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Document 52022PC0136

    Vorschlag für einen DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES zur Ermächtigung der Republik Polen, eine von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahme anzuwenden

    COM/2022/136 final

    Brüssel, den 30.3.2022

    COM(2022) 136 final

    2022/0091(NLE)

    Vorschlag für einen

    DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

    zur Ermächtigung der Republik Polen, eine von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahme anzuwenden


    BEGRÜNDUNG

    Gemäß Artikel 395 Absatz 1 der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 1 (im Folgenden die „MwSt-Richtlinie“) kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen anzuwenden, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern.

    Mit einem am 5. August 2021 bei der Kommission registrierten Schreiben beantragte die Republik Polen die Ermächtigung, von den Artikeln 218, 226 und 232 der MwSt-Richtlinie abzuweichen, um eine obligatorische elektronische Rechnungsstellung vorschreiben zu können.

    Mit einem am 9. Februar 2022 bei der Kommission registrierten Schreiben änderte Polen seinen Antrag. Demnach beantragt Polen lediglich die Ermächtigung zur Abweichung von den Artikeln 218 und 232 der MwSt-Richtlinie und führt aus, dass die obligatorische elektronische Rechnungsstellung nur für im Hoheitsgebiet Polens ansässige Steuerpflichtige gelten würde.

    Mit Schreiben vom 21. Oktober 2021 setzte die Kommission gemäß Artikel 395 Absatz 2 der MwSt-Richtlinie die anderen Mitgliedstaaten über den Antrag Polens in Kenntnis. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2021 teilte die Kommission Polen mit, dass sie über alle für die Beurteilung des Antrags erforderlichen Angaben verfügt.

    1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

    Gründe und Ziele des Vorschlags

    Polen beantragte eine abweichende Sondermaßnahme gemäß Artikel 395 der MwSt-Richtlinie, um für alle Umsätze, für die nach den polnischen Mehrwertsteuervorschriften eine Rechnung gestellt werden muss, eine Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung mithilfe des nationalen elektronischen Rechnungsstellungssystems (KSeF) einführen zu können. Mit Schreiben vom 8. Februar 2022 wurde der Anwendungsbereich der Sondermaßnahme auf im Hoheitsgebiet Polens ansässige Steuerpflichtige beschränkt.

    Die Steuerpflichtigen werden zudem spezifische Informationen zu bestimmten Umsätzen an das KSeF übermitteln müssen, die gemäß den polnischen Mehrwertsteuervorschriften nicht durch Rechnungen dokumentiert zu werden brauchen; dies betrifft zum Beispiel den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen und die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Da für diese Umsätze nach den polnischen Mehrwertsteuervorschriften keine Ausstellung einer Rechnung erforderlich ist, bedeutet letztere Verpflichtung keine Abweichung von der MwSt-Richtlinie.

    Polen macht geltend, dass die Einführung einer allgemeinen Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung von großem Nutzen im Hinblick auf die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung sowie die Vereinfachung der Steuererhebung wäre. Die Durchführung der Maßnahme wird die Digitalisierung des öffentlichen Sektors beschleunigen. Darüber hinaus wird sie zur verstärkten Automatisierung der Abläufe für Steuerpflichtige beitragen und so die Einhaltung der Steuerpflichten erleichtern. Beispielsweise werden die im Rahmen der elektronischen Rechnungsstellung erhobenen Daten das Vorausfüllen von Mehrwertsteuererklärungen und zusammenfassenden Meldungen sowie raschere Mehrwertsteuererstattungen ermöglichen.

    Gemäß Artikel 218 der MwSt-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten alle auf Papier oder elektronisch vorliegenden Dokumente oder Mitteilungen als Rechnungen anerkennen. Polen möchte daher von dem genannten Artikel der MwSt-Richtlinie abweichen, damit ausschließlich elektronisch vorliegende Dokumente von der polnischen Steuerverwaltung als Rechnungen anerkannt werden können.

    Gemäß Artikel 232 der MwSt-Richtlinie bedarf die Verwendung einer elektronischen Rechnung der Zustimmung des Rechnungsempfängers. Die Einführung einer Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung in Polen erfordert daher eine Abweichung von diesem Artikel, sodass der Aussteller einer papierlosen Rechnung nicht mehr die Zustimmung des Rechnungsempfängers einholen muss.

