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Document 52022PC0039

    Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Verlängerung des Anwendungszeitraums der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug

    COM/2022/39 final

    Brüssel, den 10.2.2022

    COM(2022) 39 final

    2022/0027(CNS)

    Vorschlag für eine

    RICHTLINIE DES RATES

    zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Verlängerung des Anwendungszeitraums der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug


    BEGRÜNDUNG

    1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

    Gründe und Ziele des Vorschlags

    Zweck des vorliegenden Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 1 (im Folgenden „MwSt-Richtlinie“) ist die Verlängerung 1) der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden, um Betrug bei der Lieferung bzw. Erbringung von unter Artikel 199a Absatz 1 der MwSt-Richtlinie fallenden Gegenständen und Dienstleistungen zu bekämpfen, und 2) der Möglichkeit, den Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der MwSt-Richtlinie in sehr spezifischen Fällen durch die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zur Betrugsbekämpfung zu nutzen.

    Gemäß Artikel 193 der MwSt-Richtlinie schuldet generell der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt. Abweichend davon erlaubt die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, dass die Mehrwertsteuer von dem Empfänger der Leistung geschuldet wird. Im Rahmen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft wird die Mehrwertsteuer nicht vom Lieferer oder Dienstleistungserbringer in Rechnung gestellt, sondern vom (steuerpflichtigen) Erwerber oder Leistungsempfänger in seiner Mehrwertsteuererklärung ausgewiesen. Diese Mehrwertsteuer wird dann in derselben Mehrwertsteuererklärung in Abzug gebracht, sodass, sofern diese Person voll abzugsberechtigt ist, das Ergebnis gleich null ist.

    Die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft dient der Bekämpfung von Betrug und insbesondere des innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs (MTIC-Betrugs). Bei letzterem erwirbt ein Händler mehrwertsteuerfrei Gegenstände, die aus einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden, und stellt beim Weiterverkauf dem Erwerber die Mehrwertsteuer in Rechnung. Nach Erhalt der Mehrwertsteuer vom Erwerber verschwindet ein solcher Händler, ohne die fällige Mehrwertsteuer an die Steuerbehörden abzuführen. Zugleich kann der Erwerber, der in gutem Glauben handelt, die Mehrwertsteuer, die er an den Lieferer gezahlt hat, in der Regel über seine Mehrwertsteuererklärung abziehen. Daher wird die Mehrwertsteuer im Rahmen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nicht effektiv an den Lieferer gezahlt.

    Die Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, die sich auf Artikel 199a der MwSt-Richtlinie stützt, ist für die Mitgliedstaaten fakultativ. Sie ermöglicht es den Mitgliedstaaten, diese Art von Betrug in den vorab festgelegten sensiblen Bereichen, in denen er typischerweise in ihrem Hoheitsgebiet auftritt 2 , zu bekämpfen. Sobald Lieferer verpflichtet sind, die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei solchen inländischen Lieferungen anzuwenden, können sie keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Sie erhalten folglich vom Erwerber keine Mehrwertsteuer und können somit auch nicht mit dem erhaltenen Mehrwertsteuerbetrag verschwinden. Beim Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b handelt es sich um eine Ausnahmemaßnahme, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, in Fällen äußerster Dringlichkeit rasch eine befristete Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für Lieferungen von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen in Sektoren einzuführen, bei denen unvermittelt auftretende und schwerwiegende Betrugsfälle verzeichnet wurden und die nicht in Artikel 199a der MwSt-Richtlinie aufgeführt sind. Dieses Verfahren ist außergewöhnlich und sehr schnell, da die Kommission innerhalb eines Monats entweder mit einer ablehnenden Stellungnahme reagieren oder dem betreffenden Mitgliedstaat schriftlich bestätigen muss, dass sie keine Einwände gegen die Maßnahme erhebt. Der Mitgliedstaat kann die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus ab dem Zeitpunkt des Eingangs dieser Bestätigung erlassen. Durch die Anwendung dieser Maßnahme können die Mitgliedstaaten die Zeit bis zur Ermächtigung zur Einführung einer regulären abweichenden Sondermaßnahme gemäß Artikel 395 der MwSt-Richtlinie, die bis zu sechs Monate dauern kann, überbrücken. Eine solche abweichende Sondermaßnahme erfordert einen Vorschlag der Kommission und eine einstimmige Annahme durch den Rat.

