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Dokument 61978CC0098

    Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Reischl vom 6. Dezember 1978.
    A. Racke gegen Hauptzollamt Mainz.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
    Währungsausgleichsbeträge - Veröffentlichung von Verordnungen.
    Rechtssache 98/78.
    Weingut Gustav Decker KG gegen Hauptzollamt Landau.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
    Veröffentlichung von Verordnungen.
    Rechtssache 99/78.

    Sammlung der Rechtsprechung 1979 -00069

    Identyfikator ECLI: ECLI:EU:C:1978:223

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS GERHARD REISCHL

    VOM 6. DEZEMBER 1978

    Herr Präsident

    meine Herren Richter!

    In den beiden Vorlageverfahren, zu denen ich heute gemeinsam Stellung nehme, weil ihre Problematik weithin identisch ist, geht es um die Erhebung von Währungsausgleich auf Wein, namentlich um die rückwirkende Einbeziehung bestimmter Weinarten in den Währungsausgleich.

    Das System des Währungsausgleichs war bis Anfang 1973 auf die Entwicklung der Währungen der Mitgliedstaaten gegenüber dem US-Dollar ausgerichtet. Es beschränkte sich darauf, in Ländern mit Aufwertungseffekt Währungsausgleichsbeträge bei der Einfuhr zu erheben und bei der Ausfuhr zu gewähren.

    Zu Beginn des Jahres 1973 kam es zu einer neuen internationalen Währungskrise. Der Dollar geriet unter so starken Druck, daß die amerikanische Regierung am 12. Februar 1973 eine 10 %ige Abwertung ankündigte. Auch die italienischen Behörden setzten die Intervention bei den Grenzwerten der Lira aus. Am 12. und 13. Februar sowie vom 1. bis 19. März kam es zur Schließung der internationalen Devisenmärkte. Zu dieser Zeit wurde auf einer internationalen Währungskonferenz der westlichen Industrieländer neben einer 3 %igen Aufwertung der DM das sogenannte Blockfloaten für die europäischen Währungen beschlossen. Danach waren die beteiligten Mitgliedstaaten verpflichtet, zwischen ihren Währungen im Kassageschäft zu jeder Zeit einen Höchstabstand von 2,25 % nach oben oder unten einzuhalten. Außerhalb der „Währungsschlange“ blieben jedoch das Pfund Sterling und die italienische Lira.

    Angesichts dieser Entwicklung wurde das System des Währungsausgleichs dahin umgestellt, daß in Ländern mit Abweichungen von den international festgelegten Bandbreiten nach unten Währungsausgleichsbeträge bei der Ausfuhr erhoben und bei der Einfuhr gewährt werden. Eine entsprechende Änderung der Grundverordnung Nr. 974/71 (ABl. 1971, L 106 vom 12. Mai 1971, S. 1) wurde durch die Ratsverordnung Nr. 509/73 vom 22. Februar 1973 (ABl. 1973, L 50 vom 23. Februar 1973, S. 1) mit Wirkung vom 1. Februar 1973 vorgenommen. Durchführungsbestimmungen der Kommission ergingen dazu in der Verordnung Nr. 648/73 vom 1. März 1973 (Abl. 1973, L 64 vom 9. März 1973, S. 1), die am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft trat; die sich aus ihrer Anwendung ergebenden Beträge galten jedoch schon ab 26. Februar 1973.

    Die Festsetzung der Währungsausgleichsbeträge erfolgte durch die Verordnung Nr. 649/73 vom 1. März 1973 (ABl. 1973 L 64 vom 9. März 1973, S. 7), die am Tag der Veröffentlichung des Amtsblatts in Kraft treten sollte. Das Amtsblatt, in dem sie veröffentlicht wurde, trug das Datum des 9. März 1973, war aber beim Verkaufsbüro in Luxemburg erst am 12. März und beim deutschen Verlagspostamt erst am 13. März verfügbar. Dennoch war vorgesehen, daß die festgesetzten Währungsausgleichsbeträge ab 26. Februar 1973 erhoben werden sollten. Durch diese Verordnung wurden — was für den vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung ist — bestimmte Weine erstmals in den Währungsausgleich einbezogen. Die Ausgleichsbeträge wurden — soweit sie hier von Interesse sind — durch die Verordnung Nr. 741/73 vom 5. März 1973 (ABl. 1973, L 71 vom 19. März 1973, S. 1) geändert. Diese Verordnung sollte mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt, die am 19. März 1973 erfolgte, in Kraft treten; die neuen Beträge waren aber bereits ab 5. März 1973 anzuwenden. Eine weitere Änderung erfolgte außerdem durch die Verordnung Nr. 811/73 vom 23. März 1973 (ABl. 1973, L 79 vom 27. März 1973, S. 1). Sie sollte am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt, also am 27. März 1973, in Kraft treten und vom 26. März 1973 an angewandt werden.

    In dem Verfahren, das zu der Vorlage 98/78 geführt hat, geht es um jugoslawische Weine — nach der Klägerin: Qualitätsweine —, die aufgrund von Aufträgen von November 1972 und Januar 1973 und aufgrund von Abschlüssen, die eine Zahlung des Kaufpreises in DM vorsahen, im Dezember 1972 und Januar 1973 in die Bundesrepublik Deutschland importiert und in ein offenes Zollager verbracht worden waren. Bei der Entnahme aus diesem Lager in den freien Verkehr, die zwischen dem 9. und 30. März erfolgte, wurde unter Hinweis darauf, daß es sich um Wein der Tarifstellen 22.05 C I und 22.05 C II handele, und in Anwendung der vorhin erwähnten Verordnungen Währungsausgleich erhoben.