    Laut den Ausführungen Polens wird die obligatorische elektronische Rechnungsstellung, zusammen mit der Übermittlung zusätzlicher Transaktionsdaten, die Analysemöglichkeiten der Steuerverwaltung erheblich verbessern. Dies wird zu einer effektiveren Verhütung und Feststellung von Unregelmäßigkeiten führen und so zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung beitragen. Insbesondere wird es der polnischen Steuerverwaltung hierdurch ermöglicht, die Kohärenz zwischen angemeldeter und entrichteter Mehrwertsteuer automatisch zu überprüfen. Des Weiteren wird eine reibungslosere und genauere Prüfung der von den Steuerzahlern eingereichten Anträge auf Erstattung der Mehrwertsteuer möglich. Darüber hinaus ergänzt diese Maßnahme andere von Polen zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung sowie zur Modernisierung des Mehrwertsteuersystems eingeführte Maßnahmen, zum Beispiel die standardisierte Prüfdatei zu Mehrwertsteuerzwecken, das Verfahren der Aufspaltung von Zahlungen (Split-Payment-Verfahren), das elektronische System zur Cashflow-Analyse (STIR) oder das System der Online-Registrierkassen zur Überwachung des Einzelhandels.

    Die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung wird für alle von im Hoheitsgebiet Polens ansässigen Steuerpflichtigen getätigten Umsätze gelten, für die derzeit gemäß dem polnischen Mehrwertsteuergesetz 2 eine Rechnung gestellt werden muss. Außerdem wird die Übermittlung spezifischer Informationen zu bestimmten Umsätzen, für die keine Rechnung gestellt werden muss, an das KSeF erfolgen. Dies gilt für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen und die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen; bei solchen Umsätzen ist der Erwerber des Gegenstands bzw. der Empfänger der Dienstleistung zur Entrichtung der Mehrwertsteuer in Polen verpflichtet. Da für diese Umsätze nach den polnischen Mehrwertsteuervorschriften keine Ausstellung einer Rechnung erforderlich ist, bedeutet letztere Verpflichtung keine Abweichung von der MwSt-Richtlinie. Die Übermittlung dieser Informationen wird die Vorbereitung vorausgefüllter Mehrwertsteuererklärungen und zusammenfassender Meldungen ermöglichen.

    Die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung unter Nutzung des KSeF wird für alle Steuerpflichtigen gelten, die im Hoheitsgebiet Polens ansässig sind und Tätigkeiten ausüben, für die nach den polnischen Mehrwertsteuervorschriften im polnischen Hoheitsgebiet eine Rechnung ausgestellt werden muss. Dies schließt Steuerpflichtige ein, welche die in Artikel 282 der MwSt-Richtlinie genannte Steuerbefreiung für Kleinunternehmen in Anspruch nehmen. Die obligatorische elektronische Rechnungsstellung wird jedoch weder für ausländische Steuerpflichtige gelten, die nicht verpflichtet sind, sich im Zusammenhang mit ihren innergemeinschaftlichen Umsätzen oder der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen in Polen für Mehrwertsteuerzwecke registrieren zu lassen, noch für Steuerzahler, die in Polen für Mehrwertsteuerzwecke registriert, aber nicht im polnischen Hoheitsgebiet ansässig sind. Ebenso wenig wird die Regelung in diesen Fällen das Recht der Kunden einschränken, Rechnungen in Papierform zu erhalten.

    Steuerpflichtigen wird es möglich sein, mittels des KSeF strukturierte elektronische Rechnungen auszustellen und zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck wird das polnische Finanzministerium folgende unentgeltliche Tools anbieten: die auf dem Smartphone nutzbare Online-App „e-Mikrofirma“ und ein Webformular, das für jeden Steuerpflichtigen, der sich in e-Urząd (e-Office) 3 einloggt, zugänglich ist. Zudem werden Unternehmen die Möglichkeit haben, strukturierte elektronische Rechnungen mithilfe ihrer Finanz- und Buchhaltungssoftware zu erstellen und nach vorheriger entsprechender Autorisierung über eine Programmierschnittstelle an das KSeF zu übermitteln. Hierfür muss sich der Steuerpflichtige oder eine von ihm autorisierte Person lediglich anhand eines der allgemein verfügbaren Mittel authentisieren.

