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Document 61987CC0053

    Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 21. Juni 1988.
    Consorzio italiano della componentistica di ricambio per autoveicoli und Maxicar gegen Régie nationale des usines Renault.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale civile e penale di Milano - Italien.
    Geltendmachung von Geschmacksmusterrechten an Karosserieteilen von Kraftfahrzeugen: Vereinbarkeit mit den Artikeln 30 bis 36 und 86 EWG-Vertrag.
    Rechtssache 53/87.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 -06039

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1988:330

    61987C0053

    Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 21. Juni 1988. - CONSORZIO ITALIANO DELLE COMPONENTISTICA DI RICAMBIO PER AUTOVEICOLI UND SPA MAXICAR GEGEN REGIE NATIONALE DES USINES RENAULT. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM TRIBUNALE CIVILE E PENALE MAILAND. - WAHRNEHMUNG VON MUSTERSCHUTZRECHTEN AN EINZELTEILEN VON KRAFTFAARZEUGKAROSSIEREN - VEREINBARKEIT MIT DEN ARTIKELN 30 BIS 36 UND 86 EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE 53/87.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 06039


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1 . Die Vorabentscheidungsfragen des Tribunale civile e penale Mailand in der Rechtssache 53/87 ( Consorzio italiano della componentistica di ricambio per autoveicoli - im folgenden : Consorzio - und Maxicar/Renault ) und des High Court of Justice, London, in der Rechtssache 238/87 ( Volvo/Veng ) stellen den Gerichtshof im wesentlichen vor die Frage, ob sich ein Kraftfahrzeughersteller, der Inhaber von Geschmacksmusterrechten an Teilen der Karosserie eines von ihm hergestellten Fahrzeugs ist, ohne Verletzung des Gemeinschaftsrechts gegen die Vermarktung von nachgebauten Karosserieteilen durch unabhängige Hersteller oder Händler zur Wehr setzen kann .

    2 . Nach der radikalsten These, die das Consorzio und Maxicar vor dem Tribunale civile e penale Mailand vertreten, kann es einem Fahrzeughersteller in keinem Fall gestattet sein, sich ihnen gegenüber auf ein solches Geschmacksmuster zu berufen, um ihnen Herstellung, Verkauf, Ausfuhr oder Einfuhr solcher Teile zu untersagen .

    3 . Eine weniger absolute These wird von der Firma Veng vor dem High Court of Justice, London, vertreten . Nach ihr ist ein Fahrzeughersteller, wenn er ein Geschmacksmuster an Ersatzteilen erlangen kann, auf jeden Fall verpflichtet, Herstellungs - oder Einfuhrlizenzen an unabhängige Händler zu vergeben, die ihm hierfür eine angemessene Entschädigung zahlen müssen .

    4 . Im Rahmen dieser Schlussanträge ( 1 ), die sich auf die Fragen des Mailänder Gerichts beziehen, werde ich das Problem eingehender, wenn auch nicht ausschließlich, unter dem Blickwinkel der Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr zu untersuchen haben . In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache 238/87 werde ich mich vor allem mit der Frage der Zwangslizenzen auseinandersetzen .

    I - Zur ersten Frage

    5 . Die erste Frage des Tribunale civile e penale Mailand lautet :

    "Verwehren es die Artikel 30 bis 36 EWG-Vertrag dem Inhaber eines in einem Mitgliedstaat erteilten Geschmacksmusterrechts, es Dritten unter Berufung auf das betreffende ausschließliche Recht zu untersagen, Einzelteile, die in ihrer Gesamtheit die Karosserie eines bereits auf den Markt gebrachten Kraftfahrzeugs bilden, d . h . Einzelteile, die als Ersatzteile für dieses Kraftfahrzeug verkauft werden sollen, herzustellen, zu verkaufen und in einen anderen Mitgliedstaat auszuführen?"

    6 . Zu Beginn sei bemerkt, daß sich das Ausgangsverfahren von den sonstigen Rechtssachen, mit denen der Gerichtshof im Bereich des gewerblichen Eigentums befasst war, recht deutlich unterscheidet .

    7 . Hier verteidigt nicht der Inhaber eines Schutzrechts sein "Gebiet" gegen Einfuhren, sondern hier greifen unabhängige Hersteller den Rechtsinhaber an und stellen dessen Recht, sich ihnen gegenüber ( 2 ) auf seine Ausschließlichkeitsrechte zu berufen, in Frage; das Consorzio und Maxicar nehmen nämlich für sich in Anspruch, diese Teile selbst herstellen und sie dann ausführen zu dürfen .

    8 . Ich werde später auf diese zumindest teilweise Infragestellung der Rechte des gewerblichen und kommerziellen Eigentums als solcher zurückkommen . Zu Beginn möchte ich das Problem der Ausfuhr von Ersatzteilen untersuchen, die von den Klägern des Ausgangsverfahrens hergestellt oder möglicherweise hergestellt werden, denn gerade unter diesem Blickwinkel steht die gestellte Frage in Zusammenhang mit den Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr .

    9 . Nun ist von vorneherein klar, daß die Ausfuhren nur insoweit betroffen sind, als sie durch das Verbot der Herstellung der betreffenden Teile unmöglich gemacht werden . Der Beginn eines Ausfuhrstroms in die anderen Mitgliedstaaten ist nur eine mögliche Auswirkung des etwaigen Erfolgs der gegen das Herstellungsverbot gerichteten Klage .

    10 . Die Kläger berufen sich nicht auf besondere Vorschriften des italienischen Rechts, die

    "spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und seinen Aussenhandel schaffen, so daß die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt ". ( 3 )

    11 . Ich kann daher bereits festhalten, daß das Verbot des Artikels 34 EWG-Vertrag in der vorliegenden Rechtssache keine Rolle spielt . Es gibt keine Ausfuhrbeschränkung im Sinne des Artikels 34, bei der zu prüfen wäre, ob sie "zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums" im Sinne des Artikels 36 gerechtfertigt wäre .

    12 . Unter diesem Blickwinkel betrifft das Ausgangsverfahren mithin eine gänzlich auf Italien beschränkte Situation : Zwei italienische Gesellschaften beanspruchen das Recht, in Italien durch italienische Geschmacksmusterrechte geschützte Teile herzustellen .

    13 . Die Bezugnahme des nationalen Gerichts auf den "Verkauf" der Ersatzteile könnte allerdings notfalls so ausgelegt werden, daß damit auch der Fall gemeint wäre, daß nicht von der Régie Renault hergestellte Teile nach Italien eingeführt würden und dort auf ein Vertriebsverbot stießen .

    14 . Das Consorzio hat nämlich erläutert ( Seite 59 seiner Erklärungen ), daß seine Mitglieder auch von Dritten hergestellte Ersatzteile vermarkten, die zum Teil aus dem Ausland stammen ( z . B . aus Spanien ). Unter diesen Umständen halte ich es für notwendig, das aufgeworfene Problem auch unter dem Gesichtspunkt von Einfuhrverboten zu untersuchen .

    15 . Der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes und insbesondere dem Urteil in der Rechtssache Keurkoop ( 4 ) ist nun zu entnehmen,

    "daß der dem gewerblichen und kommerziellen Eigentum durch Artikel 36 EWG-Vertrag gewährte Schutz ohne Bedeutung wäre, wenn es einer anderen Person als derjenigen, die Inhaber des Rechtes an dem Modell in einem Mitgliedstaat ist, gestattet wäre, dort ein Erzeugnis mit dem gleichen Aussehen wie das geschützte Modell zu vertreiben ".

    16 . Allerdings müssen - hierauf weist der Gerichtshof in der folgenden Randnummer dieses Urteils hin - Einfuhrverbote und -beschränkungen gemäß Artikel 36 unter anderem aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein und dürfen kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten sein .

    17 . Wie Punkt 1 der Gründe der Entscheidung des Mailänder Gerichts zeigt, ist ihm diese Rechtsprechung wohlbekannt und bezieht sich die gestellte Frage auf das Vorliegen einer verschleierten Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten .

    18 . Nach Überprüfung der Bestimmungen des italienischen Rechts über die Voraussetzungen für die Erteilung von Geschmacksmusterrechten und der Feststellung, daß es in Italien in der Tat möglich ist, Geschmacksmuster an den einzelnen Teilen einer Kraftfahrzeugkarosserie ( zusätzlich zu dem Geschmacksmuster an der Gesamtkarosserie ) zu erlangen, hält das Mailänder Gericht es gleichwohl für erforderlich zu prüfen, "ob eine derartige nationale Regelung in Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften stehen kann" ( Punkt 3 der Gründe des Vorlagebeschlusses ).

    19 . Die vorgelegte Frage geht also deutlich über das einfache Problem der Vereinbarkeit der Ausübung eines Immaterialgüterrechts mit dessen spezifischem Gegenstand hinaus, wie ihn der Gerichtshof definiert hat . Das nationale Gericht ist der Meinung, daß "die von den Klägern aufgeworfene Frage betreffend die fehlende Rechtfertigung für einen Musterschutz, der die eigentlichen, von Artikel 36 EWG-Vertrag zwingend vorausgesetzten Aufgaben des gewerblichen Rechtsschutzes nicht erfuellt und daher möglicherweise ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellt, nicht als unbegründet (( erscheint ))" ( Seite 10 f . der deutschen Übersetzung des Vorlagebeschlusses ).