    In dem Verfahren, das zu der Vorlage 99/78 geführt hat, geht es um Wein der Tarifnummer 22.05 aus Italien, der zwischen dem 9. und 12. März 1973 zum freien Verkehr abgefertigt worden ist. Auch auf ihn wurde Währungsausgleich nach Maßgabe der erwähnten Verordnungen erhoben.

    Die Versuche der Betroffenen, sich dagegen zu wehren, waren durchweg erfolglos.

    Zum ersten Fall stellte das Finanzgericht Rheinland/Pfalz fest, die Tatsache, daß die Importverträge auf DM lauteten, sei ohne Bedeutung. Die Kommission habe durch die Festsetzung von Währungsausgleichsbeträgen auf Wein das ihr nach der Verordnung Nr. 974/71 zustehende Ermessen nicht überschritten. Auch die rückwirkende Festsetzung der Ausgleichsbeträge sei nicht unwirksam. Was die Verordnung Nr. 649/73 angehe, die am 9. März 1973 in Kraft getreten sei, so sei entscheidend, daß die Klägerin vor diesem Tag ihrem offenen Zollager Wein nicht entnommen habe. Bezüglich der rückführenden Einführung höherer Sätze durch die Verordnungen Nr. 741/73 und Nr. 811/73 sei zu bedenken, daß eine Anwendung von einem späteren Zeitpunkt an, weil übereilte und umfangreiche Einfuhren zu befürchten gewesen seien, für die Gemeinschaft hätte nachteilig sein können und daß für die Beteiligten anhand der Wechselkurse voraussehbar gewesen sei, von wann an mit einer Änderung der Ausgleichsbeträge zu rechnen sei.

    Entsprechend entschied dasselbe Finanzgericht im zweiten Fall, wobei es auch darauf hinwies, daß die beteiligten Kreise — was die rückwirkende Änderung der Ausgleichssätze durch die Verordnung Nr. 741/73 angehe — hätten berücksichtigen müssen, daß die Verordnung Nr. 974/71 eine Änderung der Ausgleichsbeträge bei einer Abweichung des Unterschieds zwischen der anerkannten Parität der Landeswährung und dem tatsächlichen Wechselkurs gegenüber dem Dollar um mindestens einen Punkt vorsehe.

    Danach kamen die Fälle im Wege der Revision zum Bundesfinanzhof.

    Im ersten Fall machte die Revisionsklägerin geltend, Voraussetzungen für den Währungsausgleich sei, daß eine Ware aufgrund der Änderung der Währungsparität zu niedrigeren Preisen importiert werden konnte. Das sei hier nicht der Fall; von einem verbilligten Einkauf könne, da die Kontrakte auf DM lauteten, keine Rede sein. Ferner werde nach der Verordnung Nr. 816/70 (ABl. 1970, L 99 vom 5. Mai 1970, S. 1) auf importierten Wein bei Unterschreiten des Referenzpreises eine besondere Abschöpfung erhoben. Der Referenzpreis, dessen Einhaltung Jugoslawien übrigens garantiert habe, liege aber erheblich über dem Auslösungspreis, habe also eine erhöhte Interventionsschutzfunktion. Demnach müsse davon ausgegangen werden, daß das Interventionssystem der Weinmarktordnung durch das Referenzpreissystem abgeschirmt sei und daher durch Drittlandimporte nicht in Unordnung gebracht werden könne. Überdies wolle das Referenzpreissystem, weil es ein Interventionssystem nur zum Schutz von Tafelweinen gebe, lediglich Konsumweine erfassen. Daher sei es keinesfalls notwendig, drittländische Qualitätsweine mit einem Währungsausgleich zu belasten. Schließlich könne nach den vorhandenen, der Klägerin zugänglichen Statistiken von einer Störung des Weinmarktes durch Drittlandimporte nicht gesprochen werden. In jedem Fall müsse es als ausgeschlossen gelten, daß die Kommissionsverordnungen zum Währungsausgleich rückwirkend angewandt würden.

    Im zweiten Fall beanstandete die Klägerin vor allem die rückwirkende Anwendung der Verordnung Nr. 741/73. Sie meint, sie habe sich darauf verlassen dürfen, daß der von ihr importierte Wein nicht vom Währungsausgleich erfaßt werde. Auch sei eine Gefährdung der konjunkturellen Entwicklung im Weinbereich keinesfalls erwiesen. Nicht zuletzt sei insofern von Interesse, daß durch Erlasse des Bundesfinanzministeriums vom 15. Januar und vom 24. Februar 1975 eine teilweise Erstattung von auf Wein erhobenen Währungsausgleichsbeträgen angeordnet worden sei.

    Für den Bundesfinanzhof stellen sich — wie in den Vorlagebeschlüssen dargelegt — angesichts dieser Argumentation verschiedene Probleme. Sie beziehen sich — im ersten Fall — einmal darauf, ob es von Relevanz ist, daß die importierten Waren einer Abschöpfung unterliegen, und ob es auf die Qualifizierung der Weine — Konsumweine oder Qualitätsweine — ankommt. Sie betreffen zum anderen — und dies gilt für beide Fälle — die Frage, wann eine Gemeinschaftsverordnung als veröffentlicht anzusehen ist und ob die rückwirkende Anwendung einer Verordnung, mit der bestimmte Waren zum erstenmal in den Währungsausgleich einbezogen worden sind, für zulässig gehalten werden kann. Deshalb setzte der Bundesfinanzhof durch Beschlüsse vom 21. März 1978 die Verfahren aus und legte gemäß Artikel 177 des EWG-Vertrags folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

    In der Rechtssache 93/78:

    1.

    Sind die Verordnungen der Kommission Nr. 649/73 vom 1. März 1973, Nr. 741/73 vom 5. März 1973 und Nr. 811/73 vom 23. März 1973 auch insoweit gültig, als sie in ihren jeweiligen Anhängen I Nr. 6 Ausgleichsbeträge für eingeführte Rot- und Weißweine ex Tarifstelle 22.05 C I und C II ohne jede Differenzierung festsetzten?