    Elektronische Rechnungen müssen vom KSeF validiert werden. Nach der Validierung wird die elektronische Rechnung als eingegangen gelten und für den Empfänger automatisch zur Ansicht oder zum Download bereitstehen. Falls beim KSeF eine Störung auftritt, wird auf der Website eine Meldung mit der Information angezeigt, dass das System nicht verfügbar ist. Für solche Fälle ist ein Notfallverfahren vorgesehen, um die reibungslose Verarbeitung von Rechnungen durch die Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden Unternehmen die Möglichkeit haben, elektronische Rechnungen mithilfe ihrer eigenen Buchhaltungssoftware zu erstellen.

    Polen legt dar, dass diese Maßnahme den Steuerpflichtigen Vorteile bringen wird, zum Beispiel einen von der Verwaltung bereitgestellten Rechnungsspeicherungs- und archivierungsdienst, den Wegfall des Ausdruckens von Rechnungen und deren manueller Eingabe in Buchhaltungssysteme, den Ausschluss des Verlusts von Rechnungen, die Automatisierung von Buchhaltungsprozessen sowie die Vereinfachung von Steuer- und Meldepflichten.    

    Um die Auswirkungen der Maßnahme auf die Steuerpflichtigen weitestgehend zu beschränken und ihnen eine reibungslose Anpassung an die Verpflichtung zu ermöglichen, hat Polen eine fakultative elektronische Rechnungsstellung eingeführt, bei der die Zustimmung des Rechnungsempfängers zur Verwendung einer elektronischen Rechnung nach wie vor erforderlich ist; diese Regelung trat am 1. Januar 2022 in Kraft. Davor konnten ab Oktober 2021 im Rahmen eines „e-invoice“-Pilotprogramms in Zusammenarbeit mit Unternehmern Systemtests durchgeführt werden.

    In Anbetracht des breiten Geltungsbereichs der abweichenden Sondermaßnahme ist es wichtig, für die in diesem Zusammenhang notwendigen Folgemaßnahmen Sorge zu tragen. Zu nennen sind hier insbesondere die Auswirkungen der Maßnahme auf die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung sowie auf die Steuerpflichtigen. Sollte Polen eine Verlängerung der abweichenden Sondermaßnahme wünschen, so muss es zusammen mit dem Antrag auf Verlängerung einen Bericht über das Funktionieren der Maßnahme vorlegen. Darin sollte die Wirksamkeit der Maßnahme im Hinblick auf die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung sowie die Vereinfachung der Steuererhebung bewertet werden. Der Bericht sollte außerdem eine Evaluierung der Auswirkungen der Maßnahme auf die Steuerpflichtigen enthalten, und zwar vor allem in Bezug auf deren höhere Verwaltungslasten und Befolgungskosten.

    Es wird vorgeschlagen, die abweichende Sondermaßnahme vom 1. April 2023 bis zum 31. März 2026 zu genehmigen.

    Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

    Artikel 218 der MwSt-Richtlinie misst Rechnungen auf Papier und elektronischen Rechnungen gleichen Wert bei, denn darin heißt es, dass die Mitgliedstaaten als Rechnung alle auf Papier oder elektronisch vorliegenden Dokumente oder Mitteilungen anerkennen. Gemäß Artikel 232 der MwSt-Richtlinie bedarf die Verwendung einer elektronischen Rechnung der Zustimmung des Rechnungsempfängers. Die obligatorische elektronische Rechnungsstellung, wie von Polen vorgesehen, würde in der Tat von diesen beiden Bestimmungen abweichen.

    Die abweichende Maßnahme kann auf Grundlage des Artikels 395 der MwSt-Richtlinie genehmigt werden, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder ‑umgehungen zu verhindern. Polen hat die abweichende Sondermaßnahme beantragt, um Steuerbetrug und -hinterziehung zu bekämpfen und die Steuererhebung zu vereinfachen. Den von Polen vorgelegten Informationen zufolge steht die abweichende Maßnahme mit den bestehenden Vorschriften in Einklang.

