93 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 1994 I-02681

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1994:55

    61993C0039

    Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 10. Februar 1994. - SYNDICAT FRANCAIS DE L'EXPRESS INTERNATIONAL, DHL INTERNATIONAL SA, SERVICE CRIE-LFAL SA UND MAY COURIER INTERNATIONAL SARL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSMITTEL - WETTBEWERB - FUER UNTERNEHMEN GELTENDE VORSCHRIFTEN - SCHREIBEN DER KOMMISSION AN EINER BESCHWERDEFUEHRER - ANFECHTBARE HANDLUNG. - RECHTSSACHE C-39/93 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 1994 Seite I-02681


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    A - Einführung

    1. Im vorliegenden Fall geht es um ein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden "Gericht" genannt) vom 30. November 1992 in der Rechtssache T-36/92 (1), dem folgender Sachverhalt zugrunde lag.

    2. Der Syndicat français de l' expreß international (im folgenden "SFEI" genannt) ist eine Vereinigung von Unternehmen, die in Frankreich im Eilkurierdienst tätig sind. Am 21. Dezember 1990 erhob der SFEI bei der Kommission eine Beschwerde, die sich gegen die logistische und wirtschaftliche Unterstützung der Société française de messagerie internationale (im folgenden "SFMI" genannt) durch die französische Postverwaltung (La Poste française) richtete. Bei der SFMI handelt es sich nach den Feststellungen des Gerichts um eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, von deren Aktienkapital 66 % - mittelbar - von der französischen Postverwaltung gehalten wurden. Zu der vom SFEI gerügten Unterstützung gehörten nach dessen Angaben unter anderem die Zurverfügungstellung sämtlicher Postämter, eine privilegierte Zollabfertigung, die Gewährung günstigerer finanzieller Bedingungen und die Durchführung von Werbemaßnahmen zugunsten der SFMI.

    3. Bereits am 20. Dezember 1990 hatte sich der SFEI mit einer Beschwerde an die französische Wettbewerbsbehörde gewandt, in der er einen Verstoß gegen die französischen Wettbewerbsvorschriften durch die französische Postverwaltung und die SFMI geltend machte.

    4. Die Beschwerde des SFEI an die Kommission setzte sich aus drei Teilen zusammen: einem Begleitschreiben an den Generaldirektor der Generaldirektion IV (im folgenden "GD IV" genannt), einer kurzen Zusammenfassung der Beschwerde und der Beschwerde als solchen, der eine Inhaltsübersicht beigefügt war. Dieser Beschwerde war auch eine Kopie der Beschwerde beigelegt, die der SFEI am vorangegangenen Tag bei der französischen Wettbewerbsbehörde eingereicht hatte.

    In dem Begleitschreiben führte der SFEI aus, daß die Beschwerde auf die Artikel 92 ff. EG-Vertrag gestützt und gegen den französischen Staat gerichtet sei. Zugleich hieß es dort, daß diese Beschwerde ein auf die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag gestütztes Vorgehen unberührt lasse. Der SFEI fügte hinzu, daß die bei der französischen Wettbewerbsbehörde erhobene Beschwerde "ebenfalls relevant" ("également pertinente") sei, und zwar sowohl im Hinblick auf die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag als auch hinsichtlich der Artikel 5 und 90 EG-Vertrag.

    5. Am 18. März 1991 wurde bei einem Treffen der GD IV mit Vertretern des Beschwerdeführers insbesondere die Frage der Anwendbarkeit des Artikels 86 EG-Vertrag erörtert. Die GD IV versprach, die ihr vorliegenden Informationen unter Berücksichtigung dieser Bestimmung zu prüfen.

    6. Am 15. November 1991 sandte der Anwalt des Beschwerdeführers ein Schreiben an den Generaldirektor der GD IV, in dem er nachfragte, ob die Kommission beabsichtige, aufgrund des in der Beschwerde dargelegten Sachverhalts ein Verfahren einzuleiten und auf welcher Rechtsgrundlage (Artikel 85, 86 und 90 und/oder Artikel 92 ff.) sie dies tun wolle.

    7. Am 9. Januar 1992 antwortete der Generaldirektor der GD IV auf das Schreiben vom 15. November 1991. In diesem in englischer Sprache abgefassten Brief heisst es:

    "Meine Mitarbeiter wiesen bei ihrem Treffen mit Ihnen am 18. März 1991 darauf hin, daß sich für eine Entscheidung des Inhalts, es läge ein Verstoß gegen die Vorschriften des Vertrages über staatliche Beihilfen vor, wohl kaum eine Grundlage finden lasse. Seither ist dieser Gesichtspunkt noch weiter untersucht worden. Wir sagten ausserdem zu, die zur Verfügung stehenden Informationen zu untersuchen und grundsätzlich zur Anwendung des Artikels 86 Stellung zu nehmen.

    Während diese Untersuchungen stattfanden, wurden die Eilkurierdienste der französischen Post von dem angekündigten Gemeinschaftsunternehmen zwischen der TNT, der französischen Post und vier weiteren Postverwaltungen berührt. Wir haben dieses Vorhaben gemäß den Bestimmungen der Fusionskontrollverordnung untersucht, und die Entscheidung der Kommission vom 2. Dezember ist vor kurzem veröffentlicht worden. Selbstverständlich wird das Ergebnis unsere Prüfung der Beschwerde des SFEI beeinflussen.

    Wir werden Ihnen in Kürze ein ausführlicheres Schreiben mit unseren Schlußfolgerungen [' conclusions' ] in dieser Sache zugehen lassen."

    8. Bei dem Vorhaben, auf das in diesem Schreiben hingewiesen wurde, handelt es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen einem australischen Unternehmen (TNT Ltd) auf der einen Seite und der deutschen, der kanadischen, der französischen, der niederländischen und der schwedischen Post auf der anderen Seite. Dieses Vorhaben war bei der Kommission am 28. Oktober 1991 angemeldet worden. Am 2. Dezember 1991 entschied die Kommission, daß das Vorhaben im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Im Rahmen dieses Verfahrens gaben die vier europäischen Postverwaltungen bestimmte Zusagen ab, die in einem Anhang zu der genannten Entscheidung der Kommission näher beschrieben sind.

    9. Am 10. März 1992 richtete die Kommission zwei Schreiben an den Beschwerdeführer. Mit dem ersten Schreiben (das die Nummer 06873 trug) unterrichtete die Kommission den Beschwerdeführer über die Entscheidung ["décision"] der zuständigen Dienststellen, das Verfahren betreffend eine mögliche Verletzung der Artikel 92 ff. EG-Vertrag zu beenden.

    In dem zweiten, in englischer Sprache abgefassten Schreiben (mit der Nummer 000978) bezog sich der Verfasser - ein Direktor der GD IV - auf das Schreiben vom 9. Januar 1992. Er verwies auf die im Rahmen der Prüfung des bereits erwähnten Gemeinschaftsunternehmens durchgeführte Untersuchung und die im Anschluß hieran ergangene Entscheidung der Kommission vom 2. Dezember 1991 und führte aus, daß diese Untersuchung notwendigerweise die wichtigsten vom SFEI angeführten Punkte bezueglich eines möglichen Verstosses gegen Artikel 86 umfasst habe. Er berief sich dabei insbesondere auf die Frage möglicher Quersubventionierungen und der Vorteile, die das Gemeinschaftsunternehmen aus dem Zugang zur Infrastruktur und zu den Vorrechten der französischen Post ziehen könnte. Weiterhin führte er aus, daß die Kommission in dieser Entscheidung unter Berücksichtigung der Marktlage und der von den Beteiligten gemachten Zusagen zu dem Ergebnis gelangt sei, daß keine beherrschende Stellung geschaffen oder verstärkt worden sei, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde.

