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Document 61986CC0145

    Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 9. Juli 1987.
    Horst Ludwig Martin Hoffmann gegen Adelheid Krieg.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande.
    Brüsseler Übereinkommen - Artikel 26, 27, 31 und 36.
    Rechtssache 145/86.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 -00645

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1987:358

    61986C0145

    Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 9. Juli 1987. - HORST LUDWIG MARTIN HOFFMANN GEGEN ADELHEID KRIEG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM HOGE RAAD DER NEDERLANDEN. - BRUESSELER UEBEREINKOMMEN - ARTIKEL 26, 27, 31 UND 36. - RECHTSSACHE 145/86.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 00645


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1 . Mit den vorliegenden Vorabentscheidungsfragen ersucht Sie der Hoge Raad der Nederlanden um Auslegung mehrerer Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens vom 27 . September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen . Zunächst möchte ich die Grundzuege des Ausgangsverfahrens darstellen .

    2 . Nach 28jähriger Ehe lässt sich ein deutscher Staatsangehöriger, Herr Hoffmann ( im folgenden : der Mann ), 1978 in den Niederlanden nieder . Seine Ehegattin, Frau Krieg ( im folgenden : die Frau ), die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, bleibt in der Bundesrepublik Deutschland, wo sie am 21 . August 1979 einen Beschluß des Amtsgerichts Heidelberg erwirkt, durch den ihr Unterhalt bei Getrenntleben durch Zahlung einer Geldrente zugesprochen wird .

    3 . In Anwendung des Übereinkommens erklärt der Präsident der Arrondissementsrechtbank Almelo ( Niederlande ) diesen Beschluß durch Entscheidung vom 29 . Juli 1981 für vollstreckbar .

    Der Mann, dem diese Entscheidung am 29 . April 1982 zugestellt wird, legt hiergegen keinen Rechtsbehelf ein .

    4 . Am 1 . Mai 1980 wird die Ehe auf Antrag des Mannes von der Arrondissementsrechtbank Maastricht durch Versäumnisurteil geschieden . Dieses Urteil wird am 19 . August 1980 in das Personenstandsregister von Den Haag eingetragen . Das Scheidungsurteil, das nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt, ist von den deutschen Behörden noch nicht anerkannt worden ( 1 ).

    5 . Unter Berufung auf das Scheidungsurteil beantragt der Mann beim Amtsgericht Heidelberg, festzustellen, daß die Unterhaltsentscheidung keine Wirkungen mehr entfaltet . Dieser Antrag des Mannes wird mit der Begründung zurückgewiesen, das Scheidungsurteil sei in der Bundesrepublik noch nicht anerkannt worden; zugleich wird der Unterhaltsbetrag herabgesetzt .

    6 . Mit Hilfe der mit der Vollstreckungsklausel versehenen deutschen Entscheidung lässt die Frau am 28 . Februar 1983 die Forderungen des Mannes gegen seinen Arbeitgeber pfänden . Der Mann erwirkt daraufhin am 7 . Juli 1983 eine einstweilige Anordnung des Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Almelo, durch die diese Pfändung aufgehoben wird . Auf die Berufung der Frau gegen diese zweite Entscheidung wird diese vom Gerechtshof Arnheim mit Urteil vom 24 . September 1984 aufgehoben; hiergegen legt der Mann Kassationsbeschwerde ein .

    7 . Im Rahmen des Kassationsverfahrens legt der Hoge Raad Ihnen fünf Fragen zur Vorabentscheidung vor . Bei ihrer Prüfung werde ich etwas von der Reihenfolge abweichen, in der sie von dem niederländischen oberen Gericht gestellt worden sind . Zunächst werden Ihnen nämlich zwei Fragen gestellt, die sich auf die Wirkungen einer anerkannten Entscheidung beziehen, sodann eine Frage zur Möglichkeit der Bejahung eines Grunds für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckbarerklärung und schließlich zwei Fragen zu den Rechtsbehelfen, die in einem Rechtsstreit nach Zulassung der Zwangsvollstreckung gegeben sind . Es werden nacheinander folgende Verfahrensstadien durchlaufen :

    - die Anerkennung, die gemäß dem Übereinkommen ohne weiteres erfolgt,

    -die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach den Vorschriften des Übereinkommens,

    - die eigentliche Zwangsvollstreckung, für die laut Ihrem Urteil in der Rechtssache 148/84 ( 2 ) das nationale Recht gilt .