    Artikel 199a der MwSt-Richtlinie wurde für den Zeitraum von 2010 bis zum 30. Juni 2015 eingeführt 3 und erstmals mit Änderungen bis zum 31. Dezember 2018 verlängert 4 . Artikel 199b der MwSt-Richtlinie wurde für den Zeitraum von 2013 bis zum 31. Dezember 2018 eingeführt 5 . Die Artikel 199a und 199b der MwSt-Richtlinie wurden anschließend bis zum 30. Juni 2022 verlängert 6 , um sie mit dem ursprünglich für das Inkrafttreten des endgültigen Mehrwertsteuersystems vorgesehenen Datum in Einklang zu bringen (weitere Einzelheiten siehe unten).

    Zum Zeitpunkt der Verlängerung des Anwendungszeitraums der Artikel 199a und 199b der MwSt-Richtlinie bis zum 30. Juni 2022 legte die Kommission einen Bericht über die Auswirkungen der in diesen Artikeln vorgesehenen Mechanismen vor 7 , in dem sie, gestützt auf die Beiträge von Steuerverwaltungen und Interessenträgern aus der Wirtschaft, zu dem Schluss kam, dass die in diesen Artikeln vorgesehenen Maßnahmen für die Betrugsbekämpfung ein nützliches Instrument sind.

    Um das Problem des innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs (MTIC-Betrugs) strukturell zu behandeln, hat die Kommission einen Vorschlag zur Einführung des sogenannten endgültigen Mehrwertsteuersystems vorgelegt, das ein einfacheres und betrugssicheres System für den Warenverkehr innerhalb der Union sein soll 8 . Diese Regelung, die auf Vorschlag der Kommission am 1. Juli 2022 in Kraft treten soll, stellt eine grundlegende Maßnahme zur Bekämpfung des MTIC-Betrugs dar.

    Der Sachstand der laufenden Verhandlungen im Rat deutet jedoch darauf hin, dass das endgültige Mehrwertsteuersystem am 1. Juli 2022 noch nicht in Kraft treten wird. Damit die Verhandlungen über das endgültige System fortgesetzt werden können, ohne den Einsatz der verfügbaren Instrumente zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs zu gefährden, sollten die in den genannten Artikeln enthaltenen Betrugsbekämpfungsmaßnahmen um einen weiteren begrenzten Zeitraum verlängert werden.

    Durch eine Verlängerung des Anwendungszeitraums der Artikel 199a und 199b könnten zudem weitere Instrumente zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung entwickelt werden. Zu diesem Zweck erarbeitet die Kommission entsprechend dem Steuerpaket 9 einen Vorschlag zur Modernisierung der derzeitigen Mehrwertsteuervorschriften unter Berücksichtigung der Möglichkeiten, die digitale Technologien bieten. Unter dem Titel „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ wird die Kommission die Mehrwertsteuermeldepflichten bewerten, möglicherweise einschließlich der umsatzbasierten Meldung und eines verbesserten Systems der elektronischen Rechnungsstellung. Dadurch sollten schnellere und ausführlichere Informationen über einzelne Umsätze an die Steuerverwaltungen geliefert werden und somit das Betrugsrisiko verringert werden. Auf der Grundlage dieser rechtlichen Entwicklungen sollte die Notwendigkeit einer weiteren Verlängerung der Artikel 199a und 199b zukünftig neu bewertet werden.

    Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

    Mit dem vorliegenden Vorschlag werden die in den Artikeln 199a und 199b der MwSt-Richtlinie festgelegten Maßnahmen um einen begrenzten Zeitraum verlängert, während die Verhandlungen im Rat über den Vorschlag für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem fortgesetzt werden; dieser Vorschlag sieht auch Änderungen der Artikel 199a und 199b der MwSt-Richtlinie zur Anpassung an die Funktionsweise dieses endgültigen Systems vor. Da sich das endgültige Mehrwertsteuersystem auf Gegenstände bezieht, würden die Artikel 199a und 199b auf Dienstleistungen beschränkt.

    Die Verlängerung steht auch im Einklang mit dem Zeitplan der Kommission für die Vorbereitungen für neue Meldevorschriften als Betrugsbekämpfungsmaßnahme, die eine Umkehrung der Steuerschuldnerschaft möglicherweise nicht länger erforderlich machen. Selbst wenn diese neuen Meldevorschriften bald angenommen würden, wäre jedoch ein Zeitraum erforderlich, in dem die Steuerpflichtigen sich an die neuen Vorschriften anpassen können; eine Verlängerung bis Ende 2025 erscheint daher angemessen.

    Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

    Der Artikel 199a der MwSt-Richtlinie umfasst unter anderem die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft beim Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der EU (EU-Emissionshandelssystem (EHS)). Zur Unterstützung der Ziele des Grünen Deals, insbesondere im Hinblick auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen um 55 % bis 2030, ist es von entscheidender Bedeutung, dass das EHS stärker vor (Karussell-)Betrug geschützt wird, um zu verhindern, dass neben den finanziellen Verlusten die Glaubwürdigkeit des Systems Schaden nimmt.

    2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

    Rechtsgrundlage

    Mit der Richtlinie wird die MwSt-Richtlinie auf der Grundlage des Artikels 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geändert.

    Da mit dem Vorschlag die Anwendung einiger Bestimmungen der Richtlinie verlängert wird, ist eine Änderung der MwSt-Richtlinie erforderlich.

    Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

    Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip (Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union) wird die Union nur dann tätig, wenn die verfolgten Ziele auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.

    Das Ziel, Betrug durch die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft und die Möglichkeit zu bekämpfen, den Schnellreaktionsmechanismus zur Bekämpfung unvermittelt auftretender und schwerwiegender Betrugsfälle zu nutzen, wird am besten auf Unionsebene erreicht und hat eine spezifische Rechtsgrundlage in der MwSt-Richtlinie. Die Verlängerung dieser Maßnahmen erfordert daher eine Änderung der MwSt-Richtlinie.

    Verhältnismäßigkeit

    Aufgrund des fakultativen und befristeten Charakters der verlängerten Maßnahmen ist der Vorschlag verhältnismäßig in Bezug auf das angestrebte Ziel der Betrugsbekämpfung bei bestimmten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen und unterstützt die Mitgliedstaaten dabei, unvermittelt auftretende und schwerwiegende Betrugsfälle zu bekämpfen.

    Wahl des Instruments

    Zur Änderung der MwSt-Richtlinie wird eine Richtlinie vorgeschlagen.

    3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

    Ex-post-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften

    Die Kommission legte zum Zeitpunkt der Verlängerung einen Bericht über das Funktionieren und die Auswirkungen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in Bezug auf die Artikel 199a und 199b der MwSt-Richtlinie vor 10 , in dem sie zu dem Schluss kam, dass die in diesen Artikeln vorgesehenen Maßnahmen für die Betrugsbekämpfung ein nützliches Instrument sind.

    Diese eingehende Analyse wurde erst kürzlich durchgeführt und die MwSt-Richtlinie wurde seitdem in Bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen und die praktischen Modalitäten für die Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nicht geändert. Ferner wurde die MwSt-Richtlinie nicht wesentlich in Richtung einer strukturelleren Bekämpfung des MTIC-Betrugs geändert. Schließlich liegen den Dienststellen der Kommission keine Informationen über weitere Bereiche vor, die anfällig für MTIC-Betrug wären und für die die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft das richtige Instrument wäre. Aus diesen Gründen ist die Schlussfolgerung vertretbar, dass die oben genannten Feststellungen nach wie vor gültig sind.