    Das Schreiben endet wie folgt:

    "I am aware that you had hoped that the Commission would follow the full procedure of an Article 86 investigation. This procedure would have only dealt with the situation regarding France. However, this investigation under the Merger Regulation has dealt with significant changes in the wider Community market. The competitive conditions facilitated by previous Commission decisions on international expreß have now been effectively extended. I am satisfied that the result is the best framework that could be obtained at this time in order to ensure that SFEI members and other operators all have a full opportunity to compete.

    While we do not propose to pursü enquiries under Article 86 in these circumstances, I can assure you that we shall maintain a close watch on developments in this market. In a separate letter we are informing you of the outcome of our consideration of the linked case presented under the State aid rules."

    [Ich weiß, daß Sie gehofft hatten, die Kommission würde das Verfahren einer Untersuchung nach Artikel 86 vollständig durchführen. Dieses Verfahren hätte nur die Lage in bezug auf Frankreich betroffen. Die Untersuchung gemäß der Fusionskontrollverordnung hat sich jedoch mit entscheidenden Veränderungen innerhalb des grösseren Marktes der Gemeinschaft befasst. Die Wettbewerbsverhältnisse, die durch frühere Entscheidungen der Kommission auf dem Gebiet der internationalen Eilkurierdienste gefördert wurden, sind jetzt wirksam verstärkt worden. Ich bin überzeugt, daß die Ergebnisse den bestmöglichen Rahmen darstellen, der zur Zeit erreicht werden konnte, um zu gewährleisten, daß die Mitglieder des SFEI und andere Wirtschaftsteilnehmer allesamt eine volle Möglichkeit zum Wettbewerb haben.

    Unter diesen Umständen beabsichtigen wir zwar nicht, unsere Untersuchungen nach Artikel 86 fortzusetzen, doch kann ich Ihnen versichern, daß wir die Entwicklungen auf dem Markt weiterhin genau verfolgen werden. In einem gesonderten Schreiben teilen wir Ihnen das Ergebnis unserer Prüfung des verbundenen Falles mit, der uns aufgrund der Bestimmungen über staatliche Beihilfen unterbreitet worden ist.]

    10. Der SFEI und drei diesem Verband angehörende Unternehmen - DHL International, Service Crie und May Courier - erhoben am 16. Mai 1992 Klage zum Gericht auf Nichtigerklärung der in dem Schreiben mit der Nummer 000978 vom 10. März 1992 ihres Erachtens enthaltenen Entscheidung. Die Kläger waren der Ansicht, daß die Kommission durch diesen Brief die auf Artikel 86 gestützte Beschwerde endgültig zurückgewiesen habe. In ihrer Klage warfen sie der Kommission unter anderem einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften (insbesondere eine Verletzung der aus Artikel 190 folgenden Pflicht zur Begründung von Rechtsakten), eine Verletzung des Artikels 86 und Ermessensmißbrauch vor.

    Zugleich klagten die Kläger auch gegen die in dem Schreiben mit der Nummer 06873 enthaltene Entscheidung der Kommission, die Prüfung der Beschwerde am Maßstab der Artikel 92 ff. einzustellen. Diese Klage wurde hinfällig, nachdem die Kommission am 9. Juli 1992 mitgeteilt hatte, daß sie diese Entscheidung zurückgezogen hatte.

    11. Die Kommission erhob in dem gegen das Schreiben mit der Nummer 000978 gerichteten Verfahren mehrere Einreden der Unzulässigkeit. Insbesondere machte sie geltend, daß dieses Schreiben nicht anfechtbar sei, da es keine Entscheidung darstelle.

    Die Kommission führte zur Begründung ihrer Ansicht aus, daß es sich bei diesem Schreiben lediglich um eine erste Stellungnahme ihrer Dienststellen gehandelt habe, das somit zur ersten Phase der Untersuchung von Beschwerden gehörte, wie sie das Gericht in seinem Urteil Automec I (2) näher dargestellt habe. In diesem Schreiben habe die Kommission lediglich die Entscheidung vom 2. Dezember 1991 und ihre Bedeutung für die Behandlung der Beschwerde des SFEI erläutert. Diese vorläufige Stellungnahme sei dem SFEI durch das Schreiben vom 9. Januar 1992 angekündigt worden.

    Die Kommission stellte sich in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt, die am 21. Dezember 1990 erhobene Beschwerde sei zunächst ausschließlich auf eine mögliche Verletzung der Artikel 92 ff. gestützt gewesen. Erst bei dem Treffen am 18. März 1991 sei der in der Beschwerde unterbreitete Sachverhalt im Hinblick auf Artikel 86 geprüft worden. Die Kläger bestritten diese Darstellung und trugen vor, daß eine mögliche Verletzung des Artikels 86 bereits in der Beschwerde vom 21. Dezember 1990 gerügt worden sei.

    12. Das Gericht beschloß, zunächst diese von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen. Das Gericht hielt es dabei für geboten, erstens zu prüfen, ob die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 auch auf Artikel 86 gestützt war, und zweitens festzustellen, ob das angefochtene Schreiben eine Entscheidung enthalte und Rechtswirkungen erzeugen könne (3).

    13. Was den ersten Punkt anlangt, kam das Gericht nach einer ausführlichen Prüfung - in den Randnummern 32 bis 37 des Beschlusses - zu dem Ergebnis, daß die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 ausschließlich auf Artikel 92 gestützt gewesen sei (4).

    14. Hinsichtlich der zweiten Frage unterschied das Gericht zwischen zwei Fallgestaltungen. Falls das angefochtene Schreiben im Rahmen eines Verfahrens nach der Verordnung Nr. 17 (5) ergangen sei, könne dies im vorliegenden Fall nur aufgrund eines bei dem Treffen vom 18. März 1991 mündlich gestellten Ergänzungsantrags des SFEI geschehen sein, so wie dies die Kläger auch behauptet hätten und die Kommission zugestanden hätte (6). Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 können bekanntlich Personen und Personenvereinigungen, die ein berechtigtes Interesse darlegen, bei der Kommission einen Antrag auf Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 oder 86 EG-Vertrag stellen. In diesem Fall konnte das fragliche Schreiben nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht den Charakter einer Entscheidung haben, da sie zu einem Stadium des Untersuchungsverfahrens gehöre, das vor dessen abschließender Phase liege ["dès lors qu' elle se sitürait à un stade antérieur à la phase conclusive d' une procédure d' instruction"] (7). Das Schreiben enthalte keine Qualifizierung des unterbreiteten Sachverhalts im Hinblick auf Artikel 86 (8) und habe als solches und "in diesem Stadium" ["à ce stade"] des Verfahrens nicht die Beendigung der von der Kommission durchgeführten Untersuchung bewirkt (9). Das Schreiben sei vielmehr aufgrund seines Inhalts als eine Maßnahme im Rahmen der Vorbereitung der Untersuchung anzusehen, die lediglich eine erste Reaktion der Dienststellen der Kommission zum Ausdruck bringe und keine Rechtswirkungen habe ["un acte se situant à un stade préliminaire de l' instruction, se limitant à exprimer une première réaction des services de la Commission et dépourvu d' effets juridiques"] (10).

    Falls es sich hingegen um ein Schreiben gehandelt haben sollte, das nicht im Rahmen eines Verfahrens auf der Grundlage der Verordnung Nr. 17 ergangen sei, könne ein solches Schreiben mangels Rechtswirkungen nicht Gegenstand einer Klage nach Artikel 173 EG-Vertrag sein (11).

