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Document 61989TJ0058

Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 7. Februar 1991.
Calvin Williams gegen Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften.
Beamter - Neueinstufung - Zulässigkeit - Neue Tatsachen - Beförderungsverfahren und Auswahlverfahren.
Rechtssache T-58/89.

Sammlung der Rechtsprechung 1991 II-00077

ECLI identifier: ECLI:EU:T:1991:9

61989A0058

URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 7. FEBRUAR 1991. - CALVIN WILLIAMS GEGEN RECHNUNGSHOF DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - NEUEINSTUFUNG - ZULAESSIGKEIT - NEUE TATSACHEN - BEFOERDERUNGSVERFAHREN UND AUSWAHLVERFAHREN. - RECHTSSACHE T-58/89.

Sammlung der Rechtsprechung 1991 Seite II-00077


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


++++

Beamte - Klage - Vorherige Verwaltungsbeschwerde - Fristen - Ausschlußwirkung - Neubeginn - Voraussetzungen - Neue Tatsache

(Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

Leitsätze


Zwar kann jeder Beamte nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts einen Antrag auf Erlaß einer ihn betreffenden Entscheidung an die Anstellungsbehörde richten, doch kann er diese Befugnis nicht zu dem Zweck ausüben, die Fristen der Artikel 90 und 91 des Statuts für die Einlegung einer Beschwerde und die Erhebung einer Klage dadurch zu umgehen, daß er eine frühere Entscheidung, die er nicht fristgerecht angefochten hatte, durch die Stellung eines Antrags mittelbar greift. Nur das Vorliegen wesentlicher neuer Tatsachen kann einen Antrag auf Überprüfung einer solchen Entscheidung zulässig machen.

Da für die erfolgreichen Teilnehmer an Auswahlverfahren und für Beförderungen unterschiedliche Regeln für die Einstufung gelten, kann

ein Beamter sich nicht auf eine neue Tatsache berufen, die sich aus der Einstufung einiger seiner beförderten Kollegen ergebe, um eine Überprüfung seiner nach erfolgreicher Teilnahme an einem Auswahlverfahren erfolgten Einstufung zu erreichen.

Entscheidungsgründe


Sachverhalt

1 Herr Williams wurde im Oktober 1974 von der Kontrollkommission, einer dem Rat der Europäischen Gemeinschaften zugeordneten Einrichtung der Finanzkontrolle, als Bediensteter auf Zeit in der Besoldungsgruppe A 7 eingestellt und anschließend durch Verfügung des Rates vom 16. Dezember 1976 mit Wirkung vom 1. Oktober 1976 in der Besoldungsgruppe A 7 zum Beamten dieser Kommission ernannt. Mit Wirkung vom 1. Mai 1978 wurde der Kläger in dieser Besoldungsgruppe

zum inzwischen errichteten Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften (im weiteren: Rechnungshof) versetzt. Der Kläger wurde dann mit Wirkung vom 1. Mai 1979 in die Besoldungsgruppe A 6 befördert.

2 Von 1979 bis 1983 bewarb sich der Kläger erfolglos in 29 vom Rechnungshof zur Besetzung von Stellen in den Besoldungsgruppen A 5, A 4 oder A 3 ausgeschriebenen internen oder interinstitutionellen Auswahlverfahren.