    Ähnliche Ermächtigungen Italiens und Frankreichs, von den Artikeln 218 und 232 der MwSt-Richtlinie abzuweichen, um eine obligatorische elektronische Rechnungsstellung einzuführen, wurden mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 des Rates 4 und dem Durchführungsbeschluss (EU) 2022/133 des Rates 5 erteilt.

    Schließlich nahm die Kommission im Jahr 2020 die „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie 6 an. Eine der in diesem Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen ist die Annahme eines Legislativvorschlags zur Modernisierung der Mehrwertsteuermeldepflichten durch die Kommission. Wie im Aktionsplan ausgeführt, sollte dieser Vorschlag unter anderem dazu beitragen, die Berichterstattungsmechanismen zu straffen, die für inländische Umsätze gelten können. In diesem Zusammenhang wird außerdem geprüft, ob die elektronische Rechnungsstellung erweitert werden muss. Die von Polen beantragte abweichende Sondermaßnahme steht somit in Einklang mit den im Aktionsplan genannten Zielen der Kommission.

    2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT

    Rechtsgrundlage

    Artikel 395 der MwSt-Richtlinie

    Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

    In Anbetracht der Bestimmung der MwSt-Richtlinie, auf die sich der Vorschlag stützt, findet das Subsidiaritätsprinzip keine Anwendung.

    Verhältnismäßigkeit

    Der Vorschlag entspricht aus folgenden Gründen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:

    Der Beschluss ermächtigt einen Mitgliedstaat auf eigenen Antrag und stellt keine Verpflichtung dar.

    Die obligatorische elektronische Rechnungsstellung wird für die Steuerpflichtigen eine Reihe von Änderungen mit sich bringen. Um den Steuerpflichtigen den Übergang zu erleichtern, hat Polen mit Wirkung vom 1. Januar 2022 eine fakultative elektronische Rechnungsstellung eingeführt; davor war das System im Rahmen eines „e-invoice“-Pilotprogramms in Zusammenarbeit mit Unternehmern getestet worden. Darüber hinaus wird Polen unentgeltliche Tools für die Einhaltung der Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung bereitstellen, und das Finanzministerium und die Nationale Finanzverwaltung (NRA) werden eine umfassende Informationskampagne durchführen, um die Steuerpflichtigen mit den neuen Mehrwertsteuervorschriften für die Rechnungsstellung vertraut zu machen.

    Steuerpflichtige, welche die in Artikel 282 der MwSt-Richtlinie genannte Steuerbefreiung für Kleinunternehmen in Anspruch nehmen, fallen ebenfalls in den Anwendungsbereich der Maßnahme. Nach Ansicht Polens ist dies im Interesse der Verhütung von Steuerhinterziehung oder -umgehung gerechtfertigt. Die polnischen Behörden haben bei der Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen Unregelmäßigkeiten dahingehend festgestellt, dass nicht alle getätigten Umsätze gemeldet und Geschäftsaktivitäten künstlich aufgespalten werden, um unter dem Schwellenwert zu bleiben.

    Des Weiteren haben von der NRA durchgeführte Untersuchungen ergeben, dass die überwiegende Zahl der Fälle von Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrug 7 und Betrug durch falsche Rechnungen auf Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen zurückzuführen ist. Durch die Einführung einer obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung für solche Unternehmen wird eine effektivere Überwachung und Feststellung solcher Unregelmäßigkeiten ermöglicht.

    Polen erklärt, dass die im Rahmen der fakultativen elektronischen Rechnungsstellung durchgeführten vorbereitenden Arbeiten und die Tools, die zur Einhaltung der Verpflichtung bereitgestellt werden, zusammen mit dem durch die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung erzielten Nutzen die Investitionen, die kleine Unternehmen zur Anpassung ihrer Systeme tätigen müssen, im Großen und Ganzen ausgleichen werden. Diese Investitionen werden nach den Schätzungen der polnischen Behörden ohnehin nicht erheblich sein.

    Die abweichende Sondermaßnahme ist auch zeitlich befristet; zudem ist ein Bericht über das Funktionieren und die Wirksamkeit der Maßnahme zu erstellen, falls Polen die abweichende Sondermaßnahme verlängern möchte.

