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Document 61982CC0140

    Schlussanträge des Generalanwalts VerLoren van Themaat vom 22. November 1983.
    Walzstahl-Vereinigung und Thyssen Aktiengesellschaft gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    EGKS - Quotenregelung für die Stahlerzeugung - Senkung der Kürzungssätze für "Monoerzeuger".
    Verbundene Rechtssachen 140, 146, 221 und 226/82.

    Sammlung der Rechtsprechung 1984 -00951

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1983:337

    SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    PIETER VERLOREN VAN THEMAAT

    VOM 22. NOVEMBER 1983 ( 1 )

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1. Einleitung

    Der Vertreter der Klägerinnen in den verbundenen Rechtssachen 140 und 221/82 (Walzstahl-Vereinigung) sowie 146 und 226/82 (Thyssen AG) hat seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung mit der Feststellung begonnen, der zentrale Gegenstand dieses Verfahrens seien die allgemeinen Durchführungsentscheidungen Nrn. 533/82/EGKS und 1698/82/EGKS der Kommission. In diesen beiden Entscheidungen wird Monoerzeugern von Betonstahl eine 5 % höhere Produktionsquote zuerkannt als „integrierten“ Unternehmen, die auch andere Stähle herstellen ( 2 ). Diese Entscheidungen schränken insbesondere für die Bresciani, das sind kleine und mittlere Stahlunternehmen in Norditalien, die Möglichkeiten der Betonstahlerzeugung weniger stark ein als für „integrierte Unternehmen“. Wegen der Einzelheiten auf diesem Gebiet kann ich mich hier darauf beschränken, auf den Sitzungsbericht zu verweisen.

    Die genannte Feststellung halte ich an sich für zutreffend, doch ist ihr sogleich hinzuzufügen, daß lediglich die Klageschriften der Walzstahl-Vereinigung unmittelbar auf die Nichtigerklärung der genannten Entscheidungen gerichtet sind. Die Klageschriften der Thyssen AG beziehen sich dagegen in erster Linie auf die an sie ergangenen Mitteilungen vom 30. März und vom 20. Juli 1982 über ihre Vergleichsproduktionen und Erzeugungsquoten für das zweite und dritte Quartal 1982, soweit diese Mitteilungen die Kürzungssätze für die Gruppe V (Betonstahl) betreffen. Auf die genannten allgemeinen Durchführungsentscheidungen der Kommission, auf denen diese Quotenfestsetzungen beruhten, beziehen sich diese Klagen nur indirekt. Die Diskriminierung der Thyssen AG, die diese der Kommission vorwirft, hatte ihre Grundlage in den genannten allgemeinen Durchführungsentscheidungen, deren Rechtswidrigkeit die Firma Thyssen geltend macht.

    Prüft man die verschiedenen, im Sitzungsbericht klar wiedergegebenen Rügen der Klägerinnen, zeigt sich jedoch, daß sie sich im Kern tatsächlich alle gegen den angeblich diskriminierenden Charakter der genannten allgemeinen Entscheidungen richten. Nach einer kurzen Untersuchung der von der Kommission erhobenen prozeßhindernden Einreden (Abschnitt 2) werde ich daher (im Abschnitt 3) den größten Teil meiner Schlußanträge auf die Prüfung der Rügen der Klägerinnen verwenden, die die genannten allgemeinen Durchführungsentscheidungen Nrn. 533/82/EGKS und 1698/82/EGKS betreffen. Im vierten Abschnitt werde ich dann noch kurz auf die besonderen. Klagen der Thyssen AG wegen der ihr zugeteilten Quoten eingehen. Zum Schluß werde ich die Ergebnisse, zu denen ich zuvor gelangt bin, kurz zusammenfassen.

    2. Zur Zulässigkeit der Klagen

    Die Kommission meint, die Klagen der Walzstahl-Vereinigung seien unzulässig, weil sie ausschließlich auf Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag gestützt seien, wonach solche Verbände gegen allgemeine Entscheidungen nur wegen eines Ermessensmißbrauchs ihnen gegenüber klagen könnten. Daraus ergebe sich erstens, daß alle anderen Klagegründe dieser Klägerin außer dem des Ermessensmißbrauchs als unzulässig anzusehen seien. Zweitens sei die Walzstahl-Vereinigung auch nicht repräsentativ für die deutschen Betonstahlproduzenten. Nur sechs ihrer dreizehn der Quotenregelung unterworfenen Mitglieder erzeugten Betonstahl. Diese Betonstahlproduktion mache nur 3 % der gesamten Stahlproduktion ihrer Mitglieder aus; 40 % des deutschen Betonstahls würden von Unternehmen hergestellt, die nicht der Walzstahl-Vereinigung angehörten.

    Die Klagen der Thyssen AG hält die Kommission für unzulässig, soweit die von diesem Unternehmen vorgebrachten Klagegründe sich ausschließlich gegen die allgemeinen Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82 richten.

    Zu diesen drei prozeßhindernden Einreden möchte ich folgendes bemerken:

    Die Klagen der Walzstahl-Vereinigung, mit denen die Nichtigerklärung der angeführten allgemeinen Entscheidung begehrt wird, können in der Tat nur insoweit als zulässig angesehen werden, als diese Entscheidungen nach Ansicht dieser Klägerin einen Ermessensmißbrauch ihr gegenüber darstellen. Inwieweit die Walzstahl-Vereinigung bei ihren Rügen tatsächlich einen Ermessensmißbrauch nachgewiesen hat, kann nur bei der materiellen Prüfung ihrer Rügen festgestellt werden. Der Kommission ist fürs erste nur zuzugeben, daß die Klagegründe der Unzuständigkeit, der Verletzung des Vertrages oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm sowie der Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch unzureichende Begründung angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der ersten beiden Absätze des Artikels 33 fiir sich genommen nicht den Schluß auf einen Ermessensmißbrauch zulassen. Auch die letztgenannten Klagegründe macht diese Klägerin laut ihrer Klageschrift jedoch keineswegs als eigenständige Gründe für die Nichtigerklärung geltend, sondern ausschließlich deshalb, weil sich ihrer Ansicht nach auch aus diesen Klagegründen ein Ermessensmißbrauch ergibt. Somit kann vorläufig keiner ihrer Klagegründe für unzulässig erklärt werden.

    Was die Repräsentativität der Walzstahl-Vereinigung angeht, so ist zunächst festzustellen, daß die Kommission nicht bestreitet, daß es sich bei dieser Vereinigung um einen Verband im Sinne von Artikel 48 EGKS-Vertrag handelt. Mehr verlangt Artikel 33 Absatz 2 nach seinem Wortlaut für die Zulässigkeit nicht. Die quantitativen Kriterien, die die Kommission im Anschluß an Generalanwalt Lagrange (Rechtssache 13/57, Slg. 1958, 317) für die Feststellung des Interesses des Verbandes an der von ihm erhobenen Klage heranziehen will, hat der Gerichtshof in dem betreffenden Urteil ohne weiteres abgelehnt. Als ausreichend hat er es angesehen, daß „die angefochtenen Bestimmungen der allgemeinen Entscheidung Nr. 2/57 geeignet [sind], gewisse von der Klägerin wahrgenommene — wenn auch möglicherweise auseinandergehende — Interessen zu beeinträchtigen“ (a. a. O., S. 297). Diese prozeßhindernde Einrede ist daher zurückzuweisen.

