EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52024DC0024

WEISSBUCH über Investitionen in Drittstaaten

COM/2024/24 final

Brüssel, den 24.1.2024

COM(2024) 24 final

WEISSBUCH

über Investitionen in Drittstaaten









WEIẞBUCH

über Investitionen in Drittstaaten

1.    Einführung: Warum ist ein Weißbuch über Investitionen in Drittstaaten nötig?    

2.    Aktueller Stand und erste Ergebnisse    

3.    Vorschläge für die nächsten Schritte: Überprüfung bestimmter Investitionen in Drittstaaten    

3.1.    Vorgeschlagene Überwachung bzw. Überprüfung von Investitionen in Drittstaaten in bestimmte Technologien    

3.2.    Risikobewertungen durch die Mitgliedstaaten    

3.3.    Berichterstattung an die Kommission und andere Mitgliedstaaten    

3.4.    Gemeinsame Bewertung und Debatte    

3.5.    Überprüfung von Anträgen auf Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten, Konsultation der Mitgliedstaaten untereinander und Unterrichtung der Kommission    

4.    Schlussfolgerung    



1.Einführung: Warum ist ein Weißbuch über Investitionen in Drittstaaten nötig?

In der am 20. Juni 2023 angenommenen Gemeinsamen Mitteilung über eine europäische Strategie für wirtschaftliche Sicherheit 1 (im Folgenden „Gemeinsame Mitteilung“) wird die Bedeutung offener globaler Märkte für den Erfolg und die wirtschaftliche Sicherheit der Europäischen Union sowohl im Hinblick auf die Resilienz als auch auf die Wettbewerbsfähigkeit anerkannt. In der Mitteilung wird Folgendes bekräftigt:„ [unsere] Volkswirtschaften florieren dank eines offenen und regelbasierten Handels- und Investitionsumfelds sowie dank sicherer grenzüberschreitender Konnektivität und Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung und Innovation.“ Gleichzeitig wird anerkannt, dass potenzielle Sicherheitsrisiken eintreten könnten, wenn sensible Technologien und Investitionen auf eine Weise aus der EU abfließen, die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen können. Insbesondere wird in der Mitteilung auf die Risiken des Abflusses von Technologie und Know-how als Folge von Investitionen in Drittstaaten (d. h. Investitionen von EU-Unternehmen in Drittländern) bei einem begrenzten Spektrum fortschrittlicher Technologien hingewiesen, die die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten von Akteuren stärken könnten, die diese zur Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einsetzen könnten.

Die EU beschränkt bereits die Ausfuhr von Technologien mit doppeltem Verwendungszweck. Es besteht jedoch die zunehmende Sorge, dass einige sensible Technologien und sensibles Know-how infolge von Investitionstransaktionen in Drittstaaten, die derzeit noch keinen Kontrollmechanismen unterliegen, in falsche Hände geraten könnten. Dies könnte beispielsweise geschehen, wenn Spitzentechnologie aus der EU in Länder gelangt, in denen zivile und militärische Tätigkeiten nicht klar voneinander abgegrenzt sind. Solche Technologien oder solches Know-how könnten genutzt werden, um ihre militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten zu stärken, was wiederum unsere gemeinsame Sicherheit in der EU gefährden könnte. Bestimmte Investitionen in Drittstaaten können als die „Kehrseite“ von Ausfuhrgeschäften mit doppeltem Verwendungszweck betrachtet werden.

Ein ähnlicher Zusammenhang besteht zwischen Investitionen in Drittstaaten und ausländischen Direktinvestitionen (ADI). Die EU verfügt bereits über einen Rahmen für die Überprüfung zufließender ADI, insbesondere im Bereich sensibler Technologien. Während die ausländischen Investitionen von risikobehafteten Investoren in EU-Unternehmen, die über sensible Technologien verfügen, durch im Rahmen einer ADI-Überprüfungsregelung verhängte Maßnahmen eingeschränkt oder verboten werden könnten, besteht das potenzielle Risiko, dass die betreffenden EU-Unternehmen diese Technologien denselben Investoren über Investitionen in Drittstaaten zur Verfügung stellen könnten. Solche Investitionen in Drittstaaten werden derzeit jedoch nicht einmal überwacht. Dies könnte die Wirksamkeit unserer bestehenden Kontrollen und damit die Sicherheit der EU insgesamt sowie der einzelnen Mitgliedstaaten untergraben.

Diese zunehmende Sorge macht deutlich, dass dieses Thema genau betrachtet werden muss, um Folgendes zu verstehen:

1.welche Art von Investitionen in bestimmte kritische Technologien von der EU getätigt werden,

2.ob solche Investitionen die Sicherheit der EU oder der Mitgliedstaaten konkret gefährden könnten, und sofern dies der Fall ist,

3.inwieweit diese Risiken durch bestehende Instrumente gemindert werden können oder zusätzliche verhältnismäßige politische Maßnahmen auf EU- oder nationaler Ebene rechtfertigen würden.

Aus geostrategischer Sicht ist die EU nicht der erste Akteur, der eine politische Initiative in diesem Bereich in Erwägung zieht. Einige Länder, wie Japan 2 oder China 3 , kontrollieren bereits Investitionen in Drittstaaten. Andere, wie die Vereinigten Staaten 4 , entwickeln derzeit einen Rahmen dafür.

Bei der Ausarbeitung einer Reaktion der EU auf Bedenken bei Investitionen in Drittstaaten bestehen einige Herausforderungen: i) Bestimmung des Umfangs potenzieller Bedenken, ii) Verständnis des Umfangs und der Art der EU-Investitionen in Drittstaaten durch die Erhebung einschlägiger Daten und Nachweise und iii) Bewertung, ob solche Investitionen eindeutig erkennbare Sicherheitsrisiken schaffen oder verschärfen. In einem zweiten Schritt sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten die Notwendigkeit von verhältnismäßigen und gezielten Maßnahmen prüfen, um die festgestellten Risiken entweder durch bestehende Instrumente oder neue Abhilfemaßnahmen auf nationaler und/oder EU-Ebene abzumildern.