    Konsultation der Interessenträger

    Für den oben genannten Bericht wurden die Mitgliedstaaten gebeten, ihre Erfahrungen mit den Maßnahmen und ihre Bewertung derselben mitzuteilen. Die Interessenträger wurden über die MwSt-Expertengruppe konsultiert.

    Die Mitgliedstaaten erachteten die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gemäß Artikel 199a der MwSt-Richtlinie im Allgemeinen als ein wirksames und effizientes Instrument zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs. Durch die Einführung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ging der Betrug in den betreffenden Sektoren deutlich zurück oder wurde vollständig unterbunden. Diese Auffassung teilten auch die befragten Unternehmen, die die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft als eine effiziente zeitlich befristete Maßnahme zur Betrugsbekämpfung ansehen.

    Den Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der MwSt-Richtlinie hielten die meisten Mitgliedstaaten – wenngleich er niemals angewandt wurde – weiterhin für ein nützliches Instrument und eine Vorsichtsmaßnahme zur Bekämpfung außergewöhnlicher Fälle von unvermittelt auftretendem Mehrwertsteuerbetrug.

    Einholung und Nutzung von Expertenwissen

    Im Rahmen des oben genannten Berichts wurde die MwSt-Expertengruppe zu dem Funktionieren und zu den Auswirkungen der in Artikel 199a der MwSt-Richtlinie vorgesehenen Maßnahme konsultiert. Die Rückmeldungen ließen darauf schließen, dass die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei bestimmten Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen als effizientes zeitlich befristetes Instrument der Betrugsbekämpfung angesehen wurde.

    Die fakultative Umkehrung der Steuerschuldnerschaft wurde bereits in früheren Studien bewertet 11 . In der Folgenabschätzung zu dem Vorschlag bezüglich einer befristeten generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft 12 wurde eine Bewertung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (auch im Vergleich zur sektorspezifischen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft) im Binnenmarkt vorgenommen.

    Folgenabschätzung

    Durch die Initiative werden die in den Artikeln 199a und 199b der MwSt-Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs unterstützen, für einen weiteren befristeten Zeitraum verlängert, während eine umfassende Reform des MwSt-Systems von den Mitgliedstaaten im Rat erörtert wird.

    Angesichts der laufenden Arbeiten der Kommission zur endgültigen Mehrwertsteuerregelung und zur Modernisierung der Meldepflichten sowie deren voraussichtlichen Auswirkungen auf die Betrugsbekämpfung wäre es zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll, eine erneute Bewertung durchzuführen oder die Maßnahmen zu überarbeiten, da jegliche Schlussfolgerung vorübergehend wäre und unter Berücksichtigung der möglichen neuen Regelungen erneut geprüft werden müsste.

    4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

    Der Vorschlag hat keine negativen Auswirkungen auf den Unionshaushalt.

    5.WEITERE ANGABEN

    Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

    In Bezug auf die fakultative Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in Artikel 199a der MwSt-Richtlinie werden zwei Änderungen vorgeschlagen.

    Erstens wird der Anwendungszeitraum bis Ende 2025 verlängert. Diese Frist scheint angemessen zu sein, damit der Rat die Verhandlungen über das endgültige Mehrwertsteuersystem fortsetzen kann. Sollte das endgültige Mehrwertsteuersystem nicht vor diesem Zeitpunkt in Kraft treten, könnte die Regelung des Artikels 199a der MwSt-Richtlinie aufgrund der Verfallsklausel im Jahr 2025 auslaufen. Sollte das endgültige Mehrwertsteuersystem vor 2025 in Kraft treten, werden die Artikel 199a und 199b geändert, und die derzeit geltenden zu verlängernden Vorschriften werden somit ersetzt.