    Die prozeßbehinderte Einrede gegen einen der von der Thyssen AG in ihren Klageschriften angeführten Klagegründe ist erhoben worden, weil zwischen den allgemeinen Entscheidungen Nrn. 532 und 1697/82 (auf denen die Quote der Thyssen AG beruht) und den allgemeinen Entscheidungen Nrn. 533 und 1698/82 (die die Stellung der Monoerzeuger regeln) nach Ansicht der Kommission kein solcher Zusammenhang besteht, daß die mit diesem Klagegrund geltend gemachte Rechtswidrigkeit der letztgenannten Entscheidungen auch die Rechtmäßigkeit der erstgenannten Entscheidungen berühren würde. Diese Einrede ist meines Erachtens zurückzuweisen, weil sich nur aus der materiellen Prüfung ergeben kann, ob ein solcher Zusammenhang besteht. A priori erscheint es jedenfalls einleuchtend, daß die Rechtswidrigkeit der den Monoerzeugern zugebilligten höheren Quoten bei gleichbleibender Beschränkung der Gesamterzeugung automatisch zu einer gewissen Aufstockung der niedrigeren Quoten der integrierten Stahlunternehmen führen muß.

    Schließlich meine ich, daß die Verbindung der vier Rechtssachen natürlich zur Folge hat, daß unzulässige Klagegründe einer Klägerin im Rahmen meiner Erörterung dieser Klagegründe gewissermaßen durch zulässige Klagegründe der zweiten Klägerin ausgeglichen werden können und umgekehrt. Im folgenden Teil meiner Schlußanträge werde ich daher alle Klagegründe untersuchen. Die Zulässigkeitsfragen bleiben dann, soweit sie nicht bereits bejaht worden sind, hauptsächlich für die Konsequenzen von Belang, die aus dieser Untersuchung für die in den Klageschriften beider Klägerinnen enthaltenen unterschiedlichen Anträge auf Nichtigerklärung der allgemeinen Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82/EGKS bzw. auf Teilaufhebung der die Thyssen AG betreffenden Einzelfallentscheidungen zu ziehen sind.

    3. Prüfung der vorgebrachten Klagegründe, die sich auf die angefochtenen allgemeinen Entscheidungen beziehen

    3.1. Es sind folgende Klagegründe vorgebracht worden:

    a)

    Die allgemeinen Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82/EGKS verstießen gegen die Wettbewerbsneutralität des Artikels 58 (beide Klägerinnen).

    b)

    Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die genannten allgemeinen Entscheidungen. (Als Einrede der Unzuständigkeit ist dieser Klagegrund lediglich im Rahmen der Klagen der Thyssen AG zulässig; die Walzstahl-Vereinigung hat ihn in Wirklichkeit jedoch als Beweis für einen Ermessensmißbrauch angeführt.)

    c)

    Die genannten allgemeinen Entscheidungen stünden im Widerspruch zu den Zielen des EGKS-Vertrags (beide Klägerinnen).

    d)

    Diese allgemeinen Entscheidungen verstießen gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 4 EGKS-Vertrag (beide Klägerinnen).

    e)

    Diese allgemeinen Entscheidungen verletzten wesentliche Formvorschriften. (Dieser Klagegrund ist als solcher nur hinsichtlich der Klageschriften der Thyssen AG zulässig.)

    Meiner getrennten Prüfung jedes dieser Klagegründe werde ich eine kurze Analyse der genannten allgemeinen Entscheidungen und ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs voranstellen. Wegen einer eingehenden Übersicht hierüber verweise ich auf den Sitzungsbericht.

    3.2. Die angefochtenen allgemeinen Entscheidungen und ihr wirtschaftlicher Zusammenhang

    a)

    Die allgemeine Entscheidung Nr. 533/82/EGKS der Kommission ist auf Artikel 16 Absatz 1 der allgemeinen Entscheidung Nr. 1831/81/EGKS der Kommission in der Fassung der Entscheidung Nr. 2804/81/EGKS gestützt. Die allgemeine Entscheidung Nr. 1698/82/EGKS der Kommission stützt sich auf Artikel 18 Absatz 1 der allgemeinen Entscheidung Nr. 1696/82/EGKS der Kommission. Ich werde meine Untersuchung im wesentlichen auf die erste der beiden angefochtenen Entscheidungen beschränken. Jedoch werde ich einige neue Gründe für die zweite Entscheidung ebenfalls kurz angeben.

    In der Nummer 2 der Begründungserwägungen der Entscheidung Nr. 533/82 wird, soweit sie hier von Belang ist, festgestellt, daß sowohl aufgrund der weiteren Abschwächung der Nachfrage nach Betonstahl, die auf den verstärkten Rückgang der Konjunktur im Bausektor zurückzuführen sei, als auch aufgrund des Umfangs der Bestände sehr hohe prozentuale Kürzungen der Produktionsmengen des Vergleichszeitraums festzusetzen gewesen seien. Mit dem Nachfragerückgang sei eine Herabsetzung der Preise einhergegangen, die damit in bestimmten Gebieten der Gemeinschaft deutlich unter die Richtzahlen der Kommission gesunken seien.

    In der Nummer 3 der Begründungserwägungen wird darauf hingewiesen, daß es in der Gemeinschaft eine Reihe von kleinen und mittleren Unternehmen gebe, die fast ausschließlich Stahl der Gruppen IV, V und VI herstellten, wovon ein beträchtlicher Teil auf die Betonstahlerzeugung entfalle. Diese Unternehmen unterschieden sich deutlich sowohl von einem Teil der Unternehmen, die zusätzlich mehrere andere Stähle produzierten und denen daher die bessere Marktlage für diese anderen Erzeugnisse zugute komme, als auch von den Unternehmen, die ausschließlich andere Stähle herstellten.

    In der Nummer 4 der Begründungserwägungen heißt es, die Kommission habe in den Begründungserwägungen der allgemeinen Entscheidung Nr. 1831/81/EGKS eingeräumt, daß das Quotensystem für bestimmte Unternehmen sowohl wegen der Größe ihrer Anlagen als auch wegen ihrer Abhängigkeit von einer begrenzten Zahl von Erzeugnissen außergewöhnliche Schwierigkeiten verursachen könnte. Daher sei in diese Entscheidung ein Artikel 14 aufgenommen worden, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung der Vergleichsproduktionen dieser Unternehmen ermögliche. In Anbetracht der hohen prozentualen Kürzung für Betonstahl im zweiten Quartal 1982 werde das Quotensystem bei den in der Nummer 3 der Begründungserwägungen bezeichneten Unternehmen zweifellos außergewöhnliche Schwierigkeiten hervorrufen. Daher sei es notwendig, für diese Unternehmen weniger belastende Quoten vorzusehen.

    In der Nummer 5 der Begründungserwägungen wird die Zweckmäßigkeit einer entsprechenden allgemeinen Entscheidung mit dem Hinweis auf die große Zahl der in der Nummer 3 genannten Unternehmen begründet.

    Schließlich heißt es in der Nummer 6 der Begründungserwägungen, daß der verstärkte Konjunkturrückgang im Bausektor und die verschärfte Abschwächung der Nachfrage und der Preise für Betonstahl eine tiefgreifende Änderung auf dem Stahlmarkt im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Entscheidung Nr. 1831/81/EGKS darstellten.

    Durch die eigentliche Entscheidung wird dann in die allgemeine Entscheidung Nr. 1831/81/EGKS nach Artikel 14a ein Artikel 14b eingefügt. Nach dieser Vorschrift werden für die Erzeuger, deren Gesamtproduktion der in Artikel 1 der letztgenannten allgemeinen Entscheidung aufgeführten Erzeugnisse 1981 nicht mehr als 700000 t betragen hat und deren Produktion der Gruppen IV, V und VI mindestens 90 % ihrer gesamten Produktion ausmacht, die in Artikel 1 der Entscheidung Nr. 532/82/EGKS festgelegten Kürzungssätze für die Betonstahlerzeugung und die Lieferung von Betonstahl innerhalb des Gemeinsamen Marktes für das zweite Quartal 1982 um 5 Prozentpunkte verringert, wenn die Produktion dieser Stahlsorte mindestens 30 % der Produktion der Gruppen IV, V und VI ausmacht.