    Daher ist die Sondermaßnahme dem angestrebten Ziel – Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Vereinfachung der Steuererhebung – angemessen.

    Wahl des Instruments

    Vorgeschlagenes Instrument: Durchführungsbeschluss des Rates.

    Gemäß Artikel 395 der MwSt-Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten nur dann von den gemeinsamen Mehrwertsteuervorschriften abweichen, wenn der Rat sie hierzu auf Vorschlag der Kommission einstimmig ermächtigt. Ein Durchführungsbeschluss des Rates ist das am besten geeignete Instrument, da er an einzelne Mitgliedstaaten gerichtet werden kann.

    3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

    Folgenabschätzung

    Die obligatorische elektronische Rechnungsstellung wird sich sowohl auf die Steuerverwaltung als auch auf die Steuerpflichtigen auswirken.

    Polen geht davon aus, dass die obligatorische elektronische Rechnungsstellung zur Straffung und Modernisierung des polnischen Mehrwertsteuersystems beitragen wird und es so robuster gegenüber Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten macht. Sie wird automatisierten, rascheren Zugang zu einer größeren Zahl von Daten ermöglichen und die Analysemöglichkeiten der Steuerverwaltung verbessern. Den Schätzungen Polens zufolge wird dies zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuereinnahmen von etwa 1,8 Mrd. PLN jährlich beitragen. Diese zusätzlichen Einnahmen werden auf den Rückgang des Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs sowie ungerechtfertigter Mehrwertsteuererstattungen zurückzuführen sein. Laut den Ausführungen Polens handelt es sich hierbei um konservative Schätzungen, bei denen mögliche Einnahmen infolge des Beitrags des KSeF zur Feststellung anderer Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer, darunter die Nichterfassung von Verkäufen im Einzelhandel, und die verbesserte Erhebung der Einkommensteuern nicht berücksichtigt wurden.

    Durch die Einführung einer allgemeinen obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung entstehen für den Staatshaushalt Kosten im Zusammenhang mit der Einrichtung und Instandhaltung des Systems, der erforderlichen Infrastruktur für die Speicherung von Rechnungen und der schrittweisen Erhöhung der Analysekapazitäten aufgrund der nach und nach anwachsenden Datenbank. Den Schätzungen Polens zufolge werden sich die Ausgaben für die Einführung und Instandhaltung des KSeF im Zeitraum 2021-2026 insgesamt auf etwa 161,2 Mio. PLN belaufen.

    Den Steuerpflichtigen werden durch die Einführung einer obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung Kosten entstehen, vor allem durch die Notwendigkeit einer Anpassung ihrer Buchhaltungssysteme. Die Kosten für die Ausstellung einer Rechnung mithilfe des KSeF werden jedoch sehr gering sein, erheblich geringer als bei Rechnungen auf Papier. Um diese Kosten zu senken, wird das polnische Finanzministerium unentgeltliche Tools zur Ausstellung und Verarbeitung strukturierter elektronischer Rechnungen bereitstellen.

    Daher erwartet Polen keine erheblichen Kosten für die Steuerpflichtigen, insbesondere in Anbetracht der Vorteile, den diese durch die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung haben werden. Polen legt dar, dass die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung den Steuerpflichtigen wesentliche Vorteile bringen wird, zum Beispiel einen von der Verwaltung bereitgestellten Rechnungsspeicherungs- und ‑archivierungsdienst, den Wegfall des Ausdruckens von Rechnungen und deren manueller Eingabe in Buchhaltungssysteme, die Verringerung der Fehlerhäufigkeit durch die Automatisierung der Buchhaltungsprozesse oder den schnelleren Datenaustausch zwischen Geschäftspartnern. Weitere Vorteile werden sein: die Vereinfachung von Steuer- und Meldepflichten, zum Beispiel durch vorausgefüllte Mehrwertsteuererklärungen und zusammenfassende Meldungen, die verringerte Zahl von Prüfungen und Inspektionen durch die Steuerverwaltung sowie raschere Mehrwertsteuererstattungen.

    4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

    Die Maßnahme hat keine nachteiligen Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer-Eigenmittel der Union.