    20 . Kann sich der Gerichtshof unter Berücksichtigung seiner einschlägigen Rechtsprechung mit derartigen Erwägungen befassen? Meiner Meinung nach ist wie folgt zu unterscheiden :

    a ) Mangels einer Rechtsvereinheitlichung oder -angleichung innerhalb der Gemeinschaft bestimmen sich die Voraussetzungen und Modalitäten des Geschmacksmuster - ( und Patent-)schutzes nach nationalem Recht ( Urteil Keurkoop, Randnr . 18 ).

    b ) Die Prüfung der Rechtsgültigkeit eines Geschmacksmusters ist ebenfalls Sache der nationalen Gerichte .

    c ) Lässt sich der Inhaber eines Geschmacksmusters eine "mißbräuchliche Ausübung" seiner Befugnis, Einfuhren zu untersagen, zuschulden kommen ( einer Befugnis also, die dem spezifischen Gegenstand des Geschmacksmusters entspricht ), so kann er sich nicht auf die in Artikel 36 vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs berufen . Dies ist der Fall, wenn das Verbot der Einfuhr geeignet ist, innerhalb des Gemeinsamen Marktes künstliche Abschottungen beizubehalten oder zu schaffen . So kann sich der Inhaber nicht auf seine Rechte berufen, um die Einfuhr oder Vermarktung eines Erzeugnisses zu verbieten, das entweder von ihm selbst, mit seiner Zustimmung oder von einer rechtlich oder wirtschaftlich von ihm abhängigen Person auf den Markt eines anderen Mitgliedstaats gebracht worden ist ( Grundsatz der Erschöpfung des Ausschließlichkeitsrechts ). Ebensowenig kann sich der Inhaber eines ausschließlichen Rechts auf sein Recht berufen, wenn das Einfuhr - und Vertriebsverbot, das er geltend machen will, mit einem Kartell in Zusammenhang steht, durch das der Wettbewerb in der Gemeinschaft beschränkt würde ( Randnrn . 24 bis 27 des Urteils Keurkoop ). Vorliegend haben weder die Kläger des Ausgangsverfahrens noch das nationale Gericht dargetan, daß eine dieser Sachlagen oder eine andere Form mißbräuchlicher Rechtsausübung gegeben ist .

    d ) Was aber geschieht, wenn der Inhaber sein Recht, der Einfuhr von Erzeugnissen entgegenzutreten, die unter Verletzung seines Patents oder Geschmacksmusters hergestellt wurden, ganz normal ausübt, aber vorgetragen wird, dieses Recht sei ihm vom nationalen Recht mißbräuchlich gewährt worden? Man denke z . B . an den Fall, daß das Recht eines Mitgliedstaats die Erteilung eines Patents auch für eine bekannte und in einem anderen Mitgliedstaat seit langem geschützte "Erfindung" vorsieht, oder auch an den Fall, daß ein Mitgliedstaat lediglich zugunsten der eigenen Staatsangehörigen ein Schutzrecht für Ersatzteile gewährt .

    21 . Zumindest seit dem Urteil in der Rechtssache Warner Brothers ( 5 ) halte ich es für gesichert, daß der Gerichtshof in einem solchen Fall zur Prüfung berechtigt ist, ob die betreffenden Rechtsvorschriften als zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne des Artikels 36 gerechtfertigt angesehen werden können . In diesem Urteil hat der Gerichtshof u . a . festgestellt :

    "Würde ein Anspruch auf Vergütung lediglich bei Verkäufen an private Verbraucher oder auch an Vermieter von Videokassetten eingeräumt, wäre es nicht möglich, den Filmherstellern eine Vergütung zu sichern, die der Zahl der tatsächlich erfolgten Vermietungen entspricht und ihnen einen angemessenen Anteil am Vermietungsmarkt sichert ."

    Der Gerichtshof hat daher entschieden, daß Rechtsvorschriften, die die Vermietung von Videokassetten von der Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts abhängig machen und ihm damit die Möglichkeit eröffnen, diese Vermietung von der Zahlung einer Gebühr abhängig zu machen, als aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt anzusehen seien .

    22 . Es ist dem Gerichtshof mithin unbenommen, zu untersuchen, ob Rechtsvorschriften, die das Verbot der Einfuhr ohne Erlaubnis nachgebauter Karosserieteile ermöglichen, aus solchen Gründen gerechtfertigt sind oder nicht vielmehr eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen ( 6 ).

    23 . Wie ich bereits andeutete, hat das Mailänder Gericht starke Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der betreffenden Rechtsvorschriften mit dem EWG-Vertrag .

    24 . Es weist zunächst darauf hin, daß der Schutz von Geschmacksmustern in dem Erfordernis begründet sei, die wirtschaftliche Entwicklung durch die Suche nach Neuheiten und technischen Fortschritten sowie nach industrieller Ästhetik zu fördern, und daß der Schutz auch einzelner Karosserieteile mit dieser Funktion nicht zu vereinbaren sei .

    25 . Nach Auffassung des Mailänder Gerichts stellt sich nämlich die auf der Erlangung von Geschmacksmusterrechten für jedes der - insgesamt die Karosserie bildenden - Einzelteile beruhende Monopolstellung nicht als "Lohn" für Arbeiten der Forschung und zur Erzielung eines Fortschritts auf dem Gebiet der Ästhetik dar, da dieser bereits aus Anlaß des ( gleichzeitig durch andere Geschmacksmuster geschützten ) Gesamtentwurfs des Kraftfahrzeugs erschöpft sei . Der Ausschluß anderer Wirtschaftsteilnehmer vom Wettbewerb und der höhere Preis, den der Inhaber als Monopolgewinn erziele, stellten Vorteile dar, die nicht mit den Voraussetzungen des wirtschaftlichen Fortschritts zusammenhingen, wie sie den Bestimmungen zum Schutze des gewerblichen Eigentums zugrunde läge .