    Die ebenfalls angefochtene Entscheidung Nr. 1698/82/EGKS der Kommission erhält diese Ausnahmeregelung für das dritte Quartal 1982 aufrecht; sie bringt für die Prüfung der Klagegründe beider Klägerinnen wenig wesentlich Neues. Ich weise hier nur darauf hin, daß es in der Nummer 3 der Begründungserwägungen dieser Entscheidung ausdrücklich heißt, daß nicht alle begünstigten Unternehmen die Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung für einzelne Unternehmen nach Artikel 14 der betreffenden Basisregelung erfüllten, und daß Nummer 4 die ausdrückliche Erwägung enthält, daß auch die begünstigten Betonstahlerzeuger sich nach dem Grundsatz der gemeinschaftlichen Solidarität an der Produktionsbeschränkung beteiligen müßten, doch daß diese Forderung für sie insoweit begrenzt werden müsse, als dies erforderlich sei, um ihren Fortbestand nicht dauerhaft zu gefährden.

    b)

    Die Artikel 16 der allgemeinen Entscheidung Nr. 1831/81/EGKS und 18 der allgemeinen Entscheidung Nr. 1696/82/EGKS ermächtigen die Kommission u. a., bei tiefgreifenden Änderungen auf dem Stahlmarkt durch allgemeine Entscheidung die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Wie erwähnt, wurden diese Vorschriften mit den angefochtenen allgemeinen Entscheidungen angewandt.

    c)

    Die Produktionsquoten für die übrigen Betonstahlerzeuger (zu denen die Betonstahl herstellenden Mitglieder der Walzstahl-Vereinigung und auch die Thyssen AG gehören) finden ihre Grundlagen in den Entscheidungen Nrn. 532/82 und 1697/82/EGKS. In diesen Entscheidungen werden aufgrund der allgemeinen Entscheidungen Nrn. 1831/81/EGKS und 1696/82/EGKS für das zweite bzw. dritte Quartal 1982 die Kürzungssätze für die Festsetzung der Produktionsquoten und der Quoten für Lieferungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes für alle unter die Quotenregelung fallenden Stähle festgesetzt. Für Betonstahl wurde in der Entscheidung Nr. 532/82/EGKS der Kürzungssatz für die Festsetzung der Produktionsquoten für das zweite Quartal auf 38 % und der für die Lieferquoten auf 41 % festgesetzt. Für das dritte Quartal betrugen diese Kürzungssätze nach der Entscheidung Nr. 1697/82/EGKS 47 bzw. 50 %. Bei den meisten Stählen und insbesondere bei den Gruppen la, Ib, Ic und VI sind diese Kürzungssätze beträchtlich niedriger, was den Ernst der Krise im Betonstahlsektor widerspiegelt. Wie bereits bemerkt, wurden die genannten Prozentsätze für Monoerzeuger von Betonstahl in den Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82 wieder um 5 Prozentpunkte herabgesetzt.

    d)

    Was den wirtschaftlichen Hintergrund für die prozentualen Kürzungen der Produktion und der Lieferung von Betonstahl angeht, so habe ich bereits auf die Begründungserwägungen der Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82 hingewiesen. Aus ihnen geht hervor, daß der Konjunkturrückgang im Bausektor zu einer überdurchschnittlichen Abschwächung der Nachfrage nach Betonstahl sowie zu überdurchschnittlichen Preiseinbrüchen, insbesondere in bestimmten Gebieten der Gemeinschaft, führte. Besonders deutlich spiegelt sich der Rückgang der Nachfrage nach Betonstahl in der Übersicht über die Entwicklung der Quoten für die verschiedenen Stähle auf Seite 9 des Sitzungsberichts wider. Wegen der Preissenkungen und ihrer Folgen verweise ich auf die Seiten 14 und 15 des Sitzungsberichts. Die Tatsache als solche, daß dies eine tiefgreifende Änderung auf dem Stahlmarkt im Sinne der Artikel 16 der allgemeinen Entscheidung Nr. 1831/81/EGKS und 18 der allgemeinen Entscheidung Nr. 1696/82/EGKS bedeutete, wird auf Seite 9 (Mitte) der Klageschrift der Walzstahl-Vereinigung stillschweigend eingeräumt.

    Für den wirtschaftlichen Hintergrund ist es außerdem von Belang, daß die meisten „integrierten“ Betonstahlunternehmen eine andere und teurere Produktionstechnik anwenden. Diese ermöglicht es zum einen, die Produktionsmittel auch für die Erzeugung anderer Stähle einzusetzen, und zum anderen, als Rohstoff für die Erzeugung von Betonstahl nicht nur Schrott zu verwenden. Die Thyssen AG wendet jedoch dieselbe Produktionstechnik wie die „Monoerzeuger“ von Betonstahl an.

    3.3. Prüfung der einzelnen Klagegründe

    Ich werde nunmehr die von den Klägerinnen zur Begründung für ihre Klagen vorgebrachten Klagegründe in der zuvor angegebenen Reihenfolge näher untersuchen.

    a)

    Zum angeblichen Verstoß gegen die Wettbewerbsneutralität des Artikels 58 durch die angefochtenen allgemeinen Entscheidungen

    Die Klägerinnen leiten in ihrem Vorbringen zum ersten Klagegrund aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( 3 ) ab, daß Artikel 58 EGKS-Vertrag wettbewerbsneutral und ohne Bevorzugung einzelner Gruppen von Unternehmen anzuwenden sei. Die Begünstigung der Monoerzeuger durch die allgemeinen Entscheidungen Nrn. 533 und 1698/82 stelle einen schweren Eingriff in den Marktmechanismus dar, durch den das normale Marktgleichgewicht gestört werde. Dieses Marktgleichgewicht verlange, daß sich die Marktrisiken für diejenigen Unternehmer erhöhten, die — wie die Monoerzeuger — durch die Beschränkung ihrer Produktion auf ein Erzeugnis geringe Investitionsrisiken eingegangen seien. Durch die um 5 Prozentpunkte niedrigere Produktionsbeschränkung für Monoerzeuger werde deren — beträchtlicher — Marktanteil entgegen den normalen Wettbewerbsregeln dauerhaft vergrößert ( 4 ). Eine solche Maßnahme überschreite eindeutig die Grenzen des Ermessensspielraums, über den die Kommission nach Artikel 58 EGKS-Vertrag verfüge; sie sei mit den Grundprinzipien des Artikels 58 EGKS-Vertrag unvereinbar und stelle einen Ermessensmißbrauch dar.

    Der Beurteilung dieses Klagegrunds ist gemäß den Randnummern 82 und 83 der Entscheidungsgründe des angeführten Valsabbia-Urteils die Feststellung vorauszuschicken, daß eine auf Artikel 58 beruhende Quotenregelung naturgemäß immer die normalen Gesetze des Marktes außer Kraft setzt. Dabei müssen jedoch andererseits nach der Auslegung, die der genannte Artikel in diesem Urteil erfahren hat, die Grundsätze der Artikel 2, 3 und 4 EGKS-Vertrag berücksichtigt werden. Diese Auslegung möchte ich in dem Sinn verstehen, daß die Maßnahmen unter anderem nicht stärker als notwendig in den normalen Marktmechanismus eingreifen dürfen (Artikel 2), daß eine angemessene Abwägung der verschiedenen in Artikel 3 genannten und untereinander nicht immer vereinbaren Ziele erfolgen muß (wobei mir im vorliegenden Fall vor allem die Ziele c, d, e und g von Belang zu sein scheinen) und daß unter anderem Diskriminierungen zwischen Erzeugern zu vermeiden sind (Artikel 4 Buchstabe b). Von Belang ist jedoch auch die Feststellung, daß die genannten Grundsätze nach dem Wortlaut von Artikel 58 bei der Festsetzung angemessener Quoten zu berücksichtigen sind. Dieser Grundsatz der Angemessenheit kann daher weiter gehen als die Grundsätze der Artikel 2, 3 und 4.