3 Am 1. Oktober 1982 beschloß der Rechnungshof, das interne Auswahlverfahren Nr. CC/A/17/82 zur Besetzung einer Planstelle eines Hauptverwaltungsrats mit Referentenaufgaben im Bereich der internen Verwaltung und der Haushaltsfragen durchzuführen. Gemäß der Stellenausschreibung sollte die Ernennung grundsätzlich in der Eingangsbesoldungsgruppe der Laufbahn A 5 erfolgen. Nach Beendigung seiner Tätigkeit stellte der Prüfungsausschuß ein Verzeichnis der geeigneten Bewerber auf, in dem an erster Stelle Herr Schwiering und an zweiter Stelle der Kläger stand. Mit Verfügung vom 24. März 1983 ernannte der Rechnungshof Herrn Schwiering zum Hauptverwaltungsrat in der Besoldungsgruppe A 5. Am 18. November 1983 erhob Herr Williams eine Klage beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (im weiteren: Gerichtshof) gegen die Verfügung zur Ernennung von Herrn Schwiering, wobei er im wesentlichen geltend machte, dieser habe die Zulassungsvoraussetzungen für das betreffende Auswahlverfahren nicht erfuellt. Mit Urteil vom 16. Oktober 1984 in der Rechtssache 257/83 (Williams/Rechnungshof, Slg. 1984, 3547) erklärte der Gerichtshof die Klage für begründet und hob die Entscheidungen des Rechnungshofes vom 24. März 1983 über die Ernennung von Herrn Schwiering und vom 5. September 1983 über die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers auf.

4 In Durchführung dieses Urteils ernannte der Präsident des Rechnungshofes als Anstellungsbehörde den Kläger aufgrund des in der Folge des Auswahlverfahrens Nr. CC/A/17/82 erstellten Verzeichnisses der geeigneten Bewerber und in Anwendung des Beschlusses Nr. 81-5 des Rechnungshofes vom 3. Dezember 1981 über die Kriterien, die bei der Ernennung der Bediensteten in einer bestimmten Besoldungsgruppe und bei ihrer Einstufung in eine bestimmte Dienstaltersstufe anzuwenden sind (im weiteren: Beschluß Nr. 81-5) am 18. Oktober 1984 mit Wirkung vom 16. Oktober 1984 zum Hauptverwaltungsrat in der Besoldungsgruppe A 5, Dienstaltersstufe 3. Der Kläger beanstandete seine Einstufung nicht.

5 Am 3. Januar 1985 wandte sich der Kläger mit einem Antrag nach Artikel 25 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im weiteren: Statut) an den Präsidenten des Rechnungshofes, der dahin ging, den Zeitpunkt des Inkrafttretens seiner Ernennung in der Besoldungsgruppe A 5 auf den Tag festzusetzen, an dem der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren Nr. CC/A/17/82 endgültig das Verzeichnis der geeigneten Bewerber aufgestellt habe, also auf den 17. Dezember 1982. Dieser Antrag wurde von der Anstellungsbehörde nicht beantwortet, und der Kläger legte gegen die so erfolgte stillschweigende ablehnende Entscheidung keine Beschwerde ein.

6 Der Kläger wurde vom 12. Juni 1987 bis zum 12. Juni 1988 nach Artikel 59 Absatz 2 des Statuts von Amts wegen beurlaubt.

7 Am 2. September 1988 wandte sich der Kläger an die Anstellungsbehörde des Rechnungshofes mit - in seinen eigenen Worten - "einer Beanstandung [plainte] im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts", in der er beantragte, in Anwendung von Artikel 3 des Beschlusses Nr. 81-5 in der Besoldungsgruppe A 4 ernannt zu werden. Er machte geltend, angesichts der abweichenden Kriterien, die bei der Einstufung anderer Beamter des Rechnungshofes, insbesondere von Herrn Ruppert und Herrn Beurotte, bei deren Beförderung angewandt worden seien, sei seine eigene Einstufung, so wie sie in der Ernennungsverfügung vom 18. Oktober 1986 erfolgt sei, unkorrekt.

