Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52024AE0543

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/38/EG betreffend die Einsetzung und Arbeitsweise Europäischer Betriebsräte und die wirksame Durchsetzung der Rechte auf länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung [COM(2024) 14 final – 2024/0006 (COD)]

    EESC 2024/00543

    ABl. C, C/2024/4664, 9.8.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/4664/oj (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/4664/oj

    European flag

    Amtsblatt
    der Europäischen Union

    DE

    Reihe C


    C/2024/4664

    9.8.2024

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/38/EG betreffend die Einsetzung und Arbeitsweise Europäischer Betriebsräte und die wirksame Durchsetzung der Rechte auf länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung

    [COM(2024) 14 final – 2024/0006 (COD)]

    (C/2024/4664)

    Berichterstatterin:

    Sophia REISECKER

    Berater

    Aline CONCHON (für Gruppe II)

    Wolfgang GREIF (für die Berichterstatterin der Gruppe II)

    Befassung

    Europäisches Parlament, 26.2.2024

    Rat der Europäischen Union, 29.2.2024

    Rechtsgrundlage

    Artikel 153 Absätze 1 und 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständiges Arbeitsorgan

    Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

    Annahme im Arbeitsorgan

    23.5.2024

    Verabschiedung im Plenum

    30.5.2024

    Plenartagung Nr.

    588

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    130/100/11

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, gestützt auf bereits verabschiedete Stellungnahmen, dass die Europäische Kommission legislative Schritte unternommen hat, um die Richtlinie 2009/38/EG (1) hinsichtlich der Mindestanforderungen für die Einrichtung und die effektive Arbeit Europäischer Betriebsräte (EBR) zu überarbeiten.

    1.2.

    Der EWSA nimmt im Einklang mit früheren Stellungnahmen zur Kenntnis, dass mit dem Vorschlag dafür gesorgt werden soll, dass die Rechte des Europäischen Betriebsrats besser greifen und durch Präzisierung der zentralen Konzepte der EBR-Richtlinie Rechtssicherheit besteht. Letzteres betrifft insbesondere die Bestimmung des Begriffs länderübergreifender Charakter, die angemessene Mittelausstattung Europäischer Betriebsräte, den Zugang zur Justiz und die stärkere Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung wirksamer und hinreichend abschreckender Sanktionen im Fall von Verletzungen der Rechte des Europäischen Betriebsrats.

    1.3.

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission den Standard für ein effizienteres und zielgerichteteres Verfahren der Unterrichtung und Anhörung zu überprüfen beabsichtigt und zu diesem Zweck Ergänzungen zu den subsidiären Vorschriften vorschlägt, damit häufiger regelmäßige Sitzungen des Europäischen Betriebsrats stattfinden und die Unternehmensleitung mit einer begründeten Antwort auf Stellungnahmen des Europäischen Betriebsrats reagieren muss. Er nimmt auch zur Kenntnis, dass die Rolle von Gewerkschaftsvertretern als beratende Sachverständige des Europäischen Betriebsrats gestärkt werden soll.

    1.4.

    Der EWSA begrüßt vor allem die wichtigen Änderungen, die Europäischen Betriebsräten und deren Mitgliedern ermöglichen sollen, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Das betrifft insbesondere die Bereitstellung von Mitteln durch die Unternehmensleitung, wobei die Einzelheiten dafür im Zusammenhang mit Schulungen, Sachverständigen und rechtlicher Vertretung sowie präzise Regelungen bezüglich der Vertraulichkeit von Informationen in der jeweiligen EBR-Vereinbarung gemeinsam festzulegen sind.

    1.5.

    Obgleich der EWSA den Vorschlag der Kommission weitgehend unterstützt und betont, dass die vorgeschlagene Überarbeitung der Richtlinie die Rolle Europäischer Betriebsräte als Garanten einer Kultur des vertrauensbasierten sozialen Dialogs in Unternehmen verstärken sollte, was auch der Wettbewerbsfähigkeit und hochwertiger Beschäftigung dient, empfiehlt er Folgendes:

    1.5.1.

    Um in Bezug auf den Umfang der länderübergreifenden Befugnisse des Europäischen Betriebsrats für größtmögliche Rechtssicherheit zu sorgen, sollten die Erwägungsgründe 12 und 16 der geltenden EBR-Richtlinie in den verfügenden Teil übernommen werden.

    1.5.2.

    Um mit der veränderten Unternehmenskultur Schritt zu halten, sollte die Definition des Begriffs herrschendes Unternehmen dahingehend geändert werden, dass sie sich auch auf Unternehmen erstreckt, die im Rahmen von Franchise- oder Lizenzvereinbarungen Waren verkaufen oder Dienstleistungen erbringen.

    1.5.3.

    Damit die Richtlinie wirklich ordnungsgemäß umgesetzt und durchgeführt wird, muss die Kommission wirksame Überwachungs- und Durchführungsinstrumente einsetzen. Die Kommission könnte auch die Einrichtung einer Expertengruppe zur Unterstützung der Durchführung in Erwägung ziehen.

    1.5.4.

    Um den durch Klimawandel, demografischen Wandel und Fachkräftemangel bedingten Wandlungsprozessen Rechnung zu tragen, sollten die von Europäischen Betriebsräten behandelten Themen ausgeweitet werden. Sachverhalte wie Investitionen, Aus- und Weiterbildung, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Datenschutz und die Klimawende sollten in die subsidiären Vorschriften der Richtlinie aufgenommen werden, um darauf hinzuwirken, dass sie zu dem in den EBR-Vereinbarungen festzulegenden Themenkreis gehören. Darüber hinaus sollte Europäischen Betriebsräten das Recht eingeräumt werden, eigene Themen vorzuschlagen.

    1.5.5.

    In Bezug auf von der Geschäftsführung bereitgestellte vertrauliche Informationen fordert der EWSA zusätzliche Klarstellungen, damit sichergestellt ist, dass Unternehmen ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen und Mitglieder des Europäischen Betriebsrats Informationen mit nationalen oder lokalen Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern austauschen können.

    1.5.6.

    Zum Schutz bestehender, gut funktionierender Europäischer Betriebsräte muss aus Sicht des EWSA deutlich darauf hingewiesen werden, dass EBR-Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie unverändert beibehalten werden können, soweit das zwischen dem Europäischen Betriebsrat und der zentralen Leitung vereinbart wird und somit keine Verpflichtung zur Neuaushandlung „regulärer“ EBR-Vereinbarungen besteht.

    1.5.7.

    Damit bei Neuverhandlung von EBR-Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie die Standards gewahrt bleiben, sollte ein Regressionsverbot gelten und der Status quo beibehalten werden, bis eine neue Vereinbarung geschlossen wurde.

    1.5.8.

    Die angemessenen finanziellen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Rechte von Europäischen Betriebsräten, zu deren Festlegung die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sollten verhältnismäßig sein und auf maßgeblichen Kriterien beruhen (z. B. dem weltweit erzielten Jahresumsatz eines Unternehmens, wie im Fall der Geldbußen gemäß der Datenschutz-Grundverordnung), damit sie wirksam und hinreichend abschreckend sind.

    1.5.9.

    Davon abgesehen sollte auch das Recht auf eine gerichtliche Verfügung derart ausgeweitet werden, dass eine vorübergehende Aussetzung der Entscheidung eines Unternehmens erwirkt werden kann, bis das Verfahren der Unterrichtung und Anhörung des Europäischen Betriebsrats ordnungsgemäß abgeschlossen ist.