    26 . Offensichtlich wollen sich hier das nationale Gericht und die Kläger des Ausgangsverfahrens, die diesen Gesichtspunkt als erste vorgetragen haben, nicht auf den vom Gerichtshof entwickelten Grundsatz der Erschöpfung des Immaterialgüterrechts ( 7 ) beziehen, dessen Gehalt ich bereits vorstehend erläutert habe .

    27 . Wenn das nationale Gericht und die Kläger des Ausgangsverfahrens davon sprechen, daß der "Lohn verbraucht" sei, so beziehen sie sich auf die Funktion, die der Gerichtshof dem gewerblichen und kommerziellen Eigentum zuweist, nämlich auf den "Ausgleich für eine schöpferische Erfindertätigkeit" ( vgl . insbesondere die Urteile in den Rechtssachen Pharmon und Centrafarm, a . a . O .).

    28 . Nach ihrer Meinung kann ein Ersatzteil nicht Gegenstand einer eigenständigen, von der bei dem Entwurf der Gesamtkarosserie verwendeten zu unterscheidenden Bemühung um eine ästhetische Schöpfung und daher für sich genommen auch nicht Gegenstand eines Geschmacksmusterrechts sein, und dies umso weniger, als die bei dem Entwurf der Gesamtkarosserie entfaltete Bemühung um eine ästhetische Schöpfung bereits ausreichend durch die Erteilung eines ausschließlichen Schutzrechts an der Gesamtkarosserie belohnt worden sei . Die zusätzliche Erteilung eines solchen Rechts an einem Teil würde gewissermassen zu einer "doppelten Belohnung" des Rechtsinhabers führen . Dazu möchte ich folgendes sagen .

    29 . Es muß zunächst festgestellt werden, daß die italienischen Geschmacksmusterrechte aufgrund von Rechtsvorschriften erteilt werden, die unbestreitbar den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne des Artikels 36 bezwecken .

    30 . Ferner könnte man, selbst wenn der Akt geistiger Schöpfung, der einem Erzeugnis einen ästhetischen Wert zu verleihen in der Lage ist, nur das Gesamt-Design des Kraftfahrzeugs beträfe und auch wenn die Form eines Karosserieteils niemals Gegenstand einer eigenständigen ästhetischen Entwicklung wäre ( was insbesondere die Regierung der Bundesrepublik Deutschland bestreitet ), doch meiner Meinung nach mit Recht sagen, daß nicht nur die Gesamtkarosserie, sondern auch jedes der sie bildenden Teile Ergebnis der Bemühung des Fahrzeugherstellers um Schöpfung oder Neuerung sei .

    31 . Was schließlich die Frage einer möglichen "doppelten Belohnung" der schöpferischen Bemühung oder einer übertriebenen Amortisierung von Investitionen in Forschung, Entwicklung und Gestaltung neuer Modelle angeht, so kann ich nicht sehen, inwieweit der nationale Gesetzgeber den Rahmen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums verlassen würde, wenn er es einem Fahrzeughersteller ermöglichte, diese Belohnung oder diese Amortisierung auf den Preis für das gesamte Fahrzeug einerseits und den Preis für Ersatzteile andererseits zu verteilen . Sicherlich könnten die Preise für Ersatzteile übertrieben hoch ausfallen, und der Hersteller könnte versuchen, in irgendeiner Weise eine "doppelte Belohnung" einzustreichen . Diese Frage gehört jedoch zu dem Problem der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung, die später aus Anlaß der zweiten Frage des italienischen Gerichts zu prüfen sein wird .

    32 . Aus dem Vorstehenden ergibt sich meines Erachtens, daß die Gewährung eines eigenständigen Schutzes für Karosserieteile als mit der vom Gerichtshof dem gewerblichen und kommerziellen Eigentum zugewiesenen Funktion des "Ausgleichs für eine schöpferische Erfindertätigkeit" in Einklang stehend anzusehen ist .

    33 . In diesem Zusammenhang möchte ich im übrigen Ihre Aufmerksamkeit auf eine sehr gründliche Untersuchung einer unabhängigen öffentlichen Organisation, der britischen "Monopolies and Mergers Commission", zur Politik eines grossen Kraftfahrzeugherstellers in Sachen Karosserieersatzteilpreise lenken ( der Bericht findet sich in Anhang 2 zu den Erklärungen des Consorzio ). Nach der Feststellung, daß in dem ihr vorliegenden konkreten Fall die Kriterien des britischen Rechts für wettbewerbswidriges und gegen das öffentliche Interesse verstossendes Verhalten erfuellt seien, hat diese Stelle vorgeschlagen, die Geltungsdauer ausschließlicher Rechte an Teilen der Karosserie auf fünf Jahre zu beschränken, in keiner Weise aber den Grundsatz in Frage gestellt, daß ein Hersteller an Teilen der Karosserie seiner Fahrzeuge gewerbliche Schutzrechte erlangen und beim Verkauf dieser Teile eine "Belohnung" für seine Neuerungsbemühungen und seine Forschungs - und Entwicklungskosten erzielen kann .

