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Document 52023PC0224

Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 816/2006

COM/2023/224 final

Brüssel, den 27.4.2023

COM(2023) 224 final

2023/0129(COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über die Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 816/2006

(Text von Bedeutung für den EWR)

{SEC(2023) 173 final} - {SWD(2023) 120 final} - {SWD(2023) 121 final} - {SWD(2023) 122 final}


BEGRÜNDUNG

1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Gründe und Ziele des Vorschlags

Immaterielle Vermögenswerte wie Erfindungen, Geschäftsgeheimnisse und Know-how bilden den Eckpfeiler der Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit der EU. Insbesondere Patentrechte spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, Innovationen in der EU zu fördern und ein geeignetes Umfeld für Investitionen zu schaffen. Damit europäische Investitionen ihre Wirkung entfalten können, ist es erforderlich, einen soliden, vorhersehbaren und flexiblen Rechtsrahmen für Rechte des geistigen Eigentums zu schaffen, zu denen auch Patente zählen. Das Einheitspatentsystem trägt dazu bei, den Rechtsrahmen der EU für Patente weiter zu verbessern und zu harmonisieren. Darüber hinaus wurden im Aktionsplan der Kommission zu den Rechten des geistigen Eigentums mehrere Bereiche des Patentrechts benannt, die einer weiteren Verbesserung und Harmonisierung bedürfen. Einer dieser Bereiche ist die Vergabe von Zwangslizenzen. Die COVID-19-Krise hat deutlich gezeigt, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Patentrechten und anderen Rechten sowie Interessen ein wesentliches Merkmal des Patentsystems ist. Während der Krise bestanden die entgegenstehenden Interessen darin, einerseits den Zugang zu Gesundheitsprodukten sicherzustellen und andererseits Innovationsanreize zu wahren, die für die Entwicklung neuer Gesundheitsprodukte wie Impfstoffe und Therapeutika von entscheidender Bedeutung sind. Durch die Pandemie wurde ein neues Element in die Diskussion eingebracht, nämlich die Rolle, die Rechte des geistigen Eigentums in einer Krise spielen können und sollten. Mit anderen Worten lautete die Frage: Wie können in Krisenzeiten das Gleichgewicht und Innovationsanreize gewahrt und gleichzeitig ein schneller Zugang zu kritischen Produkten und Technologien auch dann sichergestellt werden, wenn es keine freiwilligen Vereinbarungen gibt? Das Patentrecht bietet hierfür bereits eine Lösung: die Vergabe von Zwangslizenzen.

Durch die Vergabe von Zwangslizenzen haben Regierungen die Möglichkeit, einem Dritten unter bestimmten Bedingungen zu gestatten, ohne die Zustimmung des Rechteinhabers ein Patent zu nutzen. Die Vergabe von Zwangslizenzen kann daher die aktuellen Bemühungen der EU zur Verbesserung ihrer Krisenfestigkeit ergänzen. Nach der COVID-19-Krise hat die EU eine Reihe von Kriseninstrumente vorgelegt, z. B. im Rahmen des Vorschlags für eine Verordnung zur Schaffung eines Notfallinstruments für den Binnenmarkt (Single Market Emergency Instrument, SMEI) oder der Verordnung (EU) 2022/2372 des Rates vom 24. Oktober 2022 über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene. Durch diese Instrumente erhält die EU die Möglichkeit, den Zugang zu Produkten zu gewährleisten, die zur Bewältigung einer Krise im Binnenmarkt benötigt werden. Die Instrumente beruhen vor allem auf freiwilligen Ansätzen. Wie die COVID-19-Krise gezeigt hat, sind freiwillige Vereinbarungen nach wie vor das effizienteste Instrument, um – auch in Krisenzeiten – eine rasche Herstellung patentgeschützter Produkte zu ermöglichen. Es kann jedoch Fälle geben, in denen freiwillige Vereinbarungen nicht verfügbar oder angemessen sind. In derartigen Fällen kann die Vergabe von Zwangslizenzen eine Lösung darstellen, um die rasche Herstellung von Produkten zu ermöglichen, die zur Bewältigung einer Krise benötigt werden. Damit jedoch garantiert ist, dass diese Produkte frei im Binnenmarkt zirkulieren und alle Bedürftigen erreichen können, müssen die Zwangslizenzen auf EU-Ebene vergeben werden.

Die Vergabe von Zwangslizenzen hat eine doppelte Funktion: Einerseits können Anreize für den Abschluss freiwilliger Vereinbarungen geschaffen werden, andererseits kann in Fällen, in denen es keine (geeigneten) freiwilligen Vereinbarungen gibt, auch die Herstellung von für die Bewältigung einer Krise erforderlichen Produkten ermöglicht werden. Damit diese Aufgaben erfüllt werden können, ist es jedoch notwendig, in der EU ein effizientes Zwangslizenzsystem aufzubauen, das sich auf den Binnenmarkt stützen kann, die Kriseninstrumente der EU ergänzt und mit den internationalen Verpflichtungen der EU im Einklang steht.

Den internationalen rechtlichen Rahmen für die Vergabe von Zwangslizenzen bildet das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden „TRIPS-Übereinkommen“). Artikel 31 des TRIPS-Übereinkommens bietet den Rahmen für die Vergabe von Zwangslizenzen in Bezug auf den Binnenmarkt, während in Artikel 31a die Vorschriften für die Vergabe von Zwangslizenzen für die Herstellung und Ausfuhr von Arzneimitteln in Länder mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit enthalten sind.

Derzeit ist die Vergabe von Zwangslizenzen für den Binnenmarkt, auch im Hinblick auf Europäische Patente mit einheitlicher Wirkung, auf EU-Ebene nicht vereinheitlicht. Stattdessen gibt es einen Flickenteppich unterschiedlicher nationaler Vorschriften und Verfahren für die Vergabe von Zwangslizenzen. Der räumliche Anwendungsbereich der einzelstaatlichen Vorschriften ist unzureichend, da Produkte, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen einer Zwangslizenz hergestellt werden, entweder gar nicht oder nur in begrenzten Mengen in einen anderen Mitgliedstaat geliefert werden können. Auch die jeweiligen nationalen Verfahren weisen Unterschiede auf, und die Entscheidungsfindung wird nicht auf EU-Ebene koordiniert. Dadurch ist es nur bedingt möglich, sich auf den Binnenmarkt zu stützen, um die Versorgung im gesamten Gebiet der Union zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund soll mit dieser Initiative ein effizientes Zwangslizenzsystem für den Binnenmarkt für Zwecke des Krisenmanagements geschaffen werden. Somit umfasst die Initiative zwei wesentliche Ziele. Erstens soll die EU die Möglichkeit erhalten, im Rahmen ihrer Kriseninstrumente auf die Vergabe von Zwangslizenzen zurückzugreifen. Zweitens wird ein effizientes Zwangslizenzsystem eingeführt, das so beschaffen ist, dass eine rasche und angemessene Reaktion auf Krisen möglich ist und auf der Grundlage eines funktionierenden Binnenmarkts die Versorgung mit und der freie Verkehr von krisenkritischen Produkten, die einer Zwangslizenz im Binnenmarkt unterliegen, gewährleistet werden können.

Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Politikbereich

In ihrem Aktionsplan für geistiges Eigentum unterstrich die Kommission „die Notwendigkeit, dafür Sorge zu tragen, dass wirksame Systeme für die Vergabe von Zwangslizenzen vorhanden sind“. Im Arbeitsprogramm der Kommission für 2023 wurde die Einführung klarer Regeln für die Vergabe von Zwangslizenzen für Patente angekündigt. In seinen Schlussfolgerungen vom 18. Juni 2021 bekräftigte der Rat, dass die EU bereit ist, die Flexibilitätsregelungen in Bezug auf die Vergabe von Zwangslizenzen für den Binnenmarkt und für die Ausfuhr in Drittländer zu prüfen. Er bekräftigte ferner, dass es notwendig ist, eventuelle Instrumente des geistigen Eigentums und Möglichkeiten für eine bessere Koordinierung des Umgangs mit grenzüberschreitenden Krisensituationen auszuloten. In seiner Entschließung vom November 2021 forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, „mögliche Optionen zu analysieren und zu prüfen, mit denen die Wirksamkeit und eine bessere Koordinierung der Zwangslizenzierung in der EU sichergestellt werden können“.

Das TRIPS-Übereinkommen bildet den internationalen rechtlichen Rahmen für die Vergabe von Zwangslizenzen. Die Grenzen des TRIPS-Übereinkommens werden bei vorliegender Initiative streng eingehalten. Obwohl durch das Einheitspatentsystem eine weitere Harmonisierung des Patentrechts der EU erreicht werden soll, bleibt die Vergabe von Zwangslizenzen weiterhin Gegenstand von nationalen Rechtsvorschriften. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es drei weitere Rechtsakte der EU, die Bestimmungen über die Vergabe von Zwangslizenzen enthalten:

·Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz: Gemäß Artikel 29 dieser Verordnung kann das Gemeinschaftliche Sortenamt auf Antrag eines Mitgliedstaats, der Kommission oder einer auf EU-Ebene arbeitenden Organisation eine Zwangslizenz für einen gemeinschaftlichen Sortenschutz erteilen.

·Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen: Nach Artikel 12 dieser Richtlinie ist es möglich, eine Zwangslizenz zu beantragen, wenn ein Pflanzenzüchter eine Pflanzensorte nicht nutzen kann, ohne ein Patent zu verletzen, oder wenn ein Inhaber des Patents für eine biotechnologische Erfindung diese nicht verwerten kann, ohne ein früher erteiltes Sortenschutzrecht zu verletzen.

·Verordnung (EG) Nr. 816/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Zwangslizenzen für Patente an der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen für die Ausfuhr in Länder mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit: Diese Verordnung schafft ein Verfahren zur Erteilung von Zwangslizenzen für Patente und ergänzende Schutzzertifikate betreffend die Herstellung und den Verkauf von pharmazeutischen Erzeugnissen, die für die Ausfuhr in anspruchsberechtigte einführende Länder bestimmt sind, die diese Erzeugnisse benötigen, um Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit bekämpfen zu können.

Auf die ersten beiden der vorstehend genannten EU-Rechtsakte hätte der vorliegende Vorschlag keine Auswirkungen. Die Verordnung (EG) Nr. 816/2006 würde durch den Vorschlag dahin gehend geändert, dass die Möglichkeit geschaffen würde, bei grenzüberschreitenden Herstellungsverfahren auf von der Kommission erteilte und im Gebiet der Union geltende Zwangslizenzen zurückzugreifen.

Die Mitgliedstaaten haben verschiedene Zwangslizenzsysteme in nationales Recht umgesetzt, die nur auf ihrem jeweiligen nationalen Hoheitsgebiet Anwendung finden. Diese nationalen Zwangslizenzsysteme bleiben durch den Vorschlag unangetastet. Das mit diesem Vorschlag eingeführte System für die Vergabe unionsweiter Zwangslizenzen soll nicht dazu dienen, rein nationale Krisen zu bewältigen. Vielmehr besteht das Ziel des Vorschlags darin, Krisen mit einer grenzüberschreitenden Dimension innerhalb der EU zu bewältigen, die nicht in den Anwendungsbereich nationaler Zwangslizenzsysteme fallen.

Der Vorschlag ist Teil des EU-Patentpakets, das unter anderem die Einführung eines Systems für einheitliche ergänzende Schutzzertifikate und eine Initiative für standardessenzielle Patente vorsieht. Er ist eine Ergänzung zum Einheitspatentsystem und somit ein wichtiger Schritt zur Vollendung des Binnenmarktes für Patente. Vor dem Hintergrund der voranschreitenden Vollendung des Binnenmarktes für Patente liegt die Initiative zur Vergabe von Zwangslizenzen somit an der Schnittstelle zwischen den verschiedenen Kriseninstrumenten der EU und den internationalen Verpflichtungen und Diskussionen über Rechte des geistigen Eigentums sowie Zwangslizenzen.

Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Die Kommission hat unlängst Vorschläge vorgelegt, um die Krisenfestigkeit der EU zu verbessern und besser für gut funktionierende Lieferketten im Binnenmarkt zu sorgen. In diesem Zusammenhang sind im Wesentlichen folgende EU-Rechtsvorschriften zu nennen:

·Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Notfallinstruments für den Binnenmarkt (Single Market Emergency Instrument, SMEI-Verordnung)

·Verordnung (EU) 2022/2371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. November 2022 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU (serious cross-border threats to health, SCBTH-Verordnung)

·Verordnung (EU) 2022/2372 des Rates vom 24. Oktober 2022 über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene (Notfallrahmenverordnung)

·Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Halbleiter-Ökosystems (Chip-Gesetz)

Diese Rechtsvorschriften gelten entweder selbst als Kriseninstrumente oder sie umfassen Krisenmechanismen, mit denen Notfallmechanismen eingerichtet werden, um die Versorgung mit und den Zugang zu kritischen Produkten im Binnenmarkt sicherzustellen. Bei keinem dieser EU-Kriseninstrumente ist die Vergabe von Zwangslizenzen zur Bewältigung einer Krise ausdrücklich vorgesehen. Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Vergabe von Zwangslizenzen zu einem der Instrumente werden, die für die Reaktion auf eine Krise gemäß dem jeweiligen Notfallrahmen zur Verfügung stehen; dies soll erreicht werden, indem die Vergabe von Zwangslizenzen eng mit den EU-Kriseninstrumenten verknüpft wird.

Im Zuge der Reform der Rechtsvorschriften über Arzneimittel ist ferner vorgesehen, den Daten- und Marktschutz auszusetzen, wenn für ein Patent im Zusammenhang mit einem Arzneimittel eine Zwangslizenz erteilt wurde, um eine gesundheitliche Notlage zu bewältigen (siehe Artikel 80 Absatz 4 der Richtlinie (EU) XXX/XX [COM(2023) 192]). Dadurch werden Zwangslizenzen wirksamer, da Daten- und Marktschutzvorschriften die Zulassung von Generika erschweren können.

2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT

Rechtsgrundlage

Der Vorschlag beruht auf den Artikeln 114 und 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Nach Artikel 114 AEUV sind das Europäische Parlament und der Rat befugt, Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben, zu erlassen. Gemäß Artikel 207 AEUV ist die EU für die gemeinsame Handelspolitik zuständig, was auch Rechte des geistigen Eigentums einschließt; dies ist insofern von Bedeutung, als der Vorschlag Auswirkungen auf die Verordnung (EG) Nr. 816/2006 über Zwangslizenzen für Patente an Arzneimitteln für die Ausfuhr in Drittländer hat.

Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Ein Tätigwerden auf EU-Ebene ist gerechtfertigt, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes in Krisensituationen zu gewährleisten. Derzeit können die Mitgliedstaaten ausschließlich auf nationaler Ebene tätig werden, d. h., sie können eine Zwangslizenz nur für ihr eigenes Hoheitsgebiet erteilen. Dies kann bei rein nationalen Krisen, bei denen der Ort der Krise und die Fertigungskapazitäten im selben Mitgliedstaat liegen, ausreichend sein. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine Krise eine grenzüberschreitende Dimension hat, was aufgrund der Tatsache, dass Lieferketten mittlerweile vorwiegend grenzüberschreitend sind, als sehr wahrscheinlich angesehen wird. Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, Krisen von grenzüberschreitendem Ausmaß angemessen zu bewältigen, ist auf den begrenzten räumlichen Anwendungsbereich der nationalen Zwangslizenzsysteme sowie darauf zurückzuführen, dass die zur Bewältigung einer Krise zur Verfügung stehenden Zwangslizenzsysteme unterschiedlich, bisweilen suboptimal sind. Auf diese konkreten Punkte soll im Rahmen der vorgeschlagenen EU-Maßnahme eingegangen werden, indem eine unionsweite Zwangslizenz mit einem gestrafften Verfahren eingeführt wird. Ohne ein Tätigwerden auf EU-Ebene wären die Mitgliedstaaten weiterhin anfällig für Krisen von grenzüberschreitendem Ausmaß. Die Einführung eines Systems zur Vergabe unionsweiter Zwangslizenzen wird dazu beitragen, die EU widerstandsfähiger zu machen, indem ein zusätzliches gemeinsames Instrument geschaffen wird, das die übrigen Kriseninstrumente wie das SMEI oder die Notfallrahmenverordnung unterstützt.