    Der von mir aus Artikel 2 abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spielt in der Rechtsprechung des Gerichtshofes bekanntlich auch sonst eine große Rolle, nämlich bei der Überprüfung von Ausnahmen von den fundamentalen Grundsätzen eines Systems des freien Warenverkehrs mit unverfälschtem Wettbewerb. Diesem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in den Quotenregelungen auf verschiedene Weise Rechnung getragen worden. Zunächst ging die erste Quotenregelung, wie bekannt, von einer für alle Erzeuger bestimmter Stähle gleichen prozentualen Kürzung ihrer besten Produktionsergebnisse in einem näher bestimmten Vergleichszeitraum aus. Darauf wurden verschiedene Korrekturen angewandt, um gemeinschaftskonformen freiwilligen Produktionsbeschränkungen, Umstrukturierungen und Investitionen Rechnung zu tragen. Vorbehaltlich dieser Korrekturen wurde jedoch von einer Einfrierung der relativen Marktanteile ausgegangen. Es ist nicht zu verkennen, daß die angefochtenen Entscheidungen von diesem Ausgangspunkt abweichen und den Marktanteil der Monoerzeuger von Betonstahl zu Lasten der integrierten Unternehmen, die ebenfalls Betonstahl erzeugen, vergrößern.

    In den späteren allgemeinen Entscheidungen wird den Resultaten des Marktgeschehens ferner dadurch Rechnung getragen, daß nicht mehr allein die Erzeugung in den zwölf besten Monaten des Basiszeitraums, sondern auch die Produktionsergebnisse seit der Einführung der Quotenregelung berücksichtigt werden. Ich verweise insoweit unter anderem auf Artikel 6 Nr. 1 Buchstabe b der Entscheidung Nr. 1831/81 und auf Artikel 4 Absatz 5 sowie die Artikel 6 und 7 der Entscheidung Nr. 1696/82.

    Diese marktkonforme Verminderung der den Markt verfestigenden Wirkung der Quotenregelung ist unter anderem im Zusammenhang mit den seit Einführung des Artikels 8 der Basisentscheidung Nr. 2794/80 stets aufrechterhaltenen Möglichkeiten einer beschränkten Quotenüberschreitung und einer Übertragung nicht vollständig genutzter Quoten auf das folgende Quartal sowie des Kaufs, Tauschs oder Verkaufs von Quoten von Belang ( 5 ). Vor allem auf diese Weise trugen die Entscheidungen der Kommission den von mir aus Artikel 2 und der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Ausnahmen vom System des unverfälschten Wettbewerbs abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Für den Marktmechanismus bleibt somit Raum, soweit dies mit dem Ziel einer Beschränkung der Gesamtproduktion der verschiedenen Stähle vereinbar ist. Insofern untermauern die allgemeinen Entscheidungen selbst die Feststellung der Klägerinnen, daß die Anwendung von Artikel 58 grundsätzlich wettbewerbsneutral sein kann und sein muß.

    Die Grundsätze der Artikel 3 und 4 EGKS-Vertrag können besser bei der Prüfung des dritten und vierten Klagegrundes untersucht werden, die sich speziell auf diese Grundsätze beziehen. Dabei werde ich unter anderem prüfen, ob die Ziele des Artikels 3 im vorliegenden Fall eine Abweichung vom fundamentalen Grundsatz eines unverfälschten Marktmechanismus rechtfertigen können, soweit er im Rahmen des dargestellten allgemeinen Systems der Entscheidungen Nrn. 1831/81 und 1696/82 noch eine wichtige Rolle spielen kann.

    Außerdem werde ich nur im Zusammenhang mit der Gesamtheit der vorgebrachten Klagegründe prüfen können, inwiefern die angefochtenen Entscheidungen in dem übergreifenden Grundsatz der Angemessenheit, der in Artikel 58 niedergelegt ist, eine Rechtfertigung finden können. Daß es sich hierbei um einen selbständigen Grundsatz handelt, bestätigen die zwei letztgenannten allgemeinen Entscheidungen insofern, als sie alle bestimmte Härte- oder Billigkeitsklauseln für einzelne Unternehmen mit besonderen Schwierigkeiten enthalten. Die Frage, die sich damit im vorliegenden Fall stellt, lautet jedoch, ob die Artikel 16 bzw. 18 der allgemeinen Entscheidungen Nrn. 1831/81 und 1696/82 auch eine ausreichende Grundlage darstellen für einen kollektiven, auf eine ganze Gruppe angewandten Grundsatz der Billigkeit als möglichen Rechtfertigungsgrund für die angefochtenen Entscheidungen.

    Für den Augenblick muß ich mich auf die Feststellung beschränken, daß die angefochtenen Entscheidungen zwar vom Grundsatz der Wettbewerbsneutralität, wie ich ihn anhand der einschlägigen Vorschriften näher dargestellt habe, abweichen, daß es aber von einer näheren Prüfung der übrigen Klagegründe abhängt, ob diese Abweichung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspricht, den ich aus dem Vertrag und aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes abgeleitet habe. Der erste Klagegrund läßt somit, obwohl er stichhaltig ist, als solcher noch nicht den Schluß auf einen Ermessensmißbrauch zu.

    b)

    Zum angeblichen Fehlen einer Rechtsgrundlage für die angefochtenen allgemeinen Entscheidungen

    Die Klägerinnen machen mit ihrem zweiten Klagegrund geltend, die angefochtenen Entscheidungen ließen sich weder auf Artikel 58 EGKS-Vertrag noch auf Artikel 14 oder 16 der Entscheidung Nr. 1831/81 bzw. die Artikel 14 oder 18 der Entscheidung Nr. 1696/82 stützen. Angesichts des allgemeinen Klagegrunds des Ermessensmißbrauchs, den die Walzstahl-Vereinigung ihrem Vorbringen voranstellt, ist dieser Klagegrund meines Erachtens, jedenfalls was die Klägerin angeht, dahin gehend zu verstehen, daß damit geltend gemacht wird, die Kommission habe von ihren Befugnissen aus Artikel 16 der Entscheidung Nr. 1831/81 bzw. aus Artikel 18 der Entscheidung Nr. 1696/82 im vorliegenden Fall zu einem anderen Zweck als dem Gebrauch gemacht, zu dem sie bestimmungsgemäß ausgeübt werden dürfen. Der Ermessensmißbrauch wird dabei darin gesehen, daß die Kommission im vorliegenden Fall eine bestimmte Produktionsstruktur sowie eine bestimmte Region begünstigt, was sich weder auf Artikel 58 noch auf die genannten Artikel 16 und 18 der angeführten allgemeinen Durchführungsentscheidungen stützen lasse. Die Kommission habe von diesen Vorschriften hier in Wirklichkeit Gebrauch gemacht, um von den restriktiven Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel des Artikels 14 der allgemeinen Durchführungsentscheidungen abweichen zu können. Schließlich sei die Begründung der Kommission in sich widersprüchlich, weil im zweiten Quartal 1982 ein Kürzungssatz von 35 % bereits als existenzbedrohend für die Monoerzeuger angesehen worden sei, während im dritten Quartal trotz der damals eingetretenen weiteren Verschlechterung der Lage auf dem Betonstahlmarkt bereits ein Kürzungssatz von 42 % für ausreichend gehalten worden sei, um die Existenzbedrohung abzuwenden.

    Für dier Beurteilung dieses Klagegrunds ist meines Erachtens zunächst die Auslegung der genannten Artikel 16 und 18 der allgemeinen Durchführungsentscheidungen von Belang. Wie bereits bemerkt, ermächtigen diese Vorschriften, soweit sie hier interessieren, dazu, bei tiefgreifenden Änderungen auf dem Stahlmarkt durch allgemeine Entscheidung die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.