    34 . Bei der Prüfung des Schutzes von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge dürfen wir ferner nicht vergessen, daß sich morgen das gleiche Problem bei allen anderen Erzeugnissen, die aus einer Gesamtheit getrennt hergestellter Teile bestehen, oder sogar bei Teilen stellen kann, die innerhalb eines Ganzen nebeneinander bestehen, ohne miteinander körperlich verbunden zu sein . Wer könnte in Abrede stellen - hieraus hat Professor Beier in der von Renault vorgelegten Untersuchung hingewiesen -, daß die Teile, die z . B . ein Tafelservice mit einer gewissen Originalität oder eine von einem grossen Innenarchitekten geschaffene Sitzgruppe bilden, jedes für sich geschützt werden können? Anderenfalls wäre der für das gesamte Service oder die Sitzgruppe erlangte Schutz ohne jede praktische Wirkung .

    35 . Der Gerichtshof braucht indessen zur Opportunität oder zur Notwendigkeit des Schutzes der Teile einer Fahrzeugkarosserie nicht Stellung zu nehmen . Er hat lediglich zu entscheiden, ob Rechtsvorschriften der in Frage stehenden Art aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne des Artikels 36 gerechtfertigt erscheinen . Unter Berücksichtigung der vorstehenden Bemerkungen halte ich dies für zutreffend .

    36 . An zweiter Stelle bleibt zu prüfen, ob ein Einfuhrverbot nach Maßgabe derartiger Rechtsvorschriften nicht ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels darstellt .

    37 . Die Anwendung von Rechtsvorschriften, die die Erteilung von Geschmacksmusterrechten nicht nur für Karosserien als Ganzes, sondern auch für deren Einzelteile gestatten, scheint mit nicht geeignet, "künstliche Abschottungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes beizubehalten oder zu schaffen" ( vgl . das Urteil Keurkoop, Randnr . 24 ).

    38 . Zunächst ist das Recht auf Erwerb von Schutzrechten für Ersatzteile nicht den italienischen Fahrzeugherstellern vorbehalten, da im Ausgangsverfahren gerade eine ausländische Firma betroffen ist . Das Verbot, nachgebaute Teile der Marke Renault oder geschützte Teile jeder anderen Marke herzustellen, trifft alle Unternehmen mit Sitz in Italien und in erster Linie die italienischen Kapitalgesellschaften .

    39 . Die Régie Renault ist befugt, aus Italien etwa von ihr dort hergestellte Einzelteile auszuführen und nach Italien die von der Muttergesellschaft oder ihren Tochtergesellschaften in den anderen Mitgliedstaaten hergestellten Teile einzuführen . Ebenso kann jeder andere Fahrzeughersteller Einzelteile seiner Marke aus - oder einführen . Auch kann jede Einzelperson Originalteile jeder beliebigen Marke, die sie in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, einführen oder die in Italien erworbenen ausführen .

    40 . Verboten werden kann nur die Einfuhr von Einzelteilen, die nicht genehmigte Nachbauten von in Italien geschützten Teilen darstellen . Ein solches Einfuhrverbot kann nun aber einen Schutz der italienischen Hersteller dieser Nachbauten weder bezwecken noch bewirken, weil eine derartige Produktion in Italien aufgrund ebendieser Schutzrechte verboten ist . Mithin lässt sich feststellen, daß Verbote aufgrund solcher Rechtsvorschriften weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen .

    41 . Aus all diesen Gründen schlage ich Ihnen vor, die erste Frage des Tribunale civile e penale Mailand wie folgt zu beantworten :

    "Die Artikel 30 bis 36 EWG-Vertrag verwehren es dem Inhaber eines in einem Mitgliedstaat erteilten Geschmacksmusterrechts nicht, es Dritten unter Berufung auf das betreffende ausschließliche Recht zu untersagen, Einzelteile, die in ihrer Gesamtheit die Karosserie eines bereits auf den Markt gebrachten Kraftfahrzeugs bilden und als Ersatzteile für dieses Kraftfahrzeug verkauft werden sollen, herzustellen, auszuführen, einzuführen und zu verkaufen ."

    II - Zur zweiten Frage

    42 . Das Tribunale civile e penale Mailand hat dem Gerichtshof eine zweite Frage vorgelegt, die wie folgt lautet :

    "Kann es den Kraftfahrzeugherstellern gemäß Artikel 86 EWG-Vertrag untersagt werden, die von ihnen auf dem Ersatzteilmarkt für die von ihnen hergestellten Kraftfahrzeuge eingenommene beherrschende Stellung dadurch zu mißbrauchen, daß sie Geschmacksmusterrechte erwerben, um den Wettbewerb von seiten der unabhängigen Ersatzteilhersteller auszuschließen?"