Verhältnismäßigkeit

Der Erlass einer Verordnung zur Einführung eines Systems zur Vergabe unionsweiter Zwangslizenzen für das Krisenmanagement geht nicht über das für die Erreichung der festgelegten Ziele erforderliche Maß hinaus. Der Vorschlag beschränkt sich auf die Aspekte, die die Mitgliedstaaten allein nicht zufriedenstellend erreichen können und bei denen die EU wirksamer und effizienter handeln und einen größeren Mehrwert schaffen kann. Ziel der Initiative ist es, zusätzlich zu den für andere Zwecke als Krisenbewältigung bestehenden nationalen Zwangslizenzsystemen ein System zur Vergabe unionsweiter Zwangslizenzen zu schaffen, mit dessen Hilfe Krisen von grenzüberschreitendem Ausmaß bewältigt werden können. Der Vorschlag beschränkt sich daher auf das zur Bewältigung von Krisen von grenzüberschreitender Dimension erforderliche Maß und nur auf die Fälle, in denen entsprechende Maßnahmen auf nationaler Ebene nicht durchgeführt werden können oder eine Durchführung solcher Maßnahmen nicht effizient wäre.

Wahl des Instruments

Als Instrument wurde eine Verordnung gewählt, mit der für Zwecke des Krisenmanagements auf EU-Ebene ein System zur Vergabe von Zwangslizenzen geschaffen werden soll, für das eigene Auslöser, Verfahren und Bedingungen gelten. Das Instrument lässt die nationalen Zwangslizenzsysteme in den Mitgliedstaaten unangetastet, sorgt jedoch für Kohärenz mit anderen Krisen- und Notfallinstrumenten auf EU-Ebene und steht in vollem Einklang mit den im TRIPS-Übereinkommen festgelegten internationalen Anforderungen in Bezug auf die Vergabe von Zwangslizenzen.

Andere Regelungsmethoden wie eine Richtlinie zur Harmonisierung der nationalen Zwangslizenzsysteme der Mitgliedstaaten werden nicht als angemessen erachtet.

Erstens würde durch eine Richtlinie nur ein gewisses Maß an Harmonisierung erreicht. Eine Harmonisierung zentraler Aspekte der Vergabe von Zwangslizenzen könnte zwar dazu beitragen, die nationalen Systeme zu verbessern und Klarheit bezüglich ihrer Eigenschaften zu schaffen, dennoch läge die Entscheidung darüber, ob eine Krise vorliegt und ob eine Zwangslizenz erteilt werden soll, weiterhin bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Somit bestünde die Gefahr, dass die Richtlinie aufgrund der unterschiedlichen Verfahren und Traditionen im Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten nicht einheitlich umgesetzt und angewendet wird.

Zweitens würde sich die Situation bezüglich der grenzüberschreitenden Lieferung von Produkten durch eine Richtlinie nur in begrenztem Maße verbessern, da sowohl die im Herstellerland erteilte Zwangslizenz als auch die im Einfuhrland vergebenen Zwangslizenzen auf harmonisierten Vorschriften beruhen würden. Da jedoch das Patentrecht nicht erschöpfend ist, wären nach wie vor mehrere Zwangslizenzen in allen Herstellungs- und Einfuhrländern erforderlich.

Durch andere Maßnahmen wie die Annahme von Empfehlungen für eine stärkere Vereinheitlichung der nationalen Rechtsvorschriften würden weder die Unterschiede zwischen den einzelnen Zwangslizenzsystemen in der EU und der unzureichende räumliche Anwendungsbereich von nationalen Zwangslizenzen auf zufriedenstellende Weise angegangen, noch würde für Kohärenz mit bestehenden und künftigen EU-Kriseninstrumenten auf EU-Ebene gesorgt.

3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Konsultation der Interessenträger

Um Ansichten, Meinungen und Beweismaterial von Interessenträgern des öffentlichen und privaten Sektors zu sammeln, veröffentliche die Kommission eine Aufforderung zur Stellungnahme, in deren Rahmen zwischen dem 1. April und 29. April 2022 Beiträge eingereicht werden konnten. Insgesamt gingen Rückmeldungen von 57 Interessenträgern ein.

Darüber hinaus führte die Kommission zwischen dem 7. Juli und dem 29. September 2022 eine öffentliche Konsultation durch. Bei dieser öffentlichen Konsultation sollten sich die Interessenträger dazu äußern, wie ein möglichst effizientes Zwangslizenzsystem in der EU geschaffen und sichergestellt werden könnte, dass dieses zur Bewältigung EU-weiter und globaler Krisen geeignet ist. Die Konsultation konnte über das Portal „Bessere Rechtsetzung“ der Kommission aufgerufen werden und stand allen offen. Insgesamt gingen 74 Beiträge ein. Die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zeigen, dass eine große Mehrheit der Befragten der Ansicht ist, dass öffentliche Stellen befugt sein sollten, die Herstellung kritischer Produkte im Rahmen einer Zwangslizenz zu gestatten. Nach Ansicht vieler Befragter sollten die europäischen Institutionen dabei eher eine koordinierende und weniger eine beschlussfassende Rolle übernehmen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Vertreter der Unternehmen und der Industrie, die die größte Gruppe der Befragten darstellten, nur geringe Unterstützung für eine beschlussfassende Rolle äußerten. Die Interessenträger bewerten die in dieser Initiative vorgeschlagene Möglichkeit, eine Zwangslizenz auf EU-Ebene zu erteilen, mit Blick auf die Fähigkeit der EU zur Krisenbewältigung im Allgemeinen positiver als die Vergabe von Zwangslizenzen auf nationaler Ebene. Die Meinungen der Interessenträger zu diesem Punkt unterscheiden sich deutlich, wobei die Unterstützung seitens der Vertreter der Industrie gering ist: Die Mehrheit der Unternehmen und Wirtschaftsverbände ist der Ansicht, dass die Auswirkungen negativ wären. Dagegen rechnet keiner der Befragten der anderen Gruppen mit negativen Auswirkungen. Eine große Mehrheit geht von positiven Auswirkungen aus.

Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Im März 2022 gab die Kommission eine Studie mit dem Titel „Compulsory licensing of intellectual property rights“ (Vergabe von Zwangslizenzen für Rechte des geistigen Eigentums) [CEIPI(2023)] in Auftrag. Ziel dieser Studie war es, die Kommission dabei zu unterstützen, potenzielle Probleme im Zusammenhang mit der Vergabe von Zwangslizenzen in der EU zu identifizieren und politische Optionen zur Verbesserung der Kohärenz und Wirksamkeit in diesem Bereich zu ermitteln und zu bewerten. Zu diesem Zweck sollten im Rahmen der Studie mithilfe von Sekundärforschung, Fallstudien, Befragungen von Interessenträgern sowie zwei Workshops entsprechende Daten gesammelt werden. Die Studie wurde vom Centre for International Intellectual Property Studies (CEIPI), der Universität Straßburg (UNISTRA), der Impact Licensing Initiative (ILI) und Ecorys Nederland BV (ECORYS) durchgeführt.

Im Rahmen der Studie sollten Sachverständige der Mitgliedstaaten einen Fragebogen ausfüllen. Die Fragen konzentrierten sich auf die auf nationaler Ebene gesammelten Erfahrungen mit der Vergabe von Zwangslizenzen, den Anwendungsbereich von Zwangslizenzen und verfahrenstechnische Aspekte. Darüber hinaus wurde eine Reihe von 25 teilstrukturierten Befragungen mit nationalen Sachverständigen, Vertretern von Hochschulen, politischen Vertretern und Industrieexperten durchgeführt. Bei diesen Befragungen ging es vor allem darum, „unveröffentlichte“ Daten über die nationalen Verfahren und rechtlichen Anforderungen für die Vergabe von Zwangslizenzen zu sammeln. 

Zudem fanden zwei Workshops statt:

·ein erster zum Thema „Sammlung von Informationen über konkrete Fälle der Vergabe von Zwangslizenzen mit Meinungs- und Erfahrungsaustausch im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums“ am 28. und 29. April 2022 in Brüssel

·ein zweiter zum Thema „Politische Optionen für die Vergabe von Zwangslizenzen in Europa im Falle einer Krise“ am 9. und 10. Juni 2022 in Brüssel

Insgesamt nahmen 24 Personen an den beiden Workshops teil; dabei handelte es sich um Patentanwälte aus mehreren Mitgliedstaaten, zuständige Beamte sowie Vertreter aus verschiedenen Branchen.

Folgenabschätzung

Für die Initiative wurde eine Folgenabschätzung durchgeführt, zu der der Ausschuss für Regulierungskontrolle am 3. Februar 2023 eine befürwortende Stellungnahme mit Vorbehalten abgegeben hat. Im Rahmen der Folgenabschätzung wurden neben der Option, bei der keine Änderung der Politik vorgesehen ist, vier weitere Optionen geprüft:

·Option 1: Empfehlung zur Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement. Bei dieser Option würden bewährte nationale Verfahren für die Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement sowie bewährte Verfahren zur Koordinierung ermittelt, um deren Verbreitung in den Mitgliedstaaten zu fördern. Die Option wurde als unzureichend erachtet, da sie weder zu einer ausreichenden Harmonisierung führen würde noch einen angemessenen räumlichen Anwendungsbereich hätte. Darüber hinaus würde die Vergabe von Zwangslizenzen nicht vollständig in die Kriseninstrumente der EU eingebunden.

·Option 2: Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zur Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement. Bei dieser legislativen Initiative würden die nationalen Rechtsvorschriften über die Gründe, den Anwendungsbereich, das Verfahren und die Bedingungen für die Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement harmonisiert. Zwangslizenzen würden weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegen und überwiegend nationale Wirkung haben. Obwohl die nationalen Zwangslizenzsysteme weiter harmonisiert würden, wurden der räumliche Anwendungsbereich dieser Option und die Kohärenz mit den Kriseninstrumenten der EU als suboptimal angesehen.

·Option 3: Harmonisierung und verbindliche Maßnahme auf EU-Ebene zur Erteilung einer Zwangslizenz für das Krisenmanagement. Die Erteilung einer Zwangslizenz könnte durch Folgendes ausgelöst werden: i) einen Beschluss auf EU-Ebene zur Aktivierung eines Krisenmodus oder zur Ausrufung eines Notfalls im Rahmen eines bestehenden EU-Kriseninstruments (z. B. Aktivierung des Notfallmodus im Rahmen des SMEI) oder ii) die Stellung eines entsprechenden Antrags bei der Kommission durch mehr als einen Mitgliedstaat im Falle einer grenzüberschreitenden Krise. Die Kommission würde mit Unterstützung des zuständigen Beratungsgremiums eine Aktivierungsmaßnahme erlassen, mit der ein oder mehrere Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Zwangslizenz verpflichtet würden. Option 3 würde zu mehreren nationalen Zwangslizenzen führen, die jeweils für das Gebiet von mehreren EU-Mitgliedstaaten oder die gesamte EU gelten. Bei dieser Option wären ein angemessener räumlicher Anwendungsbereich sowie eine gute Kohärenz mit den Kriseninstrumenten der EU gegeben. Darüber hinaus würde sie im Vergleich zu Option 2 eine stärkere Harmonisierung ermöglichen. Diese Harmonisierung und die daraus resultierende Kohärenz und Effizienz der unionsweiten Zwangslizenz waren jedoch im Vergleich zur optimalen Lösung im Rahmen der Option 4 begrenzt.

·Option 4: Unionsweite Zwangslizenz zur Ergänzung der bestehenden EU-Kriseninstrumente. Die Auslöser wären die gleichen wie bei Option 3. Allerdings würde die Kommission mit Unterstützung des zuständigen Beratungsgremiums eine Aktivierungsmaßnahme zur Erteilung einer Zwangslizenz erlassen. Im Rahmen dieser Option würde die Kommission eine einzige Zwangslizenz mit eigenem Verfahren und eigenen Bedingungen erlassen, die für das Gebiet mehrerer EU-Mitgliedstaaten oder die gesamte EU gilt.

Der Folgenabschätzung zufolge wäre Option 4 die wirksamste und effizienteste Lösung, um die Ziele der Initiative zu erreichen. Mit dieser bevorzugten Option würde ein einheitliches Verfahren für die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz mit den für die Bewältigung einer Krise erforderlichen Eigenschaften geschaffen. Durch die Aktivierungsmaßnahme der Kommission würden gleiche Bedingungen in der gesamten EU gewährleistet und nationale Unterschiede vermieden, durch die eine effiziente Erteilung von Zwangslizenzen zur Bewältigung grenzüberschreitender Krisen mit hoher Wahrscheinlichkeit verlangsamt oder verhindert würde. Diese einzige Zwangslizenz würde in grenzüberschreitenden Situationen in allen relevanten Gebieten gelten. Sie würde sowohl für die Versorgung des EU-Markts als auch für die Ausfuhr gelten. Die Kohärenz mit den EU-Kriseninstrumenten wäre dadurch gewährleistet, dass auf deren Auslöser zurückgegriffen werden könnte und die durch diese Kriseninstrumente eingerichteten (Beratungs-)Gremien im Zuge der Beratungen über die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz angehört würden. Das vorgeschlagene Verfahren würde auch für Krisen gelten, die eine grenzüberschreitende Dimension in der EU aufweisen, aber nicht die Schwelle für die Aktivierung eines EU-Kriseninstruments erreichen (z. B. Krisen, die sich über mehrere Mitgliedstaaten erstrecken). Bei der in der Folgenabschätzung beschriebenen Option hätte das Verfahren auch von einem oder mehreren betroffenen Mitgliedstaaten eingeleitet werden können. Nach internen Diskussionen der Kommission wurde jedoch davon abgesehen, ein Recht der Mitgliedstaaten zur Einleitung des Verfahrens in den Legislativvorschlag aufzunehmen. (Daher weicht der Vorschlag teilweise von der in der Folgenabschätzung erörterten Option 4 ab). Es herrschte die Auffassung, dass eine größere Kohärenz mit den übrigen EU-Instrumenten zur Krisenvorsorge gegeben ist und es im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des vorgeschlagenen Instruments angemessener ist, wenn die Einleitung des Verfahrens ausschließlich im Rahmen eines EU-Kriseninstruments erfolgt. Durch diese Änderung dürfte die Einleitung des Verfahrens nochmals vereinfacht und das Vertrauen der Patentinhaber dahin gehend gestärkt werden, dass das Instrument nur im Falle schwerwiegender EU-weiter Krisen aktiviert würde. Dadurch würden sich auch die möglichen nachteiligen Auswirkungen des Vorschlags auf die Wettbewerbsfähigkeit in Grenzen halten. Durch die Änderung würden keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Im Rahmen der bevorzugten Option würden Patentinhaber von geringeren Kosten und mehr Rechtssicherheit profitieren, da sich die Verhandlungen auf die Teilnahme an einem einzigen Verfahren auf EU-Ebene beschränken würden. Potenzielle Lizenznehmer würden von dem zentralisierten Verfahren und dem großen räumlichen Geltungsbereich der Lizenz und damit verbundenen möglichen Größenvorteilen profitieren. Zudem könnten durch einen besseren Informationsaustausch leichter bewährte Verfahren ermittelt werden, wodurch sich die Kosten für die Mitgliedstaaten verringern würden. Was die Durchsetzungskosten betrifft, so käme das zentralisierte Verfahren den Mitgliedstaaten insofern zugute, als die Kosten für die Verhandlungen mit den Patentinhabern und den Herstellern ausschließlich auf EU-Ebene anfallen würden. Für in der EU ansässige Personen wäre diese Option insofern von großem Vorteil, als die EU besser in der Lage wäre, eine wirksame und effiziente Zwangslizenz für die gesamte EU zu erteilen, auch wenn es zu Unterbrechungen von grenzüberschreitenden Lieferketten kommt. Auch für Drittländer wäre diese Option von Vorteil, da es möglich wäre, eine Zwangslizenz für eine grenzüberschreitende Lieferkette zu erteilen.