    15. Der SFEI und die Unternehmen DHL International, Service Crie und May Courier (im folgenden "Rechtsmittelführer" genannt) haben gegen diese Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel eingelegt. Sie machen im wesentlichen drei Rechtsmittelgründe geltend, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Erstens habe das Gericht den in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 verwendeten Begriff des "Antrags" falsch ausgelegt; die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 habe sich entgegen der Ansicht des Gerichts auch auf Artikel 86 erstreckt. Zweitens habe das Gericht den Begriff des anfechtbaren Rechtsaktes verkannt. Das von den Rechtsmittelführern angegriffene Schreiben vom 10. März 1992 stelle eine abschließende Entscheidung dar, die Gegenstand eines Verfahrens nach Artikel 173 EG-Vertrag sein könne. Schließlich habe das Gericht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und das Gebot der Rechtssicherheit verstossen, indem es eine im XX. Wettbewerbsbericht veröffentlichte Aussage der Kommission nicht gebührend gewürdigt habe.

    16. Die Rechtsmittelführer beantragen daher, den Beschluß des Gerichts vom 30. November 1992 in der Rechtssache T-36/92 aufzuheben und aus dieser Aufhebung sämtliche rechtlichen Folgerungen zu ziehen, insbesondere die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

    17. Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und die Rechtsmittelführer gesamtschuldnerisch zu den Kosten des Verfahrens zu verurteilen.

    B - Stellungnahme

    Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels an sich

    18. Bevor ich auf die von den Rechtsmittelführern vorgetragenen Rechtsmittelgründe eingehe, scheint es mir erforderlich, ein Argument näher zu betrachten, das die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Der Vertreter der Kommission hat bei dieser Gelegenheit die Auffassung geäussert, die Rechtsmittelführer verhielten sich in rechtsmißbräuchlicher Weise, indem sie den Beschluß des Gerichts durch ein Rechtsmittel angriffen. Dem lag anscheinend die Überlegung zugrunde, daß der angefochtene Beschluß des Gerichts den damaligen Klägern und jetzigen Rechtsmittelführern im Ergebnis gerade das verschaffte, woran ihnen gelegen war - nämlich die Fortsetzung des aufgrund ihrer Beschwerde eingeleiteteten Verfahrens durch die Kommission.

    19. In der Tat kann man feststellen, daß der Beschluß des Gerichts vom 30. November 1992 im Ergebnis besagte, daß die Untersuchung der Beschwerde durch die Kommission noch nicht abgeschlossen war. Die Rechtsmittelführer hätten daher diesen Beschluß rechtskräftig werden lassen können, um dann die Kommission aufzufordern, zu dem von ihnen geltend gemachten Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 86 abschließend Stellung zu nehmen. Unterstellt man dagegen, daß die von den Rechtsmittelführern in beiden Instanzen vertretene Auffassung, das Schreiben vom 10. März 1992 habe das Verfahren der Kommission abgeschlossen und stelle daher einen anfechtbaren Rechtsakt dar, zutreffend war, so könnte dies allenfalls dazu führen, daß der Gerichtshof den Beschluß des Gerichts aufhebt und das Gericht dann in dem für die Rechtsmittelführer günstigsten Fall - wenn es also die Klage auch im übrigen als zulässig und begründet ansähe - diese Entscheidung der Kommission aufhöbe. Auch dies hätte also zur Folge, daß die Untersuchung der Beschwerde des SFEI durch die Kommission als nicht abgeschlossen zu betrachten wäre und die Kommission daher aufgefordert werden könnte, zu dieser abschließend Stellung zu nehmen.

    Von dieser Warte aus betrachtet könnte man sich in der Tat fragen, ob die Inanspruchnahme des Gerichtshofes durch die Rechtsmittelführer nicht eine mißbräuchliche Rechtsausübung darstellen könnte. Eine gewisse Stütze für eine solche Schlußfolgerung ließe sich vielleicht der Bemerkung des Vertreters der Rechtsmittelführer in der mündlichen Verhandlung entnehmen, wonach diese bereits seit Jahren danach strebten, den Gerichtshof mit diesem Fall zu befassen, da sie das Vertrauen in die Kommission verloren hätten.

    20. Meines Erachtens bedarf dieser Einwand der Kommission jedoch keiner längeren Erörterung. Sollte dem vorliegenden Rechtsmittel nämlich Erfolg beschieden sein, so ist nicht auszuschließen, daß das Gericht bei seiner erneuten Prüfung der Klage auch auf die Frage ihrer Begründetheit eingehen wird. Es versteht sich von selbst, daß ein Urteil des Gerichts, durch das die Entscheidung der Kommission - von deren Vorliegen dann auszugehen wäre - z. B. wegen einer Verletzung des Artikels 86 oder wegen Ermessensmißbrauchs (12) aufgehoben würde, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführer entscheidend verändern würde. Die Einlegung eines Rechtsmittels durch die Rechtsmittelführer kann daher im vorliegenden Fall keineswegs als rechtsmißbräuchlich betrachtet werden.

    21. Die Kommission hat vorgetragen, daß einige der von den Rechtsmittelführern geltend gemachten Rügen unzulässig seien, da sie Tatsachen und nicht Rechtsfragen beträfen. Gemäß Artikel 168a Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 51 Absatz 1 der EWG-Satzung des Gerichtshofes ist das Rechtsmittel bekanntlich auf Rechtsfragen beschränkt. Der Übersichtlichkeit halber werde ich diese Frage jeweils bei den einzelnen von diesem Einwand betroffenen Rechtsmittelgründen prüfen.

    Untersuchung der einzelnen Rechtsmittelgründe

    Erster Rechtsmittelgrund: Verkennung des Begriffes des "Antrags"

    22. Das Gericht hatte in seinem Beschluß darauf hingewiesen, daß die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 als solche keinen Hinweis auf Artikel 86 EG-Vertrag enthalte. Der Umstand, daß in einem Schriftstück, das nicht zu der Beschwerde im eigentlichen Sinne gehöre ["un document extérieur à la plainte proprement dite"], nämlich in dem Begleitschreiben an den Generaldirektor der GD IV, ausdrücklich die Möglichkeit vorbehalten werde, zu einem späteren Zeitpunkt die Kommission auf der Grundlage der Artikel 85 und 86 mit der Sache zu befassen, und daß in diesem Schriftstück auf die bei der französischen Wettbewerbsbehörde eingelegte Beschwerde Bezug genommen werde, bestätige lediglich, daß die an die Kommission gerichtete Beschwerde ursprünglich allein auf Artikel 92 gestützt gewesen sei (13).

    23. Die Rechtsmittelführer rügen, daß das Gericht damit an den Begriff des "Antrags" im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. 17 formale Anforderungen stelle, die nicht gerechtfertigt seien. Zu der vom SFEI am 21. Dezember 1990 bei der Kommission erhobenen Beschwerde gehörten auch das Begleitschreiben und die in der Anlage beigefügte Beschwerde an die französische Wettbewerbsbehörde. Ausserdem habe das Gericht die Dokumente, aus denen sich demnach die Beschwerde zusammensetzte, offensichtlich falsch ausgelegt. Das Gericht habe auf der Grundlage dieser Dokumente nicht zu dem Ergebnis gelangen können, daß die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 nicht auf Artikel 86 gestützt gewesen sei. Schließlich sei die vom Gericht gegebene Begründung widersprüchlich, da dort das Begleitschreiben zunächst (in Randnr. 32) als Bestandteil der Beschwerde bezeichnet werde, während das Gericht in der Folge (in Randnr. 37) die gegenteilige Auffassung vertrete.

    24. Die Kommission hat gegen diesen Rechtsmittelgrund eingewandt, daß er keine Rechtsfragen betreffe, sondern die Würdigung von Tatsachen durch das Gericht angreife. Ich stimme ihr darin zu. Es würde sich zwar um eine - im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens der Prüfung zugängliche - Rechtsfrage handeln, wenn das Gericht den Begriff des Antrags (im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 17) falsch ausgelegt haben sollte. Dies ist jedoch hier meines Erachtens nicht der Fall.

