Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61986CC0218

    Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn vom 28. Oktober 1987.
    SAR Schotte GmbH gegen Parfums Rothschild SARL.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Düsseldorf - Deutschland.
    Brüsseler Übereinkommen: Begriff der Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassungen.
    Rechtssache 218/86.

    Sammlung der Rechtsprechung 1987 -04905

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1987:469

    61986C0218

    Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn vom 28. Oktober 1987. - SAR SCHOTTE GMBH GEGEN PARFUMS ROTHSCHILD SARL. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM OBERLANDESGERICHT DUESSELDORF. - BRUESSELER UEBEREINKOMMEN - BEGRIFF DER ZWEIGNIEDERLASSUNG, AGENTUR ODER SONSTIGE NIEDERLASSUNG. - RECHTSSACHE 218/86.

    Sammlung der Rechtsprechung 1987 Seite 04905


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    Die Firma SAR Schotte GmbH ( im folgenden : die Firma Schotte ) mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland klagt vor einem deutschen Gericht gegen die Firma Parfums Rothschild SARL ( im folgenden : die französische Firma Rothschild ) mit Sitz in Frankreich auf Zahlung von 55*597,04*DM als Kaufpreis für Zerstäuberpumpen und -verschlüsse für Parfumflaschen, die sie der französischen Firma Rothschild verkauft und geliefert hat . Diese bestreitet die Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da sie ihren Sitz in Frankreich habe . Die Firma Schotte beruft sich auf Artikel 5 Nr.*5 des Übereinkommens von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen; die Bestimmung lautet :

    "Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden : ...* wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet ."

    Das Landgericht Düsseldorf war der Auffassung, daß es für die Entscheidung über diese Klage nicht zuständig sei, da Artikel 5 Nr.*5 des Übereinkommens nicht anwendbar sei . Das Oberlandesgericht Düsseldorf ( das die Zuständigkeit der deutschen Gerichte eher zu befürworten scheint ) hat in der Berufungsinstanz dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt :

    "Ist der Gerichtsstand einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung gemäß Artikel 5 Nr.*5 des Übereinkommens auch dann gegeben, wenn eine juristische Person französischen Rechts, eine Société à responsabilité limitée, mit Sitz in Paris, in einem anderen Vertragsstaat, hier : der Bundesrepublik Deutschland, zwar organisatorisch keine Niederlassung im Sinne einer unselbständigen Aussenstelle eines Stammhauses unterhält, wenn sich in dem anderen Vertragsstaat aber eine gleichnamige selbständige juristische Person deutschen Rechts, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mit identischer Geschäftsführung befindet, die im Namen der juristischen Person französischen Rechts verhandelt und Geschäfte abschließt und deren sich die juristische Person französischen Rechts wie einer Aussenstelle bedient?"

    In dem Vorabentscheidungsersuchen heisst es, daß die Firma Rothschild GmbH mit Sitz in Düsseldorf ( im folgenden : die deutsche Firma Rothschild ) in den Jahren 1981 und 1982 Verhandlungen mit der Firma Schotte über die Herstellung und Lieferung von Zerstäubern führte . "Nachdem die Verhandlungen der Klägerin mit der Rothschild GmbH erfolgreich verlaufen waren", bestellte die französische Firma Rothschild bei der Firma Schotte verschiedene Arten von Zerstäubern, die nach Puteaux, Frankreich, geliefert werden sollten, wo die Flaschen mit Parfum gefuellt wurden . Die Firma Schotte richtete die Rechnungen vereinbarungsgemäß an die französische Firma Rothschild .

    Die französische Firma Rothschild machte geltend, sie sei eine 100%ige Tochtergesellschaft der deutschen Firma Rothschild ( beide Firmen sind offenbar 1981 gegründet worden ). Das vorlegende Gericht hat dies nicht als Tatsache festgestellt, das Vorbringen ist jedoch nicht bestritten worden . Jedenfalls hatten die beiden Firmen Rothschild in der entscheidungserheblichen Zeit einen gemeinsamen Geschäftsführer, Herrn Vehling . Jede von ihnen hatte ausserdem einen weiteren Geschäftsführer, Herrn Rothschild bei der deutschen Firma und Frau Rodaks bei der französischen Firma, obgleich deren Wohnsitz ebenso wie der von Herrn Vehling in der Bundesrepublik Deutschland liegen soll .