    In beiden Rechtssachen:

    2.

    Kommt es für die Frage, wann eine Verordnung als veröffentlicht im Sinne des Artikels 191 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft angesehen werden kann, an

    a)

    auf das Datum, das das betreffende Amtsblatt trägt,

    b)

    auf den Zeitpunkt, zu dem das betreffende Amtsblatt beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften tatsächlich verfügbar ist, oder

    c)

    auf den Zeitpunkt, zu dem das betreffende Amtsblatt im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaats tatsächlich verfügbar ist?

    3.

    War die Verordnung Nr. 741/73 der Kommission vom 5. März 1973 auch auf erstmals mit der Verordnung Nr. 649/73 der Kommission vom 1. März 1973 dem Währungsausgleich unterworfene, vor der tatsächlichen Veröffentlichung der letztgenannten Verordnung einem offenen Zollager entnommene Weine (in der Rechtssache 99/78 heißt es hier: eingeführte Weine) anzuwenden?

    4.

    Bei Verneinung der Frage 3:

    War die Verordnung Nr. 649/73 der Kommission vom 1. März 1973 auf die genannten Weine anzuwenden?

    Zu diesen Fragen nehme ich wie folgt Stellung:

    1. 

    Die an erster Stelle zu untersuchende Frage bezieht sich allein auf die Rechtssache 98/78. Zu prüfen ist die Gültigkeit der Verordnungen Nrn. 649/73, 741/73 und 811/73 im Hinblick auf die Tatsache, daß sie Ausgleichsbeträge für Weine ohne Differenzierung festgesetzt haben. Welche Probleme sich hier im einzelnen stellen, ist der Revisionsbegründung und den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor diesem Gerichtshof zu entnehmen.

    a)

    Danach muß zunächst auf den Hinweis der Klägerin eingegangen werden, die Einfuhrkontrakte seien in einer aufgewerteten Währung abgeschlossen worden und die Importe hätten deshalb nicht aus währungstechnischen Gründen zu niedrigeren Preisen getätigt werden können.

    Meines Erachtens kann nicht beanstandet werden, daß diesem Umstand nach dem System des Währungsausgleichs nicht Rechnung zu tragen ist. Mit Recht hat die Kommission dazu geltend gemacht, die große Zahl der in Betracht kommenden Warenbewegungen schließe es aus, darauf abzustellen, ob im Einzelfall ein Währungsgewinn gemacht werde oder nicht. Außerdem sei denkbar, daß bei derartigen Abschlüssen Aufwertungstendenzen bereits berücksichtigt würden, was aber ebenfalls nicht nachgeprüft werden könne. Darüber hinaus kann zu diesem Problem auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes verwiesen werden. So wurde im Urteil in der Rechtssache 5/73 (Balkan-Import-Export GmbH/Hauptzollamt Berlin-Packhof, Urteil vom 24. Oktober 1973, Slg. 1973, 1091) hervorgehoben, für die Erhebung der Ausgleichsbeträge könne nicht auf etwaige Kursgewinne des Importeurs abgestellt werden, notwendig sei vielmehr die Anwendung einheitlicher und pauschaler Kriterien. Dementsprechend heißt es im Urteil in der Rechtssache 7/76 (Firma IRCA/Staatliche Finanzverwaltung, Urteil vom 7. Juli 1976, Slg. 1976, 1213), Ausgleichsbeträge würden nicht nach den Preisen berechnet, die für Waren tatsächlich gezahlt werden; der Wert der einzelnen Waren könne dabei nicht berücksichtigt werden. Daran sollten wir uns auch im vorliegenden Verfahren halten.

    b)

    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat ferner geltend gemacht, das Interventionssystem der EWG-Weinmarktordnung sei durch das Referenzpreissystem ausreichend gegenüber Einfuhren aus dritten Ländern abgeschirmt. Die Referenzpreise, deren Einhaltung übrigens von Jugoslawien garantiert worden sei und bei deren Unterschreiten Abschöpfungen erhoben würden, seien nämlich viel höher als die Auslösungspreise, die für die Intervention von Bedeutung seien. Deshalb könnten durch Drittlandeinfuhren in keinem Falle Störungen des Interventionssystems hervorgerufen werden.

    Dazu hat die Kommission mit Recht hervorgehoben, es dürfe nicht übersehen werden, daß die Referenzpreise und die damit verbundenen Abschöpfungen einerseits und der Währungsausgleich andererseits unterschiedliche Funktionen hätten und von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig seien. Wichtig sei insbesondere, daß mit Hilfe der Referenzpreise die Preise für Drittlandweine auf das Gemeinschaftsniveau angehoben werden sollen, wohingegen die Währungsausgleichsbeträge das Ziel verfolgten, einen Ausgleich für die sich aus der unterschiedlichen Kursentwicklung ergebenden Unterschiede der tatsächlichen Agrarpreise in den nationalen Währungen herbeizuführen. Außerdem basiert der Währungsausgleich nicht allein auf der Erwägung, daß Störungen des Interventionssystems zu vermeiden seien. Es geht vielmehr um den Ausschluß von Marktstörungen schlechthin. Ob die von der Kommission zu jener Zeit gestellte Prognose aber insofern anfechtbar erscheint, wird nachher noch zu untersuchen sein.

    Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung noch die Frage aufgeworfen hat, warum man nicht durch eine Anhebung der Referenzpreise — über deren Niveau ohnehin die Preise eines Großteils der Drittlandweine lägen — den Währungsausgleich unnötig gemacht habe, so hat dazu die Kommission mit Recht bemerkt, daß eine derartige Kritik am Referenzpreissystem bei der Untersuchung des Währungsausgleichs nicht am Platze sei. Auch ist auf die Art und Weise der Handhabung eines derartigen Preisregimes gerade beim Währungsausgleich zu verweisen (vgl. Rechtssache 55/75 — Balkan-Import-Export GmbH/Hauptzollamt Berlin-Packhof, Urteil vom 22. Januar 1976, Slg. 1976, 19 — für Milcherzeugnisse). Ferner sei an die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung des Währungsausgleichssystems erinnert, das ja auch für den innergemeinschaftlichen Handel, für den Referenzpreis keine Rolle spielen, gilt.

    c)

    An dritter Stelle hat die Klägerin darauf hingewiesen, das Interventionssystem der gemeinsamen Weinmarktordnung diene nur dem Schutz des Tafelweinmarktes und gelte nicht für Qualitätsweine. Dementsprechend gebe es im Innern der Gemeinschaft Währungsausgleich auch nur auf Tafelweine. Danach aber erscheine es nicht gerechtfertigt, Währungsausgleich auf Drittland qualitätsweine — um solche gehe es im Ausgangsverfahren — anzuwenden, denn von ihnen sei nicht anzunehmen, daß sie Auswirkungen auf den Tafelweinmarkt hätten; jedenfalls sei dies nicht geprüft worden.

    Was diesen Punkt anbelangt, so ist zunächst einmal sicher, daß die Einstufung als Tafelweine einerseits und Qualitätsweine andererseits den Erzeugnissen der Gemeinschaft vorbehalten ist. Tatsächlich sind die dafür maßgebenden Vorschriften der Verordnung Nr. 817/70 (ABl.. 1970, L 99 vom 5. Mai 1970, S. 20), auf die in Artikel 1 Absatz 5 der Verordnung Nr. 816/70 verwiesen wird — es geht um eine Überwachung der Herstellung und der Anbaugebiete —, eindeutig auf Weine aus den Mitgliedsländern zugeschnitten. Andererseits ist kein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zu erkennen, nach dem Drittlandware Gemeinschaftserzeugnissen in jeder Hinsicht gleichzustellen wäre, vielmehr ist davon auszugehen, daß die Gemeinschaft im Verhältnis zu dritten Ländern eine weitreichende Freiheit in der Gestaltung der handelspolitischen Beziehungen hat.

    Soweit aber im Rahmen der gemeinsamen Weinmarktordnung auch für Drittlandweine von Qualitätsweinen gesprochen wird, wie in Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 3, dem zufolge beschlossen werden kann, daß bei der Einfuhr gewisser Qualitätsweine dritter Länder die Ausgleichsabgabe ganz oder teilweise nicht erhoben wird, darf nicht übersehen werden, daß die Klägerin nicht behauptet hat, daß die von ihr importierten Weine von dieser Vorschrift, die offenbar, wenn ich recht unterrichtet bin, bisher nur auf bestimmte Südweine zur Anwendung kam, erfaßt würden. Darüber hinaus kann die Klägerin ihre Auffassung auch nicht auf die — übrigens erst später erlassene — Verordnung Nr. 2133/74 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste (ABl. 1974, L 227, S. 1) sowie die Verordnung Nr. 1608/76 über Durchführungsbestimmungen für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste (ABl. 1976, L 183, S. 1) stützen. Wichtig ist nämlich, daß es hier auch in bezug auf drittländische Qualitätsweine nur um bezeichnungsrechtliche Fragen geht. Preislich gilt für solche Weine nichts Besonderes; auch sie sind der Referenzpreisregelung unterworfen. Damit aber fallen auch derartige Qualitätsweine — und das ist für den Währungsausgleich wichtig — unter eine gemeinsame Marktorganisation. Außerdem ist von Bedeutung, daß sich ihr Preis nach dem Preis von Erzeugnissen richtet, für die Interventionsmaßnahmen vorgesehen sind. Das kann gesagt werden, weil in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 816/70 bestimmt ist, daß bei der Festsetzung der Referenzpreise von den Orientierungspreisen der für die Gemeinschaftserzeugung repräsentativsten Tafelrotwein- und Tafelweißweinarten, also von Preisen für Erzeugnisse ausgegangen werden, zu deren Gunsten Interventionsmaßnahmen vorgesehen sind.

    d)

    Schließlich hat die Klägerin auch die Annahme einer Störungsgefahr kritisiert, auf die es für den Währungsausgleich nach der Verordnung Nr. 974/71 ankommt.

    Dazu wurde in der Rechtsprechung schon wiederholt festgestellt, die Kommission und der Verwaltungsausschuß verfügten in dieser Hinsicht über einen weiten Ermessensspielraum und die gerichtliche Prüfung habe sich demgemäß darauf zu beschränken, ob ein offensichtlicher Irrtum oder Ermessensmißbrauch oder eine offensichtliche Überschreitung des Ermessensspielraums zu erkennen sei. Auch komme es dabei auf die Währungsfaktoren und die Marktbedingungen an (Rechtssachen 74/74 — Comptoir national technique agricole/Kommission, Urteil vom 14. Mai 1975, Slg. 1975, 533 — und 136/77 — Firma A. Racke/Hauptzollamt Mainz, Urteil vom 25. Mai 1978, Slg. 1978, 1245). Weil überdies eine rasche Durchführung der Maßnahmen unerläßlich sei, seien pauschale Beurteilungen, die nicht auf jedes Erzeugnis und jedes Ausfuhrland eingehen könnten, unausweichlich (Rechtssachen 7/76 — Firma IRCA/ Staatliche Finanzverwaltung, Urteil vom 7. Juli 1976, Slg. 1976, 1213 — und 29/77 — Roquette Frères/Französischen Staat, Zollverwaltung, Urteil vom 20. Oktober 1977, Slg. 1977, 1835). Nicht zuletzt ist bemerkenswert, daß im Urteil in der Rechtssache 29/77 festgehalten wurde, von einer Störungsgefahr könne schon dann gesprochen werden, wenn der Wechselkurs einer Währung erheblich nachgelassen habe.