    Den Rechtsmittelführern ist zwar zuzugeben, daß die Ausdrucksweise des Gerichts zu dem Mißverständnis Anlaß geben könnte, daß das Gericht streng zwischen einer Beschwerde im eigentlichen Sinne einerseits sowie sonstigen Dokumenten andererseits unterschieden habe und letzteren keinerlei Bedeutung für die Zwecke der Bestimmung des Inhalts einer Beschwerde beimesse. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch meines Erachtens ohne weiteres, daß dies nicht die naheliegendste und plausibelste Auslegung darstellt. Das Gericht hat vielmehr die einzelnen Dokumente untersucht und ist dabei zu der Überzeugung gelangt, daß keinem von ihnen zu entnehmen ist, daß die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 auch auf Artikel 86 gestützt war. Es handelt sich dabei um eine Tatsachenwürdigung, die als solche nicht Gegenstand einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht sein kann.

    Ob dies auch gelten würde, wenn das Gericht bei dieser Tatsachenwürdigung einen offensichtlichen Fehler begangen hätte, kann hier dahingestellt bleiben. Ein solcher offensichtlicher Fehler ist entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführer nicht erkennbar. Auch dem Wortlaut des Begleitschreibens lässt sich bei unbefangener Betrachtung kaum etwas anderes entnehmen, als daß die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 nur auf Artikel 92 gestützt war.

    25. Eine eingehendere Beschäftigung mit dieser Frage erübrigt sich ohnehin angesichts des Umstandes, daß zwischen den Parteien völlig unstreitig ist, daß bei dem Treffen zwischen Vertretern des SFEI und der Kommission am 18. März 1991 über die Anwendbarkeit des Artikels 86 gesprochen wurde und daß daher spätestens seit diesem Zeitpunkt die Beschwerde so zu verstehen war (und von der Kommission auch so verstanden wurde), daß sie sowohl Artikel 92 wie auch Artikel 86 umfasste. Ein Eingehen auf den genauen Inhalt der Beschwerde, wie er sich am 21. Dezember 1990 ergab, war daher nur erforderlich, wenn dem zwischen diesem Tag und dem 18. März 1991 liegenden Zeitraum irgendeine Bedeutung für die Würdigung der hier zu betrachtenden Fragen zukäme. Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Die Ausführungen des Gerichts in den Randnummern 32 bis 37 seines Beschlusses gehen daher - wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat - ins Leere.

    26. Es ist rätselhaft, warum sich das Gericht überhaupt auf die Erörterung dieser - für die Entscheidung des Falles irrelevanten - Frage eingelassen hat. Noch merkwürdiger ist die Ausführlichkeit, mit der dies geschehen ist. Gleichwohl ist festzuhalten, daß das Vorhandensein dieser Ausführungen nicht zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses führt, da das vom Gericht erreichte Ergebnis nicht auf diesen Ausführungen beruht.

    Die Rechtsmittelführer weisen allerdings zu Recht darauf hin, daß das Gericht zum Ausdruck gebracht hatte (in Randnr. 31), daß es die genannten Ausführungen als für die Zwecke seiner Entscheidungsfindung erheblich betrachtete. Ich werde auf diesen Umstand in einem anderen Zusammenhang später noch einmal zurückkommen.

    Zweiter Rechtsmittelgrund: Verkennung des Begriffes der anfechtbaren Handlung

    27. Als zweiten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführer vor, daß das Gericht den Begriff des anfechtbaren Rechtsakts verkannt habe. Das angefochtene Schreiben stelle angesichts der Umstände, unter denen es abgefasst worden sei und angesichts seines Inhalts eine ablehnende Entscheidung dar, die mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbar sei.

    Was den Kontext des angegriffenen Schreibens anlangt, verweisen die Rechtsmittelführer insbesondere auf das Schreiben vom 9. Januar 1992, in dem die Kommission die Übermittlung ihrer "Schlußfolgerungen" angekündigt habe. Diese Wortwahl deute auf eine endgültige Stellungnahme hin, die in dem angegriffenen Schreiben vom 10. März 1992 erfolgt sei. Das Gericht habe das Schreiben vom 9. Januar 1992 überhaupt nicht berücksichtigt und zu dem auf die Bedeutung dieses Schreibens gestützten Klagegrund nicht Stellung genommen, so daß der Beschluß des Gerichts insoweit mangelhaft begründet sei. Ausserdem machen sie geltend, daß zwischen dem angefochtenen Schreiben und dem anderen Brief der Kommission vom 10. März 1992 - das unstreitig eine Entscheidung darstelle - eine weitgehende Ähnlichkeit bestehe.

    Im Hinblick auf das angefochtene Schreiben selbst führen die Rechtsmittelführer aus, daß eine Entscheidung, mit der die Kommission eine Beschwerde zurückweise, dadurch gekennzeichnet sei, daß sie erstens die eingeleitete Untersuchung abschließe, zweitens eine Beurteilung der fraglichen Vereinbarungen umfasse und drittens den Beschwerdeführer ausser für den Fall, daß er neues Beweismaterial vorbrächte, daran hindere, die Wiederaufnahme der Untersuchung zu verlangen. Das angefochtene Schreiben erfuelle diese Voraussetzungen, wie sein Wortlaut und sein Kontext zeigten. Das Gericht habe sich in seinem Beschluß auf sein Urteil in der Rechtssache Automec I gestützt, wobei es jedoch diese Rechtsprechung unrichtig angewandt habe.

    28. Die Kommission erhob gegen diesen Rechtsmittelgrund den Einwand, daß er Tatsachenfragen betreffe und daher als unzulässig zu betrachten sei. Was die Auslegung des angefochtenen Schreibens betraf, vertritt die Kommission weiterhin ihren bereits in erster Instanz geltend gemachten Standpunkt, wonach es sich lediglich um eine vorläufige Stellungnahme der Kommission gehandelt habe.

    29. Wenden wir uns zunächst der Rüge zu, die Auslegung des angefochtenen Schreibens durch das Gericht sei unrichtig gewesen. Meines Erachtens handelt es sich hierbei um eine Würdigung von Tatsachen, die als solche der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht entzogen ist. Es ist allerdings richtig, daß die Abgrenzung zwischen Tatsachenfragen und Rechtsfragen sehr schwierig ist. Man könnte sich durchaus auf den Standpunkt stellen, daß die Auslegung des strittigen Schreibens die Feststellung ermöglichen soll, ob es sich hierbei um eine anfechtbare Entscheidung handelt, so daß man es hier letztendlich mit einer Subsumption unter einen rechtlichen Tatbestand und folglich mit einer Rechtsfrage zu tun habe.

    Eine solche Auslegung wäre jedoch meines Erachtens nicht sachgerecht. Sie hätte zur Folge, daß der Begriff der "Rechtsfrage" sehr extensiv interpretiert und auch auf die Würdigung von Tatsachen durch das Gericht erstreckt werden würde. Dies würde dem Ziel, das mit der Errichtung eines Gerichts erster Instanz verfolgt wurde, widersprechen. Die Einführung zweier Rechtszuege zielte darauf ab, den Rechtsschutz in der Gemeinschaft zu verbessern, indem es dem Gerichtshof ermöglicht wird, insbesondere bei Klagen, deren Entscheidung eine eingehende Prüfung komplexer Sachverhalte erfordert, seine Tätigkeit "auf seine grundlegende Aufgabe - die Gewährleistung einer einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts - zu konzentrieren" (14).

    Die damit bezweckte Entlastung des Gerichtshofes würde zunichte gemacht, wenn man den Begriff der "Rechtsfrage" so weit auslegen wollte, daß er auch die Feststellung des Inhalts eines Dokumentes umfassen würde. Der Gerichtshof müsste andernfalls im vorliegenden Fall selbst prüfen, ob das angegriffene Schreiben vom 10. März 1992 eine abschließende Entscheidung darstellte und damit seine Würdigung an die Stelle jener des Gerichts setzen. Der Gerichtshof würde dergestalt nicht als Rechtsmittelgericht im Sinne des Vertrags, sondern vielmehr als Berufungsgericht tätig werden.