    Wie Sie sich wohl erinnern, hat der Vertreter der Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Berichterstatters aufschlußreiche Ausführungen dazu gemacht, wie die Kommission die Grundvoraussetzung „tiefgreifende Änderungen auf dem Stahlmarkt“ in den genannten Artikeln auslegt. Ihrer Ansicht nach ist hier zunächst unter dem Begriff „Stahlmarkt“ abweichend vom normalen Sprachgebrauch „der durch die Qüotenregelung erfaßte Teil des Stahlmarkts“ zu verstehen, also nicht ein völlig freier Markt. Die betreffenden Vorschriften seien daher unter Berücksichtigung der Ziele der Quotenregelung auszulegen, und es müsse der Situation Rechnung getragen werden, die für bestimmte Gruppen von Erzeugern — hier für die Monoerzeuger — durch die Quotenregelung entstehe. Im vorliegenden Fall habe diese Quotenregelung den Monoerzeugern überwiegend den Wettbewerbsvorteil entzogen, über den sie grundsätzlich (wegen ihrer niedrigeren Produktionskosten, so setze ich hinzu) verfügen. Daher sei dem aus der Systematik und dem Ziel der Quotenregelung folgenden Umstand Rechnung zu tragen, daß gleiche Quoten strukturell verschiedene Unternehmen auf ganz unterschiedliche Weise träfen. Die Kommission müsse deshalb von Zeit zu Zeit bestimmte Korrekturen vornehmen, um das wünschenswerte Gleichgewicht herzustellen. Im Zusammenhang damit führte der Vertreter der Kommission hier auch den nicht ganz treffenden Vergleich mit der Arche Noah an, in der alle zu rettenden Unternehmen untergebracht seien, deren Kapitän aber von Zeit zu Zeit den Kurs ändern müsse. Ich halte diesen Vergleich deshalb für nicht ganz treffend, weil es sich im vorliegenden Fall gerade nicht um eine — alle zu rettenden Unternehmen in gleicher Weise betreffende — Kursänderung, sondern um eine Erweiterung des Raumes für eine bestimmte Gruppe von zu rettenden Unternehmen innerhalb der „Arche Noah“ handelt.

    Die Auslegung, die die Kommission demnach offenbar dem Begriff „tiefgreifende Änderungen auf dem Stahlmarkt“ gibt, halte ich indessen auch unabhängig von diesem gewagten Vergleich für unannehmbar. Erstens entfernt sie sich all zu sehr vom Wortlaut der angeführten Vorschriften. Die Grundvoraussetzung für Eingriffe nach den genannten Artikeln ist gewiß nicht ohne guten Grund ganz anders formuliert als in Artikel 14 der betreffenden Entscheidungen. Zweitens ist meines Erachtens eine derart gekünstelte Auslegung, bei der der Begriff „tiefgreifende Änderungen auf dem Stahlmarkt“ in Wirklichkeit durch die Voraussetzung „tiefgreifende Folgen der Quotenregelung für bestimmte Gruppen von Unternehmen auf dem Stahlmarkt“ und damit durch so etwas wie eine allgemeine Billigkeitsklausel von derselben Art wie die individuelle Härteklausel des Artikels 14 ersetzt wird, nicht erforderlieh, um zu einer befriedigenden Auslegung der angeführten Artikel zu gelangen. Drittens ergibt sich meiner Meinung nach aus den Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidungen eine ausreichende Grundlage für eine näherliegende Auslegung der genannten Artikel.

    Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Basisentscheidungen sogar auf der Angebotsseite das Wirken des Marktmechanismus keineswegs völlig ausschalten. Dem möchte ich nun hinzufügen, daß die Quotenregelung ihrer Natur nach die Entwicklung auf der Nachfrageseite des Marktes nicht oder kaum beeinflußt. In der Nummer 2 der Begründungserwägungen der Entscheidung Nr. 533/82 wird zur Begründung des Eingreifens in das Marktgeschehen ausdrücklich auf den beträchtlichen Rückgang der Nachfrage nach Betonstahl, das Anwachsen der Lagerbestände und den erheblichen Einbruch bei den Preisen verwiesen. Eine solche Begründung halte ich für ausreichend, um die Voraussetzung „tiefgreifende Änderungen auf dem Stahlmarkt“ zu erfüllen. Von einer unbefiigten Intervention der Kommission durch die angefochtenen Entscheidungen kann meines Erachtens schon aufgrund dieses Ergebnisses nicht gesprochen werden.

    Die anderen vom Vertreter der Kommission angeführten Gründe für ein Eingreifen sind meines Erachtens höchstens Gründe für eine bestimmte Ausgestaltung der getroffenen Anpassungsmaßnahmen. Die Artikel 16 und 18 der betreffenden allgemeinen Durchführungsentscheidungen bestimmen insoweit lediglich, daß die Anpassungsmaßnahmen notwendig sein müssen, wobei dieses Erfordernis der Notwendigkeit natürlich in erster Linie in bezug zu den festgestellten tiefgreifenden Änderungen auf dem Stahlmarkt zu setzen ist. Im übrigen müssen die Anpassungsmaßnahmen selbstverständlich den allgemeinen Zielen des Artikels 58 einschließlich des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Angemessenheit Rechnung tragen und dürfen nicht offensichtlich gegen das Gesamtsystem der Quotenregelung verstoßen.

    Die Übereinstimmung der angefochtenen Entscheidungen mit den in Artikel 58 genannten Zielen und Grundsätzen werde ich im einzelnen bei der Erörterung des dritten und vierten Klagegrunds untersuchen. Hier beschränke ich mich deshalb auf eine Prüfung der angefochtenen Entscheidungen anhand der Systematik der allgemeinen Quotenregelungen. Aus der Nummer 4 der Begründungserwägungen der Entscheidung Nr. 533/82 geht insoweit klar hervor, daß die Kommission von ihrer Befugnis aus Artikel 16 der allgemeinen Entscheidung im vorliegenden Fall tatsächlich auch zu dem Zweck Gebrauch gemacht hat, aus Billigkeitsgründen einer ganzen Gruppe von Unternehmen, die durch die Marktlage in außergewöhnliche Schwierigkeiten geraten sind, eine Vorzugsbehandlung angedeihen zu lassen. Da die Kommission in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Passage der Begründungserwägungen der allgemeinen Regelung verweist, die sich laut ihrem eigenen Vorbringen ausschließlich auf die Möglichkeit individueller Ausnahmebewilligungen nach Artikel 14 bezieht, kann man sich fragen, ob von Artikel 16 hier nicht zu einem Zweck Gebrauch gemacht worden ist, zu dem er offenbar nicht bestimmt ist. Im selben Abschnitt der Begründungserwägungen wird sodann der Begriff „tiefgreifende Änderungen auf dem Stahlmarkt“ durch das Kriterium ersetzt, „daß das Quotensystem bei den in obigem Absatz bezeichneten Unternehmen ... außergewöhnliche Schwierigkeiten herrufen [wird]“. Ich habe bereits festgestellt, daß ich eine derartige Ersetzung des Kriteriums des Artikels 16 durch ein wesentlich anderes Kriterium für unannehmbar halte. Ich bin daher mit den Klägerinnen der Ansicht, daß die genannte Begründung tatsächlich darauf hinzudeuten scheint, daß von Artikel 16 eindeutig zu anderen als seinen bestimmungsmäßigen Zwecken Gebrauch gemacht worden ist, nämlich dazu, von den restriktiven Voraussetzungen des Artikels 14 in bezug auf Unternehmen abzuweichen, die in außergewöhnliche Schwierigkeiten geraten. In diesem Zusammenhang ist, wie bereits zuvor bemerkt, auch von Belang, daß Artikel 14 im Gegensatz zu Artikel 16 die außergewöhnlichen Schwierigkeiten, für die er eine Möglichkeit der Abhilfe schafft, eindeutig in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Quotensystem und nicht mit Änderungen der Marktlage stellt. Jedoch will ich daraus für die erste angefochtene Entscheidung sowie aus der in die gleiche Richtung weisenden Nummer 3 der Begründungserwägungen der zweiten angefochtenen Entscheidung noch nicht ableiten, daß ein Ermessensmißbrauch vorliegt. Ich habe nämlich bereits im Zusammenhang mit der von mir als unannehmbar angesehenen Auslegung der Grundvoraussetzung der Artikel 16 und 18 der betreffenden allgemeinen Regelungen durch die Kommission auch ausgeführt, daß die Kommission bei der Ausgestaltung der durch die Marktentwicklung und nicht durch das Quotensystem notwendig gewordenen Anpassungsmaßnahmen insbesondere den allgemeinen Zielen des Artikels 58 und dem darin niedergelegten Grundsatz der Angemessenheit Rechnung tragen kann und muß. Das endgültige Urteil über die Frage, ob die angefochtenen Entscheidungen tatsächlich einen Ermessensmißbrauch darstellen, muß ich deshalb so lange zurückstellen, bis ich die übrigen Klagegründe geprüft habe.