Positive Auswirkungen auf die Gesellschaft würden sich daraus ergeben, dass die EU besser in der Lage wäre, schwerwiegende Krisen zu bewältigen; somit könnte durch die Eindämmung oder vollständige Beseitigung von Krisen dafür gesorgt werden, dass sich verschiedene Beeinträchtigungen des alltäglichen gesellschaftlichen Lebens in Grenzen halten. Obwohl Beeinträchtigungen des gesellschaftlichen Lebens durch Krisen aller Art verursacht werden können (z. B. Bedrohungen für die Umwelt, die nationale Sicherheit usw.), lieferte die COVID-19-Pandemie unlängst zahlreiche Beispiele für Beeinträchtigungen, die mit einem wirksameren Instrument zur Stärkung der Resilienz hätten vermieden werden können. Was die Folgen für die Umwelt betrifft, so könnten die positiven Auswirkungen der Initiative entscheidend dazu beitragen, den Zugang zu Produkten und Technologien zu verbessern, mit denen Umweltkrisen bewältigt werden können. Da der Vorschlag keine Auswirkungen auf Umweltvorschriften hat und sein Hauptziel darin besteht, die Verfahren zur Vergabe von Zwangslizenzen in grenzüberschreitenden Krisensituationen zu straffen und zu harmonisieren, ist bei keiner der untersuchten Optionen mit nennenswerten Umweltschäden zu rechnen.

Effizienz der Rechtsetzung und Vereinfachung

Mit dem Vorschlag wird ein auf EU-Ebene zentralisiertes System zur Vergabe von Zwangslizenzen geschaffen. In Krisensituationen wird es möglich sein, auf der Grundlage eines einzigen Antrags und im Rahmen eines einzigen Verfahrens nach einheitlichen Verfahrensregeln und Bedingungen eine EU-weit geltende Zwangslizenz zu erteilen. Somit kann durch ein einziges Verfahren erreicht werden, was sonst nur mittels mehrerer nationaler Verfahren zur Vergabe von Zwangslizenzen vor verschiedenen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten möglich wäre. Im Falle einer künftigen unvorhergesehenen Krise würde das mit dem Vorschlag eingeführte System zur Vergabe von Zwangslizenzen zu einer Senkung der Kosten führen, die Patentinhabern, Herstellern und Mitgliedstaaten durch die Teilnahme an Verhandlungen über Zwangslizenzen entstehen.

Grundrechte

Durch die Initiative würde ein zusätzliches Instrument zur Krisenbewältigung geschaffen. Durch die verbesserte Versorgung mit kritischen Produkten und Dienstleistungen könnte den elementarsten Bedürfnissen und Rechten der Menschen in der EU (etwa dem Bedürfnis nach und dem Recht auf Sicherheit und Gesundheit) im Falle einer Krise rascher und effizienter entsprochen werden.

Diese Initiative hat Auswirkungen auf das Recht von Patent- und Gebrauchsmusterinhabern auf Schutz des geistigen Eigentums (Artikel 17 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, im Folgenden „Charta“), da Patentinhabern durch Zwangslizenzen teilweise die Kontrolle über ihre Rechte entzogen wird. Die Rechte des geistigen Eigentums gelten nicht uneingeschränkt: Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte sind nach der Charta zulässig, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Vor diesem Hintergrund ist in dem Vorschlag vorgesehen, dass die Erteilung von Zwangslizenzen weiterhin nur in Ausnahmefällen möglich wäre und auf grenzüberschreitende Krisen beschränkt bliebe. Darüber hinaus würden Zwangslizenzen stets auf nicht ausschließlicher Basis und für eine bestimmte Geltungsdauer erteilt. Schließlich hätten Patentinhaber die Möglichkeit, ihre Ansichten über die Erteilung einer Zwangslizenz und die damit verbundenen Bedingungen zu äußern. Ein wichtiger Aspekt dieser Bedingungen besteht darin, dass Patentinhaber einen gerechten Ausgleich für die Einschränkung ihres Rechts erhalten können. Im Vorschlag ist vorgesehen, dass Patentinhaber stets Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für jede im Rahmen dieser Initiative erteilte Zwangslizenz hätten. Die Initiative könnte sich auch auf andere Grundrechte positiv auswirken, da ein zusätzliches Instrument zur Bewältigung von Krisen, auch im Gesundheitsbereich (Recht auf Gesundheitsschutz – Artikel 35 der Charta) oder im Umweltbereich (Recht auf Umweltschutz – Artikel 37 der Charta), geschaffen würde.

4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Im Falle einer künftigen unvorhergesehenen Krise würde die vorgeschlagene Initiative zu einer Senkung der Kosten führen, die Patentinhabern, Herstellern und Mitgliedstaaten durch die Teilnahme an Verhandlungen über Zwangslizenzen entstehen. Diese Kosten könnten für Unternehmen im Vergleich zum Status-quo-Szenario um etwa 75 % bis 80 % sinken (siehe Folgenabschätzung). Für die Mitgliedstaaten dürften die Verwaltungskosten unverändert bleiben oder sinken, wenn anstelle von nationalen Verhandlungen über Zwangslizenzen Verhandlungen auf EU-Ebene geführt würden, da der Aufwand zwar gleich bliebe, jedoch auf mehrere Länder verteilt würde. Der genaue monetäre Wert der Kosteneinsparungen für die Interessenträger kann nicht angegeben werden, da derartige Ereignisse selten und Art und Ausmaß einer künftigen Krise unbekannt sind. Da das neue Instrument nur im Falle einer schweren Krise in der EU und als letztes Mittel eingesetzt würde, würde es voraussichtlich nur sehr selten zum Einsatz kommen.

5.WEITERE ANGABEN

Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten

Die vorgeschlagene Rechtsvorschrift enthält eine Bestimmung, nach der spätestens drei Jahre nach der Einleitung eines Verfahrens zur Vergabe einer unionsweiten Zwangslizenz ein Bewertungsbericht vorgelegt werden muss. Im Rahmen der bevorzugten Option müssen die Mitgliedstaaten die Europäische Kommission in Kenntnis setzen, wenn sie die Erteilung einer Zwangslizenz für das Krisenmanagement in Erwägung ziehen oder eine solche Lizenz bereits erteilt haben; darüber hinaus müssen sie Informationen über diese Zwangslizenz bereitstellen (d. h. für Transparenz zu Aspekten wie dem Gegenstand der Zwangslizenz, den Hersteller oder den Bedingungen sorgen). Da die Vergabe von Zwangslizenzen nur selten zum Einsatz kommen dürfte, wird die Gesamtzahl der auf der Grundlage des vorgeschlagenen Instruments erteilten Zwangslizenzen voraussichtlich gering sein. Aus diesem Grund dürften für die Überwachung der grundlegenden beschreibenden Indikatoren keine zusätzlichen Systeme zur Datenerhebung und -überwachung erforderlich sein (die Erhebung und Verarbeitung von Informationen kann manuell erfolgen).

Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

In Artikel 1 wird der Gegenstand des Vorschlags dargelegt. Darin wird ausgeführt, dass durch diesen Vorschlag das Verfahren und die Bedingungen für die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz zur Bewältigung einer Krise in der EU festgelegt werden.

In Artikel 2 wird der Anwendungsbereich der unionsweiten Zwangslizenz festgelegt. Damit die unionsweite Zwangslizenz in Krisensituationen wirksam funktionieren kann, erstreckt sich ihr Anwendungsbereich auf Patente, veröffentlichte Patentanmeldungen, ergänzende Schutzzertifikate und Gebrauchsmuster.

Artikel 3 enthält Begriffsbestimmungen zu den wichtigsten Elementen dieses Vorschlags. Diese Begriffsbestimmungen beruhen auf bereits bestehenden Begriffsbestimmungen.

Artikel 4 bildet die Rechtsgrundlage, auf der die Kommission eine unionsweite Zwangslizenz für die gesamte EU erteilen kann. Demnach ist die Kommission befugt, eine unionsweite Zwangslizenz zu erteilen, wenn auf EU-Ebene ein Krisen- oder Notfallmodus aktiviert oder ausgerufen wird. Dadurch sollen die Krisenmechanismen der EU ergänzt werden, indem die Vergabe von Zwangslizenzen als Teil dieser Mechanismen ermöglicht wird.

In Artikel 5 sind die allgemeinen Bedingungen dargelegt, die die Kommission bei der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz berücksichtigen muss.

Artikel 6 enthält Vorschriften für die Konsultation eines Beratungsgremiums, das der Kommission, wenn diese die Vergabe einer unionsweiten Zwangslizenz erwägt, eine unverbindliche Stellungnahme vorlegen soll.

In Artikel 7 ist das Verfahren für die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz festgelegt. Nach diesem Artikel wird eine unionsweite Zwangslizenz im Wege eines Durchführungsrechtsakts erteilt. Ferner ist eine angemessene Beteiligung des Rechteinhabers vorgesehen, um dessen Recht auf Unterrichtung und Stellungnahme zu gewährleisten. Des Weiteren wird die Kommission verpflichtet, die für die Zwangslizenz relevanten Rechteinhaber zu ermitteln.

Artikel 8 enthält Vorschriften dazu, welche Angaben die unionsweite Zwangslizenz enthalten muss. Zudem wird festgelegt, welche Aspekte die Kommission in ihrer Entscheidung berücksichtigen sollte und welche Angaben gemacht werden müssen.

In Artikel 9 wird der Lizenznehmer verpflichtet, dem Rechteinhaber eine angemessene Entschädigung zu zahlen; ferner werden die Kriterien aufgeführt, anhand derer die Kommission die Höhe dieser Entschädigung festlegt.

Artikel 10 enthält die an die unionsweite Zwangslizenz geknüpften besonderen Bedingungen, die der Lizenznehmer erfüllen muss. Er umfasst Bedingungen, die die Nutzung der Erfindung, die Gegenstand der unionsweiten Zwangslizenz ist, einschränken.

Artikel 11 sieht ein Ausfuhrverbot für Produkte vor, die im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt wurden. Diese Produkte dürfen nicht aus der Europäischen Union ausgeführt werden.

Artikel 12 enthält Einzelheiten zu den von den Zollbehörden durchzuführenden Kontrollmaßnahmen, unter anderem in Bezug auf das Ausfuhrverbot.

In Artikel 13 wird festgelegt, dass die Beziehungen zwischen dem Rechteinhaber und dem Lizenznehmer auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhen sollten.

Durch Artikel 14 erhält die Kommission die Befugnis, die Zwangslizenz unter bestimmten Bedingungen zu ändern, durch zusätzliche Maßnahmen zu ergänzen oder zurückzunehmen.

Nach Artikel 15 ist die Kommission berechtigt, Geldbußen zu verhängen, wenn eine der von einer Zwangslizenz betroffenen Parteien ihren Pflichten aus dieser Verordnung nicht nachkommt.

Nach Artikel 16 ist die Kommission berechtigt, Zwangsgelder zu verhängen, wenn eine der von einer Zwangslizenz betroffenen Parteien ihren Pflichten aus dieser Verordnung nicht nachkommt.

In Artikel 17 ist die Verjährungsfrist für die Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern geregelt.

In Artikel 18 ist die Verjährungsfrist für die Vollstreckung von Geldbußen und Zwangsgeldern geregelt.

Artikel 19 enthält Vorschriften in Bezug auf den Anspruch des Rechteinhabers und des Lizenznehmers auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern.

Durch Artikel 20 wird die Kommission verpflichtet, ihre Beschlüsse zur Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu veröffentlichen.

In Artikel 21 ist festgelegt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die Befugnis zur Ermessensnachprüfung von Beschlüssen hat, mit denen die Kommission Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt hat.

Durch Artikel 22 werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Kommission zu unterrichten, wenn eine nationale Zwangslizenz zur Bewältigung einer Krisensituation erteilt wurde.

Mit Artikel 23 wird die bestehende Verordnung (EG) Nr. 816/2006 geändert, indem die Artikel 18a und 18b eingefügt werden. Artikel 18a umfasst Vorschriften für die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz für die Ausfuhr von Arzneimitteln in Drittländer mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Nach diesem Artikel wird eine unionsweite Zwangslizenz im Wege eines Durchführungsrechtsakts erteilt.
Mit Artikel 18b wird eine Bezugnahme auf den Ausschuss sowie auf die Verordnung (EU) Nr. 182/2011 eingeführt.

Mit Artikel 24 wird ein Ausschuss für das Ausschussverfahren eingesetzt und eine Bezugnahme auf die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 eingeführt.

Durch Artikel 25 wird die Kommission verpflichtet, eine Überprüfung vorzunehmen, wenn aufgrund einer grenzüberschreitenden Krise in der EU eine unionsweite Zwangslizenz erteilt worden ist.

In Artikel 26 ist das Datum des Inkrafttretens der Verordnung festgelegt.

2023/0129 (COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über die Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 816/2006

(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf die Artikel 114 und 207,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 1 ,

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen 2 ,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Krisen erfordern außergewöhnliche, rasche und angemessene Maßnahmen, durch die geeignete Mittel für die Bewältigung der Folgen der Krise bereitgestellt werden können. In diesem Zusammenhang könnte sich der Einsatz von patentierten Erzeugnissen oder Verfahren als unverzichtbar erweisen, um die Folgen einer Krise zu bewältigen. Freiwillige Lizenzvereinbarungen sind in der Regel ausreichend, um die Patentrechte an diesen Produkten zu lizenzieren und ihre Bereitstellung im Gebiet der Union zu gestatten. Freiwillige Vereinbarungen sind die am besten geeignete, schnellste und effizienteste Lösung, um den Einsatz patentierter Produkte zu ermöglichen, auch in Krisenfällen. Dennoch kann es Fälle geben, in denen freiwillige Vereinbarungen nicht verfügbar oder nur unter unangemessenen Bedingungen wie langen Lieferzeiten möglich sind. In derartigen Fällen kann die Vergabe von Zwangslizenzen eine Lösung darstellen, um den Zugang zu patentierten Produkten zu ermöglichen, insbesondere zu solchen, die zur Bewältigung der Folgen einer Krise erforderlich sind.

(2)Daher sollte die Union im Rahmen ihrer Krisen- oder Notfallmechanismen die Möglichkeit haben, auf die Vergabe von Zwangslizenzen zurückzugreifen. Die Aktivierung eines Krisen- oder Notfallmodus bzw. die Ausrufung einer Krisensituation oder eines Ausnahmezustands dient in Krisenzeiten dazu, Hindernisse für den freien Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr zu beseitigen und Engpässen bei krisenrelevanten Waren und Dienstleistungen entgegenzuwirken. In Fällen, in denen der Zugang zu patentgeschützten krisenrelevanten Erzeugnissen und Verfahren nicht durch freiwillige Zusammenarbeit erreicht werden kann, kann die Vergabe von Zwangslizenzen dazu beitragen, patentbezogene Hindernisse zu beseitigen und somit die Versorgung mit Produkten oder Dienstleistungen sicherzustellen, die zur Bewältigung einer aktuellen Krise oder eines aktuellen Notfalls benötigt werden. Daher ist es wichtig, dass sich die Union im Rahmen der genannten Krisenmechanismen auf eine effiziente, wirksame und innerhalb der Union einheitlich geltende Regelung bezüglich der Vergabe von Zwangslizenzen auf Unionsebene stützen kann. Dadurch würde ein funktionierender Binnenmarkt garantiert; gleichzeitig würden im Binnenmarkt die Versorgung mit und der freie Verkehr von krisenkritischen Produkten, die einer Zwangslizenz unterliegen, sichergestellt.