    1983 beklagte sich die deutsche Firma Rothschild bei der Firma Schotte darüber, daß die Zerstäuber zahlreichen Kundenreklamationen zufolge funktionsuntüchtig seien . Es kam daraufhin zu einer umfangreichen Korrespondenz zwischen der Firma Schotte und der deutschen Firma Rothschild, die unter dem Briefkopf der letzteren geführt wurde, jedoch "von einem der beiden Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet" war . Der vor Abschluß der einzelnen Verträge geführte Schriftverkehr war anscheinend ebenfalls unter dem Briefkopf der deutschen Firma geführt und in der gleichen Weise unterzeichnet worden . Ob der gemeinsame Geschäftsführer unterschrieb und, wenn ja, ob er dies für die französische oder für die deutsche Firma Rothschild tat, ist nicht klar .

    Als die deutsche Firma Rothschild verklagt wurde, bestritt sie ihre Passivlegitimation . Deshalb ist die vorliegende Klage gegen die französische Firma Rothschild erhoben worden .

    Es ist klar, daß die französische Firma Rothschild gemäß Artikel 5 Nr.*5 nur dann in der Bundesrepublik verklagt werden kann, erstens, wenn die deutsche Firma Rothschild "eine Zweigniederlassung, eine Agentur oder eine sonstige Niederlassung" der französischen Firma Rothschild ist und ( wenn sie dies ist ) zweitens, wenn sich die Streitigkeit mit der Firma Schotte "aus dem Betrieb" der deutschen Firma Rothschild ergibt .

    Der Gerichtshof hat bereits zu der Bedeutung der Begriffe "Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung" Stellung genommen . Er hat in der Rechtssache 14/76 ( De Bloos/Bouyer, Slg . 1976, 1497, 1509 ) entschieden : "Zweigniederlassung und Agentur sind unter anderem wesentlich dadurch charakterisiert, daß sie der Aufsicht und Leitung des Stammhauses unterliegen", und hinzugefügt, der Begriff der Niederlassung weise die gleichen Wesensmerkmale auf . Der Begriff "Niederlassung" ist offenbar ebenso zu verstehen wie Zweigniederlassung und Agentur . In der Rechtssache 33/78 ( Somafer/Saar-Ferngas, Slg . 1978, 2183, 2193 ) hat der Gerichtshof ausgeführt, da Artikel 5 Nr . 5 eine Abweichung vom allgemeinen Zuständigkeitsprinzip des Artikels 2 des Übereinkommens darstelle, müsse "durch (( seine )) Auslegung die diese Abweichung rechtfertigende besondere Verknüpfung ohne Schwierigkeiten nachgewiesen werden können ". Es müssten äussere Merkmale vorliegen, anhand deren die örtliche Firma leicht erkannt werden könne; ferner müsse ein Zusammenhang zwischen der örtlichen Firma und der Klage bestehen, die gegen das in einem anderen Vertragsstaat bestehende Stammhaus erhoben werde . "Mit dem Begriff der Zweigniederlassung, der Agentur oder der sonstigen Niederlassung (( ist )) ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint, der auf Dauer als Aussenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, daß er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, daß diese, obgleich sie wissen, daß möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Aussenstelle ist ."

    In der Rechtssache 139/80 ( Blanckärt & Willems/Trost, Slg . 1981, 819, 829 ) hat der Gerichtshof entschieden, daß ein unabhängiger Handelsvertreter, der seine Arbeitszeit im wesentlichen frei bestimmen könne und "sich ... darauf (( beschränkt )), Aufträge an das Stammhaus weiterzuleiten, ohne an deren Abwicklung oder Ausführung beteiligt zu sein", nicht als Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung angesehen werden kann .

    Artikel 5 Nr.*5 begünstigt den Kläger dadurch, daß er es ihm ermöglicht, statt im Staat des Domizils des Beklagten in dem Staat Klage zu erheben, in dem der Beklagte eine Zweigniederlassung hat, mit der der Kläger Geschäfte abgeschlossen hat . Die Bestimmung begünstigt den Beklagten dadurch, daß sie die Zuständigkeit nur an den Ort verlegt, an dem sich eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet, nicht jedoch dorthin, wo nur eine vorübergehende Präsenz oder irgendeine Verbindung mit dem Staat der geplanten Klageerhebung besteht, die schwächer ist als die Existenz einer Zweigniederlassung .