    c)

    Zum angeblichen Verstoß der angefochtenen Entscheidungen gegen grundlegende Ziele des EGKS-Vertrags

    Mit ihrem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, daß die streitigen Entscheidungen, die unmittelbar an die sogenannten „Monoerzeuger“ von Betonstahl gerichtet seien, im Widerspruch zu den grundlegenden Zielen des EGKS-Vertrags, wie sie in den Artikeln 2 Absatz 2 und 3 Buchstaben b und g niedergelegt seien, stünden und daher einen Ermessensmißbrauch darstellten. Aus den genannten Vorschriften ergebe sich, daß ein dynamisches Verhalten, das dem Unternehmer die Berücksichtigung der Marktentwicklung und die Anpassung seiner Produktion an die Nachfrage auf dem Stahlmarkt ermöglichen solle, positiv zu beurteilen sei. Die angefochtenen Entscheidungen privilegierten hingegen gerade Unternehmen, die sich trotz der allgemeinen Strukturkrise, in der sich der Betonstahlmarkt seit Jahren befinde, ausschließlich auf die Produktion von Betonstahl konzentriert hätten.

    Dieser Klagegrund ist meines Erachtens zurückzuweisen. Die Kommission hat in ihrer Klagebeantwortung zu den grundlegenden Zielen der Artikel 2 und 3, um die es hier geht, zu Recht bemerkt, daß sie vor allem in Krisenzeiten nicht alle Ziele des EGKS-Vertrags gleichzeitig verwirklichen könne. Mit der Randnummer 21 des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache 276/80 (Padana, Sig. 1982, 517) kann außerdem in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß der Gerichtshof bereits früher „festgestellt hat, daß es keineswegs sicher ist, daß die Ziele des Vertrages stets alle ohne Abstriche gleichzeitig verfolgt werden können. Es ist Aufgabe der Kommission, diese verschiedenen Ziele ständig miteinander in Einklang zu bringen.“

    Auf die Art und Weise, in der die Kommission in ihren Basisentscheidungen zu diesem Zweck dem Grundsatz eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs Rechnung getragen hat, bin ich bereits bei der Erörterung des ersten Klagegrunds ausführlich eingegangen. Was Artikel 3 anbelangt, so mußte die Kommission im vorliegenden Fall außer den von den Klägerinnen angeführten Zielen d und g jedenfalls außerdem noch den Zielen c (Bildung niedrigster Preise) und e (Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter im Rahmen der Fortschritte in jeder der zum Aufgabenkreis der Gemeinschaftsorgane gehörenden Industrien) Rechnung tragen. Aus den letztgenannten beiden Zielen könnte vielleicht auch eine Rechtfertigung der beanstandeten Entscheidungen abzuleiten sein.

    d)

    Zum angeblichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

    Der vierte Klagegrund — Ermessensmißbrauch durch angeblichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 4 Buchstabe b — hängt natürlich eng mit dem ersten Klagegrund zusammen, mit dem die Verletzung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität gerügt wird. Die Diskriminierung liegt angeblich in der Bevorzugung kleiner und mittlerer Betonstahlerzeuger zu Lasten der integrierten Unternehmen aufgrund von Abgrenzungskriterien, die diese Ungleichbehandlung nach Ansicht der Klägerinnen nicht rechtfertigen.

    Die Kommission habe kurzerhand unterstellt, daß alle integrierten Unternehmen sich in bezug auf ihre anderen Erzeugnisse in einer günstigeren Marktposition befänden, so daß für sie eine bessere wirtschaftliche und finanzielle Lage bestehe. Der aus diesem Grund in den Entscheidungen niedergelegte Zwang zum internen Verlustausgleich sei für sich genommen bereits unbillig. Außerdem sei eine solche Kompensation denjenigen Unternehmen unmöglich, die auch bei anderen Stählen mit Verlust arbeiteten. Ferner werde die Erreichung des Ziels des Artikels 58 § 2, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, bei einem Rückgang der Nachfrage nach Betonstahl bei integrierten Unternehmen nicht weniger gefährdet als bei Monostahlerzeugern.

    Schließlich gebe es unter den begünstigten Unternehmen zweifellos viele, deren wirtschaftliche Lage besser oder zumindest nicht schlechter sei als die der integrierten Unternehmen.

    Die Thyssen AG fügt hinzu, hinsichtlich ihrer Betonstahlproduktion sei sie ebenso als Monoerzeuger anzusehen wie die von der Kommission begünstigten Unternehmen. Auch sie habe ein Elektrostahlwerk errichtet, das ausschließlich auf die Produktion von Betonstahl, Stabstahl und Walzdraht ausgerichtet sei. Im übrigen seien Abweichungen vom Grundsatz der gleichmäßigen Quotenkürzung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (insbesondere nach dem Urteil vom 7. 7. 1982 in der Rechtssache 119/81, Klöckner, Slg. S. 2627) nur in besonders krassen Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen zulässig, nicht dagegen ohne weiteres aufgrund bestimmter Unterschiede der Produktionsstruktur oder der wirtschaftlichen Lage.

    Die Kommission hat zur Verteidigung ihrer streitigen Entscheidungen vorgetragen, von einer Diskriminierung könne keine Rede sein, weil die Situation der Monoerzeuger einerseits und die der integrierten Unternehmen andererseits nicht vergleichbar seien. Als erhebliche Unterschiede sieht die Kommission in diesem Zusammenhang an :

    1.

    den Unterschied zwischen kleinen und mittleren Unternehmen einerseits und Großunternehmen andererseits,

    2.

    den Umstand, daß die Produkte der Gruppen IV, V und VI bei den Monoerzeugern mehr als 90 % ihrer Gesamtproduktion ausmachten, bei den integrierten Unternehmen hingegen nur etwa 20 %, und

    3.

    die Notwendigkeit, die für die Monoerzeuger bestehende Gefahr des Ruins abzuwenden, während die integrierten Unternehmen hinsichtlich ihrer Betonstahlerzeugung zu einem internen Verlustausgleich in der Lage seien.

    Tatsächlich hat die Kommission den letztgenannten Gesichtspunkt hier für ausschlaggebend gehalten.