    2022/0091 (NLE)

    Vorschlag für einen

    DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

    zur Ermächtigung der Republik Polen, eine von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahme anzuwenden

    DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

    gestützt auf die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 8 , insbesondere auf Artikel 395 Absatz 1,

    auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)Mit einem am 5. August 2021 bei der Kommission registrierten Schreiben beantragte Polen die Ermächtigung zur Einführung einer von den Artikeln 218, 226 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG abweichenden Sondermaßnahme, um die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für alle von Steuerpflichtigen getätigten Umsätze, die die Ausstellung einer Rechnung erfordern, einzuführen. Die Ermächtigung wurde für den Zeitraum vom 1. April 2023 bis zum 31. März 2026 beantragt.

    (2)Mit Schreiben vom 21. Oktober 2021 leitete die Kommission den Antrag Polens an die anderen Mitgliedstaaten weiter. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2021 teilte die Kommission Polen mit, dass sie über alle für die Beurteilung des Antrags erforderlichen Angaben verfügt.

    (3)Mit Schreiben vom 8. Februar 2022 informierte Polen die Kommission darüber, dass eine Abweichung von Artikel 226 der Richtlinie 2006/112/EG nicht erforderlich sei und sich der Anwendungsbereich der beantragten Maßnahme auf Steuerpflichtige beschränken werde, die im Hoheitsgebiet Polens ansässig sind.

    (4)Polen macht geltend, dass eine allgemeine Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung Vorteile bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und hinterziehung mit sich bringen würde. Diese Verpflichtung, zusammen mit der Übermittlung zusätzlicher Transaktionsdaten, werde die Analysemöglichkeiten der polnischen Steuerverwaltung erheblich verbessern und es ihr ermöglichen, die Kohärenz zwischen angemeldeter und entrichteter Mehrwertsteuer automatisch zu überprüfen; zudem werde eine genauere Prüfung der von den Steuerzahlern eingereichten Anträge auf Erstattung der Mehrwertsteuer ermöglicht. Darüber hinaus ergänzt diese Maßnahme laut den Ausführungen Polens andere Maßnahmen zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung sowie zur Modernisierung des Mehrwertsteuersystems, zum Beispiel die standardisierte Prüfdatei zu Mehrwertsteuerzwecken, das Verfahren der Aufspaltung von Zahlungen (Split-Payment-Verfahren) 9 , das elektronische System zur Cashflow-Analyse oder das System der Online-Registrierkassen zur Überwachung des Einzelhandels.

    (5)Polen vertritt die Auffassung, dass die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für die Steuerpflichtigen eine Reihe von Verbesserungen zur einfacheren Einhaltung ihrer Pflichten bringen würde, beispielsweise vorausgefüllte Mehrwertsteuererklärungen und zusammenfassende Meldungen sowie raschere Mehrwertsteuererstattungen. Die elektronische Rechnungsstellung hätte Vorteile für die Steuerpflichtigen, zum Beispiel einen von der Verwaltung bereitgestellten Rechnungsspeicherungs- und -archivierungsdienst oder die Automatisierung der Buchhaltungsprozesse. Nach Auskunft Polens wären die Kosten, die den Steuerpflichtigen durch die Anpassung ihrer Systeme an die elektronische Rechnungsstellung entstehen, voraussichtlich nicht erheblich, insbesondere in Anbetracht der Vorteile, den diese durch die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung haben werden. Zur Unterstützung dieser Anpassung hat Polen vor Inkrafttreten der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung eine fakultative elektronische Rechnungsstellung eingeführt. Darüber hinaus werden laut den Ausführungen Polens unentgeltliche Tools für die Einhaltung der Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung bereitgestellt, und es wird eine umfassende Informationskampagne durchgeführt, um die Steuerzahler mit den neuen Mehrwertsteuervorschriften für die obligatorische Rechnungsstellung vertraut zu machen.

    (6)In Anbetracht des breiten Geltungsbereichs und der Neuartigkeit der Sondermaßnahme ist es wichtig, deren Auswirkungen auf die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung sowie auf die Steuerpflichtigen zu bewerten. Falls Polen eine Verlängerung der Sondermaßnahme für erforderlich hält, sollte es daher der Kommission zusammen mit dem Antrag auf Verlängerung einen Bericht vorlegen, in dem die Wirksamkeit der Sondermaßnahme bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und -hinterziehung sowie bei der Vereinfachung der Mehrwertsteuererhebung bewertet wird.