    Gerade diese Rechtsprechung begegnet nach der Ansicht der Klägerin rechtsstaatlichen Bedenken. Nach ihrer Überzeugung ist es unannehmbar, die gerichtliche Kontrolle auf Fälle offensichtlicher Ermessensüberschreitung zu beschränken. Vielmehr müsse darauf geachtet werden — und daran fehle es im vorliegenden Fall — daß die Ermessenstatsachen ausreichend festgestellt seien. Jedenfalls könne eine Änderung der Wechselkurse allein für die Annahme einer Störungsgefahr nicht ausreichen.

    Was dieses Problem angeht, so sehe ich entgegen der Ansicht der Klägerin einmal keinen Anlaß zu einer grundsätzlichen Änderung der Rechtsprechung. Auch wenn die angeführten Formulierungen vielleicht etwas weitreichend erscheinen können, so ist ihr Sinn doch klar und schwerlich zu beanstanden: Es geht im Währungsausgleich um die Prüfung komplexer Sachverhalte mit vielerlei Faktoren; sie muß, soll der Währungsausgleich wirksam sein, sehr schnell erfolgen und macht daher pauschale Beurteilungen unausweichlich. Dementsprechend kann der Gerichtshof nicht auf jede Einzelheit der notwendigen pauschalen Beurteilung eingehen, und es steht ihm nicht zu, die bei der pauschalen Abwägung unerläßliche Gewichtung der verschiedensten Faktoren im einzelnen nachzuvollziehen.

    Hält man sich daran, so ist im vorliegenden Fall zu bedenken, daß das Ausmaß der Währungskrise zu Beginn des Jahres 1973 mit ihren eingangs dargestellten Einzelheiten ein sehr rasches Handeln notwendig machte. Dabei war eine eingehende Marktprüfung in jeder Hinsicht und für jeden Mitgliedstaat, namentlich bezüglich der Auswirkungen auf den Tafelweinmarkt und sein Schutzbedürfnis im einzelnen, sicher nicht möglich. Dazu kam, daß seinerzeit erstmalig das mit der Verordnung Nr. 509/73 geschaffene neuartige System zur Anwendung gelangte, für das Erfahrungen erst noch gesammelt werden mußten. In dieser Situation und angesichts des starken Verfalls der italienischen Währung bei gleichzeitiger Aufwertung der Deutschen Mark mußte es naheliegen, eine beträchtliche Verbilligung der Agrarausfuhren aus Italien und damit eine Störung des französischen und deutschen Weinmarktes zu befürchten. Dies war ein berechtigter Anlaß, den Währungsausgleich im Innern der Gemeinschaft auf alle Tafelweinarten zu erstrecken. Gleichzeitig war damit aber auch wegen der zwischen Tafelwein und Drittlandwein bestehenden Preisbeziehungen die Notwendigkeit anzuerkennen, letzteren ebenfalls einzubeziehen. Ihn unberücksichtigt zu lassen, hätte nichts anderes bedeutet, als eine Benachteiligung der italienischen Weine im Wettbewerb hinzunehmen.

    Nach meiner Überzeugung reicht dies zur Rechtfertigung der hier interessierenden Währungsausgleichsbeträge aus. Tatsächlich besteht kein Grund, die von der Kommission bezüglich einer Marktstörung gestellten Prognosen zu beanstanden und Kritik, daran zu üben, daß in einer ersten Phase alle Drittlandweine ohne Differenzierung nach Preisklassen und Importländern vom Währungsausgleich erfaßt wurden.

    e)

    Demnach kann zu der ersten Frage nur festgehalten werden, daß keiner der von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte Anlaß gibt, an der Gültigkeit der in der Frage aufgeführten Verordnungen, soweit nach ihnen Währungsausgleich auf Weinimporte aus dritten Ländern zu erheben war, zu zweifeln.

    2. 

    Die nächste zu untersuchende Frage ist beiden Rechtssachen gemeinsam. Ihr zufolge soll geklärt werden, wann Gemeinschaftsverordnungen als veröffentlicht gelten.

    Die Kommission hat dazu die Ansicht geäußert, man habe sich in Fällen, in denen die Vermutung, daß das Datum des Amtsblatts mit dem Tag der Verfügbarkeit beim Amt für amtliche Veröffentlichungen übereinstimmt, widerlegt werden kann, dafür zu entscheiden, daß der letztere Tag maßgebend sein soll; dem ist meines Erachtens zuzustimmen.

    Tatsächlich kann für den Standpunkt, daß nicht das Datum des Amtsblatts entscheidend sei, wenn dieses nicht mit der effektiven Ausgabe des Amtsblatts zusammenfällt, schon auf das Urteil in der Rechtssache 88/76 (Société pour l'exportation des sucres SA/Kommission, Urteil vom 31. März 1977, Slg. 1977, 709) verwiesen werden, in dem für einen Fall, in dem es ausdrücklich auf den Tag der Veröffentlichung ankam, auf die tatsächliche Veröffentlichung und nicht auf das Datum des Amtsblatts abgestellt wurde.

    Fragt man sich davon ausgehend weiter, ob die Verfügbarkeit des Amtsblatts beim Amt für amtliche Veröffentlichungen in Luxemburg als maßgebend erachtet werden soll oder die Verfügbarkeit in den Mitgliedstaaten, so spricht sicher mehr für die zuerst genannte Möglichkeit.