    30. Die Auffassung, daß bei der Auslegung des Begriffs der "Rechtsfrage" eine restriktive Vorgehensweise angemessen ist, findet auch eine Stütze in der Rechtsprechung des Gerichtshofes. Insbesondere ist hier an das Urteil im Falle Vidrányi zu erinnern, in dem der Gerichtshof entschied, daß ein Rechtsmittel "nur auf Gründe gestützt werden kann, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften durch das Gericht beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen" (15). Ein Rechtsmittel ist daher nur zulässig, "soweit dem Gericht vorgeworfen wird, unter Verletzung von Rechtsvorschriften entschieden zu haben, die es zu beachten hatte." (16)

    31. Die hier vertretene Auffassung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, daß das Gericht in seiner Würdigung der Tatsachen völlig frei wäre und diese Würdigung nur bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften überprüfbar wäre. Meines Erachtens wäre es durchaus möglich (und sinnvoll), ein Rechtsmittel auch dann zuzulassen, wenn das Gericht sich bei seiner Würdigung der Tatsachen offensichtliche Fehler - z. B. einen Verstoß gegen Denkgesetze - zuschulden hat kommen lassen.

    32. Auf diese Möglichkeit braucht hier jedoch meines Erachtens nicht näher eingegangen zu werden, da ein solcher offensichtlicher Fehler jedenfalls nicht vorliegt. Die Auslegung des Inhalts des angegriffenen Schreibens vom 10. März 1992, die das Gericht vorgenommen hat, erscheint vertretbar.

    33. Die Rechtsmittelführer weisen zwar zu Recht darauf hin, daß der Wortlaut dieses Schreibens an mehreren Stellen den Eindruck erweckt, daß die Kommission die auf die Beschwerde des SFEI hin eröffnete Untersuchung bereits eingestellt habe. Dies gilt insbesondere für die ersten beiden Sätze des von mir bereits zitierten (17) Abschnitts, in denen zweimal das Wort "would" verwendet wird. Auch die in dem letzten Absatz dieses Schreibens verwendete Formulierung "we do not propose to pursü enquiries under Article 86" könnte hier erwähnt werden. Der zuletzt genannte Ausdruck scheint freilich - obwohl ich mir natürlich nicht anmassen will, einen Begriff aus einer fremden Sprache mit Anspruch auf Autorität zu interpretieren - eine andere Auslegung nicht auszuschließen.

    Auch ist zu beachten, daß sich in dem Schreiben keinerlei Hinweis darauf findet, daß es sich lediglich um eine vorläufige Stellungnahme handele. Ebensowenig wird der Adressat des Schreibens auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, weitere Argumente vorzutragen. Dies ist um so bedeutsamer, als die Kommission selbst im XX. Wettbewerbsbericht - von dem noch zu sprechen sein wird - ausgeführt hatte, daß sie in Zukunft darauf achten werde, daß ihr "keine zweideutige Abfassung von Verwaltungsschreiben angelastet werden kann, die einem Antragsteller den Eindruck vermitteln könnten, daß sein Begehren endgültig zurückgewiesen worden ist" (18). Die von dem Vertreter der Kommission in der mündlichen Verhandlung geäusserte Ansicht, das Schreiben enthalte eine "implizite" Aufforderung an den Adressaten, der Kommission mitzuteilen, ob er deren Auffassung teile, findet in dem Schreiben schwerlich eine Stütze.

    34. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß das angefochtene Schreiben keine ausdrückliche Beurteilung des von dem SFEI der Kommission vorgelegten Sachverhalts am Maßstab des Artikels 86 enthält. Wie das Gericht zu Recht ausgeführt hat, erläutert das Schreiben lediglich die Fusionskontrollentscheidung vom 2. Dezember 1991 sowie die Zusammenhänge, die nach Ansicht der Kommission zwischen dieser Entscheidung und der Beschwerde des SFEI bestanden (19). In dem angefochtenen Schreiben weist die Kommission darauf hin, daß sie in ihrer Entscheidung vom 2. Dezember 1991 zu dem Ergebnis gelangt war, daß durch die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens zwischen der französischen Postverwaltung und den anderen Beteiligten keine beherrschende Stellung geschaffen oder verstärkt wurde, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde.

    Bei der Prüfung der Vereinbarkeit des Gemeinschaftsunternehmens am Maßstab der Fusionskontrollverordnung wurde auch die Lage auf dem französischen Markt erörtert (20). Es liegt daher nahe, anzunehmen, daß durch die in der Entscheidung vom 2. Dezember 1991 getroffenen Feststellungen die Entscheidung der Frage, ob im vorliegenden Fall - wie es in der Beschwerde des SFEI geltend gemacht worden war - ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorlag, bereits präjudiziert worden war. Die Kommission scheint in ihrem Schreiben vom 10. März 1992 davon ausgegangen zu sein. Eine ausdrückliche Feststellung des Inhalts, daß kein solcher Mißbrauch festzustellen sei, findet sich dort jedoch nicht. Betrachtet man insbesondere die beiden von mir zitierten Absätze des angefochtenen Schreibens, so kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß dort den Konsequenzen der Entscheidung vom 2. Dezember 1991 für die Behandlung der Beschwerde des SFEI viele Worte gewidmet sind, ohne daß damit inhaltlich viel gesagt würde. Dieser Mangel an Inhalt - und Klarheit - ist bedauerlich. Er vermag jedoch nichts daran zu ändern, daß die Auslegung, die das Gericht diesen Äusserungen gegeben hat, plausibel ist.

    Schließlich ist noch auf das Argument der Rechtsmittelführer einzugehen, sie hätten den angefochtenen Brief als Entscheidung verstehen müssen, da er am gleichen Tag versandt worden sei wie das den Artikel 92 betreffende Schreiben und diesem sehr ähnlich gewesen sei. Der Vertreter der Kommission hat dieses Argument in der mündlichen Verhandlung in überzeugender Weise widerlegt, indem er den Wortlaut dieses Schreibens zitierte. Das Schreiben mit der Nummer 06873 spricht unzweideutig von der "Entscheidung" der Kommission, die Prüfung der Beschwerde am Maßstab des Artikels 92 einzustellen (21). Eine solche eindeutige Formulierung findet sich in dem hier zu prüfenden Schreiben nicht.

    35. Als Ergebnis dieser - hilfsweisen - Prüfung des angegriffenen Schreibens vom 10. März 1992 lässt sich festhalten, daß sich in ihm Elemente finden, die auf eine endgültige Zurückweisung der Beschwerde hindeuten. Auf der anderen Seite lassen sich auch gewichtige Umstände anführen, welche die Behauptung der Kommission, es habe sich lediglich um eine vorläufige Stellungnahme gehandelt, zu stützen geeignet sind. Meines Erachtens überwiegen die letzteren, so daß die Beurteilung des Gerichts nicht zu beanstanden ist.

    Die Kommission muß sich jedoch den Vorwurf gefallen lassen, durch die Formulierung ihres Schreibens eben jene Unklarheit und Zweideutigkeit heraufbeschworen zu haben, die das Gericht bereits in seinem Urteil im Falle Automec I moniert und die die Kommission selbst im XX. Wettbewerbsbericht abzustellen versprochen hatte. Diese Mängel allein rechtfertigen es jedoch meines Erachtens noch nicht, in dem angegriffenen Schreiben unter Rückgriff auf die Theorie des Rechtsscheins - wie es die Rechtsmittelführer nahelegen - eine anfechtbare Entscheidung zu sehen. Die Auslegung des Begriffs der anfechtbaren Entscheidung hat (wie noch zu zeigen sein wird) auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu erfolgen. Dem Grundsatz, wonach Zweideutigkeiten einer Erklärung dem Erklärenden zur Last zu legen sind, kann auch dadurch Genüge getan werden, daß er bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens angemessen berücksichtigt wird.