    43 . Bei dieser Formulierung seiner Frage hält es das Gericht für ausgemacht, daß Kraftfahrzeughersteller stets eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Ersatzteile für die von ihnen hergestellten Fahrzeuge einnehmen - das bleibt meiner Meinung nach zu überprüfen - und daß sie diese durch die blosse Einreichung eines Geschmacksmusters für die Einzelteile der Karosserie ihrer Fahrzeuge mißbrauchen .

    44 . Ich möchte die Frage daher eigentlich eher so verstehen :

    "Mißbraucht ein Kraftfahrzeughersteller, wenn er Ersatzteile für die von ihm hergestellten Fahrzeuge schützen lässt, eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag, weil die Ausübung der mit einem Schutzrecht verbundenen Ausschließlichkeitsrechte unabhängige Unternehmen daran hindert, diese Teile rechtmässig herzustellen und so in Wettbewerb mit dem Fahrzeughersteller zu treten?"

    45 . Um diese Frage zu beantworten, muß zunächst festgestellt werden, ob ein Kraftfahrzeughersteller eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Ersatzteile für die von ihm hergestellten Fahrzeuge einnimmt und ob es sich hierbei wirklich um den "relevanten Markt" handelt .

    46 . Hierzu ist die Auffassung vertreten worden, daß die Ersatzteile zu einem weiteren Markt gehörten, der sowohl die Kraftfahrzeuge als auch die entsprechenden Ersatzteile umfasse . Im Rahmen des starken Wettbewerbs zwischen den Fahrzeugherstellern sei der Preis für die Ersatzteile eines der Elemente, die von den Verbrauchern beachtet würden .

    47 . Es unterliegt in der Tat keinem Zweifel, daß sich bestimmte Fahrzeugkäufer, bevor sie ihre Wahl treffen, auch nach dem Preis der Ersatzteile erkundigen und daß dies ihre Wahl beeinflussen kann . Sicher ist auch, daß der Besitzer eines Fahrzeugs einer bestimmten Marke, der sich entschließt, ein neues Fahrzeug zu kaufen, möglicherweise zu einer anderen Marke wechselt, weil sich die Ersatzteile des ersten Fahrzeugs seiner Meinung nach als zu teuer erwiesen haben . Berücksichtigt man den Zeitfaktor, so schließt der Wettbewerb auf dem Neuwagenmarkt also auch ein Wettbewerbsmoment bezueglich der Ersatzteile mit ein .

    48 . Es bleibt gleichwohl richtig, daß der Eigentümer eines Fahrzeugs, der sich zu einem gegebenen Zeitpunkt entschließt, die Karosserie seines Fahrzeugs zu reparieren und kein neues Fahrzeug zu kaufen, gezwungen ist, ein Karosserieteil mit der gleichen Form wie das Originalteil zu kaufen ( entweder unmittelbar, wenn er selbst repariert, oder mittelbar über eine Werkstatt des Herstellernetzes oder über eine unabhängige Werkstatt ). Für die Eigentümer eines Fahrzeugs einer bestimmten Marke ist der "relevante Markt" derjenige der vom Fahrzeughersteller verkauften Karosserieteile oder der Teile, die, weil sie Nachbildungen der erstgenannten sind, an deren Stelle treten können .

    49 . Ich kann daher auch die übrigen Auffassungen, die in der vorliegenden Rechtssache vorgetragen wurden, nicht teilen, daß nämlich der relevante Markt derjenige der Ersatzteile für Fahrzeuge im allgemeinen oder gar der Markt sei, der sich um Herstellung und Wartung von Fahrzeugen herum gebildet habe .

    50 . Es muß im übrigen festgestellt werden, daß mehrere gewichtige Argumente für die Annahme sprechen, daß ein Kraftfahrzeughersteller auch unabhängig von den ihm etwa eingeräumten gewerblichen Schutzrechten eine beherrschende Stellung auf dem betreffenden Markt einnimmt .

    51 . Das Vertriebsnetz des Fahrzeugherstellers ist nämlich der erste Anbieter, an den ein etwaiger Interessent denkt, weil er sicher ist, dort sofort oder binnen kurzem das gesuchte Teil zu erhalten . Die Kraftfahrzeughersteller eines bestimmten Landes unterhalten zumindest in diesem Land ein recht dichtes Vertriebsnetz . Ferner hängt die Garantie des Herstellers von der Verwendung sogenannter Originalteile ab, deren Vermarktung er kontrolliert . In einer Zeit, in der Hersteller eine Anti-Korrosions-Garantie bis zu sechs Jahren anbieten, ist das nicht zu vernachlässigen . Die unabhängigen Teilehersteller kommen ihrerseits erst einige Zeit nach dem Start eines neuen Modells auf den Markt, weil sie Zeit für ihr "reverse engineering" brauchen, das sie in die Lage versetzt, Nachbauten des Originalteils herzustellen . Die von ihnen hergestellten Teile genießen nicht das Ansehen, das die Bezeichnung "Original-Ersatzteil" verleiht, und die Stellen, an denen man sie bekommen kann, sind weniger bekannt .