    Gegen diese Lösung kann man sicher nicht unter Hinweis auf den Grundsatz der Rechtssicherheit einwenden, der entsprechende Zeitpunkt sei nicht zuverlässig feststellbar. Nach den Erklärungen des Amtes für amtliche Veröffentlichungen erfolgt nämlich dort, sobald alle sprachlichen Fassungen verfügbar sind, sogleich ein Anschlag, und es wird darüber in einem Register Buch geführt. Jedenfalls scheint diese Registrierungspflicht und eine Verpflichtung, entsprechende Auskünfte zu erteilen, seit 1974 zu bestehen. Auch ist offenbar nicht nur dafür gesorgt, daß auf diese Weise der Zeitpunkt der Verfügbarkeit für das Publikum exakt ermittelt werden kann, es scheint auch dafür Vorsorge getroffen worden zu sein, daß von diesem Zeitpunkt an und sogar während der Nachtzeit der Zugang zu den Amtsblättern gesichert ist.

    Andererseits läßt sich für den Standpunkt der Kommission auf die wichtige Tatsache verweisen, daß danach ein einheitlicher Zeitpunkt für die Veröffentlichung für die ganze Gemeinschaft gilt, was sich bezüglich der Verfügbarkeit in den Mitgliedstaaten auch bei bester Organisation der Verteilung nicht sichern ließe. Auch darf nicht übersehen werden, daß es andernfalls zu erheblichen Verzögerungen käme, die bei dringenden Entscheidungen nicht erträglich wäre, und daß damit die auch in der Rechtsprechung (Rechtssachen 17/67 — Firma Max Neumann/Hauptzollamt Hof (Saale), Urteil vom 13. Dezember 1967, Slg. 1967, 591 — und 74/74) anerkannte Möglichkeit, Verordnungen am Tage der Verkündung im Amtsblatt in Kraft treten zu lassen, erheblich reduziert wäre. Ferner ist wohl ein wesentlicher Gesichtspunkt der, daß der Gesetzgeber mit der Ausgabe des Amtsblatts in Luxemburg, von der jeder, der entsprechende Vorkehrungen trifft, erfahren kann, die Verfügungsbefugnis über den veröffentlichten Text zumindest in dem Sinne verliert, als damit eine Vertrauensstellung begründet wird. Und es ist schließlich auch von Interesse, daß auch nach den Rechtsordnungen verschiedener Mitgliedstaaten die Herausgabe bei einer Zentralstelle ausreicht; wo dies nicht der Fall ist, wie z. B. in Frankreich, gibt es als Ausgleich immerhin die Möglichkeit des Anschlags, die nach Gemeinschaftsrecht — Artikel 191 des EWG-Vertrags — nicht in Betracht kommt.

    Schließt man sich dieser Meinung an, so bedeutet dies für den vorliegenden Fall, daß die Verordnung Nr. 649/73 als am 12. März 1973 veröffentlicht galt und daß für die Verordnungen Nrn. 741/73 und 811/73, bei denen eine Verzögerung der Ausgabe des Amtsblatts nicht erfolgte, die Daten der Amtsblätter (19. März und 27. März) maßgebend sind.

    3. 

    Auch die beiden nächsten Fragen, denen ich mich danach zuwende, sind im Grunde für beide Rechtssachen identisch. Sie betreffen die rückwirkende Anwendung der Verordnungen Nrn. 649/73 und 741/73 auf erstmals mit der Verordnung Nr. 649/73 in den Währungsausgleich einbezogene Weine. Dabei ist lediglich zu berücksichtigen, daß im ersten Fall die fraglichen Weine vor der tatsächlichen Veröffentlichung der Verordnung Nr. 649/73 einem offenen Zollager entnommen worden sind und daß sie im zweiten Fall vor diesem Zeitpunkt direkt importiert worden sind.

    a)

    Wie das vorlegende Gericht mit Recht angenommen hat, ist die Anwendung der genannten Verordnungen vom Zeitpunkt der tatsächlichen Veröffentlichung der Verordnung Nr. 649/73, also vom 12. März 1973 an, unproblematisch. Von da an kann für die Verordnung Nr. 649/73, mit der erstmals bestimmte Weine in den Währungsausgleich einbezogen worden sind, nicht von einer Rückwirkung gesprochen werden. Bei der Verordnung Nr. 741/73 scheint zwar eine Rückwirkung — vergleicht man das Datum der Veröffentlichung mit dem Datum der Anwendbarkeit — vorzuliegen. Insofern kann aber, weil es sich nur um eine Anpassung der Ausgleichsbeträge handelte, auf das Urteil in der Rechtssache 7/76 verwiesen werden. Danach ist klar, daß bei einer solchen Sachlage, das heißt, wenn bestimmte Waren schon in den Währungsausgleich einbezogen sind — was für Weine vom 12. März 1973 an gilt — und nur die Ausgleichsbeträge der Währungsentwicklung entsprechend korrigiert werden, nicht von einer echten Rückwirkung gesprochen werden kann.

    b)

    Eine echte Rückwirkung ist dagegen gegeben, soweit eine Anwendung vor dem 12. März 1973 gewollt war, was für die Verordnung Nr. 649/73 ab dem 26. Februar 1973 und für die Verordnung Nr. 741/73 ab dem 5. März 1973 zutrifft. Inwieweit sie zulässig war, braucht jetzt aber, da die im Ausgangsverfahren streitigen Entnahmen aus dem Zollager und Importe nur vom 9. März 1973 an erfolgten, lediglich in bezug auf diesen Zeitpunkt, das heißt im Hinblick auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum, untersucht zu werden.