8 Herr Ruppert und Herr Beurotte waren durch Verfügungen vom 1. August 1980 und vom 1. Juli 1982 eingestellt und zum Beamten ernannt worden. Ersterer wurde durch Verfügung vom 23. Oktober 1986 in die Besoldungsgruppe A 3 befördert. Diese Beförderungsverfügung war Gegenstand einer am 24. Juni 1987 von einem anderen Beamten des Rechnungshofes eingereichten Klage, die der Gerichtshofhof mit Urteil vom 4. Juli 1989 in der Rechtssache 198/87 (Kerzmann/Rechnungshof, Slg. 1989, 2083) abwies. Die Mitteilung über die Erhebung dieser Klage wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Juli 1987 (ABl. C 200, S. 7) veröffentlicht. Herr Beurotte wurde am 15. Dezember 1987 in die Besoldungsgruppe A 5 befördert.

9 1988 wurde der Kläger in die Personalvertretung des Rechnungshofes gewählt; er gehörte dieser ab 30. März 1988 an.

10 Mit Schreiben vom 13. September 1988 wies die Anstellungsbehörde den Antrag des Klägers zurück und behielt sich disziplinarrechtliche Schritte vor, zu denen die vom Kläger in seinem Schreiben vom 2. September 1988 erhobenen Anschuldigungen gegen das Kollegium des Rechnungshofes und gegen dessen Bedienstete ihres Erachtens Anlaß gaben. Tatsächlich wurde ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger eingeleitet.

Verfahren

11 In dieser Situation hat Herr Williams mit Klageschrift, die am 30. November 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Aufhebung der seine "Beanstandung" zurückweisenden Entscheidung vom 13. September 1988 erhoben. Die Klage ist unter der Nummer 349/88 in das Register der Rechtssachen eingetragen worden.

12 Das schriftliche Verfahren ist vollständig beim Gerichtshof durchgeführt worden. Es ist ordnungsgemäß abgelaufen.

13 Gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften hat der Gerichtshof (Erste Kammer) die Rechtssache mit Beschluß vom 15. November 1989 an das Gericht verwiesen, wo sie unter der Nummer T-58/89 in das Register der Rechtssachen eingetragen worden ist.

14 In seiner Klagebeantwortung hat der Beklagte vor einer Äusserung zur Begründetheit gegen die Klage eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

15 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen und diese in diesem Stadium in Anwendung von Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 auf das Gericht entsprechend anwendbar ist, auf die Frage der Zulässigkeit der Rechtssache zu beschränken.

16 Die mündliche Verhandlung hat am 3. Oktober 1990 stattgefunden. Die Parteien haben mündlich verhandelt und die vom Gericht gestellten Fragen beantwortet.

17 Der Kläger beantragt,

- dem Rechnungshof aufzugeben, die Personalakten der Herren Jean- Jack Beurotte und Edouard Ruppert vorzulegen;

- die Klage für zulässig zu erklären;

- die Entscheidung über die Zurückweisung seiner Beschwerde aufzuheben;

- die Rechtssache zur Durchführung des ergehenden Urteils an die Anstellungsbehörde des Rechnungshofes zurückzuverweisen;

- dem Beklagten sämtliche Verfahrenskosten aufzuerlegen.

18 Der Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig, ansonsten als unbegründet abzuweisen;

- dem Kläger die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

19 In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Bevollmächtigten des Rechnungshofes aufgefordert, die Protokolle derjenigen Sitzungen der Personalvertretung und der verschiedenen Ausschüsse, denen der Kläger angehört hat, vorzulegen, die ab April 1988, während seiner Beurlaubung von Amts wegen, abgehalten wurden. Der Rechnungshof ist dieser Aufforderung am 10. Oktober 1990 nachgekommen. Bei der Prüfung der ihm vorgelegten Protokolle hat das Gericht festgestellt, daß der Kläger während des betreffenden Zeitraums nur an einer Sitzung der Personalvertretung am 30. März 1988 teilgenommen hat.

Zulässigkeit

20 Zur Begründung seiner Einrede der Unzulässigkeit bringt der Beklagte zwei Rügen vor: erstens Nichterschöpfung des Verwaltungsverfahrens und zweitens Verspätung der am 2. September 1988 eingereichten "Beanstandung".