    1.6.

    Der EWSA fordert die gesetzgebenden Organe auf, die Überarbeitung der EBR-Richtlinie gemäß dem Vorschlag der Kommission voranzutreiben und den Empfehlungen der vorliegenden Stellungnahme dabei Rechnung zu tragen.

    2.   Einleitung

    2.1.

    Der EWSA begrüßt, gestützt auf bereits verabschiedete Stellungnahmen, dass die Europäische Kommission legislative Schritte unternommen hat, um die Richtlinie 2009/38/EG hinsichtlich der Mindeststandards für die Einrichtung und die effektive Arbeit Europäischer Betriebsräte (EBR) zu überarbeiten. (2)

    2.2.

    Der Vorschlag, mit dem die Kommission auf die entsprechenden Entschließungen des Europäischen Parlaments (3) reagiert, kann als Ergebnis eines breit angelegten Prozesses politischer Diskussionen gewertet werden, in dessen Rahmen auch eine zweistufige Anhörung der Sozialpartner stattfand, bei der sich die Partner gegensätzlich zum Überarbeitungsbedarf dieser Richtlinie äußerten. Die Kommission sah sich dadurch veranlasst, sich für eine Gesetzgebungsinitiative der EU (4) zu entscheiden.

    2.3.

    Der Vorschlag der Kommission beruht auf einer umfassenden Bewertung sowie vertiefenden Studien der aktuellen Rechtslage und der Verfahren bestehender Europäischer Betriebsräte. (5) Er enthält wesentliche rechtliche Klarstellungen und Änderungen und zielt darauf ab, die allgemein anerkannten positiven Effekte der länderübergreifenden Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern in Unternehmen weiter zu verstärken und für die stabile Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu sorgen, damit diese in der Lage sind, sich ohne Gewinneinbußen am Markt zu behaupten und sowohl zur unternehmensinternen als auch zur gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfung beizutragen, und er soll, indem das gegenseitige Vertrauen zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmern gestärkt wird, auch zu besseren Entscheidungen beitragen.

    2.4.

    Der EWSA hat seinen Standpunkt in mehreren mit großer Mehrheit angenommenen Stellungnahmen geäußert (6), wonach der EWSA

    sich bewusst ist, dass Europäische Betriebsräte insbesondere im Rahmen des grünen und des digitalen Wandels seit Jahrzehnten einen positiven Beitrag zu den langfristigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielen der Unternehmen leisten,

    betont, dass die Stellung der Europäischen Betriebsräte gestärkt werden muss, damit sie sich bei der Transformation großer Unternehmen und bei länderübergreifenden Umstrukturierungsprozessen besser auf die Veränderungen einstellen können, und

    gleichzeitig fordert, dass die Rechte des Europäischen Betriebsrats wesentlich besser greifen müssen, dass Nachbesserungen bei Sanktionen im Fall von Verletzungen der Rechte des Europäischen Betriebsrats vorzunehmen sind und dass bezüglich der Möglichkeiten für den Zugang zur Justiz Verbesserungen erzielt werden müssen.

    2.5.

    Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA, dass die Kommission rechtsverbindliche Schritte zur Beseitigung der festgestellten und nachgewiesenen Mängel der geltenden EBR-Richtlinie gesetzt hat, um

    zu verhindern, dass es im Rahmen der Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer auf länderübergreifender Ebene zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung kommt,

    für Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, indem in Bezug auf die zentralen Konzepte der EBR-Richtlinie für Rechtssicherheit gesorgt und das Flickwerk beseitigt wird, das durch zu stark voneinander abweichende einzelstaatliche Umsetzungsvorschriften besteht, und eine Lösung für das Nebeneinander verschiedener Arten von EBR-Vereinbarungen gefunden wird,

    ein wirksameres und zweckmäßigeres Verfahren für die Unterrichtung und Anhörung der Europäischen Betriebsräte innerhalb eines angemessenen Zeitraums vor der Entscheidung eines Unternehmens über länderübergreifende Angelegenheiten sicherzustellen, das die Zuständigkeiten der Unternehmensleitung unberührt lässt,

    auf ein effizienteres und wirksameres Verfahren zur Einrichtung von Europäischen Betriebsräten unter Bedachtnahme einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern hinzuwirken und

    die Mittelausstattung der Europäischen Betriebsräte zu verbessern und die wirksame Durchsetzung der Richtlinie zu fördern, um die Einhaltung der Vorschriften zu verbessern.

    2.6.

    In dieser Stellungnahme geht der EWSA in erster Linie darauf ein, inwiefern die im Vorschlag der Kommission zur Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften genannten Ziele erreichbar sind, verweist auf noch offene Fragen und schlägt diesbezügliche Ergänzungen oder Änderungen vor.

    3.   Allgemeine Bemerkungen zum Vorschlag der Kommission

    3.1.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Europäischen Kommission, dass das Recht der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (7) verankert ist. Diese Rechte müssen umfassend und entsprechend umgesetzt sowie wirksam durchgesetzt werden, und ihre Wirksamkeit muss in Recht und Praxis verbessert werden. Der EWSA weist ausdrücklich darauf hin, dass die Europäischen Betriebsräte keine Verhandlungs- oder Mitbestimmungsgremien sind, sondern der länderübergreifenden Unterrichtung und Anhörung dienen.

    3.2.

    Der EWSA fordert die gesetzgebenden Organe auf, die Überarbeitung der EBR-Richtlinie rasch voranzutreiben, damit für in den Geltungsbereich der Richtlinie fallende multinationale Unternehmen wirksame Rechte der länderübergreifenden Unterrichtung und Anhörung durchgesetzt werden sowie bei diesen Unternehmen für hochwertige Entscheidungsprozesse gesorgt ist.

    3.3.

    Der EWSA ist davon überzeugt, dass die Weiterentwicklung des sozialen Besitzstands im Einklang mit der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte zur Belebung der demokratischen Infrastruktur Europas beitragen wird.

    3.4.

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission einen neuen Standard für ein effizienteres und zielgerichteteres Verfahren der Unterrichtung und Anhörung festzulegen beabsichtigt und zu diesem Zweck substanzielle Ergänzungen zu den subsidiären Vorschriften vorschlägt, unter anderem bezüglich der Häufigkeit regelmäßiger Sitzungen des Europäischen Betriebsrats und der Verpflichtung der Unternehmen zu angemessenen Folgemaßnahmen zu den Stellungnahmen des Europäischen Betriebsrats. Er nimmt auch die Anerkennung der Rolle der Gewerkschaftsvertreter als beratende Sachverständige des Europäischen Betriebsrats und die Klarstellung, dass Rechtskosten zu den von der Unternehmensleitung zu tragenden laufenden Kosten gehören, die in der betreffenden EBR-Vereinbarung gemeinsam festzulegen sind, zur Kenntnis.

    3.5.

    Darüber hinaus begrüßt der EWSA, dass die Kommission die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung wirksamer und hinreichend abschreckender Sanktionen zu präzisieren beabsichtigt, indem sie diese grundlegenden Anforderungen aus den Erwägungsgründen in den verfügenden Teil der Richtlinie überträgt. Dieser Schritt dürfte zur wirksamen Durchsetzung der Richtlinie beitragen.

    3.6.