    Wie Sie wissen, war die Kommission bestrebt, etwaige sich dazu aus rechtsstaatlicher Sicht aufdrängende Bedenken zu zerstreuen, und ich glaube auch — wenn ich dies gleich sagen darf —, daß ihr dies überzeugend gelungen ist.

    aa)

    So ist schon wichtig, daß eine Rückwirkung nach Gemeinschaftsrecht nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, wie sich der auf Seite 14 des Schriftsatzes der Kommission angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofes entnehmen läßt. Dies steht in Einklang mit dem nationalen Recht, wofür Generalanwalt Warner in seinen Schlußanträgen zur Rechtssache 7/76 (Slg. 1976, 1229) den Nachweis geführt hat. Nach deutschem Recht — in der mündlichen Verhandlung wurde dazu ein ganz neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 1978, zitiert — gilt dies jedenfalls, soweit es an einem schutzwürdigen Vertrauen fehlt.

    bb)

    Ferner hat die Kommission mit Recht darauf hingewiesen, daß gerade für das Gebiet des Währungsausgleichs mit seinen speziellen Erfordernissen in gewissem Umfang rückwirkende Maßnahmen zuzulassen seien. So sei zu bedenken, daß dem Artikel 3 der Verordnung Nr. 974/71 zufolge der Währungsausgleich grundsätzlich von dem ihn auslösenden Ereignis an wirksam werden solle. Klar sei auch, daß die rasche Entwicklung der Spekulation schlagartig Auswirkungen auf bisher nicht erfaßte Warengruppen haben und entsprechende Warenströme auslösen könne, die, statte man die nicht immer sogleich zu treffenden Maßnahmen nicht mit Rückwirkung aus, zu unverdienten Vorteilen führen könnte, die nicht als schutzwürdig anzusehen seien. Ganz allgemein müsse gesagt werden, daß auf diesem Gebiet das schutzwürdige Vertrauen grundsätzlich erheblich eingeschränkt sei, müsse doch seit Erlaß der Verordnung Nr. 974/71 generell damit gerechnet werden, daß bei bedeutenden Änderungen im Währungsgefüge auch neue Warengruppen vom Ausgleich erfaßt würden. Dies gelte zudem in besonderem Maße seit der Änderung des Systems durch die Verordnung Nr. 509/73. Damit sei eine Ausdehnung auf andere Erzeugnisse, und zwar gerade solche, die, wie der italienische Wein, durch den raschen Kursverfall der Lira im Februar/März 1973 „sensibel“ geworden seien, durchaus voraussehbar geworden.

    cc)

    Mit Recht hat sich die Kommission aber mit solchen Erwägungen nicht begnügt, und zwar unter Hinweis darauf, daß es sich bei der Einbeziehung neuer Waren in den Währungsausgleich immerhin um eine Ermessensentscheidung der Gemeinschaftsbehörden handele. Bei einer solchen Sachlage hält sie weitere Faktoren für erforderlich zur Rechtfertigung einer Rückwirkung. Als ausreichend müsse jedoch in jedem Falle gelten, daß rechtzeitig entsprechende Informationen in anderer Weise gegeben werden oder daß rechtzeitig und unter Anführung ihres wesentlichen Inhaltes auf eine bevorstehende Entscheidung hingewiesen werde. Ich glaube, dem kann man in der Tat zustimmen, und ich glaube ferner, daß die Kommission uns gezeigt hat, daß in dieser Hinsicht zu der fraglichen Zeit für die beiden hier interessierenden Verordnungen alles Notwendige geschehen ist.

    Wenn wir uns zunächst auf die Verordnung Nr. 649/73 beschränken wollen, so sind einmal gewisse Mitteilungen anzuführen, die im Pressedienst „Vereinigte Wirtschaftsdienste“ vom 20. und 21. Februar 1973 veröffentlicht worden sind. In ihnen wird auf die Freigabe der Wechselkurse von Lira und Pfund Sterling hingewiesen, es wird die geänderte Verordnung Nr. 974/71 veröffentlicht und die Notwendigkeit erwähnt, die neuen Währungsausgleichsbeträge rückwirkend in Kraft zu setzen.

    Von Bedeutung ist auch, daß gleich nach der Festsetzung der Währungsausgleichsbeträge (26. Februar 1973) ein entsprechender Anschlag bei der Sprechergruppe in Brüssel erfolgte. Von solchen Verlautbarungen Kenntnis zu erhalten, treffen sicher viele Unternehmen Vorkehrungen. Auch sorgen spezialisierte Wirtschaftsdienste für eine rasche Weiterverbreitung. Dazu kann wiederum Bezug genommen werden auf die Vereinigten Wirtschaftsdienste, diesmal vom 28. Februar 1973, deren Erklärungen zufolge die ab 26. Februar 1973 anwendbaren Währungsausgleichsbeträge bereits seit mehreren Tagen von Berufsorganisationen verbreitet worden seien.

    Relevant erscheint ferner, daß eine fernschriftliche Mitteilung der durch die Verordnung Nr. 649/73 festgesetzten Währungsausgleichsbeträge am 26. Februar 1973 an die Verwaltungen der Mitgliedstaaten erfolgte, und dies im Anschluß an die Erklärungen der Vertreter der Mitgliedstaaten im Verwaltungsausschuß, die Sätze könnten vom 26. Februar 1973 an angewandt werden. Dies bedeutete, daß entsprechende Erkundigungen bei den zuständigen Verwaltungen eingezogen werden konnten und daß die Beträge unmittelbar auf Einfuhrgeschäfte, die von diesem Tag an getätigt wurden, angewandt, also nicht erst nachträglich erhoben wurden. Zwar gilt Entsprechendes nicht für die Entnahme aus einem offenen Zollager, bei der die Zollverwaltung nicht unmittelbar tätig wird. Es kann aber wohl — wie die Kommission mit Recht bemerkt hat — auch insofern nichts anderes gelten, und dies nicht nur, weil Unternehmen, die solche Lager unterhalten, auch ständig direkte Importe durchführen, sondern auch aus der Erwägung, daß die Haltung von Zollagern eine Vergünstigung darstellt, die für die Betreffenden natürlich — was den Vertrauensschutz anbelangt — nicht zu einer Besserstellung führen darf.