Zur ersten Rüge - Nichterschöpfung des Verwaltungsverfahrens

21 Der Beklagte macht geltend, die Verfügung der Anstellungsbehörde vom 18. Oktober 1984, mit der der Kläger zum Inhaber einer Hauptverwaltungsratsstelle ernannt und in die Besoldungsgruppe A 5 eingestuft worden sei, sei von diesem, soweit in ihr seine Besoldungsgruppe festgelegt worden sei, vor seinem Schreiben vom 2. September 1988 nicht angefochten worden.

22 Der Beklagte ist der Auffassung, obwohl der Kläger sein Schreiben vom 2. September 1988 als "Beanstandung im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts" bezeichnet habe, handele es sich tatsächlich um einen Antrag nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts. Diese Qualifizierung ergebe sich zwingend aus dem tatsächlichen Inhalt dieses Schreibens, mit dem der Kläger eine Neueinstufung in die Besoldungsgruppe begehre, die er mit dem Vorliegen einer angeblich neuen Tatsache begründe, die geeignet sei, eine Überprüfung der mit der Verfügung vom 18. Oktober 1984 vorgenommenen Einstufung zu rechtfertigen.

23 Der Beklagte macht geltend, der Umstand, daß schon zuvor eine beschwerende Maßnahme vorgelegen habe, nämlich die Verfügung vom 18. Oktober 1984, mit der der Kläger in die Besoldungsgruppe A 5 eingestuft worden sei, erlaube es für sich genommen nicht, das Schreiben vom 2. September 1988 als eine Beschwerde und nicht als einen Antrag zu qualifizieren.

24 Der Beklagte erinnert daran, daß jeder Beamte zwar nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts einen Antrag auf Erlaß einer ihn betreffenden Entscheidung an die Anstellungsbehörde richten könne. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes könne er diese Befugnis jedoch nicht zu dem Zweck ausüben, die Fristen der Artikel 90 und 91 für die Einlegung einer Beschwerde und die Erhebung einer Klage dadurch zu umgehen, daß er eine frühere Entscheidung, die er nicht fristgerecht angefochten habe, durch Stellung eines Antrags mittelbar angreife; nur das Vorliegen wesentlicher neuer Tatsachen könne einen Antrag auf Überprüfung einer solchen Entscheidung zulässig machen (Urteil vom 26. September 1985 in der Rechtssache 231/84, Valentini/Kommission, Slg. 1985, 3027, Randnr. 14).

25 Ausserdem sei nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 4. Februar 1987 in der Rechtssache 302/85 (Preßler-Höft/Rechnungshof, Slg. 1987, 513) "ein nach Ablauf der Frist für eine Klage gegen die beschwerende Maßnahme gemäß Artikel 90 Absatz 1 gestellter Antrag ... nur zulässig, wenn eine neue Tatsache eingetreten ist, die eine erneute Prüfung des Falles rechtfertigt".

26 Somit habe der Kläger am 2. September 1988 sehr wohl unter Berufung auf das Eintreten neuer Tatsachen einen Antrag gestellt, um von der Anstellungsbehörde eine Entscheidung über die Neueinstufung in die Besoldungsgruppe A 4 zu erlangen. Gemäß Artikel 91 Absatz 2 des Statuts sei eine Klage beim Gerichtshof jedoch nur zulässig, wenn bei der Anstellungsbehörde zuvor eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 eingereicht worden sei. Da der Kläger keine Beschwerde gegen die ausdrückliche Ablehnung seines Antrags eingereicht habe, sei seine Klage beim Gerichtshof unzulässig.

27 Der Kläger macht erstens geltend, die vorliegende Klage könne nicht aus einem rein formalen Grund für unzulässig erklärt werden, da ein förmlicher Antrag nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts mit einer anschließenden getrennten Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts keine praktische Wirksamkeit gehabt hätte. Er macht zweitens geltend, er habe sich klar ausgedrückt und der Beklagte habe seine Ausführungen nicht zu verfälschen.