    Der EWSA betont, dass es sich bei der Unterrichtung und Anhörung auf der europäischen Ebene einerseits und der nationalen oder örtlichen Ebene andererseits zwar um miteinander verbundene, aber doch jeweils gesonderte Verfahren handelt. Selbst wenn die Verfahren dieselbe Maßnahme betreffen, werden auf den verschiedenen Ebenen möglicherweise jeweils unterschiedliche Aspekte behandelt. Die Überarbeitung der Richtlinie darf aus Gründen der Wirksamkeit, der Kohärenz und der Rechtssicherheit auch weiterhin nichts daran ändern, dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer auf lokaler Ebene von der EBR-Richtlinie nicht berührt werden und die Art und Weise, in der einzelstaatliche und europäische Verfahren miteinander verknüpft werden, in den betreffenden EBR-Vereinbarungen zu regeln ist.

    3.6.1.

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission die Vermutung des länderübergreifenden Charakters im Hinblick auf Angelegenheiten, die unter das Recht des Europäischen Betriebsrats auf Unterrichtung und Anhörung fallen, zu präzisieren beabsichtigt, und fordert, dass die Erwägungsgründe 12 und 16 der geltenden EBR-Richtlinie, in denen der Umfang der länderübergreifenden Befugnisse des Europäischen Betriebsrats festgelegt ist, in den verfügenden Teil der Richtlinie übernommen werden.

    3.7.

    Der EWSA begrüßt die von der Kommission geplante Präzisierung der Richtlinie u. a. in Bezug auf die wirksame Unterrichtung und Anhörung, den Begriff des länderübergreifenden Charakters, die Rechte der Mitglieder und Sachverständigen des Europäischen Betriebsrats, die Mittelausstattung des Europäischen Betriebsrats, die Einrichtung besonderer Verhandlungsgremien und die Teilnahme an außerordentlichen Sitzungen.

    3.7.1.

    Der EWSA unterstützt uneingeschränkt das Ziel, die Einrichtung Europäischer Betriebsräte in länderübergreifend operierenden Unternehmen zu fördern, und weist darauf hin, dass alle praktisch Beteiligten besser unterstützt werden müssen. Wenn mehr Geschäftsmodelle in den Geltungsbereich der EBR-Richtlinie aufgenommen werden, wird das zu einem wesentlichen Anstieg der Anzahl Europäischer Betriebsräte im Binnenmarkt führen und dazu beitragen, dass solche Betriebsräte in allen Bereichen der Volkswirtschaft (Handel, Gastgewerbe usw.) entstehen.

    3.7.2.

    Um mit der veränderten Unternehmenskultur Schritt zu halten, empfiehlt der EWSA zudem, dass die Definition des Begriffs herrschendes Unternehmen in Artikel 3 der Richtlinie dahingehend geändert wird, dass sie sich auch auf Unternehmen erstreckt, die im Rahmen von Franchise- oder Lizenzvereinbarungen Waren verkaufen oder Dienstleistungen erbringen.

    3.8.

    In früheren EBR-Richtlinien ist im Rahmen eines eigenen Artikels (8) festgelegt, dass die ordnungsgemäße Anwendung der überarbeiteten Bestimmungen einige Jahre nach Inkrafttreten zu überprüfen ist und erforderlichenfalls zur Weiterentwicklung der Bestimmungen entsprechende Änderungen vorzuschlagen sind. Der EWSA stellt fest, dass ein solcher Artikel im Vorschlag der Kommission nicht länger vorgesehen ist.

    3.8.1.

    Der EWSA fordert, dass die Kommission wirksame Überwachungs- und Durchführungsinstrumente einsetzt, die eine ordnungsgemäße Umsetzung und Durchführung der Richtlinie ermöglichen. Die Kommission könnte diesbezüglich auch prüfen, ob eine eigene Expertengruppe, der Vertreter der europäischen Sozialpartner, der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission angehören, eingerichtet werden soll, die bei der Umsetzung der Richtlinie Unterstützung leistet.

    4.   Bemerkungen zu spezifischen Änderungen des Kommissionsvorschlags

    4.1.

    Von Europäischen Betriebsräten behandelter Themenumfang: Die bei der Arbeit der Europäischen Betriebsräte gewonnenen praktischen Erfahrungen sprechen dafür, dass die Bandbreite der Sachverhalte, in deren Fall eine Unterrichtung und Anhörung stattzufinden hat, nicht auf die bereits in den subsidiären Vorschriften genannten Angelegenheiten beschränkt werden sollte. Angesichts des Wandels, der sich derzeit bedingt durch die kombinierten Auswirkungen von Klimawandel, Digitalisierung, demografischem Wandel und Fachkräftemangel in unseren Gesellschaften vollzieht, muss der soziale Dialog in multinationalen Unternehmen intensiviert werden. Dieser soziale Dialog sollte auf strategisch wichtige Themen inklusive, aber keinesfalls ausschließlich Investitionen, Aus- und Weiterbildung, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Datenschutz und die Klimawende ausgerichtet sein.

    4.1.1.

    Der EWSA hätte erwartet, dass auch diese Themen in die subsidiären Vorschriften der geänderten EBR-Richtlinie aufgenommen werden und Europäischen Betriebsräten das Recht eingeräumt wird, eigene Themen vorzuschlagen. Auf jeden Fall möchte der EWSA die betreffenden Partner ermutigen, die Themen, die von jeweiligen EBR zu behandeln sind, in den einzelnen EBR-Vereinbarungen festzulegen, da den unternehmensspezifischen Gegebenheiten auf diese Weise Rechnung getragen werden kann.

    4.2.

    Vorschläge zur Sicherstellung einer wirksamen Unterrichtung und Anhörung: Der EWSA versteht, warum klargestellt werden soll, dass die Unterrichtung zeitnah und grundsätzlich in den Plenarsitzungen erfolgen sollte. Er begrüßt, dass eine neue Anforderung vorgeschlagen wird, wonach Europäische Betriebsräte Anspruch darauf haben, von der zentralen Leitung eine begründete schriftliche Antwort auf die von ihnen im Rahmen von Anhörungen abgegebenen Stellungnahmen zu erhalten, bevor das Unternehmen über die fragliche Maßnahme entscheidet. Diese Anforderung, die bei vielen Europäischen Betriebsräten bereits gilt, soll die Zuständigkeiten der Unternehmensleitung nicht berühren und muss in einem angemessenen Zeitraum erfüllt werden. Die betreffenden Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren könnten in den jeweiligen EBR-Vereinbarungen festgelegt werden.

    4.3.

    Zahl der EBR-Sitzungen: Der EWSA begrüßt, dass die Kommission eine Ausweitung des sozialen Dialogs mit den Europäischen Betriebsräten unterstützt und daher in den subsidiären Vorschriften vorschlägt, dass pro Jahr statt einer zwei Plenarsitzungen der Europäischen Betriebsräte und der zentralen Leitung stattfinden sollen. Auf diese Weise dürften mindestens zwei ordentliche Sitzungen in eingerichteten Europäischen Betriebsräten zum Standard werden.

    4.4.