Eine umfassende Bewertung erfordert genaue Kenntnisse der Investitionen von EU-Investoren in Drittstaaten sowie der Technologie und des Know-hows, die im Rahmen solcher Vorgänge übertragen werden können. Außerdem ist ein tiefgreifendes Verständnis der Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit solchen Investitionen in Drittstaaten erforderlich, um potenzielle Defizite in den bestehenden Instrumenten für die Sicherheit von Handel und Investitionen bewerten zu können.

Das vorliegende Weißbuch beschreibt den aktuellen Stand der ersten Arbeiten der EU im Bereich der Investitionen in Drittstaaten. Darin wird dargelegt, wie von den derzeitigen Herausforderungen mit einem einheitlichen und wirksamen EU-Ansatz Kenntnis genommen werden kann und wie diese bewältigt werden können. Ziel ist es, Stellungnahmen und Beiträge betroffener Interessenträger einzuholen, um die Kommission dabei zu unterstützen, den Anwendungsbereich einer künftigen Empfehlung der Kommission zu Investitionen in Drittstaaten in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten festzulegen. Der Hohe Vertreter und Vizepräsident (HR/VP) kann gegebenenfalls seinen Beitrag zu möglichen Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik leisten. Dieses Weißbuch wird der Kommission dabei helfen, die Ansichten und Anliegen der Interessenträger und des Europäischen Parlaments zu verstehen und gleichzeitig mit den laufenden Überlegungen und Analysen innerhalb der EU 5 und der Mitgliedstaaten zum Thema Investitionen in Drittstaaten und wirtschaftliche Sicherheit im Allgemeinen Schritt zu halten.



2.Aktueller Stand und erste Ergebnisse

Im Vorfeld der Gemeinsamen Mitteilung stieß die Kommission im Frühjahr 2023 eine Debatte über dieses Thema mit den Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten an, die für die Überprüfung von ADI und Ausfuhren von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck zuständig sind. Um zu dieser Debatte beizutragen, erhob die Kommission Daten über Investitionen von EU-Unternehmen in Drittstaaten. Im Zeitraum von 2013 bis 2022 fanden rund 12 800 Fusions- und Übernahmegeschäfte von EU-Unternehmen in Drittstaaten im Wert von rund 1,4 Billionen EUR und 26 000 Risikokapitalinvestitionen im Gesamtwert von 408 Mio. EUR statt. 6 Bei beiden Kategorien von Investitionen in Drittstaaten waren die beiden wichtigsten Zielländer die USA und das Vereinigte Königreich, auf die mindestens die Hälfte der Abschlüsse und etwa 70 % des Kapitals entfielen. Abgesehen von diesen hochwertigen Informationen hat die Kommission einige erhebliche Einschränkungen bei den verfügbaren Daten festgestellt, z. B. bei weiteren Einzelheiten zu den Transaktionen, Geldbeträgen, Geschäftsmerkmalen und beteiligten Technologien.

Zum einen fehlen in den offiziellen Quellen (z. B. ADI-Daten aus volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) aktualisierte und detaillierte Daten über den Sektor oder die Technologie im Zusammenhang mit einzelnen Investitionstransaktionen, weshalb es schwierig ist, diese Investitionen in Drittstaaten in einem begrenzten Spektrum kritischer Technologien zu ermitteln, bei denen potenzielle Risiken auftreten könnten. Zum anderen werden in den amtlichen Statistiken sowie in den verfügbaren kommerziellen Datenquellen, Unternehmen und Transaktionen nach amtlichen Klassifizierungssystemen klassifiziert. Diese beschreiben hauptsächlich Bereiche bereits entwickelter Technologien, liefern jedoch keine Informationen über bestimmte fortschrittliche Technologien oder neue Wirtschaftstätigkeiten wie künstliche Intelligenz.

Im Juli hat die Kommission eine Expertengruppe für Investitionen in Drittstaaten (im Folgenden „Expertengruppe“) eingesetzt, die Kenntnisse und Erfahrungen aus den Mitgliedstaaten nutzen soll, um potenzielle Sicherheitsrisiken, Defizite und erforderlichenfalls mögliche politische Maßnahmen zu untersuchen. 7 Die Expertengruppe setzt sich aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten aus den Bereichen Ausfuhrkontrollen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck, Überprüfung von ADI, Handel und auswärtige Angelegenheiten zusammen. Sie ist im Jahr 2023 bereits dreimal zusammengetreten.

Inzwischen ist klar geworden, dass vor der Analyse möglicher Risiken ein klares Verständnis des Umfangs der Initiative erforderlich ist – im Endeffekt also die Antwort auf die Frage, welche Investitionen in Drittstaaten berücksichtigt werden sollten, um Risiken für unsere gemeinsame Sicherheit in der EU zu ermitteln – und dass belastbare detaillierte Daten auf nationaler Ebene zu einschlägigen Investitionstransaktionen in Drittstaaten und möglicherweise zu damit verbundenen Tätigkeiten benötigt werden, die jedoch derzeit nicht vorliegen. Dieser Mangel an Daten zeigt, dass ein gemeinsamer Überblick über die Tragweite des Themas gewonnen werden muss, was den Umfang der zu Risiken führenden Transaktionen und Tätigkeiten, die potenziell betroffenen Technologien und die Frage betrifft, ob der Schwerpunkt auf bestimmten Ländern liegen sollte.

Die laufenden Arbeiten mit den Mitgliedstaaten in der Expertengruppe haben die Kommission zu den folgenden ersten Feststellungen geführt:

1.Es besteht eine erhebliche Wissenslücke und ein sehr begrenztes Bild der von EU-Investoren in Drittstaaten getätigten Investitionen. Einige Behörden erheben Informationen auf nationaler Ebene (z. B. Zentralbanken oder nationale Statistikämter). 8 Diese Informationen sind jedoch weder detailliert noch zielgerichtet genug, um die einschlägigen Fakten bereitzustellen, anhand denen festgestellt werden kann, ob sich aus diesen Investitionen Sicherheitsrisiken ergeben können, und um es den Mitgliedstaaten und der Kommission zu ermöglichen, eine ordnungsgemäße Bewertung dieser Risiken vorzunehmen.