28 Im Hinblick auf die Frage, wie das Schreiben des Klägers vom 2. September 1988 zu qualifizieren ist, ist zunächst der Wortlaut des streitigen Schriftstücks zu untersuchen, das der Kläger selbst als "Beanstandung im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts" bezeichnet. Zwar enthält das Schreiben weder den Begriff "Beschwerde" noch den Begriff "Antrag", es nimmt jedoch ausdrücklich auf Artikel 90 Absatz 2 des Statuts Bezug. Das Gericht hält den letztgenannten Umstand für ausreichend, um das betreffende Schreiben als Beschwerde und nicht als Antrag zu qualifizieren. Die Tatsache, daß der Kläger den Begriff "Beanstandung" (plainte) statt des Begriffs "Beschwerde" (réclamation) verwandte, ist als solche unerheblich; es können demgemäß keine Konsequenzen an sie geknüpft werden.

29 Was den Gegenstand dieser Beschwerde betrifft, stellt das Gericht fest, daß der Kläger die in der Verfügung vom 18. Oktober 1984 vorgenommene Einstufung beanstandet und beantragt, gemäß Artikel 3 des Beschlusses Nr. 81-5 in die Besoldungsgruppe A 4 eingestuft zu werden. Das Gericht ist der Auffassung, daß der Beklagte zu Unrecht geltend macht, hierauf könne sich eine Beschwerde nicht richten. Die von ihm hierzu angeführte Rechtsprechung betrifft nicht nur Fälle von Beschwerden, die von Beamten gegen Einstufungsentscheidungen eingelegt wurden, sondern umfasst auch Fälle, in denen der Gerichtshof Schreiben, in denen eine Neueinstufung beantragt wurde und die von den Klägern als Anträge bezeichnet wurden, als Beschwerden qualifiziert hat (Urteile vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache 191/84, Barcella/Kommission, Slg. 1986, 1541, und vom 4. Februar 1987, Preßler-Höft, a. a. O.).

30 Der Kläger hat demgemäß das in den Artikeln 90 und 91 des Statuts vorgesehene vorprozessuale Verfahren eingehalten.

31 Das erste Argument des Beklagten zur Begründung seiner Einrede der Unzulässigkeit ist somit zu verwerfen.

Zur zweiten Rüge - Verspätung des Schreibens vom 2. September 1988

32 Der Beklagte ist der Auffassung, selbst wenn das Schreiben vom 2. September 1988 als Beschwerde im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts angesehen werden könne, sei darauf hinzuweisen, daß diese Beschwerde innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab dem Tag hätte eingelegt werden müssen, an dem der Kläger von der ihn beschwerenden Maßnahme, d. h. im vorliegenden Fall von der Verfügung vom 18. Oktober 1984, mit der er in die Besoldungsgruppe A 5 eingestuft worden sei, Kenntnis erhalten habe.

33 Der Beklagte erinnert erneut daran, daß ein Beamter zwar nach Ablauf dieser Dreimonatsfrist einen Antrag nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts stellen könne, dieser Antrag jedoch nur dann zulässig sei, wenn eine neue Tatsache eingetreten sei, die eine erneute Prüfung des Falles rechtfertige. Nur wenn der Kläger das Eintreten einer solchen Tatsache zu beweisen vermöge, könne von dem Grundsatz des Statuts im vorliegenden Fall abgewichen werden.