    (7)Diese Sondermaßnahme sollte das Recht der Verbraucher auf Erhalt von Papierrechnungen im Fall innergemeinschaftlicher Umsätze nicht beeinträchtigen.

    (8)Die Sondermaßnahme steht in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen. Darüber hinaus birgt die Sondermaßnahme nicht die Gefahr der Verlagerung von Steuerbetrug in andere Sektoren oder Mitgliedstaaten.

    (9)Die Sondermaßnahme wird keine negativen Auswirkungen auf den Gesamtbetrag der auf der Stufe des Endverbrauchs erhobenen Steuer und keine nachteiligen Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer-Eigenmittel der Union haben —

    HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

    Artikel 1

    Abweichend von Artikel 218 der Richtlinie 2006/112/EG wird Polen ermächtigt, Rechnungen, die von im polnischen Hoheitsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen in Form von Dokumenten oder Mitteilungen ausgestellt wurden, nur dann zu akzeptieren, wenn diese Dokumente oder Mitteilungen elektronisch übermittelt werden.

    Artikel 2

    Abweichend von Artikel 232 der Richtlinie 2006/112/EG wird Polen ermächtigt, eine Bestimmung zu erlassen, wonach die Verwendung elektronischer Rechnungen, die im polnischen Hoheitsgebiet ausgestellt wurden, nicht der Zustimmung des Rechnungsempfängers bedarf.

    Artikel 3

    Polen teilt der Kommission die nationalen Maßnahmen zur Durchführung der abweichenden Sondermaßnahmen gemäß den Artikeln 1 und 2 mit.

    Artikel 4

    Dieser Beschluss gilt vom 1. April 2023 bis zum 31. März 2026.

    Sollte Polen die Verlängerung der in den Artikeln 1 und 2 genannten abweichenden Sondermaßnahmen für erforderlich halten, so legt es der Kommission zusammen mit dem Antrag auf Verlängerung einen Bericht vor, in dem die Wirksamkeit der in Artikel 3 genannten nationalen Maßnahmen bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung sowie bei der Vereinfachung der Mehrwertsteuererhebung bewertet wird. In diesem Bericht ist auch zu evaluieren, wie sich diese Maßnahmen auf die Steuerpflichtigen auswirken und ob sie insbesondere zu einer Zunahme ihrer Verwaltungslasten und -kosten führen.

    Artikel 5

    Dieser Beschluss ist an die Republik Polen gerichtet.

    Geschehen zu Brüssel am […]

       Im Namen des Rates

       Der Präsident/Die Präsidentin

    (1)    ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.
    (2)    Gesetz vom 11. März 2004 über die Mehrwertsteuer (Polnisches Gesetzblatt 2021, Eintrag 685 in der geänderten Fassung).
    (3)    Ein zentralisiertes System, das es nach Auskunft Polens ermöglicht, die Steuern umfassend online zu entrichten. e-Urząd ist ein Projekt, das den Steuerpflichtigen Online-Tools zur Verfügung stellen wird, die es ihnen durch einen elektronischen Online-Zahlungsdienst einfacher machen, ihren Steuerpflichten, einschließlich der Entrichtung von Steuern, nachzukommen.
    (4)    ABl. L 99 vom 19.4.2018, S. 14.
    (5)    ABl. L 20 vom 31.1.2022, S. 272.
    (6)     https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2020-07/2020_tax_package_tax_action_plan_de.pdf
    (7)    Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrug ist eine Art von Mehrwertsteuerbetrug, bei dem Händler Gegenstände verkaufen oder Dienstleistungen erbringen, die Mehrwertsteuer von ihren Erwerbern einziehen und dann verschwinden, ohne die Mehrwertsteuer, die sie von ihren Erwerbern eingezogen haben, an die Steuerbehörden abzuführen.
    (8)    ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.
    (9)    Nach der mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2019/310 des Rates (ABl. L 51 vom 22.2.2019, S. 19) erteilten Genehmigung in Polen eingeführt.
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