    Ich werde daher zunächst die eventuelle Tragweite der Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckbarerklärung ( I ) prüfen, bevor ich die Wirkungen eines anerkannten Urteils zu bestimmen versuche ( II ). Schließlich werde ich mich der vierten und fünften Frage zuwenden, die die Rechtsbehelfe betreffen, die in einem Vollstreckungsrechtsstreit gegeben sind ( III ).

    I - Artikel 27 des Übereinkommens ( dritte Frage des Hoge Raad )

    8 . Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 34 Absatz 2, der die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Zwangsvollstreckung betrifft, ausdrücklich auf die in Artikel 27 aufgeführten fünf Fälle der Nichtanerkennung verweist . Der Hoge Raad bittet Sie um Entscheidung darüber, ob zwei dieser Versagungstatbestände, die Unvereinbarkeit ( A ) und die öffentliche Ordnung ( B ) im Ausgangsrechtsstreit eingreifen könnten . Fürs erste möchte ich lediglich erwähnen, daß diese Gründe im vorliegenden Fall in einem Verfahrensstadium geltend gemacht werden, in dem die Zwangsvollstreckung bereits zugelassen worden ist, ohne daß der im Übereinkommen vorgesehene Rechtsbehelf eingelegt worden wäre .

    A - Die Unvereinbarkeit der Entscheidungen

    9 . Nach Artikel 27 Nr . 3 wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist . Dieser Begriff ist unbestreitbar weiter als derjenige der Rechtskraft . Sollte man daran vielleicht Zweifel hegen, so braucht man lediglich Artikel 27 Nr . 3 mit Artikel 27 Nr . 5 zu vergleichen, wonach die Anerkennung einer Entscheidung versagt wird, wenn sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Nichtvertragsstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist - also die herkömmlichen Kriterien der Rechtskraft aufweist . Welche Merkmale kennzeichnen also die Unvereinbarkeit im Sinne von Artikel 27 Nr . 3?

    10 . Jede Auslegung, die auf den eigentlichen Inhalt der Entscheidungen abstellt, läuft Gefahr, zu einem zu engen Ergebnis zu führen . Zum Beispiel können zwei Entscheidungen auf einer gegensätzlichen Begründung beruhen, ohne deswegen in ihren Wirkungen miteinander unvereinbar zu sein . Man braucht nur an den Fall zu denken, daß ein Berufungsgericht ein erstinstanzliches Urteil bestätigt, aber die Gründe durch andere ersetzt, sich also für eine abweichende oder gar entgegengesetzte rechtliche Begründung entscheidet .

    11 . Daher ist die Unvereinbarkeit meines Erachtens auf dem Gebiet der rechtlichen Auswirkungen zu suchen, die die Anerkennung der Entscheidung im Vollstreckungsstaat hätte . Im einzelnen gilt es zu klären, ob das Zusammentreffen der Wirkungen der beiden Entscheidungen zu einem mit der Kohärenz der Rechtsordnung des ersuchten Staats unvereinbaren Widerspruch führen würde .

    12 . Die Tragweite der von mir vorgeschlagenen Lösung lässt sich anhand einiger Beispielsfälle illustrieren, die teils erfunden, teils Entscheidungen nationaler Gerichte entnommen sind . So ist eine Entscheidung, durch die eine Person zur Erfuellung eines Vertrags verurteilt wird, offensichtlich unvereinbar mit einer Entscheidung, durch die der Vertrag für nichtig erklärt worden ist ( 3 ). Ebenso sind eine Entscheidung, durch die die Anerkennung eines Scheidungsurteils versagt wird, und die in diesem Urteil enthaltene Unterhaltsregelung zugunsten der früheren Ehefrau miteinander unvereinbar ( 4 ). Nicht unvereinbar sind dagegen ein Urteil, mit dem der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verurteilt wird, und ein Urteil, durch das der Verkäufer seinem Vertragspartner gegenüber zum Schadensersatz wegen verborgener Mängel verpflichtet wird, denn die Forderungen, die mit beiden einander nicht widersprechenden Entscheidungen zugesprochen worden sind, können gegeneinander aufgerechnet werden ( 5 ).