34 Der Beklagte macht geltend, der Kläger bezeichne die Verfügung der Anstellungsbehörde vom 23. Oktober 1986 über die Beförderung von Herrn Ruppert in die Besoldungsgruppe A 3 und die Verfügung vom 15. Dezember 1987 über die Beförderung von Herrn Beurotte in die Besoldungsgruppe A 5 zu Unrecht als neue Tatsachen. Da diese Beförderungsverfügungen aufgrund des Artikels 45 des Statuts getroffen worden seien, könnten sie nicht als Anwendungsfälle des Beschlusses Nr. 81-5 angesehen werden, der die Einstufung erfolgreicher Teilnehmer an Auswahlverfahren in die Besoldungsgruppe und die Dienstaltersstufe betreffe; sie könnten somit die Behauptung nicht tragen, dieser Beschluß würde inzwischen anders angewandt.

35 Ausserdem bestreitet der Beklagte die Behauptung des Klägers, er habe erst im Sommer 1988 von den im Oktober 1986 und Dezember 1987 ergangenen Beförderungsverfügungen erfahren. Was insbesondere die Beförderungsverfügung vom 23. Oktober 1986 betreffe, so sei diese während mindestens eines Monats, in dem der Kläger normal seiner Beschäftigung nachgegangen sei, in den Räumen des Rechnungshofes ausgehängt gewesen. Diese Verfügung sei Gegenstand einer Klage beim Gerichtshof gewesen, die ein anderer Beamter des Rechnungshofes erhoben und im wesentlichen auf die gleichen Argumente gestützt habe, wie sie der Kläger jetzt anführe. Die Mitteilung über die Einreichung dieser Klage sei im Amtsblatt vom 28. Juli 1987 veröffentlicht worden; der Kläger habe somit von der betreffenden Verfügung notwendigerweise spätestens am 28. Juli 1987 Kenntnis erlangen müssen. Zu der Beförderungsverfügung vom 15. Dezember 1987 bemerkt der Beklagte, der Kläger habe ab April 1988 der Personalvertretung angehört und er habe dadurch die Möglichkeit gehabt, Informationen über die im Dezember 1987 ergangenen Beförderungsverfügungen zu erhalten.

36 Der Beklagte erklärt abschließend, die Klage sei in jedem Falle wegen Verspätung unzulässig, da der Kläger keine neuen Tatsachen dargetan habe, die eine Wiedereröffnung der Klagefristen rechtfertigten, oder zumindest deshalb, weil er nicht innerhalb von drei Monaten nach Kenntnisnahme von den angeblich neuen Tatsachen eine Beschwerde eingelegt habe.

37 Der Kläger führt aus, die Beförderung von Herrn Ruppert in die Besoldungsgruppe A 3 und die Beförderung von Herrn Beurotte in die Besoldungsgruppe A 5 aufgrund einer sehr "großzuegigen" Anwendung des Beschlusses Nr. 81-5 durch die Anstellungsbehörde oder in Anwendung neuer Kriterien stellten neue Tatsachen dar, die eine Überprüfung seiner Situation rechtfertigten.

38 Zu dem Zeitpunkt, in dem er von diesen neuen Tatsachen Kenntnis erlangt habe, wendet der Kläger ein, am 28. Juli 1987 sei er von Amts wegen beurlaubt gewesen und habe somit keinen Zugang zum Amtsblatt gehabt; selbst wenn er aber die Mitteilungen im Amtsblatt über die von einem Kollegen erhobene Klage gelesen hätte, ergäbe sich daraus nicht, daß er von den Voraussetzungen Kenntnis erlangt hätte, unter denen die Beförderung von Herrn Ruppert verfügt worden sei. Er macht geltend, er habe erst am 2. September 1988 erfahren, daß Herr Beurotte im Zeitpunkt seiner Beförderung im Dezember 1987 nicht die für eine Beförderung erforderliche Berufserfahrung gehabt und keinen anerkannten Hochschulabschluß mit dem Niveau einer "licence" besessen habe. Die Beschwerde vom 2. September 1988 sei innerhalb von drei Monaten eingelegt worden, nachdem er nach seiner einjährigen Beurlaubung von Amts wegen vom 12. Juni 1987 bis zum 12. Juni 1988 seine Tätigkeit wiederaufgenommen habe.