    36. Wenden wir uns nun der Rüge zu, das Gericht habe das Schreiben vom 9. Januar 1992 nicht berücksichtigt. Auch hier scheint es sich auf den ersten Blick um eine tatsächliche Frage zu handeln, die vom Rechtsmittelgericht nicht nachzuprüfen wäre. Meines Erachtens wäre eine solche Betrachtungsweise jedoch verfehlt. Die Würdigung der Tatsachen durch das Gericht sollte zwar - wie ich bereits ausgeführt habe - nur in sehr engen Grenzen nachprüfbar sein (22). Geht jedoch das Gericht in seiner Entscheidung auf ein Vorbringen der betroffenen Partei gar nicht ein, so liegt überhaupt keine Tatsachenwürdigung vor. Es handelt sich insoweit vielmehr - wie der Gerichtshof im Falle Vidrányi entschieden hat - um eine "dem Fehlen einer Begründung gleichzusetzende Unzulänglichkeit", d. h., um "die Verletzung eines allgemeinen Grundsatzes, nach dem jedes Gericht seine Entscheidung zu begründen hat, und zwar insbesondere unter Anführung der Erwägungen, die es dazu veranlasst haben, einen ausdrücklich erhobenen Vorwurf nicht zu berücksichtigen." (23)

    37. Allerdings ist zu beachten, daß es in dem söben zitierten Urteil um die Verletzung einer Rechtsvorschrift ging, auf die das Gericht nach Ansicht des Klägers nicht eingegangen war. Hier handelt es sich jedoch um ein Dokument, dem das Gericht nach Auffassung der Rechtsmittelführer nicht die gebührende Beachtung geschenkt hat. Man wird jedoch nicht verlangen können, daß das Gericht in seiner Entscheidung auf alle tatsächlichen Umstände eingeht, die von den Parteien im Laufe des Verfahrens vorgetragen worden sind. Man wird einen der Korrektur durch das Rechtsmittelgericht zugänglichen Rechtsfehler vielmehr erst dann annehmen können, wenn es sich um einen wesentlichen Umstand handelte, bei dessen Berücksichtigung die Entscheidung des Gerichts anders ausfallen hätte können.

    38. Ein Eingehen auf diese Frage könnte jedoch bereits aufgrund des jüngst ergangenen Urteils im Falle Pincherle (24) entbehrlich sein. In diesem Verfahren hatte der Rechtsmittelführer unter anderem geltend gemacht, das Gericht habe in dem von ihm angefochtenen Urteil drei von ihm angeführte Dokumente nicht berücksichtigt. Der Gerichtshof hat diese Rüge mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht erwiesen, daß das Gericht die fraglichen Dokumente nicht geprüft habe (25).

    Ich neige zu der Ansicht, daß diese Aussage auf die besonderen Umstände des vom Gerichtshof damals zu entscheidenden Falles zugeschnitten war. Es wäre sicherlich unangemessen, diese Aussage zu einer allgemeinen Regel zu erheben. Andernfalls könnte ein Rechtsmittelführer, wenn das Gericht in seiner Entscheidung wesentliche Tatsachen übersehen hat, dies kaum je mehr mit Aussicht auf Erfolg rügen, da er schwerlich nachweisen kann, daß das Gericht einen solchen Fehler begangen hat. Die einzige Grundlage für einen solchen Nachweis bildet ja das Urteil des Gerichts selbst, in dem sich zu den fraglichen Tatsachen natürlich gerade keine Ausführungen finden.

    39. Es stellt sich daher die Frage, ob das Schreiben vom 9. Januar 1992 vom Gericht berücksichtigt worden ist und ob - wenn dies nicht der Fall sein sollte - diesem Schreiben wesentliche Bedeutung für den vorliegenden Fall zukommt. Die Kommission hat zwar ausgeführt, daß es auf die Begleitumstände des angefochtenen Schreibens nicht ankäme, wenn die Bedeutung dieses Schreibens bereits aus seinem Inhalt klar und eindeutig hervorgeht. Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Auch der Vertreter der Kommission hat in der mündlichen Verhandlung einräumen müssen, daß das angefochtene Schreiben ein Element der Doppeldeutigkeit enthält.

    Die erste Frage lässt sich meines Erachtens relativ leicht beantworten. Das Gericht erwähnt das Schreiben vom 9. Januar 1992 zwar an mehreren Stellen (in den Randnrn. 17, 24 und 25 seines Beschlusses), an denen es die Argumente der Parteien referiert. In der rechtlichen Würdigung taucht das Schreiben hingegen nicht mehr auf. Allein in der Randnummer 46 des Beschlusses könnte in dem Hinweis auf die Randnummer 25 allenfalls eine Bezugnahme auf dieses Dokument gesehen werden. Der Inhalt dieser Randnummer spricht jedoch gegen eine solche Auslegung. Das Gericht führt dort vielmehr aus, daß der Brief des SFEI an die Kommission vom 15. November 1991 nicht als eine Aufforderung zur Stellungnahme im Sinne von Artikel 175 EG-Vertrag verstanden werden könne. Zu der Frage, ob diese Ausführungen für die Entscheidungsfindung erforderlich waren, brauche ich mich hier nicht zu äussern. Kaum zweifelhaft ist für mich jedenfalls, daß das Gericht sich weder hier noch an einer anderen Stelle seines Beschlusses zur möglichen Bedeutung des Schreibens vom 9. Januar 1992 für die Auslegung des angefochtenen Schreibens äussert.

    40. Meines Erachtens kann diese Frage jedoch letztlich auf sich beruhen, da das Schreiben vom 9. Januar 1992 ohnehin nichts Wesentliches zur Auslegung des hier zu prüfenden Briefes beiträgt. Der Generaldirektor der GD IV verweist in jenem Schreiben auf die Entscheidung vom 2. Dezember 1991 und deren mögliche Auswirkungen auf die Behandlung der vom SFEI eingereichten Beschwerde. Er teilt mit, daß die Kommission zu dieser Frage demnächst Stellung nehmen wird. Die Annahme, daß es sich hierbei um die Ankündigung einer vorläufigen Stellungnahme handelte, die dann in dem hier angegriffenen Schreiben erfolgte, ist durchaus plausibel.

    Die Rechtsmittelführer haben dem Umstand, daß der Brief vom 9. Januar 1992 in diesem Zusammenhang von "Schlußfolgerungen" ["conclusions"] spricht, besonderes Gewicht beigelegt. Ihre Auslegung, der zufolge dieser Begriff auf eine endgültige Stellungnahme hinweist, ist durchaus möglich. Überzeugend (oder gar zwingend) erscheint sie mir hingegen nicht. Die Verwendung dieses Begriffes verträgt sich durchaus mit der Annahme, das angefochtene Schreiben stelle eine vorläufige Stellungnahme dar. Das Schreiben vom 9. Januar 1992 wäre dann - wie die Kommission vorträgt - als blosse Ankündigung dieser vorläufigen Stellungnahme zu werten.

    41. Nach dem bislang Gesagten ist die Auslegung, die das Gericht dem angefochtenen Schreiben gegeben hat, als durchaus möglich und vertretbar zu betrachten. Wie ich bereits gesagt habe, gibt es einige Anhaltspunkte, die für die von den Rechtsmittelführern vertretene Interpretation sprechen. Da die Auslegung des Gerichtes jedoch nicht an offensichtlichen Mängeln leidet, sollte sie nicht bereits aus diesem Grunde anfechtbar sein.

    42. Wenden wir uns nun der Frage zu, ob das Gericht den Begriff der nach Artikel 173 anfechtbaren Handlung richtig interpretiert hat. Die Frage nach der Auslegung eines Rechtsbegriffs ist auch eine Rechtsfrage, die Gegenstand einer Rechtsmittelrüge sein kann, wie sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt (26).