    Diese Verlängerung steht auch im Zusammenhang mit der Ausarbeitung und Annahme eines Vorschlags der Kommission zur Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter, für den zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Angaben zum Datum des Inkrafttretens gemacht werden können. Die Annahme des Vorschlags durch die Kommission ist für 2022 geplant. Ende 2025 ist daher auch in diesem Zusammenhang eine angemessene Frist für die Annahme des Vorschlags durch den Rat.

    Sollte bis Ende 2025 weder das endgültige System noch die Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter eingeführt werden, würde eine weitere Verlängerung der Artikel 199a und 199b der MwSt-Richtlinie in Betracht gezogen.

    Zweitens wird eine kleine technische Änderung in Bezug auf die Streichung veralteter Meldepflichten vorgenommen, auf die sich der oben genannte Bericht der Kommission stützte.

    In Bezug auf den Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der MwSt-Richtlinie wird der Anwendungszeitraum ebenfalls bis Ende 2025 verlängert.

    2022/0027 (CNS)

    Vorschlag für eine

    RICHTLINIE DES RATES

    zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Verlängerung des Anwendungszeitraums der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug

    DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 113,

    auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

    nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

    nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments 13 ,

    nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 14 ,

    gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)Mehrwertsteuerbetrug führt zu erheblichen Einnahmenverlusten und beeinträchtigt das Funktionieren des Binnenmarktes.

    (2)Artikel 199a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates 15 erlaubt den Mitgliedstaaten, bei der Bezahlung der Mehrwertsteuer auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen, die betrugsanfällig sind, insbesondere für den innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrug (MTIC-Betrug), fakultativ die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in Anspruch zu nehmen. Die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der genannten Richtlinie bietet den Mitgliedstaaten unter bestimmten strengen Bedingungen ein schnelleres Verfahren für die Einführung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft und damit eine angemessenere und wirksamere Reaktionsmöglichkeit bei unvermittelt auftretenden und schwerwiegenden Betrugsfällen. Beide Artikel laufen am 30. Juni 2022 aus.

    (3)Die Kommission hat zwei Legislativvorschläge 16 für die Einführung des endgültigen Mehrwertsteuersystems angenommen, das eine umfassende Antwort auf MTIC-Betrug bieten soll. Diese Vorschläge, die ursprünglich am 1. Juli 2022 in Kraft treten sollten, werden im Rat noch verhandelt, und es ist absehbar, dass sie nicht vor diesem Datum angenommen werden und somit nicht zu diesem Zeitpunkt in Kraft treten.

    (4)Anknüpfend an das Steuerpaket 17 arbeitet die Kommission unter dem Titel „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ auch an einem Vorschlag zur Modernisierung der Meldevorschriften, ein System, das – möglicherweise in Echtzeit – den Steuerverwaltungen ausführliche Informationen über einzelne Umsätze liefern und die Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft obsolet machen könnte.

    (5)Im Jahr 2018 berichtete die Kommission über ihre Feststellungen zu den Auswirkungen der in den Artikeln 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG vorgesehenen Mechanismen auf die Betrugsbekämpfung 18 . Dem Bericht zufolge erachteten die Mitgliedstaaten und Interessenträger die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gemäß Artikel 199a der MwSt-Richtlinie im Allgemeinen als wirksames, befristetes Instrument zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs. Ferner betrachteten die Mitgliedstaaten dem Bericht zufolge den Schnellreaktionsmechanismus als nützliches Instrument und als Vorsichtsmaßnahme gegen außergewöhnliche Fälle von MwSt-Betrug. Seitdem wurden die rechtlichen Voraussetzungen oder praktischen Modalitäten für die Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft im derzeitigen Mehrwertsteuersystem der EU nicht geändert. Zudem wurde die MwSt-Richtlinie nicht wesentlich in Richtung einer strukturelleren Bekämpfung des MTIC-Betrugs geändert. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass diese Feststellungen und Erwägungen nach wie vor weitgehend gültig sind.