    Angemessene Mittelausstattung Europäischer Betriebsräte: Der EWSA begrüßt die Änderungen, die es den Europäischen Betriebsräten und deren Mitgliedern ermöglichen sollen, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Das gilt insbesondere für die von der Unternehmensleitung bereitgestellten Mittel für Schulungen und Expertenwissen (auch der zuständigen anerkannten Gewerkschaftsorganisation auf Gemeinschaftsebene), rechtliche Vertretung und die Möglichkeit, Kontakt zu örtlichen Arbeitnehmervertretern oder, wenn es keine solchen Vertreter gibt, zur gesamten Belegschaft aufzunehmen. Die betreffenden Kosten sollten der Unternehmensleitung im Voraus mitgeteilt werden, damit eine entsprechende Planung möglich ist.

    4.5.

    Ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in Europäischen Betriebsräten: Der EWSA begrüßt die Forderung der Kommission, bei der Zusammensetzung der Europäischen Betriebsräte nach Möglichkeit auf ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern zu achten. Durch die ehrgeizige Zielsetzung signalisiert die Kommission deutlich, dass Frauen die Möglichkeit eingeräumt werden muss, gleichberechtigt am sozialen Dialog teilzunehmen.

    4.6.

    Zugang zur Justiz: Der EWSA begrüßt die Vorschläge der Kommission, wonach alle, die dazu nach der Richtlinie berechtigt sind, die Möglichkeit erhalten und in die Lage versetzt werden müssen, ihre Rechte durchzusetzen. Deshalb befürwortet der EWSA auch, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, für wirksame Rechtsbehelfe und den Zugang zu Gerichten sowie für die Überwachung der Einhaltung dieser Verpflichtung zu sorgen, gestärkt werden soll. Er nimmt den von der Kommission bezüglich alternativer Streitbeilegungsverfahren verfolgten Ansatz zur Kenntnis, nach dem die Befassung eines Gerichts im Falle solcher Verfahren nicht ausgeschlossen sein darf. Der EWSA stellt fest, dass in mehreren Mitgliedstaaten auf der Grundlage bestehender Verfahren für die Vermittlung und Schlichtung bei Streitigkeiten zwischen den Sozialpartnern alternative Streitbeilegungsverfahren entwickelt wurden. Diese einzelstaatlichen Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung sind natürlich zu wahren, aber der als Grundrecht verankerte Zugang zur Justiz (Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta) darf unter keinen Umständen beeinträchtigt werden.

    4.7.

    Sanktionen und Maßnahmen zur stärkeren Durchsetzung: Eine Vielzahl von Studien, aber auch Bewertungen seitens der Kommission haben ergeben, dass Sanktionen bei Nichteinhaltung der Rechte von Europäischen Betriebsräten in einer Reihe von Mitgliedstaaten keine Wirkung zeigen bzw. unverhältnismäßig oder nicht abschreckend genug sind. Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, im Einklang mit Artikel 153 AEUV angemessene finanzielle Sanktionen festzulegen, die unter Berücksichtigung der Größe und der Finanzkraft des Unternehmens wirksam, hinreichend abschreckend und verhältnismäßig sein sollten.

    4.7.1.

    Der EWSA fordert verhältnismäßige Geldbußen auf der Grundlage maßgeblicher Kriterien (z. B. dem weltweit erzielten Jahresumsatz eines Unternehmens, wie im Fall der Geldbußen, die in anderen neuen EU-Rechtsvorschriften (9) vorgesehen sind). Abgesehen davon sollte auch das Recht auf eine gerichtliche Verfügung, wie das bereits in einigen Ländern der Fall ist, derart ausgeweitet werden, dass eine vorübergehende Aussetzung der Entscheidung eines Unternehmens erwirkt werden kann, bis das Verfahren der Unterrichtung und Anhörung des Europäischen Betriebsrats ordnungsgemäß abgeschlossen ist.

    4.8.

    Streichung von Ausnahmen und Anpassung geltender Vereinbarungen: Einige der sogenannten freiwilligen EBR-Vereinbarungen, die nach Artikel 13 der ursprünglichen EBR-Richtlinie 94/45/EG geschlossen bzw. in dem Übergangszeitraum nach Annahme der Änderungsrichtlinie 2009/38/EG geschlossen oder überarbeitet wurden, funktionieren gut, andere nicht. Fast 30 Jahre nach Annahme der EBR-Richtlinie gibt es keinen Grund mehr dafür, die etwa 260 durch Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie eingerichteten Europäischen Betriebsräte von der Möglichkeit auszuschließen, die im Europarecht festgelegten Standards anzuwenden.

    4.8.1.

    Damit die neuen Standards für alle Vereinbarungen gelten, ist es aus Sicht des EWSA entscheidend, gut funktionierende Europäische Betriebsräte dahingehend zu schützen, dass Änderungen für sie nicht automatisch verbindlich sind und bestehende Bestimmungen von EBR-Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie, die über den geänderten Anhang I hinausgehen, unverändert beibehalten werden können, soweit das zwischen dem Europäischen Betriebsrat und der zentralen Leitung vereinbart wird, und bestehende Vereinbarungen nach den einzelstaatlichen Umsetzungsvorschriften gültig bleiben. Wenn EBR-Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie neu verhandelt werden, sollte eine Regressionsverbotsklausel gelten, und der Status quo sollte beibehalten werden, bis eine neue Vereinbarung geschlossen wurde. Der EWSA fordert die Kommission außerdem auf, ausdrücklich klarzustellen, dass keine Verpflichtung zur Neuaushandlung „regulärer“ EBR-Vereinbarungen besteht (die im Einklang mit den Artikeln 5 und 6 der früheren EBR-Richtlinien geschlossen wurden), da die geänderte Richtlinie automatisch auch für diese Vereinbarungen gilt.

    4.9.

    Vorschläge bezüglich Vertraulichkeitsklauseln: Der EWSA hält es für sinnvoll, die Unternehmensleitung in jedem Fall dazu zu verpflichten, die Europäischen Betriebsräte über die Gründe zu unterrichten, die eine Vertraulichkeit der übermittelten Informationen rechtfertigen sollen. Mit entsprechenden Maßnahmen muss garantiert werden, dass die Grundrechte auf Unterrichtung und Anhörung nicht durch ungerechtfertigte Beschränkungen bei der Übermittlung von Informationen ausgehöhlt werden. Es muss gewährleistet sein, dass sowohl eine ordnungsgemäße Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertreter stattfindet als auch das Unternehmen effektiv Entscheidungen treffen kann, und während des gesamten Verfahrens muss eine vertretbare Vertraulichkeit gewahrt werden.

    4.10.

    Der EWSA fordert, dass mehr Klarheit geschaffen wird, indem eine Bestimmung darüber aufgenommen wird, dass Mitglieder des Europäischen Betriebsrats mit nationalen oder örtlichen Gewerkschaften und/oder Arbeitnehmervertretern Informationen austauschen können, soweit das zur Wahrnehmung ihrer Pflichten bezüglich der Pflege von Kontakten zu örtlichen Vertretern notwendig ist. Bei dieser Klarstellung muss berücksichtigt werden, dass die Unternehmensleitung im Zusammenhang mit Entscheidungen über die Vertraulichkeit von Informationen unter Umständen auch die Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen durch das Unternehmen gewährleisten muss. Die Offenlegung und Weitergabe vertraulicher Informationen an Dritte unterliegt in jedem Fall den im EU-Recht und im einzelstaatlichen Recht festgelegten Bedingungen und Beschränkungen.

    Brüssel, den 30. Mai 2024

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Oliver RÖPKE


    (1)  Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (Neufassung) (Text von Bedeutung für den EWR ) (ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28).