    Auf das Vorbringen der Klägerinnen, daß nicht alle begünstigten Unternehmen den gleichen finanziellen Schwierigkeiten gegenübergestanden hätten, hat die Kommission erwidert, ihre Untersuchung der Preise und Kosten habe gezeigt, daß sich durchaus alle durch die streitigen Entscheidungen begünstigten Unternehmen in der gleichen wirtschaftlichen Lage befunden hätten. Dazu ist jedoch sogleich zu bemerken, daß aus der Antwort der Kommission auf das schriftliche Ersuchen des Gerichtshofes um die Vorlage der betreffenden Untersuchung nur sehr globale und überdies relativ vage Schlüsse bezüglich der Kosten- und Preisentwicklung der verschiedenen Gruppen von Betonstahlerzeugern sowie bezüglich ihrer grundlegenden Verhältnisse gezogen werden können. Nach dieser Antwort ist es keineswegs ausgeschlossen, daß bestimmte Monoerzeuger, z. B. durch den Ankauf von Quoten, sehr wohl positive Geschäftsergebnisse erzielt haben. Die Antwort enthält auch keinerlei Hinweise (z. B. in Form anonymisierter oder auch nur zusammengerechneter Daten einzelner Unternehmen) darauf, daß die Kommission tatsächlich die Situation aller einzelnen Unternehmen gesucht hat.

    Was die Thyssen AG angeht, so räumt die Kommission ein, daß sie dasselbe Verfahren für die Produktion von Betonstahl anwendet wie die Monoerzeuger. Die Struktur des Gesamtunternehmens ermögliche jedoch ebenfalls einen internen Verlustausgleich, zumal seine Betonstahlproduktion lediglich einen Anteil von etwa 1 % seiner Gesamtproduktion ausmache.

    Da die Kommission die Möglichkeit des internen Verlustausgleichs laut ihrer Klagebeantwortung selbst als das ausschlaggebende Kriterium für die Zulässigkeit der hier angewandten Ungleichbehandlung ansieht, werde ich insbesondere auf dieses Vorbringen näher eingehen.

    Gegen die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung spricht zunächst der zweite Satz der Randnummer 27 des bereits angeführten Padana-Urteils des Gerichtshofes. Dieser Satz lautet: „Da die Kommission die Einführung einer allgemeinen Quotenregelung beschlossen hatte, konnte sie nicht zwischen integrierten und nichtintegrierten Unternehmen unterscheiden, wenn sie das Ziel einer Produktionsverringerung erreichen wollte.“ Bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung Nr. 533/82/EGKS und erst recht bei Erlaß der Entscheidung Nr. 1698/82/EGKS war dieses Urteil bereits ergangen. An die Gründe, die zur Rechtfertigung dafür vorgebracht werden, daß zwei Gruppen von Betonstahlerzeugern dennoch unterschiedlich behandelt werden, sind deshalb besonders hohe Anforderungen zu stellen. In dieser Hinsicht läßt sich feststellen, daß der Grund für die unterschiedliche Behandlung laut den Begründungserwägungen der erstgenannten Entscheidung tatsächlich unter anderem darin liegt, daß Möglichkeiten der internen Verlustkompensation bestehen oder aber fehlen. Ich verweise insoweit auf den zweiten Satz der Nummer 3 sowie auf den ersten Absatz der Nummer 4 dieser Entscheidung.

    Dies bedeutet jedoch noch nicht, daß dieses Unterscheidungsmerkmal tatsächlich unter Berücksichtigung der Ziele des Artikels 58 ein objektives Kriterium darstellt, das die Ungleichbehandlung zweier Gruppen von Erzeugern und eine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen kann, der in der zitierten Passage der Begründung des Padana-Urteils des Gerichtshofes niedergelegt ist.

    Es ist einzuräumen, daß der interne Verlustausgleich von Unternehmen mit differenziertem Produktionsprogramm vielfach praktiziert wird und daß diese Möglichkeit einen wichtigen betriebswirtschaftlichen Grund für eine Produktionsdifferenzierung darstellt. Auf diese Weise werden vor allem die Marktrisiken, die von den einzelnen Erzeugnissen eines solchen Unternehmens für die Rentabilität des Unternehmens insgesamt ausgehen, vermindert. Dem steht jedoch gegenüber, daß ein gut geleitetes Unternehmen, von zeitweiligen Mißerfolgen auf Teilmärkten abgesehen, doch nach ausreichender Rentabilität jedes Produktionszweigs zu streben pflegt. Ob die Kommission in diese betriebswirtschaftlichen Überlegungen dadurch eingreifen darf, daß sie Unternehmen mit einem differenzierten Produktionsprogramm faktisch zu einem internen Verlustausgleich zwingt, hängt meines Erachtens von der Auslegung der Ziele des Artikels 58 und von der Systematik der bestehenden Quotenregelungen insgesamt ab.

    Ich habe bereits zuvor bei der Behandlung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität festgestellt, daß gemäß den genannten Zielen nicht stärker in den Marktmechanismus und in die Wettbewerbsverhältnisse der Unternehmen untereinander eingegriffen werden darf, als unbedingt erforderlich ist, um das Gesamtangebot an den verschiedenen Arten von Stahl der stark gesunkenen Nachfrage anzupassen. Zugleich habe ich darauf hingewiesen, daß die allgemeinen Basisentscheidungen diesem „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“ auf vielerlei Weise Rechnung tragen. Wenn wirklich festgestellt worden sein sollte, daß eine ganze Gruppe von Erzeugern mit relativ niedrigen Produktionskosten durch tiefgreifende Veränderungen der Marktlage in ihrem Bestand gefährdet war, so konnte sich die Kommission zur Begründung einer Ausnahmeregelung meines Erachtens auf Artikel 3 Buchstabe c und bei überproportionaler Gefährdung der Arbeitsplätze in einer bestimmten Region überdies auf Artikel 3 Buchstabe e berufen. Derartige Erwägungen könnten vielleicht tatsächlich, unter anderem aufgrund des übergreifenden Grundsatzes der Angemessenheit des Artikels 58 §2, eine Vorzugsregelung für bestimmte Gruppen von Erzeugern rechtfertigen. Dabei müßte dann aber auch dargetan werden, daß der betreffenden Gruppe von Erzeugern insgesamt nicht auf diese Weise außerdem nach Abschluß der Anpassung der Produktion an die Nachfrage ein größerer Marktanteil auf dem dann kleiner gewordenen Betonstahlmarkt zufallen würde als den übrigen Erzeugern.

    Wie ich bei der Erörterung des zweiten Klagegrunds bereits dargelegt habe, kann von einer solchen Rechtfertigung im vorliegenden Fall jedoch nicht die Rede sein. Tatsächlich stützt sich die Begründung auch nicht auf die Marktlage, sondern auf die Folgen der Quotenregelung sowie auf Billigkeitserwägungen, die im Rahmen der Gesamtregelung der Basisentscheidungen ausschließlich individuelle Ausnahmen rechtfertigen können. Die Rüge der Diskriminierung ist deshalb als begründet anzusehen, da keine aus Artikel 58 EGKS-Vertrag oder aus der Systematik der Basisentscheidungen abgeleiteten objektiven Gründe angegeben worden sind, die die betreffende Vorzugsbehandlung objektiv rechtfertigen können. Damit steht auch endgültig fest, daß gegen den zuvor formulierten Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verstoßen worden ist.

    e)

    Zur angeblichen Verletzung wesentlicher Formvorschriften

    Auf den fünften Klagegrund — Ermessensmißbrauch durch Verletzung wesentlicher Formvorschriften — braucht unter diesen Umständen nicht mehr eingegangen zu werden. Das Vorbringen zu diesem Klagegrund hat im übrigen auch hauptsächlich in einer Wiederholung der bereits erörterten Argumente bestanden. Ich verweise hierzu auf den Sitzungsbericht.

    4. Die der Thyssen AG gegenüber ergangenen Einzelfallentscheidungen

    Die Rügen der Thyssen AG laufen letztlich auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit der angefochtenen allgemeinen Entscheidungen hinaus. Nach Artikel 33 EGKS-Vertrag kann diese Klägerin ja nicht unmittelbar die Nichtigerklärungen dieser allgemeinen Entscheidungen beantragen. Es stellt sich nun die Frage, inwiefern die Thyssen AG tatsächlich die ihr zugeteilten Quoten unter Berufung auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82 anfechten kann. Unmittelbare Grundlage der ihr zugeteilten Quoten sind ja, wie ich in meiner Übersicht über die einschlägigen Rechtsquellen dargelegt habe, die allgemeinen Entscheidungen Nrn. 532/82 und 1697/82.

