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Document 52022DC0233

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN ENTLASTUNG UND WIEDERAUFBAU DER UKRAINE

COM/2022/233 final

Brüssel, den 18.5.2022

COM(2022) 233 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

ENTLASTUNG UND WIEDERAUFBAU DER UKRAINE













I.EINLEITUNG

Der unprovozierte, ungerechtfertigte Angriff Russlands auf die Ukraine hat schreckliches menschliches Leid und massive Zerstörungen in Städten und Gemeinden verursacht. Es gibt Todesopfer, Existenzgrundlagen gehen verloren, über zwölf Millionen Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen und fast sechs Millionen – die Hälfte davon Kinder – mussten aus ihrem Land fliehen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Angesichts des russischen Angriffs haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, unter Beweis gestellt 1 und unverzüglich Unterstützung für die ukrainische Regierung mobilisiert, damit diese funktionsfähig bleibt. Die Union hat Soforthilfe zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit, humanitäre und militärische Hilfe geleistet und weitere Unterstützungsmaßnahmen ergriffen. Die Kommission koordiniert ihre bislang größte Operation im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens mit einem breiten Spektrum an Unterstützungsmaßnahmen. Diese erstrecken sich unter anderem auf die Bereiche Gesundheit, Energie, Nahrungsmittel und Landwirtschaft und umfassen die Bereitstellung von Unterkünften, Maschinen und medizinischer Ausrüstung sowie die Durchführung von Evakuierungen. Um die Ukraine zu unterstützen, hat die Kommission zudem Maßnahmen zur Erleichterung des Handels vorgeschlagen, insbesondere die Aussetzung der Zölle auf Ausfuhren aus der Ukraine und die Einrichtung von Solidaritätskorridoren, um der Ukraine die Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu erleichtern. Die Hilfsbereitschaft der EU kommt auch in der Aktivierung der Richtlinie über vorübergehenden Schutz zum Ausdruck: Die aus der Ukraine geflohenen Menschen erhalten hierdurch Zugang zu Arbeit, Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung in der gesamten EU. Die Kommission wird die Ukraine und ihre Bevölkerung weiterhin unterstützen und hierfür im Rahmen eines „Team Europa“-Konzepts mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten.

Die Wirtschaftslage in der Ukraine hat sich aufgrund der Kampfhandlungen im ganzen Land rasch verschlechtert. Das BIP wird in diesem Jahr voraussichtlich um 30 bis 50 % absinken, und die Steuereinnahmen sind um 50 bis 80 % zurückgegangen. Die ukrainischen Häfen am Asowschen Meer und am Schwarzen Meer sind aufgrund der russischen Militäraktionen weiter blockiert, wodurch der Ukraine dringend benötigte Ausfuhrerlöse entgehen. Der geschätzte Gesamtschaden beläuft sich bereits auf mehrere hundert Milliarden Euro, wovon allein über 100 Mrd. EUR auf Schäden an der physischen Infrastruktur entfallen.

Um die Ukraine in diesem Krieg zu unterstützen, das Land wiederaufzubauen und seinen Bürgerinnen und Bürgern neue Chancen zu eröffnen, bedarf es erheblicher globaler finanzieller Anstrengungen. Deshalb ist es wichtig, die Kernelemente dieser internationalen Bemühungen bereits jetzt zu definieren, auch wenn der Angriff Russlands noch andauert. In seinen Schlussfolgerungen vom März 2022 hat sich der Europäische Rat darauf verständigt, einen Solidaritätsfonds für die Ukraine aufzubauen, und internationale Partner ersucht, sich daran zu beteiligen. Ferner forderte der Europäische Rat die Kommission auf, die technische Hilfe weiter zu verstärken, um die Ukraine bei der Umsetzung der notwendigen Reformen zu unterstützen.

Ein Wiederaufbau dieser Größenordnung auf dem europäischen Kontinent erfordert eine starke Führungsrolle der Europäischen Union, die hierfür proaktiv mit internationalen Partnern zusammenarbeiten sollte. Die Ukraine ist durch das Assoziierungsabkommen und die vertiefte und umfassende Freihandelszone eng mit der Europäischen Union verbunden. Am 28. Februar 2022 stellte die Ukraine einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft und bekundete ihren starken Willen, den Wiederaufbau mit den für den europäischen Weg des Landes erforderlichen Reformen zu verknüpfen.

In der vorliegenden Mitteilung wird die Reaktion der Union skizziert, um die unmittelbare Finanzierungslücke der Ukraine zu schließen und einen längerfristigen Rahmen für den Wiederaufbau zu schaffen.