    (2)  Die positive Haltung gegenüber COM(2024) 14 final steht im Einklang mit der unlängst verabschiedeten Stellungnahme des EWSA, in der die Kommission aufgefordert wird, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen, damit die Arbeit der Europäischen Betriebsräte besser greifen kann Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Demokratie am Arbeitsplatz“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des spanischen Ratsvorsitzes) ( ABl. C 228 vom 29.6.2023, S. 43 (Ziffern 4.1.6 und 4.1.7).

    (3)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Dezember 2021 zu Demokratie am Arbeitsplatz: europäischer Rahmen für die Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern und Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats (2021/2005(INI)) (ABl. C 251 vom 30.6.2022, S. 104), Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2. Februar 2023 mit Empfehlungen an die Kommission zur Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats (2019/2183(INL)) (ABl. C 267 vom 28.7.2023, S. 2).

    (4)  Im Rahmen dieser Anhörung der europäischen Sozialpartner äußerten zwar alle Gewerkschaften, dass eine rechtsverbindliche Überarbeitung der EBR-Vorschriften zur Beseitigung der Mängel in der Richtlinie unumgänglich sei, die meisten Arbeitgeberverbände sprachen sich aber gegen eine Überarbeitung aus. Aus ihrer Sicht erfüllen die geltenden Rechtsvorschriften ihren Zweck. Da allzu detaillierte Rechtsvorschriften wirksamen Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren im Wege stehen könnten, sollten multinationale Unternehmen nicht durch zusätzlichen Verwaltungsaufwand belastet werden.

    (5)   COM(2018) 292 final, ICF (2023).

    (6)  Vgl. insb. in: Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Sozialer Dialog als wichtiger Pfeiler wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und Resilienz von Volkswirtschaften, unter Berücksichtigung des Einflusses lebendigen zivilgesellschaftlichen Dialogs in den Mitgliedstaaten“ (Sondierungsstellungnahme) ( ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 14 (Ziffern 5.4 und 5.9), Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Umstellung auf eine grüne und digitale Wirtschaft in Europa: nötige rechtliche Vorgaben und die Rolle der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft“ (Sondierungsstellungnahme) ( ABl. C 56 vom 16.2.2021, S. 10), Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Kein Grüner Deal ohne sozialen Deal“ (Initiativstellungnahme) ( ABl. C 341 vom 24.8.2021, S. 23) (Ziffer 3.9), in denen es um die bessere Umsetzung der EBR-Richtlinie geht, sowie die Stellungnahme in Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Demokratie am Arbeitsplatz“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des spanischen Ratsvorsitzes) ( ABl. C 228 vom 29.6.2023, S. 43) (Ziffern 1.6, 4.1.6 und 4.1.7) mit der von einer Zweidrittelmehrheit unterstützten Forderung nach einer Überarbeitung der EBR-Richtlinie (s. Änderungsanträge von Mitgliedern der Gruppe Arbeitgeber, die der Stellungnahme beigefügt sind und in denen teilweise die grundsätzlich ablehnende Haltung zum Ausdruck kommt, die Arbeitgebervertreter gegenüber einer Überarbeitung der Richtlinie vertreten).

    (7)  Der EU-Grundrechtecharta, artikel 27.

    (8)  Vgl. Artikel 15 der Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen ( ABl. L 254 vom 30.9.1994, S. 64 ) sowie Artikel 15 der Richtlinie 2009/38/EG.

    (9)  Als Bezugnahme käme hier Artikel 83 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1 ) in Frage.


    ANHANG

    Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen (Artikel 74 Absatz 3 der Geschäftsordnung):

    ÄNDERUNGSANTRAG 1

    SOC/791 – Europäischer Betriebsrat

    Die gesamte von der Fachgruppe SOC vorgelegte Stellungnahme durch folgenden Text ersetzen (Erläuterung/Begründung am Ende des Dokuments):

    Änderung

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Ein gut funktionierender sozialer Dialog und eine sinnvolle Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Achtung der Autonomie der Sozialpartner und unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten der Arbeitsmärkte der Mitgliedstaaten sowie der unternehmensspezifischen Bedürfnisse sind der beste Weg, um Veränderungen auf Betriebsebene zu antizipieren und zu bewältigen.

    1.2.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Arbeitsweise der Europäischen Betriebsräte (EBR) durch die von der Kommission vorgeschlagene und insbesondere vom Europäischen Parlament geforderte Überarbeitung der Richtlinie (1) insgesamt viel zu kompliziert würde und diese Überarbeitung die Gefahr bergen könnte, dass sich die Europäischen Betriebsräte von einem Medium für die konstruktive Unterrichtung und Anhörung auf Betriebsebene in schlecht funktionierende und beschwerliche Quellen für Streitigkeiten und Rechtsunsicherheit verwandeln, was dem dringend benötigten Willen zur Verständigung und dem Vertrauen am Arbeitsplatz schaden würde.

    1.3.

    Der EWSA schlägt vor, vor der Richtlinie geschlossene Vereinbarungen weiter bestehen zu lassen und ihren spezifischen rechtlichen Status zu wahren, ohne ihnen verbindliche Anforderungen aufzuerlegen.

    1.4.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die geltende Definition des länderübergreifenden Charakters nicht geändert werden sollte, da der Wortlaut der Begriffsbestimmung zu Recht besagt, dass Angelegenheiten nur dann als länderübergreifend gelten, wenn sie mindestens zwei Betriebe oder Unternehmen des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten betreffen.

    1.5.

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission der Ansicht ist, dass der Europäische Betriebsrat kein Mitentscheidungsgremium ist und keine Verzögerungen bei der Entscheidungsfindung von Unternehmen verursachen sollte.

    1.6.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Richtlinie die Unternehmen nicht daran hindern sollte, angesichts eines sich rasch wandelnden Geschäftsumfelds innerhalb einer angemessenen Frist schnell und unter uneingeschränkter Einhaltung der nationalen Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren Entscheidungen zu treffen. Der EWSA betont, dass Anhörungen, Sitzungen und Beiträge eines Europäischen Betriebsrats auch über digitale Kanäle möglich sein müssen.

    1.7.

    Der EWSA hebt hervor, dass zum Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen und zur Gewährleistung einer reibungslosen Entscheidungsfindung ausschließlich die Unternehmensleitung befugt sein sollte, über die Vertraulichkeit von Informationen zu entscheiden.

    1.8.

    Der EWSA weist darauf hin, dass im Rahmen der geltenden Richtlinie ein Experte hinzugezogen werden kann, weshalb die Hinzuziehung zusätzlicher Experten von der vorherigen Genehmigung durch die Unternehmensleitung abhängig gemacht werden sollte.

    1.9.

    Der EWSA lehnt den Vorschlag einer zentralen Leitung ab, die die Kosten einer Rechtsvertretung und einer Beteiligung an Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren übernimmt. Diese Kosten sollten, wie es derzeit der Fall ist, nach nationalem Recht aufgeteilt werden.

    1.10.

    Der EWSA bedauert den Ansatz der Kommission, ein gerichtliches Eingreifen zu fördern, anstatt auf alternative Streitbeilegungsmechanismen zu setzen, die die Aushandlung von Lösungen auf dem Verhandlungsweg zwischen den Sozialpartnern fördern können.

    1.11.