    Jedenfalls indirekt beruhen die angefochtenen Einzelfallentscheidungen jedoch meines Erachtens durchaus auch auf den Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82. Diese Entscheidungen bilden mit den Entscheidungen Nrn. 532/82 und 1697/82 eindeutig eine Einheit. Sie sind am selben Tag ergangen, und in den Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82 wird wegen der Berechnung der Höhe der festgesetzten Kürzungen der zulässigen Betonstahlproduktion ausdrücklich auf die Entscheidungen Nrn. 532/82 und 1697/82 verwiesen, auf die dann eine Verringerung von 5 Prozentpunkten angewandt wird. Die Kommission hat im Verfahren auch stillschweigend eingeräumt, daß die aus den Entscheidungen Nrn. 532/82 und 533/82 bzw. 1697/82 und 1698/82 zusammengenommen resultierenden Produktionsbeschränkungen für die Inhaltsbestimmung all dieser Entscheidungen ausschlaggebend gewesen sind. Der Inhalt der Entscheidungen Nrn. 532/82 und 1697/82, aufgrund deren die Quoten der Firma Thyssen AG festgesetzt wurden, beruht somit in Wirklichkeit auch auf dem Inhalt der streitigen Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82.

    In seinem Urteil vom 13. Juli 1966 in der Rechtssache 32/65 (Italien/Kommission, Slg. S. 457) hat der Gerichtshof bereits entschieden, daß es notwendig, aber damit auch ausreichend ist, daß die Verordnung, deren Rechtswidrigkeit behauptet wird, mittelbar oder unmittelbar auf den Sachverhalt anwendbar ist, der den Gegenstand der Klage bildet. Da hier die der Thyssen AG zugewiesenen Quoten zumindest indirekt auch auf den allgemeinen Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82 beruhten, konnte das Unternehmen bei den Klagen gegen die ihm zugeteilten Quoten zulässigerweise die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen geltend machen. Diese Rechtswidrigkeit ist sodann aus den von mir bereits dargelegten Gründen zu bejahen.

    5. Zusammenfassung und Ergebnis

    Zusammenfassend bin ich der Ansicht, daß den Klagen beider Klägerinnen aufgrund verschiedener, untereinander in Zusammenhang stehender, von ihnen vorgebrachter Klagegründe stattzugeben ist. Bei der Prüfung des vierten Klagegrunds hat sich gezeigt, daß die in den streitigen allgemeinen Entscheidungen vorgesehenen und mit dem ersten Klagegrund gerügten Abweichungen von dem Artikel 58 und den Quotenregelungen zugrundeliegenden Grundsatz der Wettbewerbsneutralität durch Festsetzung unterschiedlicher Kürzungssätze für Monoerzeuger und integrierte Unternehmen hier nicht durch objektive aus dem Vertrag und der Systematik der Basisentscheidungen abgeleitete Gründe gerechtfertigt sind. Sie stellen schon deshalb eine verbotene Diskriminierung und einen Mißbrauch der Befugnisse aus den Artikeln 16 und 18 der Basisentscheidungen Nrn. 1831/81 und 1696/82 dar! Außerdem hat sich bei der Prüfung des zweiten Klagegrunds gezeigt, daß von den Befugnissen aus den genannten Artikeln 16 und 18 auch im übrigen, wie sich aus dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidungen Nrn. 533/82 und 1698/82 und deren Erläuterung im Verfahren ergibt, zu einem anderen Zweck als dem, zu dem sie nach ihrem eindeutigen Wortlaut bestimmt sind, Gebrauch gemacht worden ist, und zwar insbesondere zu einer Abweichung von den in Artikel 14 der genannten Basisentscheidungen niedergelegten Voraussetzungen für individuelle Ausnahmen aufgrund bestimmter unbilliger Folgen der Quotenregelungen selbst.

    Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß es geboten ist,

    1.

    die allgemeinen Entscheidungen Nrn. 533/82/EGKS und 1698/82/EGKS der Kommission für nichtig zu erklären,

    2.

    die Einzelfallentscheidungen der Kommission vom 30. März und vom 20. Juli 1982, durch die der Thyssen AG ihre Vergleichsproduktionen und ihre Produktionsquoten für das zweite und dritte Quartal 1982 mitgeteilt wurden, aufzuheben, soweit sie die Kürzungssätze für die Gruppe V (Betonstahl) betreffen,

    3.

    der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


    ( 1 ) Aus dem Niederländischen übersetzt.

    ( 2 ) Ich habe in meinen Schlußanträgen die von der Kommission verwendeten Begriffe „Monoerzeuger“ und „integrierte“ Unternehmen übernommen. Tatsächlich wäre es im hier gegebenen Zusammenhang zutreffender gewesen, bei der zweiten Gruppe von Erzeugern mit einem differenzierten Produktionsprogramm zu sprechen.

    ( 3 ) Urteile vom 28. 10. 1981 in den verbundenen Rechtssachen 275/80 und 24/81 (Krupp/Kommission, Slg. 1981, 2489), vom 18. März 1980 in den verbundenen Rechtssachen 154/78 u.a. (Valsabbia und andere/Kommission, Slg. 1980, 907), vom 3. 3. 1982 in der Rechtssache 14/81 (Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, 749) und vom 16. 2. 1982 in den verbundenen Rechtssachen 39, 43, 85 u. 88/81 (Halivourgiki und andere/Kommission, Slg. 1982, 593). Wegen des Vorbringens, das die Walzstahl-Vereinigung unter anderem auf diese Rechtsprechung stützt, verweise ich insbesondere auf die Seiten 4 bis 9 Absatz 1 ihrer Klageschriften.

    ( 4 ) Über das Ausmaß dieser Vergrößerung des Marktanteils der Monoerzeuger ist in der mündlichen Verhandlung ausführlich gestritten worden. Nach meinen Berechnungen beträgt dieser Vorteil weniger als die von den Klägerinnen behaupteten 5 o/o. Wenn wir davon ausgehen, daß die Monoerzeuger im betreffenden Vergleichszeitraum einen Marktanteil von 70 % hatten und somit 70 Produktionseinheiten erzeugten, darf ihre Erzeugung aufgrund dieser Entscheidung 33 % weniger betragen, also 46,9 Produktionseinheiten. Für die übrigen Erzeuger (mit einem ursprünglichen Marktanteil von 30 o/o) beträgt diese Produktionsmöglichkeit nach Abzug des höheren Kürzungssatzes von 38 % 18,6 Einheiten. Die dann erreichte gesamte Produktionsmöglichkeit von 65,5 Einheiten verteilt sich zu 71,6% auf die Monoerzeuger und zu 28,4 % auf die übrigen Erzeuger. Im Vergleich zur Ausgangsposititon beträgt der Zuwachs des Vorsprungs der Monoerzeuger somit höchstens 3,2 %. Wegen der nach Artikel 14 der Entscheidung bewilligten individuellen Quotenerhöhungen ist der aus der angefochtenen Entscheidung erwachsende Vorsprung natürlich in Wirklichkeit noch niedriger.

    ( 5 ) Der Präsident des Gerichtshofes hat den genannten Artikel 8 bereits in einem Vortrag, den er am 12. Dezember 1980 in Gent gehalten hat, als „ein typisches Beispiel“ für marktkonforme hoheitliche Eingriffe bezeichnet. Siehe J. Mcrtens de Wilmars, Recht voor morgen, S. 77, Anmerkung 5 (Kluwer-Antwerpen, 1983).

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