(3)Die Möglichkeit, bei nationalen Notständen oder sonstigen Umständen von äußerster Dringlichkeit auf Zwangslizenzen zurückzugreifen, ist ausdrücklich im Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden „TRIPS-Übereinkommen“) 3 vorgesehen.

(4)Alle Mitgliedstaaten haben einen Rahmen für die Vergabe von Zwangslizenzen für Patente in ihr nationales Recht aufgenommen. Gemäß den nationalen Rechtsvorschriften ist die Vergabe von Zwangslizenzen in der Regel aus Gründen des öffentlichen Interesses oder in Notfällen möglich. Allerdings bestehen zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede bezüglich der Gründe, Bedingungen und Verfahren für die Erteilung von Zwangslizenzen. Dies hat ein fragmentiertes, suboptimales und unkoordiniertes System zur Folge, das die Union daran hindert, bei der Bewältigung einer grenzüberschreitenden Krise wirksam auf Zwangslizenzen zurückzugreifen.

(5)Nationale Zwangslizenzsysteme erstrecken sich nur auf das jeweilige nationale Hoheitsgebiet. Sie sollen den Bedürfnissen der Bevölkerung des die Zwangslizenz erteilenden Mitgliedstaates entsprechen und dem öffentlichen Interesse dieses Mitgliedstaates dienen. Dieser begrenzte räumliche Anwendungsbereich der nationalen Zwangslizenzsysteme ist umso gewichtiger, als die Patentrechte in Bezug auf Produkte, die im Rahmen einer Zwangslizenz hergestellt werden, nicht erschöpfend sind. Folglich stellen diese Zwangslizenzsysteme keine geeignete Lösung für grenzüberschreitende Herstellungsprozesse dar, und daher gibt es keinen funktionierenden Binnenmarkt für Produkte, die im Rahmen einer Zwangslizenz hergestellt werden. Abgesehen davon, dass die Erteilung einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Zwangslizenzen eine hohe Hürde für die grenzüberschreitende Versorgung innerhalb des Binnenmarkts darstellt, birgt sie auch die Gefahr, dass die von den Mitgliedstaaten getroffenen Entscheidungen einander widersprechen oder nicht kohärent zueinander sind. Daher scheint der derzeitige Rahmen für die Vergabe von Zwangslizenzen unzureichend zu sein, um den realen Gegebenheiten des Binnenmarktes und der in ihm bestehenden grenzüberschreitenden Lieferketten gerecht zu werden. Aufgrund des suboptimalen Rahmens für die Vergabe von Zwangslizenzen ist die Union nicht in der Lage, in Krisensituationen – insbesondere, wenn freiwillige Vereinbarungen nicht verfügbar oder unzureichend sind – auf dieses zusätzliche Instrument zurückzugreifen. In einer Zeit, in der die Union und ihre Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen darauf richten, ihre Krisenfestigkeit zu verbessern, bedarf es eines optimalen Systems zur Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement, in dessen Rahmen die Möglichkeiten des Binnenmarkts in vollem Umfang genutzt werden und die Mitgliedstaaten in Krisen einander Unterstützung leisten können.

(6)Daher ist es notwendig, auf Unionsebene eine Zwangslizenz für das Krisen- bzw. Notfallmanagement einzuführen. Im Rahmen dieses Systems sollte die Kommission die Befugnis erhalten, eine unionsweit gültige Zwangslizenz (im Folgenden „unionsweite Zwangslizenz“) zu erteilen, die die Herstellung und Verteilung von Produkten erlaubt, die zur Bewältigung einer Krise oder eines Notfalls in der Union erforderlich sind.

(7)Im Laufe der letzten Jahre hat die Europäische Union mehrere Krisenmechanismen eingeführt, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen oder Notfällen, die die Union betreffen, zu verbessern. Zu den jüngsten Mechanismen zählen das Notfallinstrument für den Binnenmarkt (SMEI), das mit der Verordnung (EU) Nr. XXX/XX [COM(2022) 459] eingeführt wurde, und die Verordnung (EU) 2022/2371, nach der die Kommission eine gesundheitliche Notlage auf Unionsebene feststellen kann. Im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene könnte ein Rahmen für Maßnahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen gemäß der Verordnung (EU) 2022/2372 aktiviert werden. Darüber hinaus kann die Kommission im Falle eines erheblichen Engpasses bei Halbleitern, der auf schwerwiegende Störungen bei der Versorgung zurückzuführen ist, im Wege von Durchführungsrechtsakten gemäß der Verordnung (EU) XXX/XX (Chip-Gesetz) [COM(2022) 46] eine Krisenstufe aktivieren.

(8)Durch diese Mechanismen kann ein Notfall- oder Krisenmodus aktiviert werden und sollen Mittel zur Bewältigung unionsweiter Notlagen bereitgestellt werden. Indem der Kommission die Befugnis erteilt wird, eine Zwangslizenz zu erteilen, wenn ein Krisen- bzw. Notfallmodus durch einen Rechtsakt der Union aktiviert wurde, wird die erforderliche Synergie zwischen den bestehenden Krisenmechanismen und einem unionsweiten System zur Vergabe von Zwangslizenzen erreicht. In einem solchen Fall hängt die Feststellung des Vorliegens einer Krise oder eines Notfalls ausschließlich von dem dem Krisenmechanismus zugrunde liegenden Rechtsakt der Union und der darin enthaltenen Definition einer Krise ab. Im Interesse der Rechtssicherheit sollten die Krisenmechanismen, die als Notfallmaßnahmen oder Maßnahmen bei äußerster Dringlichkeit der Union gelten und auf deren Grundlage eine unionsweite Zwangslizenz erteilt werden kann, in einem Anhang der vorliegenden Verordnung aufgeführt werden.

(9)Damit die unionsweite Zwangslizenz als Instrument zur Krisenbewältigung optimal wirken kann, sollte sie für ein erteiltes Patent oder ein Gebrauchsmuster, eine veröffentlichte Patentanmeldung oder ein ergänzendes Schutzzertifikat zur Verfügung stehen. Gleichermaßen sollte die unionsweite Zwangslizenz für nationale Patente, europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung gelten.

(10)Durch Gebrauchsmustersysteme werden neue technische Erfindungen geschützt, die nicht die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfüllen; der Schutz erfolgt durch die Einräumung eines ausschließlichen Rechts, andere für einen begrenzten Zeitraum daran zu hindern, die geschützten Erfindungen ohne Zustimmung der Rechteinhaber kommerziell zu verwerten. Allerdings werden Gebrauchsmuster je nach Land unterschiedlich definiert, und nicht alle Mitgliedstaaten verfügen über Gebrauchsmustersysteme. Im Allgemeinen eignen sich Gebrauchsmuster für den Schutz von Erfindungen, die geringfügige Verbesserungen oder Anpassungen bestehender Produkte bewirken oder die eine kurze Lebensdauer haben. Allerdings können durch Gebrauchsmuster – ähnlich wie durch Patente – auch solche Erfindungen geschützt werden, die sich als notwendig für die Bewältigung einer Krise erweisen könnten; daher sollten sie in den Geltungsbereich der unionsweiten Zwangslizenz aufgenommen werden.

(11)Eine unionsweite Zwangslizenz für ein Patent sollte sich auch auf das ergänzende Schutzzertifikat erstrecken, und zwar in den Fällen, in denen der entsprechende Schutz gewährt wird, wenn das Patent während der Geltungsdauer dieser Zwangslizenz ausläuft. Dadurch könnte eine Zwangslizenz für ein Patent auch dann ihre Wirkung entfalten, wenn die krisenrelevanten Produkte nicht mehr durch ein Patent geschützt sind, sondern der Schutz nach Ablauf des Patents durch ein ergänzendes Schutzzertifikat erfolgt. Die Zwangslizenz sollte auch für einzelne ergänzende Schutzzertifikate gelten, wenn die Lizenz nach dem Erlöschen des Patents erteilt wird.

(12)Die unionsweite Zwangslizenz sollte zudem für veröffentlichte Patentanmeldungen für nationale Patente sowie für europäische Patente gelten. Da die Erteilung eines Patents nach der Veröffentlichung der Patentanmeldung Jahre dauern kann, könnte für den Fall, dass ausschließlich Erfindungen berücksichtigt werden, die durch ein erteiltes Patent geschützt sind, womöglich keine wirksame und rechtzeitige Krisenreaktion erfolgen. In Krisensituationen können Lösungen erforderlich sein, die dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Darüber hinaus sehen bestimmte nationale Patentrechtsvorschriften sowie das Europäische Patentübereinkommen vor, dass Anmelder von Patenten insofern geschützt sind, als ihre Erfindung nicht ohne ihre Zustimmung genutzt werden darf, und somit die Möglichkeit haben, Lizenzen für die Nutzung ihrer sich aus der Patentanmeldung ergebenden Rechte zu vergeben. Damit eine unionsweite Zwangslizenz für eine veröffentlichte Patentanmeldung auch nach der Erteilung des Patents ihre Wirkung behält, sollte sie sich auch auf das erteilte Patent erstrecken, sofern das krisenrelevante Produkt weiterhin den jeweiligen Patentansprüchen unterliegt.

(13)Es sollte präzisiert werden, dass diese Verordnung das Unionsrecht über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – insbesondere die Richtlinien 96/9/EG 4 , 2009/24/EG 5 , 2001/29/EG 6 , 2004/48/EG 7 und (EU) 2019/790 8 des Europäischen Parlaments und des Rates, in denen bestimmte Vorschriften und Verfahren festgelegt sind, die unberührt bleiben sollten – nicht berührt.

(14)Wenn eine Zwangslizenz erteilt wurde, können Datenschutzvorschriften, sofern sie noch in Kraft sind, dazu führen, dass Zwangslizenzen nicht wirksam genutzt werden können, da sie die Zulassung von Generika erschweren. Dies hätte insofern schwerwiegende negative Folgen für unionsweite Zwangslizenzen, die zur Bewältigung einer Krise erteilt werden, als dadurch der Zugang zu Arzneimitteln, die für die Bewältigung der Krise erforderlich wären, erschwert werden könnte. Aus diesem Grund sieht das Arzneimittelrecht der Union (vgl. Artikel 80 Absatz 4 der Richtlinie (EU) Nr. XXX/XX [COM(2023) 192]) vor, dass die Datenexklusivität und der Marktschutz ausgesetzt werden können, wenn eine Zwangslizenz erteilt wurde, um eine gesundheitliche Notlage zu bewältigen. Eine solche Aussetzung ist nur in Bezug auf die erteilte Zwangslizenz und den entsprechenden Lizenznehmer zulässig und muss mit den Zielen, dem räumlichen Geltungsbereich, der Geltungsdauer und dem Gegenstand der erteilten Zwangslizenz vereinbar sein. Die Aussetzung bedeutet, dass die Datenexklusivität und der Marktschutz in Bezug auf den Lizenznehmer der Zwangslizenz keine Wirkung entfalten, solange die Lizenz in Kraft ist. Sobald die Zwangslizenz ausläuft, werden die Datenexklusivität und der Marktschutz wieder wirksam. Die Aussetzung sollte nicht zu einer Verlängerung der ursprünglichen Geltungsdauer des gesetzlichen Datenschutzes führen.

(15)Um für größtmögliche Kohärenz mit den bestehenden Krisenmechanismen und anderen Rechtsvorschriften der Union zu sorgen, sollte die Definition des Begriffs „krisenrelevantes Produkt“ auf der im Kontext des Notfallinstruments für den Binnenmarkt (SMEI) verwendeten Definition beruhen, jedoch allgemeiner gefasst sein, damit Produkte erfasst werden, die für verschiedene Arten von Krisen oder Notfällen relevant sind.

(16)Durch eine unionsweite Zwangslizenz wird die Nutzung einer geschützten Erfindung ohne die Zustimmung des Rechteinhabers gestattet. Sie darf daher nur in Ausnahmefällen und unter Bedingungen erteilt werden, bei denen die Interessen des Rechteinhabers berücksichtigt werden. Das bedeutet unter anderem, dass Umfang, Geltungsdauer und räumlicher Geltungsbereich der Lizenz klar festgelegt werden müssen. Im Rahmen der Krisenmechanismen auf Unionsebene wird der Krisen- oder Notfallmodus für einen begrenzten Zeitraum aktiviert oder ausgerufen. Erfolgt die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz in einem solchen Zusammenhang, darf die Geltungsdauer der Lizenz die Dauer, für die der Krisen- oder Notfallmodus aktiviert oder ausgerufen wurde, nicht überschreiten. Um sicherzustellen, dass eine Zwangslizenz sowohl ihren Zweck als auch die einschlägigen Bedingungen erfüllt, sollte die Nutzung der Erfindung nur qualifizierten Personen gestattet werden, die in der Lage sind, das krisenrelevante Produkt herzustellen und eine angemessene Entschädigung an den Rechteinhaber zu zahlen.

(17)Zieht die Kommission die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz in Betracht, so sollte sie Unterstützung von einem Beratungsgremium erhalten, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Das Beratungsgremium sollte bei der Erörterung der Frage, ob die Erteilung einer Zwangslizenz im Rahmen des betreffenden Instruments erforderlich ist, frühzeitig konsultiert werden. Die Erörterung der Frage, ob eine unionsweite Zwangslizenz erforderlich ist, beginnt häufig bereits im Rahmen der Arbeit des Beratungsgremiums, das für den betreffenden Krisen- oder Notfallmechanismus der Union zuständig ist. In diesem Fall braucht die Kommission das Beratungsgremium nicht einzuberufen, sondern sollte lediglich frühzeitig darauf hinweisen, dass dieses Gremium auch befugt ist, die Notwendigkeit der Erteilung einer Zwangslizenz auf Unionsebene sowie die Bedingungen dafür zu beurteilen. Die Zuständigkeit des Beratungsgremiums sollte frühzeitig geklärt werden, sobald die Kommission konkrete Überlegungen zur Erteilung einer Zwangslizenz auf Unionsebene äußert.

(18)Durch die Beteiligung eines Beratungsgremiums soll gewährleistet werden, dass die betreffende Situation umfassend, gründlich und konkret sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts bewertet wird. Daher ist es wichtig, dass das Beratungsgremium eine geeignete Zusammensetzung aufweist sowie über geeignete Fachkenntnisse und Verfahren verfügt, um die Kommission bei der Entscheidung darüber zu unterstützen, ob und unter welchen Bedingungen eine unionsweite Zwangslizenz erteilt werden soll. Im Rahmen der Krisenmechanismen der Union wird in der Regel ein Beratungsgremium eingesetzt, das für die Koordinierung der Maßnahmen der Kommission sowie der einschlägigen Einrichtungen und sonstigen Stellen, des Rates und der Mitgliedstaaten zuständig ist. Zu diesem Zweck wird im Rahmen des SMEI eine Beratungsgruppe eingesetzt. In der Verordnung (EU) 2022/2371 ist ein Gesundheitskrisenstab vorgesehen, und im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. XXX/XX (Chip-Gesetz) [COM(2022) 46] arbeitet die Kommission mit dem europäischen Halbleitergremium zusammen. Diese Beratungsgremien weisen eine geeignete Zusammensetzung auf und verfügen über geeignete Fachkenntnisse und Verfahren, um die Krisen und Notfälle, für die sie eingerichtet wurden, zu bewältigen. Wird im Zusammenhang mit einem solchen Kriseninstrument die Vergabe einer Zwangslizenz erörtert, erhält die Kommission dadurch, dass sie mit dem für das betreffende Instrument eingerichteten Beratungsgremium zusammenarbeitet, eine angemessene Beratung; zudem wird vermieden, dass mehrere unterschiedliche Beratungsgremien angerufen werden müssen, wodurch es zu Unstimmigkeiten zwischen den jeweiligen Verfahren kommen könnte. Die zuständigen Beratungsgremien werden zusammen mit den entsprechenden Krisenmechanismen in einem Anhang der vorliegenden Verordnung aufgeführt. Ist im Rahmen des betreffenden Krisenmechanismus der Union kein Beratungsgremium vorgesehen, sollte die Kommission für die Erteilung der unionsweiten Zwangslizenz ein Ad-hoc-Beratungsgremium (im Folgenden „Ad-hoc-Beratungsgremium“) einrichten.