    13 . Das Gericht des Vollstreckungsstaats hat somit meines Erachtens eine konkrete Untersuchung im Rahmen der Rechtsordnung dieses Staates vorzunehmen .

    14 . Im vorliegenden Fall setzt die deutsche Unterhaltsentscheidung notwendigerweise das Bestehen der Ehe voraus, während dieser Rechtszustand durch das spätere niederländische Urteil aufgehoben wurde . Diese Aufhebung erfolgt nur für die Zukunft und kann die automatische Anerkennung der deutschen Entscheidung in den Niederlanden vom Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit in der Bundesrepublik an nicht in Frage stellen . Daß diese Entscheidung vor dem Scheidungsurteil erging, zeigt, daß es einen Zeitraum gab, während dessen der Mann zur Unterhaltszahlung verpflichtet war . Eine solche Situation unterscheidet sich kaum von dem nach innerstaatlichen Recht gegebenen Fall, daß der Ehemann, nachdem er gerichtlich zur Unterhaltszahlung verpflichtet worden ist, die Scheidung erwirkt hat . Der frühere Ehemann kann sich gewiß nicht auf ein solches Scheidungsurteil berufen, um die Zahlung von Unterhalt für die Zeit zwischen den beiden Entscheidungen zu verweigern .

    15 . Für die Bejahung der Vereinbarkeit ist somit meines Erachtens der Umstand wesentlich, daß es einen der Scheidung vorausgehenden Zeitraum gibt, während dessen der Unterhaltsanspruch vollstreckt werden kann; dieser Umstand würde es gestatten, eine Versagung der Anerkennung aufgrund von Artikel 27 Nr . 3 auszuschließen und die Zwangsvollstreckung zuzulassen . Die von der Kommission vorgeschlagene abstrakte Vorgehensweise, die in der Prüfung der Frage besteht, ob die Entscheidungen ihrer Natur nach miteinander vereinbar sind, ohne daß die Tragweite ihrer gleichzeitigen Wirkungen in einer bestimmten Rechtsordnung untersucht wird, erscheint mir nicht mit Artikel 27 Nr . 3 im Einklang zu stehen . Die Unvereinbarkeit im Sinne dieser Vorschrift ist konkret nach dem Maßstab der rechtlichen Kohärenz des ersuchten Staats zu beurteilen .

    B - Die öffentliche Ordnung

    16 . Nach Artikel 27 Nr . 1 wird die Entscheidung nicht anerkannt, wenn sie der öffentlichen Ordnung widersprechen würde . Ich halte es nicht für erforderlich, eine Antwort auf die Anwendung dieser Vorschrift im vorliegenden Fall vorzuschlagen, denn es ist sicher ausschließlich Sache der nationalen Gerichte, den Inhalt der öffentlichen Ordnung zu bestimmen .

    17 . Ich möchte mich daher lediglich auf zwei allgemeine Bemerkungen zu Artikel 27 Nr . 1 beschränken :

    - Diese Vorschrift ist im Rahmen des Übereinkommens nur für Ausnahmefälle vorgesehen ( 6 ), die um so seltener sind, als vermögensrechtliche Entscheidungen "statistisch" keinen Bezug zur öffentlichen Ordnung aufweisen .

    - Der Inhalt dieser Vorschrift ist in der Weise näher zu bestimmen, daß nicht etwa zu prüfen ist, ob die Entscheidung selbst der öffentlichen Ordnung widerspricht, sondern ob ihre Anerkennung oder die Zulassung der Zwangsvollstreckung eine solche Wirkung hervorrufen würde . Es handelt sich um einen Anwendungsfall der sogenannten Theorie der "abgeschwächten Wirkung des Ordre public" ( 7 ), wonach das nationale Gericht die Zwangsvollstreckung aus Urteilen zulassen kann, die es selbst nicht hätte erlassen können .