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen vorzusehen, für die im Einklang mit der EU-Rechtsetzungspraxis im Rahmen des EU-Vertragskapitels „Sozialpolitik“ weiterhin die Mitgliedstaaten zuständig sein werden. Ebenso teilt der EWSA die Auffassung der Kommission, den Vorschlag von Geldbußen gemäß der Datenschutz-Grundverordnung und des Rechts auf eine gerichtliche Verfügung zur vorübergehenden Aussetzung der Entscheidung eines Unternehmens, nicht zu unterstützen, da diese Maßnahmen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Richtlinie unverhältnismäßig sind und der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen ernsthaft schaden könnten.

    1.12.

    Der EWSA begrüßt den Ansatz der Kommission, den Vorschlag aus der Entschließung des Europäischen Parlaments (2) nicht zu unterstützen, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf strukturell unabhängige Unternehmen, wie z. B. auf der Grundlage von Franchiseverträgen, auszuweiten.

    1.13.

    Der EWSA begrüßt die vorgeschlagene Überarbeitung zwar nicht, äußert sich jedoch zu verschiedenen Aspekten, die im Vorschlag der Kommission und in der Entschließung des Europäischen Parlaments enthalten sind.

    2.   Einleitung: Kontext des Vorschlags der Kommission

    2.1.

    Der EWSA ist seit jeher ein Befürworter des sozialen Dialogs auf allen Ebenen von Unternehmen und anderen Organisationen. Ein gut funktionierender sozialer Dialog und eine sinnvolle Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Achtung der Autonomie der Sozialpartner und unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten der Arbeitsmärkte der Mitgliedstaaten sowie der unternehmensspezifischen Bedürfnisse sind der beste Weg, um Veränderungen auf Betriebsebene zu antizipieren und zu bewältigen und sich somit den Herausforderungen zu stellen, die sich aus dem wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Wandel in der Arbeitswelt ergeben.

    2.2.

    Da sich das Geschäftsumfeld europäischer Unternehmen im Laufe der Jahre zunehmend geöffnet und internationalisiert hat, um den Herausforderungen des Binnenmarkts und der Globalisierung zu begegnen, besteht in den Unternehmen generell die Notwendigkeit, die Systeme der Arbeitnehmerbeteiligung entsprechend anzupassen, um den Anforderungen auf Unternehmensebene besser gerecht zu werden.

    3.

    Der Europäische Betriebsrat wurde zu Recht eingerichtet, um eine solide Grundlage für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in multinationalen Unternehmen oder Gruppen zu schaffen. Als Beleg dafür gibt es mehr als 350 gut funktionierende freiwillige Vereinbarungen, die von den Sozialpartnern auf Unternehmensebene geschlossen und vereinbart wurden. (3) Diese Vereinbarungen beruhen auf Schlüsselkonzepten der geltenden Richtlinie sowie auf etablierten Praktiken auf Unternehmensebene.

    3.1.

    Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats, die das Europäische Parlament (4) aufgrund von Forderungen der europäischen Gewerkschaften gefordert hatte, steht in krassem Widerspruch zu den aktuellen Gegebenheiten und Rückmeldungen der Unternehmen, die einen Europäischen Betriebsrat eingerichtet haben. Darüber hinaus trägt dieser Vorschlag den Realitäten der Unternehmen nicht Rechnung und steht nicht im Einklang mit dem politischen Ansatz der Europäischen Union, der darauf abzielt, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu schützen und rechtliche Hindernisse abzubauen.

    3.2.

    Der EWSA weist darauf hin, dass in der Folgenabschätzung der Kommission nicht festgestellt wurde, ob und inwieweit Ausnahmen gemäß den freiwilligen EBR-Vereinbarungen, die nach Artikel 13 der ursprünglichen EBR-Richtlinie 94/45/EG geschlossen bzw. in dem Übergangszeitraum nach Annahme der Änderungsrichtlinie 2009/38/EG geschlossen oder überarbeitet wurden, Rechtsunsicherheiten verursachen oder eine wirksame Unterrichtung und Anhörung in diesen Unternehmen verhindern.

    3.3.

    Der EWSA bedauert, dass sich die Kommission bei ihrem Vorschlag auf eine Folgenabschätzung stützt, bei der die konkreten Belege von Unternehmen bezüglich der Arbeitsweise Europäischer Betriebsräte und insbesondere die kumulativen Auswirkungen möglicher neuer Verpflichtungen für Unternehmen nicht berücksichtigt wurden. Der EWSA weist darauf hin, dass nicht nur die Arbeitgeber ernsthafte Zweifel bezüglich der negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Überarbeitung auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen geäußert haben. Vielmehr hat auch der Ausschuss für Regulierungskontrolle Vorbehalte gegen die Schlussfolgerungen der Folgenabschätzung der Kommission geäußert. (5) Darüber hinaus vertrat der Ausschuss für Regulierungskontrolle die Auffassung, dass die Kommission in ihrem Bericht nicht hinreichend klar in Bezug auf den Anwendungsbereich, die Ziele und die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, einschließlich der uneingeschränkten Achtung der Vorrechte der Sozialpartner und der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, ist.

    3.4.

    Der EWSA verweist auf die Ansichten, die in den Änderungsanträgen einiger Mitglieder der Gruppe I zu der EWSA-Stellungnahme „Demokratie am Arbeitsplatz“ (6) zum Ausdruck gebracht wurden. Darin wird deutlich gemacht, dass es neben der Überarbeitung der Richtlinie andere Möglichkeiten gibt, um den länderübergreifenden sozialen Dialog zu fördern: „Europäische Betriebsräte (EBR) leisten seit Jahren einen positiven Beitrag zu den langfristigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielen der Unternehmen. Der EWSA ist der Ansicht, dass eine ordnungsgemäße Durchsetzung und Leitlinien auf der Grundlage praktischer Instrumente wie Benchmarking mit bewährten Verfahren weiter gefördert werden müssen, um ihr Potenzial und ihre Wirksamkeit zu erhöhen. In diesem Zusammenhang nimmt der EWSA die jüngste EP-Entschließung zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie zur Kenntnis und fordert die Kommission auf, zeitnah geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die angemessene Durchsetzung der Richtlinie zu fördern.“

    3.5.

    Der EWSA bedauert, dass die Europäische Kommission ungeachtet der konkreten Rückmeldungen von Unternehmen vor Ort und ihrer Bedenken hinsichtlich der deutlich negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Änderungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen beschlossen hat, die Überarbeitung der Richtlinie in ihrer derzeitigen Form einzuleiten, anstatt alternative politische Maßnahmen in Betracht zu ziehen.

    4.   Allgemeine Bemerkungen zum Vorschlag der Kommission und zu den Standpunkten des Europäischen Parlaments

    4.1.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Arbeitsverfahren der EBR durch die von der Kommission vorgeschlagene und insbesondere vom Europäischen Parlament geforderte Überarbeitung der Richtlinie die Arbeitsweise der EBR erheblich komplizieren und die Gefahr bergen würde, dass aus den EBR als Instrumenten für eine konstruktive Unterrichtung und Anhörung auf Unternehmensebene schlecht funktionierende und belastende Quellen für Streitigkeiten und Rechtsunsicherheit gemacht werden, was dem dringend benötigten Willen zur Verständigung und dem Vertrauen am Arbeitsplatz schaden würde.

    4.2.