39 Es ist daran zu erinnern, daß jeder Beamte, wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, zwar nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts einen Antrag auf Erlaß einer ihn betreffenden Entscheidung an die Anstellungsbehörde richten kann, daß der Beamte diese Befugnis jedoch nicht zu dem Zweck ausüben kann, die Fristen der Artikel 90 und 91 des Statuts für die Einlegung einer Beschwerde und die Erhebung einer Klage dadurch zu umgehen, daß er eine frühere Entscheidung, die er nicht fristgerecht angefochten hatte, durch die Stellung eines Antrags mittelbar angreift. Nur das Vorliegen wesentlicher neuer Tatsachen kann einen Antrag auf Überprüfung einer solchen Entscheidung zulässig machen (Urteile vom 14. Juni 1988 in der Rechtssache 161/87, Muysers u. a./Rechnungshof, Slg. 1988, 3037, und vom 13. November 1986 in der Rechtssache 232/85, Becker/Kommission, Slg. 1986, 3401).

40 Im vorliegenden Fall macht der Kläger geltend, die Art und Weise, in der die Anstellungsbehörde den Beschluß Nr. 81-5 bei den Beförderungen von Herrn Ruppert und Herrn Beurotte angewandt habe, stelle eine wesentliche neue Tatsache dar, die eine Überprüfung seiner Einstufung rechtfertige.

41 Zur Beurteilung der Begründetheit dieses Vorbringens sind zunächst Zweck und Tragweite des Beschlusses Nr. 81-5 zu untersuchen. Dieser Beschluß legt fest, welche "Kriterien bei der Ernennung der Bediensteten des Rechnungshofes in einer bestimmten Besoldungsgruppe und bei ihrer Einstufung in eine bestimmte Dienstaltersstufe anzuwenden sind". Er ist auf die Artikel 29, 30 und 32 des Statuts gestützt, die die Einstellung betreffen. Sein Zweck ist es, "gleiche Kriterien für die Einstufung der erfolgreichen Teilnehmer an Auswahlverfahren festzulegen"; ferner heisst es darin, daß "dieselben Kriterien bei der Einstufung der Bediensteten auf Zeit anzuwenden" sind. Er beruht auf der Überlegung, daß die "Politik der Einstufung der erfolgreichen Teilnehmer an Auswahlverfahren des Rechnungshofes ein wesentliches Element seiner Personalpolitik darstellt". Aus seinem Wortlaut ergibt sich somit klar, daß er nur die Einstufung der erfolgreichen Teilnehmer an einem Auswahlverfahren in die Besoldungsgruppe und in die Dienstaltersstufe betrifft - wobei es mangels jeder Differenzierung des Beschlusses zwischen den verschiedenen Arten von Auswahlverfahren in dem Beschluß gleichgültig ist, ob es sich um ein internes, ein interinstitutionelles oder ein externes Auswahlverfahren handelt -, daß der Beschluß jedoch nicht dazu bestimmt ist, auf Beförderungen angewandt zu werden.

42 Dabei ist an den Unterschied zwischen Beförderung und Auswahlverfahren sowie zwischen den Bestimmungen über die Beförderung und den Bestimmungen über die Auswahlverfahren zu erinnern. Artikel 45 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Statuts bestimmt:

"Die Beförderung wird durch Verfügung der Anstellungsbehörde ausgesprochen. Sie bewirkt, daß der Beamte in die nächsthöhere Besoldungsgruppe seiner Laufbahngruppe oder seiner Sonderlaufbahn übertritt. Sie wird ausschließlich auf Grund einer Auslese unter den Beamten vorgenommen, die in ihrer Besoldungsgruppe eine Mindestdienstzeit abgeleistet haben; die Auslese erfolgt nach Abwägung der Verdienste der Beamten, die für die Beförderung in Frage kommen, sowie der Beurteilungen über diese Beamten."