    43. Das Gericht hat sich in seinem Beschluß ersichtlich auf sein Urteil in der Rechtssache Automec I (27) gestützt. In diesem Urteil hatte das Gericht ausgeführt, daß im Ablauf des in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 (28) geregelten Verfahrens der Kommission zur Untersuchung einer Beschwerde drei aufeinanderfolgende Phasen zu unterscheiden seien:

    "Während der ersten Phase nach der Einreichung der Beschwerde ermittelt die Kommission gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 die Umstände, die ihr die Entscheidung darüber ermöglichen, wie sie die Beschwerde weiter behandeln soll. Diese Phase kann insbesondere einen informellen Meinungs- und Informationsaustausch zwischen der Kommission und dem Beschwerdeführer umfassen, durch den die tatsächlichen und die rechtlichen Umstände, die Gegenstand der Beschwerde sind, geklärt werden sollen und dem Beschwerdeführer die Gelegenheit gegeben werden soll, seinen Standpunkt darzulegen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer ersten Reaktion der Dienststellen der Kommission. Die vorläufigen Bemerkungen der Dienststellen der Kommission im Rahmen dieser informellen Kontakte können nicht als anfechtbare Maßnahmen angesehen werden.

    In einer zweiten Phase folgt die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehene Mitteilung, mit der die Kommission dem Beschwerdeführer die Gründe darlegt, aus denen sie es nicht für gerechtfertigt hält, seinem Antrag stattzugeben, und ihm Gelegenheit gibt, innerhalb einer von ihr dazu festgesetzten Frist Bemerkungen vorzubringen. Diese Mitteilung ... darf ... nicht als Entscheidung angesehen werden ...

    In der dritten Phase nimmt die Kommission von den Äusserungen des Beschwerdeführers Kenntnis. Obwohl Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 diese Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht, kann diese Phase mit einer abschließenden Entscheidung enden ..." (29)

    44. Diese Darstellung des Gerichts scheint mir durchaus hilfreich, um den Ablauf des Verfahrens zur Untersuchung einer Beschwerde zu veranschaulichen. Den Fragen, die diese Auffassung im einzelnen aufwirft, braucht hier nicht nachgegangen zu werden (30). Fragt sich bei der Untersuchung einer Maßnahme, ob diese den Charakter einer Entscheidung hat oder nicht, so erlaubt dieses Modell, die betreffende Maßnahme der jeweiligen Verfahrensstufe zuzuordnen.

    45. Der angefochtene Beschluß des Gerichts erweckt jedoch an mehreren Stellen den Eindruck, daß das Gericht diese Logik umgekehrt habe: Eine Maßnahme könne keine anfechtbare Handlung sein, weil sie der ersten (oder der zweiten) der oben genannten Verfahrensstufen zuzuordnen sei. Es handelt sich dabei um die Randnummern 41 bis 43 des angefochtenen Beschlusses. Eine solche Argumentation stellt natürlich nichts anderes dar als eine petitio principii. Dasselbe lässt sich übrigens auch von dem Argument der Kommission sagen, daß es sich bei dem angefochtenen Schreiben nicht um eine Entscheidung habe handeln können, da die Kommission dem Beschwerdeführer zuvor kein Schreiben nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 (worin dieser unter Fristsetzung aufgefordert worden wäre, eine Stellungnahme abzugeben) gesandt habe (31).

    Sollte dies tatsächlich die Auffassung des Gerichts gewesen sein, so müsste ihr natürlich widersprochen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kommt es für die Frage nach dem Vorliegen einer gemäß Artikel 173 anfechtbaren Handlung darauf an, ob die betreffende Maßnahme dazu bestimmt ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, ohne daß es dabei auf ihre Form ankäme (32). Bei Handlungen, die in einem mehrphasigen Verfahren ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung zwar grundsätzlich erst bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt der Kommission endgültig festlegen, nicht aber bei vorbereitenden Maßnahmen (33). Dabei ist jedoch stets auf den Inhalt der betreffenden Maßnahme abzustellen.

    46. Der Gerichtshof hat im Philip Morris-Fall einige Kriterien genannt, die bei der Prüfung, ob ein Schreiben der Kommission als abschließende Zurückweisung einer Beschwerde zu verstehen ist, herangezogen werden können. Er stellte dort fest, daß die betreffenden Schreiben die Untersuchung abschlossen, eine Beurteilung der fraglichen Vereinbarungen umfassten und die Beschwerdeführer ausser für den Fall, daß sie neues Beweismaterial vorbringen konnten, daran hinderten, die Wiederaufnahme der Untersuchung zu verlangen (34).

    47. Der angefochtene Beschluß des Gerichts zeigt, daß diese Rechtsprechung dem Gericht bekannt war. So führt das Gericht in den Randnummern 42 und 43 seines Beschlusses aus, daß das angefochtene Schreiben keine Qualifizierung der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Tatsachen enthalte und nicht die Wirkung habe, das Verfahren abzuschließen.

    48. Ich bin daher der Auffassung, daß in den Stellen des Beschlusses, an denen das Gericht aus der Phase des Verfahrens, der das Schreiben seiner Ansicht nach angehörte, auf dessen Rechtscharakter zu schließen scheint, lediglich eine mißverständliche Ausdrucksweise zu sehen ist. Nach den oben (35) getroffenen Feststellungen wird man davon auszugehen haben, daß dem Gericht das anzuwendende Recht vertraut war und daß es dieses auch angewandt hat. Die Tatsache allein, daß die Formulierung des angefochtenen Beschlusses insoweit zu gewissen Zweifeln Anlaß gibt, berechtigt noch nicht zur Aufhebung dieses Beschlusses. Das Rechtsmittelgericht hat lediglich zu prüfen, ob das Gericht gegen Rechtsvorschriften verstossen hat. Ein solcher Fehler ist hier nicht mit Sicherheit festzustellen. Im vorliegenden Fall ist zudem zu berücksichtigen, daß die Auslegung des angefochtenen Schreibens, die das Gericht vorgenommen hat, als solche durchaus als vertretbar erscheint. Es wäre daher mit den Grundsätzen der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren, den Beschluß allein aufgrund bestimmter mißverständlicher Formulierungen als rechtsfehlerhaft zu betrachten und seine Aufhebung vorzuschlagen.

    49. Es ist allerdings zu beachten, daß der Beschluß ausführliche Erläuterungen zu einer Frage (der Auslegung des Textes der Beschwerde vom 21. Dezember 1990) enthält, die offensichtlich überfluessig sind (36). Dieser Umstand nötigt dazu, die übrigen Ausführungen des Gerichts besonders kritisch zu prüfen. Da der Beschluß des Gerichts jedoch im Ergebnis nicht auf den fraglichen Ausführungen beruht, kann auch dieser Umstand nicht die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen.

    Dritter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und das Gebot der Rechtssicherheit

    50. Mit ihrem letzten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer im Ergebnis, daß das Gericht eine Aussage der Kommission in ihrem XX. Wettbewerbsbericht falsch ausgelegt habe. Die Kommission hatte dort dargelegt, daß sie in Zukunft die Mitteilung vorbereitender Bemerkungen in Beschwerdeverfahren dergestalt abfassen werde, daß der Empfänger sie als eine erste Reaktion der Dienststellen der Kommission erkennen könne. Die Kommission hatte hinzugefügt, sie werde die Empfänger in jedem Fall auffordern, ihre zusätzlichen Stellungnahmen der Kommission innerhalb einer in dem Schreiben festzusetzenden Frist zu unterbreiten; andernfalls sei die Beschwerde "als zu den Akten gelegt" anzusehen (37).

    Die Rechtsmittelführer verstehen diese Stelle so, daß ein Schreiben der Kommission, in dem ihnen (wie im vorliegenden Fall) keine Frist zur Stellungnahme eingeräumt werde, als Zurückweisung ihrer Beschwerde zu verstehen sei.