2.Die Mitgliedstaaten überprüfen und bewerten Investitionen in Drittstaaten nicht systematisch in Bezug auf Sicherheitsinteressen. Mehrere Mitgliedstaaten nehmen zur Kenntnis, dass dadurch einige Risiken außer Acht gelassen werden.

3.Die Angelegenheit ist sowohl sensibel als auch komplex. Während potenzielle Risiken, die sich aus bestimmten Investitionen in Drittstaaten ergeben, eine weiterreichende geopolitische Dimension aufweisen, ist es wichtig anzuerkennen, dass Investitionen aus der EU in Drittstaaten einen wertvollen und legitimen Teil der Wirtschaftstätigkeit auf einem globalen Markt darstellen. Daher können mögliche politische Maßnahmen in Bezug auf Investitionen in Drittstaaten positive und negative Auswirkungen auf die Unternehmen in der EU nach sich ziehen.

4.Zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission besteht Einigkeit darüber, dass politische Maßnahmen im Falle einer Ermittlung von Risiken wirksam, verhältnismäßig, zielgerichtet und von den Verwaltungen durchsetzbar sein sollten.

5.Bevor neue politische Maßnahmen erarbeitet werden, müssen wir zunächst die bestehenden Instrumente in vollem Umfang nutzen. Falls politische Maßnahmen als notwendig erachtet werden, um auf die festgestellten Risiken zu reagieren, sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten – im gesetzlich zulässigen Rahmen – versuchen, Risiken durch Investitionen in Drittstaaten durch bestehende Instrumente wie Ausfuhrkontrollen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck oder Verfahren zur ADI-Überprüfung anzugehen, indem sie entweder den Einsatz dieser Instrumente verbessern oder sie ändern, um neuen Risiken Rechnung zu tragen.

3.Vorschläge für die nächsten Schritte: Überprüfung bestimmter Investitionen in Drittstaaten

Es handelt sich um ein komplexes Thema, das ein schrittweises Vorgehen erfordert:

-Erstens eine Phase der öffentlichen Konsultation: Diese wird mit der Veröffentlichung dieses Weißbuchs und eines Fragebogens eingeleitet.

-Zweitens eine Überwachungsphase: Die Kommission wird sich auf die Ergebnisse der zuvor erfolgenden öffentlichen Konsultation und die Reaktionen auf dieses Weißbuch stützen, um eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten zur Überwachung bzw. Überprüfung bestimmter Investitionstransaktionen in Drittstaaten, in die eine Reihe von sensiblen Technologien über einen bestimmten Zeitraum einbezogen sind, erarbeiten.

-Drittens eine Phase der Risikobewertung: Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Analyse und Überwachung können die Mitgliedstaaten und die Kommission besser Schlussfolgerungen zu den Risiken für unsere gemeinsame Sicherheit in der EU ziehen, die mit solchen Investitionstransaktionen in Drittstaaten verbunden sind.

Die Ergebnisse dieser Bewertung und mögliche Vorschläge zur Eindämmung etwaiger festgestellter Risiken werden in einer weiteren Mitteilung und erforderlichenfalls in geeigneten Vorschlägen dargelegt.

3.1.Vorgeschlagene Überwachung bzw. Überprüfung von Investitionen in Drittstaaten in bestimmte Technologien

Auf der Grundlage der ersten Ergebnisse der Arbeit mit der Expertengruppe bittet die Kommission um Stellungnahmen zu den nachstehend aufgeführten Aspekten, die im Vorschlag für eine Empfehlung der Kommission zur Überwachung behandelt werden.

Umfang der Berichterstattung

1.In Bezug auf die Art der zu überwachenden Investitionstransaktionen in Drittstaaten ist die Kommission der Auffassung, dass sich die Überwachung auf ein breites Spektrum von Transaktionen erstrecken sollte, einschließlich aller Arten aktiver Investitionen, während Portfolioinvestitionen ausgenommen werden sollten, d. h. andere Investitionen als Direktinvestitionen in Drittstaaten mit dem Ziel, eine Finanzinvestition zu tätigen, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle eines Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (siehe Kasten unten).

Die Mitgliedstaaten sollten Investitionen jeglicher Art durch in der EU ansässige oder niedergelassene natürliche oder juristische Personen (im Folgenden „EU-Investoren“) zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der EU überwachen. Unter diese Investitionen sollten Folgende fallen:

·der Erwerb eines Unternehmens oder eines Anteils an einem Unternehmen, der eine tatsächliche Beteiligung an der Verwaltung oder Kontrolle des Unternehmens ermöglicht (im Folgenden „Erwerb“),

·die Eingliederung eines oder mehrerer anderer Unternehmen in ein Unternehmen oder die Zusammenlegung von zwei oder mehr Unternehmen zur Gründung eines neuen Unternehmens (im Folgenden „Fusion“),

·die Übertragung materieller oder immaterieller Vermögenswerte, einschließlich geistigen Eigentums oder spezifischen Know-hows und Technologieprozessen, die für die Aufnahme oder Aufrechterhaltung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erforderlich sind (im Folgenden „Vermögensübertragung“),

·die erstmalige Geschäftsgründung, einschließlich der Gründung einer Tochtergesellschaft, einer Zweigniederlassung oder ähnlicher Unternehmen (im Folgenden „Greenfield-Investition“),

·die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zur Bündelung von Ressourcen zum Erreichen eines gemeinsamen unternehmerischen Ziels mit einer anderen Person (im Folgenden „Joint Venture“) und

·die Bereitstellung von Kapital für die Entwicklung einer sensiblen Technologie in Verbindung mit bestimmten immateriellen Vorteilen wie Unterstützung bei Verwaltungsfragen, Zugang zu Investitionen und Talentnetzen, Marktzugang und verbesserter Zugang zu zusätzlichen Finanzmitteln (im Folgenden „Risikokapital“).