    (6)Daraus folgt, dass sich die Maßnahmen der Artikel 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates als befristete und gezielte Maßnahmen als nützliches Instrument erwiesen haben. Mit ihrem Auslaufen würde den Mitgliedstaaten ein wirksames Instrument zur Betrugsbekämpfung genommen; daher sollten diese Maßnahmen um einen weiteren begrenzten Zeitraum verlängert werden, damit im Rat Verhandlungen über das endgültige Mehrwertsteuersystem geführt werden können und damit die in der Zwischenzeit anzunehmende Modernisierung der Meldepflichten weiterentwickelt werden kann.

    (7)Die Richtlinie 2006/112/EG sollte daher entsprechend geändert werden —

    HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

    Artikel 1

    Die Richtlinie 2006/112/EG wird wie folgt geändert:

    1)Artikel 199a wird wie folgt geändert:

    a)In Absatz 1 erhält der einleitende Teil folgende Fassung:

    „Die Mitgliedstaaten können bis zum 31. Dezember 2025 vorsehen, dass die Mehrwertsteuer von dem steuerpflichtigen Empfänger der folgenden Leistungen geschuldet wird:“

    b)die Absätze 3, 4 und 5 werden gestrichen.

    2)Artikel 199b Absatz 6 erhält folgende Fassung:

    „(6) Die in Absatz 1 vorgesehene Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus gilt bis zum 31. Dezember 2025.“

    Artikel 2

    Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Artikel 3

    Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

    Geschehen zu Brüssel am […]

       Im Namen des Rates

       Der Präsident /// Die Präsidentin

    (1)    Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1).
    (2)    Beispielsweise die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten sowie von Gas- und Elektrizitätszertifikaten, die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, die Lieferung von Mobilfunkgeräten sowie von Getreide und anderen Handelsgewächsen.
    (3)    Richtlinie 2010/23/EU des Rates vom 16. März 2010 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf eine fakultative und zeitweilige Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens auf die Erbringung bestimmter betrugsanfälliger Dienstleistungen (ABl. L 72 vom 20.3.2010, S. 1).
    (4)    Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22. Juli 2013 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf eine fakultative und zeitweilige Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) auf Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 4).
    (5)    Richtlinie 2013/42/EU des Rates vom 22. Juli 2013 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1).
    (6)    Richtlinie (EU) 2018/1695 des Rates vom 6. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf den Anwendungszeitraum der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug (ABl. L 282 vom 12.11.2018, S. 5).
    (7)    Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Auswirkungen der Artikel 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates auf die Betrugsbekämpfung (COM(2018118/2).
    (8)    Die vorgeschlagene Einführung des endgültigen Mehrwertsteuersystems beruht auf zwei Vorschlägen für Richtlinien des Rates: zum einen über die Grundsätze des Systems und zum anderen über die technischen Maßnahmen zur Gewährleistung einer wirksamen Funktionsweise des Systems. Dabei handelt es sich um folgende Vorschläge:
    Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems und zur Einführung des endgültigen Systems der Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten (COM(2017569 final). Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Einführung der detaillierten technischen Maßnahmen für die Anwendung des endgültigen Mehrwertsteuersystems für die Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten (COM(2018329).
    (9)    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – „Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie“ (COM(2020312 final).
    (10)    Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Auswirkungen der Artikel 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates auf die Betrugsbekämpfung (COM(2018118/2).
    (11)    Siehe: https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2016-09/kp_07_14_060_en.pdf
    (12)    Folgenabschätzung für den Vorschlag zur befristeten generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts (SWD/2016/457).
    (13)    ABl. C vom , S. .
    (14)    ABl. C vom , S. .
    (15)    Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1).
    (16)    Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems und zur Einführung des endgültigen Systems der Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten (COM(2017569 final) und
    Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie
    2006/112/EG in Bezug auf die Einführung der detaillierten technischen Maßnahmen für die Anwendung des endgültigen Mehrwertsteuersystems für die Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten (COM(2018329 final).
    (17)    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – „Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie“ (COM(2020312 final).
    (18)    Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Auswirkungen der Artikel 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates auf die Betrugsbekämpfung (COM(2018118/2).
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