    II - Die Wirkungen einer anerkannten Entscheidung ( erste und zweite Frage des Hoge Raad )

    18 . Da die ersten beiden Fragen auf eine Klärung der Tragweite eines anerkannten Urteils abzielen, werden sie im folgenden gemeinsam geprüft .

    19 . Im Ausgangsverfahren besteht ein bedeutender Gegensatz zwischen der deutschen und der niederländischen Rechtsordnung in der Frage, ob die Ehe geschieden ist, und dementsprechend auch in der Frage des Fortbestands der Verpflichtungen, die sich aus der Unterhaltsrente ergeben . Es kommt daher wesentlich darauf an, ob die Wirkungen eines anerkannten Urteils sich nach dem Recht des Urteilsstaats oder nach dem des Vollstreckungsstaats bestimmen .

    20 . Wie G . A . L . Droz hervorhebt ( 8 ), schweigt das Übereinkommen zu dieser Frage . Im Jenard-Bericht heisst es zunächst : "Durch die Anerkennung sollen den Entscheidungen die Wirkungen beigelegt werden, die ihnen in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen sind ." ( 9 ) Später wird dann ausgeführt : "Artikel 31 nimmt keine Stellung zu den Theorien, ob in dem Vollstreckungsstaat das in dem Urteilsstaat ergangene Urteil oder ob die Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel den Vollstreckungstitel bildet ." ( 10 ) Mit G . A . L . Droz ( 11 ) bin ich der Ansicht, daß eine zweifache Begrenzung vorzunehmen ist : Die Entscheidung darf im Vollstreckungsstaat nicht mehr Wirkungen entfalten, als sie im Urteilsstaat hätte, ihre Wirkungen dürfen aber auch nicht weiter gehen als diejenigen gleichartiger inländischer Urteile . Diese zweite Begrenzung hat ihren Grund in der Notwendigkeit, die Auslegung zu vereinheitlichen, und in dem Bestreben, einer allzu häufigen Anwendung der Ordre-public-Klausel vorzubeugen .

    21 . Versuchen wir nun, die Bedeutung der von mir befürworteten Lösung in Fällen von der Art des Ausgangsrechtsstreits zu klären . Zunächst ist die eventuelle Abgrenzung der konkreten Wirkungen einer anerkannten Entscheidung nicht Sache des für die Zulassung der Zwangsvollstreckung zuständigen Gerichts, das grundsätzlich nur die Entscheidung für vollstreckbar erklären oder dies ablehnen kann . Die Befugnis, die Zwangsvollstreckung nur teilweise zuzulassen, ist nämlich auf die beiden in Artikel 42 des Übereinkommens genannten Fälle beschränkt, daß die Zwangsvollstreckung nur für bestimmte Ansprüche zugelassen wird, was notwendigerweise voraussetzt, daß diese getrennt werden können ( 12 ), oder daß der Gläubiger beantragt, die Zwangsvollstreckung nur für einen Teil des Gegenstands der Verurteilung zuzulassen . Geht es jedoch wie im vorliegenden Fall um die Bestimmung der Geltungsdauer der anerkannten Entscheidung, so ist es meines Erachtens Sache des Vollstreckungsgerichts, die konkreten Rechtswirkungen der zuvor von dem für die Zulassung der Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht ausgesprochenen Vollstreckbarerklärung näher zu bestimmen . Dieses Ergebnis folgt meines Erachtens zwingend aus der Notwendigkeit, extensive Anwendungen des Artikels 42 zu verhindern, die die offensichtliche Gefahr der durch Artikel 29 ausdrücklich für unzulässig erklärten Nachprüfung der Entscheidung auf ihre Gesetzmässigkeit mit sich bringen .