Die Überwachung sollte sich auch auf andere (indirekte) Investitionen erstrecken, die von einem EU-Investor getätigt werden, z. B. Investitionen über einen als Zweckgesellschaft genutzten Rechtsträger im Drittstaat, über ein bestehendes Tochterunternehmen oder im Rahmen eines bestehenden Gemeinschaftsunternehmens. Dazu gehören die schrittweise Übertragung von Vermögenswerten im Laufe der Zeit, Investitionen in Drittstaaten, die sich aus früheren Investitionen ergeben, sowie Investitionen zur Umgehung bestehender sicherheitsbezogener Handels- und Investitionskontrollen. Die Überwachung sollte Portfolioinvestitionen ausschließen.

Darüber hinaus bittet die Kommission um Stellungnahmen zu risikobasierten Prioritäten, die im Rahmen der Überwachung festgelegt werden könnten, wie sie beispielsweise von den Ausfuhrkontrollbehörden der Mitgliedstaaten routinemäßig bei der Bewertung von Anträgen auf Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck genutzt werden. Dies könnte die Priorisierung der Überwachung auf der Grundlage des Profils des Endnutzers und des Landes seiner Niederlassung umfassen.

2.Darüber hinaus bestehen angesichts der Beiträge der Expertengruppe Bedenken, dass durch die Beschränkung einer Bewertung auf die unter Nummer 1 genannten Arten von Tätigkeiten möglicherweise potenziell risikobehaftete Tätigkeiten im Zusammenhang mit solchen Investitionen in Drittstaaten oder deren Vorbereitung nicht erfasst werden. Die Kommission bittet daher auch um Stellungnahmen zu der Frage, ob sie den Mitgliedstaaten empfehlen sollte, auch andere kritische Tätigkeiten zu überwachen („fakultative Überwachung“), wie z. B. die Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit oder Verfahren, mit denen hochspezialisierte Fachkräfte angeworben werden, um ihr Know-how und ihre Erfahrung in bestimmten sensiblen Bereichen zu nutzen oder um Zugang zu geistigem Eigentum zu erhalten (siehe Kasten unten).

Die Mitgliedstaaten könnten in Erwägung ziehen, die folgenden Tätigkeiten zu überwachen, die auch zu einem Risiko der Preisgabe sensibler Technologien oder von sensiblem Know-how führen können:

·Forschungszusammenarbeit, d. h. Zusammenarbeit zwischen einer in der EU niedergelassenen Einrichtung und einer in einem Drittstaat niedergelassenen Einrichtung im Zusammenhang mit der Übertragung materieller oder immaterieller Vermögenswerte in den vier in Abschnitt 3 aufgeführten kritischen Technologiebereichen, einschließlich geistiges Eigentum und Know-how. Dies könnte auch die Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen wie Forschungs- und Hochschuleinrichtungen oder zwischen diesen Einrichtungen und Einrichtungen des privaten oder öffentlichen Sektors umfassen. Diese fakultative Überwachung ist vor dem Hintergrund der bestehenden oder künftigen Bemühungen der Mitgliedstaaten zu sehen, ein Konzept zur Erhöhung der Forschungssicherheit zu entwickeln, auch im Einklang mit dem von der Kommission am 24. Januar 2024 angenommenen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Erhöhung der Forschungssicherheit 9 .

·Mobilität und Transfer von hochspezialisierten Fachkräften, einschließlich Fachkräften in den vier kritischen Technologiebereichen, oder von Führungskräften aus der Wirtschaft mit erheblicher Erfahrung in den vier kritischen Technologiebereichen.

3.In Bezug auf die Technologiebereiche, in denen Investitionen überwacht werden sollten, wird um Stellungnahme gebeten, ob sich die Überwachung zunächst auf die sensibelsten Technologien und das sensibelste Know-how konzentrieren sollte. Hierbei könnten beispielsweise vier Technologiebereiche abgedeckt werden: fortschrittliche Halbleitertechnologien, Technologien der künstlichen Intelligenz, Quantentechnologien und Biotechnologien. Dabei handelt es sich nach Ansicht der Kommission in der Empfehlung der Kommission vom 3. Oktober 2023 zu Technologiebereichen, die für die wirtschaftliche Sicherheit der EU von entscheidender Bedeutung sind, zwecks weiterer Risikobewertung mit den Mitgliedstaaten 10 um Technologiebereiche, die „die sensibelsten und unmittelbarsten Risiken in Bezug auf Technologiesicherheit und Technologieabfluss aufweisen dürften“. Im Rahmen dieser Empfehlung führen die Kommission und die Mitgliedstaaten derzeit eine Risikobewertung zu diesen Technologiebereichen durch. Sie ist breiter gefasst und deckt eine Reihe von Risiken im Zusammenhang mit diesen Technologien ab. Die Risikobewertung enthält einen ersten Überblick über das Potenzial des Technologieabflusses im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten. Das Ergebnis könnte als Beitrag für die eingehendere Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten dienen, die von den Mitgliedstaaten und der Kommission auf der Grundlage der vorgeschlagenen Überwachung durchzuführen ist. Die Ergebnisse dieser laufenden Bewertung kritischer Technologien sowie die Reaktionen auf dieses Weißbuch könnten beispielsweise den Umfang der Technologien bestätigen, deren Überwachung die Kommission den Mitgliedstaaten empfehlen könnte, oder zu Änderungen dieses Umfangs führen.