43 Wie der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, sollen die Vorschriften über die Beförderung den Aufstieg von Bediensteten der Gemeinschaft, die zum Zeitpunkt der Beförderung bereits Beamte sind, in ihren jeweiligen Laufbahn- oder Besoldungsgruppen regeln (Urteil vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 17/83, Angelidis/Kommission, Slg. 1984, 2907) und gewährleisten, daß während der dienstlichen Laufbahn eines Beamten die grösstmögliche Kontinuität in der Entwicklung seines Dienstalters und seiner Bezuege gewahrt wird (Urteile vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 273/83, Michel/Kommission, Slg. 1985, 347, und vom 14. Juni 1988 in der Rechtssache 47/87, Lucas/Kommission, Slg. 1988, 3019).

44 Es ist auf die Unterschiede hinzuweisen, die das Beförderungsverfahren einerseits und das Auswahlverfahren andererseits kennzeichnen. Bei der Beförderung eines Beamten spielen verschiedene Beurteilungskriterien eine Rolle: das allgemeine Niveau der von ihm bei der Erfuellung seiner Aufgaben geleisteten Dienste (Urteile vom 17. März 1983 in der Rechtssache 280/81, Hoffmann/Kommission, Slg. 1983, 889, und vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 9/82, Öhrgaard und Delvaux/Kommission, Slg. 1983, 2379), die Befähigung, das Lebensalter und das Dienstalter in der Besoldungsgruppe oder in der Dienststelle (Urteil vom 24. März 1983 in der Rechtssache 298/81, Colussi/Parlament, Slg. 1983, 1131). Hieraus ergibt sich die Bedeutung, die der Beurteilung zukommt, die immer dann ein unentbehrliches Bewertungskriterium darstellt, wenn der Dienstherr die Laufbahn des Beamten zu berücksichtigen hat (Urteil vom 10. Juni 1987 in der Rechtssache 7/86, Vincent/Parlament, Slg. 1987, 2473).

45 Beim Auswahlverfahren stellt die Ausschreibung die verbindliche Regelung dar, in der die von den Bewerbern zu erfuellenden Voraussetzungen niedergelegt sind. Die Statutsbestimmungen über die Einstufung in die Dienstaltersstufe bei der Ernennung sollen der Anstellungsbehörde insbesondere die Möglichkeit geben, die Ausbildung und die vom Bewerber vor seinem Dienstantritt erworbene spezifische Berufserfahrung zu berücksichtigen.

46 Das Auswahlverfahren und die Beförderung stellen somit verschiedene Verfahren dar, für die unterschiedliche Statutsbestimmungen gelten und die jeweils eigenen Kriterien unterliegen.

47 Im vorliegenden Fall war der Beschluß Nr. 81-5, der nur die Einstufung der erfolgreichen Teilnehmer an einem internen, interinstitutionellen oder externen Auswahlverfahren betrifft, nicht auf die Verfügungen über die Beförderung von Herrn Ruppert und Herrn Beurotte anzuwenden. Diese Verfügungen können deshalb nicht als wesentliche neue Tatsachen hinsichtlich der Durchführung des Beschlusses Nr. 81-5 angesehen werden, die es dem Kläger erlauben würden, eine Überprüfung der Anwendung dieses Beschlusses bei seiner Ernennung in der Besoldungsgruppe A 5 aufgrund eines internen Auswahlverfahrens zu verlangen.

48 Der Kläger hat demgemäß keine wesentlichen neuen Tatsachen dargetan, die die Wiedereröffnung der Fristen rechtfertigen würden, die in den Artikeln 90 und 91 des Statuts für die Einreichung einer Klage gegen die ihn beschwerende Maßnahme, nämlich gegen die Verfügung vom 18. Oktober 1984 über seine Ernennung in der Besoldungsgruppe A 5, vorgesehenen sind. Die Klage ist somit als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung


Kosten

49 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

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