    22 . Dagegen verstösst es meiner Ansicht nach keineswegs gegen das Übereinkommen, wenn das Vollstreckungsgericht in Anwendung seines eigenen Rechts gemäß den Grundsätzen Ihres Urteils in der Rechtssache 148/84 ( 13 ) prüft, in welcher Weise die Wirkungen der anerkannten Entscheidung mit denen zu kombinieren und in Einklang zu bringen sind, die sich eventuell aus einem anderen, im Vollstreckungsstaat erteilten Vollstreckungstitel ergeben, wie es dies bei Vorliegen zweier inländischer Entscheidungen tun würde . Jedenfalls kann das Übereinkommen nicht zur Folge haben, daß dem Gericht des Vollstreckungsstaats die Befugnis entzogen ist, die Konsequenzen aus einer inländischen Entscheidung zu ziehen, und sei es auch nur mangels ihrer Anerkennung in dem Staat, in dem die Entscheidung, aus der die Zwangsvollstreckung betrieben wird, ergangen ist .

    23 . Im Hinblick auf das Übereinkommen haben die Anerkennung und die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung zur Folge, daß deren Wirkungen in die Rechtsordnung der Vertragsstaaten übertragen werden . Dies hat indessen nicht zur Folge, daß der Rechtsordnung des Urteilsstaats gegenüber derjenigen des Vollstreckungsstaats in der Weise Vorrang zukäme, daß die Vollstreckung der Entscheidungen des letzteren in seinem eigenen Hoheitsgebiet von der Anerkennung in der Rechtsordnung des ersteren abhinge . Ein solches Erfordernis würde im vorliegenden Fall eine Relativierung, wenn nicht gar eine Verneinung der niederländischen Rechtsordnung bedeuten . Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten zur Gewährleistung der "Freizuegigkeit" und der Vollstreckung der Entscheidungen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, ohne deswegen die Tragweite der inländischen gerichtlichen Entscheidungen in Frage stellen zu wollen .

    24 . Ich vermag daher der Auslegung der Kommission nicht zuzustimmen, die in der Praxis darauf hinausläuft, daß die rechtliche Wirksamkeit des niederländischen Scheidungsurteils in den Niederlanden von dessen Anerkennung in der Bundesrepublik abhängt . Es geht nämlich nicht um die Anerkennung der Scheidung in diesem Staat, sondern ganz einfach darum, aus dieser Entscheidung in den Niederlanden, wo sie ergangen ist, die Konsequenzen zu ziehen . Daher ist die Unterhaltsentscheidung, wie eine entsprechende niederländische Entscheidung, im Vollstreckungsstaat mit den Wirkungen der Scheidung zu kombinieren .

    25 . Die von mir vorgeschlagene Lösung fügt sich in die innere Systematik des Übereinkommens ein . Dieses sieht vor, daß die Anerkennung oder die Zulassung der Zwangsvollstreckung versagt wird, wenn die Entscheidung des Urteilsstaats mit einer Entscheidung des ersuchten Staats unvereinbar ist . Sofern dies nicht der Fall ist, gliedert sich die durch die Zulassung der Zwangsvollstreckung, wie es der Premier Président Bellet ausgedrückt hat ( 14 ), "eingebürgerte" ausländische Entscheidung in die innerstaatliche Rechtsordnung ein, in der sie zu vollstrecken ist, wobei gegebenenfalls ihre Wirkungen mit denen einer inländischen Entscheidung zu kombinieren sind . Nicht anders würde es sich bei zwei inländischen Vollstreckungstiteln verhalten . Um es in einem Bild auszudrücken : Wenn das Übereinkommen die "Freizuegigkeit der Urteile" gewährleisten will, so ist die von mir angestellte Untersuchung mutatis mutandis Ausfluß des Grundsatzes der "Inlandsbehandlung ".

    III - Der Rechtsbehelf gegen die Zwangsvollstreckung ( vierte und fünfte Frage des Hoge Raad )

    26 . Der Hoge Raad stellt dem Gerichtshof im wesentlichen folgende Frage : Kann sich die Partei, gegen die die Zwangsvollstreckung zugelassen worden ist, in einem Vollstreckungsrechtsstreit auf einen der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden triftigen Grund berufen, obwohl sie es versäumt hat, diesen innerhalb der Frist des Artikels 36 des Übereinkommens gegenüber der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung geltend zu machen?