    Eine Zweigniederlassung ( und, wie ich es sehe, auch eine "succursale ") ist meines Erachtens eine Aussenstelle des Hauptgeschäfts ( unabhängig davon, ob dieses einer Gesellschaft oder einer natürlichen Person gehört ), die die Angelegenheiten des Hauptgeschäfts auf kontinuierlicher Grundlage zu dessen Vorteil betreibt und dabei dessen Kontrolle unterliegt . "Agentur" und "Niederlassung" bedeuten meiner Meinung nach im grossen und ganzen dasselbe und bezeichnen einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit, der dem Hauptgeschäft nachgeordnet ist, obwohl "Niederlassung" vielleicht etwas weiter ist als "Agentur ". Ich verstehe den Begriff "Agentur" nicht dahin, daß er nur den Ort bezeichnet, an dem ein Bevollmächtigter für einen Vollmachtgeber tätig wird .

    Im normalen Sprachgebrauch scheint mir der Begriff "Zweigniederlassung" gewöhnlich eine Stelle zu bezeichnen, die dem Inhaber eines grösseren Geschäfts gehört . Bei wörtlicher Auslegung des Artikels 5 Nr.*5 lässt sich sagen, daß die Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung rechtlich und tatsächlich im Eigentum des Inhabers des Hauptgeschäfts stehen muß . Wenn dagegen der fragliche Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit einem anderen gehört, kann nicht gesagt werden, daß er die Zweigniederlassung des Inhabers des Hauptgeschäfts ist, selbst wenn dieser andere dessen Bevollmächtigter, Vertreter oder Geschäftspartner ist .

    Ein solches Ergebnis würde potentiellen Beklagten den grösstmöglichen Schutz geben und die engste Auslegung des Artikels 5 Nr.*5 darstellen, wonach am wenigsten in den Grundsatz des Artikels*2 eingegriffen würde . Es ist ein attraktives Ergebnis, da es relativ leicht angewendet werden kann .

    Die Situation des Klägers muß jedoch ebenfalls berücksichtigt werden . Wenn der Inhaber eines in einem Staat bestehenden Geschäfts es vermeiden kann, in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung im technischen Sinne zu haben, indem er dort eine Gesellschaft gründet, die tatsächlich, wenn auch nicht rechtlich, ein völliges alter ego ist, so lässt sich mit nicht weniger Überzeugungskraft sagen, daß der Zweck des Artikels 5 Nr.*5 vereitelt wird . Einer Person, die über diese andere Gesellschaft mit dem Hauptgeschäft in Verbindung steht, wird ein Klagerecht vorenthalten, das sie gehabt hätte, wenn der Hauptinhaber als Inhaber im eigenen Namen eine Geschäftsstelle oder sonstige Niederlassung eröffnet hätte . Doch ist die Situation beider in Wirklichkeit sehr ähnlich .

    Da mir scheint, daß Artikel 5 Nr.*5 sowohl im Interesse des Klägers als auch im Interesse des Beklagten konzipiert wurde, müssen diese divergierenden Interessen, wenn möglich, in Übereinstimmung gebracht werden .

    In der Rechtssache Somafer hat der Gerichtshof für das Vorliegen einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung zwei Voraussetzungen aufgestellt : Erstens müssen ein dauerhafter Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit und eine Geschäftsführung vorhanden sein, die so ausgestattet ist, daß sie Geschäfte abschließen kann ( wodurch der Beklagte davor geschützt wird, aufgrund einer vorübergehenden oder zeitweiligen Präsenz verklagt zu werden ), und zweitens müssen Dritte wissen, daß sie sich nicht unmittelbar an das Stammhaus zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Aussenstelle ist .

    Normalerweise wird diese zweite Voraussetzung wohl erfuellt sein, wenn die Zweigniederlassung oder sonstige Niederlassung dem Inhaber des Hauptgeschäfts gehört ( und eventuell seinen Namen trägt ). Veranlasst der Inhaber jedoch eine andere Person oder Gesellschaft, so zu handeln, daß Dritte zu der Annahme verleitet werden, daß sie vielleicht mit dieser anderen Person oder Gesellschaft als Aussenstelle oder Nebenstelle des Inhabers Geschäfte abschließen, wissend, "daß möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem Stammhaus begründet wird", so scheint mir, daß der Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit dieser anderen Person oder Gesellschaft eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung des Inhabers sein kann, mit dem der Vertrag geschlossen wurde, so daß dieser gemäß Artikel 5 Nr.*5 in dem Staat verklagt werden kann, in dem sich dieser Mittelpunkt befindet .