II.UNMITTELBARE ENTLASTUNG

Die kurzfristige Reaktion betrifft den aktuellen Zeitraum, in dem noch keine umfangreichen Wiederaufbaumaßnahmen in Betracht gezogen werden können. In dieser Phase konzentriert sich die Hilfe hauptsächlich auf die notwendige operative Unterstützung der ukrainischen Regierung, ergänzt durch Soforthilfe und humanitäre Hilfe.

Bereits geleistete Unterstützung

Die EU unterstützt die Ukraine bereits seit Längerem, und diese Unterstützung hat Ergebnisse hervorgebracht. So hat die EU die Ukraine in erheblichem Umfang finanziell unterstützt – im Zeitraum 2014 bis 2021 mit 1,7 Mrd. EUR an Finanzhilfen im Rahmen des Europäischen Nachbarschaftsinstruments, 5,6 Mrd. EUR als Darlehen im Rahmen von fünf Makrofinanzhilfeprogrammen, 194 Mio. EUR im Rahmen der humanitären Hilfe und 355 Mio. EUR über außenpolitische Instrumente. Unter enger Einbindung der Mitgliedstaaten nach dem „Team Europa“-Konzept unterstützt die EU die Ukraine bei der Entwicklung politischer Strategien und bei der Umsetzung umfassender Reformen. Wegweisend sind hier die Programme für die Dezentralisierung, für die Reform der öffentlichen Verwaltung und zur Korruptionsbekämpfung.

Seit Beginn des russischen Angriffs hat die EU ihre Unterstützung verstärkt und rund 4,1 Mrd. EUR für die allgemeine wirtschaftliche, soziale und finanzielle Widerstandsfähigkeit der Ukraine mobilisiert – in Form von Makrofinanzhilfen, Budgethilfe, Nothilfe, Krisenreaktion und humanitärer Hilfe. Im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität wurden militärische Hilfsmaßnahmen für die Ukraine im Umfang von 1,5 Mrd. EUR geleistet, und weitere 500 Mio. EUR stehen in Aussicht. 

Im Vorfeld und während des Krieges hat die EU eng mit europäischen Finanzinstitutionen zusammengearbeitet, um die Ukraine zu unterstützen. Seit 2014 haben die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Darlehen in Höhe von über 10 Mrd. EUR für die Ukraine mobilisiert. In den letzten Wochen hat die Europäische Investitionsbank insgesamt 668 Mio. EUR an den ukrainischen Haushalt ausgezahlt. Zudem arbeitet die EU eng mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds zusammen, die seit 2014 die ukrainischen Bemühungen maßgeblich unterstützen.

Kurzfristige Entlastung

Während durch den Krieg auf der einen Seite die Steuereinnahmen, die Ausfuhrerlöse und die sonstigen Einnahmen weggebrochen sind und zudem in großem Umfang Vermögenswerte und Exportgüter, beispielsweise im Agrarsektor, illegal vereinnahmt wurden, schnellten auf der anderen Seite die grundlegenden Ausgaben in die Höhe. Daher wird die Ukraine kurzfristig finanzielle Entlastungen in erheblichem Umfang benötigen, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten, den humanitären Bedarf zu decken und die wichtigsten mittlerweile zerstörten Infrastrukturen zu reparieren. Der Internationale Währungsfonds schätzt die Finanzierungslücke der Ukraine bis Juni auf rund 14,3 Mrd. EUR (15 Mrd. USD). 2  

Die ukrainische Regierung benötigt auf kurze Sicht weiterhin beträchtliche Mittel, um das Land zu stützen, die makrofinanzielle Stabilität aufrechtzuerhalten und die Belastung des Human- und Sachkapitals abzufedern. Damit dieser Bedarf gedeckt werden kann, sind gemeinsame internationale Anstrengungen erforderlich, und die Union wird bereit sein, ihren Beitrag hierzu zu leisten.

Die Kommission beabsichtigt daher vorzuschlagen, der Ukraine im Jahr 2022 eine neue außerordentliche Makrofinanzhilfe in Form von Darlehen bis zur Höhe von 9 Mrd. EUR zu gewähren, die durch Unterstützung vonseiten anderer bilateraler und multilateraler internationaler Partner – auch im G7-Format – ergänzt werden soll. Diese Darlehen würden in Tranchen ausgezahlt und hätten dank Garantien aus dem Unionshaushalt eine lange Laufzeit und günstige Zinssätze.