    52 . Im vorliegenden Fall scheint mir der abschließende Nachweis, daß ein Kraftfahrzeughersteller auch unabhängig von den ihm erteilten gewerblichen Schutzrechten eine beherrschende Stellung einnimmt, nicht unerläßlich zu sein . Die von dem nationalen Gericht angesprochene Situation betrifft nämlich Karosserieteile, an denen dieser Hersteller tatsächlich Geschmacksmuster besitzt . Das nationale Gericht hat übrigens darauf hingewiesen, daß diese Geschmacksmuster nach den Kriterien des nationalen Rechts gültig seien .

    53 . Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bedeutet der blosse Besitz eines gewerblichen Schutzrechts nicht ohne weiteres, daß der Rechtsinhaber eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 einnimmt . In den Rechtssachen Sirena und Deutsche Grammophon ( 8 ) hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, daß der Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts dann eine beherrschende Stellung einnimmt, wenn er in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf einem wesentlichen Teil des relevanten Marktes zu behindern, wobei insbesondere das etwaige Vorhandensein und die Marktstellung von Herstellern und Händlern zu berücksichtigen seien, die ähnliche oder substituierbare Waren vermarkten .

    54 . Vorliegend betreffen die gewerblichen Schutzrechte jedoch Teile der Karosserie eines Kraftfahrzeugs, und die einzigen substituierbaren Erzeugnisse sind solche, die genau die gleiche Form wie die vom Hersteller hergestellten Teile aufweisen . Wie nun aber die Kommission in ihren Erklärungen in der Rechtssache 238/87 ( Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice, London, in dem Rechtsstreit Firma Volvo gegen Firma Veng ) zu Recht hervorgehoben hat, gibt es in diesem Fall keine substituierbaren Waren, die nicht gegen die vom Hersteller gehaltenen Schutzrechte verstießen . Sobald daher der Hersteller sein Geschmacksmuster geltend macht und die substituierbaren Teile nicht mehr hergestellt werden dürfen, erlangt er ohne jeden Zweifel eine beherrschende Stellung auf dem Markt der für ihn geschützten Karosserieteile, der sich damit letzten Endes als der vorliegend "relevante Markt" erweist .

    55 . Da dies zu Recht vom Mailänder Gericht vorausgesetzt wurde, fragt dieses uns nun, ob die Einreichung von Geschmacksmustern für diese Teile schon "per se" einen Mißbrauch dieser beherrschenden Stellung darstellt .

    56 . Wenn nun aber der Besitz eines Schutzrechts nicht einmal ausreicht, um automatisch eine beherrschende Stellung zu begründen, so kann er um so weniger schon "per se" den Mißbrauch einer solchen Stellung bedeuten .

    57 . Die Rechtsprechung des Gerichtshofes lässt hier keinerlei Raum für Zweifel . Schon in seinem Urteil vom 29 . Februar 1968 in der Rechtssache 24/67 ( Parke, Davis & Co ., Slg . 1968, 85, 112 ) hat der Gerichtshof festgestellt :

    "Dieser Verbotstatbestand (( des Artikels 86 )) erfordert ... das Vorliegen von drei Tatbestandsmerkmalen :

    - das Bestehen einer beherrschenden Stellung,

    - ihre mißbräuchliche Ausnutzung und

    - die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten .

    Wenn das Patent seinem Inhaber auch innerhalb eines Staates einen besonderen Schutz gewährt, so ergibt sich hieraus noch nicht, daß die Ausübung der Rechte aus dem Patent die drei genannten Tatbestandsmerkmale erfuellt . Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Verwertung des Patents zu einer mißbräuchlichen Ausnutzung dieses Schutzes ausartet ."

    58 . Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt :

    "Sonach kann, da über den Bestand des Patentrechts gegenwärtig allein die innerstaatliche Gesetzgebung entscheidet, nur die Ausübung dieses Rechts dem Gemeinschaftsrecht unterliegen, wenn sie zu einer beherrschenden Stellung beiträgt, deren mißbräuchliche Ausnutzung dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen ."

    59 . Die blosse Erlangung eines gewerblichen Schutzrechts ( und die Ausübung der mit ihm verbundenen Rechte, ohne die der Besitz des Geschmacksmusters keine praktische Bedeutung hätte ) stellt daher keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung dar . Es ist ein zusätzliches Element erforderlich .

    60 . Dieses liegt nicht bereits in dem Umstand, daß der Wettbewerb unabhängiger Unternehmen, die nachgebaute Teile herstellen, ausgeschaltet wird . Die Ausschaltung dieses Wettbewerbs ist nämlich die notwendige Folge eines gewerblichen Schutzrechts an einem Erzeugnis, das keine andere als die ihm von seinem Schöpfer, dem Inhaber des ausschließlichen Rechts, gegebene Form haben darf .