4.Was die geografische Abdeckung betrifft, so geht aus der Arbeit der Expertengruppe hervor, dass sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten der Ansicht sind, dass die Überwachung bestimmte Bestimmungsländer nicht von vornherein ausschließen sollte. Angesichts der hohen Zahl von Ländern und der bestehenden Ressourcenknappheit ist die Kommission jedoch der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten ihre Überwachungstätigkeiten am besten auf der Grundlage ihrer Bewertung der Risikoprofile bestimmter Länder priorisieren sollten. Die Risikobewertung sollte das Verhalten des betreffenden Landes in der Vergangenheit, einschließlich Verstößen gegen die Charta der Vereinten Nationen, berücksichtigen. Anhand dieser Risikoprofile sollte auch geprüft werden, ob Technologien oder Güter in Kriegs- oder Konfliktsituationen, zur Verletzung der Menschenrechte oder zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden könnten, wobei im Rahmen dieser Bewertung die Pflichten und Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten oder die EU als Mitglieder internationaler Nichtverbreitungsübereinkünfte und multilateraler Ausfuhrkontrollregelungen eingegangen sind, in vollem Umfang einzuhalten sind.

Erfasster Zeitraum und zu erhebende Informationen

5.In Bezug auf den erfassten Zeitraum ist die Kommission der Ansicht, dass die Überwachung sowohl neue als auch laufende Transaktionen sowie bestimmte in der Vergangenheit liegende Transaktionen umfassen sollte, um innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung und Bewertung des Umfangs der Geschäftstätigkeit in Drittstaaten und der damit verbundenen Risiken zu schaffen. Dabei sollten die Mitgliedstaaten Transaktionen in den ausgewählten Technologiebereichen bewerten, die seit dem 1. Januar 2019 durchgeführt wurden. Zudem wird um Stellungnahme zu diesem vorgeschlagenen Zeitraum gebeten.

6.In Bezug auf die zu erhebenden Informationen sollte die vorgeschlagene Überwachung den Mitgliedstaaten und der Kommission die benötigten Daten und Informationen liefern, um die Risiken im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten in den ausgewählten Technologiebereichen bewerten zu können. Diese Daten und Informationen sollten über die Expertengruppe an andere Mitgliedstaaten und die Kommission übermittelt werden. Die Kommission bittet um Stellungnahmen zu den im nachstehenden Kasten aufgeführten Informationen.

Die Überwachung sollte es den Mitgliedstaaten ermöglichen, alle für die Risikobewertung erforderlichen Informationen zu erheben, darunter mindestens:

·Angaben zu den Parteien der Investitionsgeschäfts, einschließlich des vollständigen Ortes der Gründung von juristischen Personen und (auf der Grundlage der besten Informationen, die dem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen) des/der letztendlichen Eigentümer(s) aller an dem Geschäft beteiligten Parteien,

·Art und ungefährer Wert der Investition,

·die von der Investition betroffenen Waren, Dienstleistungen und Geschäftstätigkeiten im Zusammenhang mit kritischen Technologien,

·das Datum, an dem die Investition planmäßig abgeschlossen werden soll oder abgeschlossen wurde,

·Informationen über frühere und geplante oder beabsichtigte künftige Transaktionen, die von den am Investitionsgeschäft beteiligten Parteien getätigt wurden und auf den besten Informationen beruhen, die dem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen.

In Bezug auf andere damit zusammenhängende Tätigkeiten, die der fakultativen Überwachung unterliegen könnten, könnten diese Informationen mindestens Folgendes umfassen:

·Angaben zu den an der Tätigkeit beteiligten Personen, einschließlich des vollständigen Namens, der Anschrift und der Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen oder der eingetragenen Anschrift und des Ortes der Gründung bei juristischen Personen,

·auf der Grundlage der besten Informationen, die dem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen, eine genaue Beschreibung der Tätigkeit,

·die von der Tätigkeit betroffenen kritischen Technologien,

·das Datum, an dem die Tätigkeit aufgenommen wurde, voraussichtlich aufgenommen wird oder beendet wurde,

·auf der Grundlage der besten Informationen, die dem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen, Informationen über frühere und geplante oder beabsichtigte künftige Transaktionen, die von denselben an der derzeitigen Tätigkeit beteiligten Personen getätigt wurden.

Alle erhobenen Daten sollten angemessen geschützt und erforderlichenfalls als Verschlusssache eingestuft werden, bevor sie an andere Mitgliedstaaten und die Kommission weitergegeben werden.

Weitere Aspekte der Überwachung: Wer ist auf nationaler Ebene zuständig, welche Instrumente sollten eingesetzt werden und wie stellen die Mitgliedstaaten die Einbeziehung der Interessenträger sicher?

7.Um Fortschritte in Bezug auf die Überwachungstätigkeit sicherzustellen, sollten die Mitgliedstaaten nach Ansicht der Kommission eine für die Überwachung zuständige Behörde benennen und dafür sorgen, dass die zuständigen nationalen Behörden nach Möglichkeit bestehende Instrumente anwenden, einschließlich Ausfuhrkontrollen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck, um Risiken zu begegnen, die sie im Rahmen der zu empfehlenden Überwachung festgestellt haben.

8.Überwachungsinstrumente und Austausch mit Interessenträgern: Damit der Überwachungsprozess wirksam ist, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sie über angemessene Überwachungsinstrumente und Informationsquellen verfügen. Falls dies nicht der Fall ist, sollten sie in Erwägung ziehen, bestehende Instrumente anzupassen oder neue Instrumente für die Zwecke der zuvor genannten vorgeschlagenen Überwachungstätigkeiten einzuführen.

Bestehende Überwachungsinstrumente und andere Instrumente, die zu diesem Zweck genutzt oder angepasst werden könnten, umfassen Berichtspflichten gegenüber Zentralbanken oder nationalen statistischen Ämtern und ähnlichen Einrichtungen für statistische Zwecke und Zahlungsbilanzzwecke, Meldepflichten an die nationalen Ausfuhrkontrollbehörden für die Ausfuhr, Vermittlung, technische Hilfe, Durchfuhr und Verbringung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck sowie alle Investitionsgeschäfte. Die Mitgliedstaaten sollten auch staatliche Investitionsgarantieregelungen oder offizielle Ausfuhrkreditregelungen als einschlägige Datenquelle in Betracht ziehen. Alle erhobenen Daten sollten angemessen geschützt und erforderlichenfalls als Verschlusssache eingestuft werden, bevor sie an andere Mitgliedstaaten und die Kommission weitergegeben werden.