Um dies zu ermöglichen, sollten die Mitgliedstaaten beschließen, Garantien zur Ergänzung der für diesen Zweck ausgewiesenen Rückstellungen in der entsprechenden Komponente des gemeinsamen Dotierungsfonds der Union bereitzustellen. Zusammen mit Finanzhilfen aus dem EU-Haushalt zur Subventionierung der entsprechenden Zinszahlungen wird dies eine gut koordinierte Entlastung der Ukraine zu ausgesprochen günstigen Bedingungen ermöglichen.

III.WIEDERAUFBAU DER UKRAINE

Die Ukraine wird bei der Beseitigung der Kriegsschäden und beim Wiederaufbau umfassende Unterstützung benötigen, um das Fundament für ein freies und wohlhabendes Land zu schaffen, das in den europäischen Werten verankert und gut in die europäische und globale Wirtschaft integriert ist, und um dieses Land auf seinem europäischen Weg zu begleiten.

Die Wiederaufbaubemühungen müssen auf der Eigenverantwortung der Ukraine basieren, auf einer engen Zusammenarbeit und Koordinierung mit unterstützenden Ländern und Organisationen und auf der strategischen Partnerschaft der Ukraine mit der Union. Der Wiederaufbau wird auch eine Mobilisierung von Ressourcen auf regionaler und lokaler Ebene erfordern. Peer-to-Peer-Zusammenarbeit und Programme, die sich auf Partnerschaften zwischen Städten und Regionen in der Europäischen Union und in der Ukraine stützen, werden den Wiederaufbau bereichern und beschleunigen.

Bereits jetzt zeichnen sich beim Wiederaufbau vier tragende Säulen ab:

·Neuaufbau des Landes, insbesondere von Infrastrukturen, Gesundheitsdiensten, Wohnraum und Schulen, und Gewährleistung von digitaler Resilienz und Energieresilienz im Einklang mit den jüngsten europäischen Strategien und Standards;

·weitere Modernisierung des Staates und seiner Institutionen, um verantwortungsvolles Regierungshandeln und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, und zwar durch Unterstützung der Verwaltungskapazitäten und technische Hilfe, auch auf regionaler und lokaler Ebene;

·Umsetzung einer Struktur- und Regulierungsagenda mit dem Ziel, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration der Ukraine und ihrer Bevölkerung in die EU im Einklang mit dem europäischen Weg des Landes zu vertiefen;

·Unterstützung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erholung der Ukraine durch Förderung einer nachhaltigen, inklusiven wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und eines nachhaltigen Handels und durch Weiterentwicklung des Privatsektors bei gleichzeitigen Impulsen für den ökologischen und digitalen Wandel des Landes.

Die klare Verknüpfung dieser Maßnahmen mit der umfassenden Reformagenda wird entscheidend für den Erfolg der Wiederaufbaubemühungen sein. Die Ukraine hat im Laufe der Jahre erhebliche Reformfortschritte erzielt. Es wird wichtig sein, diese Reformen zu konsolidieren und zu beschleunigen, sobald die Wiederaufbauanstrengungen in vollem Umfang anlaufen. Der Wiederaufbau sollte mit der europäischen grünen und digitalen Agenda im Einklang stehen, er sollte die Resilienz stärken und er sollte ausgerichtet sein auf die Achtung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, unter anderem mit Blick auf Korruptionsbekämpfung, Justizwesen, öffentliche Verwaltung und verantwortungsvolles Regierungshandeln.

Angesichts des Ausmaßes der bisherigen Kriegsschäden ist mit einem erheblichen Finanzbedarf für den Wiederaufbau zu rechnen, und möglicherweise werden die Wiederaufbaubemühungen mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen. Die Kommission wird eng mit der Ukraine, internationalen Partnern und internationalen Finanzinstitutionen zusammenarbeiten, um den Wiederaufbaubedarf zu bewerten und zu prüfen, wie dieser am besten gedeckt werden kann.

Wiederaufbau unter der Federführung der Ukraine, eingebettet in den europäischen Weg des Landes

Den Rahmen für die Wiederaufbaumaßnahmen sollte ein übergeordneter strategischer Wiederaufbauplan („RebuildUkraine“) bilden, für den die ukrainischen Behörden die volle Verantwortung tragen 3 und der von der Union und anderen internationalen Partnern gebilligt wird. Im „RebuildUkraine“-Plan sollen die wichtigsten Reformen und Investitionen dargelegt werden, die für den Aufbau eines florierenden, zukunftsfähigen Landes erforderlich sind.