    61 . Das zusätzliche Element - oder der zusätzliche Umstand - könnte hingegen in diskriminierenden Verkaufsbedingungen bestehen ( z . B . Nichtbelieferung unabhängiger Reparaturwerkstätten mit Ersatzteilen ) oder in der Weigerung, weiterhin Ersatzteile eines Modells herzustellen, dessen Produktion eingestellt wurde, obwohl noch viele Fahrzeuge dieses Typs verkehren . Der Fall aber, an den man vor allem denkt, ist der der Anwendung "unangemessener Preise" im Sinne des Artikels 86 Absatz 2 Buchstabe a . Die klagenden Gesellschaften behaupten in der Tat, daß die von Renault hergestellten Karosserieteile von den Vertragshändlern dieser Marke zu übertrieben hohen Preisen verkauft würden .

    62 . Bei einem Vorabentscheidungsersuchen ist nun aber allein das Gericht des Ausgangsverfahrens in der Lage, diese Frage zu beantworten . Es sei jedoch daran erinnert, daß der Gerichtshof in dem ( vorstehend erwähnten ) Urteil Parke, Davis & Co . festgestellt hat, daß ein Mißbrauch einer beherrschenden Stellung nicht notwendigerweise schon deswegen vorliegt, weil der Verkaufspreis des patentierten Erzeugnisses höher ist als der des nicht geschützten Erzeugnisses . Das deutet darauf hin, daß der "Erfinder" berechtigt sein soll, neben seinen eigentlichen Produktionskosten und einer vernünftigen Gewinnspanne auch seine Forschungs - und Entwicklungskosten zu decken .

    63 . Was die als Ersatzteile verkauften Karosserieteile anbelangt, so zeigt sich das Problem hier unter einem besonderen Blickwinkel, weil ein Teil dieser Kosten höchstwahrscheinlich bereits durch den Neuwagenverkauf gedeckt ist . Bei der Festlegung des Preises der Ersatzteile muß daher dieser Umstand gebührend berücksichtigt werden . Die Feststellung, ob dies geschehen ist oder nicht, ist Sache des mit dem Ausgangsverfahren befassten nationalen Gerichts .

    64 . Es sei schließlich bemerkt, daß, sollte das Monopol der Kraftfahrzeughersteller bezueglich ihrer geschützten Ersatzteile sie häufig zu einem Mißbrauch ihrer beherrschenden Stellung verleiten oder sollte die Versuchung eines solchen Mißbrauchs als zu stark eingeschätzt werden, es naturgemäß dem nationalen und möglicherweise auch dem Gemeinschaftsgesetzgeber ( im Wege einer Angleichung der nationalen Rechtsordnungen ) erlaubt wäre, die betreffenden ausschließlichen Rechte mit den am angemessensten erscheinenden Mitteln anzupassen .

    65 . Abschließend schlage ich Ihnen vor, die zweite Frage des Mailänder Gerichts wie folgt zu beantworten :

    "Artikel 86 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß ein Kraftfahrzeughersteller, der lediglich ein Geschmacksmuster an den Einzelteilen der Karosserie der von ihm gefertigten Fahrzeuge erwirbt und die sich hieraus ergebenden Rechte geltend macht, damit noch nicht eine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt ."

    (*) Aus dem Französischen übersetzt .

    ( 1 ) Neben den in den Akten enthaltenen Dokumenten habe ich mit grossem Interesse die 1987 der Juristischen Fakultät der Universität Jean Moulin ( Lyon III ) vorgelegte Arbeit von Fabrice Picod "La Protection des pièces de carrosserie automobile en droit communautaire" gelesen .

    ( 2 ) Aber nicht gegenüber anderen Fahrzeugherstellern .

    ( 3 ) Siehe insbesondere das Urteil vom 8 . November 1979 in der Rechtssache 15/79, Grönveld, Slg . 1979, 3409 .

    ( 4 ) Siehe die Randnrn . 22 und 24 des Urteils vom 14 . September 1982 in der Rechtssache 144/81, Keurkoop, Slg . 1982, 2853, 2870 bis 2872 .

    ( 5 ) Urteil vom 17 . Mai 1988 in der Rechtssache 158/86, Warner Brothers, Slg . 1988, 0000, Randnrn . 11, 15 und 16 .

    ( 6 ) In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis auf meine Schlussanträge vom 28 . April 1988 in der Rechtssache 35/87, Thetford/Fiamma, Slg . 1988, 0000, Nrn . 20 und 23 .

    ( 7 ) Urteil vom 31 . Oktober 1974 in der Rechtssache 15/74, Centrafarm, Slg . 1974, 1147, ebenso Urteil vom 14 . Juli 1981 in der Rechtssache 187/80, Merck, Slg . 1981, 2063, und Urteil vom 9 . Juli 1985 in der Rechtssache 29/84, Pharmon, Slg . 1985, 2281 .

    ( 8 ) Rechtssache 40/70, Sirena, Slg . 1971, 69, Randnr . 16; Rechtssache 78/80, Deutsche Grammophon, Slg . 1971, 487, Randnr . 16 .

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