Es wird um Stellungnahme zu den Instrumenten gebeten, die für eine wirksame Überwachung erforderlich sein könnten, ihre Durchführbarkeit und in Bezug auf die Ausgewogenheit zwischen dem möglichen Aufwand für eine solche Erhebung von Informationen und der Notwendigkeit, eine ausreichende Grundlage für die Überwachung und Bewertung der Tätigkeiten in Drittstaaten und der Risiken in den ausgewählten Sektoren zu gewährleisten. Darüber hinaus hält es die Kommission für wichtig, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit die einschlägigen Interessenträger, einschließlich der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft, konsultieren.

3.2.Risikobewertungen durch die Mitgliedstaaten

Die Kommission ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Ergebnisse der vorgeschlagenen Überwachung die folgende erste Risikobewertung vornehmen sollten, um das Vorliegen von Sicherheitsrisiken festzustellen. Die Bewertung sollte sich auf die Informationen stützen, die im Rahmen der Überwachung von Investitionen in Drittstaaten und eventuell zusätzlichen zur Überwachung ausgewählten Tätigkeiten erhoben wurden, wie oben beschrieben.

Die Kommission vertritt die Ansicht, dass sich die Mitgliedstaaten bei ihrer Risikobewertung zur Strukturierung an den folgenden Elementen orientieren könnten:

·Die Bewertung sollte so umfassend wie möglich sein. Bei den Arbeiten sollte den Transaktionen oder Tätigkeiten Vorrang eingeräumt werden, die ein Risiko für die Sicherheit der EU insgesamt darstellen. Es sollte auch versucht werden, die Wahrscheinlichkeit zu bewerten, dass negative Auswirkungen eintreten.

·Bei der Bewertung sollten Risikoelemente und potenzielle Schwachstellen ermittelt werden, ebenso wie die wichtigsten Arten von Bedrohungen und Bedrohungsakteuren und alle einschlägigen geopolitischen Faktoren.

·Bei der Bewertung sollten unter anderem der Kontext der Transaktion, die Wertschöpfungskette und die Lieferkette der betreffenden Technologie, die Entwicklung der Risiken sowie einschlägige technologische Entwicklungen und die globale Vernetzung des Ökosystems der betreffenden kritischen Technologie, einschließlich Forschungstätigkeiten, berücksichtigt werden.

·Die Mitgliedstaaten könnten erwägen, ähnliche Methoden anzuwenden wie bei der Prüfung von Anträgen auf Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck und bei der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionstransaktionen.

Anhand dieser Risikobewertung sollte jeder Mitgliedstaat Schwachstellen, die sich möglicherweise auf die Sicherheit der EU insgesamt oder auf die Sicherheit von Mitgliedstaaten auswirken könnten, ermitteln und analysieren können sowie die Wahrscheinlichkeit, dass sich daraus negative Auswirkungen ergeben. Die genannten Elemente für die Risikobewertung werden in der künftigen Empfehlung der Kommission unter Berücksichtigung der laufenden Arbeiten der Expertengruppe mit den Mitgliedstaaten, der Ergebnisse der öffentlichen Konsultation und der Reaktionen auf dieses Weißbuch im Hinblick auf die Entwicklung einer gemeinsamen Methodik weiterentwickelt. Dadurch wird eine kohärente und EU-weite Risikobewertung aller Mitgliedstaaten sichergestellt. Soweit möglich, sollten die Mitgliedstaaten und die Kommission Synergien zwischen verschiedenen Bewertungen von Sicherheitsrisiken im Rahmen der Gemeinsamen Mitteilung anstreben.

3.3.Berichterstattung an die Kommission und andere Mitgliedstaaten

Es wird Zeit benötigt, damit die Mitgliedstaaten die Überwachung für neue und laufende Transaktionen einrichten und auf der Grundlage der verfügbaren Informationen bewerten können, was seit dem Jahr 2019 geschehen ist. Die Kommission schlägt daher vor, dass die Mitgliedstaaten diese Überwachung innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten nach Annahme einer Empfehlung der Kommission durchführen. Dieser Zeitraum in Verbindung mit der ersten Konsultationsphase bis zum Sommer 2024 sollte es ihnen ermöglichen, ein solches Überwachungssystem einzurichten und ihre erste Bewertung durchzuführen. Während dieser Zeit würden die Mitgliedstaaten und die Kommission weiterhin Informationen und Meinungen im Rahmen der Expertengruppe austauschen, um die Anwendung einer gemeinsamen Methode für die Überwachung und Risikobewertung im machbaren Umfang sicherzustellen.

Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten über die Ergebnisse der Überwachung, ihrer Analyse und ihrer Risikobewertung Bericht erstatten. Wenn Risiken im Zusammenhang mit einer Kombination bestimmter Faktoren oder Muster ermittelt werden, die Arten von Investitionen in Drittstaaten kennzeichnen, die die Sicherheit der EU oder der Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnten, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission die Kombinationen von Risikofaktoren zur Verfügung stellen und diese Muster beschreiben.

3.4.Gemeinsame Bewertung und Debatte 

Die Kommission schlägt vor, dass die Ergebnisse der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Überwachung und Risikobewertung der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten unter Einhaltung eines geeigneten Geheimhaltungsgrads mitgeteilt werden. Auf der Grundlage der gemeinsamen Beiträge würde die Expertengruppe die Ergebnisse der Überwachung und Risikobewertung erörtern, um die Gesamtergebnisse zu konsolidieren und die Kommission bei der Ausarbeitung einer abschließenden umfassenden Risikobewertung zu unterstützen und ein gemeinsames Verständnis der Risiken zu gewährleisten. Gegebenenfalls können zu diesem Zeitpunkt auch andere Interessenträger konsultiert werden.