    Eine derartige Situation kann entstehen, wenn eine Gesellschaft aus irgendeinem Grund in einem anderen Vertragsstaat eine 100%ige Tochtergesellschaft gründet . Ich bin jedoch nicht der Auffassung, daß der Begriff "Zweigniederlassung" oder "Niederlassung" anhand der formalen Gesellschaftsstruktur oder des Anteilseigentums auszulegen ist . Die Frage ist die, ob der Inhaber des Hauptgeschäfts den Eindruck erweckt hat, daß der Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit der anderen Gesellschaft die Stelle ist, an der Dritte mit dem Inhaber des Hauptgeschäfts Geschäfte abschließen können, und ob Dritte darauf vertraut haben .

    Dies könnte ohne weiteres nicht nur mit einer 100%igen Tochtergesellschaft, sondern auch mit einer nahestehenden Gesellschaft geschehen, und es könnte, wenn auch zweifellos seltener, der Fall sein, wenn das Stammhaus im Namen der Tochtergesellschaft handelt ( wenn sie z.*B . im wesentlichen verschiedene Produkte herstellen und jede in geringem Umfang für die andere Geschäfte über deren Hauptprodukt abschließt ). Wenn das entscheidende Kriterium weniger der Besitz von Anteilen als vielmehr das Erwecken eines Eindrucks ist, so hat diese Schlußfolgerung nichts ungebührlich Störendes an sich . Der Grundsatz kann jedoch nicht auf den Fall beschränkt werden, in dem es um Gesellschaften geht . Er muß auch, wenn überhaupt, auf Einzelpersonen anwendbar sein; das Ausmaß der tatsächlichen Kontrolle eines Inhabers über eine Einzelperson kann in der Tat nicht geringer sein als das, das ein Stammhaus über eine 100%ige Tochtergesellschaft ausübt .

    Dieses Kriterium ist nicht leicht zu erfuellen . Es müssen "Merkmale" vorhanden sein, "anhand deren das Bestehen einer Zweigniederlassung ... festgestellt werden kann" ( Somafer, Slg . 1978, 2193 ), und diese muß "aus der Sicht eines Dritten leicht erkennbar als Aussenstelle eines Stammhauses hervortreten" ( Blackärt, Slg . 1981, 829 ). Es ist für ein nationales Gericht natürlich schwieriger, diese Frage zu klären als lediglich die rechtliche Eigentumslage des Mittelpunktes geschäftlicher Tätigkeit; dies ist jedoch keine unmögliche Aufgabe . Das nationale Gericht hat aufgrund des Sachverhalts zu entscheiden, ob ein solcher Eindruck erweckt wird und ob die andere Vertragspartei sich darauf verlassen hat . Es wird entscheidend sein, solche Punkte zu berücksichtigen wie die Identität des Namens und der Geschäftsführung, die Art und Weise der Geschäftsführung, das Ausmaß der ausgeuebten Kontrolle, die Frage, ob der eine zum Vorteil und im Namen des anderen handelt, und die Art und Weise, wie das angebliche Hauptgeschäft und die Zweigstelle sich gegenseitig im Verhältnis zu Dritten anerkennen .

    Trotz der Überzeugungskraft der Gegenargumente ( die leider vor dem Gerichtshof nicht vorgetragen worden sind ) für die engere Auffassung, daß das Vorliegen einer "Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung" von den Eigentumsverhältnissen abhängt, würde ich daher die Ansicht vertreten, daß, wenn ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit in einem Mitgliedstaat von dem Inhaber eines Geschäfts, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, so behandelt wird, als ob es ein Bestandteil seines Geschäfts unter seiner Leitung und Kontrolle ist, und wenn Dritte dies deutlich erkennen, dieser Mittelpunkt eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung im Sinne des Artikels 5 Nr.*5 sein kann, auch wenn er einer anderen Person oder Gesellschaft gehört und von ihr betrieben wird . Meines Erachtens widerspricht dies nicht der Feststellung im Jenard-Bericht, sondern entspricht ihr grundsätzlich eher, daß nämlich "für die Aufnahme 'besonderer' Zuständigkeitsregeln ... als weiterer Grund die Erwägung (( sprach )), daß eine enge Verbindung zwischen einem Rechtsstreit und dem für seine Entscheidung zuständigen Gericht besteht ".