(19)Die Aufgabe des Beratungsgremiums besteht darin, die Kommission bei der Erörterung der Frage, ob eine Zwangslizenz auf Unionsebene erforderlich ist, zu beraten. Zu diesem Zweck sollte es der Kommission eine unverbindliche Stellungnahme vorlegen. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört es, die Kommission dabei zu unterstützten, die Notwendigkeit der Erteilung einer Zwangslizenz auf Unionsebene festzustellen und die Bedingungen für die Erteilung einer solchen Lizenz festzulegen. Wenn das Beratungsgremium bereits existiert, sollte seine bestehende Geschäftsordnung gelten. Wird ein Ad-hoc-Beratungsgremium eingerichtet, so sollte es je einen Vertreter jedes Mitgliedstaats umfassen, damit es der Kommission Informationen und Vorschläge bezüglich der Gegebenheiten auf nationaler Ebene vorlegen kann, darunter Informationen über Fertigungskapazitäten, potenzielle Lizenznehmer und gegebenenfalls Vorschläge für freiwillige Lösungen. Darüber hinaus sollte das Beratungsgremium die Aufgabe haben, einschlägige Daten zu sammeln und zu analysieren sowie die Kohärenz und Zusammenarbeit mit anderen krisenrelevanten Gremien auf Ebene der Union und der Mitgliedstaaten sicherzustellen, damit eine angemessene, koordinierte und kohärente Krisenreaktion auf Unionsebene gewährleistet ist.

(20)Die Kommission sollte die unionsweite Zwangslizenz unter Berücksichtigung der unverbindlichen Stellungnahme des Beratungsgremiums erteilen. Personen, deren Interessen durch die unionsweite Zwangslizenz berührt werden könnten, insbesondere Lizenznehmer und Rechteinhaber, sollten die Möglichkeit erhalten, sich zu äußern. Anhand dieser Beiträge sollte die Kommission in der Lage sein, den jeweiligen Sachverhalt zu prüfen und auf dieser Grundlage geeignete Bedingungen für die Lizenz festzulegen, wozu auch eine angemessene Entschädigung zählt, die der Lizenznehmer an den Rechteinhaber zu zahlen hat. Um eine Überproduktion im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz zu vermeiden, sollte die Kommission auch auf nationaler Ebene bereits bestehende Zwangslizenzen berücksichtigen.

(21)Die Kommission sollte garantieren, dass der Rechteinhaber das Recht erhält, vor der Annahme der unionsweiten Zwangslizenz gehört zu werden. Daher sollte die Kommission den betreffenden Rechteinhaber, wenn möglich persönlich, unverzüglich darüber in Kenntnis setzen, dass die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz in Erwägung gezogen wird. Der Rechteinhaber sollte einbezogen werden können, sobald in dem zuständigen Beratungsgremium weiterführende Beratungen über die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz stattfinden.

(22)Wenn der Rechteinhaber darüber informiert wird, dass weiterführende Beratungen über die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz stattfinden, sollte er die Möglichkeit erhalten, eine freiwillige Vereinbarung vorzuschlagen, sofern dies in Anbetracht der Umstände der Krise oder des Notfalls in der Union, einschließlich der Dringlichkeit der Situation, möglich ist. Darüber hinaus sollte der Rechteinhaber im Falle der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz die Möglichkeit erhalten, sich zur Notwendigkeit dieser Zwangslizenz sowie zu deren Bedingungen, einschließlich der Entschädigung, zu äußern. Zu diesem Zweck sollte der Rechteinhaber die Möglichkeit haben, der Kommission schriftliche oder mündliche Stellungnahmen sowie sämtliche Informationen zu übermitteln, die er als sachdienlich erachtet, damit die Kommission eine faire, umfassende und gründliche Bewertung der Situation vornehmen kann. Die Kommission sollte dem Rechteinhaber eine angemessene Frist für die Übermittlung von Stellungnahmen und Informationen einräumen, wobei dessen jeweilige Situation und die Dringlichkeit der Lage zu berücksichtigen sind. Gegebenenfalls sollte die Kommission die Stellungnahmen des Rechteinhabers an das zuständige Beratungsgremium weiterleiten. Damit auch vertrauliche Informationen an die Kommission übermittelt werden können, sorgt diese für ein sicheres Umfeld für die Weitergabe dieser Informationen; ferner sollte sie Maßnahmen ergreifen, um die Vertraulichkeit der vom Rechteinhaber im Rahmen des jeweiligen Verfahrens vorgelegten Unterlagen zu wahren. Nach der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz sollte die Kommission den betroffenen Rechteinhaber so rasch wie nach vernünftigem Ermessen möglich hierüber in Kenntnis setzen.

(23)Die Einleitung eines Verfahrens zur Vergabe einer Zwangslizenz sollte durch eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegeben werden. Diese Bekanntmachung sollte Informationen über die Beratungen zur Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz im Rahmen eines Krisen- oder Notfallmechanismus der Union enthalten. Ferner sollte die Bekanntmachung es der Kommission erleichtern, die betreffenden Rechte des geistigen Eigentums, die betreffenden Rechteinhaber und die potenziellen Lizenznehmer zu ermitteln.

(24)Die Kommission sollte sich mit Unterstützung des Beratungsgremiums nach Kräften darum bemühen, im Rahmen ihrer Entscheidungen die mit den betreffenden krisenrelevanten Produkten verbundenen Patente, Patentanmeldungen, ergänzenden Schutzzertifikate und Gebrauchsmuster sowie die Inhaber der entsprechenden Rechte des geistigen Eigentums zu ermitteln. Unter bestimmten Umständen kann die Ermittlung der Rechte des geistigen Eigentums und ihrer jeweiligen Inhaber langwierige und komplexe Untersuchungen erfordern. In solchen Fällen kann eine vollständige Ermittlung aller Rechte des geistigen Eigentums und ihrer Inhaber die effiziente Nutzung einer unionsweiten Zwangslizenz für eine rasche Bewältigung einer Krise oder eines Notfalls ernsthaft beeinträchtigen. Daher sollte die Kommission in Fällen, in denen die Ermittlung aller Rechte des geistigen Eigentums und ihrer Inhaber die Erteilung der unionsweiten Zwangslizenz erheblich verzögern würde, die Möglichkeit haben, in der Lizenz zunächst nur den Freinamen des Produkts anzugeben, für das die Lizenz erteilt werden soll. Dennoch sollte die Kommission so bald wie möglich alle geltenden und einschlägigen Rechte des geistigen Eigentums und deren Inhaber ermitteln und den Durchführungsrechtsakt entsprechend ändern. In dem geänderten Durchführungsrechtsakt sollten zudem alle erforderlichen Schutzvorkehrungen und die an den jeweils ermittelten Rechteinhaber zu zahlende Entschädigung festgelegt werden.

(25)Wenn es nicht möglich ist, den Rechteinhaber innerhalb einer angemessenen Frist zu ermitteln, oder nicht alle Rechteinhaber innerhalb dieser Frist ermittelt werden konnten, sollte die Kommission ausnahmsweise befugt sein, die unionsweite Zwangslizenz ausschließlich unter Bezugnahme auf den Freinamen des krisenrelevanten Produkts zu erteilen, wenn dies angesichts der Dringlichkeit der Lage unbedingt erforderlich ist. Nach der Erteilung der unionsweiten Zwangslizenz sollte die Kommission die betroffenen Rechteinhaber jedoch so schnell wie möglich ermitteln, benachrichtigen und konsultieren, unter anderem im Rahmen von Bekanntmachungen sowie mithilfe der nationalen Ämter für geistiges Eigentum.

(26)Des Weiteren sollte die unionsweite Zwangslizenz Folgendes umfassen: Informationen, anhand derer das krisenrelevante Produkt, für das sie erteilt wird, identifiziert werden kann, sowie Einzelheiten über den Lizenznehmer, dem die unionsweite Zwangslizenz erteilt wird, einschließlich Angaben zur Beschreibung, zum Namen oder zur Marke des Produkts; die Warennummern, unter denen die krisenrelevanten Produkte gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates eingereiht sind; Angaben zu den Lizenznehmern (und gegebenenfalls den Herstellern), denen die Zwangslizenz erteilt wird, einschließlich ihres Namens, ihres Handelsnamens oder ihrer eingetragenen Marke, ihrer Kontaktdaten, ihrer eindeutigen Kennnummer in dem Land, in dem sie niedergelassen sind, und, sofern verfügbar, ihrer Registrierungs- und Identifizierungsnummer für Wirtschaftsbeteiligte (EORI-Nummer). Sofern es nach dem Unionsrecht erforderlich ist, sollten auch andere Angaben aufgeführt sein, z. B. eine Typ-, Referenz-, Modell-, Chargen- oder Seriennummer oder die eindeutige Kennung eines Produktpasses.

(27)Der Lizenznehmer sollte dem Rechteinhaber eine angemessene Entschädigung zahlen, deren Höhe von der Kommission festgesetzt wird. Bei der Festsetzung der Höhe der Entschädigung sollten folgende Elemente berücksichtigt werden: der wirtschaftliche Wert der Verwertung, die dem Lizenznehmer und den von der Krise betroffenen Mitgliedstaaten im Rahmen der Lizenz zugestanden wird, etwaige öffentliche Unterstützung, die der Rechteinhaber für die Entwicklung der Erfindung erhalten hat, der Umfang, in dem sich die Entwicklungskosten amortisiert haben, sowie die humanitären Umstände im Zusammenhang mit der Erteilung der unionsweiten Zwangslizenz. Überdies sollte die Kommission die Stellungnahmen des Rechteinhabers und die Bewertung des Beratungsgremiums in Bezug auf die Höhe der Entschädigung berücksichtigen. In jedem Fall sollte die Entschädigung nicht mehr als 4 % der gesamten Bruttoeinnahmen betragen, die der Lizenznehmer durch die Tätigkeiten im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz erzielt. Dieser Prozentsatz entspricht dem in der Verordnung (EG) Nr. 816/2006 festgelegten Prozentsatz. Erfolgt die Erteilung der Zwangslizenz auf der Grundlage einer veröffentlichten Patentanmeldung, die letztlich nicht zur Erteilung eines Patents führt, hat der Rechteinhaber keinen Anspruch auf eine Entschädigung im Rahmen der Zwangslizenz, da sich die Voraussetzungen für den Erhalt der Entschädigung nicht ergeben haben. In diesem Fall sollte der Rechteinhaber die Entschädigung zurückzahlen, die er im Rahmen der Zwangslizenz erhalten hat.

(28)Produkte, die im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt werden, dürfen ausschließlich auf den Binnenmarkt gelangen. Die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz muss daher an klare Voraussetzungen für den Lizenznehmer geknüpft werden, was die im Rahmen der Lizenz gestatteten Tätigkeiten, einschließlich ihres räumlichen Anwendungsbereichs, anbelangt. Der Rechteinhaber sollte die Möglichkeit haben, Tätigkeiten im Zusammenhang mit den von der unionsweiten Zwangslizenz betroffenen Rechten sowie Nutzungen dieser Rechte, die nicht den Lizenzbedingungen entsprechen, als Verletzung seiner Rechte des geistigen Eigentums gemäß der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 9 anzufechten. Im Sinne einer leichteren Überwachung der Verteilung von Produkten, die im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt wurden, unter anderem auch durch Kontrollen der Zollbehörden, sollte der Lizenznehmer sicherstellen, dass diese Produkte besondere Merkmale aufweisen, anhand derer sie leicht erkannt und von den vom Rechteinhaber vermarkteten Produkten unterschieden werden können.

(29)Eine im Rahmen eines Krisen- oder Notfallmechanismus der Union erteilte unionsweite Zwangslizenz sollte ausschließlich dazu dienen, die Versorgung des Binnenmarktes mit krisenrelevanten Produkten sicherzustellen. Daher sollte die Ausfuhr von Produkten, die im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt wurden, untersagt werden.

(30)Die Zollbehörden sollten mithilfe von Risikoanalysen sicherstellen, dass Produkte, die im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt wurden, nicht ausgeführt werden. Um die betreffenden Produkte zu ermitteln, sollten die Zollbehörden bei ihrer Risikoanalyse in erster Linie auf die Informationen zurückgreifen, die in der unionsweiten Zwangslizenz selbst enthalten sind. Daher sollten Informationen über jeden Durchführungsrechtsakt, mit dem eine unionsweite Zwangslizenz erteilt oder geändert wird, in das elektronische Zollrisikomanagementsystem (Customs Risk Management System, CRMS) nach Artikel 36 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission 10 eingegeben werden. Ermitteln die Zollbehörden ein Produkt, bei dem der Verdacht eines Verstoßes gegen das Ausfuhrverbot besteht, sollten sie die Ausfuhr dieses Produkts aussetzen und die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis setzen. Die Kommission sollte innerhalb von zehn Arbeitstagen zu einer Schlussfolgerung dazu gelangen, ob das Ausfuhrverbot eingehalten wird; sie sollte aber die Möglichkeit haben, die Zollbehörden aufzufordern, die Aussetzung erforderlichenfalls aufrechtzuerhalten. Im Rahmen ihrer Beurteilung kann die Kommission den betreffenden Rechteinhaber konsultieren. Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass bei einem Produkt ein Verstoß gegen das Ausfuhrverbot vorliegt, sollten die Zollbehörden die Ausfuhr verweigern.

(31)Die Rechtsgültigkeit des Durchführungsrechtsakts, mit dem die unionsweite Zwangslizenz erteilt wird, sowie etwaiger späterer Durchführungsrechtsakte sollte einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

(32)Die Beziehung zwischen dem Rechteinhaber und dem Lizenznehmer sollten auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhen. Der Rechteinhaber und der Lizenznehmer sollten auf den Erfolg der unionsweiten Zwangslizenz hinarbeiten, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit, damit das Ziel der unionsweiten Zwangslizenz wirksam und effizient erfüllt werden kann. Die Kommission kann die auf Treu und Glauben beruhende Zusammenarbeit zwischen dem Rechteinhaber und dem Lizenznehmer fördern, wobei die Interessen aller Parteien berücksichtigt werden sollten. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission überdies befugt sein, zusätzliche Maßnahmen im Einklang mit dem Unionsrecht zu ergreifen, um dafür zu sorgen, dass das Ziel der Zwangslizenz erreicht wird und die benötigten krisenrelevanten Waren in der Union bereitgestellt werden können. Eine solche zusätzliche Maßnahme kann unter anderem darin bestehen, weitere Informationen anzufordern, die für das Erreichen des Ziels der Zwangslizenz als unerlässlich erachtet werden. Im Rahmen dieser Maßnahmen sollten stets angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um den Schutz der legitimen Interessen aller Parteien zu gewährleisten.