    51. Ich brauche nicht weiter auf die Frage einzugehen, ob es sich hier um eine tatsächliche oder eine Rechtsfrage handelt und ob den Aussagen, die die Kommission in ihren Wettbewerbsberichten macht, überhaupt irgendeine rechtliche Bedeutung zukommt, da die Ansicht der Rechtsmittelführer offensichtlich unrichtig ist.

    Die genannte Stelle lässt nur eine sinnvolle Auslegung zu, und zwar die, wonach die Kommission zusagt, den Beschwerdeführern stets eine Frist zur Abgabe weiterer Bemerkungen einzuräumen und daß eine Beschwerde dann "als zu den Akten gelegt" anzusehen ist, wenn die Beschwerdeführer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Dieser Sinn kommt denn auch z. B. in der deutschen und der italienischen Fassung dieses Berichts deutlich zum Ausdruck (38). Auf das in der mündlichen Verhandlung unterbreitete Angebot des Vertreters der Rechtsmittelführer, ein Sprachgutachten zu der Bedeutung des Kommas in der französischen Fassung erstellen zu lassen, braucht daher nicht zurückgegriffen zu werden.

    Ergebnis

    52. Im Ergebnis bin ich daher der Ansicht, daß das Rechtsmittel zurückgewiesen werden sollte. Es erscheint mir jedoch angemessen, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß es zu diesem Verfahren überhaupt nicht gekommen wäre, wenn die Kommission bei der Abfassung des angefochtenen Schreibens die erforderliche Sorgfalt hätte walten lassen. Eine solche Anstrengung wäre der Kommission auch zumutbar gewesen, hatte doch das Gericht bereits im Falle Automec I deutlich zu erkennen gegeben, daß die bisherige Praxis der Kommission in diesem Bereich zu wünschen übrig lasse. Die Kommission hat die Notwendigkeit, ihre Schreiben in Beschwerdeverfahren so abzufassen, daß Mißverständnisse hinsichtlich ihrer Rechtsnatur ausgeschlossen werden, im XX. Wettbewerbsbericht denn auch ausdrücklich anerkannt. Es befremdet daher, daß dem bei der Abfassung des angefochtenen Schreibens nicht Rechnung getragen worden ist. Da die unklare Fassung des Schreibens und die daraus sich ergebenden Schwierigkeiten seiner rechtlichen Würdigung Anlaß zu dem Rechtsmittelverfahren gegeben haben, erscheint es angemessen, dessen Kosten gemäß Artikel 122 Absatz 1 und Artikel 118 in Verbindung mit Artikel 69 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Kommission aufzuerlegen.

    C - Schlussantrag

    53. Ich schlage Ihnen daher vor, das Rechtsmittel zurückzuweisen und die Kommission zu den Kosten des Verfahrens zu verurteilen.

    (*) Originalsprache: Deutsch.

    (1) - SFEI u. a./Kommission (Slg. 1992, II-2479).

    (2) - Urteil vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-64/89 (Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367).

    (3) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 31.

    (4) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 37.

    (5) - Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 (ABl. S. 204) zur Durchführung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag.

    (6) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 40.

    (7) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 41.

    (8) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnrn. 42 und 43.

    (9) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 43.

    (10) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 43.

    (11) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 48.

    (12) - Vgl. zu den in der Klage gerügten Punkten oben Ziffer 10.

    (13) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 37.

    (14) - Siehe die dritte und vierte Begründungserwägung des Beschlusses des Rates Nr. 88/591/EGKS, EWG, Euratom vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1). Ebenso die erste Begründungserwägung des Beschlusses des Rates Nr. 93/350/Euratom, EGKS, EWG vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses Nr. 88/591/EGKS, EWG, Euratom (ABl. L 144, S. 21).

    (15) - Urteil vom 1. Oktober 1991 in der Rechtssache C-283/90 P (Vidrányi/Kommission, Slg. 1991, I-4339), Randnr. 12 (Hervorhebung von mir).

    (16) - A. a. O. (Fußnote 15), Randnr. 13.

    (17) - Siehe oben Ziffer 9.

    (18) - XX. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1990), Brüssel/Luxemburg 1991, Ziffer 165.

    (19) - A. a. O. (Fußnote 1), Randnr. 42.

    (20) - Vgl. Ziffern 33 und 42 ff. der Entscheidung vom 2. Dezember 1991. Der vollständige Text dieser Entscheidung ist - soweit ersichtlich - bislang noch in keiner Zeitschrift oder sonstigen Veröffentlichung abgedruckt worden. Er ist jedoch (bis auf die Angaben, die Geschäftsgeheimnisse darstellen) bei der Kommission erhältlich.

    (21) - Der letzte Absatz dieses Schreibens (das dem Gericht vorgelegen hat) lautet: Je suis donc au regret de vous faire part de la décision des services compétents de clôturer, en raison des circonstances précisées ci-dessus, le dossier ouvert à la suite de votre demande du 21. 12. 1990.

    (22) - Vgl. oben Ziffer 31.

    (23) - A. a. O. (Fußnote 15), Randnr. 29.

    (24) - Urteil vom 22. Dezember 1993 in der Rechtssache C-244/91 P (Pincherle/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

    (25) - A. a. O. (Fußnote 24), Randnr. 33.

    (26) - Vgl. Urteil vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-132/90 P (Schwedler/Parlament, Slg. 1991, I-5745, Randnr. 13); Urteil vom 17. Januar 1992 in der Rechtssache C-107/90 P (Hochbaum/Kommission, Slg. 1992, I-157, Randnr. 16).

    (27) - Vgl. Fußnote 2.

    (28) - Verordnung Nr. 99/63/EGW der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. S. 2268). Nach Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 hat die Kommission vor dem Erlaß einer Entscheidung aufgrund des Artikels 3 die Beteiligten anzuhören. Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 bestimmt: Ist die Kommission der Auffassung, daß die von ihr ermittelten Umstände es nicht rechtfertigen, einem nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gestellten Antrag stattzugeben, so teilt sie den Antragstellern die Gründe hierfür mit und setzt ihnen eine Frist zur Mitteilung etwaiger schriftlicher Bemerkungen.

    (29) - A. a. O. (Fußnote 2), Randnr. 45 bis 47.

    (30) - Der zuletzt zitierte Abschnit des Urteils lässt insbesondere die Frage offen, ob die Kommission - wenn sie einer Beschwerde nicht stattgeben will - die Beschwerde auf Verlangen des Beschwerdeführers durch eine förmliche Entscheidung abweisen muß (und nicht nur kann), die der Beschwerdeführer dann nach Artikel 173 EG-Vertrag anfechten kann. Ein solcher Anspruch des Beschwerdeführers ist meines Erachtens zu bejahen. Das Urteil des Gerichts in der Rechtssache Automec II (Urteil vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223), das in diese Richtung weist (vgl. dessen Randnr. 85), ist daher zu begrüssen.

    (31) - Dieses Argument wurde übrigens auch vom Gericht im Falle Automec I, a. a. O., Fußnote 2, Randnr. 56) gebraucht.

    (32) - Urteil vom 31. März 1971 in der Rechtsache 22/70 (Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Randnr. 42); vgl. zuletzt das Urteil vom 16. Juni 1993 in der Rechtsache C-325/91 (Frankreich/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), Randnr. 9).

    (33) - Vgl. das Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81 (IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9 ff).

    (34) - Urteil vom 17. November 1987 in den verbundenen Rechtssachen 142/84 und 156/84 (BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487, Randnr. 12).

    (35) - Siehe Ziffer 47.

    (36) - Siehe oben Ziffer 26.

    (37) - A. a. O. (Fußnote 18), Ziffer 165.

    (38) - Der deutsche Text bezieht sich auf die Frist, bei deren Nichteinhaltung der Antrag als zu den Akten gelegt angesehen werde . In der italienischen Fassung heisst es: ...qualora tali osservazioni non vengano trasmesse, la denuncia verrà considerata archiviata .

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