    Das zweite Argument der französischen Firma Rothschild geht dahin, daß sich die Streitigkeit nicht "aus dem Betrieb" der deutschen Firma Rothschild ergebe, da die in Rede stehenden Verträge ausschließlich mit der französischen Firma Rothschild geschlossen worden seien . Das vorlegende Gericht ersucht nicht um Vorabentscheidung über diese Frage, sondern zitiert das Urteil in der Rechtssache Somafer, wonach unter den Begriff "aus dem Betrieb" diejenigen Rechtsstreitigkeiten fallen, "die sich auf Verbindlichkeiten beziehen, welche der vorstehend beschriebene Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit im Namen des Stammhauses eingegangen ist und die in dem Vertragsstaat zu erfuellen sind, in dem dieser Mittelpunkt besteht ".

    Da insoweit nicht um eine Entscheidung ersucht wird, ist es vielleicht besser, die Frage nicht zu behandeln . Für den Fall, daß der Gerichtshof anderer Meinung ist, möchte ich jedoch kurz darauf eingehen .

    Der Begriff "Streitigkeiten aus dem Betrieb" einer Zweigniederlassung usw . ist ausser in der Rechtssache Somafer noch nicht untersucht worden . Die Formulierungen in diesem Urteil scheinen zu besagen, daß das vertragschließende Unternehmen mit der Zweigniederlassung im Namen des Stammhauses Geschäfte abgeschlossen haben muß . Dies würde wohl den Fall ausschließen, daß die Zweigniederlassung alle Verhandlungen führt, der endgültige Vertrag jedoch vom Stammhaus geschlossen wird . Für diese Passage würde ich jedoch die vorhergehende Randnummer der Entscheidungsgründe, die Randnummer 12, als weit genug ansehen, um auch den Fall zu erfassen, daß alle Verhandlungen vollständig von der Zweigniederlassung für das Stammhaus geführt werden, der endgültige Vertrag (" möglicherweise ein Rechtsverhältnis ") dagegen von dem letzteren geschlossen wird . Gäbe es die Randnummer 13 der Entscheidungsgründe nicht, so hätte ich den Worten "Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung" eine weitere Bedeutung beigemessen . Auch würde ich es bei Fehlen dieser Randnummer schwierig finden, aus Artikel 5 Nr.*5 die Einschränkung herzuleiten, daß die Verbindlichkeiten "in dem Vertragsstaat zu erfuellen sind, in dem dieser Mittelpunkt besteht ". Wäre der Vertrag im vorliegenden Fall von einer deutschen Zweigniederlassung im Namen der französischen Firma Rothschild geschlossen worden, hätte er jedoch die Lieferung der Waren in Puteaux, Frankreich, vorgesehen, so würde der Zweck des Artikels 5 Nr.*5 meines Erachtens eine Klageerhebung der Firma Schotte gegen die französische Firma Rothschild in Deutschland ermöglichen .

    Ich werde jedoch auf diese Punkte nicht weiter eingehen, da sie nicht Gegenstand einer besonderen Frage sind . Das nationale Gericht wird sie zu prüfen haben, wenn es zu der Überzeugung kommt, daß in der Bundesrepublik Deutschland eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung der französischen Firma Rothschild besteht .

    Ich schlage daher vor, die vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten :

    "Der Gerichtsstand einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung gemäß Artikel 5 Nr.*5 des Übereinkommens kann auch dann gegeben sein, wenn eine juristische Person des Rechts eines Vertragsstaats mit Sitz in diesem Staat und eine selbständige juristische Person des Rechts eines anderen Vertragsstaats mit Sitz in diesem Staat den gleichen Namen und eine identische Geschäftsführung haben, wenn die letztere tatsächlich Geschäfte unter der Leitung und Kontrolle der ersteren abschließt und Dritten gegenüber den Eindruck erweckt, als ob sie eine Aussenstelle oder ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit der ersteren sei, und wenn Dritte mit der letzteren auf dieser Grundlage Geschäfte abgeschlossen haben ."

    Die Auslagen der Kommission und der Bundesregierung sind nicht erstattungsfähig . Die Entscheidung über die Kosten der Parteien des Ausgangsverfahrens ist Sache des nationalen Gerichts .

    (*) Aus dem Englischen übersetzt .

    Top