(33)Um angemessen auf Krisensituationen reagieren zu können, sollte die Kommission die Befugnis erhalten, die Bedingungen der unionsweiten Zwangslizenz zu überprüfen und an veränderte Gegebenheiten anzupassen. In diesem Zusammenhang sollte es unter anderem möglich sein, die Zwangslizenz zu ändern, um die vollständige Liste der der Zwangslizenz unterliegenden Rechte und Rechteinhaber nachzureichen, wenn diese ursprünglich nicht vollständig ermittelt worden waren. Darüber hinaus sollte die Lizenz zurückgenommen werden können, wenn die Umstände, die zu ihrer Erteilung geführt haben, nicht mehr bestehen und sich voraussichtlich nicht mehr ergeben werden. Bei der Entscheidung über die Überprüfung der unionsweiten Zwangslizenz kann die Kommission das zuständige Beratungsgremium konsultieren. Beabsichtigt die Kommission, wesentliche Bestandteile der unionsweiten Zwangslizenz, etwa die Geltungsdauer oder die Höhe der Entschädigung, zu ändern, oder könnte die Änderung selbst Gegenstand einer gesonderten Zwangslizenz sein, sollte die Konsultation des Beratungsgremiums verpflichtend vorgeschrieben sein.

(34)Um einen Missbrauch der unionsweiten Zwangslizenz zu verhindern und zu unterbinden, sollten besondere Schutzvorkehrungen getroffen werden, damit die Kommission gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen treffen kann. Neben der Möglichkeit der Rücknahme der unionsweiten Zwangslizenz sollte die Kommission befugt sein, Geldbußen und Zwangsgelder gegen den Rechteinhaber und den Lizenznehmer zu verhängen, um die Einhaltung der Pflichten aus dieser Verordnung durchzusetzen. Die Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(35)Die Einhaltung der einschlägigen Pflichten aus dieser Verordnung sollte durch Geldbußen und Zwangsgelder durchgesetzt werden können. Zu diesem Zweck sollten Geldbußen und Zwangsgelder in angemessener Höhe festgelegt werden; bei der Verhängung dieser Geldbußen und Zwangsgelder sollten angemessene Verjährungsfristen gelten und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Verbots der doppelten Strafverfolgung beachtet werden. Alle Beschlüsse, die die Kommission auf der Grundlage dieser Verordnung fasst, unterliegen der Überprüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Einklang mit dem AEUV. Der Gerichtshof der Europäischen Union sollte im Einklang mit Artikel 261 AEUV über die Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung von Geldbußen und Zwangsgeldern verfügen.

(36)Wenn eine nationale Zwangslizenz erteilt wurde, um eine Krise zu bewältigen, sollte der Mitgliedstaat oder die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats verpflichtet sein, die Kommission über die Erteilung der Lizenz und die daran geknüpften besonderen Bedingungen zu unterrichten, da die Kommission dadurch die Möglichkeit erhält, sich einen Überblick über die in den Mitgliedstaaten erteilten nationalen Zwangslizenzen zu verschaffen und diese bei der Prüfung der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz und insbesondere bei der Festlegung der Bedingungen für eine solche Lizenz zu berücksichtigen.

(37)Eine Zwangslizenz auf Unionsebene sollte nicht nur für Zwecke der Versorgung des Unionsmarktes, sondern unter bestimmten Bedingungen auch für Zwecke der Ausfuhr in Länder mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit erteilt werden können, die bereits Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 816/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates 11 ist. Gemäß dieser Verordnung wird die Erteilung solcher Zwangslizenzen auf nationaler Ebene von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten beschlossen und durchgeführt, und zwar auf der Grundlage eines entsprechenden Antrags einer Person, die beabsichtigt, pharmazeutische Erzeugnisse, die durch ein Patent oder ein ergänzendes Schutzzertifikat geschützt sind, für Zwecke der Ausfuhr in anspruchsberechtigte Drittländer herzustellen oder zu verkaufen. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 816/2006 ist die Erteilung von Zwangslizenzen für die Herstellung von Erzeugnissen in mehreren Mitgliedstaaten nur im Rahmen von nationalen Verfahren zulässig. Im Rahmen eines grenzüberschreitenden Herstellungsprozesses wären verschiedene nationale Zwangslizenzen erforderlich. Dies kann einen aufwendigen und langwierigen Prozess nach sich ziehen, da verschiedene nationale Verfahren eingeleitet werden müssten, deren Umfang und Bedingungen sich möglicherweise unterscheiden. Um wie bei den Krisenmechanismen der Union für Synergien und ein effizientes Verfahren zu sorgen, sollte eine unionsweite Zwangslizenz auch im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 816/2006 erteilt werden können. Dadurch wird es leichter, die betreffenden Erzeugnisse in mehreren Mitgliedstaaten herzustellen, und eine Lösung auf Unionsebene geboten, damit Lizenznehmer für ein und dasselbe Erzeugnis nicht mehrere Zwangslizenzen in mehreren Mitgliedstaaten benötigen, um die Erzeugnisse wie geplant herzustellen und auszuführen. Jede Person, die erwägt, eine Zwangslizenz gemäß der Verordnung (EG) Nr. 816/2006 für die darin genannten Zwecke und im Rahmen des darin festgelegten Geltungsbereichs zu beantragen, sollte die Möglichkeit haben, mit einem einzigen Antrag eine in der gesamten Union gültige Zwangslizenz entsprechend der genannten Verordnung zu beantragen, wenn diese Person andernfalls auf Grundlage der nationalen Zwangslizenzsysteme der Mitgliedstaaten für ein und dasselbe krisenrelevante Produkt mehrere Zwangslizenzen in mehreren Mitgliedstaaten beantragen müsste, um ihre geplanten Tätigkeiten zur Herstellung und zum Verkauf zu Ausfuhrzwecken gemäß der genannten Verordnung durchzuführen. Daher sollte die Verordnung (EG) Nr. 816/2006 entsprechend geändert werden.

(38)Um einheitliche Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf folgende Aspekte erteilt werden: die Erteilung, Ergänzung, Änderung oder Rücknahme einer unionsweiten Zwangslizenz, die Festsetzung der an den Rechteinhaber zu zahlenden Entschädigung, die Verfahrensregeln für das Ad-hoc-Beratungsgremium und die Merkmale, anhand derer im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellte Produkte identifiziert werden können. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates 12 ausgeübt werden. Für den Erlass von Durchführungsrechtsakten betreffend die Erteilung, Ergänzung, Änderung oder Rücknahme einer unionsweiten Zwangslizenz sowie von Durchführungsrechtsakten zur Festsetzung der Höhe der Entschädigung sollte das Beratungsverfahren angewandt werden. Die Wahl des Beratungsverfahrens wird dadurch begründet, dass diese Durchführungsrechtsakte im Rahmen eines Verfahrens erlassen würden, an dem die Mitgliedstaaten durch die Anhörung des Beratungsgremiums in erheblichem Umfang beteiligt wären. Für den Erlass von Durchführungsrechtsakten zur Festlegung von Verfahrensregeln für das Ad-hoc-Beratungsgremium sowie von Durchführungsrechtsakten zur Festlegung der Merkmale, anhand derer im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellte Produkte identifiziert werden können, sollte das Prüfverfahren angewandt werden.

(39)Die Kommission sollte sofort geltende Durchführungsrechtsakte erlassen, wenn dies in hinreichend begründeten Fällen im Zusammenhang mit der Erteilung, Änderung oder Rücknahme einer unionsweiten Zwangslizenz oder der Festsetzung der Höhe der Entschädigung aus Gründen äußerster Dringlichkeit erforderlich ist.

(40)Die Vergabe von unionsweiten Zwangslizenzen für das Krisenmanagement ist ein Instrument, das nur in Ausnahmefällen eingesetzt wird. Eine Bewertung sollte daher nur dann durchgeführt werden, wenn die Kommission eine unionsweite Zwangslizenz erteilt hat. Der Bewertungsbericht sollte spätestens am letzten Tag des dritten Jahres nach der Erteilung der unionsweiten Zwangslizenz vorgelegt werden, damit eine angemessene und fundierte Bewertung dieser Verordnung vorgenommen werden kann.

(41)Da es eine gewisse Zeit dauert, bis die Voraussetzungen für das ordnungsgemäße Funktionieren des Systems der Vergabe unionsweiter Zwangslizenzen geschaffen sind, sollte diese Verordnung erst ab einem späteren Zeitpunkt angewendet werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

Mit dieser Verordnung soll sichergestellt werden, dass die Union in Krisensituationen Zugang zu krisenrelevanten Produkten hat. Zu diesem Zweck werden durch diese Verordnung Vorschriften für das Verfahren und die Bedingungen für die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz für Rechte des geistigen Eigentums festgelegt, die für die Versorgung der Mitgliedstaaten mit krisenrelevanten Produkten im Rahmen eines Krisen- oder Notfallmechanismus der Union erforderlich sind.

Artikel 2

Anwendungsbereich

(1)Durch diese Verordnung wird die Vergabe von unionsweiten Zwangslizenzen für die folgenden in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geltenden Rechte des geistigen Eigentums geregelt:

a)Patente, einschließlich veröffentlichter Patentanmeldungen;

b)Gebrauchsmuster oder

c)ergänzende Schutzzertifikate.

(2)Diese Verordnung lässt die Vorschriften anderer Rechtsakte der Union über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, einschließlich der Richtlinie 2001/29/EG, der Richtlinie 2009/24/EG und der durch die Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken gewährten Schutzrechte sui generis, unberührt.

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)„krisenrelevante Produkte“ Erzeugnisse oder Verfahren, die für die Reaktion auf eine Krise oder einen Notfall oder für die Bewältigung der Auswirkungen einer Krise oder eines Notfalls in der Union unerlässlich sind;

b)„einschlägige Tätigkeiten“ Handlungen im Zusammenhang mit der Herstellung, der Verwendung, dem Anbieten zum Verkauf, dem Verkauf oder der Einfuhr;

c)„Rechteinhaber“ den Inhaber eines der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Rechte des geistigen Eigentums;

d)„geschützte Erfindung“ eine Erfindung, die durch eines der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Rechte des geistigen Eigentums geschützt ist;

e)„unionsweite Zwangslizenz“ eine von der Kommission erteilte Zwangslizenz zur Verwertung einer geschützten Erfindung im Zusammenhang mit krisenrelevanten Produkten für eine der einschlägigen Tätigkeiten in der Union;

f)„Zollbehörden“ Zollbehörden im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates 13 .

Artikel 4

Unionsweite Zwangslizenz

Die Kommission kann eine unionsweite Zwangslizenz erteilen, wenn ein im Anhang dieser Verordnung aufgeführter Krisen- oder Notfallmodus gemäß einem der in diesem Anhang aufgeführten Rechtsakte der Union aktiviert oder ausgerufen wurde.

Artikel 5

Allgemeine Bedingungen für eine unionsweite Zwangslizenz

(1)Die unionsweite Zwangslizenz

a)ist nicht ausschließlich und nicht übertragbar, es sei denn als Teil des Betriebs oder des Unternehmens, dem diese unionsweite Zwangslizenz zusteht;

b)hat einen Geltungsbereich und eine Geltungsdauer, die auf den Zweck, für den die Zwangslizenz erteilt wird, und auf den Geltungsbereich und die Geltungsdauer des Krisen- oder Notfallmodus, in dessen Rahmen sie erteilt wird, beschränkt sind;

c)ist strikt auf die einschlägigen Tätigkeiten im Zusammenhang mit krisenrelevanten Produkten in der Union beschränkt;

d)wird nur gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Rechteinhaber erteilt;

e)ist auf das Gebiet der Union beschränkt;

f)wird nur einer Person erteilt, bei der davon auszugehen ist, dass sie in der Lage ist, die geschützte Erfindung in einer Weise, die die ordnungsgemäße Durchführung der einschlägigen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den krisenrelevanten Produkten ermöglicht, und entsprechend den in Artikel 10 genannten Pflichten zu verwerten.

(2)Eine unionsweite Zwangslizenz für eine Erfindung, die durch eine veröffentlichte Patentanmeldung geschützt ist, erstreckt sich auf ein auf der Grundlage dieser Anmeldung erteiltes Patent, sofern die Erteilung dieses Patents während der Geltungsdauer der unionsweiten Zwangslizenz erfolgt.

(3)Eine unionsweite Zwangslizenz für eine Erfindung, die durch ein Patent geschützt ist, erstreckt sich auf ein unter Verweis auf dieses Patent erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat, sofern der Übergang vom Patentschutz zum Schutz durch ein ergänzendes Schutzzertifikat während der Geltungsdauer der unionsweiten Zwangslizenz erfolgt.

Artikel 6

Beratungsgremium

(1)Zieht die Kommission die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz in Betracht, so konsultiert sie unverzüglich ein Beratungsgremium.

(2)Bei dem in Absatz 1 genannten Beratungsgremium handelt es sich um das Beratungsgremium, das für den jeweiligen in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten Krisen- oder Notfallmechanismus der Union zuständig ist (im Folgenden „zuständiges Beratungsgremium“). Für die Zwecke dieser Verordnung unterstützt und berät das zuständige Beratungsgremium die Kommission in Bezug auf folgende Aufgaben:

a)Sammlung und Analyse von krisenrelevanten Informationen und Marktdaten;

b)Analyse der von den Mitgliedstaaten oder der Kommission gesammelten krisenrelevanten Informationen und der von anderen krisenrelevanten Stellen auf Unionsebene sowie internationaler Ebene erhaltenen aggregierten Daten;

c)Erleichterung des Austauschs und der gemeinsamen Nutzung von Informationen mit anderen einschlägigen Stellen und anderen krisenrelevanten Stellen auf Ebene der Union und der Mitgliedstaaten sowie gegebenenfalls auf internationaler Ebene;

d)Ermittlung der Rechte, durch die das krisenrelevante Produkt geschützt ist;

e)Feststellung der Notwendigkeit der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz;

f)Ermittlung und Anhörung der Vertreter der Rechteinhaber oder deren Vertreter sowie der potenziellen Lizenznehmer und Anhörung anderer Wirtschaftsbeteiligter sowie von Industrievertretern;

g)gegebenenfalls Feststellung, ob die in Artikel 15 genannten Kriterien für die Rücknahme oder Änderung der unionsweiten Zwangslizenz erfüllt sind.

(3)Das Beratungsgremium arbeitet gegebenenfalls eng mit anderen einschlägigen krisenrelevanten Stellen sowie mit den Ämtern für geistiges Eigentum auf Ebene der Union und der Mitgliedstaaten zusammen und stimmt sich mit ihnen ab.

(4)Für die Zwecke dieser Verordnung gilt Folgendes:

a)Die Kommission stellt sicher, dass Vertreter anderer krisenrelevanter Stellen auf Unionsebene als Beobachter an den einschlägigen Sitzungen des Beratungsgremiums teilnehmen und zu diesen Sitzungen eingeladen werden, um für Kohärenz mit den im Rahmen anderer Mechanismen der Union durchgeführten Maßnahmen zu sorgen.

b)Die Kommission kann Vertreter des Europäischen Parlaments, Vertreter von Wirtschaftsbeteiligten, Rechteinhaber, potenzielle Lizenznehmer, Interessenverbände, Sozialpartner und Sachverständige als Beobachter zu den Sitzungen des Beratungsgremiums einladen.

(5)Steht kein zuständiges Beratungsgremium zur Verfügung, werden die in Absatz 2 genannten Aufgaben von einem von der Kommission eingerichteten Ad-hoc-Beratungsgremium (im Folgenden „Ad-hoc-Beratungsgremium“) wahrgenommen. Die Kommission führt den Vorsitz des Ad-hoc-Beratungsgremiums und stellt dessen Sekretariat. Jeder Mitgliedstaat hat das Recht, in dem Ad-hoc-Beratungsgremium vertreten zu sein.