    27 . Der in der genannten Vorschrift vorgesehene Rechtsbehelf ist je nach Fallgestaltung innerhalb einer Frist von einem Monat oder von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung einzulegen . Er ist an das in Artikel 37 für den jeweiligen Vertragsstaat angegebene Gericht zu richten . Gegen die daraufhin ergehende Entscheidung findet nur der in Artikel 37 Absatz 2 für den jeweiligen Vertragsstaat vorgesehene weitere Rechtsbehelf statt . Schließlich können in jedem Fall nur die in Artikel 27 angeführten Gründe geltend gemacht werden . Im vorliegenden Fall geht es gerade um die Frage, ob einer dieser Gründe ausserhalb des im Übereinkommen vorgesehenen Verfahrensgangs vorgebracht werden kann .

    28 . Ich möchte sogleich feststellen, daß eine solche Möglichkeit, mit der eine Verteidigung gegen die Zwangsvollstreckung mit Hilfe eines Grunds für die Versagung der Anerkennung zugelassen würde, meines Erachtens der Systematik des Übereinkommens, wie es in Ihrer Rechtsprechung ausgelegt worden ist, zuwiderlaufen würde . Denn in Ihren Urteilen in den Rechtssachen 258/83 ( 15 ) und 148/84 ist entschieden worden, daß die in dem Übereinkommen vorgesehenen Rechtsbehelfe, die ein eigenständiges und geschlossenes System darstellen, nicht ausserhalb des Übereinkommens Anwendung finden oder durch Bestimmungen des nationalen Rechts "ergänzt" werden können .

    29 . In der Rechtssache 258/83 heisst es :

    " Nach Artikel 37 Absatz 2 findet gegen die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, nur die Kassationsbeschwerde und - in der Bundesrepublik Deutschland - die Rechtsbeschwerde statt . Nach dem Gesamtsystem des Übereinkommens und im Lichte eines seiner Hauptziele, das darin besteht, die Verfahren im Vollstreckungsstaat zu vereinfachen, kann diese Bestimmung nicht in der Weise ausgedehnt werden, daß ein Rechtsmittel gegen eine andere Entscheidung als die, die über den Rechtsbehelf ergangen ist ..., zulässig wäre ." ( 16 )

    Wie sich daraus eindeutig ergibt, kann von den in dem Übereinkommen vorgesehenen Rechtsbehelfen angesichts von dessen Zweck, das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu vereinfachen, nicht ausserhalb des in den Artikeln 36 ff . ausdrücklich festgelegten Rahmens Gebrauch gemacht werden . Mit der Erhebung einer auf das Übereinkommen gestützten Rüge in einem Rechtsstreit nach Zulassung der Zwangsvollstreckung würde man also gegen diesen Grundsatz verstossen . Denn schon mit der Bejahung der Zulässigkeit eines Grundes für die Versagung der Anerkennung in einem Vollstreckungsrechtsstreit würde man es ermöglichen, die nach Ablauf der Frist des Artikels 36 rechtskräftig gewordene Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung erneut in Frage zu stellen .

    30 . In Ihrem Urteil in der Rechtssache 148/84 haben Sie jedoch mit besonders deutlichen Worten ausgeführt, daß

    "das Brüsseler Übereinkommen nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung ausländischer vollstreckbarer Titel regelt und die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt lässt" ( 17 ).

    31 . Dieser Grundsatz stellt meines Erachtens insofern eine notwendige Ergänzung des zuvor Gesagten dar, als damit zwischen dem Übereinkommen und dem nationalen Recht eine "Trennwand" eingezogen wird . Ersteres regelt die Anerkennung und die Zulassung der Zwangsvollstreckung und enthält eine abschließende Aufzählung der insoweit gegebenen Rechtsbehelfe . Die Zwangsvollstreckung unterliegt dagegen voll und ganz dem nationalen Recht . Die Kohärenz dieser Konstruktion schließt es aus, daß man auf irgendeinen Rechtsbehelf des Übereinkommens zu dem Zweck "zurückgreifen" kann, von ihm ausserhalb des im Übereinkommen festgelegten Rahmens Gebrauch zu machen . Die Systematik gebietet eine "Abstossung des Transplantats ".