Die ukrainische Regierung hat eindeutig ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, den Wiederaufbauplan „RebuildUkraine“ in eine strategische Partnerschaft mit der Europäischen Union einzubetten. Dies spielgelt die engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen wider, die auf dem Assoziierungsabkommen mit seiner vertieften und umfassenden Freihandelszone und dem kürzlich gestellten Antrag der Ukraine auf EU-Mitgliedschaft beruhen. Die klare Verknüpfung mit der umfassenden Reformagenda wird für den Erfolg des Wiederaufbauprozesses und die Angleichung an den EU-Besitzstand von entscheidender Bedeutung sein.

Die Plattform für den Wiederaufbau der Ukraine

Die Wiederaufbaubemühungen sollten von den ukrainischen Behörden in enger Partnerschaft mit der Europäischen Union und weiteren wichtigen Partnern wie den G7- und den G20-Staaten und anderen Drittländern sowie internationalen Finanzinstitutionen und internationalen Organisationen koordiniert werden.

Hierfür würde eine „Ukraine-Wiederaufbauplattform“ eingerichtet – eine internationale Koordinierungsplattform unter gemeinsamer Federführung der Kommission (im Namen der Europäischen Union) und der ukrainischen Regierung. Die Plattform würde die Unterstützung leistenden Partner und Organisationen zusammenbringen, einschließlich der EU-Mitgliedstaaten, anderer bilateraler und multilateraler Partner und internationaler Finanzinstitutionen. Das ukrainische Parlament und das Europäische Parlament würden als Beobachter teilnehmen. Die Plattform könnte so als universale, einzige Anlaufstelle für alle Maßnahmen zum Wiederaufbau der Ukraine dienen.

Zwar sollte die Verantwortung für diesen Wiederaufbauplan letztlich bei der Ukraine liegen; die Plattform sollte jedoch die strategische Lenkung übernehmen, den übergeordneten strategischen Wiederaufbauplan „RebuildUkraine“ billigen und sicherstellen, dass die bereitgestellte Unterstützung mit dem Plan im Einklang steht. Auf der Grundlage dieses Plans würde die Plattform die für die Finanzierung ausgewählten prioritären Bereiche und die spezifischen Projekte zur Umsetzung dieser Prioritäten festlegen, die Finanzierungsquellen und ‑empfänger zwecks Optimierung des Mitteleinsatzes koordinieren (einschließlich Budgethilfe für den ukrainischen Staat, Investitionsförderung und Garantien für Investitionen des Privatsektors), das Augenmerk auf spezifische Sektoren legen und die Fortschritte bei der Umsetzung des Plans überwachen. Zur effektiven Aufstellung und Umsetzung des Wiederaufbauplans „RebuildUkraine“ benötigt die Ukraine Unterstützung bei den Verwaltungskapazitäten sowie technische Hilfe.

Über die Plattform sollte die Unterstützung der EU mit Initiativen von anderen Partnern, etwa dem Treuhandfonds der Weltbank oder dem Sonderkonto des Internationalen Währungsfonds, unter einem Dach zusammengeführt werden, um eine reibungslose Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Partnern zu gewährleisten, Doppelarbeit zu vermeiden und Synergien freizusetzen, unter anderem durch die gemeinsame Kofinanzierung spezifischer Projekte.

Unterstützung durch die Union

Die Union ist bereit, einen erheblichen Teil der Gesamtbemühungen der internationalen Gemeinschaft zum Wiederaufbau der Ukraine zu übernehmen. Ein gemeinsamer Ansatz der EU für den Wiederaufbau der Ukraine stünde im Interesse der Mitgliedstaaten und der Ukraine und würde dazu beitragen, die Voraussetzungen für eine freie, demokratische, wohlhabende und zukunftsfähige Ukraine zu schaffen, die Teil der europäischen Familie ist. Die Finanzierungsmechanismen der EU bieten darüber hinaus die besten Garantien für eine ordnungsgemäße Verwendung der Mittel.

Der Rahmen für den Beitrag der EU zum Wiederaufbau der Ukraine würde folgende Komponenten umfassen:

·die Fazilität „RebuildUkraine“, ein neues, mit EU-Mitteln ausgestattetes Instrument, das speziell dazu dient, die Wiederaufbaubemühungen und die Angleichung der ukrainischen Wirtschaft an die EU zu finanzieren;

·Unterstützung aus bestehenden Programmen der Union, einschließlich Mischfinanzierungen und Garantien im Rahmen des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit.