(6)Die Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt zur Festlegung der Geschäftsordnung für das in Absatz 5 genannte Ad-hoc-Beratungsgremium. In der Geschäftsordnung wird festgelegt, dass das Ad-hoc-Beratungsgremium nur für die Dauer der Krise oder des Notfalls und nicht für einen längeren Zeitraum eingerichtet wird. Dieser Durchführungsrechtsakt wird gemäß dem in Artikel 24 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 7

Verfahren zur Erteilung einer unionsweite Zwangslizenz

(1)Das in Artikel 6 genannte zuständige Beratungsgremium oder gegebenenfalls das ebenfalls in Artikel 6 genannte Ad-hoc-Beratungsgremium legt der Kommission unverzüglich eine Stellungnahme vor. Diese Stellungnahme wird im Einklang mit der Geschäftsordnung des Beratungsgremiums abgegeben und enthält eine Bewertung der Notwendigkeit der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz und der Bedingungen für eine solche Lizenz. In der Stellungnahme wird Folgendes berücksichtigt:

a)die Art der Krise oder des Notfalls;

b)das Ausmaß und die voraussichtliche Entwicklung der Krise oder des Notfalls;

c)der Engpass bei krisenrelevanten Produkten und die Verfügbarkeit anderer Mittel als einer unionsweitenZwangslizenz, mit denen dieser Engpass angemessen und rasch behoben werden könnte.

(2)Die Stellungnahme des Beratungsgremiums ist für die Kommission nicht bindend. Die Kommission kann dem Beratungsgremium eine Frist für die Vorlage seiner Stellungnahme setzen. Diese Frist muss unter Berücksichtigung der Umstände der Situation und insbesondere angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit vernünftig und angemessen sein.

(3)Vor der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz gibt die Kommission dem Rechteinhaber und dem Lizenznehmer Gelegenheit, zu Folgendem Stellung zu nehmen:

a)der Möglichkeit, mit den Herstellern eine freiwillige Lizenzvereinbarung über die Rechte des geistigen Eigentums für die Herstellung, Verwendung und Verteilung der krisenrelevanten Produkte zu schließen;

b)der Notwendigkeit der Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz;

c)den Bedingungen, unter denen die Kommission beabsichtigt, die unionsweite Zwangslizenz zu erteilen, einschließlich der Höhe der Entschädigung.

(4)Die Kommission unterrichtet den Rechteinhaber und den Lizenznehmer so schnell wie möglich über die mögliche Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz. Sofern die Ermittlung der Rechteinhaber möglich ist und keine erhebliche Verzögerung verursacht, unterrichtet die Kommission diese Rechteinhaber durch individuelle Benachrichtigung.

(5)Zieht die Kommission die Erteilung einer unionsweiten Zwangslizenz in Erwägung, so veröffentlicht sie unverzüglich eine Bekanntmachung, um die Öffentlichkeit über die Einleitung des Verfahrens nach diesem Artikel zu informieren. Diese Bekanntmachung enthält überdies Informationen über den Gegenstand der Zwangslizenz, sofern derartige Informationen bereits verfügbar und sachdienlich sind, sowie eine Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Absatz 3. Diese Bekanntmachung wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

(6)Bei der Prüfung der Frage, ob eine unionsweite Zwangslizenz zu erteilen ist, berücksichtigt die Kommission Folgendes:

a)die in Absatz 2 genannte Stellungnahme;

b)die Rechte und Interessen des Rechteinhabers und des Lizenznehmers;

c)bereits bestehende Zwangslizenzen auf nationaler Ebene, die der Kommission gemäß Artikel 22 gemeldet wurden.

(7)Stellt die Kommission fest, dass die Voraussetzungen für eine unionsweite Zwangslizenz erfüllt sind, so erteilt sie diese im Wege eines Durchführungsrechtsakts. Der Durchführungsrechtsakt wird gemäß dem in Artikel 24 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren erlassen. In hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Krise erlässt die Kommission nach dem Verfahren gemäß Artikel 24 Absatz 4 unmittelbar geltende Durchführungsrechtsakte. Im Falle der Anwendung des Verfahrens nach Artikel 24 Absatz 4 bleibt der Durchführungsrechtsakt für einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten in Kraft.

(8)Beim Erlass des Durchführungsrechtsakts gewährleistet die Kommission den Schutz vertraulicher Informationen. Unter Wahrung der Vertraulichkeit der Informationen stellt die Kommission sicher, dass alle ihrem Beschluss zugrunde liegenden Informationen in einem Umfang offengelegt werden, der es ermöglicht, die Fakten und Überlegungen, die zum Erlass des Durchführungsrechtsakts geführt haben, nachzuvollziehen.

Artikel 8

Inhalt der unionsweiten Zwangslizenz

(1)In der unionsweiten Zwangslizenz wird Folgendes angegeben:

a)das Patent, die Patentanmeldung, das ergänzende Schutzzertifikat oder das Gebrauchsmuster, für das bzw. die die Lizenz erteilt wird, oder, wenn die Ermittlung dieser Rechte die Erteilung der Lizenz erheblich verzögern würde, der Freiname der Produkte, die im Rahmen der Lizenz hergestellt werden sollen;

b)der Rechteinhaber, sofern er in Anbetracht der Umstände, einschließlich der Dringlichkeit der Situation, mit angemessenem Aufwand ermittelt werden kann;

c)der Lizenznehmer, insbesondere folgende Angaben:

(1)Name, Handelsname und eingetragene Marke;

(2)Kontaktdaten;

(3)die eindeutige Kennnummer im Land der Niederlassung;

(4)die Registrierungs- und Identifizierungsnummer für Wirtschaftsbeteiligte (EORI-Nummer), sofern verfügbar;

d)die Geltungsdauer, für die die unionsweite Zwangslizenz erteilt wird;

e)die gemäß Artikel 9 festgesetzte an den Rechteinhaber zu zahlende Entschädigung;

f)der Freiname des krisenrelevanten Produkts, das im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz hergestellt werden soll, und die Warennummer (KN-Code), unter der das krisenrelevante Produkt gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates eingereiht wird;

g)die Angaben gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben c, d und e, anhand derer das im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz hergestellte krisenrelevante Produkt identifiziert werden kann, sowie gegebenenfalls andere spezifische Anforderungen des Unionsrechts, die für die krisenrelevanten Produkte gelten und deren Identifizierung ermöglichen;

h)Maßnahmen zur Ergänzung der Zwangslizenz, die erforderlich sind, um das Ziel der Zwangslizenz zu erreichen.

(2)Abweichend von Absatz 1 Buchstabe e kann die Kommission die Entschädigung im Wege eines Durchführungsrechtsakts nach der Erteilung der Lizenz festsetzen, wenn für die Festsetzung weitere Untersuchungen und Konsultationen erforderlich sind. Dieser Durchführungsrechtsakt wird gemäß den Vorschriften nach Artikel 7 Absatz 6 Buchstaben a und b sowie Artikel 7 Absätze 7 und 8 erlassen.

Artikel 9

Entschädigung

(1)Der Lizenznehmer zahlt dem Rechteinhaber eine angemessene Entschädigung. Die Höhe der Entschädigung wird von der Kommission festgesetzt und in der unionsweiten Zwangslizenz angegeben.

(2)Die Entschädigung darf nicht mehr als 4 % der gesamten Bruttoeinnahmen betragen, die der Lizenznehmer durch die einschlägigen Tätigkeiten im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz erzielt.

(3)Bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt die Kommission Folgendes:

a)den wirtschaftlichen Wert der einschlägigen Tätigkeiten, deren Durchführung im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz gestattet wird;

b)die Tatsache, ob der Rechteinhaber öffentliche Unterstützung für die Entwicklung der Erfindung erhalten hat;

c)den Umfang, in dem sich die Entwicklungskosten des Rechteinhabers amortisiert haben;

d)gegebenenfalls die humanitären Umstände im Zusammenhang mit der Erteilung der unionsweiten Zwangslizenz.

(4)Führt die veröffentlichte Patentanmeldung, für die eine Zwangslizenz erteilt wurde, letztlich nicht zur Erteilung eines Patents, so zahlt der Rechteinhaber dem Lizenznehmer die gemäß diesem Artikel gezahlte Entschädigung zurück.

Artikel 10

Pflichten des Lizenznehmers

(1)Der Lizenznehmer darf die geschützte Erfindung, die Gegenstand der unionsweiten Zwangslizenz ist, nur unter folgenden Bedingungen verwerten:

a)Im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz werden nicht mehr krisenrelevante Produkte hergestellt, als es zur Deckung des Bedarfs der Union erforderlich ist.

b)Die einschlägigen Tätigkeiten werden ausschließlich mit dem Zweck durchgeführt, den Unionsmarkt mit den krisenrelevanten Produkten zu versorgen.

c)Die im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz hergestellten Produkte werden durch eine besondere Etikettierung oder Markierung klar als Produkte gekennzeichnet, die gemäß dieser Verordnung hergestellt wurden und vermarktet werden. 

d)Die im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz hergestellten Produkte sind durch eine spezielle Verpackung, Farbgebung oder Formgebung von den Produkten zu unterscheiden, die vom Rechteinhaber oder im Rahmen einer vom Rechteinhaber erteilten freiwilligen Lizenz hergestellt wurden und vermarktet werden, sofern diese Unterscheidung machbar ist und keine beträchtlichen Auswirkungen auf den Preis hat.

e)Auf der Verpackung der im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz hergestellten Produkte und allen dazugehörigen Markierungen und Packungsbeilagen ist anzugeben, dass die Produkte einer unionsweiten Zwangslizenz gemäß dieser Verordnung unterliegen; ferner ist deutlich darauf hinzuweisen, dass die Produkte ausschließlich für die Verteilung in der Union bestimmt sind und nicht ausgeführt werden dürfen.

f)Vor der Vermarktung der im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz hergestellten Produkte stellt der Lizenznehmer auf einer Website folgende Informationen zur Verfügung:

1.die Mengen der im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz hergestellten Produkte je Mitgliedstaat, in dem die Herstellung erfolgt;

2.die Mengen der im Rahmen der unionsweiten Zwangslizenz gelieferten Produkte je Mitgliedstaat, in den die Lieferung erfolgt;

3.die Unterscheidungsmerkmale der Produkte, die Gegenstand der unionsweiten Zwangslizenz sind.

Die Adresse der Website wird der Kommission mitgeteilt. Die Kommission teilt den Mitgliedstaaten die Adresse der Website mit.

(2)Kommt der Lizenznehmer seinen Pflichten gemäß Absatz 1 nicht nach, so kann die Kommission

a)gemäß Artikel 14 Absatz 3 die unionsweite Zwangslizenz zurücknehmen oder

b)gemäß den Artikeln 15 und 16 Geldbußen bzw. Zwangsgelder gegen den Lizenznehmer verhängen.

(3)Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) kann in Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten auf Antrag des Rechteinhabers oder von sich aus Zugang zu den vom Lizenznehmer geführten Büchern und Aufzeichnungen verlangen, um zu prüfen, ob die inhaltlichen Vorgaben und die Bedingungen der unionsweiten Zwangslizenz und im Allgemeinen die Bestimmungen dieser Verordnung eingehalten wurden.

(4)Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zu erlassen, um Vorschriften für die besondere Etikettierung oder Markierung gemäß Absatz 1 Buchstabe c und für die Verpackung, Farbgebung und Formgebung gemäß Buchstabe d sowie Vorschriften für deren Verwendung und gegebenenfalls Anbringung auf dem Produkt festzulegen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 24 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 11

Ausfuhrverbot

Die Ausfuhr von Produkten, die im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt wurden, ist untersagt.

Artikel 12

Zollkontrollen

(1)Die Anwendung dieses Artikels erfolgt unbeschadet anderer Rechtsakte der Union über die Ausfuhr von Erzeugnissen, insbesondere der Artikel 46, 47 und 267 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 14 .

(2)Die Zollbehörden stützen sich auf die unionsweite Zwangslizenz und deren etwaige Änderungen, um festzustellen, welche Produkte möglicherweise unter das Verbot nach Artikel 11 fallen. Zu diesem Zweck werden zu jeder unionsweiten Zwangslizenz und jeder möglichen Änderung einer solchen Lizenz risikobezogene Informationen in das einschlägige Zollrisikomanagementsystem eingegeben. Die Zollbehörden berücksichtigen diese risikobezogenen Informationen, wenn sie gemäß den Artikeln 46 und 47 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 Kontrollen bei Produkten durchführen, die in das Zollverfahren „Ausfuhr“ überführt werden.

(3)Stellen die Zollbehörden fest, dass ein Produkt unter das Verbot nach Artikel 11 fallen könnte, so setzen sie die Ausfuhr dieses Produkts aus. Die Zollbehörden setzen die Kommission unverzüglich über die Aussetzung in Kenntnis und übermitteln ihr alle sachdienlichen Informationen, damit sie feststellen kann, ob das Produkt im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt wurde. Um zu prüfen, ob die Produkte, deren Ausfuhr ausgesetzt wurde, mit der unionsweiten Zwangslizenz in Verbindung stehen, kann die Kommission den jeweiligen Rechteinhaber konsultieren.

(4)Ein Produkt, dessen Ausfuhr nach Absatz 3 ausgesetzt wurde, wird zur Ausfuhr überlassen, sofern alle anderen gemäß dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht bestehenden Anforderungen und Förmlichkeiten betreffend die Ausfuhr erfüllt sind und eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

a)Die Kommission hat die Zollbehörden nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen, nachdem sie von der Aussetzung in Kenntnis gesetzt wurde, aufgefordert, die Aussetzung aufrechtzuerhalten.

b)Die Kommission hat den Zollbehörden mitgeteilt, dass das Produkt nicht im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellt wird.

(5)Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass das Verbot nach Artikel 11 bei einem im Rahmen einer unionsweiten Zwangslizenz hergestellten Produkt missachtet wurde, so erteilen die Zollbehörden keine Genehmigung zur Überlassung dieses Produkts zur Ausfuhr. Die Kommission unterrichtet den betroffenen Rechteinhaber über die Missachtung des Verbots.

(6)Für den Fall, dass die Überlassung eines Produkts zur Ausfuhr nicht genehmigt wurde, gilt Folgendes:

a)Sofern es in Anbetracht des Kontexts der Krise oder des Notfalls angemessen ist, kann die Kommission von den Zollbehörden verlangen, den Ausführer zu verpflichten, auf eigene Kosten bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich der Lieferung des Produkts an die benannten Mitgliedstaaten, erforderlichenfalls nachdem es mit dem Unionsrecht in Einklang gebracht wurde.

b)In allen anderen Fällen können die Zollbehörden alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass mit dem betreffenden Produkt nach Maßgabe des mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Rechts verfahren wird. Die Artikel 197 und 198 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 gelten entsprechend.

Artikel 13

Beziehungen zwischen dem Rechteinhaber und dem Lizenznehmer

(1)Die Beziehungen zwischen dem Rechteinhaber und dem Lizenznehmer, dem eine unionsweite Zwangslizenz erteilt wurde, beruhen darauf, dass beide Akteure bei der Wahrnehmung der Rechte und Pflichten im Rahmen dieser Verordnung nach Treu und Glauben gemeinsam handeln und zusammenarbeiten.

(2)Im Rahmen ihrer Verpflichtung zu Treu und Glauben bemühen sich der Rechteinhaber und der Lizenznehmer nach besten Kräften, unter Berücksichtigung der Interessen des jeweils anderen das Ziel der unionsweiten Zwangslizenz zu erreichen. 

Artikel 14

Überprüfung und Rücknahme der unionsweiten Zwangslizenz

(1)Auf begründeten Antrag des Rechteinhabers oder des Lizenznehmers oder von sich aus überprüft die Kommission die unionsweite Zwangslizenz und ändert erforderlichenfalls die in Artikel 8 genannten Angaben im Wege eines Durchführungsrechtsakts. Falls erforderlich, wird die unionsweite Zwangslizenz dahin gehend geändert, dass die vollständige Liste der Rechte und Rechteinhaber, die der Zwangslizenz unterliegen, aufgenommen wird.