Dies ist ein nützlicher Bezugspunkt für jede Debatte über weitere politische Entscheidungen und die mögliche Notwendigkeit von Abhilfemaßnahmen oder anderen politischen Lösungen.

3.5.Überprüfung von Anträgen auf Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten, Konsultation der Mitgliedstaaten untereinander und Unterrichtung der Kommission

Parallel zu der vorgeschlagenen Überwachung und Überprüfung und angesichts der in Abschnitt 1 erläuterten engen Verbindungen zwischen Ausfuhrkontrollen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck und Investitionen in Drittstaaten ist die Kommission der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen auf Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck besonders aufmerksam sein sollten, wenn solche Anträge mit Investitionen in Drittstaaten in Verbindung stehen und im Hinblick auf damit verbundene Risiken. Dies könnte nützliche Erkenntnisse für die Überwachungsarbeit liefern.

Da der Nutzung der bestehenden Instrumente Vorrang eingeräumt werden sollte, ist die Kommission der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten in solchen Fällen besonderes Augenmerk auf die Anwendung bestehender Instrumente richten sollten, um gegebenenfalls möglichen Bedenken Rechnung zu tragen, einschließlich „Catch-all“-Ausfuhrkontrollen 11 , um das Risiko zu mindern, dass eine solche Technologie zur destabilisierenden militärischen Anwendung, zur Verbreitung chemischer, biologischer oder nuklearer Waffen oder zu Menschenrechtsverletzungen beiträgt, wodurch eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in der Welt und in der Region entstehen könnte.

Die Kommission fordert die Ausfuhrkontrollbehörden der Mitgliedstaaten auf, bei der Prüfung von Anträgen auf Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten in die vier kritischen Technologiebereiche, bei denen Auswirkungen auf die Sicherheit anderer Mitgliedstaaten wahrscheinlich sind, soweit rechtlich möglich, Konsultationen mit anderen Mitgliedstaaten in Erwägung zu ziehen und die Kommission zu informieren. Diese Konsultationen könnten informell und nach dem Vorbild des Kooperationsmechanismus erfolgen, der gemäß der Verordnung (EU) 2019/452 für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen eingerichtet wurde.

Die Kommission schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten innerhalb derselben Frist wie bei der Überwachung über die Durchführung der Ausfuhrkontrollen in diesem Zusammenhang Bericht erstatten, einschließlich der Anzahl und des Inhalts der gestellten Anträge auf Genehmigung von Ausfuhren, die speziell im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten stattfinden. Während dieses Zeitraums tauschen die Mitgliedstaaten und die Kommission im Rahmen der Expertengruppe weiterhin Informationen und Meinungen zu diesen Fragen aus.

4.Schlussfolgerung

In diesem Weißbuch wird die erste politische Initiative dargelegt, die die Kommission im Bereich der Investitionen in Drittstaaten ergreift. In Anerkennung der komplexen und sensiblen Thematik schlägt die Kommission einen schrittweisen Ansatz vor, wobei eine enge Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten über die Expertengruppe für Investitionen in Drittstaaten erfolgt.

Um die Reaktionen auf die in diesem Weißbuch dargelegten Ideen zu strukturieren, leitet die Kommission eine öffentliche Konsultation auf der Grundlage eines ausführlichen Fragebogens ein, den die Interessenträger, auch aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft, ausfüllen sollen.

Angemessene Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten können nur auf der Grundlage umfassender Bewertungen ausgearbeitet werden. Bei der Gestaltung solcher Maßnahmen sollte die umfassende Nutzung bestehender Instrumente Vorrang vor der Einrichtung neuer Instrumente haben. Alle Maßnahmen sollten verhältnismäßig, zielgerichtet und durchsetzbar sein, um den Risiken zu begegnen, die für jede Art von Investitionen oder Tätigkeiten in Drittstaaten und kritischen Technologiebereichen ermittelt wurden.

Die Arbeit in der Expertengruppe für Investitionen in Drittstaaten wird im Jahr 2024 zusammen mit der Konsultation der Interessenträger fortgesetzt. Die Kommission wird auch die Standpunkte des Europäischen Parlaments und gleich gesinnter Partnerländer einholen.

Die nächsten Schritte erfolgen im folgenden zeitlichen Rahmen:

·Januar 2024: Annahme des Weißbuchs über Investitionen in Drittstaaten,

·Januar–April 2024: öffentliche Konsultation zur vorgeschlagenen Überwachung und Überprüfung bestimmter bestehender Investitionen in Drittstaaten und damit zusammenhängender Tätigkeiten,

·Sommer 2024: Bewertung der Ergebnisse der Konsultation und Annahme einer Empfehlung der Kommission an die Mitgliedstaaten zur Einleitung der vorgeschlagenen Überwachung und Überprüfung,

·Sommer 2025: Abschluss der vorgeschlagenen Überwachung und Überprüfung durch die Mitgliedstaaten und Risikobewertungen für Investitionstransaktionen in Drittstaaten,

·Herbst 2025: Bewertung der Notwendigkeit und des möglichen Inhalts politischer Maßnahmen in diesem Bereich durch die Kommission.