Wiederaufbauhilfe und Resilienzförderung (einschließlich humanitärer Hilfe, die verstärkt und im Einklang mit den humanitären Grundsätzen umgesetzt werden muss) werden über mehrere Jahre hinweg Hand in Hand gehen müssen, um den Bedürfnissen besonders stark gefährdeter Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden, darunter Binnenvertriebene, Kriegsopfer (einschließlich Opfern sexueller Gewalt), Minderheiten, Menschen mit Behinderungen, schutzbedürftige Menschen und diejenigen, die von den staatlichen Sozialdiensten nicht erreicht werden.

Die Fazilität „RebuildUkraine“: Kernstück der Unterstützung durch die Union

Die Fazilität „RebuildUkraine“ wäre das wichtigste Rechtsinstrument für die Unterstützung durch die Europäische Union. Die Fazilität würde eine Kombination von Finanzhilfen und Darlehen für den Wiederaufbauplan „RebuildUkraine“ vorsehen und würde in den EU-Haushalt eingebettet, um Transparenz, Rechenschaftspflicht und die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung bei dieser Initiative zu gewährleisten. Die Fazilität würde sich an der EU-orientierten Reformagenda der Ukraine ausrichten; d. h. bei der Unterstützung des Wiederaufbaus der ukrainischen Wirtschaft sollten klare Verbindungen zu Investitionen und Reformen bestehen. Die Fazilität würde sich auf die Erfahrungen stützen, die innerhalb der EU mit der Finanzierung von Investitionen und Reformen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität gesammelt wurden, und würde an die beispiellosen Herausforderungen angepasst, die sich aus dem Wiederaufbau der Ukraine und der Begleitung des Landes auf seinem europäischen Weg ergeben.

Die Fazilität selbst würde über eine spezifische Governance-Struktur verfügen, die eine volle Eigenverantwortung der Ukraine gewährleistet. Sie würde sicherstellen, dass Investitionen – auch in strategisch bedeutsame Digital-, Verkehrs- und Energieinfrastrukturen – mit der Klima- und Umweltpolitik der EU und den entsprechenden Standards in Einklang stehen. Die Reformen im Rahmen der Fazilität würden dazu beitragen, die ukrainische Wirtschaft weiter in den Binnenmarkt zu integrieren, das Geschäftsumfeld zu verbessern (und damit stärkere Anreize für die benötigten ausländischen Direktinvestitionen zu bieten) und die schrittweise Angleichung an das EU-Recht und dessen Einhaltung zu erleichtern. Wichtige Schwerpunkte bei der Umsetzung wären verantwortungsvolles Regierungshandeln, Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Haushaltsführung sowie Korruptionsbekämpfung und Betrugssicherheit.

Mobilisierung von Ressourcen für die Unterstützung durch die Union

Solange der Krieg andauert, lässt sich noch nicht feststellen, wie hoch der Gesamtbedarf der Ukraine für den Wiederaufbau sein wird. Dabei geht es nicht allein um die Wiederherstellung materieller Vermögenswerte, einschließlich der Infrastruktur, sondern es werden auch Budgethilfen für den ukrainischen Staat erforderlich sein. Die Dauer dieser Unterstützung kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau abgeschätzt werden; es ist jedoch von einer mittel- bis langfristigen Perspektive auszugehen.

Auch wenn andere internationale Partner Beiträge leisten, hat die Europäische Union ein strategisches Interesse daran, bei den Bemühungen um den Wiederaufbau der Ukraine eine Führungsrolle zu übernehmen. Dies bedeutet, dass die EU auch einen erheblichen Teil der finanziellen Anstrengungen auf internationaler Ebene zu übernehmen hat. Zugleich bringen der Umfang und das Ausmaß des Vorhabens – Wiederaufbau eines durch einen Krieg geschädigten Landes in Verbindung mit der Unterstützung seines europäischen Weges – insbesondere zu Beginn erhebliche Ausgaben mit sich, die erst im Laufe der Zeit besser vorhersehbar sein werden.

Dieser durch einen Krieg in Europa entstandene unvorhergesehene Bedarf übersteigt deutlich die Mittel, die im derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmen zur Verfügung stehen. Daher müssen neue Finanzierungsquellen erschlossen werden.