(2)Falls erforderlich, beschließt die Kommission auf begründeten Antrag des Rechteinhabers oder des Lizenznehmers oder von sich aus zusätzliche Maßnahmen zur Ergänzung der unionsweiten Zwangslizenz, um dafür zu sorgen, dass das Ziel der Lizenz erreicht wird, und um die gute Zusammenarbeit zwischen dem Rechteinhaber und dem Lizenznehmer zu erleichtern und sicherzustellen.

(3)Die Kommission kann eine unionsweite Zwangslizenz im Wege eines Durchführungsrechtsakts zurücknehmen, wenn die Umstände, die zu ihrer Erteilung geführt haben, nicht mehr bestehen und sich voraussichtlich nicht mehr ergeben werden oder wenn der Lizenznehmer den in dieser Verordnung festgelegten Pflichten nicht nachkommt.

(4)Zieht die Kommission in Erwägung, die unionsweite Zwangslizenz zu ändern, zusätzliche Maßnahmen gemäß Absatz 2 zu ergreifen oder die unionsweite Zwangslizenz zurückzunehmen, kann sie das in Artikel 6 genannte Beratungsgremium konsultieren.

(5)Bei einer Rücknahme der unionsweiten Zwangslizenz kann die Kommission verlangen, dass der Lizenznehmer innerhalb einer angemessenen Frist dafür sorgt, dass alle Waren, die sich in seinem Besitz, in seinem Gewahrsam, in seiner Verfügungsgewalt oder unter seiner Kontrolle befinden, umgeleitet werden oder anderweitig in der von der Kommission festgelegten Weise nach Rücksprache mit dem Rechteinhaber und zulasten des Lizenznehmers mit ihnen verfahren wird.

(6)Die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Durchführungsrechtsakte werden gemäß den Vorschriften nach Artikel 7 Absatz 6 Buchstaben a und b sowie Artikel 7 Absätze 7 und 8 erlassen.

Artikel 15

Geldbußen

(1)Die Kommission kann gegen den Lizenznehmer oder den Rechteinhaber durch Beschluss Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 6 % ihres im vorangegangenen Geschäftsjahr jeweils erzielten Gesamtumsatzes verhängen, wenn

a)der Lizenznehmer vorsätzlich oder fahrlässig seinen Pflichten gemäß Artikel 9 Absatz 1 oder Artikel 10 Absatz 1 nicht nachkommt;

b)der Rechteinhaber oder der Lizenznehmer vorsätzlich oder fahrlässig den in Artikel 13 genannten Grundsatz der Zusammenarbeit nach Treu und Glauben nicht beachtet oder

c)der Rechteinhaber oder der Lizenznehmer vorsätzlich oder fahrlässig einer Pflicht nicht nachkommt, die sich aus den in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe h und Artikel 14 Absatz 2 genannten und in einem entsprechenden Durchführungsrechtsakt festgelegten zusätzlichen Maßnahmen zur Ergänzung der unionsweiten Zwangslizenz ergibt.

(2)Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße werden die Schwere, ein möglicherweise wiederholtes Auftreten und die Dauer des Verstoßes berücksichtigt.

Artikel 16

Zwangsgelder

(1)Die Kommission kann gegen den Lizenznehmer oder den Rechteinhaber durch Beschluss Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von 5 % ihres im vorangegangenen Geschäftsjahr jeweils erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs von dem in ihrem Beschluss bestimmten Zeitpunkt an festsetzen, um

a)den Lizenznehmer zu zwingen, einen Verstoß gegen seine Pflichten nach Artikel 10 Absatz 1 abzustellen;

b)den Lizenznehmer und den Rechteinhaber zu zwingen, den Verstoß gegen Artikel 13 abzustellen oder

c)den Rechteinhaber oder den Lizenznehmer zu zwingen, den Pflichten nachzukommen, die sich aus den in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe h und Artikel 14 Absatz 2 genannten und in einem entsprechenden Durchführungsrechtsakt festgelegten zusätzlichen Maßnahmen zur Ergänzung der unionsweiten Zwangslizenz ergeben.

(2)Sind der Lizenznehmer oder der Rechteinhaber der Pflicht nachgekommen, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld festgesetzt worden war, so kann die Kommission die endgültige Höhe des Zwangsgelds auf einen Betrag festsetzen, der unter dem Betrag liegt, der sich aus dem ursprünglichen Beschluss ergeben würde.

Artikel 17

Verjährungsfrist für die Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern

(1)Für die der Kommission mit den Artikeln 15 und 16 übertragenen Befugnisse gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren.

(2)Die Frist läuft ab dem Tag, an dem der Verstoß begangen worden ist. Im Falle andauernder oder wiederholter Verstöße läuft die Verjährungsfrist jedoch erst ab dem Tag, an dem der Verstoß abgestellt wird.

(3)Die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern wird durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung eines Verstoßes gerichtete Handlung der Kommission oder der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unterbrochen.

(4)Nach jeder Unterbrechung beginnt die Frist von Neuem. Die Verjährungsfrist für die Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern endet jedoch spätestens an dem Tag, an dem ein Zeitraum verstrichen ist, der der doppelten Verjährungsfrist entspricht, ohne dass die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld verhängt hat. Diese Frist wird um den Zeitraum verlängert, in dem die Verjährungsfrist gemäß Absatz 5 ausgesetzt wurde.

(5)Die Verjährungsfrist für die Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern ruht, solange zu dem Beschluss der Kommission ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist.

Artikel 18

Verjährungsfrist für die Vollstreckung von Geldbußen oder Zwangsgeldern

(1)Für die Befugnis der Kommission zur Durchsetzung von nach Artikel 15 und Artikel 16 erlassenen Beschlüssen gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren.

(2)Die Frist läuft ab dem Tag, an dem der Beschluss rechtskräftig wird.

(3)Die Verjährungsfrist für die Vollstreckung von Sanktionen wird unterbrochen durch

a)die Bekanntgabe eines Beschlusses, durch den der ursprüngliche Betrag der Geldbuße oder des Zwangsgelds geändert oder ein Antrag auf eine solche Änderung abgelehnt wird;

b)jede auf Vollstreckung der Geldbuße oder des Zwangsgelds gerichtete Maßnahme der Kommission oder eines Mitgliedstaats, der auf Ersuchen der Kommission handelt.

(4)Nach jeder Unterbrechung beginnt die Frist von Neuem.

(5)Die Verjährungsfrist für die Vollstreckung von Sanktionen ruht, solange

a)eine Zahlungsfrist bewilligt ist;

b)die Zwangsvollstreckung durch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union oder eine Entscheidung eines nationalen Gerichts ausgesetzt ist.

Artikel 19

Anspruch auf rechtliches Gehör und Recht auf Akteneinsicht

(1)Vor der Annahme eines Beschlusses gemäß Artikel 15 oder 16 gibt die Kommission dem Lizenznehmer oder dem Rechteinhaber Gelegenheit, sich zu dem mutmaßlichen Verstoß zu äußern, der mit einer Geldbuße oder einem Zwangsgeld geahndet werden soll.

(2)Der Lizenznehmer oder der Rechteinhaber kann sich innerhalb einer von der Kommission gesetzten angemessenen Frist, die mindestens 14 Tage beträgt, zu dem mutmaßlichen Verstoß äußern.

(3)Die Kommission stützt ihre Beschlüsse ausschließlich auf Beschwerdepunkte, zu denen sich die betroffenen Parteien äußern konnten.

(4)Die Verteidigungsrechte der betroffenen Parteien werden während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt. Sie haben vorbehaltlich des berechtigten Interesses des Lizenznehmers oder des Rechteinhabers oder einer anderen betroffenen Person am Schutz ihrer vertraulichen Geschäftsdaten und Geschäftsgeheimnisse das Recht auf Einsicht in die Akten der Kommission im Rahmen einer einvernehmlichen Einsichtnahme. Die Kommission ist befugt, im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien Beschlüsse über die Bedingungen dieser Einsichtnahme zu fassen. Von der Einsicht in die Akten der Kommission ausgenommen sind vertrauliche Informationen sowie interne Schriftstücke der Kommission, anderer zuständiger Behörden oder anderer öffentlicher Stellen der Mitgliedstaaten. Insbesondere die Korrespondenz zwischen der Kommission und diesen Behörden und Stellen ist von der Akteneinsicht ausgenommen. Die Regelung dieses Absatzes steht der Offenlegung und Nutzung der für den Nachweis eines Verstoßes notwendigen Informationen durch die Kommission in keiner Weise entgegen.

(5)Soweit die Kommission es für erforderlich hält, kann sie auch andere natürliche oder juristische Personen anhören. Dem Antrag natürlicher oder juristischer Personen, angehört zu werden, ist stattzugeben, wenn sie ein ausreichendes Interesse nachweisen.

Artikel 20

Veröffentlichung von Beschlüssen

(1)Die Kommission veröffentlicht die Beschlüsse, die sie gemäß den Artikeln 15 und 16 erlässt. Bei dieser Veröffentlichung gibt sie die Namen der Parteien, den wesentlichen Inhalt des Beschlusses und die Höhe der gegebenenfalls verhängten Geldbußen oder Zwangsgelder an.

(2)Bei der Veröffentlichung wird den Rechten und berechtigten Interessen des Lizenznehmers, des Rechteinhabers oder Dritter am Schutz ihrer vertraulichen Informationen Rechnung getragen.

Artikel 21

Ermessensnachprüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union

Nach Artikel 261 AEUV hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung von Beschlüssen, mit denen die Kommission Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt hat. Er kann die verhängten Geldbußen oder Zwangsgelder aufheben, herabsetzen oder erhöhen.

Artikel 22

Meldung von nationalen Zwangslizenzen

Wurde eine nationale Zwangslizenz zur Bewältigung einer Krise oder eines Notfalls auf nationaler Ebene erteilt, so benachrichtigt der betreffende Mitgliedstaat die Kommission über die Erteilung der Lizenz und die daran geknüpften besonderen Bedingungen. Dabei werden folgende Angaben mitgeteilt:

a)der Zweck der nationalen Zwangslizenz und deren Rechtsgrundlage im nationalen Recht;

b)der Name und die Anschrift des Lizenznehmers;

c)die betreffenden Produkte und, soweit möglich, die betreffenden Rechte des geistigen Eigentums sowie die Rechteinhaber;

d)die an den Rechteinhaber zu zahlende Entschädigung;

e)die Menge der im Rahmen der Lizenz zu liefernden Produkte;

f)die Geltungsdauer der Lizenz.

Artikel 23

Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 816/2006

Die Verordnung (EG) Nr. 816/2006 wird wie folgt geändert:

a)Folgender Artikel 18a wird eingefügt:

„Artikel 18a

Unionsweite Zwangslizenz

(1) Die Kommission kann eine Zwangslizenz erteilen, wenn sich die Tätigkeiten zur Herstellung und zum Verkauf zu Ausfuhrzwecken auf verschiedene Mitgliedstaaten erstrecken und daher für ein dasselbe Erzeugnis Zwangslizenzen in mehreren Mitgliedstaaten erforderlich wären.

(2) Jede Person kann einen Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz gemäß Absatz 1 stellen. Der Antrag muss die in Artikel 6 Absatz 3 genannten Bedingungen erfüllen; ferner sind darin die Mitgliedstaaten zu nennen, für die die Zwangslizenz gelten soll.

(3) Die gemäß Absatz 1 erteilte Zwangslizenz unterliegt den in Artikel 10 genannten Bedingungen und enthält die Angabe, dass sie für das gesamte Gebiet der Union gilt.

(4) Wird ein Antrag nach Absatz 2 gestellt, ist die Kommission die zuständige Behörde, auf die in den Artikeln 1 bis 11 sowie den Artikeln 16 und 17 verwiesen wird.

(5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zu erlassen, um

a) eine Zwangslizenz zu erteilen;

b) den Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz abzulehnen;

c) die Zwangslizenz zu ändern oder zurückzunehmen.

Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 18b Absatz 2 genannten Beratungsverfahren erlassen. In hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit erlässt die Kommission nach dem Verfahren gemäß Artikel 18b Absatz 3 unmittelbar geltende Durchführungsrechtsakte.“

b)Folgender Artikel 18b wird eingefügt:

„Artikel 18b
Ausschussverfahren

(1) Die Kommission wird von einem Ausschuss („Ausschuss für die Vergabe von Zwangslizenzen“) unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(3) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 in Verbindung mit deren Artikel 4.“

Artikel 24

Ausschussverfahren

(1)Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(3)Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(4)Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, gilt Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 in Verbindung mit deren Artikel 4.

Artikel 25

Bewertung

Die Kommission legt dem Rat, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss spätestens am letzten Tag des dritten Jahres nach der Erteilung der unionsweiten Zwangslizenz gemäß Artikel 7 einen Bewertungsbericht über die Anwendung dieser Verordnung vor.

Artikel 26

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments    Im Namen des Rates

Die Präsidentin    Der Präsident /// Die Präsidentin

(1)    ABl. C … vom …, S. ….
(2)    ABl. C … vom …, S. ….
(3)    ABl. L 336 vom 23.12.1994, S. 214.
(4)    Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. L 77 vom 27.3.1996, S. 20).
(5)    Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 111 vom 5.5.2009, S. 16).
(6)    Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10).
(7)    Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45).
(8)    Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (ABl. L 130 vom 17.5.2019, S. 92).
(9)    Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45).
(10)    Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558).
(11)    Verordnung (EG) Nr. 816/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Zwangslizenzen für Patente an der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen für die Ausfuhr in Länder mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 1).
(12)    Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(13)    Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).
(14)    Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union.
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Brüssel, den 27.4.2023

COM(2023) 224 final

ANHANG

des

Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates

über die Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 816/2006

{SEC(2023) 173 final} - {SWD(2023) 120 final} - {SWD(2023) 121 final} - {SWD(2023) 122 final}


ANHANG – Im Folgenden sind die in Artikel 4 genannten Krisen- oder Notfallmodi und die in Artikel 6 Absatz 2 genannten zuständigen Beratungsgremien aufgeführt:

Krisen- oder Notfallmechanismus der Union

Krisenmodus oder Notfallmodus

Zuständiges Beratungsgremium

1.Verordnung XXX/XX des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Notfallinstruments für den Binnenmarkt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2679/98 des Rates [COM(2022) 459]

Notfallmodus für den Binnenmarkt, aktiviert im Wege eines Durchführungsrechtsakts des Rates [Artikel 14 der Verordnung XXX/XX] [COM(2022) 459]

Beratungsgruppe [Artikel 4 der Verordnung XXX/XX] [COM(2022) 459]

2.Verordnung (EU) 2022/2371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. November 2022 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU

Gesundheitliche Notlage auf Unionsebene, formell festgestellt im Wege eines Durchführungsrechtsakts der Kommission [Artikel 23 der Verordnung (EU) 2022/2371]

Gesundheitssicherheitsausschuss [Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/2371]

3.Verordnung (EU) 2022/2372 des Rates vom 24. Oktober 2022 über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene

Notfallrahmen, aktiviert durch Annahme einer Verordnung des Rates [Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/2372]

Gesundheitskrisenstab [Artikel 5 der Verordnung (EU) 2022/2372]

4.Verordnung XXX/XX zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Halbleiter-Ökosystems [COM(2022) 46]

Krisenstufe, aktiviert im Wege eines Durchführungsrechtsakts der Kommission [Artikel 18 der Verordnung XXX/XXX] [COM(2022) 46]

Europäische Halbleitergremium [Artikel 23 der Verordnung XXX/XXX] [COM(2022) 46]

5.Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010

Unionsweiter Notfall, ausgerufen durch die Kommission [Artikel 12 der Verordnung (EU) 2017/1938]

Koordinierungsgruppe „Gas“ [Artikel 4 der Verordnung (EU) 2017/1938]

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