    32 . Jedoch bedarf die Tragweite dieses Grundsatzes einer sorgfältigen Klärung . Der Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nimmt dem Schuldner zwar das Recht, die auf das Übereinkommen gestützte Rüge vorzubringen . Sie führt damit aber nicht zum Wegfall des Tatbestands, d . h . der Situation, die im Hinblick auf das anzuwendende Recht rechtlich gewürdigt werden kann .

    33 . Letztlich handelt es sich dabei nur um die logische Folge der klassischen Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge . Eine auf Artikel 27 gestützte Berufung auf die Unvereinbarkeit der Entscheidungen vor dem Vollstreckungsgericht ist somit nicht mehr möglich . Die Situation, die nach dieser Vorschrift hätte beurteilt werden können - hier das Vorliegen einer Scheidung -, wird davon aber nicht berührt . Das Scheidungsurteil ist in der niederländischen Rechtsordnung eine feststehende Tatsache . Einer Berufung auf dieses Urteil zur Begründung jedes eventuell nach dem nationalen Recht gegebenen Rechtsbehelfs gegen die Zwangsvollstreckung steht somit nichts entgegen . Dies wird im übrigen auch in Ihrem Urteil in der Rechtssache 148/84 im Anschluß an den Hinweis darauf, daß das Übereinkommen nichts mit der Zwangsvollstreckung im eigentlichen Sinn zu tun hat, mit den Worten festgestellt, daß

    "interessierte Dritte gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Rechtsbehelfe einlegen (( können )), die ihnen nach dem Recht des Vollstreckungsstaats zustehen" .

    34 . Damit ist aber nicht die letzte Frage des Hoge Raad gegenstandslos, mit der Sie darum ersucht werden, zu klären, ob das Gericht des Vollstreckungsstaats die Regel, daß eine auf das Übereinkommen gestützte Rüge in einem Vollstreckungsrechtsstreit unzulässig ist, von Amts wegen anzuwenden hat . Die Kommentatoren ( 18 ) weisen darauf hin, daß die Anwendung des Übereinkommens von Amts wegen bis zu den letzten Verhandlungen ausdrücklich in Artikel 1 vorgesehen gewesen sei, die betreffende Bestimmung schließlich aber wegen Schwierigkeiten mit der Übersetzung in einem Vertragsstaat weggelassen worden sei . Im Jenard-Bericht, in dem vom zwingenden Charakter des Übereinkommens die Rede ist ( 19 ), heisst es :

    " Es (( das Übereinkommen )) wird von Amts wegen zu berücksichtigen sein ... Die Sachverständigen haben den Grundsatz angenommen, daß das Übereinkommen von Amts wegen anzuwenden ist ."

    34 . In Ihrem Urteil in der Rechtssache 42/76 ( 20 ) haben Sie nicht versäumt, darauf hinzuweisen, daß das durch das Übereinkommen geschaffene System die Anwendung eines anderen Verfahrens, also die Möglichkeit, im Vollstreckungsstaat den Erlaß eines neuen Sachurteils zu beantragen, ausschließt .

    35 . Durch die Erhebung einer auf Artikel 27 gestützten Rüge ausserhalb des in den Artikeln 36 ff . vorgesehenen Rahmens wird die Eigenständigkeit und Geschlossenheit des Übereinkommens ernsthaft beeinträchtigt . Die Unzulässigkeit, mit der einer solchen Eventualität begegnet werden muß, stellt eine Sanktion dar, die das Gleichgewicht der durch das Übereinkommen geschaffenen Regelung gewährleistet . Die Anwendung des Übereinkommens von Amts wegen durch das nationale Gericht erscheint im Hinblick auf dieselben Zwecke als logische und notwendige Folge des Grundsatzes, daß auf das Übereinkommen zurückzugreifen ist, sobald es sich um die Erwirkung der Anerkennung oder der Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung handelt . Wie es im Jenard-Bericht heisst, müssen die Gerichte der Vertragsstaaten

    " die Bestimmungen des Übereinkommens ohne Rücksicht darauf anwenden, ob sich die Parteien auf sie berufen oder nicht" ( 21 ).