*

*            *

(1)      Gemeinsame Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat über eine „Europäische Strategie für wirtschaftliche Sicherheit“, Brüssel, 20.6.2023, JOIN(2023) 20 final.
(2)      Gemäß bestimmten Bedingungen, die im „ Foreign Exchange and Foreign Trade Act (Act No. 228 of 1949) “ (Gesetz über Devisen- und Außenhandel (Gesetz Nr. 228 von 1949)) festgelegt sind. Die japanischen Kontrollen von Investitionen in Drittstaaten gelten für Investitionen in sehr wenige Sektoren: Fischerei, Leder und Ledererzeugnisse, Herstellung von Waffen und Waffenausrüstung sowie Betäubungsmittel.
(3)      Die bestehenden Rechtsvorschriften Chinas umfassen die „ Administrativen Maßnahmen für Auslandsinvestitionen durch Unternehmen von der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (2017, Nr. 11) ”, die “ Leitlinien des Staatsrats für Auslandsinvestitionen (2017, Nr. 74) “, in denen geförderte, beschränkte und verbotene Auslandsinvestitionen genannt werden, und den „ Katalog der sensiblen Branchen für Auslandsinvestitionen von der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (2018, Nr. 251) “, in dem die sensiblen Industriesektoren für Auslandsinvestitionen aufgeführt sind. Diese umfassen Waffen und Waffenzubehör, Wasserressourcen, Nachrichtenmedien, Immobilien, Hotelgewerbe, Kinos, Unterhaltungsbranche, Sportvereine und bestimmte Kapitalbeteiligungsfonds. Wir gehen davon aus, dass die verschiedenen chinesischen Genehmigungs- und Registrierungsanforderungen im Zusammenhang mit Investitionen in Drittstaaten nicht nur den Interessen der nationalen Sicherheit und der Außenhandelskontrolle dienen, sondern auch dem umfassenderen „nationalen Interesse“. China beschränkt durch das staatliche chinesische Devisenamt auch Devisenausfuhren. So scheinen die chinesischen Kontrollen von Investitionen in Drittstaaten ein breites Spektrum von Wirtschaftssektoren und eine eingehendere Prüfung zu umfassen, die potenziell über eine reine Sicherheitsbewertung hinausgeht.
(4)     Executive Order 14105 of August 9, 2023 , Advance notice of proposed rulemaking of 14 August 2023 (Anordnung des Präsidenten 14105 vom 9. August 2023, Vorabmitteilung vorgeschlagener Regelungen vom 14. August 2023).
(5)      Einschließlich der gesonderten, jedoch bis zu einem gewissen Grad damit zusammenhängenden Risikobewertung für die vier vorrangigen kritischen Technologiebereiche gemäß der Empfehlung C(2023) 6689 final der Kommission vom 3. Oktober 2023 zu Technologiebereichen, die für die wirtschaftliche Sicherheit der EU von entscheidender Bedeutung sind, zwecks weiterer Risikobewertung mit den Mitgliedstaaten.
(6)      Quelle: Pitchbook-Daten, extrahiert im Juli 2023. Anmerkungen: 1) Die Daten beziehen sich nur auf Fusions- und Übernahmegeschäfte sowie Risikokapitalinvestitionen, da Greenfield-Investitionen nicht in den abgefragten Wirtschaftsdatenbanken enthalten sind. 2) Der Geldbetrag für Fusions- und Übernahmegeschäfte ist unvollständig, da nur für die Hälfte der Geschäfte Werte verfügbar waren. 3) Risikokapitalgeschäfte werden als solche gezählt, wenn mindestens ein EU-Investor beteiligt war, der jedoch Teil einer Gruppe von Nicht-EU-Investoren sein konnte, und wenn der investierte Gesamtbetrag dem gemeldeten Gesamtbetrag entspricht, ohne dass der Betrag bzw. die Beträge der betreffenden EU-Investitionen näher bestimmt werden.
(7)       Register der Expertengruppen der Kommission und anderer ähnlicher Einrichtungen (europa.eu) .
(8)      Einige Rechtsvorschriften ermöglichen es den Mitgliedstaaten, in Drittstaaten getätigte Investitionstransaktionen (teilweise) zu überwachen, wie von Zentralbanken erhobene Zahlungsbilanzstatistiken, nationale Register zur Überwachung von Investitionen in Drittstaaten für statistische Zwecke und ähnliche Rechtsvorschriften, z. B. die mit dem Königlichen Dekret 1265/1986 vom 27. Juni 1986, Kapitel VI, aktualisiert durch das Königliche Dekret 664/1999 vom 23. April 1999, und dem Königlichen Dekret 571/2023 vom 4. Juli 2023 in Spanien eingeführte nationale Regelung. Weitere Informationen können über staatliche Investitionsgarantiesysteme eingeholt werden, z. B. über die Investitionsgarantien Deutschlands und Österreichs. In Deutschland werden diese im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz von PwC verwaltet. In Österreich werden sie im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen von einer Bank (der OeKB) verwaltet. Mithilfe von nationalen Verfahren können Mitgliedstaaten konkrete Fälle von Investitionen in Drittstaaten aufgrund von Sicherheitsinteressen überprüfen (z. B. die italienische Golden-Power-Regelung gemäß dem Gesetzesdekret Nr. 21/2012, das einige Bestimmungen enthält, die die Überprüfung bestimmter Arten von Investitionen in Drittstaaten ermöglichen).
(9)      Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Erhöhung der Forschungssicherheit, COM(2024) 26 vom 24.1.2024.
(10)      C(2023) 6689 final.
(11)      Als „Catch-all-Kontrollen“ gelten im Allgemeinen Kontrollen, die von den Mitgliedstaaten auf Güter angewandt werden, die nicht in der sogenannten „EU-Kontrollliste“ in Anhang I der Verordnung (EU) 2021/821 (im Folgenden „Dual-Use-Verordnung“) aufgeführt sind, sodass die Kontrollen für Güter gelten, für die noch keine Kontrollen im Rahmen der multilateralen Kontrollregelungen vereinbart wurden. Insbesondere müssen Ausführer nach Artikel 4 der Dual-Use-Verordnung eine Ausfuhrgenehmigung beantragen, wenn sie von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats davon unterrichtet werden, dass ein von ihnen ausgeführtes Gut, für eine der in Artikel 4 genannten sensiblen Endverwendungen, bestimmt sein kann. Diese Unterrichtung erfolgt in der Regel in Form einer nichtöffentlichen Einzelmitteilung an den betreffenden Ausführer.
Top