    Der EWSA erkennt zwar an, dass die Standpunkte der Arbeitnehmer ein wichtiges Element zur Verbesserung der Qualität der Entscheidungsfindung sind, betont jedoch, dass in multinationalen Unternehmen eine rasche Entscheidungsfindung sichergestellt werden muss, was durch reibungslos funktionierende Strukturen für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer unterstützt werden sollte. In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA, dass die Kommission der Ansicht ist, dass EBR keine Mitentscheidungsgremien sind und keine Verzögerungen bei der Entscheidungsfindung von Unternehmen verursachen sollten.

    4.3.

    Derzeit gibt es in etwa 1 000  Unternehmen EBR, und weitere 2 600  Unternehmen sind potenziell betroffen. Der Rechtsrahmen für die Arbeitsweise von EBR regelt für die Sozialpartner entscheidende Fragen und sollte nicht in einen überregulierten, auf einem stark legalistischen Ansatz beruhenden Rahmen umgewandelt werden, der Unternehmen davon abhalten würde, neue EBR zu gründen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.

    4.4.

    Der EWSA bedauert daher, dass der Vorschlag der Kommission eine Reihe von Änderungen enthält, die ganzheitlich betrachtet die Arbeitsweise von EBR erheblich komplizieren und somit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen untergraben würden. Es ist davon auszugehen, dass diese negativen Folgen im Hinblick auf die Neugründung von EBR vielfach abschreckende Wirkung haben werden. Zudem könnte die Annahme der EBR-Richtlinie in der jetzt vorgeschlagenen Form die EU im Vergleich mit anderen Weltregionen noch unattraktiver für Investitionen multinationaler Unternehmen machen.

    4.5.

    Die Bereitstellung von Ressourcen für Maßnahmen gegen ein Unternehmen, etwa für Gerichtskosten oder Kosten für Rechtssachverständige, fördert gerichtliches Vorgehen und birgt die Gefahr, dass EBR von wertvollen Foren für den sozialen Dialog zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsführung in hochkonfrontative Gremien umgewandelt werden. Darüber hinaus könnten die neuen Bestimmungen zu Anhörungen, Vertraulichkeit und länderübergreifendem Charakter den eigentlichen Zweck der Anhörung und Unterrichtung von Arbeitnehmern verfälschen und die auf Vertrauen zwischen den beiden Seiten beruhende Zusammenarbeit, die für das Funktionieren der EBR von wesentlicher Bedeutung ist, in der Praxis schwächen.

    5.   Besondere Bemerkungen zu zentralen Punkten des Kommissionsvorschlags

    5.1.   Bestehende Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie

    5.1.1.

    Der EWSA bedauert zutiefst den Ansatz der Kommission in Bezug auf freiwillige Vereinbarungen über die Unterrichtung und Anhörung, die vor der ursprünglichen EBR-Richtlinie 94/45/EG geschlossen oder während des Übergangszeitraums nach der Annahme der Neufassung der Richtlinie 2009/38/EG von Juni 2009 bis Juni 2011 geschlossen bzw. überarbeitet wurden. Diese gut funktionierenden Vereinbarungen sollten eingehalten und nicht einseitig aufgekündigt werden. Die Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie sind das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretern und speziell auf die Bedürfnisse beider Seiten auf Unternehmensebene zugeschnitten.

    5.1.2.

    Der EWSA verweist auf die Folgenabschätzung der Kommission, in der keine Schlüsse dahingehend gezogen wurden, ob Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie zu Rechtsunsicherheit führen oder sinnvolle Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung in Unternehmen beeinträchtigen würden.

    5.1.3.

    Daher widerspräche es dem Geist eines konstruktiven sozialen Dialogs und des gegenseitigen Vertrauens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern innerhalb der Unternehmen, es den Arbeitnehmervertretern zu ermöglichen, bestehende freiwillige und gut funktionierende Arbeitsvereinbarungen einseitig aufzukündigen.

    5.1.4.

    Der EWSA schlägt vor, vor der Richtlinie geschlossene Vereinbarungen weiter bestehen zu lassen und ihren spezifischen rechtlichen Status zu wahren, ohne ihnen verbindliche Anforderungen aufzuerlegen.

    5.2.   Konzept des länderübergreifenden Charakters

    5.2.1.

    Ein weiteres Thema, das dem EWSA große Sorge bereitet, ist das vorgeschlagene Konzept des länderübergreifenden Charakters, das durch Überschneidungen zwischen nationalen und länderübergreifenden Verfahren für die Unterrichtung und Anhörung zu Rechtsunsicherheit führen könnte.

    5.2.2.

    Die vorgeschlagene Formulierung legt nahe, dass sich die Vermutung des länderübergreifenden Charakters nicht nur auf Fälle erstreckt, in denen nach vernünftigem Ermessen davon ausgegangen werden kann, dass sich von der Unternehmensführung erwogene Maßnahmen auf Arbeitnehmer in mehr als einem Mitgliedstaat auswirken, sondern auch auf Fälle, in denen die Maßnahmen selbst nur Arbeitnehmer in einem Mitgliedstaat betreffen, in denen aber nach vernünftigem Ermessen davon auszugehen ist, dass sie sich auf Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat auswirken werden. Eine solche Struktur schafft Raum für Unsicherheit und ist ein Quell für Streitigkeiten, da sie dazu führen würde, dass vermehrt rein nationale Managemententscheidungen in Unternehmen geprüft würden, anstatt den Fokus auf echte länderübergreifende Fälle zu legen.

    5.2.3.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die geltende Definition des länderübergreifenden Charakters nicht geändert werden sollte, da der Wortlaut der Begriffsbestimmung zu Recht besagt, dass Angelegenheiten nur dann als länderübergreifend gelten, wenn sie mindestens zwei Betriebe oder Unternehmen des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten betreffen.

    5.3.   Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung sowie Begriffsbestimmung

    5.3.1.

    Der EWSA hegt ernsthafte Zweifel in Bezug auf einige der in der Überarbeitung vorgeschlagenen Änderungen, da sie zu unnötigen Verzögerungen und Unsicherheiten bei der Entscheidungsfindung der Unternehmen führen können. Im vorgeschlagenen Artikel 9 wird präzisiert, dass den Arbeitnehmervertretern durch die Anhörung die Möglichkeit gegeben werden muss, vor einer Entscheidung eine Stellungnahme abzugeben, und dass die zentrale Leitung auf diese Stellungnahme eine begründete Antwort geben muss, bevor sie über die geplante Maßnahme entscheidet. Der EWSA ist der Auffassung, dass das vorgeschlagene Verfahren formalistisch, aufwändig und mit in EBR weithin anerkannten Kommunikationsmethoden unvereinbar ist.

    5.3.2.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Richtlinie die Unternehmen nicht daran hindern sollte, angesichts eines sich rasch wandelnden Geschäftsumfelds innerhalb einer angemessenen Frist schnell und unter uneingeschränkter Einhaltung der nationalen Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus spricht sich der EWSA dafür aus, dass der Zeitpunkt der Anhörung in der jeweiligen EBR-Vereinbarung und nicht durch verbindliche Vorschriften festgelegt wird.

    5.3.3.

    Der EWSA betont, dass Anhörungen, Sitzungen und Beiträge eines Europäischen Betriebsrats auch über digitale Kanäle möglich sein müssen. Dies ist umso wichtiger, wenn – wie im Kommissionsvorschlag vorgeschlagen – mindestens zwei Sitzungen pro Jahr stattfinden sollen.

    5.3.4.