Die oben beschriebene Architektur ist flexibel genug, um solche neuen Finanzierungsquellen integrieren zu können. Die zusätzlichen Finanzhilfen für die Ukraine könnten entweder finanziert werden, indem die Mitgliedstaaten (und Drittländer, falls sie dies wünschen) zusätzliche Beiträge zur Fazilität und zu bestehenden Programmen der Union bereitstellen, sodass durch die Finanzierungsmechanismen und Garantien der Union eine ordnungsgemäße Verwendung der Mittel gewährleistet wäre, oder die Finanzierung könnte im Rahmen einer gezielten Überarbeitung des mehrjährigen Finanzrahmens erfolgen. Aus diesen Quellen könnten auch die Darlehen finanziert werden, die der Ukraine im Rahmen der Fazilität gewährt werden sollen. Angesichts des Umfangs der voraussichtlich benötigten Darlehen wäre es auch denkbar, die Mittel für die Darlehen im Namen der EU oder mit nationalen Garantien der Mitgliedstaaten zu beschaffen.

In diesem Zusammenhang kann geprüft werden, inwieweit es möglich ist, im Einklang mit dem nationalen Recht und dem Unionsrecht eingefrorene russische Vermögenswerte als Finanzierungsquelle zu nutzen, beispielsweise im Anschluss an etwaige Strafverfahren wegen krimineller Handlungen im Zusammenhang mit in der EU-Liste aufgeführten russischen bzw. belarussischen Personen und Unternehmen.

IV.FAZIT

Während die internationalen Bemühungen für Soforthilfe und zur Beendigung des russischen Angriffs weiterlaufen, ist es auch an der Zeit, in die Zukunft zu blicken und Vorbereitungen für die bevorstehenden gewaltigen Herausforderungen des Wiederaufbaus zu treffen. Die Wiederaufbaubemühungen müssen unter der Federführung der Ukraine stehen, die dabei maßgeblich und nachhaltig durch die Europäische Union und internationale Partner unterstützt werden muss.

In der vorliegenden Mitteilung wird ein umfassender Rahmen für diese Bemühungen skizziert, der auf den von der Ukraine ermittelten Bedarf abgestimmt ist, dem ökologischen und digitalen Wandel in vollem Umfang Rechnung trägt und in den europäischen Grundwerten verankert ist. Die Investitionen werden dazu beitragen, dass die Ukraine stärker und widerstandsfähiger aus den durch die russische Invasion verursachten Zerstörungen hervorgeht. Mit der Zeit werden die Investitionen die Ukraine auf ihrem europäischen Weg unterstützen.

Die Kommission ersucht das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat, die in dieser Mitteilung dargelegten Anregungen zu billigen. Mit „RebuildUkraine“ sendet die Europäische Union ein weiteres klares Signal aus: Sie macht deutlich, dass sie im Krieg und bei der Überwindung seiner Folgen unverbrüchlich an der Seite der Ukraine steht und dazu beitragen wird, die Ukraine für die nächste Generation stärker wiederaufzubauen.

(1)

Beispielsweise steht den Mitgliedstaaten dank der Kohäsionsmaßnahme für Flüchtlinge in Europa sofortige Liquidität zur Verfügung, und sie können EU-Mittel noch flexibler einsetzen, um die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zu finanzieren.

(2)

Eine solche Schätzung einer Finanzierungslücke ist immer mit einer großen Unsicherheit behaftet; der Internationale Währungsfonds hat jedoch eng mit den ukrainischen Behörden zusammengearbeitet, um eine solide Schätzung des Bedarfs aufzustellen, auf die sich u. a. die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgieva, auf der Frühjahrstagung vom 21. April 2022 berufen hat.

(3)

 Die ukrainische Regierung hat einen nationalen Rat für den Wiederaufbau eingerichtet, der beauftragt wurde, einen Plan für den Wiederaufbau und die Entwicklung der Ukraine nach dem Ende des Krieges auszuarbeiten. Bei der Aufstellung dieses Plans wird sich der Rat auf die Kooperationsfähigkeit und die institutionellen Kapazitäten stützen können, die die ukrainischen Behörden auf allen Ebenen, die Kommunalverwaltungen und die Zivilgesellschaft auf bemerkenswerte Weise unter Beweis gestellt haben (Verordnung über den nationalen Rat für den Wiederaufbau zur Bewältigung der Kriegsfolgen, angenommen durch Dekret des Präsidenten der Ukraine vom 21. April 2022, Nr. 266/2022). Auf Seiten der EU hat die Europäische Kommission 2014 eine spezielle Unterstützungsgruppe für die Ukraine eingerichtet, um Reformen im Land zu fördern.

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