    Schließlich hat die Kommission auch mit ihrer Bemerkung recht, die Behandlung der Rückwirkungsfrage, wie sie bisher dargestellt worden sei, könne nicht durch die Tatsache beeinflußt werden, daß in einem Erlaß des Bundesfinanzministeriums vom 29. März angeordnet worden sei, in der Zeit vom 26 Februar bis 8. März 1973 die erhöhten Währungsausgleichsbeträge nicht auf Waren zu erheben, die erstmals in den Währungsausgleich einbezogen worden seien, und daß auch der Umstand bedeutungslos sei, daß das Ausmaß der Rückwirkung durch die verzögerte Ausgabe des Amtsblatts geringfügig erhöht worden sei. Der genannte Erlaß, der offenbar ohne Rücksprache mit der Kommission zustande gekommen ist, sah nämlich immerhin die volle Anwendung des Währungsausgleichs vom 9. März an vor, so daß von diesem Tag an von einem Vertrauensschutz im Hinblick auf das Verhalten der deutschen Behörden nicht mehr gesprochen werden konnte. Außerdem kam die verzögerte Ausgabe des Amtsblatts für Eingeweihte nicht unerwartet, denn es war kein Geheimnis, daß sich das Amt für amtliche Veröffentlichungen in den Monaten Februar und März 1973 aus mancherlei Gründen — wegen der Veröffentlichung einer Vielzahl von Texten anläßlich des Beitritts dreier neuer Mitgliedstaaten sowie wegen der Währungskrise — «in einem regelrechten Notstand befand.

    Hält man aber in dieser Weise eine Rechtfertigung der Rückwirkung der Verordnung Nr. 649/73 für möglich, so kann auch nichts anderes für die Verordnung Nr. 741/73 gelten, mit der die Ausgleichsbeträge mit Wirkung vom 5. März 1973 abgeändert worden sind.

    Insofern ist wichtig, daß die Voraussetzungen für eine Änderung der Währungsausgleichsbeträge vom 5. März 1973 an vorlagen.

    Von Interesse ist ferner, daß in den Vereinigten Wirtschaftsdiensten vom 28. Februar 1973 darauf hingewiesen wurde, die Kommission habe noch vor Bekanntgabe der vom 26. Februar an anwendbaren Sätze eine weitere Änderung angekündigt, die neuen Sätze seien ab 5. März anzuwenden, eine rechtzeitige Bekanntmachung erscheine aber zweifelhaft. Zudem wurden in dieser Mitteilung auch die Abweichungen von der Dollar-Parität veröffentlicht, mit deren Hilfe die neuen Währungsausgleichsbeträge zumindest abgeschätzt werden konnten.

    Auch diese Zahlen sind außerdem am 5. März 1973 fernschriftlich den Verwaltungen der Mitgliedstaaten mitgeteilt worden, und es wurde ein Hinweis auf die Änderung der Währungsausgleichsbeträge in Teil C des Amtsblatts vom 5. März 1973 veröffentlicht.

    Demgegenüber muß mit der Kommission der Umstand als unerheblich bezeichnet werden, daß die Verordnung Nr. 649/73, deren Sätze durch die Verordnung Nr. 741/73 geändert werden sollten, erst nach dem Zeitpunkt veröffentlicht worden ist, zu dem die geänderten Sätze bereits anzuwenden waren. Wie es zu dieser ungewöhnlichen Situation kam, wurde von der Kommission plausibel erklärt. Als sich die Änderung der Sätze wegen der Währungsentwicklung als notwendig erwies, war die Verordnung Nr. 649/73 bereits in Drucklegung gegangen; zur Vermeidung weiterer Verzögerungen wurde, zumal nicht abzusehen war, wann mit einer Veröffentlichung im Amtsblatt zu rechnen war, von einer unmittelbaren Änderung der Verordnung abgesehen. Tatsächlich kann bei dieser Sachlage nicht davon gesprochen werden, durch die Veröffentlichung der Verordnung Nr. 649/73 sei eine schutzwürdige Vertrauensposition begründet worden, wurde doch schon vor dem Erscheinen des Amtsblatts vom 9. März 1973 in dem bereits erwähnten Amtsblatt vom 5. März 1973 auf die notwendig gewordene Änderung der Ausgleichsbeträge aufmerksam gemacht.

    Ich würde deshalb meinen, daß nichts dagegen spricht, die Verordnungen Nr. 649/73 und Nr. 741/73 auch auf Weine anzuwenden, die zum erstenmal durch die Verordnung Nr. 649/73 in den Währungsausgleich einbezogen worden sind und die vor deren Veröffentlichung einem offenen Zollager entnommen oder importiert worden waren.

    4. 

    Demnach schlage ich vor, auf die vom Bundesfinanzhof gestellten Fragen wie folgt zu antworten :

    a)

    In der Rechtssache 98/78 ist festzustellen, daß im Verfahren keine Gründe sichtbar geworden sind, die insoweit gegen die Gültigkeit der Verordnungen Nrn. 649, 741 und 811/73 sprechen, als in ihnen Ausgleichsbeträge für eingeführte Rot- und Weißweine ex Tarifstelle 22.05 C I und C II ohne jede Differenzierung festgesetzt wurden.

    b)

    Zu den weiteren Fragen beider Rechtssachen ist festzustellen:

    Für die Frage, wann eine Verordnung als veröffentlicht im Sine des Artikels 191 des EWG-Vertrags angesehen werden kann, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem das betreffende Amtsblatt beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften tatsächlich verfügbar ist.

    Die Verordnungen Nrn. 649 und 741/73 waren auch auf erstmals mit der Verordnung Nr. 649/73 dem Währungsausgleich unterworfene, vor der tatsächlichen Veröffentlichung der zuletzt genannten Verordnung eingeführte oder einem offenen Zollager entnommene Weine anzuwenden.

    Góra