    In Bezug auf die von den EBR zu behandelnden Fragen fordert der EWSA bei der Einigung auf unternehmensrelevante Fragen ein Höchstmaß an Flexibilität für die Unternehmensleitung und die EBR.

    5.4.   Vertraulichkeit von Geschäftsinformationen

    5.4.1.

    Darüber hinaus weist der EWSA auf Probleme im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Informationen hin, da der Vorschlag der Kommission die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen, möglicherweise im Widerspruch zu anderen rechtlichen Anforderungen (etwa zur Marktmissbrauchsverordnung) stehen und die Entscheidungsfindung der Unternehmen verlangsamen würde.

    5.4.2.

    Der EWSA hebt hervor, dass zum Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen und zur Gewährleistung einer reibungslosen Entscheidungsfindung ausschließlich die Unternehmensleitung befugt sein sollte, über die Vertraulichkeit von Informationen zu entscheiden. Um dieses Vorrecht zu betonen und klarzustellen, fordert der EWSA, den Mitgliedstaaten die aus Artikel 8 gestrichene Möglichkeit einzuräumen, eine vorherige behördliche oder gerichtliche Genehmigung zu verlangen.

    5.5.   Sachverständige und Gerichtskosten

    5.5.1.

    Die vorgeschlagene Formulierung zu Sachverständigen- und Gerichtskosten ohne vorherige Genehmigung der Unternehmensleitung ist vage und könnte zu unnötigen Streitigkeiten führen. Der EWSA weist darauf hin, dass eine Änderung des Textes grundsätzlich nicht erforderlich ist, da die bestehende Richtlinie die Unterstützung durch einen Sachverständigen ermöglicht. Falls zusätzliche Sachverständige für z. B. Rechtsberatung benötigt werden, sollte es der Unternehmensleitung vorbehalten sein, die Rolle und den Tätigkeitsbereich des Sachverständigen und die damit verbundenen Kosten festzulegen.

    5.5.2.

    In Bezug auf die Rechtskosten lehnt der EWSA den Vorschlag, wonach die Kosten einer Rechtsvertretung und einer Beteiligung an Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren von der zentralen Leitung getragen werden, ab. Eine solche Haftung könnte dazu führen, dass das Unternehmen die Prozesskosten des EBR-Verhandlungsteams in einer möglichen Klage gegen das Unternehmen im Voraus tragen muss. Diese Kosten sollten, wie es derzeit der Fall ist, nach nationalem Recht aufgeteilt werden.

    5.5.3.

    Da EBR zudem alle Arbeitnehmer eines Unternehmens vertreten, sollte bei der Beteiligung von Gewerkschaften an EBR in beratender Funktion den in ganz Europa unterschiedlichen Verfahren für den sozialen Dialog Rechnung getragen werden. Das Recht der Gewerkschaftsvertreter, unabhängig von der Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in einem bestimmten Unternehmen in jedem EBR vertreten zu sein, kann in einigen Fällen im Widerspruch zu den nationalen Gepflogenheiten stehen.

    5.6.   Alternative Streitbeilegungsverfahren

    5.6.1.

    In Bezug auf die Streitbeilegung bedauert der EWSA den Ansatz der Kommission, wonach dem gerichtlichen Eingreifen zulasten alternativer Streitbeilegungsmechanismen Vorrang eingeräumt wird. Dieser Ansatz untergräbt die bestehenden gut funktionierenden Mediations- und Schlichtungsstrukturen der nationalen Sozialpartner. Stattdessen sollte die Nutzung leicht zugänglicher und von den Sozialpartnern als zentrales Element gut funktionierender Systeme des sozialen Dialogs anerkannter alternativer Streitbeilegungsmechanismen in den Mitgliedstaaten, von den Mitgliedstaaten und mit Unterstützung der Europäischen Kommission gefördert werden.

    5.7.   Sanktionen

    5.7.1.

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen vorzusehen, für die im Einklang mit der EU-Rechtsetzungspraxis im Rahmen des EU-Vertragskapitels „Sozialpolitik“ weiterhin die Mitgliedstaaten zuständig sein werden. Der EWSA schlägt vor, finanzielle Sanktionen auf Fälle eines eindeutigen und vorsätzlichen Missbrauchs der Vorschriften zu beschränken. Ebenso teilt der EWSA die Auffassung der Kommission, den Vorschlag von Geldbußen gemäß der Datenschutz-Grundverordnung und des Rechts auf eine gerichtliche Verfügung zur vorübergehenden Aussetzung der Entscheidung eines Unternehmens, nicht zu unterstützen, da diese Maßnahmen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Richtlinie unverhältnismäßig sind und der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen ernsthaft schaden könnten.

    5.7.2.

    Schließlich begrüßt der EWSA den Ansatz der Kommission, den Vorschlag aus der Entschließung des Europäischen Parlaments, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf strukturell unabhängige Unternehmen, wie z. B. auf der Grundlage von Franchiseverträgen, auszuweiten, nicht zu übernehmen, da diese Art von Vereinbarungen nicht zur Definition des Begriffs „beherrschender Einfluss“ herangezogen werden sollte.

    Begründung

    Dieser Text enthält einen Änderungsantrag, mit dem eine weitestgehend abweichende Auffassung zur Stellungnahme der Fachgruppe zum Ausdruck gebracht werden soll, weswegen er als Gegenstellungnahme bezeichnet wird. Darin werden die Gründe dargelegt, aus denen der EWSA der Auffassung ist, dass die vorgeschlagene Überarbeitung der EBR-Richtlinie und insbesondere einige Vorschläge des Europäischen Parlaments die Arbeitsweise der EBR erheblich komplizieren und die Gefahr bergen würde, dass aus den EBR als Instrumenten für eine konstruktive Unterrichtung und Anhörung auf Unternehmensebene schlecht funktionierende und belastende Quellen für Streitigkeiten und Rechtsunsicherheit gemacht werden.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen:

    104

    Nein-Stimmen:

    125

    Enthaltungen:

    11


    (1)   Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/38/EG betreffend die Einsetzung und Arbeitsweise Europäischer Betriebsräte und die wirksame Durchsetzung der Rechte auf länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung, COM(2024) 14 final.

    (2)   Angenommene Texte – Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats – Donnerstag, 2. Februar 2023 (europa.eu).

    (3)  Eurofound-Studie: Die Entwicklung von einigen der untersuchten Europäischen Betriebsräte zeigt, dass sich die Prozesse im Laufe der Zeit verbessern können, wenn Vertrauen aufgebaut wird und sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ein klareres Verständnis des Mehrwerts länderübergreifender Informationen und Anhörungen erlangt haben. Dieser Aufbau von Beziehungen, die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses und die Entwicklung wirksamer Verfahren für die Unterrichtung und Anhörung können in gewisser Hinsicht nicht durch Gesetze geregelt werden und müssen kontinuierlich gepflegt werden, um die erzielten Fortschritte nicht zu gefährden. https://www.eurofound.europa.eu/de/publications/2022/challenges-and-solutions-case-studies-european-works-councils.

    (4)   https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0028_DE.pdf.

    (5)  Stellungnahme des Ausschusses für Regulierungskontrolle vom 30.11.2023 SEC(2024)35 siehe z. B. https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5837-2024-ADD-2/en/pdf.

    (6)   ABl. C 228 vom 29.6.2023, S. 43.


    ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/4664/oj

    ISSN 1977-088X (electronic edition)


    Top