    36 . Wenngleich ich es für erforderlich hielt, sämtliche Ihnen vorgelegte Fragen zu prüfen, schlage ich Ihnen doch vor, in der Antwort an den Hoge Raad nur auf die für die Entscheidung im Ausgangsverfahren zweckdienlichen Rechtsfragen einzugehen . Da der beim vorlegenden Gericht anhängige Rechtsstreit die Vollstreckung betrifft, Anerkennung und Zulassung der Zwangsvollstreckung also bereits endgültig feststehen, beantrage ich, wie folgt für Recht zu erkennen :

    " Die Wirkungen eines gemäß dem Übereinkommen vom 27 . September 1968 anerkannten Urteils können nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein entsprechendes inländisches Urteil im ersuchten Staat entfalten würde . Es ist gegebenenfalls allein Sache des Vollstreckungsgerichts, diese Wirkungen näher zu bestimmen, indem es erforderlichenfalls die Tragweite der anerkannten Entscheidung mit der eines inländischen Urteils kombiniert . Ein aus Artikel 27 des Übereinkommens hergeleiteter Grund für die Versagung der Anerkennung kann ausserhalb des durch die Artikel 36 ff . des Übereinkommens festgelegten Rahmens nicht angeführt werden . Die Unzulässigkeit einer solchen Rüge, die von dem Gericht des Vollstreckungsstaats von Amts wegen zu berücksichtigen ist, selbst wenn sein eigenes Recht eine solche Möglichkeit nicht vorsieht, steht der Möglichkeit nicht entgegen, sich auf den Umstand oder Sachverhalt, der im Rahmen dieser Rüge hätte geltend gemacht werden können, zur Begründung anderer nach inländischem Recht gegebener Rechtsbehelfe jeder Art gegen die Vollstreckung zu berufen ."

    (*) Aus dem Französischen übersetzt .

    ( 1 ) Aus den Erklärungen der Beteiligten in der Sitzung ergibt sich jedoch, daß diese Anerkennung bereits ausgesprochen worden ist .

    ( 2 ) Urteil vom 2 . Juli 1985, Deutsche Genossenschaftsbank, Slg . 1985, 1981, Randnr . 18 .

    ( 3 ) Vgl . Jenard-Bericht, ABl . C 59 vom 5 . 3 . 1979, S . 45 .

    ( 4 ) Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 29 . Juli 1981, Nachschlagewerk der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht, Serie D, I-27.3-B 3 .

    ( 5 ) Französische Cour de cassation, Urteil vom 3 . November 1977, Sofraco/Pluimvee, Nachschlagewerk der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht, Serie D, I-27.3-B 1 .

    ( 6 ) Vgl . Jenard-Bericht, a . a . O ., S . 44, sowie M . Weser, Convention communautaire sur la compétence judiciaire d' exécution des décisions, Centre international de droit comparé, Brüssel 1975, S . 330 .

    ( 7 ) Gothot und Holleaux, La Convention de Bruxelles du 27 septembre 1968, Paris 1985, S . 146, Nr . 256 .

    ( 8 ) Compétence judiciaire et effets des jugements dans le marché commun, S . 276, Nr . 440 .

    ( 9 ) ABl . C 59 vom 5 . 3 . 1979, S . 43 .

    ( 10 ) Ebenda, S . 49 .

    ( 11 ) A . a . O ., S . 280, Nr . 448 .

    ( 12 ) Droz, a.a . O ., S . 373, Nr . 584 .

    ( 13 ) Deutsche Genossenschaftsbank, a . a . O .

    ( 14 ) RTDE 1975, S . 41 .

    ( 15 ) Brennero, Slg . 1984, 3971 .

    ( 16 ) Brennero, a . a . O ., Randnr . 15 .

    ( 17 ) Deutsche Genossenschaftsbank, a . a . O ., Randnr . 18 .

    ( 18 ) Siehe insbesondere Droz, a . a . O ., S . 264, Nrn . 426 f .

    ( 19 ) A . a . O ., S . 8 .

    ( 20 ) De Wolf, Slg . 1976, 1759 .

    ( 21 ) A . a . O ., S . 8 .

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